v NEWSLETTER G EDENKSTÄTTEN UND E RINNERUNGSORTE IN S CHLESWIG -H OLSTEIN Nr. 7, April 2015, 4. Jg. Herausgegeben von der Bürgerstiftung Schleswig -Holsteinische Gedenkstätten Redaktion: Dr. Harald Schmid N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 INHALT 3 EDITORIAL 4 LEBENDIGE ERINNERUNG 28 FORUM 31 5 8 Vorstand der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten │ Vorwärts aus einer wenig befriedigenden Situation – zum Landesgedenkstättenkonzept Ludwig Fromm │ Bewahren und Erinnern. Artenschutz, Erinnerungsarbeit und Emotionalisierung 33 36 37 PINNWAND PROJEKTE UND PERSPEKTIVEN 13 16 17 19 21 Johanna Jürgensen │ Neue Projekte in Husum-Schwesing Raimo Alsen │ Projektstart in Ladelund: Angelika Königseder ist Kuratorin der neuen Ausstellung „‚... ich kann dich sehen‘. Widerstand, Freundschaft und Ermutigung“: Neue Dauerausstellung und Projektbeginn zur Bildungsarbeit in der Gedenkstätte Lutherkirche Karin Penno-Burmeister │ Eine Rose für die Erinnerungskultur in Schleswig-Holstein oder: Was ist eigentlich CSR? Karin Penno-Burmeister │ Soziale Kaufportale im Internet: Einkaufen für den guten Zweck – und Gedenkstätten fördern 38 39 39 40 42 43 45 47 LESEZEICHEN BERICHTE UND INFORMATIONEN 23 25 26 Dokumentation: Ergebnisprotokoll des 3. Runden Tisches zur Zukunft der Gedenkstättenlandschaft und Erinnerungsarbeit in SchleswigHolstein am 28. Januar 2015 Dokumentation: Weiterentwicklung und Realisierung des Konzepts für die Neulandhalle Dokumentation: Vereinbarung über die Finanzierungsbeteiligung an der Gedenkstättenarbeit sowie der För- derung der Kultur und des kulturellen Erbes in Schleswig-Holstein Uta Körby │ Aktuelles aus der Landesarbeitsgemeinschaft Monika M. Metzner-Zinßmeister │ Judenkartei und Schule der Diktatur. Neue Ausstellungen in der Gedenkstätte Ahrensbök über den NS-Alltag Jens Rönnau │ Drei neue Ausstellungen im Flandernbunker Kiel Ausgezeichnetes Engagement: Jens Rönnau ist neuer Träger der Andreas-Gayk-Medaille Wissenschaftspreis der Bürgerstiftung erstmals vergeben Neuer Leiter des Jüdischen Museums Rendsburg Monika M. Metzner-Zinßmeister │ Todesmarsch 1945–2015 Raimo Alsen │ Eine persönliche und theologische Geschichte Gabriele Richter │ Die KZ-Gedenkstätte Wittmoor in Norderstedt Benefiz-Konzert in Quickborn zum 9. November Benjamin Hein │ „Die Bekennende Kirche in Schleswig-Holstein und die Juden“ – eine Kieler Diskussion Eckart Schörle │ Erinnerungsarbeit im östlichen Nachbarland Neues Internet-Portal zur Shoa ermöglicht länderübergreifende historische Recherchen AUFGEBLÄTTERT 48 Hansjörg Buss │ „Ein blinder Fleck, ‚wie ausgestanzt‘“: Erinnerungen an das Konzentrationslager Neuengamme in einer dörflichen Lebenswelt 51 LITERATURHINWEISE 53 TERMINKALENDER 56 IMPRESSUM N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 EDITORIAL Sind die Wikinger schuld? Das Projekt eines Sieben Jahrzehnte nach der bedingungslosen historischen Lernorts Neulandhalle in Diek- Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 sanderkoog – Schleswig-Holsteins einziges finden landauf, landab Veranstaltungen ver- Millionenprojekt im Handlungsfeld der Erinne- schiedenster Art statt. Die Befreiung will ge- rung an den Nationalsozialismus – ist zumin- feiert – und reflektiert werden. Auch in dest vorläufig auf Eis gelegt, und die Landes- Schleswig-Holstein wird das Datum zum An- regierung verweist auf den großen Investiti- lass für diverse Aktionen genommen. Mit Blick onsbedarf im Schleswiger Wikinger-Museum auf die Gedenkstättenförderung sticht dabei Haithabu. Jedenfalls hat Kulturministerin Anke die „Rosentaufe“ im Schloss Gottorf in Schles- Spoorendonk im März dem Landtag gegen- wig hervor, zu der das Fundraisingprojekt über versichert, dass es vor 2018 keine finan- ProGedenkstätten am 8. Mai einlädt. zielle Perspektive für einen solchen Lernort gebe. Ob das Projekt damit am Ende ist oder bis dahin „Teilschritte“ vorgezogen werden – immerhin hat die Nordkirche eine Million Euro dafür reserviert –, wird derzeit erörtert. Fest steht allerdings: Nach vier Jahren teilweise kontroverser Diskussion um und vielfältiger Werbung für das Projekt Neulandhalle liegt, so Ministerin Spoorendonk, „derzeit kein konkret umzusetzendes Konzept mit ausgearbeiteten In Ladelund und Husum-Schwesing haben die Projekte unter anderem für neue Aussstellungen begonnen. Auch darüber berichtet der NEWSLETTER, ebenso wie über den Stand der Dinge in der Gedenkstätte Lutherkirche in Lübeck, wo nun ein Projekt zum Aufbau der Bildungsarbeit in Angriff genommen wird. Die Bürgerstiftung unterstützt alle drei erwähnten Projekte. Finanzierungsmodalitäten und einem entspre- Der NEWSLETTER enthält nicht nur aktuelle Be- chenden Zeitplan vor“. richte, sei es über jüngere Entwicklungen in Diese neue Ausgabe des NEWSLETTERS greift nicht nur diese Debatte, sondern auch das Thema der Landesgedenkstättenkonzeption auf: „Das Konzept ist zunächst das Basisbekenntnis der Landesregierung und soll nicht als Endpunkt der Entwicklung, sondern als Etappenziel gewertet werden.“ So steht es im Protokoll des 3. Runden Tisches, zu dem Ministerin Spoorendonk Ende Januar eingeladen hatte und dessen Protokoll wir in dieser Nummer des NEWSLETTERS dokumentieren. Mit der im Mai im Landtag debattierten Landesgedenkstättenkonzeption im Besonderen und der Landesarbeitsgemeinschaft, sei es über neue Ausstellungen und über Personalia wie den Stabwechsel in der Leitung des Jüdischen Museums Rendsburg, sei es über Auszeichnungen und Ehrungen. Er stellt auch einen im Land wenig bekannten Erinnerungsort vor, die KZ-Gedenkstätte Wittmoor in Norderstedt. Zudem blickt der NEWSLETTER wieder einmal über den hiesigen Tellerrand, indem er ein Buch über die Rezeption des KZ Neuengamme vorstellt und über 25 Jahre Gedenkstättenarbeit im benachbarten Bundesland Mecklenburg-Vorpommern informiert. der Entwicklung der Gedenkstätten im Allge- Dieser NEWSLETTER war nur möglich durch die meinen befasst sich auch der Beitrag des Vor- enge und gute Zusammenarbeit mit allen Mit- stands Schleswig- arbeiterinnen und Mitarbeitern, die Texte und Holsteinische Gedenkstätten. Er wird ergänzt Fotos beigetragen oder anderweitig das Er- von einem Essay von Ludwig Fromm, der sich scheinen unterstützt haben. Dafür sei allen Gedanken darüber macht, wie der Artenschutz Beteiligten herzlich gedankt. ◄ und die Erinnerungsarbeit zusammenhängen. Gerhard Fouquet, Harald Schmid der Bürgerstiftung 3 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 LEBENDIGE ERINNERUNG „Erinnerungskiste“ eines ehemaligen irakischen Soldaten in der Ausstellung „Flucht und Vertreibung – 1945 bis heute“. im Flandernbunker Kiel. Foto: Jens Rönnau ◄ 4 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Fragen die Geschichte dieser vormaligen La- FORUM ger „entdeckte“ und immer wieder auch auf Abwehr gegenüber solchen Aufklärungsversu- Vorwärts aus einer wenig befriedigenden Situation – zum Landesgedenkstättenkonzept chen stieß. Eine systematische staatliche Förderung der Bildungsarbeit an Gedenkstätten und Erinnerungsorten hat sich nördlich der Vorstand der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten Elbe nur sehr langsam und auf geringem fi- I. Wir als BGSH sind daher froh darüber, dass nanziellem Niveau seit Mitte der 90er-Jahre herausgebildet. Viel ist erreicht worden in Schleswig-Holstein seit 2000 die erste Landesgedenkstättentagung stattfand, seit 2002 die privatrechtliche ‚Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten‘ (BGSH) von Land, Kirchen, Kreisen und privaten Stiftern ins Leben gerufen wurde, um die ehrenamtlich Aktiven, die im Zuge des noch unmittelbaren, emotionalen Erinnerns ‚Gedenkstätten‘ errichteten, zu unterstützen. Wir erinnern nur an die Gründung der ‚Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein‘ 2012, die wir im Vorstand der BGSH als besonderen Meilenstein der erinnerungspolitischen Bündelung der dezentralen, weit gestreuten Gedenkstättenlandschaft wahrnehmen. Doch trotz der Gründung der Gedenkstätte Ladelund 1950 als einer der ältesten deutschen Orte des Erinnerns an die nationalsozialistische Diktatur oder der Errichtung des Jüdischen Museums Rendsburg 1988 – Schleswig-Holstein ist mit dem Blick auf diese Erinnerungsarbeit eine ‚verspätete‘ Region. Vielmehr fand das, was wir heute die „zweite Geschichte“ nennen, in Schleswig-Holstein ganz besondere Ausprägungen. Insbesondere die vielfachen personellen Kontinuitäten, die der Landtag jetzt mit einem Forschungsprojekt untersuchen lässt, und die späte Wahrnehmung und Würdigung der früheren Orte die Landesregierung seit 2012 engagiert mit den Akteuren der Erinnerungsarbeit ein Landesgedenkstättenkonzept erarbeitete und nun in den Landtag einbringt. Dieses Engagement ist freilich nicht nur Papier geblieben, sondern drückte und drückt sich auch in aktiver Unterstützung aus: 1.) in der Verdopplung des Etats der BGSH (auf ca. 250.000 Euro pro Jahr) mit den Effekten: stärkerer finanzieller Förderung der historischen Lernorte wie gezielter, beratender Tätigkeit und damit verbunden der stärkeren Professionalisierung der Gedenkstättenarbeit, 2.) in der Unterstützung eines erfolgreichen Antrags, der durch die BGSH erst einmal geschrieben, abgestimmt und begleitet werden musste, zur Förderung der KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, den ersten seiner Art in Schleswig-Holstein überhaupt, und 3.) endlich nun in der Landesgedenkstättenkonzeption, mit der sich der Landtag und damit der Souverän aktiv der Erinnerungsarbeit zur nationalsozialistischen Diktatur annimmt, sie zu seiner Sache macht. Doch können wir auch zufrieden mit dem Stand der Entwicklung und dem vorliegenden Entwurf für die Zukunft sein? II. nationalsozialistischer Verfolgung und Verbre- Die zurückgelegten Schritte seit 2012 gehen chen sind hier zu nennen. Das frühe kirchli- durchaus in die richtige Richtung, doch sie che Engagement in Ladelund fand erst An- sind (noch) zu kurz bemessen. Diesen Befund fang der 80er-Jahre auch an anderen Orten gibt auch das Landesgedenkstättenkonzept eine Fortsetzung, als in Kaltenkirchen, Gu- wieder mit der Formulierung zweier in den dendorf und Husum-Schwesing bürgerschaft- nächsten Jahren zu entwickelnden Hand- liche Initiativen durch beharrliches kritisches lungsebenen: 1.) der inhaltlichen Weiterentwicklung und 2.) der strukturellen Veranke5 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N rung der Erinnerungsarbeit. Doch was heißt geschichte das konkret? Und wo sehen wir im Vorstand Schleswig-Holstein rückt vor diesen Proble- der BGSH weiteren Handlungsbedarf? men weit in den Hintergrund. Eine übergrei- Im Landesgedenkstättenkonzept wird als inhaltliches Ziel der Erinnerungsarbeit eine didaktische Landeskonzeption bis 2018 formuliert. Sie soll zusammen mit den einzelnen Einrichtungen erarbeitet werden. Das ist richtig so, aber das setzt auch voraus, dass es an den einzelnen Gedenkstätten Personal gibt, das über Schulungs- und weitere Qualifizierungsmaßnahmen befähigt wird, die jeweilige Gedenkstätte tatsächlich auch zu einem historischen Lernort weiterzuentwickeln. Das Beispiel Ladelund mit seiner jahrelangen verhältnismäßig massiven Unterstützung durch Kirche und Land und nun auch durch den Bund, oder auch das Exempel des Jüdischen Museums Rendsburg (im Verhältnis etwa zur ebenfalls besonders förderungsfähigen, aber unterfinanzierten und daher schon als Erinne- des 7/2015 Nationalsozialismus in fende Ausstellung wäre zweifellos entscheidend, um der jungen Generation, für die die Jahre zwischen 1933 und 1945 Geschichte und nicht mehr Teil der unmittelbaren wie mittelbaren Lebenserfahrung sind, die spezifische Regionalität des Lebens unter der NSDiktatur zu verdeutlichen und sie für Gefährdungen der Menschenrechte und demokratischer Entwicklungen zu sensibilisieren. Aber wir sehen derzeit lediglich die Möglichkeit als realistisch an, eines der drei in der Landesgedenkstättenkonzeption angedeuteten Entwicklungskonzepte für eine solche Ausstellung bis 2018 vorzulegen. Die Chancen zur Realisierung einer dieser Konzeptionen sind dagegen der zukünftigen politischen Willensbildung anheim gegeben und mithin unbestimmt. rungsort kaum präsenten Ehemaligen Syna- Für die inhaltliche Weiterentwicklung der Er- goge in Friedrichstadt) zeigen, was dies nicht innerungsarbeit zur Zeit der nationalsozialis- nur für den Bedarf finanzieller Ressourcen tischen Diktatur spielt die seit 2010 teilweise heißt. sehr kontrovers diskutierte Neulandhalle ihre Konkret gesprochen bedeutet all dies: An ausgewählten Gedenkstätten müsste mindestens jeweils eine halbe Mitarbeiterstelle etabliert werden, und zwar für eine qualifizierte Museumskraft. Die Ist-Situation heißt dagegen: Ehrenamt, dem nur hohe Achtung entgegenzubringen ist, kurzfristige Werkverträge, 450 Euro-Jobs und nur wenige Qualifizierungsmaßnahmen, weil die BGSH nicht mehr leisten kann. Die Konsequenz aus dieser Diagnose lautet: Im Jahre 2018, wenn auch die von der Nordkirche seit 2014 bereitgestellten Sondermittel für die Gedenkstättenarbeit auslaufen, werden wir ohne die entsprechende Weiterentwicklung der Landeszuwendungen zwar ein schönes, wohlklingendes didaktisches Konzept vorlegen, aber es wird nur sehr partiell seine Verankerung in den Einrichtungen haben. Die in der Landesgedenkstättenkonzeption formulierte Option zur Konzeptionalisierung einer Ausstellung zur Geschichte und Nach- spezifische Rolle. Die Realisierung der Neulandhalle als historischer Lernort hätte in der derzeit herrschenden Situation weitreichende Auswirkungen auf die strukturelle Entwicklung des Verhältnisses von Gedenkstätten, historischen Lernorten, BGSH und Land. Insofern verstehen wir die aktuelle Entscheidung von Kulturministerin Anke Spoorendonk, das Projekt eines historischen Lernorts im Dieksanderkoog derzeit nicht finanzieren zu können, auch als Chance, die öffentliche Diskussion um die Neulandhalle im Verständnis der realen Situation der permanent schwierigen Ausbalancierung der generellen Unterfinanzierung wie auch der berechtigten Eigeninteressen der bestehenden Gedenkstätten und historischen Lernorte weiterzuführen – ohne Zeitdruck. III. Damit ist schon die strukturelle Entwicklung der Erinnerungsarbeit zur nationalsozialistischen Diktatur angesprochen. Sie wird in der 6 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Landesgedenkstättenkonzeption verhältnis- „Netzwerks mit Zentrum“ entworfen, das mäßig ausführlich behandelt. Es seien daher heißt eines Netzwerks historischer Lernorte nur wenige Punkte herausgehoben und aus mit professionalisiertem Kern und damit eines unserer Sicht kommentiert. inhaltlich wie strukturell ineinander ver- Bei den bestehenden Gedenkstätten reicht es nicht, sie baulich zu sanieren. Sie müssen vom Status der Gedenkstätte zu historischen Lernorten mit klaren didaktischen Konzepten weiterentwickelt werden. Auf die personellen und finanziellen Konsequenzen haben wir hingewiesen. Sie sind bislang nur am Jüdischen Museum Rendsburg und in der Gedenkstätte Ladelund gegeben, da darf man sich keinen Illusionen hingeben. Durch eine private Stiftung wird es möglich werden, die Gedenkstätte Husum-Schwesing in den nächsten Jahren baulich herzurichten. Ihre Weiterentwicklung zu einem historischen Lernort, was von der Sache trotz unterschiedlicher Trägerschaften her sinnvoll nur in einem gemeinsamen, aufeinander bezogenen Entwicklungskonzept mit Ladelund geschehen kann, hängt von der gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen dem Kreis Nordfriesland und dem neu gebildeten Freundeskreis ab. Die BGSH begleitet diesen Prozess gerne mit finanzieller und beratender Unterstützung, drängt sich aber als Fördereinrichtung nicht auf. Die Akteure vor Ort müssen zunächst formulieren, was sie wollen. Die BGSH ist als Förderstiftung gegründet schränkten Systems. Es sollte schrittweise aufgebaut werden, wobei der künftige Kern nicht BGSH heißen kann (Harald Schmid, Agenda 2033 vom 13.2.2013). Die Gründe des Ehrenamts sprechen dagegen. Und die seit 2007 vom Stiftungsrat geforderte Umwandlung der BGSH in eine öffentlichrechtliche Trägerstiftung ist von der Landesregierung verworfen worden. Rechtliche Gründe standen dagegen. Mithin stehen wir noch ganz am Anfang der Überlegungen. Insofern ist es richtig, dass die Landesgedenkstättenkonzeption im Sinne des Aufbaus eines „Netzwerks mit Zentrum“ vorsieht, eine „gemeinsame Servicestelle“ einzurichten. Ein Anfang ist gesetzt dadurch, dass 1.) die Abwicklung der Geschäftsführung mit einem kleinen Stellenanteil vom Nordkolleg Rendsburg aus erfolgt, dass 2.) die BGSH mit Unterstützung der Landesregierung und durch das Entgegenkommen der LAGSH nun auch eine dreiviertel Wissenschaftliche Mitarbeiterstelle einrichten und mit Dr. Harald Schmid besetzen konnte. Wir sollten uns nichts vormachen: Die in der Landesgedenkstättenkonzeption mit professionellen Kompetenzen ausgestattete, an einem Identität stiftenden oder politische Einflussmöglichkeiten (etwa in worden. Von ihren institutionell-rechtlichen Anlehnung an bestehende Institutionen) er- wie strukturellen Möglichkeiten ist sie das bis öffnenden Ort anzusiedelnde „gemeinsame heute. Der Vorstand und der durch die Lan- Servicestelle“ ist zunächst nur ein Wechsel desgedenkstättenkonzeption in seinen Kom- auf die Zukunft. Dieser Kern zukünftiger Pro- petenzen mit Recht gestärkte Wissenschaftli- fessionalisierung kann auch nur mit, nicht che Beirat arbeiten im Ehrenamt. Per se kann gegen die Gedenkstätten und historischen daher die in der Landesgedenkstättenkonzep- Lernorte entwickelt werden. Er sollte am En- tion geforderte Professionalisierung der Erin- de neben, nicht in der BGSH seinen instituti- nerungsarbeit in der BGSH wie in den meis- onellen Platz finden, muss dabei aber den Er- ten Gedenkstätten vorderhand nicht umge- fordernissen der finanziellen Balance zwi- setzt werden. Mit diesem Faktum müssen wir schen Zentrum und Netzwerk gerecht wer- uns auseinandersetzen und tun das schon den, das heißt: er darf keine Oase in einer seit längerem. Der Vorsitzende der Bürger- sonst wüsten Landschaft bilden. stiftung hat daher in der von Staatssekretär Eberhard Schmidt-Elsaeßer geleiteten AG Gedenkstätten nicht von ungefähr das Bild eines Dass die Umsetzung der Landesgedenkstättenkonzeption von einer Leitungsgruppe und 7 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 mithin auch von Seiten der Landesregierung ben einem nicht zu unterschätzenden Unter- und des Landtages begleitet werden muss, haltungswert noch die Funktion, auf Macht erscheint uns absolut geboten. Nur so haben und Größe der Eliten hinzuweisen. Diese woll- wir, LAGSH und BGSH, politisch überhaupt ten sich als global agierend darstellen, was eine kleine Chance, die nächsten Schritte zu mit der Existenz von Kolonien, den Schatz- tun. Denn niemand darf eine Wolke voller Il- kammern des Exotischen, zu beweisen war. lusionen vor sich herschieben: Die Finanzen „Man kann den Zoos von heute nicht die ka- des Landes Schleswig-Holstein und die damit zusammenhängenden politischen Prioritätssetzungen in der Haushaltsgesetzgebung verfolgen ganz andere, genauso berechtigte Ziele. Und das begonnene, mit einigem Erfolg aufwartende Fundraising-Programm muss noch seine Nachhaltigkeit beweisen. Es wird freilich nie die öffentliche Hand ersetzen können. Insofern werden wir im Vorstand der BGSH unverdrossen im Ehrenamt weiterarbeiten – in kleinen Schritten wie bisher. Wie Georg Kreisler in kaum nachahmbarem Sprachwitz sagte: „Nur die Unzufriedenheit macht (mich) glücklich.