Nr. 7, April 2015 - Gedenkstätten Schleswig Holstein

v
NEWSLETTER
G EDENKSTÄTTEN
UND
E RINNERUNGSORTE
IN
S CHLESWIG -H OLSTEIN
Nr. 7, April 2015, 4. Jg.
Herausgegeben von der Bürgerstiftung Schleswig -Holsteinische Gedenkstätten
Redaktion: Dr. Harald Schmid
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UND
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IN
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7/2015
INHALT
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EDITORIAL
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LEBENDIGE ERINNERUNG
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FORUM
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Vorstand der Bürgerstiftung
Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten │ Vorwärts aus einer wenig
befriedigenden Situation – zum
Landesgedenkstättenkonzept
Ludwig Fromm │ Bewahren und Erinnern. Artenschutz, Erinnerungsarbeit und Emotionalisierung
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PINNWAND
PROJEKTE UND PERSPEKTIVEN
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Johanna Jürgensen │ Neue Projekte
in Husum-Schwesing
Raimo Alsen │ Projektstart in Ladelund: Angelika Königseder ist Kuratorin der neuen Ausstellung
„‚... ich kann dich sehen‘. Widerstand, Freundschaft und Ermutigung“: Neue Dauerausstellung und
Projektbeginn zur Bildungsarbeit in
der Gedenkstätte Lutherkirche
Karin Penno-Burmeister │ Eine Rose für die Erinnerungskultur in
Schleswig-Holstein oder: Was ist
eigentlich CSR?
Karin Penno-Burmeister │ Soziale
Kaufportale im Internet: Einkaufen
für den guten Zweck – und Gedenkstätten fördern
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LESEZEICHEN
BERICHTE UND INFORMATIONEN
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Dokumentation: Ergebnisprotokoll
des 3. Runden Tisches zur Zukunft
der Gedenkstättenlandschaft und
Erinnerungsarbeit in SchleswigHolstein am 28. Januar 2015
Dokumentation: Weiterentwicklung
und Realisierung des Konzepts für
die Neulandhalle
Dokumentation: Vereinbarung über
die Finanzierungsbeteiligung an der
Gedenkstättenarbeit sowie der För-
derung der Kultur und des kulturellen Erbes in Schleswig-Holstein
Uta Körby │ Aktuelles aus der Landesarbeitsgemeinschaft
Monika M. Metzner-Zinßmeister │
Judenkartei und Schule der Diktatur.
Neue Ausstellungen in der Gedenkstätte Ahrensbök über den NS-Alltag
Jens Rönnau │ Drei neue Ausstellungen im Flandernbunker Kiel
Ausgezeichnetes Engagement: Jens
Rönnau ist neuer Träger der Andreas-Gayk-Medaille
Wissenschaftspreis der Bürgerstiftung erstmals vergeben
Neuer Leiter des Jüdischen Museums Rendsburg
Monika M. Metzner-Zinßmeister │
Todesmarsch 1945–2015
Raimo Alsen │ Eine persönliche und
theologische Geschichte
Gabriele Richter │ Die KZ-Gedenkstätte Wittmoor in Norderstedt
Benefiz-Konzert in Quickborn zum
9. November
Benjamin Hein │ „Die Bekennende
Kirche in Schleswig-Holstein und
die Juden“ – eine Kieler Diskussion
Eckart Schörle │ Erinnerungsarbeit
im östlichen Nachbarland
Neues Internet-Portal zur Shoa ermöglicht länderübergreifende historische Recherchen
AUFGEBLÄTTERT
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Hansjörg Buss │ „Ein blinder Fleck,
‚wie ausgestanzt‘“: Erinnerungen an
das Konzentrationslager Neuengamme in einer dörflichen Lebenswelt
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LITERATURHINWEISE
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TERMINKALENDER
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IMPRESSUM
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EDITORIAL
Sind die Wikinger schuld? Das Projekt eines
Sieben Jahrzehnte nach der bedingungslosen
historischen Lernorts Neulandhalle in Diek-
Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945
sanderkoog – Schleswig-Holsteins einziges
finden landauf, landab Veranstaltungen ver-
Millionenprojekt im Handlungsfeld der Erinne-
schiedenster Art statt. Die Befreiung will ge-
rung an den Nationalsozialismus – ist zumin-
feiert – und reflektiert werden. Auch in
dest vorläufig auf Eis gelegt, und die Landes-
Schleswig-Holstein wird das Datum zum An-
regierung verweist auf den großen Investiti-
lass für diverse Aktionen genommen. Mit Blick
onsbedarf im Schleswiger Wikinger-Museum
auf die Gedenkstättenförderung sticht dabei
Haithabu. Jedenfalls hat Kulturministerin Anke
die „Rosentaufe“ im Schloss Gottorf in Schles-
Spoorendonk im März dem Landtag gegen-
wig hervor, zu der das Fundraisingprojekt
über versichert, dass es vor 2018 keine finan-
ProGedenkstätten am 8. Mai einlädt.
zielle Perspektive für einen solchen Lernort
gebe. Ob das Projekt damit am Ende ist oder
bis dahin „Teilschritte“ vorgezogen werden –
immerhin hat die Nordkirche eine Million Euro
dafür reserviert –, wird derzeit erörtert. Fest
steht allerdings: Nach vier Jahren teilweise
kontroverser Diskussion um und vielfältiger
Werbung für das Projekt Neulandhalle liegt, so
Ministerin Spoorendonk, „derzeit kein konkret
umzusetzendes Konzept mit ausgearbeiteten
In Ladelund und Husum-Schwesing haben die
Projekte unter anderem für neue Aussstellungen begonnen. Auch darüber berichtet der
NEWSLETTER, ebenso wie über den Stand der
Dinge in der Gedenkstätte Lutherkirche in
Lübeck, wo nun ein Projekt zum Aufbau der
Bildungsarbeit in Angriff genommen wird. Die
Bürgerstiftung unterstützt alle drei erwähnten
Projekte.
Finanzierungsmodalitäten und einem entspre-
Der NEWSLETTER enthält nicht nur aktuelle Be-
chenden Zeitplan vor“.
richte, sei es über jüngere Entwicklungen in
Diese neue Ausgabe des NEWSLETTERS greift
nicht nur diese Debatte, sondern auch das
Thema der Landesgedenkstättenkonzeption
auf: „Das Konzept ist zunächst das Basisbekenntnis der Landesregierung und soll nicht
als Endpunkt der Entwicklung, sondern als
Etappenziel gewertet werden.“ So steht es im
Protokoll des 3. Runden Tisches, zu dem Ministerin Spoorendonk Ende Januar eingeladen
hatte und dessen Protokoll wir in dieser
Nummer des NEWSLETTERS dokumentieren. Mit
der im Mai im Landtag debattierten Landesgedenkstättenkonzeption im Besonderen und
der Landesarbeitsgemeinschaft, sei es über
neue Ausstellungen und über Personalia wie
den Stabwechsel in der Leitung des Jüdischen
Museums Rendsburg, sei es über Auszeichnungen und Ehrungen. Er stellt auch einen im
Land wenig bekannten Erinnerungsort vor, die
KZ-Gedenkstätte Wittmoor in Norderstedt.
Zudem blickt der NEWSLETTER wieder einmal
über den hiesigen Tellerrand, indem er ein
Buch über die Rezeption des KZ Neuengamme
vorstellt und über 25 Jahre Gedenkstättenarbeit im benachbarten Bundesland Mecklenburg-Vorpommern informiert.
der Entwicklung der Gedenkstätten im Allge-
Dieser NEWSLETTER war nur möglich durch die
meinen befasst sich auch der Beitrag des Vor-
enge und gute Zusammenarbeit mit allen Mit-
stands
Schleswig-
arbeiterinnen und Mitarbeitern, die Texte und
Holsteinische Gedenkstätten. Er wird ergänzt
Fotos beigetragen oder anderweitig das Er-
von einem Essay von Ludwig Fromm, der sich
scheinen unterstützt haben. Dafür sei allen
Gedanken darüber macht, wie der Artenschutz
Beteiligten herzlich gedankt. ◄
und die Erinnerungsarbeit zusammenhängen.
Gerhard Fouquet, Harald Schmid
der
Bürgerstiftung
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LEBENDIGE ERINNERUNG
„Erinnerungskiste“ eines ehemaligen irakischen Soldaten in der Ausstellung
„Flucht und Vertreibung – 1945 bis heute“. im Flandernbunker Kiel. Foto: Jens Rönnau ◄
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Fragen die Geschichte dieser vormaligen La-
FORUM
ger „entdeckte“ und immer wieder auch auf
Abwehr gegenüber solchen Aufklärungsversu-
Vorwärts aus einer wenig befriedigenden Situation – zum Landesgedenkstättenkonzept
chen stieß. Eine systematische staatliche Förderung der Bildungsarbeit an Gedenkstätten
und Erinnerungsorten hat sich nördlich der
Vorstand der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten
Elbe nur sehr langsam und auf geringem fi-
I.
Wir als BGSH sind daher froh darüber, dass
nanziellem Niveau seit Mitte der 90er-Jahre
herausgebildet.
Viel ist erreicht worden in Schleswig-Holstein
seit 2000 die erste Landesgedenkstättentagung stattfand, seit 2002 die privatrechtliche
‚Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten‘ (BGSH) von Land, Kirchen, Kreisen und privaten Stiftern ins Leben gerufen
wurde, um die ehrenamtlich Aktiven, die im
Zuge des noch unmittelbaren, emotionalen
Erinnerns ‚Gedenkstätten‘ errichteten, zu unterstützen. Wir erinnern nur an die Gründung
der ‚Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein‘ 2012, die wir im Vorstand der BGSH als
besonderen Meilenstein der erinnerungspolitischen Bündelung der dezentralen, weit gestreuten Gedenkstättenlandschaft wahrnehmen. Doch trotz der Gründung der Gedenkstätte Ladelund 1950 als einer der ältesten
deutschen Orte des Erinnerns an die nationalsozialistische Diktatur oder der Errichtung des
Jüdischen
Museums
Rendsburg
1988
–
Schleswig-Holstein ist mit dem Blick auf diese
Erinnerungsarbeit eine ‚verspätete‘ Region.
Vielmehr fand das, was wir heute die „zweite
Geschichte“ nennen, in Schleswig-Holstein
ganz besondere Ausprägungen. Insbesondere
die vielfachen personellen Kontinuitäten, die
der Landtag jetzt mit einem Forschungsprojekt untersuchen lässt, und die späte Wahrnehmung und Würdigung der früheren Orte
die Landesregierung seit 2012 engagiert mit
den Akteuren der Erinnerungsarbeit ein Landesgedenkstättenkonzept
erarbeitete
und
nun in den Landtag einbringt. Dieses Engagement ist freilich nicht nur Papier geblieben,
sondern drückte und drückt sich auch in aktiver Unterstützung aus: 1.) in der Verdopplung des Etats der BGSH (auf ca. 250.000 Euro pro Jahr) mit den Effekten: stärkerer finanzieller Förderung der historischen Lernorte wie gezielter, beratender Tätigkeit und
damit verbunden der stärkeren Professionalisierung der Gedenkstättenarbeit, 2.) in der
Unterstützung eines erfolgreichen Antrags,
der durch die BGSH erst einmal geschrieben,
abgestimmt und begleitet werden musste,
zur Förderung der KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund durch die Beauftragte
der Bundesregierung für Kultur und Medien,
den ersten seiner Art in Schleswig-Holstein
überhaupt, und 3.) endlich nun in der Landesgedenkstättenkonzeption, mit der sich der
Landtag und damit der Souverän aktiv der
Erinnerungsarbeit zur nationalsozialistischen
Diktatur annimmt, sie zu seiner Sache macht.
Doch können wir auch zufrieden mit dem
Stand der Entwicklung und dem vorliegenden
Entwurf für die Zukunft sein?
II.
nationalsozialistischer Verfolgung und Verbre-
Die zurückgelegten Schritte seit 2012 gehen
chen sind hier zu nennen. Das frühe kirchli-
durchaus in die richtige Richtung, doch sie
che Engagement in Ladelund fand erst An-
sind (noch) zu kurz bemessen. Diesen Befund
fang der 80er-Jahre auch an anderen Orten
gibt auch das Landesgedenkstättenkonzept
eine Fortsetzung, als in Kaltenkirchen, Gu-
wieder mit der Formulierung zweier in den
dendorf und Husum-Schwesing bürgerschaft-
nächsten Jahren zu entwickelnden Hand-
liche Initiativen durch beharrliches kritisches
lungsebenen: 1.) der inhaltlichen Weiterentwicklung und 2.) der strukturellen Veranke5
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rung der Erinnerungsarbeit. Doch was heißt
geschichte
das konkret? Und wo sehen wir im Vorstand
Schleswig-Holstein rückt vor diesen Proble-
der BGSH weiteren Handlungsbedarf?
men weit in den Hintergrund. Eine übergrei-
Im Landesgedenkstättenkonzept wird als inhaltliches Ziel der Erinnerungsarbeit eine didaktische Landeskonzeption bis 2018 formuliert. Sie soll zusammen mit den einzelnen
Einrichtungen erarbeitet werden. Das ist richtig so, aber das setzt auch voraus, dass es an
den einzelnen Gedenkstätten Personal gibt,
das über Schulungs- und weitere Qualifizierungsmaßnahmen befähigt wird, die jeweilige
Gedenkstätte tatsächlich auch zu einem historischen Lernort weiterzuentwickeln. Das
Beispiel Ladelund mit seiner jahrelangen verhältnismäßig massiven Unterstützung durch
Kirche und Land und nun auch durch den
Bund, oder auch das Exempel des Jüdischen
Museums Rendsburg (im Verhältnis etwa zur
ebenfalls besonders förderungsfähigen, aber
unterfinanzierten und daher schon als Erinne-
des
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Nationalsozialismus
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fende Ausstellung wäre zweifellos entscheidend, um der jungen Generation, für die die
Jahre zwischen 1933 und 1945 Geschichte
und nicht mehr Teil der unmittelbaren wie
mittelbaren Lebenserfahrung sind, die spezifische Regionalität des Lebens unter der NSDiktatur zu verdeutlichen und sie für Gefährdungen der Menschenrechte und demokratischer Entwicklungen zu sensibilisieren. Aber
wir sehen derzeit lediglich die Möglichkeit als
realistisch an, eines der drei in der Landesgedenkstättenkonzeption angedeuteten Entwicklungskonzepte für eine solche Ausstellung bis 2018 vorzulegen. Die Chancen zur
Realisierung einer dieser Konzeptionen sind
dagegen der zukünftigen politischen Willensbildung anheim gegeben und mithin unbestimmt.
rungsort kaum präsenten Ehemaligen Syna-
Für die inhaltliche Weiterentwicklung der Er-
goge in Friedrichstadt) zeigen, was dies nicht
innerungsarbeit zur Zeit der nationalsozialis-
nur für den Bedarf finanzieller Ressourcen
tischen Diktatur spielt die seit 2010 teilweise
heißt.
sehr kontrovers diskutierte Neulandhalle ihre
Konkret gesprochen bedeutet all dies: An
ausgewählten Gedenkstätten müsste mindestens jeweils eine halbe Mitarbeiterstelle etabliert werden, und zwar für eine qualifizierte
Museumskraft. Die Ist-Situation heißt dagegen: Ehrenamt, dem nur hohe Achtung entgegenzubringen ist, kurzfristige Werkverträge, 450 Euro-Jobs und nur wenige Qualifizierungsmaßnahmen, weil die BGSH nicht mehr
leisten kann. Die Konsequenz aus dieser Diagnose lautet: Im Jahre 2018, wenn auch die
von der Nordkirche seit 2014 bereitgestellten
Sondermittel für die Gedenkstättenarbeit
auslaufen, werden wir ohne die entsprechende Weiterentwicklung der Landeszuwendungen zwar ein schönes, wohlklingendes didaktisches Konzept vorlegen, aber es wird nur
sehr partiell seine Verankerung in den Einrichtungen haben.
Die in der Landesgedenkstättenkonzeption
formulierte Option zur Konzeptionalisierung
einer Ausstellung zur Geschichte und Nach-
spezifische Rolle. Die Realisierung der Neulandhalle als historischer Lernort hätte in der
derzeit herrschenden Situation weitreichende
Auswirkungen auf die strukturelle Entwicklung des Verhältnisses von Gedenkstätten,
historischen Lernorten, BGSH und Land. Insofern verstehen wir die aktuelle Entscheidung
von Kulturministerin Anke Spoorendonk, das
Projekt eines historischen Lernorts im Dieksanderkoog derzeit nicht finanzieren zu können, auch als Chance, die öffentliche Diskussion um die Neulandhalle im Verständnis der
realen Situation der permanent schwierigen
Ausbalancierung der generellen Unterfinanzierung wie auch der berechtigten Eigeninteressen der bestehenden Gedenkstätten und
historischen Lernorte weiterzuführen – ohne
Zeitdruck.
III.
Damit ist schon die strukturelle Entwicklung
der Erinnerungsarbeit zur nationalsozialistischen Diktatur angesprochen. Sie wird in der
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Landesgedenkstättenkonzeption verhältnis-
„Netzwerks mit Zentrum“ entworfen, das
mäßig ausführlich behandelt. Es seien daher
heißt eines Netzwerks historischer Lernorte
nur wenige Punkte herausgehoben und aus
mit professionalisiertem Kern und damit eines
unserer Sicht kommentiert.
inhaltlich wie strukturell ineinander ver-
Bei den bestehenden Gedenkstätten reicht es
nicht, sie baulich zu sanieren. Sie müssen
vom Status der Gedenkstätte zu historischen
Lernorten mit klaren didaktischen Konzepten
weiterentwickelt werden. Auf die personellen
und finanziellen Konsequenzen haben wir
hingewiesen. Sie sind bislang nur am Jüdischen Museum Rendsburg und in der Gedenkstätte Ladelund gegeben, da darf man
sich keinen Illusionen hingeben.
Durch eine private Stiftung wird es möglich
werden, die Gedenkstätte Husum-Schwesing
in den nächsten Jahren baulich herzurichten.
Ihre Weiterentwicklung zu einem historischen
Lernort, was von der Sache trotz unterschiedlicher Trägerschaften her sinnvoll nur in einem gemeinsamen, aufeinander bezogenen
Entwicklungskonzept mit Ladelund geschehen
kann, hängt von der gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen dem Kreis Nordfriesland
und dem neu gebildeten Freundeskreis ab.
Die BGSH begleitet diesen Prozess gerne mit
finanzieller und beratender Unterstützung,
drängt sich aber als Fördereinrichtung nicht
auf. Die Akteure vor Ort müssen zunächst
formulieren, was sie wollen.
Die BGSH ist als Förderstiftung gegründet
schränkten Systems. Es sollte schrittweise
aufgebaut werden, wobei der künftige Kern
nicht BGSH heißen kann (Harald Schmid,
Agenda 2033 vom 13.2.2013). Die Gründe
des Ehrenamts sprechen dagegen. Und die
seit 2007 vom Stiftungsrat geforderte Umwandlung der BGSH in eine öffentlichrechtliche Trägerstiftung ist von der Landesregierung
verworfen
worden.
Rechtliche
Gründe standen dagegen. Mithin stehen wir
noch ganz am Anfang der Überlegungen.
Insofern ist es richtig, dass die Landesgedenkstättenkonzeption im Sinne des Aufbaus
eines „Netzwerks mit Zentrum“ vorsieht, eine
„gemeinsame Servicestelle“ einzurichten. Ein
Anfang ist gesetzt dadurch, dass 1.) die Abwicklung der Geschäftsführung mit einem
kleinen Stellenanteil vom Nordkolleg Rendsburg aus erfolgt, dass 2.) die BGSH mit Unterstützung der Landesregierung und durch
das Entgegenkommen der LAGSH nun auch
eine dreiviertel Wissenschaftliche Mitarbeiterstelle einrichten und mit Dr. Harald Schmid
besetzen konnte. Wir sollten uns nichts vormachen: Die in der Landesgedenkstättenkonzeption mit professionellen Kompetenzen
ausgestattete, an einem Identität stiftenden
oder politische Einflussmöglichkeiten (etwa in
worden. Von ihren institutionell-rechtlichen
Anlehnung an bestehende Institutionen) er-
wie strukturellen Möglichkeiten ist sie das bis
öffnenden Ort anzusiedelnde „gemeinsame
heute. Der Vorstand und der durch die Lan-
Servicestelle“ ist zunächst nur ein Wechsel
desgedenkstättenkonzeption in seinen Kom-
auf die Zukunft. Dieser Kern zukünftiger Pro-
petenzen mit Recht gestärkte Wissenschaftli-
fessionalisierung kann auch nur mit, nicht
che Beirat arbeiten im Ehrenamt. Per se kann
gegen die Gedenkstätten und historischen
daher die in der Landesgedenkstättenkonzep-
Lernorte entwickelt werden. Er sollte am En-
tion geforderte Professionalisierung der Erin-
de neben, nicht in der BGSH seinen instituti-
nerungsarbeit in der BGSH wie in den meis-
onellen Platz finden, muss dabei aber den Er-
ten Gedenkstätten vorderhand nicht umge-
fordernissen der finanziellen Balance zwi-
setzt werden. Mit diesem Faktum müssen wir
schen Zentrum und Netzwerk gerecht wer-
uns auseinandersetzen und tun das schon
den, das heißt: er darf keine Oase in einer
seit längerem. Der Vorsitzende der Bürger-
sonst wüsten Landschaft bilden.
stiftung hat daher in der von Staatssekretär
Eberhard Schmidt-Elsaeßer geleiteten AG Gedenkstätten nicht von ungefähr das Bild eines
Dass die Umsetzung der Landesgedenkstättenkonzeption von einer Leitungsgruppe und
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mithin auch von Seiten der Landesregierung
ben einem nicht zu unterschätzenden Unter-
und des Landtages begleitet werden muss,
haltungswert noch die Funktion, auf Macht
erscheint uns absolut geboten. Nur so haben
und Größe der Eliten hinzuweisen. Diese woll-
wir, LAGSH und BGSH, politisch überhaupt
ten sich als global agierend darstellen, was
eine kleine Chance, die nächsten Schritte zu
mit der Existenz von Kolonien, den Schatz-
tun. Denn niemand darf eine Wolke voller Il-
kammern des Exotischen, zu beweisen war.
lusionen vor sich herschieben: Die Finanzen
„Man kann den Zoos von heute nicht die ka-
des Landes Schleswig-Holstein und die damit
zusammenhängenden politischen Prioritätssetzungen in der Haushaltsgesetzgebung verfolgen ganz andere, genauso berechtigte Ziele. Und das begonnene, mit einigem Erfolg
aufwartende Fundraising-Programm muss
noch seine Nachhaltigkeit beweisen. Es wird
freilich nie die öffentliche Hand ersetzen können. Insofern werden wir im Vorstand der
BGSH unverdrossen im Ehrenamt weiterarbeiten – in kleinen Schritten wie bisher. Wie
Georg
Kreisler
in
kaum
nachahmbarem
Sprachwitz sagte: „Nur die Unzufriedenheit
macht (mich) glücklich.“
tastrophale Tierfangpraxis von einst zum
Vorwurf machen. Doch kann man heutigen
Zoodirektoren vorwerfen, dass sie dieses
dunkle Kapitel der Zoogeschichte nicht nur
beschönigen und verklären, sondern jene Teile des Kapitels, in denen es besonders grausam
zuging,
verschweigen“
(Gerhard
Staghun). Artenschutz will aufklären, will
pflegen und erhalten: Lebendiges, Prozesse
und Systeme, deren Wert wir erkannt, Werte,
die wir konsensbasiert verteidigen, die auf
politischem Wege gesellschaftlich bestimmt
wurden.
Die Motive für das Engagement für den Arten-
Mitglieder im Vorstand der Bürgerstiftung
schutz sind unterschiedlich. Ethische Überle-
Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten sind
gungen argumentieren mit der hervorgeho-
Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhard Fouquet (Vorsit-
benen Stellung des Menschen in der Evoluti-
zender), Guido Froese (stellvertretender Vor-
on, die Verantwortung zur Folge hat. Aufge-
sitzender), Dr. Stephan Linck und Dr. Christi-
klärte Bevölkerungsschichten fühlen sich hier
an Walda. ◄
verpflichtet. Das ökologische Bewusstsein ist
eine weitere Moralkategorie, aus der die Forderung nach Artenschutz erwächst. Aber auch
Bewahren und Erinnern.
Artenschutz, Erinnerungsarbeit
und Emotionalisierung
Ludwig Fromm
ästhetische Sehweisen zielen darauf, aus altruistischem Antrieb Schwaches zu verteidigen, weil das Schöne als erhaltenswert eingestuft wird.
Artenschutz stellt sich also zwischen Natur
Was wir als schützenswert deklarieren
Seit 1966 kennen und nutzen wir den Begriff
der „Roten Listen“. Sie werden erstellt, um
den Grad der Gefährdung von Arten zu beziffern, die als gefährdetet eingestuft wurden.
