Interview als PDF

.EUE-EDIENORDNUNG
%HERVAGEALSKONKRET
t Länder sind über die Ziele der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz uneins
t#JTTPMMFOFSTUF&SHFCOJTTF[VS.FEJFOSFHVMJFSVOHWPSMJFHFO
Interviews mit Klaus-Peter Murawski (B90/Grüne), Chef der Staatskanzlei Baden-Württembergs ; Björn Böhning (SPD),
Chef der Staatskanzlei Berlins und Axel Wintermeyer (CDU), Chef der Hessischen Staatskanzlei
Die Erwartungen an die Bund-Länderkommission zur Medienkonvergenz sind hoch. Die Medienwirtschaft erwartet konkrete Ergebnisse über die Gegenstände und die Art und Weise einer möglichen konvergenten Regulierung, damit sie sich mit ihren Geschäftsmodellen darauf einstellen kann.
Der Verbraucher erhofft sich den Erhalt und den Ausbau der Medienvielfalt, um weiterhin sachlich,
objektiv und umfassend informiert zu werden. Die Vorstellungen der an den Gesprächen beteiligten
Bundesländer sind teils noch vage und divergent. Baden-Württemberg hofft, „dass zu den einzelnen
Fragestellungen zumindest Eckpunkte entworfen und möglichst weitere Verfahrensschritte vereinbart
werden.“ Berlin geht „von konkreten Ergebnissen in den Themenbereichen aus“ und für Hessen geht es
bei den Gesprächen eher um eine Synchronisierung der Aufgabenwahrnehmung als um Verhandlungen im Sinne eines „Nehmens und Gebens“. Folgt man diesen Gedanken, sieht es nicht danach aus,
EBTTBN&OEFEFS-FHJTMBUVSQFSJPEFoBMTPCJTFJOFOFVF.FEJFOPSEOVOHTUFIFOLÚOOUF
u$ER2EGULIERUNGVON
3UCHMASCHINENKOMMT
EINEBESONDERE2OLLEZUh
Klaus-Peter Murawski (B90/Grüne),
Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei
Baden-Württembergs
promedia: Herr Murawski, Baden Württemberg gehört zur Gruppe der Länder, die in
der Bund-Länderkommission über Medienkonvergenz verhandeln. Was ist ihr vorrangiges Ziel bei diesen Verhandlungen?
Murawski: Digitalisierung und Medienkonvergenz lassen die Überschneidungsbereiche
zwischen den Gesetzgebungskompetenzen
von Bund und Ländern im Bereich der
Medienregulierung viel deutlicher hervortreten als bisher. Bund und Länder haben
erkannt, dass es sinnvoll ist, in diesen
Bereichen zu einem abgestimmten Regulierungsrahmen zu kommen. Zwar hat es auch
in der Vergangenheit Bund-Länder-Gespräche zu diesen Themenkomplexen gegeben;
mit der Bund-Länder-Kommission bietet
sich nun aber erstmals die Gelegenheit, die
Frage der Medienregulierung in größeren
Gesamtkomplexen gemeinsam in einem
übergeordneten Verfahren zu diskutieren.
$IGITALE-EDIENORDNUNGPROMEDIA
Ich erwarte daher von der Arbeit der
Kommission wichtige Impulse für eine
zeitgemäße und stimmige Fortentwicklung
der Medienordnung in Deutschland.