“ tastrophale Tierfangpraxis von einst zum Vorwurf machen. Doch kann man heutigen Zoodirektoren vorwerfen, dass sie dieses dunkle Kapitel der Zoogeschichte nicht nur beschönigen und verklären, sondern jene Teile des Kapitels, in denen es besonders grausam zuging, verschweigen“ (Gerhard Staghun). Artenschutz will aufklären, will pflegen und erhalten: Lebendiges, Prozesse und Systeme, deren Wert wir erkannt, Werte, die wir konsensbasiert verteidigen, die auf politischem Wege gesellschaftlich bestimmt wurden. Die Motive für das Engagement für den Arten- Mitglieder im Vorstand der Bürgerstiftung schutz sind unterschiedlich. Ethische Überle- Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten sind gungen argumentieren mit der hervorgeho- Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhard Fouquet (Vorsit- benen Stellung des Menschen in der Evoluti- zender), Guido Froese (stellvertretender Vor- on, die Verantwortung zur Folge hat. Aufge- sitzender), Dr. Stephan Linck und Dr. Christi- klärte Bevölkerungsschichten fühlen sich hier an Walda. ◄ verpflichtet. Das ökologische Bewusstsein ist eine weitere Moralkategorie, aus der die Forderung nach Artenschutz erwächst. Aber auch Bewahren und Erinnern. Artenschutz, Erinnerungsarbeit und Emotionalisierung Ludwig Fromm ästhetische Sehweisen zielen darauf, aus altruistischem Antrieb Schwaches zu verteidigen, weil das Schöne als erhaltenswert eingestuft wird. Artenschutz stellt sich also zwischen Natur Was wir als schützenswert deklarieren Seit 1966 kennen und nutzen wir den Begriff der „Roten Listen“. Sie werden erstellt, um den Grad der Gefährdung von Arten zu beziffern, die als gefährdetet eingestuft wurden. Die Entwicklung der europäischen Zoos war mit der Idee des Artenschutzes nicht verknüpft. Der Blick auf die Motivationen ihrer Entstehung zeigt eher unvereinbare Positionen zu denen des gewünschten Artenerhalts. und gesellschaftlichem Vollzug, versucht somit bestimmte Effekte gesellschaftlicher Entwicklung in ihrer Wirkung zu dämpfen. Vor diesem Hintergrund betrachtet, ist Artenschutz durchaus auch als eine politische Bewegung zu verstehen, die nicht nur die Notwendigkeit gezielter Eingriffe in das strukturelle Gerüst gesellschaftlicher Prozesse einklagt, sondern auch deren Möglichkeiten aufzeigt und glaubhaft vertritt. Das Vorführen des Exotischen, ein Aspekt Doch was könnte der Artenschutz mit dem früher Tierparks oder Zooanlagen, hatte ne- Erbe des Nationalsozialismus zu tun haben, der die jüngere deutsche, europäische viel8 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 leicht weltumfassende Geschichte zwölf Jahre Hier ist also noch ein großes Stück Arbeit zu direkt und darüber hinaus noch Jahrzehnte leisten. Auseinandersetzung mit der Vergan- indirekt bestimmen konnte? Meine These lau- genheit ist mehr als das Sammeln von Fak- tet: Artenschutz und negatives NS-Erbe ha- ten. Erinnern in einer offenen Gesellschaft ben einiges miteinander zu tun, insbesondere heißt plurale Erinnerungskultur. Diese mar- auf dem Feld der Gedenkstätten zeigt sich kiert ein Stück Selbstverständnis einer Ge- dies. sellschaft, das auch den Grad der Akzeptanz Die Situation der Gedenkstätten und der Gedenkarbeit hat sich in den letzten Jahren verbessert, auch in Schleswig-Holstein. Ihre Förderung ist politisch gewollt und wird von vielen Institutionen, Initiativen und Einzelpersonen unterstützt. Es wird also geschützt. Natürlich nicht im Rahmen des Artenschutzes. Das Erinnern an den Holocaust hat seine eigenen Institutionen und Handlungsfelder. Aber wie der Artenschutz funktioniert auch seiner Bürger bestimmt. Die Erinnerung an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und deren Opfer kann und darf auch nicht nur in den dafür eingerichteten Orten, den Gedenkstätten, befördert werden. Erinnerungskultur lebt von und durch Vernetzungen, die das Thema mittragen, wie Internet, Radio, Fernsehen, Landes- und Länderpolitik, Schule und andere Bildungseinrichtungen, Parteien, Verbände, Kirchen. die Erinnerungsarbeit auf der Basis politischer Dieses Netzwerk könnte sich auch dem Phä- Vereinbarungen: durch ethische Begründung. nomen einer schleichenden Erosion von Hin- Trotz vieler Fortschritte hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass Erinnerungsarbeit und gesellschaftliche Entwicklung an Bezug verloren haben. Sie müssen neu nivelliert, neu in die Zeit gestellt werden. Die Zeit wirkt dabei mehrfach: als biologische Zeit und als Prozesszeit. Wir altern. Alle altern, die Holocaustgeneration wie die ‚Spätgeborenen‘. Für die Einen terlassenschaften nationalsozialistischer Terrorherrschaft widmen, dem kaum wahrnehmbaren Verschwinden historischer Orte aus dem System der praktizierten Massenvernichtung. Das Netzwerk repräsentiert Öffentlichkeit. Das Netzwerk ist somit durchsetzungsfähig und gleichzeitig in der Lage, Diskurse zu führen, in die Gesellschaft hinein zu argumentieren und damit Standards, um nicht zu sagen, Werte prägen zu können. läuft die Lebenszeit ab, für die Anderen wächst die zeitliche Distanz, setzen Relativierungen ein. ‚Mein Vater ist jetzt zehn Jahre tot. Er kann mir nicht mehr helfen, seine Vergangenheit zu entdecken. Ich kann ihn nicht mehr nach dem Krieg oder Auschwitz fragen.‘ Kuratierte Geschichte – von der Unschärfe des Erinnerns Kommen wir noch einmal auf das Thema Artenschutz zurück. Die Fortschreibung der Roten Listen ist bekanntlich reglementiert. Für Die bestimmenden Teile eines Gesamtkon- den Schutzanspruch wird das Existieren in zeptes für die Erinnerungsarbeit sollten den ursprünglichen Lebenswelten vorausgesetzt. neuen Bedingungen Rechnung tragen. Identi- Ist hier ein Bogen spannbar zwischen Bern- tät und Zugehörigkeitsempfinden werden hard Grzimeks Initiative, Film und Buch dann wirksam entwickelt, wenn der einzelne „Serengeti darf nicht sterben“ und dem politi- Bürger seinem Selbstverständnis nach an das schen Anliegen, Orte des NS-Terrors und Wi- gesellschaftliche Wertesystem anschlussfähig derstandes zu Lernorten zu entwickeln? ist. Diese Anschlussfähigkeit nimmt jedoch mit zunehmender Diversifizierung der Gesellschaft ab. Was auch die Kultur des Erinnerns betrifft. Im Fall Serengeti sollte das Authentische, der ursprüngliche Lebensraum einiger Tierarten, bewahrt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte Grzimek mit seiner Sendung „Ein Platz für Tiere“ ungehinderten Zugang in unsere 9 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Wohnzimmer und Herzen. Eine vergleichbare grund ist eine Geschichte. Jugendliche, die breitenwirksame Sendung oder Aktion, um Erinnerungen Älterer verarbeiten, schaffen über Menschenrechtsverletzungen aufzuklä- sich eigene Wertsysteme und vermitteln Ge- ren oder diese zu anzuklagen, ist mir nicht schichte weiter. Wir wissen um die Probleme, bekannt. wenn die Vermittlung von Erinnerungen un- Im Fall der NS-Vergangenheit stellt sich das Problem anders dar. Hier soll eine Erzählung Realitäten, in unserem Fall Vergangenes, abbilden. Sofort drängen sich erzählerische Probleme in den Vordergrund. Wer ist der Erzähler, was ist die Erzählung, was ist die Geschichte? Das Authentische kann nur im Realen aufgehen. So, wie in der Schutzzone Serengeti der Wahrnehmende ein Stück Naturgeschichte erlebt. Ob die organisierten touristischen Wanderungen den Reisenden tatsächlich Authentisches bieten können, hängt maßgeblich von der angewandten szenografischen Konzeption des Schutzzonen-Events ab. Ist je- terbrochen wird, wenn zwischen zwei Generationen Schweigen herrscht, wie zum Beispiel zwischen der Generation der Überlebenden des Völkermordes und deren Kinder. Gesellschaftliche Verwerfungen sind in solchen Fällen nicht auszuschließen, wahrscheinlich die Regel. Erzählen ist ein Kind der Selektion. Das vereinfacht auf der einen Seite, indem Komplexität reduzierbar wird, aber, auf der anderen Seite stellen sich die Fragen: Wer oder was bestimmt die Erzählung? Wer unterscheidet das Sagbare, Kommunikationswürdige von dem Nichtzusagenden, dem Kommunikationsunwürdigem? doch der Protagonist der Erzählung ein nicht Also: Der durchaus gerechtfertigte Anspruch mehr existierender Staat wie das „Dritte auf das Authentische ist hinsichtlich der Sho- Reich“, so hieße das, Vergangenes verge- ah nicht einzulösen. Ebenfalls unrealistisch ist genwärtigen zu müssen. Die logische Konse- die Annahme, eine Erzählung erfinden zu quenz der Forderung nach Authentizität wäre, können, die in der Lage wäre, Vernichtungs- das Unrecht zu wiederholen, um Formen des lager und Lagerleben realitätsnah zu be- Unrechts realitätsnah zu präsentieren. Wel- schreiben. che Perversion der szenografischen Idee! Und doch gibt es strukturelle Parallelen zwi- Was wir bewahren sollten schen der Errichtung einer Schutzzone für Die Entwicklung der historischen Orte der La- wilde Tiere in Afrika und einem Ort der Erin- ger nach 1945 war meistens von Zerstörung, nerung an nationalsozialistischen Terror. Da Abriss oder Umfunktionierung bestimmt. Erst die Errichtung der Schutzzone Serengeti für spät wurden diese Areale mitsamt den Arte- das betroffene Areal eine Auskopplung aus fakten als historisch besonders wertvolle Orte der Zeit bedeutet, wird die Serengeti zu einer wahrgenommen und es bedurfte in der Regel Art Museum für Naturkunde. Vielleicht wäre langen Engagements, um die Abwehr und die Bezeichnung Zoologisches Museum pro- Verleugnungshaltung gegenüber diesen Ver- duktiver, deutet sie doch auf die Nähe zu ei- brechensorten zu überwinden. nem Zoo hin. Auch des Projekt Serengeti ist Die Begriffe Orte und Artefakte stehen für all eine Erzählung der Erinnerung, ein Möglich- das, was die Lagerrealität bestimmt hat: der keitsbericht: So könnten die wilden Tiere le- Boden, der in vielen Fällen eine besondre Art ben, wenn der Mensch ihren Lebensraum Friedhof darstellt; die Gebäude mit ihren respektieren würde. Spuren der Nutzung, ihren Aufladungen, At- Erinnern beinhaltet in keiner Weise einen An- mosphären und Rätseln; die primitiven Mö- spruch auf Vollkommenheit. Erinnern ist das bel, persönlichen Dinge von Häftlingen; die Ziel. Erinnerungen sind teilbar, sie lassen sich Dinge des Verwaltens, die Todesmaschinerie, erzählen, sind Teil der Erzählung, ihr Hinter- die Anlagen zur Entsorgung der Leichen. 10 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Diese historisch-authentischen Orte bilden als lich-atmosphärischen Modellen in den Aus- zentrale Stätten der Aufklärungs-und Ver- stellungen von Gedenkstätten, geht auf Ana- mittlungsarbeit den materiellen Kern der Er- lysen in unterschiedlichen Museen zurück. Ei- innerungskultur. Zunehmend werden neben nes der naheliegenden Beispiele ist das traditionellen Gedenkstätten auch andere Or- Schifffahrtsmuseum in Kiel. Beobachtungen te gewürdigt: Orte, an denen sich die Ambiti- und Befragungen (vor der Modernisierung des onen der Hitler-Herrschaft auch außerhalb Museums) zeigten, dass die Verweildauer vor der bekannten Lager manifestierte. Sie wer- Modell-Exponaten bedeutend länger ist, als den in der Regel mit Schaukästen oder Text- vor anderen Exponaten und die Modelle den Bildtafeln in Landschaftsräumen oder urbanen Besuchern das Gefühl geben, Zusammenhän- Umfeldern kenntlich gemacht. ge besser verstehen zu können. Die Orte des Gefangenseins, der Enge, Be- In Abhängigkeit von Bedeutung und Umfang grenztheit, Bedrohung, des Quälens und Er- des baulichen Bestands sind an ausgesuchten niedrigens und der Vernichtung verweisen Beispielen räumliche Situationen (die Teil der immer auf die Menschen: die Opfer, Getöte- Erzählung und der Geschichte sind) im Zu- ten und Überlebenden, ihre Träume, Ängste, sammenspiel zwischen Artefakt und Installa- Verzweiflungen. Die Orte und die Menschen tion zu simulieren. Diese Form der Inszenie- prägen die Botschaft, die dem Erinnern Rich- rung setzt Fantasie und Emotionalität frei, die tung gibt, es zur Grundlage einer erlebbaren – über das kognitiv basierte Wissen hinaus – Geschichtsreflexion macht. Es sind die Erzäh- Identifizierung mit den Opfern durch leibli- lungen des Einzelnen und seiner Situation in ches Wahrnehmen ermöglicht. der Gewalt der Exekutive der nationalsozialistischen Diktatur. Sie lassen Identifikation zu und schaffen emotionale Betroffenheit. Beides sind Grundlagen, für die Beschäftigung mit und das Verständnis von Geschichte und Struktur der NS-Herrschaft. So werden aus kognitiv verständlich und emotional aufbereiteten Daten Informationen. Von größter Bedeutung für das Gesamtverständnis sind Modelle in nicht zu kleinen Maßstäben. Ein Gesamtmodell (je nach Größe des konkreten Lagers) im Maßstab zwischen 1:200 und 1:25 erlaubt den Besuchern eine räumliche Annäherung an die Lagerrealität, die das kognitive und emotionale Verstehen nachweislich verbessert. Teilmodelle in Maßstäben bis zu 1:2 und in besonderen Fällen Wie wir bewahren sollten bis zu 1:1, erleichtern das Verständnis durch Die hier zu nennenden Punkte, sind als Er- entstehendes Einfühlungsvermögen oder sich gänzung von tradierten, häufig praktizierten andeutende Identifikationen. Ausstellungsweisen zu lesen. Das Interesse gilt einmal der Vermittlung des spezifischen Raum- und Situationsgefühls der Eingeschlossenen, dessen Grundlage raumspezifische und semantische Aspekte sind, die die Wahrnehmung der Vernichtungsabsicht bestimmen. Ein völlig andersartig gelegenes Interesse, das ebenfalls nicht zu den üblichen Themen der Erinnerungsarbeit gezählt wird, sind Berichte, Erfahrungen, Kommentare und Analysen der Kinder von Holocaust- Überlebenden. Raumstatistik: Es ist davon auszugehen, dass die aktuellen Gedenkstättenareale geodätisch erfasst sind. Im Rahmen der historischen Forschungen zur Entwicklung der Lager und Gedenkstätten nach 1945 ist eine Erfassung und Kartierung aller Lager- und Funktionsflächen zum Zeitpunkt der Befreiung oder Auflösung der Lager anzuraten. Eine Gegenüberstellung des Zahlenmaterials ist sicher aufschlussreich und produktiv nutzbar. Das Ergebnis dieser geografischen Erfassung könnte dann, im Netz stehend, eine Diskurs- und Der Raum und das Modell: Die hier vorge- Bewertungsgrundlage darstellen. Eine Kartie- schlagene häufigere Verwendung von räum- rung aller Flächen, auf denen NS-Terror insti11 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 tutionalisiert und politisch legitimiert statt- eignisse ausgelöst wurde. Wie viele Überle- fand, kann Klarheit über Verbreitung und bende des Genozids psychisch behandelt oder Größenordnung der Vernichtungslager geben betreut wurden‚ ist nicht erfasst. Das Ausmaß und mögliche Umnutzungen ehemaliger La- der ‚Verwundung‘ lässt sich an der Selbst- gerflächen aufzeigen. mordrate der Holocaust-Autoren erahnen. Der Raum als Ort legitimierten Tötens: Der inhaltliche Bogen der Gedenkstätten für die Scheiben oder Nichtschreiben konnte über die Existenz entscheiden. Opfer des Nationalsozialismus spannt sich Ein Teil des Schreckens des Genozids verbirgt vom Totengedenken zu Veranstaltungen his- sich hinter dem Konflikt zwischen der Mah- torischer Bildungsarbeit. Gedenkstätten sind nung Holocaust-Überlebender ‚Vergiss das eben auch Orte des Ausstellens. Somit sind niemals‘ und der Notwendigkeit zu schweigen ihre Räume Ausstellungsräume. Also Räume, und zu vergessen. Die Mahnung, nicht zu die als ‚atmosphärisch bestimmte Programm- vergessen, kommentiert die kanadische räume‘ zu verstehen sind. Es handelt sich um Künstlerin Bernice Eisenstein wie folgt: „Es ist Räume, mit ‚gesetzter‘ Notation, mit einer mir bis heute ein Rätsel, dass dies der Aufruf Raumwirkung, die das Ergebnis einer Atmo- von Menschen war, die sich doch zum Ver- sphärenkonstruktion ist. gessen zwingen mussten, um sich ein neues Der Buchenwald-Überlebende Eugen Kogon Leben aufzubauen.“ forderte schon in seinem frühen großen Be- Das Emotionale: Von Giulio Camillo ist das richt über den SS-Staat (1945) und dessen Projekt Teatro della Sapientia (1530), ein Terrorlager die Wahrheit, die nackte Wahrheit Gedächtnistheater, überliefert. Die Regeln ei- der Darstellung: „alles so, wie es war, nicht ner Gedächtniskunst nutzend, wie sie in der anders, nichts verniedlicht, nichts zurechtge- Antike praktiziert wurde, baute sein Gedächt- macht ad usum delphini, nichts verschwie- nistheater auf der Kraft der Bilder auf. Sie gen“. sollten die Tradierungen des kulturellen Ge- Das, was war, stellt sich als eine gnadenlose und perverse Umdeutung des Raums als Raum der Vernichtung dar. Der Tötungsauftrag der Konzentrationslager wandelte ihre Räumlichkeiten in Räume der Vernichtung. Die Unterscheidung in Wohnräume, Arbeitsräume, Sanitärräume, Verwahrräume, Krankenrevier oder Küche sind Raumfunktionen beschreibende Begriffe der Normalität. In einem Tötungsumfeld sind Wohnräume, Arbeitsräume, Sanitärräume, Verwahrräume, Krankenrevier oder Küche Räume des Übergangs nicht vom Leben in den Tod, sondern von einer Form des Todes in eine andere, die absolute und endgültige. dächtnisses erschüttern. Die römischen Rhetoriker forderten, „imagines agentes“ zu verwenden. Bewegende Bilder sollten die Besucher seines Gedächtnistheaters in eine innere Aktivität versetzten. Das heißt in Gegenwartssprache übersetzt, Camillos Gedächtnistheater wirkte emotionalisierend. Folgt man dem Historiker Dan Diner, dann stellt Auschwitz einen Zivilisationsbruch dar: Sollte es da nicht erlaubt sein, die Methoden der Auseinandersetzung mit dieser Zäsur der Bedeutung des Ereignisses anzupassen? Prof. Dr. Dipl.-Ing. Ludwig Fromm ist Professor an der Muthesius-Kunsthochschule Kiel im Bereich Raumstrategien. ◄ Die Gefühlswelten, die Überlebenden und die Stimmen der zweiten Generation: Nach dem Ende der Internierung lebte das Lagerleben als Psychotrauma weiter. Der Begriff „Trauma“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Wunde“, gemeint ist die Verletzung der Psyche, die durch schwer belastende Er12 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 PINNWAND PROJEKTE UND PERSPEKTIVEN haben auch in der weiteren Umsetzung be- Neue Projekte in HusumSchwesing treut. Es ist in vier Phasen aufgeteilt: Von Januar bis Mai 2015 werden die Grundlagen und Johanna Jürgensen ein inhaltliches Grobkonzept erstellt; von Mai bis Oktober 2015 erarbeitet die Historikerin Während in Ladelund das auch mit Bundes- ein Detailkonzept für die Ausstellung; von No- mitteln geförderte Konzept für eine neue Dau- vember 2015 bis März 2016 findet die Detail- erausstellung und eine didaktische Vernetzung planung des Außengeländes umgesetzt wird, sind für schließlich wird die Ausstellung von März bis die KZ-Gedenkstätte Husum-Schwesing meh- Juni 2016 aufgebaut. Die Ausstellungsplanung rere Einzelprojekte geplant, die deren Stan- wird von einer Lenkungsgruppe begleitet. Die- dard ebenfalls deutlich heben sollen. Im fol- se besteht aus Gary Funck, dem Vorsitzenden genden Artikel stelle ich den aktuellen Pla- des Kuratoriums der Stiftung Nordfriesland nungsstand vor und gebe einen Überblick über (Trägerin der Gedenkstätte), Johanna Jürgen- die bereits realisierten Schritte. sen, der Geschäftsführerin der Stiftung, einem und Ausführungsplanung statt; Vertreter der KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund sowie den Experten Prof. Dr. Karl Heinrich Pohl und Dr. Ulrike Jureit. Der neu gegründete Freundeskreis KZ- Gedenkstätte Husum-Schwesing ist durch die Vereinsvorsitzende Maria Jepsen vertreten. Versammlungshaus In gemeinsamen Gesprächen über die Zukunft der Gedenkstätte haben Trägerin und Freundeskreises die Idee entwickelt, die Aufenthaltsmöglichkeiten auf der Gedenkstätte zu Geschichte und Erinnerung in Husum-Schwesing: Blick durch die mit Text durchstanzte Informationstafel auf das Stelenfeld. Foto: Harald Schmid verbessern, indem eine Sanitäranlage sowie ein Gruppen- und Schulungsraum errichtet werden soll. Dieser Vorschlag ist insbesondere Außenausstellung von der Landesregierung sehr positiv aufge- Seit Beginn dieses Jahres ist die Hamburger Historikerin Nina Holsten damit beauftragt, eine wissenschaftlich fundierte Ausstellung für den Außenbereich der KZ-Gedenkstätte Husum-Schwesing zu erstellen. Möglich geworden ist dieses Projekt durch eine Spende in Höhe von 100.000 Euro des Geschäftsman- nommen worden, sodass die Baumaßnahme seitens des Landes mit voraussichtlich 180.000 Euro gefördert wird. Das Gebäude soll bereits in diesem Jahr fertiggestellt werden. Das Ziel, zu einem späteren Zeitpunkt ein Dokumentenhaus zu errichten, bleibt hiervon unberührt. nes Uwe Carstensen. Die Vermittlung des Geldgebers erfolgte durch Karin Penno- Burmeister vom Fundraising- und Modernisierungsprojekt ProGedenkstätten, die das Vor13 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Didaktisches Konzept, Unterrichtsmaterialien Fotoausstellung In engem Zusammenhang mit der Außenaus- Als Ergebnis des Gedenkstätten-Fotowork- stellung und dem Versammlungshaus steht shops mit Mark Mühlhaus im Rahmen des Kul- das Vorhaben, ein didaktisches Konzept zu tur21-Festivals im September 2014 soll am entwickeln. Die Bürgerstiftung Schleswig- 27. Januar 2016 eine Ausstellung mit den Fo- Holsteinische Gedenkstätten hat für die Ent- tos der Jugendlichen eröffnet werden, die auf wicklung des Konzepts bereits 7.000 Euro be- den KZ-Gedenkstätten Husum-Schwesing und willigt. Ursprünglich sollte eine noch zu beauf- Ladelund aufgenommen worden sind. Den tragende Lehrkraft das Konzept erstellen. Mittelpunkt bildet dabei die Ausstellung „Ge- Mittlerweile gibt es einen Alternativvorschlag, nerationen“ von Mark Mühlhaus und Ulrike der darauf zielt, die Erarbeitung in die Hände Jensen. Die Schau wird voraussichtlich in der von Oberstufenschülern an den Gymnasien Berufsbildenden Schule in Niebüll gezeigt. oder Beruflichen Schulen (mit gesellschaftspolitischem Profil) zu geben. Konkret ginge es Internetauftritt darum, einen Wettbewerb durchzuführen, die Die KZ-Gedenkstätte Husum-Schwesing wird besten Gruppenarbeiten auszuzeichnen und seitens der Trägerin und des Freundeskreises als zusätzlichen Anreiz Geldprämien zu verge- ansprechend und informativ im Internet vor- ben. Das hätte den Vorteil, auf diese Weise gestellt. Aufgrund der sich ständig wandeln- Kontakt zu den Schulen aufzubauen und den und sich verbessernden digitalen Möglich- durch die frühe Einbeziehung möglicherweise keiten wird jedoch eine laufende Aktualisie- eine Identifikation mit der Gedenkstätte und rung angestrebt. Auch die Mehrsprachigkeit dem pädagogischen Konzept anzustoßen. Hin- (Englisch, Französisch, Niederländisch, Dä- zu käme der Kostenaspekt, da die vorhande- nisch) soll im wesentlichen im Internet und nen Mittel vorwiegend für die Erstellung der nicht in den Printmedien berücksichtigt wer- Materialen und nicht für Personalkosten aus- den, da die mobile Nutzung mittlerweile gene- gegeben werden müssten. Eine Entscheidung rationenübergreifend stattfindet und viele hierüber steht noch aus. Vorzüge (zum Beispiel Podcasts) bietet. Einführung eines Lotsensystems Erlass einer Gedenkstättenordnung für die Ein Ziel der Weiterentwicklung der Gedenk- Besucher stätte besteht darin, Jugendliche als Guides Zwar ist es ausdrückliches Ziel, möglichst vie- für Führungen zu gewinnen. Zu diesem Zweck le Menschen auf die Gedenkstätte aufmerk- soll ein Lotsensystem entwickelt werden, das sam zu machen und durch einen Besuch vor insbesondere Jugendliche dazu befähigen soll, Ort die organisierten Verbrechen gegen die Führungen auf der Gedenkstätte anzubieten Menschlichkeit durch das NS-Regime ins Be- (Peer Guides). Die Altersgruppe der jungen wusstsein Leute steht hierbei besonders im Fokus, weil Gleichwohl ist es notwendig, Regelungen zu deren Blick auf die historischen Geschehnisse erlassen, um unangemessenes Verhalten von ein gänzlich anderer ist als der älterer Perso- Besuchern oder Besuchergruppen unmittelbar nen. Auch ist die Akzeptanz von nahezu möglichst zu vermeiden oder gegebenenfalls Gleichaltrigen insbesondere bei Schülergrup- sanktionieren zu können. pen höher, was die Nutzung der Gedenkstätte als außerschulischer Lernort befördern könnte. Das geplante Lotsensystem soll gemeinsam mit dem pädagogischen Konzept entwickelt werden, da es thematisch zusammengehört. der Öffentlichkeit zu bringen. Der Inhalt der Gedenkstättenordnung zielt neben allgemein üblichen Verhaltensregeln wie auf das Verbot von lauter Musik auch auf das Verbot von Äußerungen, Darstellungen oder Verhalten auf der Gedenkstätte, die geschichtsverfälschend oder entwürdigend für 14 