Die Entwicklung der europäischen Zoos war
mit der Idee des Artenschutzes nicht verknüpft. Der Blick auf die Motivationen ihrer
Entstehung zeigt eher unvereinbare Positionen zu denen des gewünschten Artenerhalts.
und gesellschaftlichem Vollzug, versucht somit bestimmte Effekte gesellschaftlicher Entwicklung in ihrer Wirkung zu dämpfen. Vor
diesem Hintergrund betrachtet, ist Artenschutz durchaus auch als eine politische Bewegung zu verstehen, die nicht nur die Notwendigkeit gezielter Eingriffe in das strukturelle Gerüst gesellschaftlicher Prozesse einklagt, sondern auch deren Möglichkeiten aufzeigt und glaubhaft vertritt.
Das Vorführen des Exotischen, ein Aspekt
Doch was könnte der Artenschutz mit dem
früher Tierparks oder Zooanlagen, hatte ne-
Erbe des Nationalsozialismus zu tun haben,
der die jüngere deutsche, europäische viel8
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leicht weltumfassende Geschichte zwölf Jahre
Hier ist also noch ein großes Stück Arbeit zu
direkt und darüber hinaus noch Jahrzehnte
leisten. Auseinandersetzung mit der Vergan-
indirekt bestimmen konnte? Meine These lau-
genheit ist mehr als das Sammeln von Fak-
tet: Artenschutz und negatives NS-Erbe ha-
ten. Erinnern in einer offenen Gesellschaft
ben einiges miteinander zu tun, insbesondere
heißt plurale Erinnerungskultur. Diese mar-
auf dem Feld der Gedenkstätten zeigt sich
kiert ein Stück Selbstverständnis einer Ge-
dies.
sellschaft, das auch den Grad der Akzeptanz
Die Situation der Gedenkstätten und der Gedenkarbeit hat sich in den letzten Jahren verbessert, auch in Schleswig-Holstein. Ihre Förderung ist politisch gewollt und wird von vielen Institutionen, Initiativen und Einzelpersonen unterstützt. Es wird also geschützt. Natürlich nicht im Rahmen des Artenschutzes.
Das Erinnern an den Holocaust hat seine eigenen Institutionen und Handlungsfelder.
Aber wie der Artenschutz funktioniert auch
seiner Bürger bestimmt. Die Erinnerung an
die nationalsozialistische Gewaltherrschaft
und deren Opfer kann und darf auch nicht nur
in den dafür eingerichteten Orten, den Gedenkstätten, befördert werden. Erinnerungskultur lebt von und durch Vernetzungen, die
das Thema mittragen, wie Internet, Radio,
Fernsehen, Landes- und Länderpolitik, Schule
und andere Bildungseinrichtungen, Parteien,
Verbände, Kirchen.
die Erinnerungsarbeit auf der Basis politischer
Dieses Netzwerk könnte sich auch dem Phä-
Vereinbarungen: durch ethische Begründung.
nomen einer schleichenden Erosion von Hin-
Trotz vieler Fortschritte hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass Erinnerungsarbeit
und gesellschaftliche Entwicklung an Bezug
verloren haben. Sie müssen neu nivelliert,
neu in die Zeit gestellt werden. Die Zeit wirkt
dabei mehrfach: als biologische Zeit und als
Prozesszeit.
Wir altern. Alle altern, die Holocaustgeneration wie die ‚Spätgeborenen‘. Für die Einen
terlassenschaften nationalsozialistischer Terrorherrschaft widmen, dem kaum wahrnehmbaren Verschwinden historischer Orte aus
dem System der praktizierten Massenvernichtung. Das Netzwerk repräsentiert Öffentlichkeit. Das Netzwerk ist somit durchsetzungsfähig und gleichzeitig in der Lage, Diskurse zu
führen, in die Gesellschaft hinein zu argumentieren und damit Standards, um nicht zu
sagen, Werte prägen zu können.
läuft die Lebenszeit ab, für die Anderen
wächst die zeitliche Distanz, setzen Relativierungen ein. ‚Mein Vater ist jetzt zehn Jahre
tot. Er kann mir nicht mehr helfen, seine Vergangenheit zu entdecken. Ich kann ihn nicht
mehr nach dem Krieg oder Auschwitz fragen.‘
Kuratierte Geschichte – von der Unschärfe
des Erinnerns
Kommen wir noch einmal auf das Thema Artenschutz zurück. Die Fortschreibung der Roten Listen ist bekanntlich reglementiert. Für
Die bestimmenden Teile eines Gesamtkon-
den Schutzanspruch wird das Existieren in
zeptes für die Erinnerungsarbeit sollten den
ursprünglichen Lebenswelten vorausgesetzt.
neuen Bedingungen Rechnung tragen. Identi-
Ist hier ein Bogen spannbar zwischen Bern-
tät und Zugehörigkeitsempfinden werden
hard Grzimeks Initiative, Film und Buch
dann wirksam entwickelt, wenn der einzelne
„Serengeti darf nicht sterben“ und dem politi-
Bürger seinem Selbstverständnis nach an das
schen Anliegen, Orte des NS-Terrors und Wi-
gesellschaftliche Wertesystem anschlussfähig
derstandes zu Lernorten zu entwickeln?
ist. Diese Anschlussfähigkeit nimmt jedoch
mit zunehmender Diversifizierung der Gesellschaft ab. Was auch die Kultur des Erinnerns
betrifft.
Im Fall Serengeti sollte das Authentische, der
ursprüngliche Lebensraum einiger Tierarten,
bewahrt werden. Um dieses Ziel zu erreichen,
hatte Grzimek mit seiner Sendung „Ein Platz
für Tiere“ ungehinderten Zugang in unsere
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Wohnzimmer und Herzen. Eine vergleichbare
grund ist eine Geschichte. Jugendliche, die
breitenwirksame Sendung oder Aktion, um
Erinnerungen Älterer verarbeiten, schaffen
über Menschenrechtsverletzungen aufzuklä-
sich eigene Wertsysteme und vermitteln Ge-
ren oder diese zu anzuklagen, ist mir nicht
schichte weiter. Wir wissen um die Probleme,
bekannt.
wenn die Vermittlung von Erinnerungen un-
Im Fall der NS-Vergangenheit stellt sich das
Problem anders dar. Hier soll eine Erzählung
Realitäten, in unserem Fall Vergangenes, abbilden. Sofort drängen sich erzählerische
Probleme in den Vordergrund. Wer ist der Erzähler, was ist die Erzählung, was ist die Geschichte?
Das Authentische kann nur im Realen aufgehen. So, wie in der Schutzzone Serengeti der
Wahrnehmende ein Stück Naturgeschichte
erlebt. Ob die organisierten touristischen
Wanderungen den Reisenden tatsächlich Authentisches bieten können, hängt maßgeblich
von der angewandten szenografischen Konzeption des Schutzzonen-Events ab. Ist je-
terbrochen wird, wenn zwischen zwei Generationen Schweigen herrscht, wie zum Beispiel
zwischen der Generation der Überlebenden
des Völkermordes und deren Kinder. Gesellschaftliche Verwerfungen sind in solchen Fällen nicht auszuschließen, wahrscheinlich die
Regel.
Erzählen ist ein Kind der Selektion. Das vereinfacht auf der einen Seite, indem Komplexität reduzierbar wird, aber, auf der anderen
Seite stellen sich die Fragen: Wer oder was
bestimmt die Erzählung? Wer unterscheidet
das Sagbare, Kommunikationswürdige von
dem Nichtzusagenden, dem Kommunikationsunwürdigem?
doch der Protagonist der Erzählung ein nicht
Also: Der durchaus gerechtfertigte Anspruch
mehr existierender Staat wie das „Dritte
auf das Authentische ist hinsichtlich der Sho-
Reich“, so hieße das, Vergangenes verge-
ah nicht einzulösen. Ebenfalls unrealistisch ist
genwärtigen zu müssen. Die logische Konse-
die Annahme, eine Erzählung erfinden zu
quenz der Forderung nach Authentizität wäre,
können, die in der Lage wäre, Vernichtungs-
das Unrecht zu wiederholen, um Formen des
lager und Lagerleben realitätsnah zu be-
Unrechts realitätsnah zu präsentieren. Wel-
schreiben.
che Perversion der szenografischen Idee!
Und doch gibt es strukturelle Parallelen zwi-
Was wir bewahren sollten
schen der Errichtung einer Schutzzone für
Die Entwicklung der historischen Orte der La-
wilde Tiere in Afrika und einem Ort der Erin-
ger nach 1945 war meistens von Zerstörung,
nerung an nationalsozialistischen Terror. Da
Abriss oder Umfunktionierung bestimmt. Erst
die Errichtung der Schutzzone Serengeti für
spät wurden diese Areale mitsamt den Arte-
das betroffene Areal eine Auskopplung aus
fakten als historisch besonders wertvolle Orte
der Zeit bedeutet, wird die Serengeti zu einer
wahrgenommen und es bedurfte in der Regel
Art Museum für Naturkunde. Vielleicht wäre
langen Engagements, um die Abwehr und
die Bezeichnung Zoologisches Museum pro-
Verleugnungshaltung gegenüber diesen Ver-
duktiver, deutet sie doch auf die Nähe zu ei-
brechensorten zu überwinden.
nem Zoo hin. Auch des Projekt Serengeti ist
Die Begriffe Orte und Artefakte stehen für all
eine Erzählung der Erinnerung, ein Möglich-
das, was die Lagerrealität bestimmt hat: der
keitsbericht: So könnten die wilden Tiere le-
Boden, der in vielen Fällen eine besondre Art
ben, wenn der Mensch ihren Lebensraum
Friedhof darstellt; die Gebäude mit ihren
respektieren würde.
Spuren der Nutzung, ihren Aufladungen, At-
Erinnern beinhaltet in keiner Weise einen An-
mosphären und Rätseln; die primitiven Mö-
spruch auf Vollkommenheit. Erinnern ist das
bel, persönlichen Dinge von Häftlingen; die
Ziel. Erinnerungen sind teilbar, sie lassen sich
Dinge des Verwaltens, die Todesmaschinerie,
erzählen, sind Teil der Erzählung, ihr Hinter-
die Anlagen zur Entsorgung der Leichen.
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Diese historisch-authentischen Orte bilden als
lich-atmosphärischen Modellen in den Aus-
zentrale Stätten der Aufklärungs-und Ver-
stellungen von Gedenkstätten, geht auf Ana-
mittlungsarbeit den materiellen Kern der Er-
lysen in unterschiedlichen Museen zurück. Ei-
innerungskultur. Zunehmend werden neben
nes der naheliegenden Beispiele ist das
traditionellen Gedenkstätten auch andere Or-
Schifffahrtsmuseum in Kiel. Beobachtungen
te gewürdigt: Orte, an denen sich die Ambiti-
und Befragungen (vor der Modernisierung des
onen der Hitler-Herrschaft auch außerhalb
Museums) zeigten, dass die Verweildauer vor
der bekannten Lager manifestierte. Sie wer-
Modell-Exponaten bedeutend länger ist, als
den in der Regel mit Schaukästen oder Text-
vor anderen Exponaten und die Modelle den
Bildtafeln in Landschaftsräumen oder urbanen
Besuchern das Gefühl geben, Zusammenhän-
Umfeldern kenntlich gemacht.
ge besser verstehen zu können.
Die Orte des Gefangenseins, der Enge, Be-
In Abhängigkeit von Bedeutung und Umfang
grenztheit, Bedrohung, des Quälens und Er-
des baulichen Bestands sind an ausgesuchten
niedrigens und der Vernichtung verweisen
Beispielen räumliche Situationen (die Teil der
immer auf die Menschen: die Opfer, Getöte-
Erzählung und der Geschichte sind) im Zu-
ten und Überlebenden, ihre Träume, Ängste,
sammenspiel zwischen Artefakt und Installa-
Verzweiflungen. Die Orte und die Menschen
tion zu simulieren. Diese Form der Inszenie-
prägen die Botschaft, die dem Erinnern Rich-
rung setzt Fantasie und Emotionalität frei, die
tung gibt, es zur Grundlage einer erlebbaren
– über das kognitiv basierte Wissen hinaus –
Geschichtsreflexion macht. Es sind die Erzäh-
Identifizierung mit den Opfern durch leibli-
lungen des Einzelnen und seiner Situation in
ches Wahrnehmen ermöglicht.
der Gewalt der Exekutive der nationalsozialistischen Diktatur. Sie lassen Identifikation zu
und schaffen emotionale Betroffenheit. Beides sind Grundlagen, für die Beschäftigung
mit und das Verständnis von Geschichte und
Struktur der NS-Herrschaft. So werden aus
kognitiv verständlich und emotional aufbereiteten Daten Informationen.
Von größter Bedeutung für das Gesamtverständnis sind Modelle in nicht zu kleinen Maßstäben. Ein Gesamtmodell (je nach Größe des
konkreten Lagers) im Maßstab zwischen
1:200 und 1:25 erlaubt den Besuchern eine
räumliche Annäherung an die Lagerrealität,
die das kognitive und emotionale Verstehen
nachweislich verbessert. Teilmodelle in Maßstäben bis zu 1:2 und in besonderen Fällen
Wie wir bewahren sollten
bis zu 1:1, erleichtern das Verständnis durch
Die hier zu nennenden Punkte, sind als Er-
entstehendes Einfühlungsvermögen oder sich
gänzung von tradierten, häufig praktizierten
andeutende Identifikationen.
Ausstellungsweisen zu lesen. Das Interesse
gilt einmal der Vermittlung des spezifischen
Raum- und Situationsgefühls der Eingeschlossenen, dessen Grundlage raumspezifische und semantische Aspekte sind, die die
Wahrnehmung der Vernichtungsabsicht bestimmen. Ein völlig andersartig gelegenes Interesse, das ebenfalls nicht zu den üblichen
Themen der Erinnerungsarbeit gezählt wird,
sind Berichte, Erfahrungen, Kommentare und
Analysen
der
Kinder
von
Holocaust-
Überlebenden.
Raumstatistik: Es ist davon auszugehen, dass
die aktuellen Gedenkstättenareale geodätisch
erfasst sind. Im Rahmen der historischen
Forschungen zur Entwicklung der Lager und
Gedenkstätten nach 1945 ist eine Erfassung
und Kartierung aller Lager- und Funktionsflächen zum Zeitpunkt der Befreiung oder Auflösung der Lager anzuraten. Eine Gegenüberstellung des Zahlenmaterials ist sicher aufschlussreich und produktiv nutzbar. Das Ergebnis dieser geografischen Erfassung könnte
dann, im Netz stehend, eine Diskurs- und
Der Raum und das Modell: Die hier vorge-
Bewertungsgrundlage darstellen. Eine Kartie-
schlagene häufigere Verwendung von räum-
rung aller Flächen, auf denen NS-Terror insti11
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tutionalisiert und politisch legitimiert statt-
eignisse ausgelöst wurde. Wie viele Überle-
fand, kann Klarheit über Verbreitung und
bende des Genozids psychisch behandelt oder
Größenordnung der Vernichtungslager geben
betreut wurden‚ ist nicht erfasst. Das Ausmaß
und mögliche Umnutzungen ehemaliger La-
der ‚Verwundung‘ lässt sich an der Selbst-
gerflächen aufzeigen.
mordrate der Holocaust-Autoren erahnen.
Der Raum als Ort legitimierten Tötens: Der
inhaltliche Bogen der Gedenkstätten für die
Scheiben oder Nichtschreiben konnte über die
Existenz entscheiden.
Opfer des Nationalsozialismus spannt sich
Ein Teil des Schreckens des Genozids verbirgt
vom Totengedenken zu Veranstaltungen his-
sich hinter dem Konflikt zwischen der Mah-
torischer Bildungsarbeit. Gedenkstätten sind
nung Holocaust-Überlebender
‚Vergiss
das
eben auch Orte des Ausstellens. Somit sind
niemals‘ und der Notwendigkeit zu schweigen
ihre Räume Ausstellungsräume. Also Räume,
und zu vergessen. Die Mahnung, nicht zu
die als ‚atmosphärisch bestimmte Programm-
vergessen,
kommentiert
die
kanadische
räume‘ zu verstehen sind. Es handelt sich um
Künstlerin Bernice Eisenstein wie folgt: „Es ist
Räume, mit ‚gesetzter‘ Notation, mit einer
mir bis heute ein Rätsel, dass dies der Aufruf
Raumwirkung, die das Ergebnis einer Atmo-
von Menschen war, die sich doch zum Ver-
sphärenkonstruktion ist.
gessen zwingen mussten, um sich ein neues
Der Buchenwald-Überlebende Eugen Kogon
Leben aufzubauen.“
forderte schon in seinem frühen großen Be-
Das Emotionale: Von Giulio Camillo ist das
richt über den SS-Staat (1945) und dessen
Projekt Teatro della Sapientia (1530), ein
Terrorlager die Wahrheit, die nackte Wahrheit
Gedächtnistheater, überliefert. Die Regeln ei-
der Darstellung: „alles so, wie es war, nicht
ner Gedächtniskunst nutzend, wie sie in der
anders, nichts verniedlicht, nichts zurechtge-
Antike praktiziert wurde, baute sein Gedächt-
macht ad usum delphini, nichts verschwie-
nistheater auf der Kraft der Bilder auf. Sie
gen“.
sollten die Tradierungen des kulturellen Ge-
Das, was war, stellt sich als eine gnadenlose
und perverse Umdeutung des Raums als
Raum der Vernichtung dar. Der Tötungsauftrag der Konzentrationslager wandelte ihre
Räumlichkeiten in Räume der Vernichtung.
Die Unterscheidung in Wohnräume, Arbeitsräume, Sanitärräume, Verwahrräume, Krankenrevier oder Küche sind Raumfunktionen
beschreibende Begriffe der Normalität. In einem Tötungsumfeld sind Wohnräume, Arbeitsräume, Sanitärräume, Verwahrräume,
Krankenrevier oder Küche Räume des Übergangs nicht vom Leben in den Tod, sondern
von einer Form des Todes in eine andere, die
absolute und endgültige.
dächtnisses erschüttern. Die römischen Rhetoriker forderten, „imagines agentes“ zu verwenden. Bewegende Bilder sollten die Besucher seines Gedächtnistheaters in eine innere
Aktivität versetzten. Das heißt in Gegenwartssprache übersetzt, Camillos Gedächtnistheater wirkte emotionalisierend. Folgt
man dem Historiker Dan Diner, dann stellt
Auschwitz einen Zivilisationsbruch dar: Sollte
es da nicht erlaubt sein, die Methoden der
Auseinandersetzung mit dieser Zäsur der Bedeutung des Ereignisses anzupassen?
Prof. Dr. Dipl.-Ing. Ludwig Fromm ist Professor an der Muthesius-Kunsthochschule Kiel im
Bereich Raumstrategien. ◄
Die Gefühlswelten, die Überlebenden und die
Stimmen der zweiten Generation: Nach dem
Ende der Internierung lebte das Lagerleben
als Psychotrauma weiter. Der Begriff „Trauma“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Wunde“, gemeint ist die Verletzung
der Psyche, die durch schwer belastende Er12
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PINNWAND
PROJEKTE UND PERSPEKTIVEN
haben auch in der weiteren Umsetzung be-
Neue Projekte in HusumSchwesing
treut. Es ist in vier Phasen aufgeteilt: Von Januar bis Mai 2015 werden die Grundlagen und
Johanna Jürgensen
ein inhaltliches Grobkonzept erstellt; von Mai
bis Oktober 2015 erarbeitet die Historikerin
Während in Ladelund das auch mit Bundes-
ein Detailkonzept für die Ausstellung; von No-
mitteln geförderte Konzept für eine neue Dau-
vember 2015 bis März 2016 findet die Detail-
erausstellung und eine didaktische Vernetzung
planung
des Außengeländes umgesetzt wird, sind für
schließlich wird die Ausstellung von März bis
die KZ-Gedenkstätte Husum-Schwesing meh-
Juni 2016 aufgebaut. Die Ausstellungsplanung
rere Einzelprojekte geplant, die deren Stan-
wird von einer Lenkungsgruppe begleitet. Die-
dard ebenfalls deutlich heben sollen. Im fol-
se besteht aus Gary Funck, dem Vorsitzenden
genden Artikel stelle ich den aktuellen Pla-
des Kuratoriums der Stiftung Nordfriesland
nungsstand vor und gebe einen Überblick über
(Trägerin der Gedenkstätte), Johanna Jürgen-
die bereits realisierten Schritte.
sen, der Geschäftsführerin der Stiftung, einem
und
Ausführungsplanung
statt;
Vertreter der KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund sowie den Experten Prof. Dr.
Karl Heinrich Pohl und Dr. Ulrike Jureit. Der
neu
gegründete
Freundeskreis
KZ-
Gedenkstätte Husum-Schwesing ist durch die
Vereinsvorsitzende Maria Jepsen vertreten.
Versammlungshaus
In gemeinsamen Gesprächen über die Zukunft
der Gedenkstätte haben Trägerin und Freundeskreises die Idee entwickelt, die Aufenthaltsmöglichkeiten auf der Gedenkstätte zu
Geschichte und Erinnerung in Husum-Schwesing:
Blick durch die mit Text durchstanzte Informationstafel auf das Stelenfeld. Foto: Harald Schmid
verbessern, indem eine Sanitäranlage sowie
ein Gruppen- und Schulungsraum errichtet
werden soll. Dieser Vorschlag ist insbesondere
Außenausstellung
von der Landesregierung sehr positiv aufge-
Seit Beginn dieses Jahres ist die Hamburger
Historikerin Nina Holsten damit beauftragt, eine wissenschaftlich fundierte Ausstellung für
den
Außenbereich
der
KZ-Gedenkstätte
Husum-Schwesing zu erstellen. Möglich geworden ist dieses Projekt durch eine Spende
in Höhe von 100.000 Euro des Geschäftsman-
nommen worden, sodass die Baumaßnahme
seitens
des
Landes
mit
voraussichtlich
180.000 Euro gefördert wird. Das Gebäude
soll bereits in diesem Jahr fertiggestellt werden. Das Ziel, zu einem späteren Zeitpunkt
ein Dokumentenhaus zu errichten, bleibt hiervon unberührt.
nes Uwe Carstensen. Die Vermittlung des
Geldgebers
erfolgte
durch
Karin
Penno-
Burmeister vom Fundraising- und Modernisierungsprojekt ProGedenkstätten, die das Vor13
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Didaktisches Konzept, Unterrichtsmaterialien
Fotoausstellung
In engem Zusammenhang mit der Außenaus-
Als Ergebnis des Gedenkstätten-Fotowork-
stellung und dem Versammlungshaus steht
shops mit Mark Mühlhaus im Rahmen des Kul-
das Vorhaben, ein didaktisches Konzept zu
tur21-Festivals im September 2014 soll am
entwickeln. Die Bürgerstiftung Schleswig-
27. Januar 2016 eine Ausstellung mit den Fo-
Holsteinische Gedenkstätten hat für die Ent-
tos der Jugendlichen eröffnet werden, die auf
wicklung des Konzepts bereits 7.000 Euro be-
den KZ-Gedenkstätten Husum-Schwesing und
willigt. Ursprünglich sollte eine noch zu beauf-
Ladelund aufgenommen worden sind. Den
tragende Lehrkraft das Konzept erstellen.
Mittelpunkt bildet dabei die Ausstellung „Ge-
Mittlerweile gibt es einen Alternativvorschlag,
nerationen“ von Mark Mühlhaus und Ulrike
der darauf zielt, die Erarbeitung in die Hände
Jensen. Die Schau wird voraussichtlich in der
von Oberstufenschülern an den Gymnasien
Berufsbildenden Schule in Niebüll gezeigt.
oder Beruflichen Schulen (mit gesellschaftspolitischem Profil) zu geben. Konkret ginge es
Internetauftritt
darum, einen Wettbewerb durchzuführen, die
Die KZ-Gedenkstätte Husum-Schwesing wird
besten Gruppenarbeiten auszuzeichnen und
seitens der Trägerin und des Freundeskreises
als zusätzlichen Anreiz Geldprämien zu verge-
ansprechend und informativ im Internet vor-
ben. Das hätte den Vorteil, auf diese Weise
gestellt. Aufgrund der sich ständig wandeln-
Kontakt zu den Schulen aufzubauen und
den und sich verbessernden digitalen Möglich-
durch die frühe Einbeziehung möglicherweise
keiten wird jedoch eine laufende Aktualisie-
eine Identifikation mit der Gedenkstätte und
rung angestrebt. Auch die Mehrsprachigkeit
dem pädagogischen Konzept anzustoßen. Hin-
(Englisch, Französisch, Niederländisch, Dä-
zu käme der Kostenaspekt, da die vorhande-
nisch) soll im wesentlichen im Internet und
nen Mittel vorwiegend für die Erstellung der
nicht in den Printmedien berücksichtigt wer-
Materialen und nicht für Personalkosten aus-
den, da die mobile Nutzung mittlerweile gene-
gegeben werden müssten. Eine Entscheidung
rationenübergreifend stattfindet und viele
hierüber steht noch aus.
Vorzüge (zum Beispiel Podcasts) bietet.