Fragestellungen erfordert allerdings auch
eine umfassende und vertiefte Diskussion,
die ihre Zeit braucht. Ich halte daher schon
die Einrichtung der Bund-Länder-Kommission für einen Gewinn, da die Kommission
promedia: Welche Bedeutung kommt einer
ein gutes Forum bietet, um die erforderlichen fachlichen Gespräche
gleichzeitig mit einer politischen
+LAUS0ETER-URAWSKI
Diskussion zur Fortentwicklung
'EBOREN
3TUDIUM0OLITOLOGIE3OZIOLOGIE'ER
der Medienregulierung in
MANISTIK'ESCHICHTEUND2ECHTSWIS
Deutschland zu flankieren. Die
SENSCHAFTEN
Medien sind nicht nur Wirt+AUFMANN
-ITGLIEDDER&$0
schafts-, sondern auch Kultur3EIT-ITGLIEDDER'RÓNENUA
gut, weshalb es besonders
&RAKTIONSVORSITZENDERDER'RÓNEN
wichtig ist, die verschiedenen
3TADTRATSFRAKTIONIN.ÓRNBERG
"ÓRGERMEISTERDER3TADT
Aspekte dieses Bereichs durch
.ÓRNBERG
eine aufeinander abgestimmte
"ÓRGERMEISTERDER3TADT
Regulierung zu einem Ausgleich
3TUTTGART
zu bringen.
erfolgreichen Arbeit dieser Bund-Länderkommission für eine digitale Medienordpromedia: Die Verhandlungen werden sich
nung zu?
wahrscheinlich auf sechs Themenfelder
Murawski: Die Bund-Länder-Kommission
erstrecken. Welches ist für Sie das Wichtigsbietet die Chance, den bestehenden mediente?
rechtlichen Regulierungsrahmen in einem
Murawski: In zeitlicher Hinsicht ist sicherzeitnahen Zusammenhang unter verschiede- lich die Überarbeitung der AVMD-Richtlinen rechtlichen Gesichtspunkten zu erörtern nie eines der drängendsten Themen.
und abgestimmte Reformvorhaben auf den
EU-Kommissar Oettinger hat angekündigt,
Weg zu bringen. Dies ist eine große Chance.
bereits im März 2016 Vorschläge für eine
Die Komplexität der zugrundeliegenden
Überarbeitung der AVMD-Richtlinie
vorlegen zu wollen. Bund und Länder sind
hier gefordert, möglichst zeitnah Positionen
zu erarbeiten und diese in den Prozess der
Überarbeitung der Richtlinie einzubringen,
zumal grundlegende Änderungen der
AVMD-Richtlinie auch einen entsprechenden
Regulierungsbedarf im nationalen Recht nach
sich ziehen würden. Darüber hinaus möchte
ich das Themenfeld der Plattformregulierung
nennen. Gerade die Plattformregulierung war
bisher ein wichtiges Instrument der Vielfaltssicherung, das sich zwischenzeitlich jedoch
durch die Bildung neuer Plattformen und
Gatekeeper-Funktionen relativiert hat. In
diesem Zusammenhang ist insbesondere auch
die Frage der Einbeziehung von Suchmaschinen zu prüfen.
promedia: Zu den sechs Themen gehört die
Netzneutralität nur gegebenenfalls. Wie
wichtig ist Ihnen dieses Thema?
Murawski: Die Frage der Netzneutralität hat
nach meiner Auffassung herausragende
Bedeutung für den Wirtschaftsstandort
Deutschland. Die Nutzung des Netzes als
Infrastruktur ist nicht nur die Grundlage einer
Vielzahl – auch innovativer neuer – Geschäftsmodelle, sondern ist zudem der
wichtigste Verbreitungsweg, über den
zukünftig Medieninhalte vermittelt werden.
In der Frage der Netzneutralität stehen wir
allerdings nicht mehr am Anfang der
Diskussion. So liegt auf EU-Ebene bereits ein
Verordnungsvorschlag zum sog. TSM-Pakt
vor, zu dem gerade der Trilog gestartet wurde,
der auch die Frage der Netzneutralität
mitumfasst. Je nachdem, wie die Verhandlungen auf EU-Ebene ausgehen, werden wir auf
nationaler Ebene mehr oder weniger große
Handlungsspielräume erhalten, um den
Aspekt der Netzneutralität im nationalen
Recht auszugestalten. Daher ist es nach
meiner Auffassung ganz wichtig, dass wir zu
diesem Thema mit dem Bund in einem engen
Austausch über den Stand der Verhandlungen
auf EU-Ebene, die weiteren Vorstellungen des
Bundes, aber auch über die Position der
Länder in dieser Frage bleiben.
promedia: Einer der Diskussionspunkte ist
der Einfluss von Suchmaschienen auf
Meinungsbildung und Meinungsvielfalt. Ist
es Ihr Ziel, diesen Einfluss zu kontrollieren?