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 die Opfer und deren Angehörige sind. Ebenso Uli Lindow entstanden. Für diese Tafeln ist ei- sollen alle öffentlichen Veranstaltungen auf ne längere zeitliche Perspektive vorgesehen. der Gedenkstätte nur mit Zustimmung des Eigentümers zulässig sein. Rückschau Nicht unerwähnt bleiben soll, dass sich auf der Gedenkstätte in den letzten Jahren bereits einiges getan hat. So ist der lange beklagte Zustand der Anonymität der Opfer endlich vorbei. Entstanden war das Problem dadurch, dass auf dem Stelenfeld die Namen auf den Cortenstahl-Stelen nur noch schwer zu lesen waren. Opfer haben, Erinnerung braucht Namen: Die neuen Stahltafeln im Eingangsbereich der Gedenkstätte. Fotos: Johanna Jürgensen (oben), Harald Schmid Mühsames Lesen, mühsame Erinnerung: Erläuterungstafel am Stelenfeld. Foto: Harald Schmid Die Gedenkstätte ist inzwischen auch barrierefrei, und zwar mittels eines extra angelegten zusätzlichen Weges, für den die Trägerin Die Stiftung Nordfriesland hat für 55.000 Euro 35.000 Euro aufgewandt hat. Hinzu kamen zusätzlich 15 Edelstahltafeln herstellen und Sanierungsarbeiten am Mahnmal und das Ab- darin die Namen, Lebensdaten, Nationalitäten sichern der Küchenbaracke und der histori- und Berufe der namentlich bekannten 297 schen Schornsteine. Ermordeten eingravieren lassen. Diese Tafeln stehen im Eingangsbereich der Gedenkstätte, werden möglicherweise aber noch umgesetzt. Weitere Verbesserungen in der Orientierung und Vermittlung ermöglichen Hinweisschilder, die an den wichtigsten Orten des vormaligen Lagers aufgestellt worden sind. Diese sind teils sehr einfach gehalten, da sie mit Blick auf weitere Maßnahmen nur für eine Übergangszeit aufgestellt worden sind, zum Teil aber auch hochwertig. Letztere fügen sich in das künstlerische Konzept ein und sind in enger Zusammenarbeit mit dem schon lange die Authentisches erhalten: Absicherungen auf dem Gedenkstättengelände. Foto: Johanna Jürgensen Gedenkstättengestaltung prägenden Bildhauer 15 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Das Interesse, Husum-Schwesing zu einer war die Tatsache, dass Angelika Königseder Gedenkstätte weiterzuentwickeln, die auf- die im August 2014 eröffnete Ausstellung der grund eines sehr guten Vermittlungskonzepts KZ-Gedenkstätte Wöbbelin erarbeitet hat. Die und einer einfachen, aber zweckmäßigen Aus- Anforderungen, die dort an sie gestellt waren, stattung von vielen Menschen besucht wird, sind denen in unserer Gedenkstätte sehr ähn- ist in Nordfriesland deutlich zu spüren. So hat lich. die Trägerin in den letzten drei Jahren rund 250.000 Euro in ihre Gedenkstätte investiert. Als hilfreich und ermutigend wird dabei auch das Engagement des Freundeskreises gesehen, der in der kurzen Zeit seines Bestehens schon viel erreicht hat. Johanna Jürgensen ist Geschäftsführerin der Stiftung Nordfriesland. ◄ Die Dauerausstellung in Ladelund besteht in ihrer Form nahezu unverändert seit 1990. In diesem Zeitraum hat sie vielen Menschen die Geschichte des Lagers, das erfahrene Leid der Häftlinge und die Taten, die unter dem Nationalsozialismus möglich waren, verständlich gemacht. Doch die Anforderungen an eine moderne Gedenkstätte haben sich mit der Zeit verändert. Der letzte Überlebende des KZ Ladelund, Jannes Priem, ist 2013 verstorben. Projektstart in Ladelund: Angelika Königseder ist Kuratorin der neuen Ausstellung Der Bezug zum Thema Nationalsozialismus Raimo Alsen konkreter dargestellt werden. Insbesondere wird vor allem für jüngere Gedenkstättenbesucher immer geringer. Es bedarf anderer Formen der Vermittlung; die Geschichte muss die sehr heterogene Zielgruppe der Schülerin- Im Januar 2014 hat die Beauftragte der Bun- nen und Schüler muss Inhalte differenziert desregierung für Kultur und Medien, Staats- angeboten bekommen. ministerin Prof. Monika Grütters, dem Antrag des Landes Schleswig-Holstein auf Projektförderung für die KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund zugestimmt. Damit stehen der Gedenkstätte Fördermittel von insgesamt 500.000 Euro – davon die Hälfte vom Bund – zur Verfügung, um die 25 Jahre alte Dauerausstellung neu zu konzipieren. Im Sommer wurde somit eine Fachkraft gesucht, die mit der Ausgestaltung des Konzeptes betraut werden sollte. Die Ansprüche an die zahlreichen Bewerberinnen und Bewerber waren hoch. Dennoch hatte der für die Dauer Die Historikerin Dr. Angelika Königseder. Foto: Ulrich Jeß des Projekts ins Leben gerufene Begleitaus- In Ladelund ist man außerdem vor weitere schuss die Qual der Wahl. Wir freuen uns, Probleme gestellt. Die Nachgeschichte des La- dass wir als Kuratorin die Berliner Historikerin gers inklusive der Geschichte der Gedenkstät- Dr. Angelika Königseder gewinnen konnten. te ist außerordentlich gut dokumentiert. Von Mit ihr steht uns eine ausgewiesene Expertin dem Bestehen des Lagers zeugen allerdings zur Seite, die neben hervorragenden histori- nur wenige Dokumente. Das ehemalige La- schen Kenntnissen und einer Vielzahl entspre- gergelände dient heute als landwirtschaftliche chender Publikationen auch über einschlägige Nutzfläche; nur ein Gedenkstein und eine Erfahrungen als Ausstellungsmacherin ver- Skulptur weisen zusammen mit einer kleinen fügt. Nicht unerheblich für die Entscheidung Infotafel auf die Geschichte hin. Der Panzer16 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E abwehrgraben, den die Häftlinge ausheben mussten, ist nach dem Krieg größtenteils zugeschüttet worden. Ein Teilabschnitt von 30 Metern wurde zur Veranschaulichung rekonstruiert. Und auch die Gräber der Häftlinge und damit der zentrale Ort der Gedenkstätte haben sich in ihrer äußerlichen Gestaltung in den vergangenen 70 Jahren stets verändert. Für Besucher, die außerhalb der Öffnungszeiten des Dokumentenhauses kommen, fehlt es überdies an Informationen an den Außenanlagen. IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 „‚... ich kann dich sehen‘. Widerstand, Freundschaft und Ermutigung“: Neue Dauerausstellung und Projektbeginn zur Bildungsarbeit in der Gedenkstätte Lutherkirche Die Gedenkstätte Lutherkirche hat eine neue Dauerausstellung: Am 8. November letzten Jahres konnte die neu erarbeitete Schau mit dem Titel „‚... ich kann dich sehen‘. Widerstand, Freundschaft und Ermutigung der vier Angelika Königseder wird in Ladelund also vor Lübecker Märtyrer“ mit einem festlichen Got- verschiedene Herausforderungen gestellt sein. tesdienst eröffnet werden. Ermöglicht hatte Zunächst geht es darum, weitere Spuren der dies das Engagement mehrerer Stiftungen Vergangenheit zu suchen und zu sichern: Ge- und Förderer, unter anderem der Bürgerstif- genstände, Fotografien, Dokumente, die von tung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten. der Geschichte des Lagers zeugen. Diese müssen in eine didaktisch-methodisch moderne Ausstellung eingebunden werden. Auch der Blick zum KZ Husum-Schwesing, zu dem es viele Parallelen gibt, wird dabei eine Rolle einnehmen. Des Weiteren müssen die Außenanlagen der Gedenkstätte sinnvoll miteinander vernetzt und mit Informationsmodulen versehen werden. In Ladelund gilt es ferner, diese Informationen in mindestens vier Sprachen zu vermitteln: Deutsch und Englisch verstehen sich von selbst, Dänisch ist auf Grund der Grenznähe Der Eingangsbereich der neuen Dauerausstellung auf der Empore der Lutherkirche. Foto: Alexander Voss unabdingbar und durch die Nachgeschichte und die hohe Anzahl von niederländischen Mit der Ausstellung erinnert die Kirche an die Häftlingen bekommt auch Niederländisch für „Lübecker Märtyrer“, die am 10. November die Ausstellung eine große Bedeutung. Neue 1943 von den Nationalsozialisten ermordet Medien können bei der Bewältigung dieser wurden: den evangelischen Pastor Karl Fried- Schwierigkeiten eine wichtige Hilfe sein. rich Stellbrink und die katholischen Priester Hohe Ansprüche, große Herausforderungen: Mit Angelika Königseder haben wir eine äußerst kompetente Kollegin in unser Team geholt und freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit. Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lange. Stellbrink wirkte an der Kirche von 1934 bis zu seiner Verhaftung im April 1942 als Pastor. Zusammen mit den drei katholischen Geistlichen hatte er zum Widerstand gegen das NS-Regime aufgerufen. Mit Raimo Alsen ist Leiter der KZ-Gedenk- und Hilfe moderner Medien können sich nun Inte- Begegnungsstätte Ladelund. ◄ ressierte auf der Empore der Lutherkirche über das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im Nationalsozialismus informieren. 17 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 inne, die auch Kuratorin der neuen Ausstellung ist. Ihr ist es bereits gelungen, ehrenamtliche Gedenkstätten-Paten zu gewinnen, die zur Sicherung regelmäßiger Öffnungszeiten und teilweise auch für Führungen geschult werden. In weiteren Schritten geht es derzeit darum, die Vernetzung vor Ort zu stärken, so etwa durch Kooperationen mit der katholischen Das Logo der Lübecker Gedenkstätte Die Gestaltung der neuen Ausstellung zielt auf alle Generationen. So gibt es verschiedene In- „Stiftung Lübecker Märtyrer“, dem Projekt „Jugend ins Museum“ der Michael-HaukohlStiftung und der Kulturstiftung Hansestadt Lübeck sowie Lübecker Schulen. formations- und Vertiefungsmöglichkeiten: von Bild-Text-Tafeln bis hin zu Schubladen, Readern und Touch-Screens, die die Vergangenheit lebendig werden lassen. In der Ausstellung kommt jedoch auch der Gegenwart ein Gewicht zu: Pastorin Constanze Oldendorf sagte zur Eröffnung, der Gemeinde sei es wichtig, „nicht nur ein historisches Fenster zu öffnen, sondern durch dieses Fenster eine Auseinandersetzung des Themenspektrums mit dem Heute zu eröffnen“. Die Ausstellung bietet so auch eine Einladung zum Diskurs über aktuelles Geschehen, zum Beispiel über Kuratorin und Projektleiterin an der Lutherkirche: Karen Meyer-Rebentisch. Foto: Manfred Rebentisch die Anschläge auf die Moschee in Mölln oder die Aktion „Unser Kreuz hat keine Haken“. Für die interessierte Öffentlichkeit bietet die Der Eröffnung gingen technische Umbauten Workshops zur Gedenkstätte an. Zudem gibt voraus, die unter anderem eine getrennte Be- es Sonderöffnungszeiten unter anderem an- heizung der Ausstellung erlauben. Zudem lob- lässlich des Internationalen Museumstages te die Kirche einen Künstlerwettbewerb zur und des Tages des Offenen Denkmals. Für Umgestaltung des ursprünglich im Stil der na- 2016 ist ein Künstlerwettbewerb zur zukünfti- tionalsozialistischen Ikonografie gestalteten gen Gestaltung der Eingangshalle mit dem Eh- Altarraums mit der Skulptur „Deutsche Familie“ aus; den Zuschlag bekam der Münchner Lutherkirche in diesem Jahr drei thematische renmal des NS-nahen Künstlers Erich Klahn geplant. Künstler Werner Mally. Nähere Information zu der Ausstellung finden Sie hier. Networking, Multiplikatorenarbeit, Öffentlichkeitsarbeit sowie die Entwicklung weiterer Ar- Der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg und die beitsmaterialien und einer attraktiven Inter- Nordkirche haben die Förderung der Gedenk- netpräsenz gehören zu den Aufgaben der Pro- stättenarbeit für die kommenden fünf Jahre jektleitung in den kommenden zwei Jahren. zugesichert. Die Bürgerstiftung Schleswig- Ein Symposion zum Umgang mit nationalisti- Holsteinische Gedenkstätten fördert das 2015 scher Kunst in Kirchen ist angedacht. begonnene Projekt des Aufbaus systematischer Bildungsarbeit. Die wissenschaftliche Eine gute Nachricht für Forschung und Bil- Projektleitung hat seit März 2015 die Lübecker dungsarbeit in diesem Zusammenhang ist es Kulturhistorikerin Dr. Karen Meyer-Rebentisch auch, dass Waltraut Kienitz, die letzte noch lebende Tochter Stellbrinks, dem Archiv der 18 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E Hansestadt Lübeck im Herbst 2014 den Nachlass ihres Vaters übergab. Auch Stellbrinks Enkelin Anke Laumayer überreichte dem Ar- IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Eine Rose für die Erinnerungskultur in Schleswig-Holstein oder: Was ist eigentlich CSR? chiv Dokumente aus der Familiengeschichte, die sie von ihrem Vater Gerhard Stellbrink Karin Penno-Burmeister übernommen hatte. Alle Unterlagen wurden von Karen Meyer-Rebentisch geordnet, er- Am 8. Mai, zum 70. Jahrestag des Endes des schlossen und archivgerecht verpackt. Mit der Zweiten Weltkrieges in Deutschland und Euro- Übergabe an das Archiv und der Erschließung pa, wird auf Schloss Gottorf eine neue Rosen- der Unterlagen ist der Nachlass des Pastors züchtung der Öffentlichkeit vorgestellt – und Karl Friedrich Stellbrink erstmals frei öffentlich auf den Namen „Friedenslicht“ getauft. Für zugänglich. Der Online-Zugang zum Findbuch den internationalen Markt ist der Name „Me- und etlichen digitalisierten Dokumenten ist morial Rose“ angemeldet. Die ehemalige Mi- über diesen Link möglich. nisterpräsidentin Heide Simonis und ich als Projektleiterin von ProGedenkstätten sind die Taufpatinnen dieser Rose. Pastor Stellbrink bei seinem Amtsantritt 1934 (im Hintergrund Erich Klahns Tatzenkreuz). Foto: Archiv der Hansestadt Lübeck Projektbeginn am 8. Mai in Schleswig: Fundraising für die Förderung von Erinnern und Lernen Foto: ProGedenkstätten Die Gedenkstätte Lutherkirche ist geöffnet mitt- Die ersten verfügbaren Rosenpflanzen werden wochs und freitags von 14 bis 18 Uhr, jeden ers- den Gedenkstätten und Erinnerungsorten ge- ten Samstag im Monat von 14 bis 18 Uhr mit schenkt, um dort gepflanzt zu werden, wo die Führung um 14.30 Uhr sowie auf Voranmeldung. Erinnerungsarbeit an den historischen Orten Kontakt: Dr. Karen Meyer Rebentisch, 0451- stattfindet. Der Rosenzüchter Tantau – Part- 49057800, [email protected], ner dieses Fundraising-Projektes – wird, so- Pastorin Constanze Oldendorf, 0451-8899767, bald der Verkauf im Herbst dieses Jahres be- [email protected]. (H.S.) ◄ ginnt, in den kommenden Jahren je ein Euro pro Pflanze für die Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein spenden. 19 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Manche Vertreterinnen und Vertreter der Ge- haben es zudem deutlich leichter als solche, denkstätten sind erfreut über die langfristig zu die aus gesellschaftlicher Sicht weniger at- erwartende finanzielle Unterstützung ihrer Ar- traktiv und glaubwürdig sind, engagierte und beit, andere sind ein wenig irritiert: Was hat qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen und eine Rose mit der Gedenkstättenarbeit zu tun, langfristig zu binden. und ist die Erinnerung an den Frieden nicht zu undifferenziert, zu unpolitisch, zu „harmonisch“? Und Wirtschaftspartner, Investoren und Kunden interessieren sich zunehmend dafür, wie eine Firma mit gesellschaftlichen und unter- Die Rose ist wie wohl mehr als jedes anderes nehmerischen Herausforderungen umgeht, Gehölz und jede Blume weltweit ein Symbol grundlegende Arbeits-, Umwelt- und Sozial- der Liebe. Zudem ist sie mit ihren Dornen und standards sicherstellt und auf gesellschaftliche ihrer Schönheit weit über unsere Kulturgren- Prozesse Einfluss nimmt. Somit wird deutlich: zen hinaus ein Sinnbild der Trauer und Erinne- Gutes tun und davon profitieren – das ist die rung, des Schmerzes und seines Überwin- Leitidee von „Corporate Social Responsibility“. dung, der Versöhnung und des Friedens, Gesellschaftliche Verantwortung ist mitunter Als Rosenliebhaberin liegt es mir nah, die traditionell in der Firmenphilosophie veran- Symbolhaftigkeit der Rose mit der Erinne- kert. Kleine und mittelständische Unterneh- rungskultur und der Arbeit, die an den Ge- men engagieren sich oft vielfältig für das Ge- denkstätten und Erinnerungsorten geleistet meinwohl, fördern einen städtischen Kinder- wird, in Verbindung zu bringen. Im Rahmen garten, sind Sponsor des örtlichen Sportver- meiner Tätigkeit für ProGedenkstätten habe eins oder spenden für soziale Projekte. Man- ich aus dieser Idee ein CSR-Projekt konzipiert. che Betriebe unterstützen schwerpunktmäßig Hierfür konnte ich Tantau, einen der größten und aus innerer Überzeugung zum Beispiel Rosenzüchter des europäischen Marktes, ge- Kulturprojekte, die Jugendarbeit oder ein winnen, um so mit Hilfe einer eigens dafür Hospiz. ausgewählten Charity-Rose die Arbeit der Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein nachhaltig zu unterstützen. Doch nicht jeder prüft, ob dieses Engagement überhaupt zu seinem Unternehmensprofil und Kerngeschäft passt. Ebenso prüft übrigens Was bedeutet „CSR“? Die Europäische Union auch nicht jeder Spendenempfänger, ob Zu- entwickelte im Jahr 2000 ein politisches Kon- wendungen und Unterstützung von Firmen mit zept zur Stärkung unternehmerischer Verant- der Kernbotschaft oder dem ethischen An- wortung, die über rein wirtschaftliche Belange spruch seines gemeinnützigen Projektes ver- hinausgeht: „Corporate Social Responsibility“, einbar sind. Wenn aber ein Projekt von einer kurz CSR. Die EU-Kommission definierte CSR Firma finanziell gefördert wird, die etwa im als ein „ein Konzept, das den Unternehmen Widerspruch dazu handelt, kann der Schaden als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis sozi- für die Glaubwürdigkeit und das öffentliche ale und Umweltbelange in ihre Unterneh- Ansehen des Projektes groß sein. Hier geht es menstätigkeit und in die Wechselbeziehungen also um eine beidseitige Klärung. mit ihren Stakeholdern (Interessengruppen) zu integrieren“. Ein unternehmerisch und sozial durchdachtes Engagement zielt auf gemeinnützige Vorha- Ein gezieltes und freiwilliges soziales Engage- ben, die thematisch zum Unternehmen passen ment kann für Unternehmen jeder Größe bei- und damit sowohl das betriebliche Image als spielsweise zu Wettbewerbsvorteilen führen. auch den gesellschaftlichen Nutzen befördern. Denn auch ein funktionierendes soziales Umfeld und eine lebendige Kulturlandschaft sind wichtige Faktoren für die Standortattraktivität. Eine bewusste Entscheidung für CSR geht davon aus, dass Firmen mit einem positiven sozialem Image 20 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN a) b) UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 sich für Wirtschaftsunternehmen ein denkstätten und Erinnerungsorte stärken sich nachhaltiges Wirtschaften rechnet, gegenseitig. Das Ziel ist, damit eine länger- ein ressourcenschonender Umgang fristige Wertschöpfung und Wirkung für die mit Mensch, Natur und Energie eben- Gesellschaft anzustoßen. Insofern soll das so wie ein überzeugendes soziales „Friedenslicht“ das Erinnern an die nationalso- Engagement langfristig für das Un- zialistische Gewaltherrschaft, den Friedensge- ternehmen und für die Gesellschaft danken und das Lernen aus der Geschichte als Gewinn auszahlt; stärken. für gemeinnützige Organisationen die Vernetzung und Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen nicht nur finanziell bedeutsam ist, sondern auch Karin Penno-Burmeister, Fundraising-Managerin FA, ist Projektleiterin von ProGedenkstätten. ◄ mittelfristige Entwicklungspotenziale, zunehmende Akzeptanz in der Öffentlichkeit und eine anhaltende Wirkung in der Gesellschaft erzeugen kann. Für eine soziale Aufgabe wie die Gedenkstättenarbeit und Erinnerungskultur passende Wirtschaftsunternehmen für ein gemeinsames CSR-Projekt zu gewinnen und damit eine Partnerschaft zwischen Non-Profit und Profit, zwischen Kultur und Wirtschaft einzugehen, setzt voraus, dass beide Partner etwas davon haben müssen. Dies ist die maßgebliche Bedingung für eine nachhaltige Zusammenarbeit. Die Wertschöpfung für die Gesellschaft wird durch das partnerschaftliche Handeln er- Soziale Kaufportale im Internet: Einkaufen für den guten Zweck – und Gedenkstätten fördern Karin Penno-Burmeister Wer Einkäufe im Einzelhandel um die Ecke erledigt, tut gut daran und stärkt die regionale Wirtschaft. Doch für viele Menschen – gerade in unserem Flächenland Schleswig-Holstein – ist es hilfreich, beispielsweise Bücher, Büroartikel, Baumaterialien und Kleidung auch über das Internet zu beziehen oder Fahrkarten, Theatertickets und Hotelzimmer online buchen zu können. zeugt. Nun kann man über solche Internet-Käufe Am Beispiel des CSR-Projektes „Friedenslicht ganz nebenbei auch noch Fundraising betrei- – Eine Rose für die Erinnerungskultur in Schleswig-Holstein“ wird dieses Prinzip deutlich: Sowohl der Rosenzüchter als auch die Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein sollen von diesem Projekt profitieren. Mindestens zehn Jahre lang soll der Verkauf der Rosenpflanzen Spenden er- ben. Online-Händler nutzen Einkaufsportale, um für Ihre Angebote neue Kunden und Interessenten zu finden. Jedes Mal, wenn man über das Portal zu einem Online-Shop gelangt und dort einkauft, sich anmeldet oder Gutscheine einlöst, bezahlt dieser Shop dem Betreiber des Portals eine Provision. bringen. Kundengewinnung und Gewinnstei- Der „Bildungsspender“ ist eines der größten gerung für das Unternehmen werden sich also sozialen Kaufportale im deutschsprachigen unmittelbar auf die Spendenhöhe auswirken. Raum. Dieses soziale Kaufportal wurde vom Käuferinnen und Käufer der Rosenpflanzen Deutschen Fundraising-Verband geprüft und werden auf die schleswig-holsteinische Erinne- in Fachkreisen empfohlen. Das Portal hat aus rungskultur aufmerksam und somit zu poten- den Provisionen der Shops seit 2009 bereits ziellen Besuchern, Fürsprechern und Förde- rund 3,28 Millionen Euro für gemeinnützige rern. Es geht also um weit mehr als nur um Zwecke akquiriert. Derzeit sind 1.666 Online- den Verkauf von Rosen: Die Werbung für die Shops über dieses Portal erreichbar, die An- Rose und die Öffentlichkeitsarbeit für die Ge- zahl der gemeinnützigen Organisationen, die 21 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 durch die Provisionen begünstigt werden, be- der Zeile „Shopsuche“ darüber eintragen, mit läuft sich zurzeit auf 5.631, Tendenz steigend. der Enter-Taste bestätigen und auf der nächs- ProGedenkstätten ist seit Februar 2015 bei dem gemeinnützigen Einkaufsportal angemeldet. Wer sich also künftig über Bildungsspender in die Online-Shops einloggt, kann