Einführung eines Lotsensystems
Erlass einer Gedenkstättenordnung für die
Ein Ziel der Weiterentwicklung der Gedenk-
Besucher
stätte besteht darin, Jugendliche als Guides
Zwar ist es ausdrückliches Ziel, möglichst vie-
für Führungen zu gewinnen. Zu diesem Zweck
le Menschen auf die Gedenkstätte aufmerk-
soll ein Lotsensystem entwickelt werden, das
sam zu machen und durch einen Besuch vor
insbesondere Jugendliche dazu befähigen soll,
Ort die organisierten Verbrechen gegen die
Führungen auf der Gedenkstätte anzubieten
Menschlichkeit durch das NS-Regime ins Be-
(Peer Guides). Die Altersgruppe der jungen
wusstsein
Leute steht hierbei besonders im Fokus, weil
Gleichwohl ist es notwendig, Regelungen zu
deren Blick auf die historischen Geschehnisse
erlassen, um unangemessenes Verhalten von
ein gänzlich anderer ist als der älterer Perso-
Besuchern oder Besuchergruppen unmittelbar
nen. Auch ist die Akzeptanz von nahezu
möglichst zu vermeiden oder gegebenenfalls
Gleichaltrigen insbesondere bei Schülergrup-
sanktionieren zu können.
pen höher, was die Nutzung der Gedenkstätte
als außerschulischer Lernort befördern könnte. Das geplante Lotsensystem soll gemeinsam mit dem pädagogischen Konzept entwickelt werden, da es thematisch zusammengehört.
der
Öffentlichkeit
zu
bringen.
Der Inhalt der Gedenkstättenordnung zielt
neben allgemein üblichen Verhaltensregeln
wie auf das Verbot von lauter Musik auch auf
das Verbot von Äußerungen, Darstellungen
oder Verhalten auf der Gedenkstätte, die geschichtsverfälschend oder entwürdigend für
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die Opfer und deren Angehörige sind. Ebenso
Uli Lindow entstanden. Für diese Tafeln ist ei-
sollen alle öffentlichen Veranstaltungen auf
ne längere zeitliche Perspektive vorgesehen.
der Gedenkstätte nur mit Zustimmung des Eigentümers zulässig sein.
Rückschau
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass sich auf der
Gedenkstätte in den letzten Jahren bereits einiges getan hat. So ist der lange beklagte Zustand der Anonymität der Opfer endlich vorbei. Entstanden war das Problem dadurch,
dass auf dem Stelenfeld die Namen auf den
Cortenstahl-Stelen nur noch schwer zu lesen
waren.
Opfer haben, Erinnerung braucht Namen: Die neuen
Stahltafeln im Eingangsbereich der Gedenkstätte.
Fotos: Johanna Jürgensen (oben), Harald Schmid
Mühsames Lesen, mühsame Erinnerung: Erläuterungstafel am Stelenfeld. Foto: Harald Schmid
Die Gedenkstätte ist inzwischen auch barrierefrei, und zwar mittels eines extra angelegten
zusätzlichen Weges, für den die Trägerin
Die Stiftung Nordfriesland hat für 55.000 Euro
35.000 Euro aufgewandt hat. Hinzu kamen
zusätzlich 15 Edelstahltafeln herstellen und
Sanierungsarbeiten am Mahnmal und das Ab-
darin die Namen, Lebensdaten, Nationalitäten
sichern der Küchenbaracke und der histori-
und Berufe der namentlich bekannten 297
schen Schornsteine.
Ermordeten eingravieren lassen. Diese Tafeln
stehen im Eingangsbereich der Gedenkstätte,
werden möglicherweise aber noch umgesetzt.
Weitere Verbesserungen in der Orientierung
und Vermittlung ermöglichen Hinweisschilder,
die an den wichtigsten Orten des vormaligen
Lagers aufgestellt worden sind. Diese sind
teils sehr einfach gehalten, da sie mit Blick
auf weitere Maßnahmen nur für eine Übergangszeit aufgestellt worden sind, zum Teil
aber auch hochwertig. Letztere fügen sich in
das künstlerische Konzept ein und sind in enger Zusammenarbeit mit dem schon lange die
Authentisches erhalten: Absicherungen auf dem Gedenkstättengelände. Foto: Johanna Jürgensen
Gedenkstättengestaltung prägenden Bildhauer
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Das Interesse, Husum-Schwesing zu einer
war die Tatsache, dass Angelika Königseder
Gedenkstätte weiterzuentwickeln, die auf-
die im August 2014 eröffnete Ausstellung der
grund eines sehr guten Vermittlungskonzepts
KZ-Gedenkstätte Wöbbelin erarbeitet hat. Die
und einer einfachen, aber zweckmäßigen Aus-
Anforderungen, die dort an sie gestellt waren,
stattung von vielen Menschen besucht wird,
sind denen in unserer Gedenkstätte sehr ähn-
ist in Nordfriesland deutlich zu spüren. So hat
lich.
die Trägerin in den letzten drei Jahren rund
250.000 Euro in ihre Gedenkstätte investiert.
Als hilfreich und ermutigend wird dabei auch
das Engagement des Freundeskreises gesehen, der in der kurzen Zeit seines Bestehens
schon viel erreicht hat.
Johanna Jürgensen ist Geschäftsführerin der
Stiftung Nordfriesland. ◄
Die Dauerausstellung in Ladelund besteht in
ihrer Form nahezu unverändert seit 1990. In
diesem Zeitraum hat sie vielen Menschen die
Geschichte des Lagers, das erfahrene Leid der
Häftlinge und die Taten, die unter dem Nationalsozialismus möglich waren, verständlich
gemacht. Doch die Anforderungen an eine
moderne Gedenkstätte haben sich mit der Zeit
verändert. Der letzte Überlebende des KZ Ladelund, Jannes Priem, ist 2013 verstorben.
Projektstart in Ladelund: Angelika
Königseder ist Kuratorin der neuen Ausstellung
Der Bezug zum Thema Nationalsozialismus
Raimo Alsen
konkreter dargestellt werden. Insbesondere
wird vor allem für jüngere Gedenkstättenbesucher immer geringer. Es bedarf anderer
Formen der Vermittlung; die Geschichte muss
die sehr heterogene Zielgruppe der Schülerin-
Im Januar 2014 hat die Beauftragte der Bun-
nen und Schüler muss Inhalte differenziert
desregierung für Kultur und Medien, Staats-
angeboten bekommen.
ministerin Prof. Monika Grütters, dem Antrag
des Landes Schleswig-Holstein auf Projektförderung für die KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund zugestimmt. Damit stehen der
Gedenkstätte Fördermittel von insgesamt
500.000 Euro – davon die Hälfte vom Bund –
zur Verfügung, um die 25 Jahre alte Dauerausstellung neu zu konzipieren.
Im Sommer wurde somit eine Fachkraft gesucht, die mit der Ausgestaltung des Konzeptes betraut werden sollte. Die Ansprüche an
die zahlreichen Bewerberinnen und Bewerber
waren hoch. Dennoch hatte der für die Dauer
Die Historikerin Dr. Angelika Königseder.
Foto: Ulrich Jeß
des Projekts ins Leben gerufene Begleitaus-
In Ladelund ist man außerdem vor weitere
schuss die Qual der Wahl. Wir freuen uns,
Probleme gestellt. Die Nachgeschichte des La-
dass wir als Kuratorin die Berliner Historikerin
gers inklusive der Geschichte der Gedenkstät-
Dr. Angelika Königseder gewinnen konnten.
te ist außerordentlich gut dokumentiert. Von
Mit ihr steht uns eine ausgewiesene Expertin
dem Bestehen des Lagers zeugen allerdings
zur Seite, die neben hervorragenden histori-
nur wenige Dokumente. Das ehemalige La-
schen Kenntnissen und einer Vielzahl entspre-
gergelände dient heute als landwirtschaftliche
chender Publikationen auch über einschlägige
Nutzfläche; nur ein Gedenkstein und eine
Erfahrungen als Ausstellungsmacherin ver-
Skulptur weisen zusammen mit einer kleinen
fügt. Nicht unerheblich für die Entscheidung
Infotafel auf die Geschichte hin. Der Panzer16
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abwehrgraben, den die Häftlinge ausheben
mussten, ist nach dem Krieg größtenteils zugeschüttet worden. Ein Teilabschnitt von 30
Metern wurde zur Veranschaulichung rekonstruiert. Und auch die Gräber der Häftlinge
und damit der zentrale Ort der Gedenkstätte
haben sich in ihrer äußerlichen Gestaltung in
den vergangenen 70 Jahren stets verändert.
Für Besucher, die außerhalb der Öffnungszeiten des Dokumentenhauses kommen, fehlt es
überdies an Informationen an den Außenanlagen.
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„‚... ich kann dich sehen‘. Widerstand, Freundschaft und Ermutigung“: Neue Dauerausstellung
und Projektbeginn zur Bildungsarbeit in der Gedenkstätte Lutherkirche
Die Gedenkstätte Lutherkirche hat eine neue
Dauerausstellung: Am 8. November letzten
Jahres konnte die neu erarbeitete Schau mit
dem Titel „‚... ich kann dich sehen‘. Widerstand, Freundschaft und Ermutigung der vier
Angelika Königseder wird in Ladelund also vor
Lübecker Märtyrer“ mit einem festlichen Got-
verschiedene Herausforderungen gestellt sein.
tesdienst eröffnet werden. Ermöglicht hatte
Zunächst geht es darum, weitere Spuren der
dies das Engagement mehrerer Stiftungen
Vergangenheit zu suchen und zu sichern: Ge-
und Förderer, unter anderem der Bürgerstif-
genstände, Fotografien, Dokumente, die von
tung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten.
der Geschichte des Lagers zeugen. Diese
müssen in eine didaktisch-methodisch moderne Ausstellung eingebunden werden. Auch der
Blick zum KZ Husum-Schwesing, zu dem es
viele Parallelen gibt, wird dabei eine Rolle einnehmen.
Des Weiteren müssen die Außenanlagen der
Gedenkstätte sinnvoll miteinander vernetzt
und mit Informationsmodulen versehen werden. In Ladelund gilt es ferner, diese Informationen in mindestens vier Sprachen zu vermitteln: Deutsch und Englisch verstehen sich von
selbst, Dänisch ist auf Grund der Grenznähe
Der Eingangsbereich der neuen Dauerausstellung
auf der Empore der Lutherkirche.
Foto: Alexander Voss
unabdingbar und durch die Nachgeschichte
und die hohe Anzahl von niederländischen
Mit der Ausstellung erinnert die Kirche an die
Häftlingen bekommt auch Niederländisch für
„Lübecker Märtyrer“, die am 10. November
die Ausstellung eine große Bedeutung. Neue
1943 von den Nationalsozialisten ermordet
Medien können bei der Bewältigung dieser
wurden: den evangelischen Pastor Karl Fried-
Schwierigkeiten eine wichtige Hilfe sein.
rich Stellbrink und die katholischen Priester
Hohe Ansprüche, große Herausforderungen:
Mit Angelika Königseder haben wir eine äußerst kompetente Kollegin in unser Team geholt und freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit.
Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lange. Stellbrink wirkte an der Kirche
von 1934 bis zu seiner Verhaftung im April
1942 als Pastor. Zusammen mit den drei katholischen Geistlichen hatte er zum Widerstand gegen das NS-Regime aufgerufen. Mit
Raimo Alsen ist Leiter der KZ-Gedenk- und
Hilfe moderner Medien können sich nun Inte-
Begegnungsstätte Ladelund. ◄
ressierte auf der Empore der Lutherkirche über
das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im
Nationalsozialismus informieren.
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inne, die auch Kuratorin der neuen Ausstellung ist.
Ihr ist es bereits gelungen, ehrenamtliche Gedenkstätten-Paten zu gewinnen, die zur Sicherung regelmäßiger Öffnungszeiten und
teilweise auch für Führungen geschult werden.
In weiteren Schritten geht es derzeit darum,
die Vernetzung vor Ort zu stärken, so etwa
durch Kooperationen mit der katholischen
Das Logo der Lübecker Gedenkstätte
Die Gestaltung der neuen Ausstellung zielt auf
alle Generationen. So gibt es verschiedene In-
„Stiftung Lübecker Märtyrer“, dem Projekt
„Jugend ins Museum“ der Michael-HaukohlStiftung und der Kulturstiftung Hansestadt
Lübeck sowie Lübecker Schulen.
formations- und Vertiefungsmöglichkeiten:
von Bild-Text-Tafeln bis hin zu Schubladen,
Readern und Touch-Screens, die die Vergangenheit lebendig werden lassen. In der Ausstellung kommt jedoch auch der Gegenwart
ein Gewicht zu: Pastorin Constanze Oldendorf
sagte zur Eröffnung, der Gemeinde sei es
wichtig, „nicht nur ein historisches Fenster zu
öffnen, sondern durch dieses Fenster eine
Auseinandersetzung des Themenspektrums
mit dem Heute zu eröffnen“. Die Ausstellung
bietet so auch eine Einladung zum Diskurs
über aktuelles Geschehen, zum Beispiel über
Kuratorin und Projektleiterin an der Lutherkirche:
Karen Meyer-Rebentisch. Foto: Manfred Rebentisch
die Anschläge auf die Moschee in Mölln oder
die Aktion „Unser Kreuz hat keine Haken“.
Für die interessierte Öffentlichkeit bietet die
Der Eröffnung gingen technische Umbauten
Workshops zur Gedenkstätte an. Zudem gibt
voraus, die unter anderem eine getrennte Be-
es Sonderöffnungszeiten unter anderem an-
heizung der Ausstellung erlauben. Zudem lob-
lässlich des Internationalen Museumstages
te die Kirche einen Künstlerwettbewerb zur
und des Tages des Offenen Denkmals. Für
Umgestaltung des ursprünglich im Stil der na-
2016 ist ein Künstlerwettbewerb zur zukünfti-
tionalsozialistischen Ikonografie gestalteten
gen Gestaltung der Eingangshalle mit dem Eh-
Altarraums mit der Skulptur „Deutsche Familie“ aus; den Zuschlag bekam der Münchner
Lutherkirche in diesem Jahr drei thematische
renmal des NS-nahen Künstlers Erich Klahn
geplant.
Künstler Werner Mally. Nähere Information zu
der Ausstellung finden Sie hier.
Networking, Multiplikatorenarbeit, Öffentlichkeitsarbeit sowie die Entwicklung weiterer Ar-
Der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg und die
beitsmaterialien und einer attraktiven Inter-
Nordkirche haben die Förderung der Gedenk-
netpräsenz gehören zu den Aufgaben der Pro-
stättenarbeit für die kommenden fünf Jahre
jektleitung in den kommenden zwei Jahren.
zugesichert. Die Bürgerstiftung Schleswig-
Ein Symposion zum Umgang mit nationalisti-
Holsteinische Gedenkstätten fördert das 2015
scher Kunst in Kirchen ist angedacht.
begonnene Projekt des Aufbaus systematischer Bildungsarbeit. Die wissenschaftliche
Eine gute Nachricht für Forschung und Bil-
Projektleitung hat seit März 2015 die Lübecker
dungsarbeit in diesem Zusammenhang ist es
Kulturhistorikerin Dr. Karen Meyer-Rebentisch
auch, dass Waltraut Kienitz, die letzte noch
lebende Tochter Stellbrinks, dem Archiv der
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Hansestadt Lübeck im Herbst 2014 den Nachlass ihres Vaters übergab. Auch Stellbrinks
Enkelin Anke Laumayer überreichte dem Ar-
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Eine Rose für die Erinnerungskultur in Schleswig-Holstein oder:
Was ist eigentlich CSR?
chiv Dokumente aus der Familiengeschichte,
die sie von ihrem Vater Gerhard Stellbrink
Karin Penno-Burmeister
übernommen hatte. Alle Unterlagen wurden
von Karen Meyer-Rebentisch geordnet, er-
Am 8. Mai, zum 70. Jahrestag des Endes des
schlossen und archivgerecht verpackt. Mit der
Zweiten Weltkrieges in Deutschland und Euro-
Übergabe an das Archiv und der Erschließung
pa, wird auf Schloss Gottorf eine neue Rosen-
der Unterlagen ist der Nachlass des Pastors
züchtung der Öffentlichkeit vorgestellt – und
Karl Friedrich Stellbrink erstmals frei öffentlich
auf den Namen „Friedenslicht“ getauft. Für
zugänglich. Der Online-Zugang zum Findbuch
den internationalen Markt ist der Name „Me-
und etlichen digitalisierten Dokumenten ist
morial Rose“ angemeldet. Die ehemalige Mi-
über diesen Link möglich.
nisterpräsidentin Heide Simonis und ich als
Projektleiterin von ProGedenkstätten sind die
Taufpatinnen dieser Rose.
Pastor Stellbrink bei seinem Amtsantritt 1934
(im Hintergrund Erich Klahns Tatzenkreuz).
Foto: Archiv der Hansestadt Lübeck
Projektbeginn am 8. Mai in Schleswig: Fundraising
für die Förderung von Erinnern und Lernen
Foto: ProGedenkstätten
Die Gedenkstätte Lutherkirche ist geöffnet mitt-
Die ersten verfügbaren Rosenpflanzen werden
wochs und freitags von 14 bis 18 Uhr, jeden ers-
den Gedenkstätten und Erinnerungsorten ge-
ten Samstag im Monat von 14 bis 18 Uhr mit
schenkt, um dort gepflanzt zu werden, wo die
Führung um 14.30 Uhr sowie auf Voranmeldung.
Erinnerungsarbeit an den historischen Orten
Kontakt: Dr. Karen Meyer Rebentisch, 0451-
stattfindet. Der Rosenzüchter Tantau – Part-
49057800, [email protected],
ner dieses Fundraising-Projektes – wird, so-
Pastorin Constanze Oldendorf, 0451-8899767,
bald der Verkauf im Herbst dieses Jahres be-
[email protected]. (H.S.) ◄
ginnt, in den kommenden Jahren je ein Euro
pro Pflanze für die Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein spenden.
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Manche Vertreterinnen und Vertreter der Ge-
haben es zudem deutlich leichter als solche,
denkstätten sind erfreut über die langfristig zu
die aus gesellschaftlicher Sicht weniger at-
erwartende finanzielle Unterstützung ihrer Ar-
traktiv und glaubwürdig sind, engagierte und
beit, andere sind ein wenig irritiert: Was hat
qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen und
eine Rose mit der Gedenkstättenarbeit zu tun,
langfristig zu binden.
und ist die Erinnerung an den Frieden nicht zu
undifferenziert, zu unpolitisch, zu „harmonisch“?
Und Wirtschaftspartner, Investoren und Kunden interessieren sich zunehmend dafür, wie
eine Firma mit gesellschaftlichen und unter-
Die Rose ist wie wohl mehr als jedes anderes
nehmerischen Herausforderungen umgeht,
Gehölz und jede Blume weltweit ein Symbol
grundlegende Arbeits-, Umwelt- und Sozial-
der Liebe. Zudem ist sie mit ihren Dornen und
standards sicherstellt und auf gesellschaftliche
ihrer Schönheit weit über unsere Kulturgren-
Prozesse Einfluss nimmt. Somit wird deutlich:
zen hinaus ein Sinnbild der Trauer und Erinne-
Gutes tun und davon profitieren – das ist die
rung, des Schmerzes und seines Überwin-
Leitidee von „Corporate Social Responsibility“.
dung, der Versöhnung und des Friedens,
Gesellschaftliche Verantwortung ist mitunter
Als Rosenliebhaberin liegt es mir nah, die
traditionell in der Firmenphilosophie veran-
Symbolhaftigkeit der Rose mit der Erinne-
kert. Kleine und mittelständische Unterneh-
rungskultur und der Arbeit, die an den Ge-
men engagieren sich oft vielfältig für das Ge-
denkstätten und Erinnerungsorten geleistet
meinwohl, fördern einen städtischen Kinder-
wird, in Verbindung zu bringen. Im Rahmen
garten, sind Sponsor des örtlichen Sportver-
meiner Tätigkeit für ProGedenkstätten habe
eins oder spenden für soziale Projekte. Man-
ich aus dieser Idee ein CSR-Projekt konzipiert.
che Betriebe unterstützen schwerpunktmäßig
Hierfür konnte ich Tantau, einen der größten
und aus innerer Überzeugung zum Beispiel
Rosenzüchter des europäischen Marktes, ge-
Kulturprojekte, die Jugendarbeit oder ein
winnen, um so mit Hilfe einer eigens dafür
Hospiz.
ausgewählten Charity-Rose die Arbeit der Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein nachhaltig zu unterstützen.
Doch nicht jeder prüft, ob dieses Engagement
überhaupt zu seinem Unternehmensprofil und
Kerngeschäft passt. Ebenso prüft übrigens
Was bedeutet „CSR“? Die Europäische Union
auch nicht jeder Spendenempfänger, ob Zu-
entwickelte im Jahr 2000 ein politisches Kon-
wendungen und Unterstützung von Firmen mit
zept zur Stärkung unternehmerischer Verant-
der Kernbotschaft oder dem ethischen An-
wortung, die über rein wirtschaftliche Belange
spruch seines gemeinnützigen Projektes ver-
hinausgeht: „Corporate Social Responsibility“,
einbar sind. Wenn aber ein Projekt von einer
kurz CSR. Die EU-Kommission definierte CSR
Firma finanziell gefördert wird, die etwa im
als ein „ein Konzept, das den Unternehmen
Widerspruch dazu handelt, kann der Schaden
als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis sozi-
für die Glaubwürdigkeit und das öffentliche
ale und Umweltbelange in ihre Unterneh-
Ansehen des Projektes groß sein. Hier geht es
menstätigkeit und in die Wechselbeziehungen
also um eine beidseitige Klärung.
mit ihren Stakeholdern (Interessengruppen)
zu integrieren“.
Ein unternehmerisch und sozial durchdachtes
Engagement zielt auf gemeinnützige Vorha-
Ein gezieltes und freiwilliges soziales Engage-
ben, die thematisch zum Unternehmen passen
ment kann für Unternehmen jeder Größe bei-
und damit sowohl das betriebliche Image als
spielsweise zu Wettbewerbsvorteilen führen.
auch den gesellschaftlichen Nutzen befördern.
Denn auch ein funktionierendes soziales Umfeld und eine lebendige Kulturlandschaft sind
wichtige Faktoren für die Standortattraktivität.
Eine bewusste Entscheidung für CSR geht davon aus, dass
Firmen mit einem positiven sozialem Image
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b)
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sich für Wirtschaftsunternehmen ein
denkstätten und Erinnerungsorte stärken sich
nachhaltiges Wirtschaften rechnet,
gegenseitig. Das Ziel ist, damit eine länger-
ein ressourcenschonender Umgang
fristige Wertschöpfung und Wirkung für die
mit Mensch, Natur und Energie eben-
Gesellschaft anzustoßen. Insofern soll das
so wie ein überzeugendes soziales
„Friedenslicht“ das Erinnern an die nationalso-
Engagement langfristig für das Un-
zialistische Gewaltherrschaft, den Friedensge-
ternehmen und für die Gesellschaft
danken und das Lernen aus der Geschichte
als Gewinn auszahlt;
stärken.
für gemeinnützige Organisationen die
Vernetzung und Zusammenarbeit mit
Wirtschaftsunternehmen nicht nur finanziell bedeutsam ist, sondern auch
Karin Penno-Burmeister, Fundraising-Managerin FA, ist Projektleiterin von ProGedenkstätten. ◄
mittelfristige Entwicklungspotenziale,
zunehmende Akzeptanz in der Öffentlichkeit und eine anhaltende Wirkung in der Gesellschaft erzeugen
kann.
Für eine soziale Aufgabe wie die Gedenkstättenarbeit und Erinnerungskultur passende
Wirtschaftsunternehmen für ein gemeinsames
CSR-Projekt zu gewinnen und damit eine
Partnerschaft zwischen Non-Profit und Profit,
zwischen Kultur und Wirtschaft einzugehen,
setzt voraus, dass beide Partner etwas davon
haben müssen. Dies ist die maßgebliche Bedingung für eine nachhaltige Zusammenarbeit. Die Wertschöpfung für die Gesellschaft
wird durch das partnerschaftliche Handeln er-
Soziale Kaufportale im Internet:
Einkaufen für den guten Zweck –
und Gedenkstätten fördern
Karin Penno-Burmeister
Wer Einkäufe im Einzelhandel um die Ecke erledigt, tut gut daran und stärkt die regionale
Wirtschaft. Doch für viele Menschen – gerade
in unserem Flächenland Schleswig-Holstein –
ist es hilfreich, beispielsweise Bücher, Büroartikel, Baumaterialien und Kleidung auch über
das Internet zu beziehen oder Fahrkarten,
Theatertickets und Hotelzimmer online buchen
zu können.
zeugt.
Nun kann man über solche Internet-Käufe
Am Beispiel des CSR-Projektes „Friedenslicht
ganz nebenbei auch noch Fundraising betrei-
– Eine Rose für die Erinnerungskultur in
Schleswig-Holstein“ wird dieses Prinzip deutlich: Sowohl der Rosenzüchter als auch die
Gedenkstätten
und
Erinnerungsorte
in
Schleswig-Holstein sollen von diesem Projekt
profitieren. Mindestens zehn Jahre lang soll
der Verkauf der Rosenpflanzen Spenden er-
ben. Online-Händler nutzen Einkaufsportale,
um für Ihre Angebote neue Kunden und Interessenten zu finden. Jedes Mal, wenn man
über das Portal zu einem Online-Shop gelangt
und dort einkauft, sich anmeldet oder Gutscheine einlöst, bezahlt dieser Shop dem Betreiber des Portals eine Provision.
bringen. Kundengewinnung und Gewinnstei-
Der „Bildungsspender“ ist eines der größten
gerung für das Unternehmen werden sich also
sozialen Kaufportale im deutschsprachigen
unmittelbar auf die Spendenhöhe auswirken.