Murawski: Die medienpolitische Herausforderung besteht darin, eine Antwort darauf zu
finden, wie meinungsmächtige bzw.
meinungsrelevante globale Wirtschaftsunternehmen in die nationale Vielfaltsregulierung
mit einbezogen werden können. Dabei
kommt der Frage der Regulierung von
Suchmaschinen sicherlich eine besondere
Rolle zu. Denn Meinungsvielfalt im Netz
kann nur dann gewährleistet werden, wenn
meinungsvielfältige Inhalte im Netz auch
gefunden werden können, ohne dass
bestimmte Inhalte gegenüber anderen
Inhalten begünstigt werden. Ansatzpunkte
für die Regulierung von Suchmaschinen
könnten eine überarbeitete Plattformregulierung sowie eine Reform des Medienkonzentrationsrechts sein, mit dem man stärker als
bisher die Meinungsmacht eines Unternehmens in anderen Medienmärkten als dem
Fernsehmarkt in die Gesamtbetrachtung mit
einbezieht. Daneben wäre zu prüfen, ob die
bisherigen kartellrechtlichen Regulierungsansätze der Wettbewerbssituation nationaler
Medienmunternehmen im Verhältnis zu
global agierenden Medienunternehmen und
deren Aktivitäten auf dem deutschen Markt
noch hinreichend Rechnung tragen.
promedia: Sollen die Verhandlungen auch
strukturelle Fragen betreffen, z.B. eine
Koordinierungsstelle zwischen Bund und
Ländern oder die Schaffung einer Medienanstalt der Länder?
Murawski: Im Rahmen der vereinbarten
Themenfelder können durchaus auch
strukturelle Fragestellungen zur Sprache
kommen. Anhaltspunkte hierfür gibt es
beispielsweise in dem von Professor Kluth
und Professor Schulz für die Länder
erstellten Gutachten „Konvergenz und
regulatorische Folgen“ , in dem u.a. unterschiedliche Verfahren zur Koordinierung
von Aktivitäten in den Überschneidungsbereichen von Bundes- und Länderzuständigkeiten beschrieben werden, die durchaus
Gegenstand der Erörterungen werden
können. Die derzeitige Struktur der Medienaufsicht sehe ich allerdings nicht als Gegenstand der Verhandlungen mit dem Bund.
promedia: Sollen die Verhandlungen auch zu
einer Neuordnung des Medienkonzentrationsrechts führen?
Murawski: Baden-Württemberg wird im
Rahmen der Bund-Länder-Kommission eine
Arbeitsgruppe zum Thema Kartellrecht/
Vielfaltsicherung federführend gemeinsam
mit dem Bundeswirtschaftsministerium
leiten. Dabei wird sicherlich auch das
Verhältnis zwischen Kartellrecht und dem
Medienkonzentrationsrecht zu thematisieren
sein. Zudem gibt es – worauf auch Kluth/
Schulz in ihrem Gutachten hinweisen – einen verfassungsrechtlichen Auftrag an die
hier zuständigen Länder, im Rahmen der
Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit einen
Ordnungsrahmen zu schaffen, mit dem
vorherrschende Meinungsmacht wirksam
verhindert und Meinungsvielfalt gesichert
werden kann. Insofern könnte im Zuge der
Gespräche erörtert werden, inwieweit
etwaige Änderungen im Kartellrecht auch
von einem überarbeiteten Medienkonzentrationsrecht flankiert werden müssten. In
letzterem Bereich gibt es auf Länderseite
bereits vielversprechende Vorarbeiten aus
den letzten Jahren, die eine gute Grundlage
für neue Überlegungen zu diesem Thema
sein könnten.
promedia: Welches Ergebnis sollten die
Verhandlungen mindestens erreichen?