jedes Mal, ohne selber auch nur einen Cent mehr für die jeweilige Bestellung oder Buchung zu bezahlen, über ProGedenkstätten die Gedenkstätten und Erinnerungsorte in SchleswigHolstein unterstützen. ten Seite auswählen. Wenn auf dem Bildschirm der gewünschte Shop gezeigt wird, befindet sich unter dem Button „Zum Shop“ die Information, in welcher Höhe die Provision dieses Shops der ausgewählten gemeinnützigen Organisation als Spende (in der Regel 90 Prozent der Provision) und dem Bildungsspender (in der Regel zehn Prozent der Provision) gutgeschrieben werden. Schließlich den Button „Zum Shop“ anklicken – und schon befindet man sich auf der vertrauten Seite des Online-Shops und kann dort alle Funktionen wie gewohnt nutzen. Nach erstmaliger Einrichtung dieses Zugangs ist jede weitere Nutzung dann mit wenigen Klicks möglich. Die Spendenhöhe beträgt je nach Einkauf und Shop oft nur wenige Cent, einige Shops vergüten aber auch recht großzügig mit hohen Prozenten oder Festbeträgen (zum Beispiel neun Euro pro Hotelbuchung). Durch konsequente Nutzung summieren sich die Beträge recht schnell. Eine vierköpfige Familie in Mit ein paar Klicks die Gedenkstätten unterstützen: ProGedenkstätten beim Bildungsspender Und so geht’s: Zunächst die Internetadresse Bildungsspender aufrufen. Dann in der Mitte oben „Hilfe für:“ anklicken. Sodann auf „Alle zeigen“ klicken, um zu sehen, welche Organisationen um Unterstützung werben, oder direkt in der Zeile „Einrichtungssuche“ ProGedenkstätten eintragen, mit der Enter-Taste Deutschland akquiriert über ein solches Einkaufsportal im Jahr durchschnittlich etwa 143 Euro für einen guten Zweck – ohne Ausgaben und Spenden aus eigener Tasche. Es dürfte sich also lohnen, wenn all jene, die mithelfen wollen, für die Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein Spenden zu gewinnen, auch diese Möglichkeit über ProGedenkstätten nutzen. bestätigen und auf der nächsten Seite aus- Zusätzlich bietet Bildungsspender an, von der wählen. Anschließend oben rechts „Registrie- Website aus direkt zu spenden. Dafür geht ren“ anklicken und kostenlose Registrierung man auf der Startseite oben im schwarzen als Mitglied ausfüllen (man kann das Portal Balken auf den roten Button „Spenden“. Es aber auch ohne Registrierung nutzen, aber die erscheint ein Formular, auf dem auch der Registrierung hat den Vorteil, dass man bei Zahlungsweg für die Direktspende ausgewählt künftigen Bestellungen die bevorzugt genutz- werden kann. ten Online-Shops und Einstellungen individuell abspeichern und künftig leichter nutzen kann). Danach oben im grauen Balken im zweiten Feld von links „Shops“ anklicken. Nun entweder aus den alphabetisch geordneten Shops den gewünschten auswählen oder in Wer mehr über den Bildungsspender erfahren möchte, kann gerne bei mir nachfragen (Tel.: 04664-983614) oder sich auf der Startseite von Bildungsspender das fünfminütige Erklärungsvideo anschauen. ◄ 22 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 BERICHTE UND INFORMATIONEN DOKUMENTATION: Ergebnisprotokoll des 3. Runden Tisches zur Zukunft der Gedenkstättenlandschaft und Erinnerungsarbeit in Schleswig-Holstein am 28. Januar 2015* Dr. Schmid. Die Transformation der BGSH habe sich als rechtlich schwierig erwiesen, das inhaltliche Ziel einer Weiterentwicklung werde aber weiterverfolgt. Ergebnisse der Diskussion Das Konzept wurde als gut lesbar gelobt, der allgemein gehaltene Charak- Begrüßung ter wurde eher positiv als negativ be- Frau Löffert-Pokatis begrüßte die Teilnehmen- wertet. Eine gewisse Unschärfe kann den und entschuldigte Frau Ministerin Spoo- auch Handlungsspielräume für spätere rendonk, deren Anwesenheit kurzfristig im In- Jahre eröffnen. Eine noch stärkere Pri- nen- und Rechtsausschuss des Schleswig- oritätensetzung ist wünschenswert, Holsteinischen Landtages erforderlich wurde. dies kann aber auch später noch in Frau Löffert-Pokatis drückte ihr Bedauern über jährlich zu verhandelnden Zielverein- das Fernbleiben von Herrn Prof. Fouquet aus. barungen ergänzt werden. Das Kon- Er hatte über den E-Mail-Einladungsverteiler zept ist zunächst das Basisbekenntnis seine Abwesenheit begründet. In diesem Zu- der Landesregierung und soll nicht als sammenhang wird dem Protokoll ein Schrei- Endpunkt der Entwicklung, sondern als ben von Frau Ministerin Spoorendonk beige- Etappenziel gewertet werden. Über die fügt [siehe Anlage]. Legislaturperiode hinaus soll an der Thematik weitergearbeitet werden. Der Vorwurf der Sinnlosigkeit solcher Papiere und die Forderung nach alternativen Maßnahmen wie etwa Resolutionen und Mahnwachen vor dem Landtag blieben eine Einzelmeinung. Grundlage des Konzepts ist die von Herrn Dr. Schmid bereits erfolgte Bestandsaufnahme der Gedenkstätten und Erinnerungsorte. Seine Vorgehensweise war wissenschaftlich fundiert, das hier nun vorgelegte Papier Knapp 40 Personen folgten der Einladung zum Runden Tisch. Fotos: Jens Rönnau Frau Löffert-Pokatis skizzierte, dass das Konzept ins Kabinett und in den Landtag eingebracht werden soll und erläuterte kurz die Änderungen im Vergleich zum Entwurf von Herrn * Protokoll: Dr. Brigit Janzen, Ministerium für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein. stellt die Sicht der Landesregierung dar. In dem Konzept werden – neben den positiven Veränderungen der letzten Jahre – nun größere Entwicklungslinien für die Zukunft aufgezeigt. Geplant ist nicht die Verlängerung des Status quo, sondern sind strukturelle Verbesserungen: Wie soll die Gedenkstättenlandschaft zukünftig aussehen, 23 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN welcher Teil soll UND E R IN NERU NGSO RT E parenten Kriterien für die Förderwür- „hinlänglich bekannt“ und „ausrei- digkeit von Projekten sowie die Über- chend“. prüfung der Einhaltung dieser Vorga- Angeregt wurden konkret eine noch ben wird auch aus dem Selbstver- präzisere Darstellung der Aufgaben ständnis der BGSH heraus für drin- von BGSH und LAGSH, eine stärkere gend erforderlich gehalten. Profilierung durch didaktische Konzepte und die Einbeziehung der Entwicklung in der Landeshauptstadt Kiel sowie eine Aktualisierung im Anhang von Tabelle und Karte. Es wurde klargestellt, dass die LAGSH als ehrenamtliche Interessenvertretung fungiere, die Weiterleitung und Vergabe von Landesmitteln ist von dort nicht zu leisten. Eine weitere Erhöhung des seit 2012 deutlichen angewachsenen Haushalts- Zusammenfassung und weiteres Vorgehen ansatzes konnte nicht in Aussicht ge- Frau Ministerin Spoorendonk erläuterte nach stellt werden, allerdings ist es kurzfris- ihrem verspäteten Erscheinen ihre Sicht: Das tig noch gelungen, für 2015 investive Konzept ist ein deutliches Signal, wo wir ste- Mittel für Husum-Schwesing und Kal- hen, und Ausdruck für einen Prozess. Sie tenkirchen in den Landeshaushalt ein- dankte allen, die sich beteiligt haben. Eine zubringen. Professionalisierung vor Ort kann nur von al- Die Neulandhalle findet – auch auf len gemeinsam gestaltet werden. Um das Grundlage des Votums der Arbeits- Thema öffentlich zu positionieren, ist eine Ka- gruppe – beispielhaft Erwähnung in binettsbefassung und daran anschließend die dem Auseinandersetzung im Landtag vorgesehen. Bemühen, weitere Realisie- rungsmöglichkeiten zu finden. Die im Konzept genannte Formulierung von Förderrichtlinien und trans- diskutiert, von „nicht vorliegend“ bis 7/2015 Bundesförderung). werden, wo soll der Fokus liegen? Das diesem Zusammenhang kontrovers S C HL E SW I G -H O LSTE I N gruppe, Mittelaufstockung, erstmalige professionalisiert Thema Bedarfsermittlung wurde in IN Begrüßt wurden die Einrichtung einer Servicestelle und die damit verbundene Stärkung der Ehrenamtlichkeit. Auch hinsichtlich der Evaluierung sol- Sie wünscht sich, dass die Konzeption innerhalb dieser und über die Legislaturperiode hinaus kontinuierlich weiterentwickelt wird – im gemeinsamen Bestreben von Landesregierung und der Gedenkstättenszene. len die Erfordernisse dieser Zielgruppe berücksichtigt werden. Positiv wurde vom Plenum bewertet, dass – soweit dies heute möglich sei – bereits konkrete Ziele für die Zukunft genannt seien Hieraus ergibt sich die Chance, an bestimmten Punkten einzuhaken. Allgemein wurde das Engagement von Ministerin Spoorendonk als Fürsprecherin für die Belange der Gedenkstätten gewürdigt und gelobt. Insbesondere in den letzten 2-3 Jahren habe sich Die Leitung des Runden Tisches (v.l.n.r.): Ministerin Anke Spoorendonk, Friederike Löffert-Pokatis und Dr. Brigit Janzen viel bewegt (Runder Tisch, Arbeits24 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E Frau Löffert-Pokatis fasste die wesentlichen Stichworte aus der Diskussion zusammen, die jetzt noch in das Konzept mit eingearbeitet werden sollen: Transparenz von Strukturen Nachhaltigkeit Didaktik/Themen/Zielgruppen Bürgerschaftliches Engagement und Hauptamtlichkeit Nennung der Projekte in Kiel. Anlage: Protokollnotiz von Ministerin Anke Spoorendonk Die in der an alle Mitglieder des Runden Tischs gesendeten Mail vom 27. Januar 2015 von Herrn Dr. Klaus Bästlein erhobenen Anschuldigungen gegenüber der Bürgerstiftung Schles- IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 DOKUMENTATION: Weiterentwicklung und Realisierung des Konzepts für die Neulandhalle. Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Dudda (Piratenfraktion) und Antwort der Landesregierung – Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Vorbemerkung: Im vergangenen Jahr diskutierte der Landtag auf Grundlage der Drucksache 18/1649 über das Konzept zum Erhalt der Neulandhalle. 1. Gibt es seit der Debatte im letzten Jahr konkrete Schritte der Überarbeitung und/oder Weiterentwicklung des Konzepts zur Neulandhalle? Wenn ja, wie sehen diese konkret aus? wig-Holsteinische Gedenkstätten (BGSH) weise Antwort: Seit der Debatte im letzten Jahr ich als Stiftungsratsvorsitzende auf das Ent- wurde das Gespräch mit den Autorinnen und schiedenste zurück. Der Diskussion des Lan- Autoren der Machbarkeitsstudie sowie mit desgedenkstättenkonzepts und der Gedenk- dem kirchlichen Träger der Neulandhalle auf stättenpolitik der Landesregierung stelle ich Fach- und Arbeits- wie auch auf Leitungs- mich als zuständige Ministerin jederzeit gerne. ebene des MJKE intensiv fortgeführt. Das Die BGSH und die namentlich genannten Per- Konzept wurde daraufhin weiter überarbeitet sonen jedoch in dieser Art und Weise und mit und die Anregung der BKM aufgenommen, die einem Vokabular zu verunglimpfen, das die Neulandhalle stärker als Bildungsstätte auszu- Gedenkstätten- und Erinnerungsarbeit der richten. letzten Jahre für entlarvt und überwunden 2. Welche detaillierten Finanzierungsmoda- glaubt, verbietet sich von selbst. Die Landes- litäten sehen die neuen Eckwerte dieses Kon- regierung bekennt sich zu der von ihr 2002 zepts vor? Inwieweit unterscheiden sich diese mitinitiierten Bürgerstiftung und spricht den konkret von den Modalitäten des bei der Bun- ehrenamtlich wirkenden Mitgliedern in allen desregierung, Bundesbeauftragte für Kultur Gremien ausdrücklich ihr Vertrauen aus. ◄ und Medien, mit der Bitte um Bun- desförderung eingereichten Konzepts? Wer sollte demnach mit welchen Beträgen die Realisierung der Pläne finanzieren und wer soll dies heute tun? Antwort: Das überarbeitete Konzept des historischen Lernortes Neulandhalle basiert auf dem im Antrag an die BKM vorgesehenen Kostenrahmen. Wesentliche Einsparungen konnten nicht erreicht werden. Geprüft wurde, ob die Realisierung über einen längeren Zeitraum als bisher vorgesehen gestreckt und ob die, durch die Ablehnung des Antrags durch die 25 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E S C HL E SW I G -H O LSTE I N IN 7/2015 BKM entstandene, Finanzierungslücke durch der Regierung zur Realisierung des Konzepts die Akquirierung von EU- und Stiftungsgeldern konkret aus? ausgeglichen werden könnte. Es hat sich gezeigt, dass eine Realisierung ohne den Einsatz von Landesmitteln derzeit nicht möglich ist. Die Bereitstellung von Landesmitteln ist nach derzeitigen Planungen frühestens für das Haushaltsjahr 2018 möglich. Da eine Realisierung erst ab 2018 erneut zu prüfen ist, wird auch über die weitere Finanzierung erst zu gegebener Zeit weiter zu spre- 6. Wurde das Konzept inhaltlich verändert? Wenn ja, wurden die Anmerkungen der Bundesbeauftragten aufgenommen und haben diese zu Veränderungen am Konzept geführt? Wenn ja, in welcher Weise? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu den Fragen 4-6: siehe Antwort auf die Fragen 1 und 2. chen sein. Entsprechend liegt derzeit kein Quelle: konkret umzusetzendes Konzept mit ausgear- Drucksache 18/2748, 9. März 2015. ◄ Schleswig-Holsteinischer Landtag, beiteten Finanzierungsmodalitäten und einem entsprechenden Zeitplan vor. 3. Wurden die Leistungen der Kirche bei der Finanzierung verändert? Bleibt die Sondervereinbarung mit der Nordkirche (EZ 09, Kapitel 0940, Titel 28209) von den Veränderungen und die zur Verfügung gestellte Fördersumme unberührt? Wenn ja, in welcher Weise kommt es hier konkret zu Veränderungen? DOKUMENTATION: Vereinbarung über die Finanzierungsbeteiligung an der Gedenkstättenarbeit sowie der Förderung der Kultur und des kulturellen Erbes in SchleswigHolstein Antwort: Die am 1. Dezember 2014 geschlossene Vereinbarung mit der Nordkirche bleibt Zwischen dem Ministerium für Justiz, Kultur davon im Grundsatz unberührt. Vertragsge- und Europa des Landes Schleswig-Holstein, genstand sind die „Arbeit der Gedenkstätten vertreten durch die Ministerin Anke Spooren- (und hier insbesondere den Aufbau der Neu- donk (im Folgenden: MJKE), und der Evange- landhalle als Gedenk- und Lernort) und die lisch-Lutherischen Kirche Norddeutschlands, Förderung der Kultur und des kulturellen Er- vertreten durch den Vorsitzenden der Kirchen- bes“. Die Neulandhalle wird Thema in der leitung Bischof Gerhard Ulrich (im Folgenden 2015 einzusetzenden gemeinsamen Projekt- Nordkirche), wird folgende Vereinbarung ge- gruppe (Kirche/MJKE) werden, die über die schlossen: Verwendung der Mittel berät. Sollte dieses Projekt nicht zustande kommen, wird die Kirche laut Protokollnotiz ihre vertraglich vereinbarte Sonderzahlung an das MJKE um den für die Neulandhalle vorgesehenen Betrag kürzen, „es sei denn, die Nordkirche stellt diesen Betrag dem Land für andere Aufgaben zur Verfügung“. Präambel Das Land strebt die Schaffung und den Erhalt einer reichen, vielfältigen und qualitativ hochwertigen Kulturlandschaft an. Einer der Schwerpunkte des Landes ist die Arbeit der Gedenkstätten, insbesondere der Aufbau der Neulandhalle in Dieksanderkoog als Gedenk- 4. Auf Grundlage welcher konkreten Verhand- und Lernort. Dem Land ist seine besondere lungen wurde das neue Finanzierungsmodell Verantwortung für die Umsetzung von Lehren erarbeitet? aus der Vergangenheit bewusst. Ohne Kennt- 5. Wann standen die neuen Finanzierungsmodalitäten fest und wie sieht der Zeitplan nis der Geschichte können alte Fehler nicht vermieden und neue Wege nicht gegangen werden. 26 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Ein weiterer Schwerpunkt ist der Erhalt kultu- MJKE verpflichtet sich, der Nordkirche jährlich rellen Erbes und die Gestaltung einer kulturel- sechs Monate vor Zahlungszeitpunkt mitzutei- len Vielfalt in Schleswig-Holstein. Gleichzeitig len, welcher Teilbetrag erforderlich ist. Die muss das Land bis zum Jahr 2020 einen aus- Höhe der jährlichen Tranche der Leistungen geglichenen Haushalt vorlegen. Es muss si- nach § 2 bestimmt sich nach den Vorgaben cherstellen, dass die strukturellen Probleme zur Aufstellung des Landeshaushalts. des Landeshaushalts spätestens zu diesem Zeitpunkt gelöst sind. Durch diese verfas- § 4 – Arbeitsgruppe sungsrechtlichen Vorgaben sieht sich das Land MJKE und Nordkirche richten eine Arbeits- aktuell nicht in der Lage, sich bei den beiden gruppe ein, die über die Verwendung dieser oben genannten Schwerpunkten in dem Aus- Mittel nach § 2 berät, gegebenenfalls verän- maß zu engagieren, wie es grundsätzlich an- derte Prioritäten vorschlägt und einmal jähr- gebracht wäre. lich einen Bericht für die Kirchenleitung und Die Nordkirche begrüßt das Engagement des das Ministerium verfasst. In der Arbeitsgruppe Landes. Die Nordkirche ist aufgrund der Be- sind das MJKE und die Nordkirche zu gleichen deutung der Gedenkstättenarbeit und anderer Anteilen vertreten. Bei Bedarf kann die Ar- oben genannter Handlungsfelder bereit, diese beitsgruppe weitere beratende Mitglieder hin- Arbeitsbereiche für fünf Jahre zu unterstützen. zuziehen. § 1 – Vertragsgegenstand § 5 – Ansprüche Dritter Die Nordkirche unterstützt die Arbeit der Ge- Die Vertragsparteien sind sich einig, dass die- denkstätten (und hier insbesondere den Auf- ser Vertrag keine Ansprüche Dritter begrün- bau der Neulandhalle als Gedenk- und Lern- den soll. ort) und die Förderung der Kultur und des kulturellen Erbes für die nächsten fünf Jahre. § 2 – Leistungspflichten § 6 – Inkrafttreten, Außerkrafttreten Diese Vereinbarung tritt am 1. Januar 2015 in Kraft und endet am 31. Dezember 2021. Die Nordkirche verpflichtet sich, die Arbeitsfelder nach § 1 über einen Zeitraum von bis Protokollnotiz zur Sondervereinbarung mit zu sechs Jahren mit einer Gesamtsumme von der Nordkirche 2,5 Millionen Euro bedarfsgerecht zu unter- Die Beteiligten sind sich einig darüber, dass stützen. Die Abwicklung erfolgt über den Kul- die Neukonzeptionierung der Neulandhalle als turhaushalt des MJKE. Die Parteien sind sich historischer Lernort mit einem Teilbetrag in einig, dass dieser Betrag insbesondere der Si- Höhe von 1 Million Euro aus den Sonderver- cherstellung der allgemeinen Gedenkstätten- tragsmitteln realisiert werden soll. Kommt das arbeit in Höhe von 500.000 Euro, für das Pro- Projekt Neulandhalle nicht zustande, wird die jekt der Neulandhalle in Höhe von 1.000.000 Kirche ihre vertraglich vereinbarte Sonderzah- Euro und der Förderung der Kultur und des lung an das MJKE um diesen Betrag kürzen, kulturellen Erbes zugutekommen soll. Das es sei denn, die Nordkirche stellt diesen Be- Land strebt an, sich an den vorstehend ge- trag dem Land für andere Aufgaben zur Ver- nannten Arbeitsbereichen weiterhin finanziell fügung. zu beteiligen und nicht als Ausstiegsszenario zu betrachten. Quelle: Schleswig-Holsteinischer Landtag, Umdruck 18/3444 § 3 – Zahlungsmodalitäten Der Mittelabfluss wird jährlich zwischen dem Das MJKE und die Nordkirche haben den Vertrag am 1. Dezember 2014 unterzeichnet. ◄ MJKE und der Nordkirche abgestimmt. Das 27 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E Aktuelles aus der Landesarbeitsgemeinschaft IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Alle bisherigen Mitglieder des Sprecherrats wurden wiedergewählt, zum Teil in anderen Funktionen: 1. Vorsitzende ist Uta Körby Uta Körby (Wiederwahl), stellvertretender Vorsitzender Dr. Harald Schmid (bisher Beisitzer), Schrift- Die Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten führer Benno Stahn (Wiederwahl), Kassenwart und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein Dr. Christian Walda (bisher Beisitzer). Zum (LAGSH) vertritt mitllerweile 13 Gedenkstät- erweiterten Vorstand gehören außerdem Karin ten Penno-Burmeister und Erinnerungsorte in Schleswig- (bisher stellvertretende Holstein. Als neues Mitglied im vergangenen Vorsitzende), Dr. Jens Rönnau (bisher Kas- Halbjahr wurde die Erzbischöfliche Stiftung senwart). Neu hinzugewählt wurde Bernd „Lübecker Märtyrer“ aufgenommen. Facklam vom Freundeskreis KZ-Gedenkstätte Husum-Schwesing. Viele Mitglieder der LAGSH haben am 3. „Runden Tisch“ teilgenommen, zu dem Kulturministerin Anke Spoorendonk am 28. Januar 2015 nach Kiel eingeladen hatte. Dabei wurde das Landesgedenkstättenkonzept des Ministeriums vorgestellt und diskutiert. Es soll als Entwurf des Ministeriums im Mai dem Landtag vorgelegt werden. Diverse Entwürfe Mitgliederversammlung im Nordkolleg. Foto: Harald Schmid des jetzt vorgelegten Konzepts sind in einer Arbeitsgruppe des Ministeriums, die von dem Am 28. März fand die diesjährige Mitglieder- Staatssekretär Dr. Eberhard Schmidt-Elsaeßer versammlung der LAGSH im Nordkolleg in oder der Ministerin persönlich geleitet wurden, Rendsburg statt. Im Vordergrund des Treffens vorbereitet und eingehend beraten worden. standen Änderungen der Vereinssatzung und Die LAGSH war in dieser Arbeitsgruppe vertre- turnusmäßige Wahlen zum Sprecherrat. Auf- ten und brachte als Interessenvertretung der grund der Erfahrungen der letzten zwei Jahre Gedenkstätten und Erinnerungsorte ihre Posi- hatte das Gremium einen Antrag auf Sat- tion in die Diskussion ein. zungsänderung eingebracht, der die Rechte der persönlichen Mitglieder stärkt. Nach Zustimmung der Mitglieder ist jetzt die Möglichkeit gegeben, auch persönliche Mitglieder in den Vorstand zu wählen, in dem sie volles Stimmrecht haben. Die Funktion der Beisitzer entfällt dadurch. Beim Runden Tisch wurde deutlich, dass nach wie vor Gesprächsbedarf besteht. Vor allem die Frage der Nachhaltigkeit der Gedenkstättenförderung steht im Mittelpunkt der weiteren Entwicklung. Wie bereits mehrfach an dieser Stelle berichtet, hat die derzeitige Landesregierung erfreulicherweise die Mittel für die Förderung der Erinnerungskultur in SchleswigHolstein deutlich angehoben. Allerdings gibt es keine Garantie für eine dauerhafte Förderung in diesem Umfang über 2018 hinaus. Die LAGSH nimmt die Sitzung des Landtages im Mai zum Anlass, um die Forderung der Mitglieder nach einer nachhaltigen und erhöhten Der neue Vorstand der LAGSH (v.l.n.r.): Jens Rönnau, Harald Schmid, Benno Stahn, Uta Körby, Karin Penno-Burmeister, Christian Walda, Bernd Facklam. Foto: Raimo Alsen Förderung in die Öffentlichkeit zu tragen. Wie bereits bei den vorherigen Runden Tischen gab es auch diesmal wieder kritische 28 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Äußerungen von Teilnehmern, die sich auf das Pasternak geleitet wird, sind neben der LAGSH Projekt Neulandhalle bezogen, das nach wie unter anderem auch die BGSH, der AKENS, vor in dem Gedenkstättenkonzept des Ministe- die Heinrich-Böll-Stiftung sowie der Träger- riums vorgesehen ist. An dem eklatanten Un- verein des Lernorts Flandernbunker vertreten. terschied der vorgesehenen Mittel für einen Ein weiterer Begleitausschuss in Kiel, geleitet Ausbau der Neulandhalle zu einem Lernort mit vom Staatssekretär Rolf Fischer, tagt schon hauptamtlichen Kräften im Gegensatz zur ge- länger, ringen Fördersumme für die bestehenden, äu- trosenaufstands von 1918 für die demokrati- ßerst aktiven Einrichtungen entzünden sich sche Entwicklung in Deutschland ins öffentli- immer wieder Diskussionen. So nötig es wäre, che Bewusstsein zu rücken und mit einer in der Region Dithmarschen eine kritische Hundertjahrfeier im Jahr 2018 zu würdigen. um die Bedeutung des Ma- Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Erbe anzustoßen und eine nachhaltige Aufklärungsarbeit zu entwickeln, so wenig ist bis jetzt dort vor Ort geschehen. Seit dem Runden Tisch Ende Januar hat sich die Sachlage allerdings verändert. Ministerin Spoorendonk unterrichtete den Landtag im März in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Piraten-Fraktion und anschließend alle Gremien davon, dass das Projekt eines Lernortes Neulandhalle vorläufig nicht finanzierbar sei. In der Antwort der Landesregierung heißt es: „Es hat sich gezeigt, dass eine Realisierung ohne den Einsatz von Landesmitteln derzeit nicht möglich ist. Die Bereitstellung von Landesmitteln ist nach derzeitigen Planungen frühestens für das Haushaltsjahr 2018 möglich.