Raum. Dieses soziale Kaufportal wurde vom
Käuferinnen und Käufer der Rosenpflanzen
Deutschen Fundraising-Verband geprüft und
werden auf die schleswig-holsteinische Erinne-
in Fachkreisen empfohlen. Das Portal hat aus
rungskultur aufmerksam und somit zu poten-
den Provisionen der Shops seit 2009 bereits
ziellen Besuchern, Fürsprechern und Förde-
rund 3,28 Millionen Euro für gemeinnützige
rern. Es geht also um weit mehr als nur um
Zwecke akquiriert. Derzeit sind 1.666 Online-
den Verkauf von Rosen: Die Werbung für die
Shops über dieses Portal erreichbar, die An-
Rose und die Öffentlichkeitsarbeit für die Ge-
zahl der gemeinnützigen Organisationen, die
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durch die Provisionen begünstigt werden, be-
der Zeile „Shopsuche“ darüber eintragen, mit
läuft sich zurzeit auf 5.631, Tendenz steigend.
der Enter-Taste bestätigen und auf der nächs-
ProGedenkstätten ist seit Februar 2015 bei
dem gemeinnützigen Einkaufsportal angemeldet. Wer sich also künftig über Bildungsspender in die Online-Shops einloggt, kann jedes
Mal, ohne selber auch nur einen Cent mehr
für die jeweilige Bestellung oder Buchung zu
bezahlen, über ProGedenkstätten die Gedenkstätten und Erinnerungsorte in SchleswigHolstein unterstützen.
ten Seite auswählen. Wenn auf dem Bildschirm der gewünschte Shop gezeigt wird, befindet sich unter dem Button „Zum Shop“ die
Information, in welcher Höhe die Provision
dieses Shops der ausgewählten gemeinnützigen Organisation als Spende (in der Regel 90
Prozent der Provision) und dem Bildungsspender (in der Regel zehn Prozent der Provision)
gutgeschrieben werden. Schließlich den Button „Zum Shop“ anklicken – und schon befindet man sich auf der vertrauten Seite des Online-Shops und kann dort alle Funktionen wie
gewohnt nutzen.
Nach erstmaliger Einrichtung dieses Zugangs
ist jede weitere Nutzung dann mit wenigen
Klicks möglich.
Die Spendenhöhe beträgt je nach Einkauf und
Shop oft nur wenige Cent, einige Shops vergüten aber auch recht großzügig mit hohen
Prozenten oder Festbeträgen (zum Beispiel
neun Euro pro Hotelbuchung). Durch konsequente Nutzung summieren sich die Beträge
recht schnell. Eine vierköpfige Familie in
Mit ein paar Klicks die Gedenkstätten unterstützen:
ProGedenkstätten beim Bildungsspender
Und so geht’s: Zunächst die Internetadresse
Bildungsspender aufrufen. Dann in der Mitte
oben „Hilfe für:“ anklicken. Sodann auf „Alle
zeigen“ klicken, um zu sehen, welche Organisationen um Unterstützung werben, oder direkt in der Zeile „Einrichtungssuche“ ProGedenkstätten eintragen, mit der Enter-Taste
Deutschland akquiriert über ein solches Einkaufsportal im Jahr durchschnittlich etwa 143
Euro für einen guten Zweck – ohne Ausgaben
und Spenden aus eigener Tasche. Es dürfte
sich also lohnen, wenn all jene, die mithelfen
wollen, für die Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein Spenden zu gewinnen, auch diese Möglichkeit über ProGedenkstätten nutzen.
bestätigen und auf der nächsten Seite aus-
Zusätzlich bietet Bildungsspender an, von der
wählen. Anschließend oben rechts „Registrie-
Website aus direkt zu spenden. Dafür geht
ren“ anklicken und kostenlose Registrierung
man auf der Startseite oben im schwarzen
als Mitglied ausfüllen (man kann das Portal
Balken auf den roten Button „Spenden“. Es
aber auch ohne Registrierung nutzen, aber die
erscheint ein Formular, auf dem auch der
Registrierung hat den Vorteil, dass man bei
Zahlungsweg für die Direktspende ausgewählt
künftigen Bestellungen die bevorzugt genutz-
werden kann.
ten Online-Shops und Einstellungen individuell
abspeichern
und
künftig
leichter
nutzen
kann). Danach oben im grauen Balken im
zweiten Feld von links „Shops“ anklicken. Nun
entweder aus den alphabetisch geordneten
Shops den gewünschten auswählen oder in
Wer mehr über den Bildungsspender erfahren
möchte, kann gerne bei mir nachfragen (Tel.:
04664-983614) oder sich auf der Startseite
von Bildungsspender das fünfminütige Erklärungsvideo anschauen. ◄
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BERICHTE UND INFORMATIONEN
DOKUMENTATION:
Ergebnisprotokoll des 3. Runden
Tisches zur Zukunft der Gedenkstättenlandschaft und Erinnerungsarbeit in Schleswig-Holstein
am 28. Januar 2015*
Dr. Schmid. Die Transformation der BGSH habe sich als rechtlich schwierig erwiesen, das
inhaltliche Ziel einer Weiterentwicklung werde
aber weiterverfolgt.
Ergebnisse der Diskussion

Das Konzept wurde als gut lesbar gelobt, der allgemein gehaltene Charak-
Begrüßung
ter wurde eher positiv als negativ be-
Frau Löffert-Pokatis begrüßte die Teilnehmen-
wertet. Eine gewisse Unschärfe kann
den und entschuldigte Frau Ministerin Spoo-
auch Handlungsspielräume für spätere
rendonk, deren Anwesenheit kurzfristig im In-
Jahre eröffnen. Eine noch stärkere Pri-
nen- und Rechtsausschuss des Schleswig-
oritätensetzung ist wünschenswert,
Holsteinischen Landtages erforderlich wurde.
dies kann aber auch später noch in
Frau Löffert-Pokatis drückte ihr Bedauern über
jährlich zu verhandelnden Zielverein-
das Fernbleiben von Herrn Prof. Fouquet aus.
barungen ergänzt werden. Das Kon-
Er hatte über den E-Mail-Einladungsverteiler
zept ist zunächst das Basisbekenntnis
seine Abwesenheit begründet. In diesem Zu-
der Landesregierung und soll nicht als
sammenhang wird dem Protokoll ein Schrei-
Endpunkt der Entwicklung, sondern als
ben von Frau Ministerin Spoorendonk beige-
Etappenziel gewertet werden. Über die
fügt [siehe Anlage].
Legislaturperiode hinaus soll an der
Thematik weitergearbeitet werden.
Der Vorwurf der Sinnlosigkeit solcher
Papiere und die Forderung nach alternativen Maßnahmen wie etwa Resolutionen und Mahnwachen vor dem
Landtag blieben eine Einzelmeinung.

Grundlage des Konzepts ist die von
Herrn Dr. Schmid bereits erfolgte Bestandsaufnahme der Gedenkstätten
und Erinnerungsorte. Seine Vorgehensweise war wissenschaftlich fundiert, das hier nun vorgelegte Papier
Knapp 40 Personen folgten der Einladung zum Runden Tisch. Fotos: Jens Rönnau
Frau Löffert-Pokatis skizzierte, dass das Konzept ins Kabinett und in den Landtag eingebracht werden soll und erläuterte kurz die Änderungen im Vergleich zum Entwurf von Herrn
*
Protokoll: Dr. Brigit Janzen, Ministerium für Justiz,
Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein.
stellt die Sicht der Landesregierung
dar. In dem Konzept werden – neben
den positiven Veränderungen der letzten Jahre – nun größere Entwicklungslinien für die Zukunft aufgezeigt. Geplant ist nicht die Verlängerung des
Status quo, sondern sind strukturelle
Verbesserungen: Wie soll die Gedenkstättenlandschaft zukünftig aussehen,
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welcher
Teil
soll
UND
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
parenten Kriterien für die Förderwür-
„hinlänglich bekannt“ und „ausrei-
digkeit von Projekten sowie die Über-
chend“.
prüfung der Einhaltung dieser Vorga-
Angeregt wurden konkret eine noch
ben wird auch aus dem Selbstver-
präzisere Darstellung der Aufgaben
ständnis der BGSH heraus für drin-
von BGSH und LAGSH, eine stärkere
gend erforderlich gehalten.
Profilierung durch didaktische Konzepte und die Einbeziehung der Entwicklung in der Landeshauptstadt Kiel sowie eine Aktualisierung im Anhang von
Tabelle und Karte.



Es wurde klargestellt, dass die LAGSH
als ehrenamtliche Interessenvertretung fungiere, die Weiterleitung und
Vergabe von Landesmitteln ist von
dort nicht zu leisten.
Eine weitere Erhöhung des seit 2012
deutlichen angewachsenen Haushalts-
Zusammenfassung und weiteres Vorgehen
ansatzes konnte nicht in Aussicht ge-
Frau Ministerin Spoorendonk erläuterte nach
stellt werden, allerdings ist es kurzfris-
ihrem verspäteten Erscheinen ihre Sicht: Das
tig noch gelungen, für 2015 investive
Konzept ist ein deutliches Signal, wo wir ste-
Mittel für Husum-Schwesing und Kal-
hen, und Ausdruck für einen Prozess. Sie
tenkirchen in den Landeshaushalt ein-
dankte allen, die sich beteiligt haben. Eine
zubringen.
Professionalisierung vor Ort kann nur von al-
Die Neulandhalle findet – auch auf
len gemeinsam gestaltet werden. Um das
Grundlage des Votums der Arbeits-
Thema öffentlich zu positionieren, ist eine Ka-
gruppe – beispielhaft Erwähnung in
binettsbefassung und daran anschließend die
dem
Auseinandersetzung im Landtag vorgesehen.
Bemühen,
weitere
Realisie-
rungsmöglichkeiten zu finden.

Die im Konzept genannte Formulierung von Förderrichtlinien und trans-
diskutiert, von „nicht vorliegend“ bis

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Bundesförderung).
werden, wo soll der Fokus liegen? Das
diesem Zusammenhang kontrovers
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gruppe, Mittelaufstockung, erstmalige
professionalisiert
Thema Bedarfsermittlung wurde in
IN
Begrüßt wurden die Einrichtung einer
Servicestelle und die damit verbundene Stärkung der Ehrenamtlichkeit.
Auch hinsichtlich der Evaluierung sol-
Sie wünscht sich, dass die Konzeption innerhalb dieser und über die Legislaturperiode
hinaus kontinuierlich weiterentwickelt wird –
im gemeinsamen Bestreben von Landesregierung und der Gedenkstättenszene.
len die Erfordernisse dieser Zielgruppe
berücksichtigt werden.

Positiv wurde vom Plenum bewertet,
dass – soweit dies heute möglich sei –
bereits konkrete Ziele für die Zukunft
genannt seien Hieraus ergibt sich die
Chance, an bestimmten Punkten einzuhaken.

Allgemein wurde das Engagement von
Ministerin Spoorendonk als Fürsprecherin für die Belange der Gedenkstätten gewürdigt und gelobt. Insbesondere in den letzten 2-3 Jahren habe sich
Die Leitung des Runden Tisches (v.l.n.r.): Ministerin
Anke Spoorendonk, Friederike Löffert-Pokatis und
Dr. Brigit Janzen
viel bewegt (Runder Tisch, Arbeits24
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Frau Löffert-Pokatis fasste die wesentlichen
Stichworte aus der Diskussion zusammen, die
jetzt noch in das Konzept mit eingearbeitet
werden sollen:

Transparenz von Strukturen

Nachhaltigkeit

Didaktik/Themen/Zielgruppen

Bürgerschaftliches Engagement und
Hauptamtlichkeit

Nennung der Projekte in Kiel.
Anlage: Protokollnotiz von Ministerin Anke
Spoorendonk
Die in der an alle Mitglieder des Runden Tischs
gesendeten Mail vom 27. Januar 2015 von
Herrn Dr. Klaus Bästlein erhobenen Anschuldigungen gegenüber der Bürgerstiftung Schles-
IN
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7/2015
DOKUMENTATION:
Weiterentwicklung und Realisierung des Konzepts für die Neulandhalle. Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Dudda (Piratenfraktion) und Antwort der
Landesregierung – Ministerin für
Justiz, Kultur und Europa
Vorbemerkung: Im vergangenen Jahr diskutierte der Landtag auf Grundlage der Drucksache 18/1649 über das Konzept zum Erhalt der
Neulandhalle.
1. Gibt es seit der Debatte im letzten Jahr
konkrete Schritte der Überarbeitung und/oder
Weiterentwicklung des Konzepts zur Neulandhalle? Wenn ja, wie sehen diese konkret aus?
wig-Holsteinische Gedenkstätten (BGSH) weise
Antwort: Seit der Debatte im letzten Jahr
ich als Stiftungsratsvorsitzende auf das Ent-
wurde das Gespräch mit den Autorinnen und
schiedenste zurück. Der Diskussion des Lan-
Autoren der Machbarkeitsstudie sowie mit
desgedenkstättenkonzepts und der Gedenk-
dem kirchlichen Träger der Neulandhalle auf
stättenpolitik der Landesregierung stelle ich
Fach- und Arbeits- wie auch auf Leitungs-
mich als zuständige Ministerin jederzeit gerne.
ebene des MJKE intensiv fortgeführt. Das
Die BGSH und die namentlich genannten Per-
Konzept wurde daraufhin weiter überarbeitet
sonen jedoch in dieser Art und Weise und mit
und die Anregung der BKM aufgenommen, die
einem Vokabular zu verunglimpfen, das die
Neulandhalle stärker als Bildungsstätte auszu-
Gedenkstätten- und Erinnerungsarbeit der
richten.
letzten Jahre für entlarvt und überwunden
2. Welche detaillierten Finanzierungsmoda-
glaubt, verbietet sich von selbst. Die Landes-
litäten sehen die neuen Eckwerte dieses Kon-
regierung bekennt sich zu der von ihr 2002
zepts vor? Inwieweit unterscheiden sich diese
mitinitiierten Bürgerstiftung und spricht den
konkret von den Modalitäten des bei der Bun-
ehrenamtlich wirkenden Mitgliedern in allen
desregierung, Bundesbeauftragte für Kultur
Gremien ausdrücklich ihr Vertrauen aus. ◄
und
Medien,
mit
der
Bitte
um
Bun-
desförderung eingereichten Konzepts? Wer
sollte demnach mit welchen Beträgen die Realisierung der Pläne finanzieren und wer soll
dies heute tun?
Antwort: Das überarbeitete Konzept des historischen Lernortes Neulandhalle basiert auf
dem im Antrag an die BKM vorgesehenen Kostenrahmen. Wesentliche Einsparungen konnten nicht erreicht werden. Geprüft wurde, ob
die Realisierung über einen längeren Zeitraum
als bisher vorgesehen gestreckt und ob die,
durch die Ablehnung des Antrags durch die
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BKM entstandene, Finanzierungslücke durch
der Regierung zur Realisierung des Konzepts
die Akquirierung von EU- und Stiftungsgeldern
konkret aus?
ausgeglichen werden könnte. Es hat sich gezeigt, dass eine Realisierung ohne den Einsatz
von Landesmitteln derzeit nicht möglich ist.
Die Bereitstellung von Landesmitteln ist nach
derzeitigen Planungen frühestens für das
Haushaltsjahr 2018 möglich.
Da eine Realisierung erst ab 2018 erneut zu
prüfen ist, wird auch über die weitere Finanzierung erst zu gegebener Zeit weiter zu spre-
6. Wurde das Konzept inhaltlich verändert?
Wenn ja, wurden die Anmerkungen der Bundesbeauftragten aufgenommen und haben
diese zu Veränderungen am Konzept geführt?
Wenn ja, in welcher Weise? Wenn nein, warum nicht?
Antwort zu den Fragen 4-6: siehe Antwort auf
die Fragen 1 und 2.
chen sein. Entsprechend liegt derzeit kein
Quelle:
konkret umzusetzendes Konzept mit ausgear-
Drucksache 18/2748, 9. März 2015. ◄
Schleswig-Holsteinischer
Landtag,
beiteten Finanzierungsmodalitäten und einem
entsprechenden Zeitplan vor.
3. Wurden die Leistungen der Kirche bei der
Finanzierung verändert? Bleibt die Sondervereinbarung mit der Nordkirche (EZ 09, Kapitel
0940, Titel 28209) von den Veränderungen
und die zur Verfügung gestellte Fördersumme
unberührt? Wenn ja, in welcher Weise kommt
es hier konkret zu Veränderungen?
DOKUMENTATION:
Vereinbarung über die Finanzierungsbeteiligung an der
Gedenkstättenarbeit sowie der
Förderung der Kultur und des kulturellen Erbes in SchleswigHolstein
Antwort: Die am 1. Dezember 2014 geschlossene Vereinbarung mit der Nordkirche bleibt
Zwischen dem Ministerium für Justiz, Kultur
davon im Grundsatz unberührt. Vertragsge-
und Europa des Landes Schleswig-Holstein,
genstand sind die „Arbeit der Gedenkstätten
vertreten durch die Ministerin Anke Spooren-
(und hier insbesondere den Aufbau der Neu-
donk (im Folgenden: MJKE), und der Evange-
landhalle als Gedenk- und Lernort) und die
lisch-Lutherischen Kirche Norddeutschlands,
Förderung der Kultur und des kulturellen Er-
vertreten durch den Vorsitzenden der Kirchen-
bes“. Die Neulandhalle wird Thema in der
leitung Bischof Gerhard Ulrich (im Folgenden
2015 einzusetzenden gemeinsamen Projekt-
Nordkirche), wird folgende Vereinbarung ge-
gruppe (Kirche/MJKE) werden, die über die
schlossen:
Verwendung der Mittel berät. Sollte dieses
Projekt nicht zustande kommen, wird die Kirche laut Protokollnotiz ihre vertraglich vereinbarte Sonderzahlung an das MJKE um den für
die Neulandhalle vorgesehenen Betrag kürzen,
„es sei denn, die Nordkirche stellt diesen Betrag dem Land für andere Aufgaben zur Verfügung“.
Präambel
Das Land strebt die Schaffung und den Erhalt
einer
reichen,
vielfältigen
und
qualitativ
hochwertigen Kulturlandschaft an. Einer der
Schwerpunkte des Landes ist die Arbeit der
Gedenkstätten, insbesondere der Aufbau der
Neulandhalle in Dieksanderkoog als Gedenk-
4. Auf Grundlage welcher konkreten Verhand-
und Lernort. Dem Land ist seine besondere
lungen wurde das neue Finanzierungsmodell
Verantwortung für die Umsetzung von Lehren
erarbeitet?
aus der Vergangenheit bewusst. Ohne Kennt-
5. Wann standen die neuen Finanzierungsmodalitäten fest und wie sieht der Zeitplan
nis der Geschichte können alte Fehler nicht
vermieden und neue Wege nicht gegangen
werden.
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Ein weiterer Schwerpunkt ist der Erhalt kultu-
MJKE verpflichtet sich, der Nordkirche jährlich
rellen Erbes und die Gestaltung einer kulturel-
sechs Monate vor Zahlungszeitpunkt mitzutei-
len Vielfalt in Schleswig-Holstein. Gleichzeitig
len, welcher Teilbetrag erforderlich ist. Die
muss das Land bis zum Jahr 2020 einen aus-
Höhe der jährlichen Tranche der Leistungen
geglichenen Haushalt vorlegen. Es muss si-
nach § 2 bestimmt sich nach den Vorgaben
cherstellen, dass die strukturellen Probleme
zur Aufstellung des Landeshaushalts.
des Landeshaushalts spätestens zu diesem
Zeitpunkt gelöst sind. Durch diese verfas-
§ 4 – Arbeitsgruppe
sungsrechtlichen Vorgaben sieht sich das Land
MJKE und Nordkirche richten eine Arbeits-
aktuell nicht in der Lage, sich bei den beiden
gruppe ein, die über die Verwendung dieser
oben genannten Schwerpunkten in dem Aus-
Mittel nach § 2 berät, gegebenenfalls verän-
maß zu engagieren, wie es grundsätzlich an-
derte Prioritäten vorschlägt und einmal jähr-
gebracht wäre.
lich einen Bericht für die Kirchenleitung und
Die Nordkirche begrüßt das Engagement des
das Ministerium verfasst. In der Arbeitsgruppe
Landes. Die Nordkirche ist aufgrund der Be-
sind das MJKE und die Nordkirche zu gleichen
deutung der Gedenkstättenarbeit und anderer
Anteilen vertreten. Bei Bedarf kann die Ar-
oben genannter Handlungsfelder bereit, diese
beitsgruppe weitere beratende Mitglieder hin-
Arbeitsbereiche für fünf Jahre zu unterstützen.
zuziehen.
§ 1 – Vertragsgegenstand
§ 5 – Ansprüche Dritter
Die Nordkirche unterstützt die Arbeit der Ge-
Die Vertragsparteien sind sich einig, dass die-
denkstätten (und hier insbesondere den Auf-
ser Vertrag keine Ansprüche Dritter begrün-
bau der Neulandhalle als Gedenk- und Lern-
den soll.
ort) und die Förderung der Kultur und des kulturellen Erbes für die nächsten fünf Jahre.
§ 2 – Leistungspflichten
§ 6 – Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Diese Vereinbarung tritt am 1. Januar 2015 in
Kraft und endet am 31. Dezember 2021.
Die Nordkirche verpflichtet sich, die Arbeitsfelder nach § 1 über einen Zeitraum von bis
Protokollnotiz zur Sondervereinbarung mit
zu sechs Jahren mit einer Gesamtsumme von
der Nordkirche
2,5 Millionen Euro bedarfsgerecht zu unter-
Die Beteiligten sind sich einig darüber, dass
stützen. Die Abwicklung erfolgt über den Kul-
die Neukonzeptionierung der Neulandhalle als
turhaushalt des MJKE. Die Parteien sind sich
historischer Lernort mit einem Teilbetrag in
einig, dass dieser Betrag insbesondere der Si-
Höhe von 1 Million Euro aus den Sonderver-
cherstellung der allgemeinen Gedenkstätten-
tragsmitteln realisiert werden soll. Kommt das
arbeit in Höhe von 500.000 Euro, für das Pro-
Projekt Neulandhalle nicht zustande, wird die
jekt der Neulandhalle in Höhe von 1.000.000
Kirche ihre vertraglich vereinbarte Sonderzah-
Euro und der Förderung der Kultur und des
lung an das MJKE um diesen Betrag kürzen,
kulturellen Erbes zugutekommen soll. Das
es sei denn, die Nordkirche stellt diesen Be-
Land strebt an, sich an den vorstehend ge-
trag dem Land für andere Aufgaben zur Ver-
nannten Arbeitsbereichen weiterhin finanziell
fügung.
zu beteiligen und nicht als Ausstiegsszenario
zu betrachten.
Quelle:
Schleswig-Holsteinischer
Landtag,
Umdruck 18/3444
§ 3 – Zahlungsmodalitäten
Der Mittelabfluss wird jährlich zwischen dem
Das MJKE und die Nordkirche haben den Vertrag am 1. Dezember 2014 unterzeichnet. ◄
MJKE und der Nordkirche abgestimmt. Das
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Aktuelles aus der Landesarbeitsgemeinschaft
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Alle bisherigen Mitglieder des Sprecherrats
wurden wiedergewählt, zum Teil in anderen
Funktionen: 1. Vorsitzende ist Uta Körby
Uta Körby
(Wiederwahl), stellvertretender Vorsitzender
Dr. Harald Schmid (bisher Beisitzer), Schrift-
Die Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten
führer Benno Stahn (Wiederwahl), Kassenwart
und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein
Dr. Christian Walda (bisher Beisitzer). Zum
(LAGSH) vertritt mitllerweile 13 Gedenkstät-
erweiterten Vorstand gehören außerdem Karin
ten
Penno-Burmeister
und
Erinnerungsorte
in
Schleswig-
(bisher
stellvertretende
Holstein. Als neues Mitglied im vergangenen
Vorsitzende), Dr. Jens Rönnau (bisher Kas-
Halbjahr wurde die Erzbischöfliche Stiftung
senwart). Neu hinzugewählt wurde Bernd
„Lübecker Märtyrer“ aufgenommen.
Facklam vom Freundeskreis KZ-Gedenkstätte
Husum-Schwesing.
Viele Mitglieder der LAGSH haben am 3.
„Runden Tisch“ teilgenommen, zu dem Kulturministerin Anke Spoorendonk am 28. Januar 2015 nach Kiel eingeladen hatte. Dabei
wurde das Landesgedenkstättenkonzept des
Ministeriums vorgestellt und diskutiert. Es soll
als Entwurf des Ministeriums im Mai dem
Landtag vorgelegt werden. Diverse Entwürfe
Mitgliederversammlung im Nordkolleg.