Murawski: Die zugrundeliegenden Fragestellungen sind zum Teil sehr komplex und
unterliegen unterschiedlichen Einflüssen, wie
etwa den weiteren Entwicklungen auf
europäischer Ebene. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass die
Bund-Länder-Kommission zu allen Fragestellungen bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode im Bund bereits eine regulatorische Umsetzung erreichen kann. Deshalb
sollten zu den einzelnen Fragestellungen
zumindest Eckpunkte entworfen und
möglichst weitere Verfahrensschritte
vereinbart werden, die es ermöglichen, diese
Fragestellungen auch nach Ablauf der
Legislaturperiode gemeinsam mit dem Bund
weiter zu verfolgen und zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen. Die Entwicklung
einer digitalen Medienordnung ist meines
Erachtens zu wichtig, um sie an die Dauer
einer Legislaturperiode binden zu können.
u"UNDUND,ÛNDERMÓS
SENEINEGEMEINSAME
(ALTUNGZUR.ETZNEUTRALITÛT
ENTWICKELNh
Björn Böhning (SPD), Staatssekretär
und Chef der Staatskanzlei Berlins
promedia: Herr Böhning, Berlin gehört, zur
Gruppe der Länder, die in der Bund-Länderkommission über Medienkonvergenz
verhandeln. Was ist Ihr vorrangiges Ziel bei
diesen Verhandlungen?
Böhning: Die zunehmende Konvergenz von
Medieninhalten über die unterschiedlichsten
technischen Übertragungswege erfordert eine
Überprüfung der Regulierungen. Ich sehe die
Bund-Länder-Kommission als eine Gruppe,
in der Bund und Länder eine Verständigung
über gemeinsame Ziele, Werte und Aushandlungsarenen treffen. Das beinhaltet auch
Strukturfragen, aber die Länder werden die
Verantwortung, die in ihrem Kompetenzbereich liegt, auch wahrnehmen. In einem
weiteren Schritt sollen diese dann Grundlage
der Modernisierung und Harmonisierung
von medienrelevanten Regelungsmaterien
wie Rundfunkrecht, Telekommunikationsrecht, Telemedienrecht, Medienkonzentrationsrecht, Kartellrecht und Jugendschutzrecht
werden sowie die Basis für die Zusammenarbeit und die bessere Koordination von
Behördenaktivitäten und -entscheidungen
bilden.
$IGITALE-EDIENORDNUNGPROMEDIA
Austausch mit dem Bund steht für mich
wegen der fortschreitenden Trilog-Verhandlungen zum Digital-Single-Market Paket in
Brüssel an vorderster Stelle. Die Sicherung
einer Gleichbehandlung aller im offenen
Internet übertragenen Datenpakete ohne
Berücksichtigung des Absenders, des
Empfängers, der Art der Anwendung, des
Dienstes oder seines Inhalts in Anwendung
des Best-Effort-Prinzips halte ich für
unerlässlich, um eine freie Meinungsbildung
über eine uneingeschränkte Vielfalt an
Angeboten und Inhalten sicher zu stellen.
Soweit daneben noch Spezialdienste möglich
sind, so müssen diese in einem RegelAusnahme-Verhältnis zum offenen
"JšRN"šHNING
'EBOREN
Internet stehen und als solche nur
3TUDIUMDER0OLITIK
nach engen und klaren Kriterien
WISSENSCHAFT
zugelassen werden. Ich plädiere
*USO"UNDESVORSIT
ZENDER
dafür, dass Bund und Länder nicht
-ITGLIEDDES30$
abwartend auf Brüssel schauen,
0ARTEIVORSTANDES
sondern eine gemeinsame Haltung
,EITERDER!BTEI
LUNGu0OLITISCHE'RUNDSATZUND
zur Wahrung des gleichberechtigten
0LANUNGSANGELEGENHEITENhINDER
Zugangs und der gleichberechtigen
3ENATSKANZLEIDES,ANDES"ERLIN
3EIT#HEFDER3ENATSKANZLEI Übermittlung von Datenpaketen
DES,ANDES"ERLIN
entwickeln.
promedia: Welche Bedeutung kommt einer
erfolgreichen Arbeit dieser Bund-Länderkommission für eine digitale Medienordnung zu?