“ Deshalb liege momentan „kein konkret umzusetzendes Konzept mit ausgearbeiteten Finanzierungsmodalitäten und einem entsprechenden Zeitplan vor“. Offensichtlich ist die Treffen der beiden Kieler Begleitausschüsse im Anscharpark in der Wik zur Besichtigung des früheren Marinegefängnisses. Unten: Blick in einen Zellentrakt. Fotos: Harald Schmid Chance der Zustimmung für den Ausbau der im Besitz des evangelisch-lutherischen Kir- Beide Ausschüsse haben sich Anfang März in chenkreises Dithmarschen befindlichen Neu- Kiel-Wik getroffen, um das leerstehende ehe- landhalle zu einem Museum zu gering. malige Matrosengefängnis zu besichtigen. Dr. Die LAGSH ist nicht nur Kooperationspartnerin für das Ministerium, sondern ist auch in verschiedene andere Gremien auf Landesebene eingeladen worden. Beispielsweise in Kiel: Die Landeshauptstadt hat auf Anregung von Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer einen Begleitausschuss ins Leben gerufen, der Vorschläge für eine deutlichere Förderung und Präsenz der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit in der Stadt Kiel entwickeln soll. In diesem Ausschuss, der von dem Kulturreferenten Rainer Jens Rönnau vom Mahnmal Kilian/Flandernbunker erläuterte die Geschichte dieses Gebäudes. Die zukünftige Nutzung dieses großen Komplexes, der zurzeit von der Bundesagentur für Immobilien verwaltet wird, ist noch ungeklärt. Die Hoffnung richtet sich darauf, zumindest in einem Teil dieses Gebäudes ein zukünftiges zeitgeschichtliches Museum der Stadt Kiel unterbringen zu können, das den Bogen von der Novemberrevolution 1918 über den Nationalsozialismus bis hin zur Nachkriegszeit spannt. Die LAGSH unterstützt die29 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 ses Vorhaben, mit dem in der Landeshaupt- fessionalisieren. Diese Fortbildung führt die stadt Kiel eine auffällige Leerstelle in der Aus- Hamburger Agentur Mission Based Consulting einandersetzung mit dem Nationalsozialismus (MBC) durch, die über viel Erfahrung in der geschlossen werden könnte. Beratung von Non-Profit-Organisationen ver- Auch in Ladelund ist die LAGSH im dortigen Begleitausschuss vertreten. In der KZ- Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund haben die Arbeiten zur Umsetzung des Moderni- fügt. Bislang haben wir zwei Modulveranstaltungen im Nordkolleg in Rendsburg absolviert, weitere finden im Juni in Ladelund und im September statt. sierungsprojektes begonnen, das durch die Die LAGSH hat wegen der Vielzahl von Ge- Bundesförderung möglich geworden ist. Die denkveranstaltungen aus Anlass des 70. Jah- Berliner Historikerin Dr. Angelika Königseder restages des Endes des Zweiten Weltkrieges hat den Auftrag erhalten, die neue Daueraus- in Europa in diesem Jahr von einer eigenen stellung zu kuratieren, die im Fokus des Pro- großen Veranstaltung abgesehen. Von dem jekts steht. Sie hatte zuvor die neue Ausstel- Fundraising-Projekt ProGedenkstätten, das lung in den Mahn- und Gedenkstätten Wöbbe- Karin Penno-Burmeister leitet, ist die LAGSH lin erarbeitet, die im Februar von den Mitglie- zur Teilnahme an einer Veranstaltung am 8. dern des Begleitausschusses besichtigt wurde. Mai in Schleswig eingeladen worden. Vor der Für die LAGSH können sich daraus Anregun- Kulisse von Schloss Gottorf wird die von dem gen oder Vorbilder für neu zu konzipierende Unternehmen Rosen-Tantau, Uetersen, ge- oder zu überarbeitende Ausstellungen an an- züchtete Charity-Rose „Friedenslicht – eine deren Gedenkstätten und Einrichtungen in un- Rose für die Erinnerungskultur in Schleswig- serem Land ergeben. Holstein“ getauft. Ministerpräsidentin a.D. Heide Simonis hat die Patenschaft für diese Rosentaufe übernommen. Von dem Verkaufserlös jeder Rose soll ein Euro an die Bürgerstiftung gehen und damit die Erinnerungskultur in Schleswig-Holstein unterstützt werden. Die öffentliche Veranstaltung anlässlich der Rosentaufe bietet den Gedenkstätten, Erinnerungsorten und Initiativen eine gute Gelegenheit, sich mit landesweiter Wahrnehmung zu präsentieren und auch mit potenziellen Spendern und Förderern in Kontakt zu kommen. Ein Banner der LAGSH verdeutlicht die unterschiedlichen Gedenkorte, die in der LAGSH vertreten sind. Die einzelnen Orte können sich mit Ständen und Informationsmaterial darunter gruppieren. Schließlich ist noch von zwei Tagungsplanungen zu berichten. Zum einen: Die nächste Fortbildung in Rendsburg mit Dr. Katrin Jutzi und Kai Kulschewski (unten). Fotos: Harald Schmid Schwerpunkt der Arbeit der LAGSH ist in diesem Jahr die Organisation einer langfristigen Qualifizierungsmaßnahme, die dazu beitragen soll, die Leitung und den Betrieb von Gedenkstätten und Erinnerungsorten weiter zu pro- Landesgedenkstättentagung findet im Mai 2016 statt. Die LAGSH ist in dem Vorbereitungsteam vertreten, das Themen, Referenten und den Ablauf der Tagung plant. Zum anderen wird voraussichtlich im Dezember 2015 erstmals die Bundesgedenkstättenkonferenz in Schleswig-Holstein stattfinden die die 30 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 LAGSH in Kooperation mit der Topographie musste geräumt werden, um es zur Schulung des Terrors, Berlin, und anderen Partnern in von SA-Leuten zu nutzen. Wollenberg (78), Kiel ausrichten wird. Zu der Bundesgedenk- ein gebürtiger Ahrensböker, zeigt an zwei Bei- stättenkonferenz lädt die Stiftung Topographie spielen, wie jüdische Hausbesitzer in der des Terrors einen Kreis aus Vertretern der norddeutschen Provinz enteignet und verfolgt großen Gedenkstätten, der Landesarbeitsge- wurden – obwohl nur wenige Juden in der meinschaften der Bundesländer und der Lan- Gemeinde lebten. deszentralen für politische Bildung ein. Wir freuen uns sehr, unsere Kolleginnen und Kollegen in diesem Kontext über die Lage und Perspektiven der Gedenkstätten in SchleswigHolstein zu informieren. Uta Körby ist Vorsitzende des Sprecherrats der LAGSH und Beisitzerin im Vorstand der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen. ◄ Die Eröffnung der Ausstellungen fand am 7. Dezember letzten Jahres statt. Genau auf den Tag waren es 81 Jahre her, dass das frühe Konzentrationslager im Ahrensböker Ortsteil Holstendorf geschlossen und die Realschule hierher zwangsumgesiedelt worden war. Aus Häftlingsschlafräumen waren über Nacht Klassenzimmer geworden. „Unsere Schule war ein KZ“, lautet der Name der Dokumentensammlung, die Wollenberg über die wechselvolle Judenkartei und Schule der Diktatur. Neue Ausstellungen in der Gedenkstätte Ahrensbök über den NS-Alltag Geschichte des Gebäudes, in dem am 8. Mai Monika M. Metzner-Zinßmeister der Diktatur“, heißen einzelne Tafeln, auf de- 2001 die Gedenkstätte Ahrensbök eingerichtet wurde, zusammentrug. „Schule als KZ – KZ als Schule“ oder „Schule nen wir über das Bildungswesen in Ahrensbök Nicht nur Anfang und Ende der nationalsozia- zwischen 1933 und 1945 informieren. Die Ta- listischen Diktatur lassen sich in Ahrensbök an feln stehen in einem Raum, der mit Stehpult lokalen Beispielen thematisieren. Auch der All- und alten Schulbänken an ein Klassenzimmer tag unterm Hakenkreuz kann an regionalen aus der Zeit der 1930er-Jahre erinnert, in Ereignissen – beispielsweise dem Bildungswe- dem alte Schulbücher und Schuldokumente in sen vor Ort oder der Verfolgung jüdischer Glasvitrinen zu sehen sind. Bürger – beschrieben werden. Schulpolitik und Judenverfolgung in Ahrensbök und Ostholstein stehen im Mittelpunkt neuer Dauerausstellungen, die nun in der Gedenkstätte Ahrensbök gezeigt werden. Diese Ausstellungen sind das Ergebnis vieljähriger Forschungsarbeit. Der Historiker und Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Jörg Wollenberg, der bereits für die Dauerausstellung über das frühe KZ in der Gedenkstätte verantwortlich zeichnet, dokumentiert erneut, wie der nationalsozialistische Rassenwahn in einer kleinen Gemeinde wie Ahrensbök funkti- Schule im KZ 1933: Direktorenvilla einer ehemaligen Fabrik in Ahrensbök-Holstendorf. Fotos: Archiv Gedenkstätte Ahrensbök onierte: Im Direktorenhaus einer ehemaligen Zuckerfabrik, in dem 1933 ein frühes Kon- Der erzwungene Umzug der Realschüler in das zentrationslager eingerichtet war, wird nach Gebäude des gerade geräumten frühen Kon- Schließung des KZ eine Realschule einquar- zentrationslagers wird ebenso dokumentiert tiert; wie die missbräuchliche Nutzung der Schule das 1928 errichtete Schulgebäude 31 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 als Kaderschmiede der Nationalsozialisten. Die Auch die Verfolgung jüdischer Bürger spiegel- damalige Lehrerschaft der Gemeinde, Päda- te sich im nationalsozialistischen Ahrensböker gogen aus Volks- und Realschule, ließ sich Alltag. Obgleich nur wenige Menschen jüdi- ohne Widerspruch für die Ziele der Nazis ein- schen Glaubens oder jüdischer Herkunft in setzen. Ostholstein lebten, gab es auch in dieser Kommune am Rande der holsteinischen Schweiz eine Judenkartei. Am Beispiel von zwei Ahrensböker Familien dokumentiert die Ausstellung, dass es auch in der Provinz erklärte Politik der Nationalsozialisten war, jüdisches Eigentum zu rauben. Im Fall der Tierarzt-Familie Beckhard erreichten die Nationalsozialisten ihr Ziel. Unter dem Druck der Verhältnisse – den Nürnberger Gesetzen von 1935 und der Arisierungsverordnung von 1938 – mussten die Beckhards Haus 1933 wird die Realschule Ahrensbök zur NS-Kaderschmiede und Grundstück am Pferdemarkt an die „Globus Gummi- und Asbestwerke GmbH in Ahrensbök“. verkaufen. Die Familie wanderte 1938 in die USA aus; Tochter Erna blieb in Deutschland und kam im Getto von Theresienstadt um. Versuche der Erben, nach 1945 für den Verlust entschädigt zu werden, waren vergebens. Zwar steht das Haus der Beckards unverändert am Pferdemarkt. Doch nichts erinnert an dieser Stelle an die jüdische Familie, die bis zum Tode des Tierarztes 1935 in der Gemeinde geachtet war. Der Landwirt Wilhelm Schulz und seine jüdi- Angehörige der Lehrerinnenbildungsanstalt Ahrensbök: Eva-Maria Friedrichsen Exemplarisch wird ein weiteres Kapitel des NS-Bildungswesens am Beispiel von Ahrensbök beschrieben. In der Gemeinde gab es – wie auch an anderen Orten – eine Lehrerbildungsanstalt (LBA), in der ausgewählte junge Frauen (andernorts junge Männer) – jedoch keine Jüdinnen, keine Töchter politischer Gegner – im nationalsozialistischen Sinn unterrichtet wurden. Während der Eröffnungsveranstaltung schilderte die Zeitzeugin Evamaria Friedrichsen (87), eine pensionierte Sozialarbeiterin aus Bremen, dass sie zwischen 1943 und 1945 als Absolventin der LBA in Ahrens- sche Frau Edith, die im Ahrensböker Ortsteil Dunkelsdorf lebten, konnten hingegen die Enteignungsversuche abwehren. Der in Peru geborene Schulz hatte Erfolg, als er mit Hilfe der peruanischen Gesandtschaft beim Reichsaußenministerium Protest gegen die Arisierungsversuche einlegte. Am 4. Juni 1940 wies der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft den Oberpräsidenten in Kiel an, der „jüdischen Ehefrau“ zu gestatten, das von ihrer Mutter ererbte Gut Dunkelsdorf an ihren „arischen Ehemann“ zu übertragen. Begründung: Das Ehepaar Schulz habe keine Absicht auszuwandern. Gut Dunkelsdorf wurde 1953 verkauft. bök eine überzeugte Nationalsozialistin war: „Ich war braun – bis auf die Knochen und bis zum bitteren Ende“. 32 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E - IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Seit Januar zeigen wir eine Ausstellung in Kooperation mit der Nordkirche: Thema sind Feldpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg mit religiösen Motiven. - Eine noch bis zum 26. April gezeigte Ausstellung befasst sich mit dem Thema Flucht und Vertreibung von 1945 bis heute. Die Schau, die bewusst Vergangenheit und Gegenwart zu diesem Das Haus der Ahrensböker Tierarzt-Familie Beckhard: unter Zwang verkauft Die beiden neuen Ausstellungen ergänzen die große Präsentation von Vorgeschichte und Existenz eines frühen Konzentrationslagers in Ahrensbök. Besucher und Besucherinnen der Gedenkstätte werden umfassend über die Geschichte vor Ort zwischen 1930 und 1945 informiert. Ein letztes großes Thema, das den nationalsozialistischen Alltag in Ahrensbök prägte und noch der Dokumentation harrt: Nachweislich 1.215 Männer, Frauen und Kinder, die aus den von den Nationalsozialisten Thema zusammenbringt, soll vor allem Menschen zum Mitarbeiten animieren und später erweitert gezeigt werden. - Für die diesjährige, ab dem 4. Mai gezeigte Hauptausstellung des Vereins Mahnmal Kilian hat Kulturministerin Anke Spoorendonk die Schirmherrschaft übernommen: Unter dem Motto „Unbequeme Denkmäler“ erarbeitet der Verein gemeinsam mit dem Kreis Herzogtum Lauenburg eine kreisübergreifende Ausstellung zum Umgang mit Kriegerdenkmälern. besetzten Ländern verschleppt wurden, muss- „Unbequeme Denkmäler. Kriegerdenkmäler ten in der Landwirtschaft, in Privathaushalten, und Mahnmale im Diskurs von 1918 bis heu- Handwerk und Gewerbe sowie in Industriebe- te“ (4. Mai bis 16. August 2015) trieben Zwangsarbeit leisten. Der baldigen Aufarbeitung und Präsentation dieses Themas ist ein Raum im Obergeschoss der Gedenkstätte reserviert. 70 Jahre Kriegsende, 1945 bis 2015 – ein Menschenleben – eine lange Zeitspanne, in der Deutschland von weiteren Kriegen im eigenen Land verschont blieb. Denkmäler, Monika M. Metzner-Zinßmeister ist Mitglied Mahnmale, Ehrenmale und Gedenkstätten er- des Trägervereins der Gedenkstätte Ahrens- innern an vergangene Kriege, an Unrecht, Un- bök/Gruppe 33 e. V., dessen 1. Vorsitzende terdrückung und Mord: 1864, 1871, 1914– sie von 2006 bis 2011 war. ◄ 1918, 1939–1945. Was sagen uns diese Erinnerungsstätten heu- Drei neue Ausstellungen im Flandernbunker Kiel Jens Rönnau te? Werden sie noch wahrgenommen? Erfüllen sie die Aufgabe zur Mahnung an ein friedliches Zusammenleben der Menschen? Seit einigen Jahren ist hierzu ein Diskurs in Gang gekommen. Die Gedenkstätten im Lande setzen sich Mit verschiedenen Partnern hat der Verein in Tagungen und Diskussionsveranstaltungen Mahnmal Kilian drei neue Ausstellungen im mit diesem Thema auseinander. Beispiele sind ersten Halbjahr 2015 für den Flandernbunker die Landesgedenkstättentagungen wie auch in Kiel erarbeitet. Zu allen Ausstellungen gibt die Tagung der Landesarbeitsgemeinschaft es jeweils ein Rahmenprogramm (siehe Ter- der Gedenkstätten und Erinnerungsorte in minkalender). Schleswig-Holstein und des Deutschen Marinebundes 2014. 33 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 In diesem Zusammenhang findet seit 2012 im der eine Bild- und Textdokumentation der Kreis Herzogtum Lauenburg das Projekt „Un- Mahnmale, Ehrenmale und Gedenkstätten im bequeme Denkmäler“ statt, und zwar im Kieler Raum umfasst. Rahmen des kreisweiten Programms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“, das Teil des Lokalen Aktionsplans für Vielfalt, Toleranz und Demokratie des Landkreises ist. Im Fokus stehen Kriegerdenkmäler und Ehrenmale zu den Gefallenen und Opfern der Kriege 1871, 1914–1918 sowie 1939–1945. Über eine Auseinandersetzung mit vorhandenen Kriegsdenkmälern und Gedenkstätten zielt das Projekt auf eine Stärkung des demokratischen Diskurses angesichts der sich verändernden sicherheitspolitischen Lage Deutschlands in der Welt. Das Thema darf Rechtsextremen nicht überlassen werden! Die Ergebnisse dieser Diskurse werden zum Durch die Sonderausstellung im Kieler Flan- 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Welt- dernbunker soll das Gespräch fortgesetzt wer- kriegs in Europa im Kieler Flandernbunker den. ausgestellt und mit einem Begleitprogramm versehen werden, um so die Prozesse der Auseinandersetzung zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Hierzu haben sich die gemeinnützigen Vereine Lauenburgischer Kunstverein, Heimatbund und Geschichtsverein Herzogtum Lauenburg sowie Mahnmal Kilian zusammengeschlossen. Die bisherigen Diskussionen haben gezeigt, dass ein derartiges Projekt längst fällig ist. Die Anforderungen an die Gedenk- und Erinnerungskultur angesichts der wiederkehrenden Jahrestage der „großen Kriege“ sowie der veränderten Aufgabe der Bundeswehr im Rahmen der Bündnisverpflichtungen Deutschlands haben sich in den letzten Jahren radikal geändert. Es ist Frieden, was wir wollen - doch wir haben Krieg. Eine besondere Zielgruppe sind junge Menschen, die durch geeignete Aktionen in das Projekt eingebunden werden sollen. Bisherige Erfahrungen in dieser Hinsicht sind sehr positiv. Schirmherrin für die Ausstellung ist die Ministerin für Justiz, Kultur und Europa Anke Spoorendonk. Flucht und Vertreibung – 1945 bis heute (Teil 1: noch bis zum 26. April 2015) Ein Schachspiel, das sich Flüchtlinge in der Schülerinnen und Schüler bei der Recherche in Geesthacht für die Ausstellung „Unbequeme Denkmäler“. Foto: Eva Ammermann Festung Friedrichsort 1945 herstellten, ein kleiner Koffer, ein selbstgebautes Puppenbett – solche Gegenstände sind in dieser Ausstel- Das nun über drei Jahre laufende Projekt im lung des Vereins Mahnmal Kilian im Flandern- Kreis Herzogtum Lauenburg umfasst Kunstak- bunker zu sehen. Auch Berichte über den Un- tionen, Diskussionsveranstaltungen, Vorträge, tergang der „Wilhelm Gustloff“ am 30. Januar Projekte für Jugendliche und Menschen mit 1945 und die beschwerliche Flucht über die Behinderung und Jugendprojekte. Hintergrund Ostsee oder in schier endlosen Trecks sind bildet unter anderem der Versuch von Rechts- Teil der Ausstellung. Doch viele Aspekte feh- extremen, durch Aktionen („Heldengedenken“) lokale Kriegsdenkmäler für ihre propa- len bewusst, denn die Ausstellung soll wachsen. Interessierte Zeitzeugen und Verbände gandistischen Zwecke zu instrumentalisieren. sind eingeladen, mit Erlebnisberichten und Er- Der Verein Mahnmal Kilian erarbeitet seiner- innerungsstücken beizutragen. seits einen zweiten Teil zu dieser Ausstellung, 34 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Die Ausstellung präsentiert nicht nur Bilder, eingehen, wie die weiterer Menschen, die sich Gegenstände und Zeitzeugenberichte aus der beim Kriegszeugenprojekt des Vereins Mahn- Zeit des Kriegsendes 1945, sondern auch aus mal Kilian noch melden können. 2016 soll die jüngerer Zeit. So gibt es etwa Bilder heutiger Ausstellung erweitert und wissenschaftlich be- Flüchtlinge oder ganz aktuelle Zeitungsaus- arbeitet dann ein zweites Mal im Bunker ge- schnitte zum Thema Asyl. Einbezogen sind zeigt werden. daher auch die Flüchtlingsorganisationen von heute. Ausgangspunkt ist der Flandernbunker „‚Gott mit uns‘. Kirchliche und religiöse Propa- als authentischer Ort: Er war militärische ganda für Krieg und Vaterland“ (noch bis zum Kommandozentrale des Kieler Kriegshafens, 30. Juni 2015) von hier aus wurde im Frühjahr 1945 auch die Die religiöse Verklärung des Soldatseins ge- Ostseeflucht mit organisiert. hörte zur Propaganda des Ersten Weltkriegs. Das wird auch in einer bedrückenden Serie von Feldpostkarten deutlich, die wir seit dem 30. Januar im Flandernbunker zeigen. Inbrünstig betende Soldaten sind da beispielsweise vor notdürftig erstellten Feldaltären zu sehen oder der segnende Christus vor einer brennenden Stadt. Inge Schröder, eine Überlebende der untergegangenen „Wilhelm Gustloff“. Foto: Jens Rönnau Ein Blick in die Ausstellung: Vor den Berichten über den Untergang der „Wilhelm Gustloff“ steht eine weißhaarige Frau: Inge Schröder. Sie ist eine der wenigen Überlebenden des durch sowjetische Torpedos versenkten „Kraft- Eine Postkarte aus der Ausstellung „Gott mit uns“ durch-Freude“-Kreuzfahrtschiffes, das im Win- Die Schau stellt den zweiten Teil einer Serie ter 1945 rund 1.500 Militärpersonen und fast von insgesamt acht kleinen Ausstellungen 9.000 Flüchtlinge an Bord hatte. 