Foto: Harald Schmid
des jetzt vorgelegten Konzepts sind in einer
Arbeitsgruppe des Ministeriums, die von dem
Am 28. März fand die diesjährige Mitglieder-
Staatssekretär Dr. Eberhard Schmidt-Elsaeßer
versammlung der LAGSH im Nordkolleg in
oder der Ministerin persönlich geleitet wurden,
Rendsburg statt. Im Vordergrund des Treffens
vorbereitet und eingehend beraten worden.
standen Änderungen der Vereinssatzung und
Die LAGSH war in dieser Arbeitsgruppe vertre-
turnusmäßige Wahlen zum Sprecherrat. Auf-
ten und brachte als Interessenvertretung der
grund der Erfahrungen der letzten zwei Jahre
Gedenkstätten und Erinnerungsorte ihre Posi-
hatte das Gremium einen Antrag auf Sat-
tion in die Diskussion ein.
zungsänderung eingebracht, der die Rechte
der persönlichen Mitglieder stärkt. Nach Zustimmung der Mitglieder ist jetzt die Möglichkeit gegeben, auch persönliche Mitglieder in
den Vorstand zu wählen, in dem sie volles
Stimmrecht haben. Die Funktion der Beisitzer
entfällt dadurch.
Beim Runden Tisch wurde deutlich, dass nach
wie vor Gesprächsbedarf besteht. Vor allem
die Frage der Nachhaltigkeit der Gedenkstättenförderung steht im Mittelpunkt der weiteren Entwicklung. Wie bereits mehrfach an dieser Stelle berichtet, hat die derzeitige Landesregierung erfreulicherweise die Mittel für die
Förderung der Erinnerungskultur in SchleswigHolstein deutlich angehoben. Allerdings gibt
es keine Garantie für eine dauerhafte Förderung in diesem Umfang über 2018 hinaus. Die
LAGSH nimmt die Sitzung des Landtages im
Mai zum Anlass, um die Forderung der Mitglieder nach einer nachhaltigen und erhöhten
Der neue Vorstand der LAGSH (v.l.n.r.): Jens
Rönnau, Harald Schmid, Benno Stahn, Uta Körby,
Karin Penno-Burmeister, Christian Walda, Bernd
Facklam. Foto: Raimo Alsen
Förderung in die Öffentlichkeit zu tragen.
Wie bereits bei den vorherigen Runden Tischen gab es auch diesmal wieder kritische
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Äußerungen von Teilnehmern, die sich auf das
Pasternak geleitet wird, sind neben der LAGSH
Projekt Neulandhalle bezogen, das nach wie
unter anderem auch die BGSH, der AKENS,
vor in dem Gedenkstättenkonzept des Ministe-
die Heinrich-Böll-Stiftung sowie der Träger-
riums vorgesehen ist. An dem eklatanten Un-
verein des Lernorts Flandernbunker vertreten.
terschied der vorgesehenen Mittel für einen
Ein weiterer Begleitausschuss in Kiel, geleitet
Ausbau der Neulandhalle zu einem Lernort mit
vom Staatssekretär Rolf Fischer, tagt schon
hauptamtlichen Kräften im Gegensatz zur ge-
länger,
ringen Fördersumme für die bestehenden, äu-
trosenaufstands von 1918 für die demokrati-
ßerst aktiven Einrichtungen entzünden sich
sche Entwicklung in Deutschland ins öffentli-
immer wieder Diskussionen. So nötig es wäre,
che Bewusstsein zu rücken und mit einer
in der Region Dithmarschen eine kritische
Hundertjahrfeier im Jahr 2018 zu würdigen.
um
die
Bedeutung
des
Ma-
Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Erbe anzustoßen und eine nachhaltige
Aufklärungsarbeit zu entwickeln, so wenig ist
bis jetzt dort vor Ort geschehen.
Seit dem Runden Tisch Ende Januar hat sich
die Sachlage allerdings verändert. Ministerin
Spoorendonk unterrichtete den Landtag im
März in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage
der Piraten-Fraktion und anschließend alle
Gremien davon, dass das Projekt eines Lernortes Neulandhalle vorläufig nicht finanzierbar
sei. In der Antwort der Landesregierung heißt
es: „Es hat sich gezeigt, dass eine Realisierung ohne den Einsatz von Landesmitteln derzeit nicht möglich ist. Die Bereitstellung von
Landesmitteln ist nach derzeitigen Planungen
frühestens für das Haushaltsjahr 2018 möglich.“ Deshalb liege momentan „kein konkret
umzusetzendes Konzept mit ausgearbeiteten
Finanzierungsmodalitäten und einem entsprechenden Zeitplan vor“. Offensichtlich ist die
Treffen der beiden Kieler Begleitausschüsse im Anscharpark in der Wik zur Besichtigung des früheren
Marinegefängnisses. Unten: Blick in einen Zellentrakt. Fotos: Harald Schmid
Chance der Zustimmung für den Ausbau der
im Besitz des evangelisch-lutherischen Kir-
Beide Ausschüsse haben sich Anfang März in
chenkreises Dithmarschen befindlichen Neu-
Kiel-Wik getroffen, um das leerstehende ehe-
landhalle zu einem Museum zu gering.
malige Matrosengefängnis zu besichtigen. Dr.
Die LAGSH ist nicht nur Kooperationspartnerin
für das Ministerium, sondern ist auch in verschiedene andere Gremien auf Landesebene
eingeladen worden. Beispielsweise in Kiel: Die
Landeshauptstadt hat auf Anregung von Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer einen Begleitausschuss ins Leben gerufen, der Vorschläge
für eine deutlichere Förderung und Präsenz
der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit in
der Stadt Kiel entwickeln soll. In diesem Ausschuss, der von dem Kulturreferenten Rainer
Jens Rönnau vom Mahnmal Kilian/Flandernbunker erläuterte die Geschichte dieses Gebäudes. Die zukünftige Nutzung dieses großen
Komplexes, der zurzeit von der Bundesagentur für Immobilien verwaltet wird, ist noch
ungeklärt. Die Hoffnung richtet sich darauf,
zumindest in einem Teil dieses Gebäudes ein
zukünftiges zeitgeschichtliches Museum der
Stadt Kiel unterbringen zu können, das den
Bogen von der Novemberrevolution 1918 über
den Nationalsozialismus bis hin zur Nachkriegszeit spannt. Die LAGSH unterstützt die29
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ses Vorhaben, mit dem in der Landeshaupt-
fessionalisieren. Diese Fortbildung führt die
stadt Kiel eine auffällige Leerstelle in der Aus-
Hamburger Agentur Mission Based Consulting
einandersetzung mit dem Nationalsozialismus
(MBC) durch, die über viel Erfahrung in der
geschlossen werden könnte.
Beratung von Non-Profit-Organisationen ver-
Auch in Ladelund ist die LAGSH im dortigen
Begleitausschuss
vertreten.
In
der
KZ-
Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund haben die Arbeiten zur Umsetzung des Moderni-
fügt. Bislang haben wir zwei Modulveranstaltungen im Nordkolleg in Rendsburg absolviert,
weitere finden im Juni in Ladelund und im
September statt.
sierungsprojektes begonnen, das durch die
Die LAGSH hat wegen der Vielzahl von Ge-
Bundesförderung möglich geworden ist. Die
denkveranstaltungen aus Anlass des 70. Jah-
Berliner Historikerin Dr. Angelika Königseder
restages des Endes des Zweiten Weltkrieges
hat den Auftrag erhalten, die neue Daueraus-
in Europa in diesem Jahr von einer eigenen
stellung zu kuratieren, die im Fokus des Pro-
großen Veranstaltung abgesehen. Von dem
jekts steht. Sie hatte zuvor die neue Ausstel-
Fundraising-Projekt ProGedenkstätten, das
lung in den Mahn- und Gedenkstätten Wöbbe-
Karin Penno-Burmeister leitet, ist die LAGSH
lin erarbeitet, die im Februar von den Mitglie-
zur Teilnahme an einer Veranstaltung am 8.
dern des Begleitausschusses besichtigt wurde.
Mai in Schleswig eingeladen worden. Vor der
Für die LAGSH können sich daraus Anregun-
Kulisse von Schloss Gottorf wird die von dem
gen oder Vorbilder für neu zu konzipierende
Unternehmen Rosen-Tantau, Uetersen, ge-
oder zu überarbeitende Ausstellungen an an-
züchtete Charity-Rose „Friedenslicht – eine
deren Gedenkstätten und Einrichtungen in un-
Rose für die Erinnerungskultur in Schleswig-
serem Land ergeben.
Holstein“ getauft. Ministerpräsidentin a.D.
Heide Simonis hat die Patenschaft für diese
Rosentaufe übernommen. Von dem Verkaufserlös jeder Rose soll ein Euro an die Bürgerstiftung gehen und damit die Erinnerungskultur in Schleswig-Holstein unterstützt werden.
Die öffentliche Veranstaltung anlässlich der
Rosentaufe bietet den Gedenkstätten, Erinnerungsorten und Initiativen eine gute Gelegenheit, sich mit landesweiter Wahrnehmung zu
präsentieren und auch mit potenziellen Spendern und Förderern in Kontakt zu kommen.
Ein Banner der LAGSH verdeutlicht die unterschiedlichen Gedenkorte, die in der LAGSH
vertreten sind. Die einzelnen Orte können sich
mit Ständen und Informationsmaterial darunter gruppieren.
Schließlich ist noch von zwei Tagungsplanungen zu berichten. Zum einen: Die nächste
Fortbildung in Rendsburg mit Dr. Katrin Jutzi und Kai
Kulschewski (unten). Fotos: Harald Schmid
Schwerpunkt der Arbeit der LAGSH ist in diesem Jahr die Organisation einer langfristigen
Qualifizierungsmaßnahme, die dazu beitragen
soll, die Leitung und den Betrieb von Gedenkstätten und Erinnerungsorten weiter zu pro-
Landesgedenkstättentagung findet im Mai
2016 statt. Die LAGSH ist in dem Vorbereitungsteam vertreten, das Themen, Referenten
und den Ablauf der Tagung plant. Zum anderen wird voraussichtlich im Dezember 2015
erstmals die Bundesgedenkstättenkonferenz
in Schleswig-Holstein stattfinden die die
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LAGSH in Kooperation mit der Topographie
musste geräumt werden, um es zur Schulung
des Terrors, Berlin, und anderen Partnern in
von SA-Leuten zu nutzen. Wollenberg (78),
Kiel ausrichten wird. Zu der Bundesgedenk-
ein gebürtiger Ahrensböker, zeigt an zwei Bei-
stättenkonferenz lädt die Stiftung Topographie
spielen, wie jüdische Hausbesitzer in der
des Terrors einen Kreis aus Vertretern der
norddeutschen Provinz enteignet und verfolgt
großen Gedenkstätten, der Landesarbeitsge-
wurden – obwohl nur wenige Juden in der
meinschaften der Bundesländer und der Lan-
Gemeinde lebten.
deszentralen für politische Bildung ein. Wir
freuen uns sehr, unsere Kolleginnen und Kollegen in diesem Kontext über die Lage und
Perspektiven der Gedenkstätten in SchleswigHolstein zu informieren.
Uta Körby ist Vorsitzende des Sprecherrats
der LAGSH und Beisitzerin im Vorstand der
KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen. ◄
Die Eröffnung der Ausstellungen fand am 7.
Dezember letzten Jahres statt. Genau auf den
Tag waren es 81 Jahre her, dass das frühe
Konzentrationslager im Ahrensböker Ortsteil
Holstendorf geschlossen und die Realschule
hierher zwangsumgesiedelt worden war. Aus
Häftlingsschlafräumen waren über Nacht Klassenzimmer geworden. „Unsere Schule war ein
KZ“, lautet der Name der Dokumentensammlung, die Wollenberg über die wechselvolle
Judenkartei und Schule der Diktatur. Neue Ausstellungen in der
Gedenkstätte Ahrensbök über den
NS-Alltag
Geschichte des Gebäudes, in dem am 8. Mai
Monika M. Metzner-Zinßmeister
der Diktatur“, heißen einzelne Tafeln, auf de-
2001 die Gedenkstätte Ahrensbök eingerichtet
wurde, zusammentrug.
„Schule als KZ – KZ als Schule“ oder „Schule
nen wir über das Bildungswesen in Ahrensbök
Nicht nur Anfang und Ende der nationalsozia-
zwischen 1933 und 1945 informieren. Die Ta-
listischen Diktatur lassen sich in Ahrensbök an
feln stehen in einem Raum, der mit Stehpult
lokalen Beispielen thematisieren. Auch der All-
und alten Schulbänken an ein Klassenzimmer
tag unterm Hakenkreuz kann an regionalen
aus der Zeit der 1930er-Jahre erinnert, in
Ereignissen – beispielsweise dem Bildungswe-
dem alte Schulbücher und Schuldokumente in
sen vor Ort oder der Verfolgung jüdischer
Glasvitrinen zu sehen sind.
Bürger – beschrieben werden. Schulpolitik und
Judenverfolgung in Ahrensbök und Ostholstein
stehen im Mittelpunkt neuer Dauerausstellungen, die nun in der Gedenkstätte Ahrensbök
gezeigt werden.
Diese Ausstellungen sind das Ergebnis vieljähriger Forschungsarbeit. Der Historiker und Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Jörg Wollenberg, der bereits für die Dauerausstellung
über das frühe KZ in der Gedenkstätte verantwortlich zeichnet, dokumentiert erneut,
wie der nationalsozialistische Rassenwahn in
einer kleinen Gemeinde wie Ahrensbök funkti-
Schule im KZ 1933: Direktorenvilla einer ehemaligen Fabrik in Ahrensbök-Holstendorf.
Fotos: Archiv Gedenkstätte Ahrensbök
onierte: Im Direktorenhaus einer ehemaligen
Zuckerfabrik, in dem 1933 ein frühes Kon-
Der erzwungene Umzug der Realschüler in das
zentrationslager eingerichtet war, wird nach
Gebäude des gerade geräumten frühen Kon-
Schließung des KZ eine Realschule einquar-
zentrationslagers wird ebenso dokumentiert
tiert;
wie die missbräuchliche Nutzung der Schule
das 1928 errichtete Schulgebäude
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als Kaderschmiede der Nationalsozialisten. Die
Auch die Verfolgung jüdischer Bürger spiegel-
damalige Lehrerschaft der Gemeinde, Päda-
te sich im nationalsozialistischen Ahrensböker
gogen aus Volks- und Realschule, ließ sich
Alltag. Obgleich nur wenige Menschen jüdi-
ohne Widerspruch für die Ziele der Nazis ein-
schen Glaubens oder jüdischer Herkunft in
setzen.
Ostholstein lebten, gab es auch in dieser
Kommune
am
Rande
der
holsteinischen
Schweiz eine Judenkartei. Am Beispiel von
zwei Ahrensböker Familien dokumentiert die
Ausstellung, dass es auch in der Provinz erklärte Politik der Nationalsozialisten war, jüdisches Eigentum zu rauben.
Im Fall der Tierarzt-Familie Beckhard erreichten die Nationalsozialisten ihr Ziel. Unter dem
Druck der Verhältnisse – den Nürnberger Gesetzen von 1935 und der Arisierungsverordnung von 1938 – mussten die Beckhards Haus
1933 wird die Realschule Ahrensbök
zur NS-Kaderschmiede
und Grundstück am Pferdemarkt an die „Globus Gummi- und Asbestwerke GmbH in
Ahrensbök“. verkaufen. Die Familie wanderte
1938 in die USA aus; Tochter Erna blieb in
Deutschland und kam im Getto von Theresienstadt um. Versuche der Erben, nach 1945
für den Verlust entschädigt zu werden, waren
vergebens. Zwar steht das Haus der Beckards
unverändert am Pferdemarkt. Doch nichts erinnert an dieser Stelle an die jüdische Familie,
die bis zum Tode des Tierarztes 1935 in der
Gemeinde geachtet war.
Der Landwirt Wilhelm Schulz und seine jüdi-
Angehörige der Lehrerinnenbildungsanstalt
Ahrensbök: Eva-Maria Friedrichsen
Exemplarisch wird ein weiteres Kapitel des
NS-Bildungswesens am Beispiel von Ahrensbök beschrieben. In der Gemeinde gab es –
wie auch an anderen Orten – eine Lehrerbildungsanstalt (LBA), in der ausgewählte junge
Frauen (andernorts junge Männer) – jedoch
keine Jüdinnen, keine Töchter politischer Gegner – im nationalsozialistischen Sinn unterrichtet wurden. Während der Eröffnungsveranstaltung schilderte die Zeitzeugin Evamaria
Friedrichsen (87), eine pensionierte Sozialarbeiterin aus Bremen, dass sie zwischen 1943
und 1945 als Absolventin der LBA in Ahrens-
sche Frau Edith, die im Ahrensböker Ortsteil
Dunkelsdorf lebten, konnten hingegen die
Enteignungsversuche abwehren. Der in Peru
geborene Schulz hatte Erfolg, als er mit Hilfe
der
peruanischen
Gesandtschaft
beim
Reichsaußenministerium Protest gegen die
Arisierungsversuche einlegte. Am 4. Juni 1940
wies der Reichsminister für Ernährung und
Landwirtschaft den Oberpräsidenten in Kiel
an, der „jüdischen Ehefrau“ zu gestatten, das
von ihrer Mutter ererbte Gut Dunkelsdorf an
ihren „arischen Ehemann“ zu übertragen. Begründung: Das Ehepaar Schulz habe keine
Absicht auszuwandern. Gut Dunkelsdorf wurde 1953 verkauft.
bök eine überzeugte Nationalsozialistin war:
„Ich war braun – bis auf die Knochen und bis
zum bitteren Ende“.
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Seit Januar zeigen wir eine Ausstellung in Kooperation mit der Nordkirche: Thema sind Feldpostkarten aus
dem Ersten Weltkrieg mit religiösen
Motiven.
-
Eine noch bis zum 26. April gezeigte
Ausstellung befasst sich mit dem Thema Flucht und Vertreibung von 1945
bis heute. Die Schau, die bewusst Vergangenheit und Gegenwart zu diesem
Das Haus der Ahrensböker Tierarzt-Familie
Beckhard: unter Zwang verkauft
Die beiden neuen Ausstellungen ergänzen die
große Präsentation von Vorgeschichte und
Existenz eines frühen Konzentrationslagers in
Ahrensbök. Besucher und Besucherinnen der
Gedenkstätte werden umfassend über die Geschichte vor Ort zwischen 1930 und 1945 informiert. Ein letztes großes Thema, das den
nationalsozialistischen Alltag in Ahrensbök
prägte und noch der Dokumentation harrt:
Nachweislich 1.215 Männer, Frauen und Kinder, die aus den von den Nationalsozialisten
Thema zusammenbringt, soll vor allem
Menschen zum Mitarbeiten animieren
und später erweitert gezeigt werden.
-
Für die diesjährige, ab dem 4. Mai
gezeigte Hauptausstellung des Vereins
Mahnmal Kilian hat Kulturministerin
Anke Spoorendonk die Schirmherrschaft übernommen: Unter dem Motto
„Unbequeme Denkmäler“ erarbeitet
der Verein gemeinsam mit dem Kreis
Herzogtum Lauenburg eine kreisübergreifende Ausstellung zum Umgang
mit Kriegerdenkmälern.
besetzten Ländern verschleppt wurden, muss-
„Unbequeme Denkmäler. Kriegerdenkmäler
ten in der Landwirtschaft, in Privathaushalten,
und Mahnmale im Diskurs von 1918 bis heu-
Handwerk und Gewerbe sowie in Industriebe-
te“ (4. Mai bis 16. August 2015)
trieben Zwangsarbeit leisten. Der baldigen
Aufarbeitung und Präsentation dieses Themas
ist ein Raum im Obergeschoss der Gedenkstätte reserviert.
70 Jahre Kriegsende, 1945 bis 2015 – ein
Menschenleben – eine lange Zeitspanne, in
der Deutschland von weiteren Kriegen im eigenen Land verschont blieb. Denkmäler,
Monika M. Metzner-Zinßmeister ist Mitglied
Mahnmale, Ehrenmale und Gedenkstätten er-
des Trägervereins der Gedenkstätte Ahrens-
innern an vergangene Kriege, an Unrecht, Un-
bök/Gruppe 33 e. V., dessen 1. Vorsitzende
terdrückung und Mord: 1864, 1871, 1914–
sie von 2006 bis 2011 war. ◄
1918, 1939–1945.
Was sagen uns diese Erinnerungsstätten heu-
Drei neue Ausstellungen im
Flandernbunker Kiel
Jens Rönnau
te? Werden sie noch wahrgenommen? Erfüllen
sie die Aufgabe zur Mahnung an ein friedliches
Zusammenleben der Menschen? Seit einigen
Jahren ist hierzu ein Diskurs in Gang gekommen. Die Gedenkstätten im Lande setzen sich
Mit verschiedenen Partnern hat der Verein
in Tagungen und Diskussionsveranstaltungen
Mahnmal Kilian drei neue Ausstellungen im
mit diesem Thema auseinander. Beispiele sind
ersten Halbjahr 2015 für den Flandernbunker
die Landesgedenkstättentagungen wie auch
in Kiel erarbeitet. Zu allen Ausstellungen gibt
die Tagung der Landesarbeitsgemeinschaft
es jeweils ein Rahmenprogramm (siehe Ter-
der Gedenkstätten und Erinnerungsorte in
minkalender).
Schleswig-Holstein und des Deutschen Marinebundes 2014.
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In diesem Zusammenhang findet seit 2012 im
der eine Bild- und Textdokumentation der
Kreis Herzogtum Lauenburg das Projekt „Un-
Mahnmale, Ehrenmale und Gedenkstätten im
bequeme Denkmäler“ statt, und zwar im
Kieler Raum umfasst.
Rahmen des kreisweiten Programms „Toleranz
fördern – Kompetenz stärken“, das Teil des
Lokalen Aktionsplans für Vielfalt, Toleranz und
Demokratie des Landkreises ist. Im Fokus
stehen Kriegerdenkmäler und Ehrenmale zu
den Gefallenen und Opfern der Kriege 1871,
1914–1918 sowie 1939–1945.
Über eine Auseinandersetzung mit vorhandenen Kriegsdenkmälern und Gedenkstätten
zielt das Projekt auf eine Stärkung des demokratischen Diskurses angesichts der sich verändernden
sicherheitspolitischen
Lage
Deutschlands in der Welt. Das Thema darf
Rechtsextremen nicht überlassen werden!
Die Ergebnisse dieser Diskurse werden zum
Durch die Sonderausstellung im Kieler Flan-
70. Jahrestag des Endes des Zweiten Welt-
dernbunker soll das Gespräch fortgesetzt wer-
kriegs in Europa im Kieler Flandernbunker
den.
ausgestellt und mit einem Begleitprogramm
versehen werden, um so die Prozesse der
Auseinandersetzung zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Hierzu haben sich die gemeinnützigen Vereine Lauenburgischer Kunstverein, Heimatbund und Geschichtsverein
Herzogtum Lauenburg sowie Mahnmal Kilian
zusammengeschlossen.
Die bisherigen Diskussionen haben gezeigt,
dass ein derartiges Projekt längst fällig ist. Die
Anforderungen an die Gedenk- und Erinnerungskultur angesichts der wiederkehrenden
Jahrestage der „großen Kriege“ sowie der veränderten Aufgabe der Bundeswehr im Rahmen
der Bündnisverpflichtungen Deutschlands haben sich in den letzten Jahren radikal geändert. Es ist Frieden, was wir wollen - doch wir
haben Krieg. Eine besondere Zielgruppe sind
junge Menschen, die durch geeignete Aktionen in das Projekt eingebunden werden sollen. Bisherige Erfahrungen in dieser Hinsicht
sind sehr positiv. Schirmherrin für die Ausstellung ist die Ministerin für Justiz, Kultur und
Europa Anke Spoorendonk.