Böhning: Es ist der erste Versuch von Bund
und Ländern sich gemeinsam den Herausforderungen der digitalisierten und zunehmend konvergenten Medienwelt grundlegend zu widmen und einen zeitgemäßen
Ordnungsrahmen zu schaffen. Je erfolgreicher die Kommission arbeitet, je mehr
Harmonisierung der Regelungsmaterien wir
erreichen und je weitreichender die Umsetzung in den einzelnen Zuständigkeiten
erfolgt, desto moderner wird die deutsche
Medienordnung aufgestellt sein und desto
transparenter und verlässlicher werden die
Regulierungsentscheidungen nachvollziehbar werden.
promedia: Die Verhandlungen sollen sich auf
sechs Themenfelder erstrecken. Welches ist
für Sie das Wichtigste?
Böhning: Eine Gewichtung der Themen
wurde bewusst nicht vorgenommen. In allen
Themenfeldern werden gleichzeitig Arbeitsgruppen eingerichtet, die zügig mit der
Arbeit beginnen.
Aktuell stehen Fragen der Regulierung von
Intermediären mit Blick auf die Untersuchungen der EU-Kommission wegen
mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften durch Google im öffentlichen
Fokus. Die Themen „Plattformregulierung“
und „Regulierung von Intermediären
(Suchmaschinen)“ sind darüber hinaus
relevant, da Suchmaschinen, Social Media
Angebote und Commerce-Plattformen
zunehmend eine aktive Rolle bei der
Übermittlung von Informationen übernehmen. Durch ihre aggregierenden und zum
Teil bewertenden Aktivitäten lässt sich somit
ein Einfluss auf die Meinungsbildung
jedenfalls nicht ausschließen und bedarf
daher unserer erhöhten Aufmerksamkeit.
promedia: Zu den sechs Themen gehört die
Netzneutralität . Wie wichtig ist Ihnen dieses
Thema?
Böhning: Berlin hat hier im Kreise der
Länder die Federführung für das Thema
„Netzneutralität“. Ein enger und zeitnaher
$IGITALE-EDIENORDNUNGPROMEDIA
promedia: Einer der Diskussionspunkte ist
der Einfluss von Suchmaschienen auf
Meinungsbildung und Meinungsvielfalt. Ist
es Ihr Ziel, diesen Einfluss zu kontrolliere?
Böhning: Verfassungsgemäßer Auftrag und
damit auch Ziel der Länder ist es, die
Medienordnung so zu gestalten, dass die
öffentliche freie und individuelle Meinungsbildung und –freiheit gewährleistet ist. Dazu
gehört auch der Schutz der Vielfalt von
meinungsbildenden Inhalten. Wenn diese
z.B. durch einen Intermediär gefährdet ist
oder potentiell gefährdet werden könnte, so
muss der Gesetzgeber alle Möglichkeiten der
Verhinderung in Erwägung ziehen. Das
geeignete und beste Instrument hierfür wird
in Bezug auf international agierende
Konzerne mit einem Sitz außerhalb von
Deutschland oder gar Europa noch zu
diskutieren sein. Hier mag eine stärkere
Transparenzverpflichtung und Offenlegung
von Bevorzugungen ein erster Schritt in die
Richtung Einflussbegrenzung sein.
promedia: Sollen die Verhandlungen auch
strukturelle Fragen betreffen, z.B. eine
Koordinierungsstelle zwischen Bund und
Ländern oder die Schaffung einer Medienanstalt der Länder?