1931 in Dan- zum Ersten Weltkrieg vor einhundert Jahren zig geboren, wurde Inge Schröder als Vier- dar, die der Verein Mahnmal Kilian im Flan- zehnjährige aus der Schule geholt und musste dernbunker zeigt. Die Exponate stammen in Lazarettdienst leisten. Schon nach einer Wo- diesem Fall aus einer Sammlung der Evangeli- che kam sie auf die „Gustloff“, die auch ver- schen Akademie der Nordkirche und wurden wundete Soldaten transportierte. Sie beo- von Pastor Ulrich Hentschel gemeinsam mit bachtete, wie immer mehr Flüchtlinge an Bord der Grafikerin Marlise Appel und dem Ethnolo- strömten, wurde selbst durch das Schiff ge- gen Marvin Raschkewitz zusammengestellt. schoben, bis sie auf dem Sonnendeck landete. Nach der Torpedierung wurde sie von einem Soldaten ins Wasser geschubst – was schließlich ihre Rettung war. Heute lebt Inge Schröder mit ihrem Mann in Kiel. Ihre persönlichen Berichte, die sie dem Flandernbunker gab, werden ebenso in die aktive Ausstellung Gezeigt werden vor allem Postkarten, die vor hundert Jahren in großen Auflagen mit religiösen Motiven und Texten die Kriegsbereitschaft der Soldaten und ihrer Familien unterstützten. Daneben sind einige ausgewählte Beispiele von Gebetsheften, Liederbüchern und „Schmuck35 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 stücken“ für die Wohnstube zu sehen, an de- sich durch eine besonders aufopferungsvolle nen die durchgängige Militarisierung des All- Tätigkeit für die Landeshauptstadt Kiel um das tags sichtbar wird. Besonders im Jahr 1915, Wohl Kiels verdient gemacht haben, oder das als schon absehbar war, dass der Krieg zu ei- Ansehen der Landeshauptstadt Kiel im In- und nem Massensterben und Massenmorden wur- Ausland durch ihren persönlichen Einsatz in de, spielte diese angeblich fromme Ermuti- hervorragender Weise gefördert haben“. gung zum Krieg eine wichtige Rolle. Aus heutiger Perspektive können die Ausstellungsstücke Erschütterung und Abscheu bewirken. Doch bei näherer Betrachtung und Auseinandersetzung mit den Intentionen und der Funktionsweise der religiösen Propaganda stößt man auf irritierende Fragen für das gegenwärtige Verständnis von Krieg und Kriegsberechtigung. Im Oktober letzten Jahres hat die Ratsversammlung der Landeshauptstadt Kiel einstimmig beschlossen, Dr. Jens Rönnau mit der Andreas-Gayk-Medaille auszuzeichnen. Die Stadt Kiel würdigt damit Rönnaus ehrenamtliches Engagement und seine Verdienste für den Erhalt von Mahnmalen und die kulturpädagogische Vermittlung dieser historischen Orte. In einer Feierstunde am 20. November Die Ausstellung wurde am 30. Januar im Flan- verlieh Stadtpräsident Hans-Werner Tovar die dernbunker durch den Kieler Propst Thomas Auszeichnung. Lienau-Becker, den Hamburger Pastor Ulrich Hentschel von der Akademie der Nordkirche und den Vorsitzenden des Vereins Mahnmal Kilian Dr. Jens Rönnau eröffnet. Am 18. März trafen die beiden Theologen Dr. Uwe-Karsten Plisch und Ulrich Hentschel aufeinander, um sich an den kritischen Diskurs zu wagen, der auch nach der Rolle der Kirche in der gegenwärtigen deutschen Militärpolitik fragt. Dr. Jens Rönnau ist 1. Vorsitzender des Vereins Mahnmal Kilian in Kiel und Vorstandsmitglied der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in SchleswigHolstein. ◄ Ausgezeichnetes Engagement: Jens Rönnau ist neuer Träger der Andreas-Gayk-Medaille Die Andreas-Gayk-Medaille, benannt nach dem von 1946 bis 1954 amtierenden Kieler Jens Rönnau nach der Verleihung der AndreasGayk-Medaille. Foto: Anja Manleitner Oberbürgermeister, zählt zu den höchsten In der Feierstunde im Kieler Ratssaal würdigte Auszeichnungen, die die Landeshauptstadt Tovar den neuen Träger der Gayk-Medaille: seit 1971 verleiht. Sie wird – so heißt es in „Ihr Engagement für die Geschichte, Kultur der entsprechenden Satzung – vergeben an und Kunst unserer Stadt ist einzigartig. Sie „Persönlichkeiten, die sich auf politischem, lassen Ihre Mitmenschen an Ihrem Wissen wirtschaftlichem, sozialem oder kulturellem teilhaben und geben es weiter. Sie erinnern. Gebiet außergewöhnliche Verdienste um die Sie lassen verstehen. Sie öffnen uns die Au- Landeshauptstadt Kiel erworben haben, oder gen. Sie haben die Erinnerungskultur in Kiel 36 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E neu belebt. Sie legen den Finger in die Wunde der Geschichte – das ist unangenehm – das tut weh – aber es ist notwendig“. IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Wissenschaftspreis der Bürgerstiftung erstmals vergeben Im Jahre 1995 gründete Rönnau zusammen Die Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische mit anderen Kieler Bürgerinnen und Bürgern Gedenkstätten hat erstmals den von ihr aus- den Verein „Mahnmal Kilian“. Ziel war es, die gelobten Wissenschaftspreis verliehen. Erster Ruine des U-Boot-Bunkers „Kilian“ auf dem Preisträger ist der Kieler Historiker Thomas Kieler Ostufer als Mahnmal aus der Zeit des Tschirner. Der Wissenschaftliche Beirat der Zweiten Weltkrieges zu erhalten. Just jene Bürgerstiftung, der jeweils über die Vergabe Ratsversammlung, die ihn jetzt auszeichnete, entscheidet, hat Tschirner den Preis für seine entschied damals, „Kilian“ zu sprengen. 2001 Studie zum Schicksal sowjetischer Kriegsge- erwarb der Verein als alternatives Objekt den fangener in Schleswig-Holstein zugesprochen. Flandernbunker, ein früherer Marine-Hochbun- Stiftungsratsvorsitzende und Kulturministerin ker am Tirpitzhafen. Anke Spoorendonk übergab den Preis im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung am Mit der kontinuierlichen Unterstützung von 9. Dezember 2014 im Nordkolleg Rendsburg. Sponsoren und Spenden ebenso wie dem ehrenamtlichen Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger gelang es dem Verein, diese Kriegsruine zu einer Bildungs-, Kultur– und Gedenkstätte zum Zwecke der Völkerverständigung zu entwickeln und erinnerungskulturell zu etablieren. Beispielswiese Schulklassen bekommen hier einen so eindrucksvollen wie anschaulichen Geschichtsunterricht. Er ist Anlaufstelle für Zeitzeugen, aber auch für traumatisierte Menschen, die die Folgen von Krieg und Gewalt nicht loswerden. Auch Künstlerinnen und Künstlern schätzen den Flandernbunker als Ausstellungsort für ihre Werke. Jens Rönnau, 1958 in Kiel geboren, arbeitet als Journalist, Kunsthistoriker, Kurator und Ministerin Anke Spoorendonk gratuliert dem Historiker Thomas Tschirner. Foto: Harald Schmid Kulturpädagoge. Er ist unter anderem Vorstandsmitglied in der Landesarbeitsgemein- Die Bürgerstiftung würdigt mit dem Preis, der schaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in mit 2.000 Euro dotiert ist und alle zwei Jahre Schleswig-Holstein sowie 1. Vorsitzender des vergeben wird, herausragende wissenschaftli- Vereins Mahnmal Kilian und leitet als solcher che Arbeiten primär jüngerer Wissenschaft- den Flandernbunker Kiel. Rönnaus Einsatz für ler/innen zur Geschichte des Nationalsozialis- die Kunst und Erinnerung im öffentlichen Raum mus in Schleswig-Holstein und der Erinnerung lässt sich auch nachlesen, beispielsweise in an diese Zeit. Nähere Informationen zur Aus- seinem 2011 veröffentlichten Buch Open-Air- schreibung für die nächste Vergabe im Jahr Galerie Kiel. Kunst und Denkmäler in Kiel und 2016 finden Sie hier. (H.S.) ◄ Umgebung. (H.S.) ◄ 37 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E Neuer Leiter des Jüdischen Museums Rendsburg IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Sonderausstellung „Wege ins Jenseits“ zu Todes- und Jenseitsvorstellungen von der Steinzeit bis in die Gegenwart hervortrat. Zu- Ende der „Ära Walda“ (Kieler Nachrichten) in sammen mit Guntram Turkowski leitete er Rendsburg: Nach sechseinhalb Jahren hat Dr. von 2005 bis 2013 das in dieser Zeit stärker Christian Walda Anfang 2015 die Leitung des landesgeschichtliche profilierte Volkskunde- Jüdischen Museums Rendsburg (JMR) abge- Museum Schleswig. Hier machte er sich einen geben. Er ist nach Schleswig ins „Mutterhaus“ Namen nicht zuletzt durch diverse Wechsel- der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landes- expositionen und neue Dauerausstellungen, museen Schloss Gottorf gewechselt, wo er darunter auch eine zu „Schleswig- nun für die Gemäldesammlung und das Klos- Holsteinischen Erinnerungsorten“. Fleisch- ter Cismar zuständig zeichnet. Im Rahmen ei- hauer ist überdies seit 2007 Lehrbeauftragter nes Empfanges wurde Walda am 22. Januar für Kunstwissenschaft an der Universität verabschiedet: Es sei eine „tolle Zeit“ in Flensburg und war 2013/14 Beauftragter für Rendsburg gewesen, sagte der scheidende Provenienzforschung der Stiftung Schleswig- Leiter und dankte sowohl seinem Team als Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf. auch dem politischen und kulturellen Umfeld, das ihn vorbehaltlos unterstützt habe. Walda war es gelungen, vom Start weg mit teilweise spektakulären, kulturgeschichtlich stets spannenden Ausstellungen auch bundesweite Aufmerksamkeit für das 1988 gegründete Museum zu erzeugen. „Dr. Walda übergibt ein hervorragend geführtes Haus“, betonte bei der Verabschiedung Dr. Kirsten Baumann, die Direktorin des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Schloss Gottorf. Nachfolger Waldas ist Dr. Carsten Fleischhauer. Mit ihm steht erneut ein Kunsthistoriker an der Spitze des Museums in der Rendsburger Prinzessinstraße. Er bezeichnet sich selbst als „Museumsmann aus Überzeugung“ – sein Werdegang unterstreicht dies. Geboren 1967 in Pinneberg und aufgewachsen im Amtsübergabe im Jüdischen Museum Rendsburg (v.l.n.r.): Prof. Dr. Claus von Carnap-Bornheim (Leitender Direktor der Stiftung SchleswigHolsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf), Dr. Christian Walda, Dr. Kirsten Baumann (Direktorin des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte), Heinz-Peter Schierenbeck (Vorsitzender des Freundeskreis Jüdisches Museum Rendsburg), Dr. Carsten Fleischhauer. Foto: Claudia Dannenberg nordrhein-westfälischen Blomberg/Lippe, hat er an den Universitäten Freiburg im Breisgau In Gottorf, so Kirsten Baumann, habe Fleisch- und Köln Kunstgeschichte, Geschichte, Philo- hauer alle Aufgaben „mit Bravour erfüllt“. Seit sophie studiert. Mit einer Arbeit zur „Bau- langem in seiner Arbeit auf schleswig-holstei- kunst der Zisterzienser in der Provence“ wur- nische Landesgeschichte konzentriert, hat der de er 2002 in Köln promoviert. Nach Statio- neue Leiter des Jüdischen Museums ange- nen unter anderem am Haus der Geschichte kündigt, in diesem spezifisch jüdischen Teil der Bundesrepublik Deutschland in Bonn vo- der Landesgeschichte sich besonders der Aus- lontierte er 2003 als Museumspädagoge bei weitung und weiteren Professionalisierung der der Stiftung Schleswig-Holsteinische Lan- Vermittlungsarbeit für alle Alters- und Ziel- desmuseen Schloss Gottorf in Schleswig, wo gruppen widmen zu wollen. Perspektivisch soll er schon zwei Jahre später als Kurator und die historische Abteilung im Jüdischen Muse- Projektleiter um neu gestaltet werden. Dass der neue, der epochenübergreifenden 38 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E breit erfahrene Chef des JMR auch seine IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 stein-Initiative und der Vereinigung der Ver- Leidenschaft bekundet, komplexe Inhalte in folgten des Naziregimes – Bund der Antifa- museale Erzählungen umzusetzen und sich schisten (VVN) die Veranstaltung organisiert. zudem offen zeigt für innovative Ausstellungs- Dabei gab es ein Wiedersehen mit dem ehe- und Vermittlungskonzepte, macht vollends maligen Kantor der Jüdischen Gemeinde, neugierig auf die Weiterentwicklung des Rabbiner Chaim Kornblum, der vor Jahren den Hauses. (H.S.) ◄ Kontakt zu dem überlebenden Zeitzeugen Samuel Taube hergestellt hatte. Zum Gedenken an die Opfer sprach Kornblum das Kad- Todesmarsch 1945–2015. Trägerverein der Gedenkstätte Ahrensbök lud zum Gedenken an der Lübecker Stele ein disch. Für die Lübecker Jüdische Gemeinde erinnerte Rolf Verleger daran, dass viele Juden nach der Befreiung Deutschland verlassen hatten. Erst der Zuzug aus der ehemaligen Sowjetunion nach 1990 habe in Lübeck wieder Monika M. Metzner-Zinßmeister eine lebendige jüdische Gemeinde wachsen lassen. Weitere Grußworte sprachen Pröpstin Mehr als hundert Menschen waren der Einla- Petra Kallies, Dechant Joachim Kirchhoff sowie dung des Trägervereins der Gedenkstätte Jean Paul Koepsel von der VVN. ◄ Ahrensbök/Gruppe 33 e. V. gefolgt. Sie versammelten sich am Sonntag, den 12. April, vor der Gedenkstele auf dem Rasen des Gustav-Radbruch-Platzes in Lübeck, um des 70. Jahrestages des Todesmarsches von Auschwitz nach Holstein zu gedenken. Unter den sanften Klängen der Klarinette von Daniel Eine persönliche und theologische Geschichte: Harald Richters Buch zum Gedenken in Ladelund Raimo Alsen Fourié und der Gitarre von Dennis Schwentuchowski („Klezz Jazz“) wurde an die Ereig- Die KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Lade- nisse vor sieben Jahrzehnten erinnert. lund ist aus der Arbeit der örtlichen Kirchen- Es war ein kalter Apriltag des Jahres 1945 gewesen, als im Lübecker Hafen eine menschliche Fracht einem Elbkahn entstieg. 500 ausgezehrte, ausgehungerte, schwerkranke Häftlinge aus den Konzentrationslagern AuschwitzFürstengrube und Mittelbau-Dora (Harz) wurden in Lübeck auf die letzte Etappe eines Todesmarsches durch Ostholstein getrieben. Nach knapp zweiwöchigem Aufenthalt im Raum Ahrensbök mussten die Häftlinge weiter nach Neustadt marschieren, wo die meisten während der Cap-Arcona-Katastrophe am 3. Mai ihr Leben verloren; nur wenige waren zuvor vom Schwedischen Roten Kreuz durch die „Aktion Bernadotte“ gerettet worden. Zum Gedenken an diesen Todesmarsch hatte der Trägerverein der Gedenkstätte Ahrensbök mit der Jüdischen Gemeinde Lübeck, dem Ev.Luth. Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg, dem Katholischen Dekanat Lübeck, der Stolper- gemeinde entstanden. Es war dabei vor allem Pastor Harald Richter, der in seiner Amtszeit und danach die Erinnerung an die Toten aufrecht erhalten und maßgeblich dazu beigetragen hat, die Gedenkstätte weiter aufzubauen. Den Grundstein für die Gedenkstättenarbeit hat aber Pastor Johannes Meyer gelegt, als er die Toten auf dem Friedhof bestattet und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs den Kontakt zu den Angehörigen gesucht hat. Bis heute besteht ein besonders intensiver Kontakt zum niederländischen Ort Putten, aus dem 110 von 301 in Ladelund verstorbenen Häftlingen kamen. Johannes Meyer ist bis heute umstritten. Er war bereits seit 1930 Mitglied der NSDAP und glühender Anhänger des Nationalsozialismus. In seinem Buch Hinabgestiegen in das Reich des Todes. Das Konzentrationslager, Pastor Johannes Meyer und kirchliche Gedenkstät39 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 tenarbeit in Ladelund (Hrsg.: Hannegreth für die Razzia in der Stadt und Ausgang für Grundmann, Lutherisches Verlagshaus Han- die Deportation nach Neuengamme war. Da- nover, 2014) stellt sich Harald Richter die mit sind die Bilder Symbole der Verbundenheit Frage, wie Johannes Meyer Christ und Natio- und der Versöhnung der beiden Orte. In Zu- nalsozialist zugleich sein konnte. Dazu wagt er kunft werden je sechs Bilder in Ladelund und den „Versuch, ihn zu verstehen“, und setzt in Putten ausgestellt sein. Bei den zahlreichen sich anhand von Meyers Examensarbeit mit gegenseitigen Besuchen sollen Bilder ge- dessen Theologie auseinander. Harald Richter tauscht werden. hat das Buch – so betont er – nicht als Historiker geschrieben, sondern als Theologe. Er hat seinen Ladelunder Vorgänger Johannes Meyer selbst kennengelernt und eine Zeit lang mit ihm zusammen im dortigen Pastorat ge- Das Buch kann in der Gedenkstätte oder im Buchhandel für 19,80 Euro gekauft werden. Beim Erwerb vor Ort kommt der Erlös der Arbeit der Gedenkstätte zugute. ◄ lebt. Dies fließt in seine Deutung mit ein. Die KZ-Gedenkstätte Wittmoor in Norderstedt Gabriele Richter Um politische Gegner verfolgen und ausschalten zu können, schalteten die Nationalsozialisten unmittelbar nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 Polizei und Justiz gleich. Der Brand des Reichstags am 27. Februar lieferte den Vorwand, um zunächst Kommunisten, später auch Sozialisten und andere politisch Andersdenkende zu verfolgen. Die sogenannte Schutzhaft wurde zu dem am häufigsten angewandten Mittel, um politische Gegner aus dem öffentlichen Leben zu entfernen und sie in Konzentrationslagern zu inhaftieren. Oftmals wurden Menschen, obwohl sie in einem Gerichtsverfahren freigesprochen waren, unmittelbar nach der Verhandlung in Schutzhaft genommen. Erinnerung und Auseinandersetzung: Harald Richters Buch über Ladelund Wichtiger Bestandteil des Buches sind zwölf Bilder des Künstlers Uwe Appold zum Psalm 84. Der Psalm wurde von den Puttenern gesungen, als die Männer am 2. Oktober 1944 von den Nationalsozialisten abgeführt wurden. In Appolds Bildern wurde Erde verwandt, die Anfang 2014 an den Künstler übergeben wurde: in Ladelund entnommen von den Gräbern der KZ-Opfer und in Putten von der Brücke, an der der Anschlag stattfand, welcher Anlass Das KZ Wittmoor war am 4. Juni 1933 im Hamburger Fremdenblatt zu sehen Foto: Stadtarchiv Norderstedt 40 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Der Reichskommissar der Hamburger Polizei mordeten Sinti und Roma, der getöteten Ho- Alfred Richter ordnete bereits am 31. März mosexuellen, der umgebrachten Geisteskran- 1933 die Gründung eines der ersten Konzent- ken, der Menschen, die um ihrer religiösen rationslager der Nationalsozialisten zur Inter- oder politischen Überzeugung willen sterben nierung von politischen Gegnern an, und zwar mußten. in der Gemeinde Glashütte (heute ein Ortsteil Bundespräsident der Stadt Norderstedt). Auf dem Gelände ei- 8.5.1985 ner stillgelegten Fabrik für Torfverwertung im In Erinnerung an das Wittmoor, in dem von Wittmoor sollten politische Gegner des Natio- März bis Oktober 1933 140 Gefangene inhaf- nalsozialismus sowie einige Homosexuelle und tiert waren.“ Transvestiten durch harte Arbeit „umerzogen“ werden. Bereits im April 1933 war das Konzentrationslager Wittmoor mit 20 Gefangenen belegt. Bis zum September stieg die Zahl auf 140 Internierte. Richard von Weizäcker, Seit 1999 veranstaltet der Verein CHAVERIM – Freundschaft mit Israel (ein anerkannter Kulturträger der Stadt Norderstedt) gemeinsam mit der Stadt Norderstedt jeweils zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar und zum Jah- Eine Erweiterung des KZ Wittmoor auf eine restag der Reichsprogromnacht am 9. No- Größe von 400 bis 500 Gefangene ist insbe- vember Gedenkfeiern für die Opfer des Natio- sondere aus Kostengründen verworfen wor- nalsozialismus mit einer Kranzniederlegung an den. Im Zuge der Vereinheitlichung des Sys- der Gedenkstätte Wittmoor. Daran nehmen tems der Konzentrationslager wurde es be- neben Mitgliedern des Vereins CHAVERIM die reits am 17. Oktober 1933 wieder geschlos- Stadtpräsidentin und der Oberbürgermeister sen. Am folgenden Tag wurden die Häftlinge der Stadt Norderstedt, VertreterInnen der nach Hamburg in das Konzentrationslager Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Fuhlsbüttel (KolaFu) verlegt. Wegen der noch Bund der Antifaschisten sowie aus Politik, Kul- abzuwickelnden Torflieferungen und erforder- tur und Gesellschaft teil. Nach Möglichkeit licher Aufräumarbeiten im Lager waren in den werden auch SchülerInnen und KonfirmandIn- folgenden Monaten noch 30 Häftlinge auf dem nen sowohl zur Teilnahme an der Gedenkzeit Gelände tätig, die täglich vom KZ Fuhlsbüttel eingeladen als auch dazu, sich mit der Zeit ins Wittmoor gebracht wurden. des Nationalsozialismus, unter anderem durch In der Stadt Norderstedt, die 1970 durch den Zusammenschluss der Gemeinden Garstedt, Gespräche mit Zeitzeugen, auseinanderzusetzen. Harksheide, Friedrichsgabe und Glashütte entstand, war die Existenz des KZ Wittmoor lange Zeit kein Gegenstand des öffentlichen Diskurses. Später gab es keine Einigung darüber, ob überhaupt, wie, wann und wo dem ehemaligen Konzentrationslager gedacht werden sollte. Zunächst errichtete die Stadt Hamburg im Jahre 1986 einen Gedenkstein zur Erinnerung an die Opfer des Lagers. Im Jahr darauf beschloss dann auch der Norderstedter Kulturausschuss am Fuchsmoorweg im Wittmoor einen Gedenkstein zu errichten. Er trägt folgenden Text: „Wir gedenken der 6 Millionen Juden, die in deutschen Konzentrationslagern 2014: Der Gedenkstein am Jahrestag der Novemberpogrome von 1938. Foto: Heike Linde-Lembke ermordet wurden, der Opfer des Widerstandes, der er41 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Vereinsvorsitzender Olaf Nuckel konnte zahlreiche lokale politische Prominenz begrüßen, etwa Henning Meyn, Bürgervorsteher der Stadt Quickborn, und Dr. Ernst-Dieter Rossmann, Bundestagsabgeordneter der SPD für den Kreis Pinneberg. Die KZ-Gedenkstätte Wittmoor mit Informationstafel und Gedenkstein. Foto: Harald Schmid Neben der KZ-Gedenkstätte Wittmoor als Ort des Erinnerns, Gedenkens und Mahnens wurden in den Jahren 1988 und 1999 auf Initiative des Vereins CHAVERIM in Zusammenarbeit mit der Stadt Norderstedt vier „Stolperstelen“ inklusive einer Informationstafel im Stadtgebiet aufgestellt. Die vom Norderstedter Bild- Rolf Becker (l.) und Kai Degenhardt in Quickborn. Foto: Reinhard Kuchel „Wölfe mitten im Mai – Lieder und Texte zum hauer Thomas Behrendt geschaffenen Granit- rechten Aufmarsch in Europa“, lautete der Ti- stelen erinnern an jüdisches Leben und die tel der Veranstaltung. Der Liedermacher Kai Opfer des Nationalsozialismus in den Nor- Degenhardt und der Hamburger Schauspieler derstedter Ursprungsgemeinden. Eine Stele ist dem KZ Wittmoor gewidmet. Sie befindet sich Rolf Becker sangen, lasen und kommentierten Texte und Lieder, unter anderem von Franz an der Segeberger Chaussee 310, unmittelbar Josef Degenhardt und Brecht. Etwa 250 Besu- am Gelände des ehemaligen KZ Wittmoor. Aus cherinnen und Besucher waren gekommen, Anlass des 75. Jahrestages der Einrichtung der Artur-Grenz-Saal in Quickborn war aus- des KZ Wittmoor stellten CHAVERIM und die verkauft. Stadt im März 2008 eine Informationstafel an Das Benefiz-Konzert war für den jungen Ver- der Gedenkstätte am Fuchsmoorweg auf. ein Premiere, der erste eigene Schritt an die Öffentlichkeit. Hauptziel des Trägervereins ist Gabriele Richter ist Leiterin des Fachbereiches es, nach dem Ende des Torfabbaus im Jahre Kulturbüro der Stadt Norderstedt. Zum histo- 2020 im Quickborner Himmelmoor das dort rischen Kontext gibt es hier vertiefende In- noch weitgehend im ursprünglichen Zustand formationen. ◄ befindliche „Rotsteinhaus“ – im Zweiten Weltkrieg ein Lager für jüdische Kriegsgefangene – Benefiz-Konzert in Quickborn zum 9. November als Denk- und Gedenkstätte herzurichten. „Wir wünschen uns“, so Nuckel, „dass wir das Gebäude vom Land Schleswig-Holstein übernehmen können. Es wäre dann das einzige Der Träger- und Förderverein Henri-Goldstein- komplett erhaltene Kriegsgefangenlager hier Haus e.V. Quickborn hat sich Ende 2013 kon- im Lande.