Flucht und Vertreibung – 1945 bis heute
(Teil 1: noch bis zum 26. April 2015)
Ein Schachspiel, das sich Flüchtlinge in der
Schülerinnen und Schüler bei der Recherche in
Geesthacht für die Ausstellung „Unbequeme Denkmäler“. Foto: Eva Ammermann
Festung Friedrichsort 1945 herstellten, ein
kleiner Koffer, ein selbstgebautes Puppenbett
– solche Gegenstände sind in dieser Ausstel-
Das nun über drei Jahre laufende Projekt im
lung des Vereins Mahnmal Kilian im Flandern-
Kreis Herzogtum Lauenburg umfasst Kunstak-
bunker zu sehen. Auch Berichte über den Un-
tionen, Diskussionsveranstaltungen, Vorträge,
tergang der „Wilhelm Gustloff“ am 30. Januar
Projekte für Jugendliche und Menschen mit
1945 und die beschwerliche Flucht über die
Behinderung und Jugendprojekte. Hintergrund
Ostsee oder in schier endlosen Trecks sind
bildet unter anderem der Versuch von Rechts-
Teil der Ausstellung. Doch viele Aspekte feh-
extremen, durch Aktionen („Heldengedenken“) lokale Kriegsdenkmäler für ihre propa-
len bewusst, denn die Ausstellung soll wachsen. Interessierte Zeitzeugen und Verbände
gandistischen Zwecke zu instrumentalisieren.
sind eingeladen, mit Erlebnisberichten und Er-
Der Verein Mahnmal Kilian erarbeitet seiner-
innerungsstücken beizutragen.
seits einen zweiten Teil zu dieser Ausstellung,
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Die Ausstellung präsentiert nicht nur Bilder,
eingehen, wie die weiterer Menschen, die sich
Gegenstände und Zeitzeugenberichte aus der
beim Kriegszeugenprojekt des Vereins Mahn-
Zeit des Kriegsendes 1945, sondern auch aus
mal Kilian noch melden können. 2016 soll die
jüngerer Zeit. So gibt es etwa Bilder heutiger
Ausstellung erweitert und wissenschaftlich be-
Flüchtlinge oder ganz aktuelle Zeitungsaus-
arbeitet dann ein zweites Mal im Bunker ge-
schnitte zum Thema Asyl. Einbezogen sind
zeigt werden.
daher auch die Flüchtlingsorganisationen von
heute. Ausgangspunkt ist der Flandernbunker
„‚Gott mit uns‘. Kirchliche und religiöse Propa-
als authentischer Ort: Er war militärische
ganda für Krieg und Vaterland“ (noch bis zum
Kommandozentrale des Kieler Kriegshafens,
30. Juni 2015)
von hier aus wurde im Frühjahr 1945 auch die
Die religiöse Verklärung des Soldatseins ge-
Ostseeflucht mit organisiert.
hörte zur Propaganda des Ersten Weltkriegs.
Das wird auch in einer bedrückenden Serie
von Feldpostkarten deutlich, die wir seit dem
30. Januar im Flandernbunker zeigen. Inbrünstig betende Soldaten sind da beispielsweise vor notdürftig erstellten Feldaltären zu
sehen oder der segnende Christus vor einer
brennenden Stadt.
Inge Schröder, eine Überlebende der untergegangenen „Wilhelm Gustloff“.
Foto: Jens Rönnau
Ein Blick in die Ausstellung: Vor den Berichten
über den Untergang der „Wilhelm Gustloff“
steht eine weißhaarige Frau: Inge Schröder.
Sie ist eine der wenigen Überlebenden des
durch sowjetische Torpedos versenkten „Kraft-
Eine Postkarte aus der Ausstellung „Gott mit uns“
durch-Freude“-Kreuzfahrtschiffes, das im Win-
Die Schau stellt den zweiten Teil einer Serie
ter 1945 rund 1.500 Militärpersonen und fast
von insgesamt acht kleinen Ausstellungen
9.000 Flüchtlinge an Bord hatte. 1931 in Dan-
zum Ersten Weltkrieg vor einhundert Jahren
zig geboren, wurde Inge Schröder als Vier-
dar, die der Verein Mahnmal Kilian im Flan-
zehnjährige aus der Schule geholt und musste
dernbunker zeigt. Die Exponate stammen in
Lazarettdienst leisten. Schon nach einer Wo-
diesem Fall aus einer Sammlung der Evangeli-
che kam sie auf die „Gustloff“, die auch ver-
schen Akademie der Nordkirche und wurden
wundete Soldaten transportierte. Sie beo-
von Pastor Ulrich Hentschel gemeinsam mit
bachtete, wie immer mehr Flüchtlinge an Bord
der Grafikerin Marlise Appel und dem Ethnolo-
strömten, wurde selbst durch das Schiff ge-
gen Marvin Raschkewitz zusammengestellt.
schoben, bis sie auf dem Sonnendeck landete.
Nach der Torpedierung wurde sie von einem
Soldaten ins Wasser geschubst – was schließlich ihre Rettung war. Heute lebt Inge
Schröder mit ihrem Mann in Kiel. Ihre persönlichen Berichte, die sie dem Flandernbunker
gab, werden ebenso in die aktive Ausstellung
Gezeigt werden vor allem Postkarten, die vor
hundert Jahren in großen Auflagen mit religiösen Motiven und Texten die Kriegsbereitschaft
der Soldaten und ihrer Familien unterstützten.
Daneben sind einige ausgewählte Beispiele von
Gebetsheften, Liederbüchern und „Schmuck35
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stücken“ für die Wohnstube zu sehen, an de-
sich durch eine besonders aufopferungsvolle
nen die durchgängige Militarisierung des All-
Tätigkeit für die Landeshauptstadt Kiel um das
tags sichtbar wird. Besonders im Jahr 1915,
Wohl Kiels verdient gemacht haben, oder das
als schon absehbar war, dass der Krieg zu ei-
Ansehen der Landeshauptstadt Kiel im In- und
nem Massensterben und Massenmorden wur-
Ausland durch ihren persönlichen Einsatz in
de, spielte diese angeblich fromme Ermuti-
hervorragender Weise gefördert haben“.
gung zum Krieg eine wichtige Rolle. Aus heutiger Perspektive können die Ausstellungsstücke Erschütterung und Abscheu bewirken.
Doch bei näherer Betrachtung und Auseinandersetzung mit den Intentionen und der Funktionsweise der religiösen Propaganda stößt
man auf irritierende Fragen für das gegenwärtige Verständnis von Krieg und Kriegsberechtigung.
Im Oktober letzten Jahres hat die Ratsversammlung der Landeshauptstadt Kiel einstimmig beschlossen, Dr. Jens Rönnau mit der
Andreas-Gayk-Medaille auszuzeichnen. Die
Stadt Kiel würdigt damit Rönnaus ehrenamtliches Engagement und seine Verdienste für
den Erhalt von Mahnmalen und die kulturpädagogische Vermittlung dieser historischen
Orte. In einer Feierstunde am 20. November
Die Ausstellung wurde am 30. Januar im Flan-
verlieh Stadtpräsident Hans-Werner Tovar die
dernbunker durch den Kieler Propst Thomas
Auszeichnung.
Lienau-Becker, den Hamburger Pastor Ulrich
Hentschel von der Akademie der Nordkirche
und den Vorsitzenden des Vereins Mahnmal
Kilian Dr. Jens Rönnau eröffnet. Am 18. März
trafen die beiden Theologen Dr. Uwe-Karsten
Plisch und Ulrich Hentschel aufeinander, um
sich an den kritischen Diskurs zu wagen, der
auch nach der Rolle der Kirche in der gegenwärtigen deutschen Militärpolitik fragt.
Dr. Jens Rönnau ist 1. Vorsitzender des Vereins Mahnmal Kilian in Kiel und Vorstandsmitglied der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in SchleswigHolstein. ◄
Ausgezeichnetes Engagement:
Jens Rönnau ist neuer Träger der
Andreas-Gayk-Medaille
Die Andreas-Gayk-Medaille, benannt nach
dem von 1946 bis 1954 amtierenden Kieler
Jens Rönnau nach der Verleihung der AndreasGayk-Medaille. Foto: Anja Manleitner
Oberbürgermeister, zählt zu den höchsten
In der Feierstunde im Kieler Ratssaal würdigte
Auszeichnungen, die die Landeshauptstadt
Tovar den neuen Träger der Gayk-Medaille:
seit 1971 verleiht. Sie wird – so heißt es in
„Ihr Engagement für die Geschichte, Kultur
der entsprechenden Satzung – vergeben an
und Kunst unserer Stadt ist einzigartig. Sie
„Persönlichkeiten, die sich auf politischem,
lassen Ihre Mitmenschen an Ihrem Wissen
wirtschaftlichem, sozialem oder kulturellem
teilhaben und geben es weiter. Sie erinnern.
Gebiet außergewöhnliche Verdienste um die
Sie lassen verstehen. Sie öffnen uns die Au-
Landeshauptstadt Kiel erworben haben, oder
gen. Sie haben die Erinnerungskultur in Kiel
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neu belebt. Sie legen den Finger in die Wunde
der Geschichte – das ist unangenehm – das
tut weh – aber es ist notwendig“.
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Wissenschaftspreis der Bürgerstiftung erstmals vergeben
Im Jahre 1995 gründete Rönnau zusammen
Die Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische
mit anderen Kieler Bürgerinnen und Bürgern
Gedenkstätten hat erstmals den von ihr aus-
den Verein „Mahnmal Kilian“. Ziel war es, die
gelobten Wissenschaftspreis verliehen. Erster
Ruine des U-Boot-Bunkers „Kilian“ auf dem
Preisträger ist der Kieler Historiker Thomas
Kieler Ostufer als Mahnmal aus der Zeit des
Tschirner. Der Wissenschaftliche Beirat der
Zweiten Weltkrieges zu erhalten. Just jene
Bürgerstiftung, der jeweils über die Vergabe
Ratsversammlung, die ihn jetzt auszeichnete,
entscheidet, hat Tschirner den Preis für seine
entschied damals, „Kilian“ zu sprengen. 2001
Studie zum Schicksal sowjetischer Kriegsge-
erwarb der Verein als alternatives Objekt den
fangener in Schleswig-Holstein zugesprochen.
Flandernbunker, ein früherer Marine-Hochbun-
Stiftungsratsvorsitzende und Kulturministerin
ker am Tirpitzhafen.
Anke Spoorendonk übergab den Preis im
Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung am
Mit der kontinuierlichen Unterstützung von
9. Dezember 2014 im Nordkolleg Rendsburg.
Sponsoren und Spenden ebenso wie dem ehrenamtlichen Engagement vieler Bürgerinnen
und Bürger gelang es dem Verein, diese
Kriegsruine zu einer Bildungs-, Kultur– und
Gedenkstätte zum Zwecke der Völkerverständigung zu entwickeln und erinnerungskulturell
zu etablieren. Beispielswiese Schulklassen bekommen hier einen so eindrucksvollen wie anschaulichen Geschichtsunterricht. Er ist Anlaufstelle für Zeitzeugen, aber auch für traumatisierte Menschen, die die Folgen von Krieg
und Gewalt nicht loswerden. Auch Künstlerinnen und Künstlern schätzen den Flandernbunker als Ausstellungsort für ihre Werke.
Jens Rönnau, 1958 in Kiel geboren, arbeitet
als Journalist, Kunsthistoriker, Kurator und
Ministerin Anke Spoorendonk gratuliert dem Historiker Thomas Tschirner. Foto: Harald Schmid
Kulturpädagoge. Er ist unter anderem Vorstandsmitglied in der Landesarbeitsgemein-
Die Bürgerstiftung würdigt mit dem Preis, der
schaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in
mit 2.000 Euro dotiert ist und alle zwei Jahre
Schleswig-Holstein sowie 1. Vorsitzender des
vergeben wird, herausragende wissenschaftli-
Vereins Mahnmal Kilian und leitet als solcher
che Arbeiten primär jüngerer Wissenschaft-
den Flandernbunker Kiel. Rönnaus Einsatz für
ler/innen zur Geschichte des Nationalsozialis-
die Kunst und Erinnerung im öffentlichen Raum
mus in Schleswig-Holstein und der Erinnerung
lässt sich auch nachlesen, beispielsweise in
an diese Zeit. Nähere Informationen zur Aus-
seinem 2011 veröffentlichten Buch Open-Air-
schreibung für die nächste Vergabe im Jahr
Galerie Kiel. Kunst und Denkmäler in Kiel und
2016 finden Sie hier. (H.S.) ◄
Umgebung. (H.S.) ◄
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Neuer Leiter des Jüdischen
Museums Rendsburg
IN
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Sonderausstellung „Wege ins Jenseits“ zu
Todes- und Jenseitsvorstellungen von der
Steinzeit bis in die Gegenwart hervortrat. Zu-
Ende der „Ära Walda“ (Kieler Nachrichten) in
sammen mit Guntram Turkowski leitete er
Rendsburg: Nach sechseinhalb Jahren hat Dr.
von 2005 bis 2013 das in dieser Zeit stärker
Christian Walda Anfang 2015 die Leitung des
landesgeschichtliche profilierte Volkskunde-
Jüdischen Museums Rendsburg (JMR) abge-
Museum Schleswig. Hier machte er sich einen
geben. Er ist nach Schleswig ins „Mutterhaus“
Namen nicht zuletzt durch diverse Wechsel-
der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landes-
expositionen und neue Dauerausstellungen,
museen Schloss Gottorf gewechselt, wo er
darunter
auch
eine
zu
„Schleswig-
nun für die Gemäldesammlung und das Klos-
Holsteinischen Erinnerungsorten“. Fleisch-
ter Cismar zuständig zeichnet. Im Rahmen ei-
hauer ist überdies seit 2007 Lehrbeauftragter
nes Empfanges wurde Walda am 22. Januar
für Kunstwissenschaft an der Universität
verabschiedet: Es sei eine „tolle Zeit“ in
Flensburg und war 2013/14 Beauftragter für
Rendsburg gewesen, sagte der scheidende
Provenienzforschung der Stiftung Schleswig-
Leiter und dankte sowohl seinem Team als
Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf.
auch dem politischen und kulturellen Umfeld,
das ihn vorbehaltlos unterstützt habe. Walda
war es gelungen, vom Start weg mit teilweise
spektakulären, kulturgeschichtlich stets spannenden Ausstellungen auch bundesweite Aufmerksamkeit für das 1988 gegründete Museum zu erzeugen. „Dr. Walda übergibt ein hervorragend geführtes Haus“, betonte bei der
Verabschiedung Dr. Kirsten Baumann, die Direktorin des Landesmuseums für Kunst und
Kulturgeschichte Schloss Gottorf.
Nachfolger Waldas ist Dr. Carsten Fleischhauer. Mit ihm steht erneut ein Kunsthistoriker an der Spitze des Museums in der Rendsburger Prinzessinstraße. Er bezeichnet sich
selbst als „Museumsmann aus Überzeugung“
– sein Werdegang unterstreicht dies. Geboren 1967 in Pinneberg und aufgewachsen im
Amtsübergabe im Jüdischen Museum Rendsburg
(v.l.n.r.): Prof. Dr. Claus von Carnap-Bornheim
(Leitender Direktor der Stiftung SchleswigHolsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf), Dr.
Christian Walda, Dr. Kirsten Baumann (Direktorin
des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte), Heinz-Peter Schierenbeck (Vorsitzender
des Freundeskreis Jüdisches Museum Rendsburg),
Dr. Carsten Fleischhauer. Foto: Claudia Dannenberg
nordrhein-westfälischen Blomberg/Lippe, hat
er an den Universitäten Freiburg im Breisgau
In Gottorf, so Kirsten Baumann, habe Fleisch-
und Köln Kunstgeschichte, Geschichte, Philo-
hauer alle Aufgaben „mit Bravour erfüllt“. Seit
sophie studiert. Mit einer Arbeit zur „Bau-
langem in seiner Arbeit auf schleswig-holstei-
kunst der Zisterzienser in der Provence“ wur-
nische Landesgeschichte konzentriert, hat der
de er 2002 in Köln promoviert. Nach Statio-
neue Leiter des Jüdischen Museums ange-
nen unter anderem am Haus der Geschichte
kündigt, in diesem spezifisch jüdischen Teil
der Bundesrepublik Deutschland in Bonn vo-
der Landesgeschichte sich besonders der Aus-
lontierte er 2003 als Museumspädagoge bei
weitung und weiteren Professionalisierung der
der Stiftung Schleswig-Holsteinische Lan-
Vermittlungsarbeit für alle Alters- und Ziel-
desmuseen Schloss Gottorf in Schleswig, wo
gruppen widmen zu wollen. Perspektivisch soll
er schon zwei Jahre später als Kurator und
die historische Abteilung im Jüdischen Muse-
Projektleiter
um neu gestaltet werden. Dass der neue,
der
epochenübergreifenden
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breit erfahrene Chef des JMR auch seine
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stein-Initiative und der Vereinigung der Ver-
Leidenschaft bekundet, komplexe Inhalte in
folgten des Naziregimes – Bund der Antifa-
museale Erzählungen umzusetzen und sich
schisten (VVN) die Veranstaltung organisiert.
zudem offen zeigt für innovative Ausstellungs-
Dabei gab es ein Wiedersehen mit dem ehe-
und Vermittlungskonzepte, macht vollends
maligen Kantor der Jüdischen Gemeinde,
neugierig auf die Weiterentwicklung des
Rabbiner Chaim Kornblum, der vor Jahren den
Hauses. (H.S.) ◄
Kontakt zu dem überlebenden Zeitzeugen
Samuel Taube hergestellt hatte. Zum Gedenken an die Opfer sprach Kornblum das Kad-
Todesmarsch 1945–2015.
Trägerverein der Gedenkstätte
Ahrensbök lud zum Gedenken an
der Lübecker Stele ein
disch. Für die Lübecker Jüdische Gemeinde erinnerte Rolf Verleger daran, dass viele Juden
nach der Befreiung Deutschland verlassen
hatten. Erst der Zuzug aus der ehemaligen
Sowjetunion nach 1990 habe in Lübeck wieder
Monika M. Metzner-Zinßmeister
eine lebendige jüdische Gemeinde wachsen
lassen. Weitere Grußworte sprachen Pröpstin
Mehr als hundert Menschen waren der Einla-
Petra Kallies, Dechant Joachim Kirchhoff sowie
dung des Trägervereins der Gedenkstätte
Jean Paul Koepsel von der VVN. ◄
Ahrensbök/Gruppe 33 e. V. gefolgt. Sie versammelten sich am Sonntag, den 12. April,
vor der Gedenkstele auf dem Rasen des Gustav-Radbruch-Platzes in Lübeck, um des 70.
Jahrestages
des
Todesmarsches
von
Auschwitz nach Holstein zu gedenken. Unter
den sanften Klängen der Klarinette von Daniel
Eine persönliche und theologische
Geschichte: Harald Richters Buch
zum Gedenken in Ladelund
Raimo Alsen
Fourié und der Gitarre von Dennis Schwentuchowski („Klezz Jazz“) wurde an die Ereig-
Die KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Lade-
nisse vor sieben Jahrzehnten erinnert.
lund ist aus der Arbeit der örtlichen Kirchen-
Es war ein kalter Apriltag des Jahres 1945
gewesen, als im Lübecker Hafen eine menschliche Fracht einem Elbkahn entstieg. 500 ausgezehrte, ausgehungerte, schwerkranke Häftlinge aus den Konzentrationslagern AuschwitzFürstengrube und Mittelbau-Dora (Harz) wurden in Lübeck auf die letzte Etappe eines Todesmarsches durch Ostholstein getrieben.
Nach knapp zweiwöchigem Aufenthalt im
Raum Ahrensbök mussten die Häftlinge weiter
nach Neustadt marschieren, wo die meisten
während der Cap-Arcona-Katastrophe am 3.
Mai ihr Leben verloren; nur wenige waren zuvor vom Schwedischen Roten Kreuz durch die
„Aktion Bernadotte“ gerettet worden.
Zum Gedenken an diesen Todesmarsch hatte
der Trägerverein der Gedenkstätte Ahrensbök
mit der Jüdischen Gemeinde Lübeck, dem Ev.Luth. Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg, dem
Katholischen Dekanat Lübeck, der Stolper-
gemeinde entstanden. Es war dabei vor allem
Pastor Harald Richter, der in seiner Amtszeit
und danach die Erinnerung an die Toten aufrecht erhalten und maßgeblich dazu beigetragen hat, die Gedenkstätte weiter aufzubauen.
Den Grundstein für die Gedenkstättenarbeit
hat aber Pastor Johannes Meyer gelegt, als er
die Toten auf dem Friedhof bestattet und nach
dem Ende des Zweiten Weltkriegs den Kontakt zu den Angehörigen gesucht hat. Bis heute besteht ein besonders intensiver Kontakt
zum niederländischen Ort Putten, aus dem
110 von 301 in Ladelund verstorbenen Häftlingen kamen.
Johannes Meyer ist bis heute umstritten. Er
war bereits seit 1930 Mitglied der NSDAP und
glühender Anhänger des Nationalsozialismus.
In seinem Buch Hinabgestiegen in das Reich
des Todes. Das Konzentrationslager, Pastor
Johannes Meyer und kirchliche Gedenkstät39
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tenarbeit in Ladelund (Hrsg.: Hannegreth
für die Razzia in der Stadt und Ausgang für
Grundmann, Lutherisches Verlagshaus Han-
die Deportation nach Neuengamme war. Da-
nover, 2014) stellt sich Harald Richter die
mit sind die Bilder Symbole der Verbundenheit
Frage, wie Johannes Meyer Christ und Natio-
und der Versöhnung der beiden Orte. In Zu-
nalsozialist zugleich sein konnte. Dazu wagt er
kunft werden je sechs Bilder in Ladelund und
den „Versuch, ihn zu verstehen“, und setzt
in Putten ausgestellt sein. Bei den zahlreichen
sich anhand von Meyers Examensarbeit mit
gegenseitigen Besuchen sollen Bilder ge-
dessen Theologie auseinander. Harald Richter
tauscht werden.
hat das Buch – so betont er – nicht als Historiker geschrieben, sondern als Theologe. Er
hat seinen Ladelunder Vorgänger Johannes
Meyer selbst kennengelernt und eine Zeit lang
mit ihm zusammen im dortigen Pastorat ge-
Das Buch kann in der Gedenkstätte oder im
Buchhandel für 19,80 Euro gekauft werden.
Beim Erwerb vor Ort kommt der Erlös der Arbeit der Gedenkstätte zugute. ◄
lebt. Dies fließt in seine Deutung mit ein.
Die KZ-Gedenkstätte
Wittmoor in Norderstedt
Gabriele Richter
Um politische Gegner verfolgen und ausschalten zu können, schalteten die Nationalsozialisten unmittelbar nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933
Polizei und Justiz gleich. Der Brand des
Reichstags am 27. Februar lieferte den Vorwand, um zunächst Kommunisten, später
auch Sozialisten und andere politisch Andersdenkende
zu
verfolgen.
Die
sogenannte
Schutzhaft wurde zu dem am häufigsten angewandten Mittel, um politische Gegner aus
dem öffentlichen Leben zu entfernen und sie
in Konzentrationslagern zu inhaftieren. Oftmals wurden Menschen, obwohl sie in einem
Gerichtsverfahren freigesprochen waren, unmittelbar nach der Verhandlung in Schutzhaft
genommen.
Erinnerung und Auseinandersetzung:
Harald Richters Buch über Ladelund
Wichtiger Bestandteil des Buches sind zwölf
Bilder des Künstlers Uwe Appold zum Psalm
84. Der Psalm wurde von den Puttenern gesungen, als die Männer am 2. Oktober 1944
von den Nationalsozialisten abgeführt wurden.
In Appolds Bildern wurde Erde verwandt, die
Anfang 2014 an den Künstler übergeben wurde: in Ladelund entnommen von den Gräbern
der KZ-Opfer und in Putten von der Brücke,
an der der Anschlag stattfand, welcher Anlass
Das KZ Wittmoor war am 4. Juni 1933 im
Hamburger Fremdenblatt zu sehen
Foto: Stadtarchiv Norderstedt
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Der Reichskommissar der Hamburger Polizei
mordeten Sinti und Roma, der getöteten Ho-
Alfred Richter ordnete bereits am 31. März
mosexuellen, der umgebrachten Geisteskran-
1933 die Gründung eines der ersten Konzent-
ken, der Menschen, die um ihrer religiösen
rationslager der Nationalsozialisten zur Inter-
oder politischen Überzeugung willen sterben
nierung von politischen Gegnern an, und zwar
mußten.
in der Gemeinde Glashütte (heute ein Ortsteil
Bundespräsident
der Stadt Norderstedt). Auf dem Gelände ei-
8.5.1985
ner stillgelegten Fabrik für Torfverwertung im
In Erinnerung an das Wittmoor, in dem von
Wittmoor sollten politische Gegner des Natio-
März bis Oktober 1933 140 Gefangene inhaf-
nalsozialismus sowie einige Homosexuelle und
tiert waren.“
Transvestiten durch harte Arbeit „umerzogen“
werden. Bereits im April 1933 war das Konzentrationslager Wittmoor mit 20 Gefangenen
belegt. Bis zum September stieg die Zahl auf
140 Internierte.
Richard
von
Weizäcker,
Seit 1999 veranstaltet der Verein CHAVERIM –
Freundschaft mit Israel (ein anerkannter Kulturträger der Stadt Norderstedt) gemeinsam
mit der Stadt Norderstedt jeweils zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar und zum Jah-
Eine Erweiterung des KZ Wittmoor auf eine
restag der Reichsprogromnacht am 9. No-
Größe von 400 bis 500 Gefangene ist insbe-
vember Gedenkfeiern für die Opfer des Natio-
sondere aus Kostengründen verworfen wor-
nalsozialismus mit einer Kranzniederlegung an
den. Im Zuge der Vereinheitlichung des Sys-
der Gedenkstätte Wittmoor. Daran nehmen
tems der Konzentrationslager wurde es be-
neben Mitgliedern des Vereins CHAVERIM die
reits am 17. Oktober 1933 wieder geschlos-
Stadtpräsidentin und der Oberbürgermeister
sen. Am folgenden Tag wurden die Häftlinge
der Stadt Norderstedt, VertreterInnen der
nach Hamburg in das Konzentrationslager
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes –
Fuhlsbüttel (KolaFu) verlegt. Wegen der noch
Bund der Antifaschisten sowie aus Politik, Kul-
abzuwickelnden Torflieferungen und erforder-
tur und Gesellschaft teil. Nach Möglichkeit
licher Aufräumarbeiten im Lager waren in den
werden auch SchülerInnen und KonfirmandIn-
folgenden Monaten noch 30 Häftlinge auf dem
nen sowohl zur Teilnahme an der Gedenkzeit
Gelände tätig, die täglich vom KZ Fuhlsbüttel
eingeladen als auch dazu, sich mit der Zeit
ins Wittmoor gebracht wurden.
des Nationalsozialismus, unter anderem durch
In der Stadt Norderstedt, die 1970 durch den
Zusammenschluss der Gemeinden Garstedt,
Gespräche mit Zeitzeugen, auseinanderzusetzen.