Böhning: Neben den inhaltlichen Positionen
ist vorgesehen, dass zwischen Bund und
Ländern auch Arbeitsstrukturen besprochen
werden. Vornehmlich mit dem Ziel,
Doppelstrukturen zu verhindern oder
aufzulösen und abgestimmte Entscheidungen der einzelnen Organisationen trotz
unterschiedlicher Zielsetzungen zu ermöglichen. Ich bin für eine Medienanstalt der
Länder, sehe dafür aber derzeit noch keine
mehrheitsfähige Position. Klar ist: Wenn wir
über einen Ordnungsrahmen, also auch neue
„level playing fields“ reden, müssen wir
unsere Strukturen in den Blick nehmen.
Niemand will neue Behördenungetüme, aber
definierte Schnittstellen brauchen vermutlich
auch entsprechende Arenen zwischen
öffentlichen wie privaten Akteuren.
promedia: Sollen die Verhandlungen auch zu
einer Neuordnung des Medienkonzentrationsrechts – das bisher fernsehzentriert ist
– führen?
Böhning: In keinem der thematisierten
Bereiche ist eine völlige Neuordnung
beabsichtigt. Das würde die Steuerungsgruppe und das Vorhaben überfrachten und
lähmen. Im Themenbereich des Medienkonzentrationsrechts gab es in der Vergangenheit
medienpolitisch relevante Vorhaben, die
durch Entscheidungen des Bundeskartellamtes verhindert wurden. Eine Abstimmung
zwischen der wettbewerbsrechtlich ausgerichteten Bundesbehörde und der auf
Meinungsvielfalt abzielenden Kommission
zur Ermittlung von Konzentration in den
Medien wäre in diesen Fällen wünschenswert gewesen und wird als Beispiel in die
Arbeitsgruppe zum Themenbereich
„Kartellrecht und Vielfaltssicherung“ mit
einfließen.
promedia: Welches Ergebnis sollten die
Verhandlungen mindestens erreichen?
Böhning: Ich erwarte von den Gesprächen
jedenfalls mehr als nur einen Zeitplan für die
einzelnen Vorhaben. Zwar ist die Steuerungsgruppe erstmal nur bis zum Abschluss der
laufenden Legislaturperiode des Bundes
befristet. In dieser Zeit gehe ich jedoch von
konkreten Ergebnissen in den Themenbereichen aus, in denen das Problembewusstsein
vorhanden und die Sachlage klar ist. Beispielhaft wird schon im Koalitionsvertrag der
Bundesregierung erwähnt, dass das Kartellrecht dahingehend zu überprüfen ist, wie es
an die aktuellen Entwicklungen im Sinne der
Konvergenz anzupassen ist, ohne die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Medienunternehmen im internationalen
Vergleich zu beeinträchtigen.
u%SWIRDUMEINE3YNCHRO
NISIERUNGDER!UFGABEN
WAHRNEHMUNGGEHENh
Axel Wintermeyer (CDU), Chef der
Hessischen Staatskanzlei
promedia: Herr Wintermeyer, Hessen gehört
zur Gruppe der Länder, die in der BundLänder-Kommission über Medienkonver-
vorgegebene Kompetenzordnung die
Grundlage für die Beratungen zwischen
Bund und Ländern bildet und unangetastet bleibt. Insoweit wird es bei den Gesprächen zwischen Bund und Ländern eher um
eine Synchronisierung der Aufgabenwahrnehmung als um Verhandlungen im Sinne
eines „Nehmens und Gebens“ gehen. Die
Themen „AVMD-Richtlinie, Jugendmedienschutz, Vielfaltssicherung, Plattformregulierung, Intermediäre und Netzneutralität“ unterliegen jedenfalls unter dem
Blickwinkel der Vielfaltssicherung der
ausschließlichen Zuständigkeit oder – was
den Jugendmedienschutz betrifft – kraft
Sachzusammenhangs der Rundfunkhoheit
der Länder.