“ (H:S.) ◄ stituiert. Zum Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 haben die Aktiven des Vereins am 8. November 2014 ihre erste öffentliche Veranstaltung organisiert. 42 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 „Die Bekennende Kirche in Schleswig-Holstein und die Juden“ – eine Kieler Diskussion Benjamin Hein Am 17. Januar 2015 lud das Institut für Kirchengeschichte der Christian-Albrechts- Universität zu Kiel zu einem Podiumsgespräch zum Thema „Die Bekennende Kirche in Schleswig-Holstein und die Juden. Geschichte und Rezeption“. Im Mittelpunkt stand das Ende 2013 erschienene Buch Neue Anfänge? Der Umgang der evangelischen Kirche mit der NS- Der Stein des Anstoßes: Bischof Wilhelm Halfmann über dem Podium. Fotos: Benjamin Hein Vergangenheit und ihr Verhältnis zum Judentum. Die Landeskirchen in Nordelbien. Band I: Karl Ludwig Kohlwage, der nach dem Erschei- 1945-1965 (siehe Newsletter 5/2014, S. nen von Lincks Buch als scharfer Kritiker der 32ff.). Autor und Historiker Dr. Stephan Linck Darstellung der BK aufgetreten war, stellte war mit der Erarbeitung dieser Studie von der Halfmanns Text „Lutherische Kirche heute Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen 1934“ vor. Anhand der „Bekanntmachung Kirche in Norddeutschland beauftragt worden. über die kirchliche Stellung evangelischer Ju- Streitpunkt des viel diskutierten Buches sind den“ aus dem Kirchlichen Amtsblatt von 1941 Darstellungs- und Deutungsfragen: der Be- wies er auf Halfmanns ablehnende Haltung kennenden Kirche (BK) in Schleswig-Holstein gegenüber der Lehre der nationalsozialisti- im Nationalsozialismus sowie des schleswig- schen Deutschen Christen hin. Halfmann holsteinischen BK-Leiters und späteren Bi- grenzt sich darin gegen die Überhöhung Adolf schofs von Holstein Wilhelm Halfmann. Mode- Hitlers zu einem göttlichen Wesen ab und riert vom Kieler Kirchenhistoriker Prof. Dr. stellt die Häresie der Deutschen Christen her- Andreas Müller diskutierten neben Linck Bi- aus. Er verurteilt die Hervorhebung des Blu- schof i.R. Karl Ludwig Kohlwage, der Flens- tes, der Rasse und des Volkstums über Chris- burger Historiker Dr. Klauspeter Reumann, tus. Propst i.R. Jörgen Sontag und der Kieler Theo- Johannes Schilling stellte Halfmanns Schrift loge Prof. Dr. Dr. Johannes Schilling. Das Die Kirche und der Jude vor. Schilling ver- zahlreich erschienene Publikum war auch mit deutlichte hier einen anderen Aspekt dessen Kirchenprominenz besetzt, etwa Landesbi- theologischen Verständnisses: Halfmanns An- schof Gerhard Ulrich, Bischof im Sprengel tisemitismus gründe in Luthers Antisemitis- Schleswig und Holstein Gothard Magaard, mus. In seiner Schrift richtet sich Halfmann Landessynodenpräses Dr. Andreas Tietze oder aber wiederum gegen die antisemitischen Be- auch Bischof i.R. Hans Christian Knuth. strebungen der Deutschen Christen und deren In seiner Einführung machte Müller deutlich, Häresie. In seinen Augen zielten deren An- dass es bei dieser Veranstaltung nicht um eine sichten und Taten nun gegen Christus selbst. Be- oder Widerlegung der Ausführungen Er lehnt die staatliche Verfolgung der Juden Lincks gehe, sondern die Frage nach der Ge- ab und ist der Ansicht, dass Gott selbst die schichtsschreibung und dem Umgang mit „Judenfrage“ lösen wird. Quellen im Mittelpunkt stehe. Zu diesem Im Beitrag von Jörgen Sontag ging es um ein Zweck durfte jeder der fünf Diskutanten eine Verständnis und die Sachlage der Quellen. Er Quelle vorstellen, die von der BK oder Half- stellte ein Rundschreiben des ehemaligen Kir- mann handelte. chenamtspräsidenten Dr. Christian Kinder – 43 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 zeitweise Reichsführer der Deutschen Christen Antisemitismus und schwerer historischer – an alle Synodalausschüsse mit Durchschlä- Schuld der Kirche gelten. Linck unterstrich: gen für die Kirchenvorstände vom 10. Februar Die antisemitische Haltung, die sich auch 1942 vor. Darin heißt es, „Nichtarier“ dürften schon in Halfmanns Werk Die Kirche und der keine Rechte in einer Körperschaft des öffent- Jude gezeigt habe, sei auch in seinen Jahren lichen Rechts ausüben. So sollten getaufte Ju- als Bischof für Holstein zu erkennen. den in der Landeskirche von der kirchlichen Gemeinschaft getrennt werden. Für deren Seelsorge werde der als „Volljude“ geltende Pastor i.R. Walter Auerbach aus Altona beauftragt. Gleichzeitig begründete Kinder diese Maßnahme auch noch im Sinne der „Rassenforschung“ und der „Rassengesetzgebung“, da das Judentum der Welt mit dem Krieg (gemeint ist der Zweite Weltkrieg) die Zerstörung des deutschen Volkes und Reiches anstrebe. Sontag stellte fest, damit sei SchleswigHolstein einen Sonderweg gegangen. Einen Brief von Pastor Treplin an den Schleswiger Propst Hermann Siemonsen vom 26. Auch im Jahr 2015 füllt das Thema „Bekennende Kirche in Schleswig-Holstein“ noch Hörsäle. April 1943 stellte Klaupeter Reumann in den In der Diskussion prallten die unterschiedli- Fokus. Hierin lehnte Treplin den Vorschlag chen Positionen aufeinander. Kohlwage ver- Siemonsens ab, der Bruderrat der BK solle teidigte Halfmann als wichtigen theologischen sich auflösen und alle Pastoren in Schleswig- Denker der BK gegen die Deutschkirche. Linck Holstein sollten sich Kinder und Landesbischof argumentierte hingegen mit einem Auszug Paulsen unterordnen, auch wenn dafür der BK aus der Entnazifizierungsakte von Christian ein fester Platz im Konsistorium angeboten Kinder, in der ein „Persilschein“ Halfmanns für werde. Treplin verweist zudem auf die vielen Kinder zu finden ist, in dem Halfmann ihn für Maßnahmen und Taten Kinders, die bekennt- seine Sonderregelung in Schleswig-Holstein niswidrig gewesen seien und von Siemonsen ausdrücklich lobt, die auch die Billigung der nicht verhindert worden seien. Reumann be- BK gefunden habe. Er habe seinen Einfluss bei tonte, dass Halfmann in diesem Brief als Ge- den Behörden geltend gemacht, um Geistliche genspieler zur Leitung der Landeskirche um in der Landeskirche zu schützen. Hieraus lei- Kinder und Paulsen dargestellt werde. tete Linck ab, dass Halfmann – und damit die Als Letzter in der Reihe stellte Stephan Linck BK in Schleswig-Holstein – die Haltung der einen Brief Halfmanns vom 1. August 1960 an Kirchenleitung gegenüber den Juden und den den ehemaligen Kropper Missionsdirektor Det- Christen jüdischer Herkunft gutgeheißen ha- lef Bracker vor, der Halfmann zuvor seinen be. Reumann deutete Halfmann nicht als ei- Aufsatz mit dem Titel „Ein offenes Wort über nen geistigen Wegbereiter der Nationalsozia- Israel“ zugesandt hatte. Hierin stimmt Half- listen. Sontag wies auf die schwierige Quellen- mann Bracker zu: Das jüdische Volk sei eine lage hin und verwies auf fortbestehende Lü- Gefahr für das deutsche Volk. Halfmann cken. schreibt, in der Öffentlichkeit dürfe man sol- Abschließend forderte Kohlwage eine Stel- che Dinge, die wahr seien, aber nicht aus- lungnahme der Kirchenleitung. Pastor Ulrich sprechen, weil es sonst ein fürchterliches Ge- Hentschel, Studienleiter an der Evangelischen schrei gäbe, würden doch solche Aussagen Akademie der Nordkirche, antwortete, man heute als Ausdruck von uraltem christlichen befinde sich erst am Anfang eines Prozesses, 44 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 sodass eine solche Stellungnahme zugunsten stätten, Kiel) auf die Entwicklung der Gedenk- der BK und Halfmanns noch verfrüht wäre. stätten seit der deutschen Einheit zurück. An- Die Veranstaltung endete mit der Bitte von na Kaminsky verwies auf das positive Image, Müller, gegebenenfalls private Quellen zur das Deutschland mit seiner Geschichtsaufar- Verfügung zu stellen, um ein differenzierteres beitung im Ausland genieße, und die hohen Bild der historischen Geschehnisse erhalten zu Besucherzahlen in den Gedenkstätten. Einig- können. Diese Veranstaltung markiere den keit habe nach 1990 darin bestanden, dass Beginn einer weiterreichenden Auseinander- die Fehler im Umgang mit dem Nationalsozia- setzung, zusätzliche Diskussionen seien not- lismus wendig. Geschichte nicht wiederholt werden sollten. bei der Aufarbeitung der DDR- Die rasche Öffnung der Akten war vor diesem Benjamin Hein ist Historiker und Mitarbeiter Hintergrund eine der entscheidenden Konse- des Landeskirchlichen Archivs der Nordkirche quenzen. in Kiel. ◄ Kritisch erinnerte Anna Kaminsky an frühere Befürchtungen, die NS-Geschichte könnte Erinnerungsarbeit im östlichen Nachbarland: Rückblick auf das Landesgedenkstättenseminar Mecklenburg-Vorpommern durch die Aufarbeitung der SED-Diktatur rela- Eckart Schörle schaftliche Anerkennung ihres Schicksals. Ei- tiviert werden. Diese hätten sich als unbegründet erwiesen. Für die Opfer der DDR seien die Unterstellungen teilweise schmerzhaft gewesen, ebenso wie die ausbleibende gesellnen Umschwung habe man 2003 beobachten Die Wiedervereinigung im Jahr 1990 hat auch können, als die Geschichte der DDR in Verbin- für die Erinnerungskultur und die Gedenkstät- dung mit der Würdigung des 17. Juni eine ten weitreichende Folgen gehabt. Die Landes- breite gesamtdeutsche Aufmerksamkeit fand. zentrale für politische Bildung nahm daher das Trotzdem gebe es nach wie vor Herausforde- 25. Jubiläum zum Anlass, um beim Landesge- rungen: im Großen eine differenzierende eu- denkstättenseminar Mecklenburg-Vorpom- ropäische Wahrnehmung, im Kleinen die loka- mern am 20. Februar in der Universität le Verankerung – nicht nur in den Gedenkstät- Rostock auf die Entwicklung der Gedenkstät- ten, sondern auch in den Heimatmuseen. ten seit dem Umbruch 1989/90 zurückzubli- Aus der westdeutschen Sicht und mit Schwer- cken. Am Vormittag widmeten sich zwei Vor- punkt auf den Gedenkstätten für die Opfer des träge und eine Podiumsdiskussion dem Ta- Nationalsozialismus zog Harald Schmid Bilanz. gungsthema „Perspektiven der Gedenkstättenarbeit in Mecklenburg-Vorpommern – Eine Bilanz nach 25 Jahren deutscher Einheit“. Am Verglichen mit der Zeit vor 1990 habe sich die Situation grundlegend gewandelt. Nach der Wiedervereinigung habe die Diskussion über Nachmittag konnten die Teilnehmer/innen den künftigen Stellenwert der drei großen praktische Fragen der Gedenkstättenarbeit in staatlichen Gedenkstätten der DDR – der Na- Workshops vertiefen. Den Abschluss bildete tionalen Mahn- und Gedenkstätten Buchen- eine Führung durch die Dokumentations- und wald, Ravensbrück und Sachsenhausen – Gedenkstätte in der ehemaligen Untersu- auch zu einer Aufwertung der KZ- chungshaftanstalt der Stasi in Rostock. Gedenkstätten in Westdeutschland geführt. Aus der Perspektive ihrer jeweiligen Arbeits- Ergebnis war schließlich die Entscheidung für felder blickten Dr. Anna Kaminsky (Bun- eine staatliche Gedenkstättenförderung auf desstiftung SED- Bundesebene, die über Zwischenstationen Diktatur, Berlin) und Dr. Harald Schmid (Bür- 1993 und 1999 in die 2008 vom Deutschen zur Aufarbeitung der gerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenk45 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Bundestag verabschiedete „Gedenkstätten- Kern der Orte in den Mittelpunkt zu stellen, konzeption des Bundes“ mündete. forderte aber mit Blick auf die Bildungsarbeit Heute seien die Gedenkstätten in der staatlichen Erinnerungspolitik weitgehend etabliert und anerkannt, bilanzierte Schmid. Dennoch gebe es beträchtliche Herausforderungen, die mit der wachsenden zeitlichen Distanz, dem „Verstummen der Zeitzeugen“ und dem Generationenwechsel, den Gegenwartsbezügen und der ethnischen Differenzierung der deutschen Gesellschaft zusammenhingen. Es müssten Räume für die Klärung des Selbstverständnisses der Gedenkstätten und die Weiterentwick- auch „mehr Gegenwart in die Gedenkstätten“. Jochen Schmidt machte die Gedenkstätten als Orte der aktuellen Menschenrechtserziehung stark. Andreas Wagner sprach sich dafür aus, die erinnerungspolitischen Kontroversen offen in der Gesellschaft austragen, allein der Konsens in Expertenkreisen genüge nicht. Für ihn liege ein wichtiger Wert der Gedenkstätten darin, dass man dort Raum für Gespräche und den kontroversen Austausch verschiedener Perspektiven habe. lung der historischen Vermittlungsarbeit geschaffen werden. Gedenkstätten sollten sich als „Laboratorien geschichtlich fundierter, gegenwartsbezogener Bildungsarbeit“ begreifen. Die von der NDR-Journalistin Lena Gürtler moderierte Podiumsdiskussion bot Gelegenheit, die Fragen der heutigen Herausforderungen weiter zu vertiefen. Außer Anna Kaminsky und Harald Schmid beteiligten sich Jochen Schmidt (Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern), Prof. Dr. Oliver Plessow (Universität Rostock) und Dr. Andreas Wagner (AG der Gedenkstätten in Mecklenburg-Vorpommern/Politische Memoriale e.V.) an der Diskussionsrunde. Einig war man sich darin, dass den Gedenkstätten nach wie vor eine wichtige Funktion zukommt, um die Auseinandersetzung mit den Gewalterfahrungen des 20. Jahrhunderts in der Gesellschaft zu verankern. Wichtig seien auch die Schulen, ergänzte Anna Kaminsky, denn hier käme die Vermittlung der Geschichte der DDR häufig zu kurz. Oliver Plessow, seit kurzem Professor für Geschichtsdidaktik in Rostock, richtete den Fokus auf das Publikum der Gedenkstätten, das sich weiter ausdifferenziert habe. Entsprechend müssten statt der Vermittlung eines starren Weltbilds vielfältige Zugänge eröffnet und Bezüge zur Gegenwart hergestellt werden. Wie Gegenwartsbezüge ohne pauschale Gleichsetzungen eingebracht werden können, wurde in der Runde kontrovers diskutiert. Harald Schmid plädierte dafür, den historischen Podiumsdiskussion zu Perspektiven der Gedenkstättenarbeit (v.l.n.r.): Jochen Schmidt, Oliver Plessow, Harald Schmid, Lena Gürtler, Anna Kaminsky, Andreas Wagner. Foto: Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern. Am Nachmittag wurden diverse Aspekte aus der Diskussion aufgegriffen und mit Fragen der alltäglichen Gedenkstättenarbeit verbunden. Im Workshop „Schule und Gedenkstätten“ gab die Gedenkstättenlehrerin Silke Gratopp (Innerstädtisches Gymnasium Rostock und BStU-Außenstelle Rostock) Anregungen für eine gelungene Einbettung von Gedenkstättenbesuchen in den Schulunterricht. Wolfgang Klameth (Institut für Qualitätsentwicklung Mecklenburg-Vorpommern) erläuterte Fördermöglichkeiten für Projekte und Gedenkstättenfahrten und wies auf Neuerungen in der Förderpraxis hin. Dr. Juliane Brauer (Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin) ging im Workshop „Gedenkstättenpädagogik“ auf das Verhältnis von Emotionen und historischem Lernen ein. 46 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E Sie plädierte dafür, den Lernenden Raum für IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Dr. Eckart Schörle ist wissenschaftlicher Mit- eine eigensinnige, produktive Aneignung zu arbeiter der Landeszentrale für politische Bil- geben. dung Mecklenburg-Vorpommern. ◄ Der Königsweg der historisch- politischen Bildung liege nicht in der Erzeugung von Empathie, sondern im Prinzip der Kontroversität und Multiperspektivität. Ob sich historisches und moralisches Lernen tatsächlich gegenseitig ausschließen, wurde kontro- Neues Internet-Portal zur Shoa ermöglicht länderübergreifende historische Recherchen vers diskutiert. Das Internet bietet im Bereich der Geschichte inzwischen ein kaum noch überschaubares Angebot. Ingolf Seidel (Agentur für Bildung, Berlin) stellte im Workshop „Erinnern im Netz“ bekannte und weniger bekannte Beispiele vor und betonte die neuen Möglichkeiten für Interaktivität und selbstbestimmtes Lernen. Blogs bieten ein hilfreiches Werkzeug bei der Projektarbeit, Webinare verknüpfen gemeinsame Seminararbeit mit individuellem Lernen am heimischen PC und Plattformen ermögli- Ende März wurde in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ein innovatives Online-Portal vorgestellt. Das EUForschungsprojekt „European Holocaust Research Infrastructure“ (EHRI) macht Originaldokumente aus der NS-Zeit digital zugänglich. In dem Projekt haben die beteiligten Wissenschaftler/innen Quellen digitalisiert, die entsprechend der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik in Archiven über ganz Europa verteilt sind. chen die Präsentation von eigenen Projektergebnissen oder Zeitzeugenvideos. Im Workshop „Lokale Geschichtsprojekte“ zeigte Fachdidaktiker Dr. Martin Buchsteiner von der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, was den Erfolg von Geschichtsprojekten ausmacht, wie sie etwa im Rahmen des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten oder anlässlich von Jahrestagen und Jubiläen an Schulen angestoßen werden. Schon Themenfindung und -eingrenzung stellen die erste Herausforderung dar. Ohne eine klare Fragestellung und die Festlegung einzelner Arbeitsschritte könne die Aufgabe schnell unklar werden und zu mangelnder Motivation bei den Teilnehmenden führen. Startseite des Online-Portals Das englischsprachige Online-Portal macht Recherchen nun deutlich einfacher: Es führt viele Quellen zusammen und ist auch für Laien gedacht. Wer das Schicksal der eigenen Familie bisher erforschen wollte, musste sich Die Tagung erlaubte einen sachlichen und in den einschlägigen Archiven durch eine Viel- nachdenklichen Rückblick auf die Entwicklung zahl von Dokumenten, Fotos und Briefen der Gedenkstätten in den letzten 25 Jahren, durcharbeiten – und dazu beträchtliche For- machte aber auch den großen Diskussionsbe- schungsreisen durch Deutschland und Europa darf hinsichtlich künftiger Herausforderungen in Kauf nehmen. EHRI erleichtert solche Re- deutlich. Themenbereiche wie Inklusion und cherchen beträchtlich. Nähere Informationen Vermittlungsarbeit zu dem Projekt finden Sie etwa hier. (H.S.) ◄ in sozial heterogenen Gruppen bleiben einem künftigen Gedenkstättenseminar vorbehalten. 47 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 LESEZEICHEN AUFGEBLÄTTERT „Ein blinder Fleck, ‚wie ausgestanzt‘“: Erinnerungen an das Konzentrationslager Neuengamme in einer dörflichen Lebenswelt Hansjörg Buss Sample aus drei Alterskohorten solle, so Trojan, ein Blick auf die Wahrnehmung des Konzentrationslagers über einen längeren Zeitraum ermöglicht werden. Theoretisch ambitioniert bettet sie ihre Studie in die erinnerungskulturellen Ansätze des Soziologen Maurice Halbwachs, der Kulturwissenschaft- Wie Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau, ler_innen Jan und Aleida Assmann sowie des Flossenbürg oder Sachsenhausen ist der Na- Sozialpsychologen Harald Welzer ein. Diese me Neuengamme in der Öffentlichkeit un- Ansätze versucht sie anhand der von Malte trennbar mit dem nationalsozialistischen La- Thießen ger- und Terrorsystem verbunden. In den „kommunalen Gedächtnisses“ handhabbar zu sechseinhalb Jahren seines Bestehens waren machen. vorgeschlagenen Kategorie des in dem Stammlager und seinen 86 Außenlagern über hunderttausend Menschen interniert, mehr als die Hälfte starben infolge unmenschlicher Arbeits- und Lebensbedingungen, bei medizinischen Versuchen oder durch Mord – auch in Schleswig-Holstein. Neuengamme steht synonym für Zwangsarbeit und Ausbeutung, menschliches Leid und Tod. Nach der intensiven Aufarbeitung der Geschichte der NS-Lager ist in den letzten Jahren zunehmend die Erinnerung an die Konzentrationslager in den Fokus wissenschaftlicher Arbeiten gerückt und wird inzwischen auch in den Dauerausstellungen vieler Gedenkstätten thematisiert. So untersucht Gesa Anne Trojan die Frage, wie in dem Dorf Neuengamme, auf dessen Gemarkung 1938 das Konzentrationslager mit einer Fläche von rund 50 Hektar errichtet wurde, an das Lager erinnert wird (Das Lager im Dorf lassen. Das KZ Neuengamme in der lokalen Erinnerung, Dölling und Galitz Verlag, München/Hamburg 2014). Für ihre Studie, eine Abschlussarbeit im Fach „Angewandte Kulturwissenschaften“ an der Universität Lüneburg, interviewte die Autorin 17 Dorfbewohner_innen: acht Personen der Geburtsjahrgänge 1929 bis 1934, fünf Das Buch von Gesa Anne Trojan: Wie haben die Neuengammer/innen das Konzentrationslager wahrgenommen? in den 1950er- sowie vier in den 1960er- Der „Topographie des untersuchten Feldes“, Jahren Geborene. Mit dem ausgewählten einer sehr knapp gehaltenen Einführung zum 48 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 Dorf Neuengamme, zur Geschichte des Kon- funde der Studie anregend. Trojan kommt zu zentrationslagers und zur Nachnutzung des dem Ergebnis, nicht zuletzt aufgrund der Lagergeländes nach 1945, schließt sich der räumlichen Abtrennung weise die Lagerge- dreigliedrige Hauptteil der Arbeit an. Im ers- schichte kaum einen substanziellen Bezug ten Abschnitt befasst sich die Autorin mit den zum Dorfleben und zu den Biografien der Erinnerungen der ältesten Befragten, die wäh- Dorfbewohner_innen auf. Dorf und Lager wür- rend der NS-Zeit Kinder oder Jugendliche wa- den als getrennte Einheiten wahrgenommen: ren. Dem folgt in einem zweiten Schritt die Das ehemalige Lagergelände sei zwar Teil des Auseinandersetzung mit der „transgeneratio- Neuengammer Lebensraumes, liege aber au- nellen Weitergabe“ dieser Erinnerungen, be- ßerhalb der „gedachten Lebenswelt“ (S. 117). vor sich die Autorin mit dem Verhältnis von Auch Entscheidungen Dritter, hier vor allem öffentlichem Gedenken und lokaler Erinnerung die auseinandersetzt. Dass es sich dabei um ei- Nachnutzung des KZ-Geländes als Gefängnis nen mühsamen und komplizierten Aushand- (1948–2005) führten dazu, dass das frühere lungsprozess handelte, zeigt Trojan anhand Lagergelände räumlich und emotional anhal- einer Festveranstaltung der Freiwilligen Feu- tend ein „topographisches Stigma“ blieb (S. erwehr auf dem Lagergelände im März 1995 118). Die Aufnahme des Konzentrationslagers auf, die von einer Hamburger Boulevardzei- in den Hamburger „Erinnerungskatalog“, die tung skandalisiert wurde und zu einem auch mit der Aufwendung erheblicher Geldmittel international wahrgenommenen Eklat führte. und einer Professionalisierung der Gedenk- Eine Besonderheit der Arbeit ist, dass die Autorin selbst aus Neuengamme stammt. Sie ist also Forscherin und Beforschte zugleich, eine Doppelrolle, mit der die sehr reflektiert umgeht. Möglicherweise ermöglichte eben diese Vertrautheit mit dem Untersuchungsgegenstand eine differenzierte Wahrnehmung unterschiedlicher Erinnerungsebenen: individuell, familiär, dörflich und gesamtgesellschaftlich. Die ertragreichsten Passagen des Buches sind dann auch jene, die sich mit der Frage „Wie wurde erinnert?