Harksheide, Friedrichsgabe und Glashütte entstand, war die Existenz des KZ Wittmoor lange Zeit kein Gegenstand des öffentlichen Diskurses. Später gab es keine Einigung darüber,
ob überhaupt, wie, wann und wo dem ehemaligen Konzentrationslager gedacht werden
sollte. Zunächst errichtete die Stadt Hamburg
im Jahre 1986 einen Gedenkstein zur Erinnerung an die Opfer des Lagers. Im Jahr darauf
beschloss dann auch der Norderstedter Kulturausschuss am Fuchsmoorweg im Wittmoor
einen Gedenkstein zu errichten. Er trägt folgenden Text:
„Wir gedenken der 6 Millionen Juden, die in
deutschen
Konzentrationslagern
2014: Der Gedenkstein am Jahrestag der Novemberpogrome von 1938. Foto: Heike Linde-Lembke
ermordet
wurden, der Opfer des Widerstandes, der er41
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Vereinsvorsitzender Olaf Nuckel konnte zahlreiche lokale politische Prominenz begrüßen,
etwa Henning Meyn, Bürgervorsteher der
Stadt Quickborn, und Dr. Ernst-Dieter Rossmann, Bundestagsabgeordneter der SPD für
den Kreis Pinneberg.
Die KZ-Gedenkstätte Wittmoor mit Informationstafel
und Gedenkstein. Foto: Harald Schmid
Neben der KZ-Gedenkstätte Wittmoor als Ort
des Erinnerns, Gedenkens und Mahnens wurden in den Jahren 1988 und 1999 auf Initiative des Vereins CHAVERIM in Zusammenarbeit
mit der Stadt Norderstedt vier „Stolperstelen“
inklusive einer Informationstafel im Stadtgebiet aufgestellt. Die vom Norderstedter Bild-
Rolf Becker (l.) und Kai Degenhardt in Quickborn.
Foto: Reinhard Kuchel
„Wölfe mitten im Mai – Lieder und Texte zum
hauer Thomas Behrendt geschaffenen Granit-
rechten Aufmarsch in Europa“, lautete der Ti-
stelen erinnern an jüdisches Leben und die
tel der Veranstaltung. Der Liedermacher Kai
Opfer des Nationalsozialismus in den Nor-
Degenhardt und der Hamburger Schauspieler
derstedter Ursprungsgemeinden. Eine Stele ist
dem KZ Wittmoor gewidmet. Sie befindet sich
Rolf Becker sangen, lasen und kommentierten
Texte und Lieder, unter anderem von Franz
an der Segeberger Chaussee 310, unmittelbar
Josef Degenhardt und Brecht. Etwa 250 Besu-
am Gelände des ehemaligen KZ Wittmoor. Aus
cherinnen und Besucher waren gekommen,
Anlass des 75. Jahrestages der Einrichtung
der Artur-Grenz-Saal in Quickborn war aus-
des KZ Wittmoor stellten CHAVERIM und die
verkauft.
Stadt im März 2008 eine Informationstafel an
Das Benefiz-Konzert war für den jungen Ver-
der Gedenkstätte am Fuchsmoorweg auf.
ein Premiere, der erste eigene Schritt an die
Öffentlichkeit. Hauptziel des Trägervereins ist
Gabriele Richter ist Leiterin des Fachbereiches
es, nach dem Ende des Torfabbaus im Jahre
Kulturbüro der Stadt Norderstedt. Zum histo-
2020 im Quickborner Himmelmoor das dort
rischen Kontext gibt es hier vertiefende In-
noch weitgehend im ursprünglichen Zustand
formationen. ◄
befindliche „Rotsteinhaus“ – im Zweiten Weltkrieg ein Lager für jüdische Kriegsgefangene –
Benefiz-Konzert in Quickborn zum
9. November
als Denk- und Gedenkstätte herzurichten.
„Wir wünschen uns“, so Nuckel, „dass wir das
Gebäude vom Land Schleswig-Holstein übernehmen können. Es wäre dann das einzige
Der Träger- und Förderverein Henri-Goldstein-
komplett erhaltene Kriegsgefangenlager hier
Haus e.V. Quickborn hat sich Ende 2013 kon-
im Lande.“ (H:S.) ◄
stituiert. Zum Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 haben die Aktiven des Vereins
am 8. November 2014 ihre erste öffentliche
Veranstaltung organisiert.
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„Die Bekennende Kirche in
Schleswig-Holstein und die
Juden“ – eine Kieler Diskussion
Benjamin Hein
Am 17. Januar 2015 lud das Institut für Kirchengeschichte
der
Christian-Albrechts-
Universität zu Kiel zu einem Podiumsgespräch
zum Thema „Die Bekennende Kirche in
Schleswig-Holstein und die Juden. Geschichte
und Rezeption“. Im Mittelpunkt stand das Ende 2013 erschienene Buch Neue Anfänge? Der
Umgang der evangelischen Kirche mit der NS-
Der Stein des Anstoßes: Bischof Wilhelm Halfmann
über dem Podium. Fotos: Benjamin Hein
Vergangenheit und ihr Verhältnis zum Judentum. Die Landeskirchen in Nordelbien. Band I:
Karl Ludwig Kohlwage, der nach dem Erschei-
1945-1965 (siehe Newsletter 5/2014, S.
nen von Lincks Buch als scharfer Kritiker der
32ff.). Autor und Historiker Dr. Stephan Linck
Darstellung der BK aufgetreten war, stellte
war mit der Erarbeitung dieser Studie von der
Halfmanns Text „Lutherische Kirche heute
Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen
1934“ vor. Anhand der „Bekanntmachung
Kirche in Norddeutschland beauftragt worden.
über die kirchliche Stellung evangelischer Ju-
Streitpunkt des viel diskutierten Buches sind
den“ aus dem Kirchlichen Amtsblatt von 1941
Darstellungs- und Deutungsfragen: der Be-
wies er auf Halfmanns ablehnende Haltung
kennenden Kirche (BK) in Schleswig-Holstein
gegenüber der Lehre der nationalsozialisti-
im Nationalsozialismus sowie des schleswig-
schen Deutschen Christen hin. Halfmann
holsteinischen BK-Leiters und späteren Bi-
grenzt sich darin gegen die Überhöhung Adolf
schofs von Holstein Wilhelm Halfmann. Mode-
Hitlers zu einem göttlichen Wesen ab und
riert vom Kieler Kirchenhistoriker Prof. Dr.
stellt die Häresie der Deutschen Christen her-
Andreas Müller diskutierten neben Linck Bi-
aus. Er verurteilt die Hervorhebung des Blu-
schof i.R. Karl Ludwig Kohlwage, der Flens-
tes, der Rasse und des Volkstums über Chris-
burger Historiker Dr. Klauspeter Reumann,
tus.
Propst i.R. Jörgen Sontag und der Kieler Theo-
Johannes Schilling stellte Halfmanns Schrift
loge Prof. Dr. Dr. Johannes Schilling. Das
Die Kirche und der Jude vor. Schilling ver-
zahlreich erschienene Publikum war auch mit
deutlichte hier einen anderen Aspekt dessen
Kirchenprominenz besetzt, etwa Landesbi-
theologischen Verständnisses: Halfmanns An-
schof Gerhard Ulrich, Bischof im Sprengel
tisemitismus gründe in Luthers Antisemitis-
Schleswig und Holstein Gothard Magaard,
mus. In seiner Schrift richtet sich Halfmann
Landessynodenpräses Dr. Andreas Tietze oder
aber wiederum gegen die antisemitischen Be-
auch Bischof i.R. Hans Christian Knuth.
strebungen der Deutschen Christen und deren
In seiner Einführung machte Müller deutlich,
Häresie. In seinen Augen zielten deren An-
dass es bei dieser Veranstaltung nicht um eine
sichten und Taten nun gegen Christus selbst.
Be- oder Widerlegung der Ausführungen
Er lehnt die staatliche Verfolgung der Juden
Lincks gehe, sondern die Frage nach der Ge-
ab und ist der Ansicht, dass Gott selbst die
schichtsschreibung und dem Umgang mit
„Judenfrage“ lösen wird.
Quellen im Mittelpunkt stehe. Zu diesem
Im Beitrag von Jörgen Sontag ging es um ein
Zweck durfte jeder der fünf Diskutanten eine
Verständnis und die Sachlage der Quellen. Er
Quelle vorstellen, die von der BK oder Half-
stellte ein Rundschreiben des ehemaligen Kir-
mann handelte.
chenamtspräsidenten Dr. Christian Kinder –
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zeitweise Reichsführer der Deutschen Christen
Antisemitismus und schwerer historischer
– an alle Synodalausschüsse mit Durchschlä-
Schuld der Kirche gelten. Linck unterstrich:
gen für die Kirchenvorstände vom 10. Februar
Die antisemitische Haltung, die sich auch
1942 vor. Darin heißt es, „Nichtarier“ dürften
schon in Halfmanns Werk Die Kirche und der
keine Rechte in einer Körperschaft des öffent-
Jude gezeigt habe, sei auch in seinen Jahren
lichen Rechts ausüben. So sollten getaufte Ju-
als Bischof für Holstein zu erkennen.
den in der Landeskirche von der kirchlichen
Gemeinschaft getrennt werden. Für deren
Seelsorge werde der als „Volljude“ geltende
Pastor i.R. Walter Auerbach aus Altona beauftragt. Gleichzeitig begründete Kinder diese
Maßnahme auch noch im Sinne der „Rassenforschung“ und der „Rassengesetzgebung“, da
das Judentum der Welt mit dem Krieg (gemeint ist der Zweite Weltkrieg) die Zerstörung
des deutschen Volkes und Reiches anstrebe.
Sontag stellte fest, damit sei SchleswigHolstein einen Sonderweg gegangen.
Einen Brief von Pastor Treplin an den Schleswiger Propst Hermann Siemonsen vom 26.
Auch im Jahr 2015 füllt das Thema „Bekennende Kirche in Schleswig-Holstein“ noch Hörsäle.
April 1943 stellte Klaupeter Reumann in den
In der Diskussion prallten die unterschiedli-
Fokus. Hierin lehnte Treplin den Vorschlag
chen Positionen aufeinander. Kohlwage ver-
Siemonsens ab, der Bruderrat der BK solle
teidigte Halfmann als wichtigen theologischen
sich auflösen und alle Pastoren in Schleswig-
Denker der BK gegen die Deutschkirche. Linck
Holstein sollten sich Kinder und Landesbischof
argumentierte hingegen mit einem Auszug
Paulsen unterordnen, auch wenn dafür der BK
aus der Entnazifizierungsakte von Christian
ein fester Platz im Konsistorium angeboten
Kinder, in der ein „Persilschein“ Halfmanns für
werde. Treplin verweist zudem auf die vielen
Kinder zu finden ist, in dem Halfmann ihn für
Maßnahmen und Taten Kinders, die bekennt-
seine Sonderregelung in Schleswig-Holstein
niswidrig gewesen seien und von Siemonsen
ausdrücklich lobt, die auch die Billigung der
nicht verhindert worden seien. Reumann be-
BK gefunden habe. Er habe seinen Einfluss bei
tonte, dass Halfmann in diesem Brief als Ge-
den Behörden geltend gemacht, um Geistliche
genspieler zur Leitung der Landeskirche um
in der Landeskirche zu schützen. Hieraus lei-
Kinder und Paulsen dargestellt werde.
tete Linck ab, dass Halfmann – und damit die
Als Letzter in der Reihe stellte Stephan Linck
BK in Schleswig-Holstein – die Haltung der
einen Brief Halfmanns vom 1. August 1960 an
Kirchenleitung gegenüber den Juden und den
den ehemaligen Kropper Missionsdirektor Det-
Christen jüdischer Herkunft gutgeheißen ha-
lef Bracker vor, der Halfmann zuvor seinen
be. Reumann deutete Halfmann nicht als ei-
Aufsatz mit dem Titel „Ein offenes Wort über
nen geistigen Wegbereiter der Nationalsozia-
Israel“ zugesandt hatte. Hierin stimmt Half-
listen. Sontag wies auf die schwierige Quellen-
mann Bracker zu: Das jüdische Volk sei eine
lage hin und verwies auf fortbestehende Lü-
Gefahr für das deutsche Volk. Halfmann
cken.
schreibt, in der Öffentlichkeit dürfe man sol-
Abschließend forderte Kohlwage eine Stel-
che Dinge, die wahr seien, aber nicht aus-
lungnahme der Kirchenleitung. Pastor Ulrich
sprechen, weil es sonst ein fürchterliches Ge-
Hentschel, Studienleiter an der Evangelischen
schrei gäbe, würden doch solche Aussagen
Akademie der Nordkirche, antwortete, man
heute als Ausdruck von uraltem christlichen
befinde sich erst am Anfang eines Prozesses,
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sodass eine solche Stellungnahme zugunsten
stätten, Kiel) auf die Entwicklung der Gedenk-
der BK und Halfmanns noch verfrüht wäre.
stätten seit der deutschen Einheit zurück. An-
Die Veranstaltung endete mit der Bitte von
na Kaminsky verwies auf das positive Image,
Müller, gegebenenfalls private Quellen zur
das Deutschland mit seiner Geschichtsaufar-
Verfügung zu stellen, um ein differenzierteres
beitung im Ausland genieße, und die hohen
Bild der historischen Geschehnisse erhalten zu
Besucherzahlen in den Gedenkstätten. Einig-
können. Diese Veranstaltung markiere den
keit habe nach 1990 darin bestanden, dass
Beginn einer weiterreichenden Auseinander-
die Fehler im Umgang mit dem Nationalsozia-
setzung, zusätzliche Diskussionen seien not-
lismus
wendig.
Geschichte nicht wiederholt werden sollten.
bei
der
Aufarbeitung
der
DDR-
Die rasche Öffnung der Akten war vor diesem
Benjamin Hein ist Historiker und Mitarbeiter
Hintergrund eine der entscheidenden Konse-
des Landeskirchlichen Archivs der Nordkirche
quenzen.
in Kiel. ◄
Kritisch erinnerte Anna Kaminsky an frühere
Befürchtungen, die NS-Geschichte könnte
Erinnerungsarbeit im östlichen
Nachbarland: Rückblick auf das
Landesgedenkstättenseminar
Mecklenburg-Vorpommern
durch die Aufarbeitung der SED-Diktatur rela-
Eckart Schörle
schaftliche Anerkennung ihres Schicksals. Ei-
tiviert werden. Diese hätten sich als unbegründet erwiesen. Für die Opfer der DDR seien die Unterstellungen teilweise schmerzhaft
gewesen, ebenso wie die ausbleibende gesellnen Umschwung habe man 2003 beobachten
Die Wiedervereinigung im Jahr 1990 hat auch
können, als die Geschichte der DDR in Verbin-
für die Erinnerungskultur und die Gedenkstät-
dung mit der Würdigung des 17. Juni eine
ten weitreichende Folgen gehabt. Die Landes-
breite gesamtdeutsche Aufmerksamkeit fand.
zentrale für politische Bildung nahm daher das
Trotzdem gebe es nach wie vor Herausforde-
25. Jubiläum zum Anlass, um beim Landesge-
rungen: im Großen eine differenzierende eu-
denkstättenseminar
Mecklenburg-Vorpom-
ropäische Wahrnehmung, im Kleinen die loka-
mern am 20. Februar in der Universität
le Verankerung – nicht nur in den Gedenkstät-
Rostock auf die Entwicklung der Gedenkstät-
ten, sondern auch in den Heimatmuseen.
ten seit dem Umbruch 1989/90 zurückzubli-
Aus der westdeutschen Sicht und mit Schwer-
cken. Am Vormittag widmeten sich zwei Vor-
punkt auf den Gedenkstätten für die Opfer des
träge und eine Podiumsdiskussion dem Ta-
Nationalsozialismus zog Harald Schmid Bilanz.
gungsthema „Perspektiven der Gedenkstättenarbeit in Mecklenburg-Vorpommern – Eine
Bilanz nach 25 Jahren deutscher Einheit“. Am
Verglichen mit der Zeit vor 1990 habe sich die
Situation grundlegend gewandelt. Nach der
Wiedervereinigung habe die Diskussion über
Nachmittag konnten die Teilnehmer/innen
den künftigen Stellenwert der drei großen
praktische Fragen der Gedenkstättenarbeit in
staatlichen Gedenkstätten der DDR – der Na-
Workshops vertiefen. Den Abschluss bildete
tionalen Mahn- und Gedenkstätten Buchen-
eine Führung durch die Dokumentations- und
wald, Ravensbrück und Sachsenhausen –
Gedenkstätte in der ehemaligen Untersu-
auch
zu
einer
Aufwertung
der
KZ-
chungshaftanstalt der Stasi in Rostock.
Gedenkstätten in Westdeutschland geführt.
Aus der Perspektive ihrer jeweiligen Arbeits-
Ergebnis war schließlich die Entscheidung für
felder blickten Dr. Anna Kaminsky (Bun-
eine staatliche Gedenkstättenförderung auf
desstiftung
SED-
Bundesebene, die über Zwischenstationen
Diktatur, Berlin) und Dr. Harald Schmid (Bür-
1993 und 1999 in die 2008 vom Deutschen
zur
Aufarbeitung
der
gerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenk45
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Bundestag verabschiedete „Gedenkstätten-
Kern der Orte in den Mittelpunkt zu stellen,
konzeption des Bundes“ mündete.
forderte aber mit Blick auf die Bildungsarbeit
Heute seien die Gedenkstätten in der staatlichen Erinnerungspolitik weitgehend etabliert
und anerkannt, bilanzierte Schmid. Dennoch
gebe es beträchtliche Herausforderungen, die
mit der wachsenden zeitlichen Distanz, dem
„Verstummen der Zeitzeugen“ und dem Generationenwechsel, den Gegenwartsbezügen und
der ethnischen Differenzierung der deutschen
Gesellschaft zusammenhingen. Es müssten
Räume für die Klärung des Selbstverständnisses der Gedenkstätten und die Weiterentwick-
auch „mehr Gegenwart in die Gedenkstätten“.
Jochen Schmidt machte die Gedenkstätten als
Orte der aktuellen Menschenrechtserziehung
stark. Andreas Wagner sprach sich dafür aus,
die erinnerungspolitischen Kontroversen offen
in der Gesellschaft austragen, allein der Konsens in Expertenkreisen genüge nicht. Für ihn
liege ein wichtiger Wert der Gedenkstätten
darin, dass man dort Raum für Gespräche und
den kontroversen Austausch verschiedener
Perspektiven habe.
lung der historischen Vermittlungsarbeit geschaffen werden. Gedenkstätten sollten sich
als „Laboratorien geschichtlich fundierter, gegenwartsbezogener Bildungsarbeit“ begreifen.
Die von der NDR-Journalistin Lena Gürtler
moderierte Podiumsdiskussion bot Gelegenheit, die Fragen der heutigen Herausforderungen weiter zu vertiefen. Außer Anna Kaminsky
und Harald Schmid beteiligten sich Jochen
Schmidt (Landeszentrale für politische Bildung
Mecklenburg-Vorpommern), Prof. Dr. Oliver
Plessow (Universität Rostock) und Dr. Andreas
Wagner (AG der Gedenkstätten in Mecklenburg-Vorpommern/Politische Memoriale e.V.)
an der Diskussionsrunde.
Einig war man sich darin, dass den Gedenkstätten nach wie vor eine wichtige Funktion
zukommt, um die Auseinandersetzung mit den
Gewalterfahrungen des 20. Jahrhunderts in
der Gesellschaft zu verankern. Wichtig seien
auch die Schulen, ergänzte Anna Kaminsky,
denn hier käme die Vermittlung der Geschichte der DDR häufig zu kurz. Oliver Plessow, seit
kurzem Professor für Geschichtsdidaktik in
Rostock, richtete den Fokus auf das Publikum
der Gedenkstätten, das sich weiter ausdifferenziert habe. Entsprechend müssten statt der
Vermittlung eines starren Weltbilds vielfältige
Zugänge eröffnet und Bezüge zur Gegenwart
hergestellt werden.
Wie
Gegenwartsbezüge
ohne
pauschale
Gleichsetzungen eingebracht werden können,
wurde in der Runde kontrovers diskutiert. Harald Schmid plädierte dafür, den historischen
Podiumsdiskussion zu Perspektiven der Gedenkstättenarbeit (v.l.n.r.): Jochen Schmidt, Oliver Plessow,
Harald Schmid, Lena Gürtler, Anna Kaminsky,
Andreas Wagner. Foto: Landeszentrale für
politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern.
Am Nachmittag wurden diverse Aspekte aus
der Diskussion aufgegriffen und mit Fragen
der alltäglichen Gedenkstättenarbeit verbunden. Im Workshop „Schule und Gedenkstätten“ gab die Gedenkstättenlehrerin Silke
Gratopp
(Innerstädtisches
Gymnasium
Rostock und BStU-Außenstelle Rostock) Anregungen für eine gelungene Einbettung von
Gedenkstättenbesuchen in den Schulunterricht. Wolfgang Klameth (Institut für Qualitätsentwicklung Mecklenburg-Vorpommern)
erläuterte Fördermöglichkeiten für Projekte
und Gedenkstättenfahrten und wies auf Neuerungen in der Förderpraxis hin.
Dr. Juliane Brauer (Max-Planck-Institut für
Bildungsforschung, Berlin) ging im Workshop
„Gedenkstättenpädagogik“ auf das Verhältnis
von Emotionen und historischem Lernen ein.
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Sie plädierte dafür, den Lernenden Raum für
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Dr. Eckart Schörle ist wissenschaftlicher Mit-
eine eigensinnige, produktive Aneignung zu
arbeiter der Landeszentrale für politische Bil-
geben.
dung Mecklenburg-Vorpommern. ◄
Der
Königsweg
der
historisch-
politischen Bildung liege nicht in der Erzeugung von Empathie, sondern im Prinzip der
Kontroversität und Multiperspektivität. Ob sich
historisches und moralisches Lernen tatsächlich gegenseitig ausschließen, wurde kontro-
Neues Internet-Portal zur Shoa
ermöglicht länderübergreifende
historische Recherchen
vers diskutiert.
Das Internet bietet im Bereich der Geschichte
inzwischen ein kaum noch überschaubares
Angebot. Ingolf Seidel (Agentur für Bildung,
Berlin) stellte im Workshop „Erinnern im Netz“
bekannte und weniger bekannte Beispiele vor
und betonte die neuen Möglichkeiten für Interaktivität und selbstbestimmtes Lernen.
Blogs bieten ein hilfreiches Werkzeug bei der
Projektarbeit, Webinare verknüpfen gemeinsame Seminararbeit mit individuellem Lernen
am heimischen PC und Plattformen ermögli-
Ende März wurde in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ein innovatives Online-Portal vorgestellt. Das EUForschungsprojekt „European Holocaust Research Infrastructure“ (EHRI) macht Originaldokumente aus der NS-Zeit digital zugänglich.
In dem Projekt haben die beteiligten Wissenschaftler/innen Quellen digitalisiert, die entsprechend der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik in Archiven
über ganz Europa verteilt sind.
chen die Präsentation von eigenen Projektergebnissen oder Zeitzeugenvideos.
Im Workshop „Lokale Geschichtsprojekte“
zeigte Fachdidaktiker Dr. Martin Buchsteiner
von der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, was den Erfolg von Geschichtsprojekten
ausmacht, wie sie etwa im Rahmen des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten
oder anlässlich von Jahrestagen und Jubiläen
an Schulen angestoßen werden. Schon Themenfindung und -eingrenzung stellen die erste Herausforderung dar. Ohne eine klare Fragestellung und die Festlegung einzelner Arbeitsschritte könne die Aufgabe schnell unklar
werden und zu mangelnder Motivation bei den
Teilnehmenden führen.
Startseite des Online-Portals
Das englischsprachige Online-Portal macht
Recherchen nun deutlich einfacher: Es führt
viele Quellen zusammen und ist auch für
Laien gedacht. Wer das Schicksal der eigenen
Familie bisher erforschen wollte, musste sich
Die Tagung erlaubte einen sachlichen und
in den einschlägigen Archiven durch eine Viel-
nachdenklichen Rückblick auf die Entwicklung
zahl von Dokumenten, Fotos und Briefen
der Gedenkstätten in den letzten 25 Jahren,
durcharbeiten – und dazu beträchtliche For-
machte aber auch den großen Diskussionsbe-
schungsreisen durch Deutschland und Europa
darf hinsichtlich künftiger Herausforderungen
in Kauf nehmen. EHRI erleichtert solche Re-
deutlich. Themenbereiche wie Inklusion und
cherchen beträchtlich. Nähere Informationen
Vermittlungsarbeit
zu dem Projekt finden Sie etwa hier. (H.S.) ◄
in
sozial
heterogenen
Gruppen bleiben einem künftigen Gedenkstättenseminar vorbehalten.