Zu jedem einzelnen der angeführten
Themen werden sich die Länder positionieren, bevor sie Gespräche mit dem Bund
aufnehmen. Vom Bund erwarte ich, dass er
im Hinblick auf den Jugendschutz für
Trägermedien, das Kartellrecht sowie die
bundesrechtliche Absicherung der
Netzneutralität ebenso vorgeht; zur
gemeinschaftsrechtlichen Absicherung der
Netzneutralität haben sich die
Länder bereits über den Bundesrat
!XEL7INTERMEYER
'EBOREN
positioniert. Dann wird darüber zu
3TUDIUMDER2ECHTS
beraten sein, ob hieraus SynchroniWISSENSCHAFTEN
sierungs- und Anpassungsbedarf
2ECHTSANWALT
3EIT-ITGLIEDDER#$5
resultiert. In diesem Sinne sehe ich
-ITGLIEDDES0RÛSIDIUMSUNDDES
gute Chancen für eine erfolgreiche
,ANDESVORSTANDESDER#$5
Arbeit der Bund-Länder-Kommis(ESSEN
3EIT-ITGLIEDDES
sion.
(ESSISCHEN,ANDTAGES
Sämtliche der sechs zu behandeln3EIT3TAATSMINISTER
den Themenfelder sind gleich
#HEFDER3TAATSKANZLEI
bedeutsam. Dies schließt aus
meiner Sicht nicht aus, die Themen
Mehr als eine Unterstützung oder Flankie- AVMD-Richtlinie, Jugendmedienschutz
sowie Kartellrecht/Vielfaltssicherung
rung der Länder durch den Bund ist
prioritär zu behandeln, zumal diese bereits
aufgrund der vorgegebenen Kompetenzeinen bestimmten Konkretisierungsgrad
ordnung verfassungsrechtlich allerdings
erreicht haben bzw. in Kürze erreichen
auch nicht möglich. Für die Sicherung der
werden.
Meinungsvielfalt sind allein die Länder
zuständig, während der Bund die Infrastrukturvorgaben und wettbewerbsrechtli- promedia: Zu den sechs Themen gehört
die Netzneutralität. Wie wichtig ist Ihnen
chen Rahmenbedingungen zu gewährleisdieses Thema?
ten hat. In diesem Sinne begrüße ich es,
Wintermeyer: Eine wirksame Sicherung
dass wir uns nun gemeinsam mit dem
von Netzneutralität ist die KernvoraussetBund auf den Weg machen, um zu
Verfahrensabsprachen und gegebenenfalls zung für den Erhalt eines offenen und
freien Internets und die Sicherung von
auch zu größerer Kompatibilität zwischen
Medienvielfalt. Hessen hat ebenso wie die
den jeweils eigenständigen Regelungsmaübrigen Länder bereits 2013 die Auffasterien zu kommen. Die Fahrrinne, in der
sung des Bundesrates mitgetragen, dass
sich die Länder mit ihrem Boot zur
alle Datenpakete im Rahmen der elektroAusgestaltung der Medienordnung
bewegen, ist verfassungsrechtlich vorgege- nischen Kommunikation unabhängig von
ben; der Bund hat – um im Bild zu bleiben Inhalt, Anwendung, Herkunft und Ziel
– die Befahrbarkeit und Außenbefestigung grundsätzlich gleich behandelt werden
müssen (Bundesratsbeschluss vom
dieser Fahrrinne der Länder durch
29.11.2013, BR-Drucks. 689/13). Im
wettbewerbs- und infrastrukturrechtliche
Hinblick auf das Internet gibt es in diesem
Rahmenbedingungen sicherzustellen.
Sinne kaum ein wichtigeres Thema als die
Hessen wird ein besonderes Augenmerk
darauf legen, dass die verfassungsrechtlich Gewährleistung von Netzneutralität. Mit
genz verhandeln. Was ist Ihr vorrangiges Ziel
bei diesen Verhandlungen?