“ beschäftigen, während Trojan zu der Frage „Was wurde erinnert?“ kaum neue Erkenntnisse beisteuert. Eine Erkenntnis in diesem Zusammenhang ist allerdings wichtig, die sich auf die vielfältigen Beziehungen zwischen Dorf und Lager bezieht, die infolge Senatsentscheidung zur langjährigen stättenarbeit einherging, habe einen eigenständigen dörflichen Zugang zusätzlich erschwert. Konkret verweist Trojan auf die Neuengammer Kirchengemeinde. Dort seien ehrenamtliche Aktivitäten zur lokalen Aneignung des Lagers und seiner Geschichte in den 1980er-Jahren auch im Zusammenhang mit der Anstellung eines von der Landeskirche bezahlten hauptamtlichen Gedenkstättenpastors zurückgegangen. Pointiert kommt die Autorin zu dem Schluss, dass „die Interviewten aufgrund der räumlichen Nähe zum Ort keinen größeren Selbstbezug zu seiner Geschichte haben als jemand, der aus einem unbelasteten Hamburger Stadtteil kommt (...)“ (S. 118). So fällt – zweitens – das Gedenken an das La- wirtschaftlicher Beziehungen, der Unterbrin- ger und dessen Opfer nicht nur in einen regi- gung von SS-Männern im Dorf, dem Arbeits- onalen Zuständigkeitsbereich, sondern ist einsatz von Inhaftierten beim Kanalausbau ebenso eng mit überregionalen erinnerungs- oder der Häftlingstransporte bestanden: Die kulturellen und -politischen Diskursen verbun- Behauptung, wonach das Lager für die Dorf- den. Hier gibt die die Autorin den interessan- bewohner_innen „terra incognita“ war, lässt ten Hinweis auf eine spezifische „sprachliche sich nicht mehr aufrechterhalten. Verunsicherung“ der Interviewten, sobald sie Für die Weitergabe von Erinnerung(en) und die Herausbildung lokaler Erzählmuster („Narrative“) sind vor allem die drei zentralen Be- auf das Konzentrationslager zu sprechen kämen. Ihnen sei die „floskelhafte Sprache der öffentlichen Erinnerung, die zu einer gesamtgesellschaftlichen Norm, zu einem Imperativ 49 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 geworden ist“, zwar bekannt, sie seien ihr je- über der Thematik offensichtlich ein aus- doch nicht mächtig (S. 117). Die Erzählungen schlaggebendes Kriterium war. Leider wurde der Interviewten seien insofern mehr der Aus- zudem ohne ersichtlichen Grund auf den Ab- druck eines Nichtkönnens als eines Nichtwol- druck des zugrundeliegenden Fragenkataloges lens. verzichtet. Drittens lenkt die Autorin den Blick auf einen Abweichende Erzählungen scheinen nach den generationellen Aspekt: Obwohl zwischen den vorliegenden Ergebnissen, die aufgrund des Generationen keine oder kaum kommunikati- eher zufälligen Auswahlverfahrens und der ge- ve Weitergabe von Geschichte stattfand, habe ringen Anzahl der Interviewten nicht reprä- sich eine verallgemeinerte soziale Praxis ent- sentativ sind, möglich. Wie die Autorin selbst wickelt: „Der Ort ist mit einem Unbehagen zu berichten weiß, war die Trennung der Le- verbunden und wird gemieden“ (S. 117). Tra- benswelten weniger hermetisch als ange- diert habe sich demnach ein „unbewusstes nommen. Es gab zumindest zeitweise ge- Wahrnehmungsmuster“ in Bezug auf den La- schäftliche Beziehungen zwischen Dorf (bezie- gerort. In diesem Verständnis bildeten die Be- hungsweise den umliegenden Ortschaften) fragten eine Erinnerungsgemeinschaft nicht und Lager, die im Zusammenhang mit der im Sinne einer Erzählgemeinschaft, sondern Versorgung des Lagers mit Nahrungsmitteln im Sinne einer Verhaltensgemeinschaft: „Das und der Bestattung verstorbener Häftlinge Konzentrationslager Neuengamme existiert in standen: Rückschlüsse auf die Zustände vor der lokalen Erinnerung als unbewusster Habi- Ort waren also möglich. Auch wohnten einige tus“ (S. 120). höherrangige SS-Männer im Dorf und ver- In ihrem Ausblick plädiert die Autorin dafür, in künftigen Studien Ansätze lokaler und regionaler Erinnerung theoretisch weiter auszuarbeiten, um solche „Erinnerungssubkulturen“ wie in Neuengamme und anderswo zu identifizieren und vergleichbar zu machen. Die starke Fokussierung insbesondere auf nationale Einheiten laufe Gefahr, „den Blick auf die Spitze des Eisbergs zu beschränken, der jedoch auf einem Fundament regionaler und lokaler Einheiten“ ruhe (S. 120). Ist ihrem Anliegen zwar prinzipiell zuzustimmen, so ist der vorgenommenen Hierarchisierung, die das Bild des Eisberges suggeriert, im Zeitalter der Mediengesellschaft doch zu widersprechen, zumal sie selbst die wechselseitigen Beeinflussungen und Rückbindungen der nationalen, regionalen und lokalen Ebene in ihre Untersuchung durchaus gewinnbringend einfließen lässt. brachten ihre Freizeit dort. Wie wirkten sich diese Kontakte auf die Wahrnehmung des Lagers aus? War letztere auch von der überproportionalen Zustimmung für die NSDAP in Neuengamme bestimmt? Veränderte sich der lokale Blick mit dem ersten Gerichtsverfahren zur Aufarbeitung der Verbrechen in Neuengamme, dem „Curiohaus-Prozess“, der seit März 1946 öffentlichkeitswirksam in Hamburg stattfand und der immerhin zu elf Todesurteilen führte? Nicht zuletzt wäre von Interesse, welche Reaktionen es auf die „Umnutzung“ des Lagergeländes als Internierungslager durch die britischen Militärbehörden gab. Antworten auf diese Fragen, die auch für die Erinnerungsgeschichte anderer Lager auf- schlussreich wären, bleiben weiteren Untersuchungen vorbehalten. Dr. Hansjörg Buss ist Historiker. ◄ Als problematisch erweist sich die angesprochene Nähe der Autorin zu ihrem Untersuchungsgegenstand. Die sieben Frauen und zehn Männer, die sie interviewte, stehen in sozialen, teils familiären Beziehungen. Ihre Auswahl erfolgte über Weiterempfehlungen, wobei eine grundsätzliche Offenheit gegen50 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 LITERATURHINWEISE Baader, Meike Sophia, Freytag, Tatjana (Hrsg.): Erinnerungskulturen. Eine pädagogische und bildungspolitische Herausforderung, Köln 2015 Bahnsen, Uwe: Hanseaten unter dem Hakenkreuz. Die Handelskammer Hamburg und die Kaufmannschaft im Dritten Reich, Kiel 2015 Breuer, Lars: Kommunikative Erinnerung in Deutschland und Polen. Täter- und Opferbilder in Gesprächen über den Zweiten Weltkrieg, Wiesbaden 2015 Bubmann, Peter, Dickel, Hans (Hrsg.): Ästhetische Bildung in der Erinnerungskultur, Bielefeld 2014 Buschak, Willy: Arbeit im kleinsten Zirkel. Gewerkschaften im Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur, Essen 2015 Kastner, Fatima: Transitional Justice in der Weltgesellschaft, Hamburg 2015 Kuchler, Christian (Hrsg.): NS-Propaganda im 21. Jahrhundert. Zwischen Verbot und öffentlicher Auseinandersetzung, Köln 2014 Flucht über das Meer. Porträts von Deutschlands Emigranten, Themenschwerpunkt von: Mare. Die Zeitschrift der Meere, April 2015, Nr. 109 Fritz, Sven, Geiger, Jens (Hrsg.): Viele Schichten Wahrheit. Beiträge zur Erinnerungskultur. Festschrift für Hannes Heer, Berlin 2014 (Inhalt) Garbe, Detlef: Neuengamme im System der Konzentrationslager. Studien zur Ereignisund Rezeptionsgeschichte, Berlin 2015 (Inhalt) Gebhardt, Miriam: Als die Soldaten kamen. Die Vergewaltigung deutscher Frauen am Ende des Zweiten Weltkriegs, 3. Aufl., München 2015 Geike, Andreas: Die Verankerung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen im Unterricht. Dargelegt anhand der Rahmenlehrpläne der Länder, in: GedenkstättenRundbrief 3/2015, Nr. 177, S. 26–33 George, Uta: Leichte Sprache als barrierearmer Zugang in Gedenkstätten und Museen, in: Museumskunde 79 (2014) 2, S. 63– 66 Geyken, Frauke: Wir standen nicht abseits. Frauen im Widerstand gegen Hitler, Bonn 2014 Gött, Hilde: Selbstreflexion, Selbsterfahrung und Selbstsorge in der Begegnung von Nachkommen der Opfer und TäterInnen der Zeit des Nationalsozialismus, in: Silke Birgitta Gahleitner u.a. (Hrsg.): Wann sind wir gut genug? Selbstreflexion, Selbsterfahrung und Selbstsorge in Psychotherapie, Beratung und Supervision, Weinheim 2014, S. 154–171 Hansen, Imke: „Nie wieder Auschwitz!“ Die Entstehung eines Symbols und der Alltag einer Gedenkstätte 1945–1955, Göttingen 2015 Harten, Hans-Christian: Himmlers Lehrer. Die Weltanschauliche Schulung in der SS 1933–1945, Paderborn 2014 Hertz-Eichenrode, Katharina: Deportiert ins KZ Neuengamme. Strafaktionen von Wehrmacht und SS im besetzten Europa. Texte, Fotos und Dokumente (Ausstellungskatalog), Hamburg 2015 Kaumkötter, Jürgen: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Kunst in der Katastrophe 1933–1945, Berlin 2015 KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Hrsg.): Gedenkstätten und Geschichtspolitik, Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland, Bd. 16, Bremen 2015 Langebach, Martin, Sturm, Michael (Hrsg.): Erinnerungsorte der extremen Rechten, Wiesbaden 2015 Lautenbach- von Ostrowski, Moritz: Ich bin heute hier und ihr nicht mehr!“ Linguistische Fallanalyse von Zweck und Funktion einer Redewiedergabe in einer KZGedenkstätten-Führung, in: Becker, Michael u.a. (Hrsg.): Orte und Akteure im System der NS-Zwangslager, Berlin 2015 51 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E Leppien, Jörn-Peter: Von der Nummer zum Namen. Die KZ-Toten in Ladelund 1944, in: Grenzfriedenshefte 2/2014, S. 35–70 Makhotina, Ekaterina u.a. (Hrsg.): Krieg im Museum. Präsentationen des Zweiten Weltkriegs in Museen und Gedenkstätten des östlichen Europa, Göttingen 2015 Meinhold, Philip: Erben der Erinnerung. Ein Familienausflug nach Auschwitz, Berlin 2015 Müller, Claudia u.a. (Hrsg.): Die Shoah in Geschichte und Erinnerung. Perspektiven medialer Vermittlung in Italien und Deutschland, Bielefeld 2015 (Inhalt) Paul, Gerhard, Schwensen, Broder (Hrsg.): Mai ’45. Kriegsende in Flensburg, Flensburg 2015 Philipsen, Bernd: „Lesezeichen der Geschichte“. Vier neue Gedenksteine in Flensburg für Opfer des Nationalsozialismus, in: Grenzfriedenshefte 2/2014, S. 71–82 Reichling, Norbert: Zivilgesellschaft, Gedenkstätten und geschichtskulturelle Dynamik in der Bundesrepublik. Gründungsgeschichten und Lektionen, in: Benedikt Widmaier; Gerd Steffens (Hrsg.): Politische Bildung nach Auschwitz. Erinnerungsarbeit und Erinnerungskultur heute, Schwalbach 2015, S. 67–77 Rheinisches JournalistInnenbüro: Unsere Opfer zählen nicht. Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg, Bonn 2014 Rosenfeld, Alvin H.: Das Ende des Holocaust, Göttingen 2015 (Inhalt und Leseprobe) Sandkühler, Thomas: Adolf H. Lebensweg eines Diktators, München 2015 Schmid, Harald: Mehr Gegenwart in die Gedenkstätten! Erinnerungsorte in Zeiten des Memory-Drains und der Entpolitisierung, in: GedenkstättenRundbrief 3/2015, Nr. 177, S. 11–16 Sebald, Gerd u.a.: Soziale Gedächtnisse. Selektivitäten in Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus, Bielefeld 2014 Siebeck, Cornelia: Unterwegs verloren? Die NS-Gedenkstätten und „kritisches Geschichtsbewusstsein“, in: GedenkstättenRundbrief 3/2015, Nr. 177, S. 5–10 IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 70 Jahre Kriegsende, Themenheft von: Aus Politik und Zeitgeschichte, 16-17/2015 Steur, Claudia, Schüller, Johanna, Weber, Charlotte: Deutschland 1945 – die letzten Kriegsmonate, Berlin 2014 Stubig, Silviana S.: Die Wirkung des Geschichtsunterrichts zu Nationalsozialismus und Holocaust auf die Identität von Jugendlichen, Aachen 2015 Unbequeme Denkmäler, Themenheft von: Lauenburgische Heimat. Zeitschrift des Vereins des Heimatbunds und Geschichtsvereins Herzogtum Lauenburg, März 2015, Heft 199 (Inhalt) Veen, Hans-Joachim, Knigge, Volkhard (Hrsg.): Denkmäler demokratischer Umbrüche nach 1945, Köln 2014 Wachsmann, Nikolaus, Steinbacher, Sybille (Hrsg.): Die Linke im Visier. Zur Errichtung der Konzentrationslager 1933, Göttingen 2014 Walser, Martin: Unser Auschwitz. Auseinandersetzung mit der deutschen Schuld, hrsg. und mit einem Nachw. vers. von Andreas Meier, Reinbek 2015 (Inhalt) Wiborg, Susanne: Glaube, Führer, Hoffnung. Der Untergang der Clara S., München 2015 Wild, Volker: 20 Jahre Bundesdenkmalpolitik zum Nationalsozialismus. Von der Neuen Wache bis zum Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 62 (2014) 11, S. 881– 900 ◄ 52 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 TERMINKALENDER Noch bis zum 26. April, Flandernbunker, Kiel, Kiellinie 249 Flucht und Vertreibung – 1945 bis heute Ausstellung. Nähere Informationen finden Sie hier. Noch bis zum 30. Juni, Flandernbunker, Kiel, Kiellinie 249 „Gott mit uns“. Kirchliche und religiöse Propaganda für Krieg und Vaterland Ausstellung. Nähere Informationen finden Sie hier. 24. April, 19.00 Uhr, Rathaus, Flensburg, Rathausplatz 1 Mai’ 45 – Kriegsende in Flensburg Buchvorstellung mit Prof. Dr. Gerhard Paul und Dr. Broder Schwensen. Nähere Informationen finden Sie hier. 26. April bis 20. Mai, Kino in der Pumpe, Kiel, Haßstraße 22 Kapitulation, Befreiung, Neubeginn Filmreihe zum 70. Jahrestag des Kriegsendes. Programminformationen finden Sie hier. 28. April bis 2. Mai, Putten bis Ladelund Versöhnung und Vergebung 700-Kilomenter-Staffellauf vom niederländischen Putten über Neuengamme nach Ladelund. Nähere Informationen finden Sie hier und hier. 29. April, 18.30 Uhr, Die Pumpe, Kiel, Haßstrasse 22 Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus Als Überlebende unter Tätern – Leben in der Nachkriegsgesellschaft. Gespräch mit Marianne und Günther Wilke. Eintritt frei. Nähere Informationen finden Sie hier. 3. Mai, 12:30 Uhr, Neustadt in H./ Pelzerhaken, Cap-Arcona-Ehrenmal, Stutthof-Weg Gedenkveranstaltung für die Opfer der Schiffskatastrophe in der Neustädter Bucht am 3. Mai 1945 Nähere Informationen finden Sie hier. 3. Mai, 15.00 Uhr, Busstation am Bahnhof, Quickborn Auf Spurensuche in Quickborn Stadtrundgang zur Geschichte des Nationalsozialismus. Teilnahme: 8/4 Euro. Anmeldung unter: [email protected]. Wiederholung als Radtour am 10. Mai, 14.30 Uhr. Nähere Informationen finden Sie hier. 3. Mai, 20.00, Kulturwerkstatt Forum, Neustadt in H., Wieksbergstraße 2 Peter Weiss – Die Ermittlung Szenische Lesung mit Andreas Hutzel und Rebecca Indermaur. Eintritt: 15/10 Euro. Nähere Informationen finden Sie hier. 4. Mai bis 16. August, Flandernbunker, Kiel, Kiellinie 249 Unbequeme Denkmäler. Kriegerdenkmäler und Mahnmale im Diskurs von 1918 bis heute Ausstellung. Schirmherrin: Kulturministerin Anke Spoorendonk. Eröffnung am 4. Mai, 18.30 Uhr. Nähere Informationen zum Rahmenprogramm finden Sie hier. 5. Mai, 10.00 Uhr, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Hamburg, Jean-Dolidier-Weg 75 Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen des KZ Neuengamme und seiner Außenlager Anmeldung: [email protected]. Informationen zu den weiteren Veranstaltungen der Gedenkstätte aus Anlass des 70. Jahrestages von Kriegsende und Lagerbefreiungen finden Sie hier. 5. Mai, 18.00 Uhr, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Kiel, Düsternbrooker Weg 70 Gedächtnisräume. Geschichtsbilder und Erinnerungskulturen in Norddeutschland Vortrags- und Diskussionsveranstaltung u.a. mit dem Historiker Prof. Dr. Martin Sabrow. Eintritt frei, Anmeldung: [email protected]. Nähere Informationen zum Programm finden Sie hier. 53 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E 5. Mai, 19.00 Uhr, Topographie des Terrors, Berlin, Niederkirchnerstraße 8 Die letzten Tage der NS-Diktatur. Vom Treiben und Ende der Regierung Dönitz in Flensburg Vortrag von Prof. Dr. Gerhard Paul, Universität Flensburg. Eintritt frei. Nähere Informationen zum Programm finden Sie hier. 5. Mai bis 20. Juni, Rathaus, Kiel, Fleethörn 9 9. November 1938: Die „Reichskristallnacht“ in Schleswig-Holstein Wanderausstellung. Eröffnung am 4. Mai, 19.00 Uhr, Anmeldung: [email protected]. Nähere Informationen finden Sie hier. 6. Mai, 19.00 Uhr, Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek, Kiel, Wall 47 Heimatgefühl und Judentum: Identität als Außen- und Innensicht Vortrag von Dr. Christian Walda, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Schloss Gottorf. Eintritt frei. Nähere Informationen finden Sie hier. 8. Mai, 16.00 Uhr, Schloss Gottorf, Schleswig, Schlossinsel 1 Friedenslicht. Eine Rose für die Erinnerungskultur in Schleswig-Holstein Auftaktveranstaltung zur Fundraising-Aktion von ProGedenkstätten. Eintritt frei. Nähere Informationen finden Sie hier. 8. Mai, 17.00 Uhr, Kiel, Hiroshimapark Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! Demonstration zum 70. Jahrestag von Befreiung und Kriegsende. Nähere Informationen finden Sie hier. 8. Mai, 18.00 Uhr, Audienzsaal des Rathauses, Lübeck, Breite Straße 62 Untergang und Zeitenwende. Lübeck in der ersten Jahreshälfte 1945 Vortrag von Dr. Jan Lokers. Nähere Informationen finden Sie hier. IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 8. Mai, 18.00 Uhr, Kulturladen Leuchtturm, Kiel, An der Schanze 44 Lesung zum 70. Jahrestag des Kriegsendes Geschichten, Lyrik und Kurzprosa für Frieden, Toleranz und Gerechtigkeit. Wolfgang Ram, Elisabeth Melzer-Geissler, Marianne Burtzlaff und Silvia Luise Wöhlk lesen aus ihren Werken. 8. Mai, 19.30 Uhr, Haus der Kulturen, Lübeck, Parade 12 Fritz Bringmann – Lebenserinnerungen Filmvorführung über den Lübecker Antifaschist und Neuengamme-Überlebenden. Eintritt frei. Nähere Informationen finden Sie hier. 9. Mai, 14.00 Uhr, Gedenkstätte Gudendorf, Vierthstraße Blumen für Gudendorf Gedenkveranstaltung der Initiative „Blumen für Gudendorf“. Nähere Informationen finden Sie hier. 9. Mai bis 7. Juni, Kultur- und Gedenkstätte Ehemalige Synagoge Friedrichstadt, Am Binnenhafen 17 Frieden im Land? 70 nach 1945 Wanderausstellung. Fr bis So,14.00 bis 17.00 Uhr. Nähere Informationen finden Sie hier. 10. Mai, 11.30 Uhr, Flandernbunker, Kiel, Kiellinie 249 Deserteure der Wehrmacht - Feiglinge oder Helden? Lesung und Diskussion. Der Schriftsteller Jochen Missfeldt liest aus seinem Roman „Steilküste“ im Rahmen der Ausstellung „Unbequeme Denkmäler“. Eintritt 6/4 Euro. Nähere Informationen finden Sie hier. 10. Mai, 15.00 Uhr, Gedenkstätte Ahrensbök, Flachsröste 16 Verfemt, verfolgt, vergessen. „Entartete“ Musik im Nationalsozialismus Vortrag von Wolf-Rüdiger Ohlhoff mit Musikbeispielen. 54 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 10. Mai, 15.00 Uhr, Cafe Medusa, Kiel, Medusastraße 16 Nicht nur in Worten, auch in der Tat. Käthe Sasso erzählt ihre Jugend im Widerstand Hörspiel über die Widerstandskämpferin und Ravensbrück-Überlebende. 11. Juni, 19.00 Uhr, Flandernbunker, Kiel, Kiellinie 249 Steine, die etwas bewegen. Was machen wir mit den Stolpersteinen – und was machen die Steine mit uns? Vortrag und Diskussion mit dem AKENSVorsitzenden Kay Dohnke. Eintritt frei. 15./16. Mai, jeweils 19.00 Uhr, Flandernbunker, Kiel, Kiellinie 249 „... bis in die siebte Generation“ Filmabend mit Livemusik. Zeitzeugen-Filmund Musikperformance mit Anja Kreysing und Anja Manleitner. Eintritt: 5/3 Euro. 18. bis 20. Juni, KZ-Gedenkstätte Dachau 70 Jahre nach der Befreiung der Konzentrationslager – was können die Gedenkstätten leisten? Bundesweites Gedenkstättenseminar. Näheres zu Programm und Anmeldung finden Sie hier. 20. Mai, 11.00 bis 12.30, 13.30 bis 15.00 Uhr, Flandernbunker, Kiel, Kiellinie 249 Euthanasie und Zwangssterilisation während der NS-Zeit Rassenhygiene, Erbgesundheitsgesetz – aus dem Leben eines jungen Dienstmädchens 1935. Eintritt: 4/3 Euro. 27. Mai, 11.00 bis 15.00, Flandernbunker, Kiel, Kiellinie 249 Mahnen nervt! Workshop mit dem Hamburger Performer Ulrich Mattes. Eintritt: 4/3 Euro (Wiederholung am 31. Mai, 14.30 bis 17.00 Uhr). 28. Mai, 18.15 bis 19.45 Uhr, CAU Kiel, Christian-Albrechts-Platz 3 Kieler Volkswirte und der Nationalsozialismus Vortrag von Prof. Dr. Johannes Bröcker, CAU im Rahmen der Ringvorlesung „350 Jahre Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der CAU“. 28. bis 29. Mai, Landesarchiv SchleswigHolstein, Schleswig, Prinzenpalais Vermittlungspotenzial der NS-„Volksgemeinschaft". Der fachdidaktische Gehalt eines wissenschaftlichen Analysekonzepts Tagung des IZRG. Beginn 14.00 Uhr. Eintritt frei, Anmeldung bis zum 21. Mai unter [email protected]. Das Tagungsprogramm finden Sie hier. 2. Juli, 19.00 Uhr, Flandernbunker, Kiel, Kiellinie 249 Steine des Anstoßes - Kriegerdenkmäler heute Vortrag von Dr. Harald Schmid, Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten. Eintritt frei. 9. Juli, 19.00 Uhr, Flandernbunker, Kiel, Kiellinie 249 Kriegsdenkmäler und Mahnmale als Aufgabe für die heutige Kunst? Vortrag und Diskussion mit Prof. Dr. Lars Olof Larsson, Kiel. Eintritt frei. 9./10. Juli, Kalkscheune, Berlin, Johannisstraße 2 Erinnern kontrovers. Aufbrüche in den Erzählungen zu Nationalsozialismus, Holocaust und Zweitem Weltkrieg Tagung. Nähere Informationen finden Sie hier. 13. August, 19.00 Uhr, Flandernbunker, Kiel, Kiellinie 249 Denk-Mal: Frieden. Friedensmale statt Kriegerdenkmale Vortrags- und Diskussionsabend mit Dr. William Boehart und Dr. Jens Rönnau. Eintritt frei. 1. bis 30. August, KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen, Springhirsch, an der B 4 Frieden im Land? 70 nach 1945 Wanderausstellung. Eröffnung am 1. August, 14.00 Uhr. ◄ 55 N E WSL ETTER G ED E NK ST ÄTT EN UND E R IN NERU NGSO RT E IN S C HL E SW I G -H O LSTE I N 7/2015 IMPRESSUM Herausgeberin: Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten Geschäftsstelle: c/o Nordkolleg Rendsburg Am Gerhardshain 44, 24768 Rendsburg Tel. +49 (0) 4331-1438-42 Fax: +49 (0) 4331-1438-20 V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhard Fouquet Redaktion, Organisation und Layout: Dr. Harald Schmid (H.S.) Kontakt: [email protected] Tel.: 0152-31758461 ◄ 56
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