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LESEZEICHEN
AUFGEBLÄTTERT
„Ein blinder Fleck, ‚wie ausgestanzt‘“: Erinnerungen an das
Konzentrationslager Neuengamme
in einer dörflichen Lebenswelt
Hansjörg Buss
Sample aus drei Alterskohorten solle, so Trojan, ein Blick auf die Wahrnehmung des Konzentrationslagers über einen längeren Zeitraum ermöglicht werden. Theoretisch ambitioniert bettet sie ihre Studie in die erinnerungskulturellen Ansätze des Soziologen Maurice
Halbwachs,
der
Kulturwissenschaft-
Wie Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau,
ler_innen Jan und Aleida Assmann sowie des
Flossenbürg oder Sachsenhausen ist der Na-
Sozialpsychologen Harald Welzer ein. Diese
me Neuengamme in der Öffentlichkeit un-
Ansätze versucht sie anhand der von Malte
trennbar mit dem nationalsozialistischen La-
Thießen
ger- und Terrorsystem verbunden. In den
„kommunalen Gedächtnisses“ handhabbar zu
sechseinhalb Jahren seines Bestehens waren
machen.
vorgeschlagenen
Kategorie
des
in dem Stammlager und seinen 86 Außenlagern über hunderttausend Menschen interniert, mehr als die Hälfte starben infolge unmenschlicher Arbeits- und Lebensbedingungen, bei medizinischen Versuchen oder durch
Mord – auch in Schleswig-Holstein. Neuengamme steht synonym für Zwangsarbeit
und Ausbeutung, menschliches Leid und Tod.
Nach der intensiven Aufarbeitung der Geschichte der NS-Lager ist in den letzten Jahren zunehmend die Erinnerung an die Konzentrationslager in den Fokus wissenschaftlicher Arbeiten gerückt und wird inzwischen
auch in den Dauerausstellungen vieler Gedenkstätten thematisiert. So untersucht Gesa
Anne Trojan die Frage, wie in dem Dorf Neuengamme, auf dessen Gemarkung 1938 das
Konzentrationslager mit einer Fläche von rund
50 Hektar errichtet wurde, an das Lager erinnert wird (Das Lager im Dorf lassen. Das KZ
Neuengamme in der lokalen Erinnerung,
Dölling und Galitz Verlag, München/Hamburg
2014). Für ihre Studie, eine Abschlussarbeit
im Fach „Angewandte Kulturwissenschaften“
an der Universität Lüneburg, interviewte die
Autorin 17 Dorfbewohner_innen: acht Personen der Geburtsjahrgänge 1929 bis 1934, fünf
Das Buch von Gesa Anne Trojan: Wie haben die
Neuengammer/innen das Konzentrationslager
wahrgenommen?
in den 1950er- sowie vier in den 1960er-
Der „Topographie des untersuchten Feldes“,
Jahren Geborene. Mit dem ausgewählten
einer sehr knapp gehaltenen Einführung zum
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Dorf Neuengamme, zur Geschichte des Kon-
funde der Studie anregend. Trojan kommt zu
zentrationslagers und zur Nachnutzung des
dem Ergebnis, nicht zuletzt aufgrund der
Lagergeländes nach 1945, schließt sich der
räumlichen Abtrennung weise die Lagerge-
dreigliedrige Hauptteil der Arbeit an. Im ers-
schichte kaum einen substanziellen Bezug
ten Abschnitt befasst sich die Autorin mit den
zum Dorfleben und zu den Biografien der
Erinnerungen der ältesten Befragten, die wäh-
Dorfbewohner_innen auf. Dorf und Lager wür-
rend der NS-Zeit Kinder oder Jugendliche wa-
den als getrennte Einheiten wahrgenommen:
ren. Dem folgt in einem zweiten Schritt die
Das ehemalige Lagergelände sei zwar Teil des
Auseinandersetzung mit der „transgeneratio-
Neuengammer Lebensraumes, liege aber au-
nellen Weitergabe“ dieser Erinnerungen, be-
ßerhalb der „gedachten Lebenswelt“ (S. 117).
vor sich die Autorin mit dem Verhältnis von
Auch Entscheidungen Dritter, hier vor allem
öffentlichem Gedenken und lokaler Erinnerung
die
auseinandersetzt. Dass es sich dabei um ei-
Nachnutzung des KZ-Geländes als Gefängnis
nen mühsamen und komplizierten Aushand-
(1948–2005) führten dazu, dass das frühere
lungsprozess handelte, zeigt Trojan anhand
Lagergelände räumlich und emotional anhal-
einer Festveranstaltung der Freiwilligen Feu-
tend ein „topographisches Stigma“ blieb (S.
erwehr auf dem Lagergelände im März 1995
118). Die Aufnahme des Konzentrationslagers
auf, die von einer Hamburger Boulevardzei-
in den Hamburger „Erinnerungskatalog“, die
tung skandalisiert wurde und zu einem auch
mit der Aufwendung erheblicher Geldmittel
international wahrgenommenen Eklat führte.
und einer Professionalisierung der Gedenk-
Eine Besonderheit der Arbeit ist, dass die Autorin selbst aus Neuengamme stammt. Sie ist
also Forscherin und Beforschte zugleich, eine
Doppelrolle, mit der die sehr reflektiert umgeht. Möglicherweise ermöglichte eben diese
Vertrautheit mit dem Untersuchungsgegenstand eine differenzierte Wahrnehmung unterschiedlicher Erinnerungsebenen: individuell,
familiär, dörflich und gesamtgesellschaftlich.
Die ertragreichsten Passagen des Buches sind
dann auch jene, die sich mit der Frage „Wie
wurde erinnert?“ beschäftigen, während Trojan zu der Frage „Was wurde erinnert?“ kaum
neue Erkenntnisse beisteuert. Eine Erkenntnis
in diesem Zusammenhang ist allerdings wichtig, die sich auf die vielfältigen Beziehungen
zwischen Dorf und Lager bezieht, die infolge
Senatsentscheidung
zur
langjährigen
stättenarbeit einherging, habe einen eigenständigen dörflichen Zugang zusätzlich erschwert. Konkret verweist Trojan auf die Neuengammer Kirchengemeinde. Dort seien ehrenamtliche Aktivitäten zur lokalen Aneignung
des Lagers und seiner Geschichte in den
1980er-Jahren auch im Zusammenhang mit
der Anstellung eines von der Landeskirche bezahlten hauptamtlichen Gedenkstättenpastors
zurückgegangen. Pointiert kommt die Autorin
zu dem Schluss, dass „die Interviewten aufgrund der räumlichen Nähe zum Ort keinen
größeren Selbstbezug zu seiner Geschichte
haben als jemand, der aus einem unbelasteten Hamburger Stadtteil kommt (...)“ (S.
118).
So fällt – zweitens – das Gedenken an das La-
wirtschaftlicher Beziehungen, der Unterbrin-
ger und dessen Opfer nicht nur in einen regi-
gung von SS-Männern im Dorf, dem Arbeits-
onalen Zuständigkeitsbereich, sondern ist
einsatz von Inhaftierten beim Kanalausbau
ebenso eng mit überregionalen erinnerungs-
oder der Häftlingstransporte bestanden: Die
kulturellen und -politischen Diskursen verbun-
Behauptung, wonach das Lager für die Dorf-
den. Hier gibt die die Autorin den interessan-
bewohner_innen „terra incognita“ war, lässt
ten Hinweis auf eine spezifische „sprachliche
sich nicht mehr aufrechterhalten.
Verunsicherung“ der Interviewten, sobald sie
Für die Weitergabe von Erinnerung(en) und
die Herausbildung lokaler Erzählmuster („Narrative“) sind vor allem die drei zentralen Be-
auf das Konzentrationslager zu sprechen kämen. Ihnen sei die „floskelhafte Sprache der
öffentlichen Erinnerung, die zu einer gesamtgesellschaftlichen Norm, zu einem Imperativ
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geworden ist“, zwar bekannt, sie seien ihr je-
über der Thematik offensichtlich ein aus-
doch nicht mächtig (S. 117). Die Erzählungen
schlaggebendes Kriterium war. Leider wurde
der Interviewten seien insofern mehr der Aus-
zudem ohne ersichtlichen Grund auf den Ab-
druck eines Nichtkönnens als eines Nichtwol-
druck des zugrundeliegenden Fragenkataloges
lens.
verzichtet.
Drittens lenkt die Autorin den Blick auf einen
Abweichende Erzählungen scheinen nach den
generationellen Aspekt: Obwohl zwischen den
vorliegenden Ergebnissen, die aufgrund des
Generationen keine oder kaum kommunikati-
eher zufälligen Auswahlverfahrens und der ge-
ve Weitergabe von Geschichte stattfand, habe
ringen Anzahl der Interviewten nicht reprä-
sich eine verallgemeinerte soziale Praxis ent-
sentativ sind, möglich. Wie die Autorin selbst
wickelt: „Der Ort ist mit einem Unbehagen
zu berichten weiß, war die Trennung der Le-
verbunden und wird gemieden“ (S. 117). Tra-
benswelten weniger hermetisch als ange-
diert habe sich demnach ein „unbewusstes
nommen. Es gab zumindest zeitweise ge-
Wahrnehmungsmuster“ in Bezug auf den La-
schäftliche Beziehungen zwischen Dorf (bezie-
gerort. In diesem Verständnis bildeten die Be-
hungsweise den umliegenden Ortschaften)
fragten eine Erinnerungsgemeinschaft nicht
und Lager, die im Zusammenhang mit der
im Sinne einer Erzählgemeinschaft, sondern
Versorgung des Lagers mit Nahrungsmitteln
im Sinne einer Verhaltensgemeinschaft: „Das
und der Bestattung verstorbener Häftlinge
Konzentrationslager Neuengamme existiert in
standen: Rückschlüsse auf die Zustände vor
der lokalen Erinnerung als unbewusster Habi-
Ort waren also möglich. Auch wohnten einige
tus“ (S. 120).
höherrangige SS-Männer im Dorf und ver-
In ihrem Ausblick plädiert die Autorin dafür, in
künftigen Studien Ansätze lokaler und regionaler Erinnerung theoretisch weiter auszuarbeiten, um solche „Erinnerungssubkulturen“
wie in Neuengamme und anderswo zu identifizieren und vergleichbar zu machen. Die starke
Fokussierung insbesondere auf nationale Einheiten laufe Gefahr, „den Blick auf die Spitze
des Eisbergs zu beschränken, der jedoch auf
einem Fundament regionaler und lokaler Einheiten“ ruhe (S. 120). Ist ihrem Anliegen zwar
prinzipiell zuzustimmen, so ist der vorgenommenen Hierarchisierung, die das Bild des
Eisberges suggeriert, im Zeitalter der Mediengesellschaft doch zu widersprechen, zumal sie
selbst die wechselseitigen Beeinflussungen
und Rückbindungen der nationalen, regionalen
und lokalen Ebene in ihre Untersuchung
durchaus gewinnbringend einfließen lässt.
brachten ihre Freizeit dort. Wie wirkten sich
diese Kontakte auf die Wahrnehmung des Lagers aus? War letztere auch von der überproportionalen Zustimmung für die NSDAP in
Neuengamme bestimmt? Veränderte sich der
lokale Blick mit dem ersten Gerichtsverfahren
zur Aufarbeitung der Verbrechen in Neuengamme, dem „Curiohaus-Prozess“, der seit
März 1946 öffentlichkeitswirksam in Hamburg
stattfand und der immerhin zu elf Todesurteilen führte? Nicht zuletzt wäre von Interesse,
welche Reaktionen es auf die „Umnutzung“
des Lagergeländes als Internierungslager
durch die britischen Militärbehörden gab. Antworten auf diese Fragen, die auch für die Erinnerungsgeschichte
anderer
Lager
auf-
schlussreich wären, bleiben weiteren Untersuchungen vorbehalten.
Dr. Hansjörg Buss ist Historiker. ◄
Als problematisch erweist sich die angesprochene Nähe der Autorin zu ihrem Untersuchungsgegenstand. Die sieben Frauen und
zehn Männer, die sie interviewte, stehen in
sozialen, teils familiären Beziehungen. Ihre
Auswahl erfolgte über Weiterempfehlungen,
wobei eine grundsätzliche Offenheit gegen50
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7/2015
70 Jahre Kriegsende, Themenheft von: Aus
Politik und Zeitgeschichte, 16-17/2015
Steur, Claudia, Schüller, Johanna, Weber,
Charlotte: Deutschland 1945 – die letzten
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Stubig, Silviana S.: Die Wirkung des Geschichtsunterrichts zu Nationalsozialismus
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Wachsmann, Nikolaus, Steinbacher, Sybille
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Wiborg, Susanne: Glaube, Führer, Hoffnung.
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Wild, Volker: 20 Jahre Bundesdenkmalpolitik
zum Nationalsozialismus. Von der Neuen
Wache bis zum Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen
„Euthanasie“-Morde, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 62 (2014) 11, S. 881–
900 ◄
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TERMINKALENDER
Noch bis zum 26. April, Flandernbunker, Kiel,
Kiellinie 249
Flucht und Vertreibung – 1945 bis heute
Ausstellung. Nähere Informationen finden
Sie hier.
Noch bis zum 30. Juni, Flandernbunker, Kiel,
Kiellinie 249
„Gott mit uns“. Kirchliche und religiöse
Propaganda für Krieg und Vaterland
Ausstellung. Nähere Informationen finden
Sie hier.
24. April, 19.00 Uhr, Rathaus, Flensburg,
Rathausplatz 1
Mai’ 45 – Kriegsende in Flensburg
Buchvorstellung mit Prof. Dr. Gerhard Paul
und Dr. Broder Schwensen. Nähere Informationen finden Sie hier.
26. April bis 20. Mai, Kino in der Pumpe,
Kiel, Haßstraße 22
Kapitulation, Befreiung, Neubeginn
Filmreihe zum 70. Jahrestag des Kriegsendes. Programminformationen finden Sie hier.
28. April bis 2. Mai, Putten bis Ladelund
Versöhnung und Vergebung
700-Kilomenter-Staffellauf vom niederländischen Putten über Neuengamme nach Ladelund. Nähere Informationen finden Sie hier
und hier.
29. April, 18.30 Uhr, Die Pumpe, Kiel, Haßstrasse 22
Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus
Als Überlebende unter Tätern – Leben in der
Nachkriegsgesellschaft. Gespräch mit Marianne und Günther Wilke. Eintritt frei. Nähere
Informationen finden Sie hier.
3. Mai, 12:30 Uhr, Neustadt in H./ Pelzerhaken, Cap-Arcona-Ehrenmal, Stutthof-Weg
Gedenkveranstaltung für die Opfer der
Schiffskatastrophe in der Neustädter
Bucht am 3. Mai 1945
Nähere Informationen finden Sie hier.
3. Mai, 15.00 Uhr, Busstation am Bahnhof,
Quickborn
Auf Spurensuche in Quickborn
Stadtrundgang zur Geschichte des Nationalsozialismus. Teilnahme: 8/4 Euro. Anmeldung unter: [email protected]. Wiederholung als Radtour am
10. Mai, 14.30 Uhr. Nähere Informationen
finden Sie hier.
3. Mai, 20.00, Kulturwerkstatt Forum, Neustadt in H., Wieksbergstraße 2
Peter Weiss – Die Ermittlung
Szenische Lesung mit Andreas Hutzel und
Rebecca Indermaur. Eintritt: 15/10 Euro.
Nähere Informationen finden Sie hier.
4. Mai bis 16. August, Flandernbunker, Kiel,
Kiellinie 249
Unbequeme Denkmäler. Kriegerdenkmäler und Mahnmale im Diskurs von
1918 bis heute
Ausstellung. Schirmherrin: Kulturministerin
Anke Spoorendonk. Eröffnung am 4. Mai,
18.30 Uhr. Nähere Informationen zum Rahmenprogramm finden Sie hier.
5. Mai, 10.00 Uhr, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Hamburg, Jean-Dolidier-Weg 75
Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen des KZ Neuengamme und seiner
Außenlager
Anmeldung: [email protected].
Informationen zu den weiteren Veranstaltungen der Gedenkstätte aus Anlass des 70.
Jahrestages von Kriegsende und Lagerbefreiungen finden Sie hier.
5. Mai, 18.00 Uhr, Schleswig-Holsteinischer
Landtag, Kiel, Düsternbrooker Weg 70
Gedächtnisräume. Geschichtsbilder und
Erinnerungskulturen in Norddeutschland
Vortrags- und Diskussionsveranstaltung u.a.
mit dem Historiker Prof. Dr. Martin Sabrow.
Eintritt frei, Anmeldung: [email protected].
Nähere Informationen zum Programm finden
Sie hier.
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5. Mai, 19.00 Uhr, Topographie des Terrors,
Berlin, Niederkirchnerstraße 8
Die letzten Tage der NS-Diktatur. Vom
Treiben und Ende der Regierung Dönitz in
Flensburg
Vortrag von Prof. Dr. Gerhard Paul, Universität Flensburg. Eintritt frei. Nähere Informationen zum Programm finden Sie hier.
5. Mai bis 20. Juni, Rathaus, Kiel, Fleethörn 9
9. November 1938: Die „Reichskristallnacht“ in Schleswig-Holstein
Wanderausstellung. Eröffnung am 4. Mai,
19.00 Uhr, Anmeldung: [email protected]. Nähere Informationen finden Sie hier.
6. Mai, 19.00 Uhr, Schleswig-Holsteinische
Landesbibliothek, Kiel, Wall 47
Heimatgefühl und Judentum: Identität
als Außen- und Innensicht
Vortrag von Dr. Christian Walda, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte
Schloss Gottorf. Eintritt frei. Nähere Informationen finden Sie hier.
8. Mai, 16.00 Uhr, Schloss Gottorf, Schleswig, Schlossinsel 1
Friedenslicht. Eine Rose für die Erinnerungskultur in Schleswig-Holstein
Auftaktveranstaltung zur Fundraising-Aktion
von ProGedenkstätten. Eintritt frei. Nähere
Informationen finden Sie hier.
8. Mai, 17.00 Uhr, Kiel, Hiroshimapark
Nie wieder Faschismus! Nie wieder
Krieg!
Demonstration zum 70. Jahrestag von Befreiung und Kriegsende. Nähere Informationen finden Sie hier.
8. Mai, 18.00 Uhr, Audienzsaal des Rathauses, Lübeck, Breite Straße 62
Untergang und Zeitenwende. Lübeck in
der ersten Jahreshälfte 1945
Vortrag von Dr. Jan Lokers. Nähere Informationen finden Sie hier.
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8. Mai, 18.00 Uhr, Kulturladen Leuchtturm,
Kiel, An der Schanze 44
Lesung zum 70. Jahrestag des Kriegsendes
Geschichten, Lyrik und Kurzprosa für Frieden, Toleranz und Gerechtigkeit. Wolfgang
Ram, Elisabeth Melzer-Geissler, Marianne
Burtzlaff und Silvia Luise Wöhlk lesen aus
ihren Werken.
8. Mai, 19.30 Uhr, Haus der Kulturen,
Lübeck, Parade 12
Fritz Bringmann – Lebenserinnerungen
Filmvorführung über den Lübecker Antifaschist und Neuengamme-Überlebenden. Eintritt frei. Nähere Informationen finden Sie
hier.
9. Mai, 14.00 Uhr, Gedenkstätte Gudendorf,
Vierthstraße
Blumen für Gudendorf
Gedenkveranstaltung der Initiative „Blumen
für Gudendorf“. Nähere Informationen finden Sie hier.
9. Mai bis 7. Juni, Kultur- und Gedenkstätte
Ehemalige Synagoge Friedrichstadt, Am
Binnenhafen 17
Frieden im Land? 70 nach 1945
Wanderausstellung. Fr bis So,14.00 bis
17.00 Uhr. Nähere Informationen finden Sie
hier.
10. Mai, 11.30 Uhr, Flandernbunker, Kiel,
Kiellinie 249
Deserteure der Wehrmacht - Feiglinge
oder Helden?
Lesung und Diskussion. Der Schriftsteller Jochen Missfeldt liest aus seinem Roman
„Steilküste“ im Rahmen der Ausstellung
„Unbequeme Denkmäler“. Eintritt 6/4 Euro.
Nähere Informationen finden Sie hier.
10. Mai, 15.00 Uhr, Gedenkstätte Ahrensbök, Flachsröste 16
Verfemt, verfolgt, vergessen. „Entartete“ Musik im Nationalsozialismus
Vortrag von Wolf-Rüdiger Ohlhoff mit Musikbeispielen.
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UND
E R IN NERU NGSO RT E
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7/2015
10. Mai, 15.00 Uhr, Cafe Medusa, Kiel, Medusastraße 16
Nicht nur in Worten, auch in der Tat.
Käthe Sasso erzählt ihre Jugend im Widerstand
Hörspiel über die Widerstandskämpferin und
Ravensbrück-Überlebende.
11. Juni, 19.00 Uhr, Flandernbunker, Kiel,
Kiellinie 249
Steine, die etwas bewegen. Was machen wir mit den Stolpersteinen – und
was machen die Steine mit uns?
Vortrag und Diskussion mit dem AKENSVorsitzenden Kay Dohnke. Eintritt frei.
15./16. Mai, jeweils 19.00 Uhr, Flandernbunker, Kiel, Kiellinie 249
„... bis in die siebte Generation“
Filmabend mit Livemusik. Zeitzeugen-Filmund Musikperformance mit Anja Kreysing
und Anja Manleitner. Eintritt: 5/3 Euro.
18. bis 20. Juni, KZ-Gedenkstätte Dachau
70 Jahre nach der Befreiung der Konzentrationslager – was können die Gedenkstätten leisten?
Bundesweites Gedenkstättenseminar. Näheres zu Programm und Anmeldung finden Sie
hier.
20. Mai, 11.00 bis 12.30, 13.30 bis 15.00
Uhr, Flandernbunker, Kiel, Kiellinie 249
Euthanasie und Zwangssterilisation
während der NS-Zeit
Rassenhygiene, Erbgesundheitsgesetz –
aus dem Leben eines jungen Dienstmädchens 1935. Eintritt: 4/3 Euro.
27. Mai, 11.00 bis 15.00, Flandernbunker,
Kiel, Kiellinie 249
Mahnen nervt!
Workshop mit dem Hamburger Performer
Ulrich Mattes. Eintritt: 4/3 Euro (Wiederholung am 31. Mai, 14.30 bis 17.00 Uhr).
28. Mai, 18.15 bis 19.45 Uhr, CAU Kiel,
Christian-Albrechts-Platz 3
Kieler Volkswirte und der Nationalsozialismus
Vortrag von Prof. Dr. Johannes Bröcker, CAU
im Rahmen der Ringvorlesung „350 Jahre
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an
der CAU“.
28. bis 29. Mai, Landesarchiv SchleswigHolstein, Schleswig, Prinzenpalais
Vermittlungspotenzial der NS-„Volksgemeinschaft". Der fachdidaktische Gehalt eines wissenschaftlichen Analysekonzepts
Tagung des IZRG. Beginn 14.00 Uhr. Eintritt
frei, Anmeldung bis zum 21. Mai unter [email protected]. Das Tagungsprogramm
finden Sie hier.
2. Juli, 19.00 Uhr, Flandernbunker, Kiel,
Kiellinie 249
Steine des Anstoßes - Kriegerdenkmäler
heute
Vortrag von Dr. Harald Schmid, Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten. Eintritt frei.
9. Juli, 19.00 Uhr, Flandernbunker, Kiel,
Kiellinie 249
Kriegsdenkmäler und Mahnmale als
Aufgabe für die heutige Kunst?
Vortrag und Diskussion mit Prof. Dr. Lars
Olof Larsson, Kiel. Eintritt frei.
9./10. Juli, Kalkscheune, Berlin, Johannisstraße 2
Erinnern kontrovers. Aufbrüche in den
Erzählungen zu Nationalsozialismus,
Holocaust und Zweitem Weltkrieg
Tagung. Nähere Informationen finden Sie
hier.
13. August, 19.00 Uhr, Flandernbunker,
Kiel, Kiellinie 249
Denk-Mal: Frieden. Friedensmale statt
Kriegerdenkmale
Vortrags- und Diskussionsabend mit Dr. William Boehart und Dr. Jens Rönnau. Eintritt
frei.
1. bis 30. August, KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen, Springhirsch, an der B 4
Frieden im Land? 70 nach 1945
Wanderausstellung. Eröffnung am 1. August,
14.00 Uhr. ◄
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UND
E R IN NERU NGSO RT E
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IMPRESSUM
Herausgeberin:
Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten
Geschäftsstelle: c/o Nordkolleg Rendsburg
Am Gerhardshain 44, 24768 Rendsburg
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Fax: +49 (0) 4331-1438-20
V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhard Fouquet
Redaktion, Organisation und Layout:
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