Wintermeyer: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind
die Länder für die gesetzliche Ausgestaltung der Medienordnung zur Sicherung
der Rundfunkfreiheit zuständig. Karlsruhe
hat erst jüngst in seinem ZDF-Urteil
hervorgehoben, dass die Anforderungen
an diese Ausgestaltung auch nicht durch
die rasante Entwicklung von Kommunikationstechnologien und Medienmärkten
überholt sind. Diese Erkenntnis ist
allerdings auch nicht neu. Die Länder sind
bereits seit vielen Jahren dabei, die
Medienordnung an die sich aus der
Konvergenzentwicklung ergebenden
Folgen anzupassen. Fast jeder Änderungsstaatsvertrag der Länder ist Ausdruck
dieser Bemühungen. Mit Blick auf den
Bund bin ich dankbar für dessen Absicht,
die Bemühungen der Länder um eine der
Medienkonvergenz angemessene Medienordnung zu unterstützen, wie es in der
Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene
heißt.
Blick auf Artikel 23 des Grundgesetzes ist
der Bund gehalten, diese Position auf
europäischer Ebene zu vertreten.
promedia: Einer der Diskussionspunkte ist
der Einfluss von Suchmaschienen auf
Meinungsbildung und Meinungsvielfalt. Ist
es Ihr Ziel, diesen Einfluss zu kontrollieren?
Wintermeyer: Die marktbeherrschende
Stellung von Google bleibt der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung durch die
Europäische Kommission vorbehalten, die
ja in der Sache gerade aktiv geworden ist.
Der Einfluss von Google und anderen auf
die Meinungsbildung und Meinungsvielfalt
im Netz ist offensichtlich. Den Ländern
wurde zur Vorbereitung der Bund-LänderGespräche auch gutachterlich bestätigt,
dass Intermediäre – sprich Suchmaschinen
– im Online-Bereich durch ihre Vermittlungsfunktion zum Nutzer das Potenzial
haben, den Meinungsbildungsprozess in
verschiedener Weise zu beeinflussen und
sogar zu lenken. Insofern muss es Ziel der
Länder sein, Rahmenbedingungen zu
schaffen und zu unterstützen, die Google
als „netzbeherrschendes Unternehmen“ zu
vielfaltssichernden Maßnahmen anhalten.
promedia: Sollen die Verhandlungen auch
strukturelle Fragen betreffen, z.B. eine
Koordinierungsstelle zwischen Bund und
Ländern oder die Schaffung einer Medienanstalt der Länder?
Wintermeyer: Die Institutionalisierung
einer Koordinierungsstelle zwischen Bund
und Ländern steht zu Recht nicht auf der
Tagesordnung der Bund-Länder-Gespräche. Ich halte sie auch nicht für sachdienlich, zumal sich Bund und Länder – auch
in institutionalisierter Form wie im
Grundgesetz vorgesehen über den Bundesrat – im ständigen Austausch befinden.
Die Frage nach einer Medienanstalt der
Länder wäre allein von den Ländern zu
beantworten; sie steht derzeit ebenfalls
nicht auf der medienpolitischen Agenda.
promedia: Sollen die Verhandlungen auch
zu einer Neuordnung des Medienkonzentrationsrechts führen?
Wintermeyer: Auch diese Frage haben
ausschließlich die Länder selbst zu beantworten. Der jüngst vorgelegte Konzentrationsbericht der KEK bietet für eine Auseinandersetzung mit dieser Frage eine gute
Grundlage. Die Bund-Länder-Kommission
wird sich im Kontext des angeführten
Themenfeldes eher mit der kartellrechtlichen Frage zu beschäftigen haben, wie neue
technische Möglichkeiten der Mediendistribution – ich denke hier etwa an die
Fortentwicklung der terrestrischen Fernsehverbreitung über DVBT 2 – kartellrechtlich
flankiert werden können.
$IGITALE-EDIENORDNUNGPROMEDIA