Auto-Antikörper-Messungen: Bei welchen

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Mini-Review Praxis 2010; 99 (23): 1429–1434 1429
Universitätsklinik für Rheumatologie, Klinische Immunologie & Allergologie,
Inselspital Bern
M. Seitz
Auto-Antikörper-Messungen:
Bei welchen klinischen
Symptomen?
Which Clinical Symptoms Suggest Distinct Autoantibody Measurements?
Zusammenfassung
Die Messung von Autoantikörpern
stellt einen wesentlichen Eckpfeiler der
Diagnostik systemischer Autoimmunerkrankungen wie den autoimmunen
Konnektivitiven (= Kollagenosen) und
den systemischen Kleingefässvaskulitiden dar. Geeignete Screening-Untersuchungen sind der Nachweis der
antinukleären Antikörper (ANA) bei
den Konnektivitiden sowie der antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörper (p+c-ANCA) bei den Kleingefässvaskulitiden. Eine erweiterte
Autoantikörperdiagnostik sollte aus
gesundheitsökonomischen wie auch
aus intellektuell/didaktischen Gründen ausschliesslich zielgerichtet erfolgen auf der Basis von Anamnese und
klinischem Untersuchungsbefund und
auf daraus abzuleitenden diagnostischen Verdachtsmomenten.
Schlüsselwörter: Autoantikörper –
Arthritis, rheumatoide – Konnektivitiden, autoimmune – Vaskulitiden
Anamnestische und klinische Verdachtsmomente
Beim Vorliegen von B-Symptomen (Fieber, Nachtschweiss, Gewichtsabnahme,
Malaise) und bei gleichzeitigem Vorhandensein von rheumatologischen
© 2010 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
Symptomen im engeren Sinne wie polymyalgischen Beschwerden, Polyarthralgien oder Arthritiden liegt der differentialdiagnostische Verdacht auf eine
rheumatologische Systemerkrankung
(Konnektivitis, Vaskulitis) nahe. In
diesem Falle lohnt es sich neben dem
Infekt- und Tumorausschluss ein labormässiges «Autoimmun-Screening» mit
der Bestimmung von ANA und ANCA
durchzuführen.
Autoantikörper bei autoimmunen Konnektivitiden
(Kollagenosen)
Das Vorliegen einer autoimmunen
Konnektivitis wird umso wahrscheinlicher, je mehr der folgenden spezifischeren zusätzlichen Krankheitssymptome
vorliegen:
앫 Raynaud-Symptomatik
앫 Sicca-Symptomatik
앫 Keratokonjunktivitis
앫 Entzündliche Arthralgien (Ruheschmerz und Morgensteifigkeit),
Arthritiden (Gelenkschwellung, Ruheschmerz, Morgensteifigkeit)
앫 Hautexanthem nach Sonnenexposition
(bei SLE, entzündlichen Myopathien)
앫 Haarausfall
앫 Hautulzerationen, Enanthem
앫 Rasch progrediente proximale Muskelschwäche (Dermato- oder Polymyositis)
앫 Skleroderme Hautveränderungen, Sklerodaktylie und Teleangiektasien (diffuse oder limitierte Systemsklerose)
앫 Trockener unproduktiver Reizhusten,
Dyspnoe, Sklerosiphonie (interstitielle
Lungenerkrankung)
앫 Dysphagie, verkürztes und verdicktes
Zungenbändchen, Tabaksbeutelmund/
Mikrostomie, Refluxbeschwerden, Flatulenz, Diarrhöe (Systemsklerose)
앫 Thoraxschmerzen, thorakales Druckgefühl (Pleuritis, Perikarditis)
앫 Arterielle Hypertonie, Proteinurie,
Ödeme, Mikrohämaturie (Glomerulonephritis)
앫 Neurologische Defizite, Wesensveränderungen (ZNS-Befall)
앫 Rezidivierende Thromboembolien,
Spontanaborte (AntiphosphoplipidSyndrom)
Im Artikel verwendete Abkürzungen:
ANA
antinukleäre Antikörper
ANCA antineutrophile zytoplasmatische
Antikörper
anti-ccP Antikörper gegen zyklisches
citrulliniertes Peptid
aPTT
partielle Thromboplastinzeit
MCTD mixed connective tissue disease
MPO
Myeloperoxidase
PR3
Proteinase 3
RA
rheumatoide Arthritis
RF
Rheumafaktoren
SLE
systemischer Lupus erythematodes
SRP
signal recognition particle
DOI 10.1024/1661-8157/a000311
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Bei persistierenden symmetrischen Gelenkschwellungen während mehr als
sechs Wochen muss die differentialdiagnostische Möglichkeit einer beginnenden rheumatoiden Arthritis (RA)
erwogen werden und neben der allgemeinen Entzündungsdiagnostik, dem
Gelenkultraschall und dem Gelenkröntgen eine Autoantikörper-Diagnostik mit
Bestimmung der Rheumafaktoren (RF;
routinemässig IgM-Subtyp ausreichend),
der Antikörper gegen zyklisches citrulliniertes Peptid (anti-ccP) und der ANA
erfolgen. Mit der kombinierten Bestimmung von RF und anti-ccP-Antikörpern
kann heute mit einer hohen Sensitivität
(ca. 75%) und Spezifität (ca. 96%) die
Diagnose einer RA untermauert werden.
In über 60% der Fälle von initial RFnegativer RA können anti-ccP Antikörper nachgewiesen werden. Neben ihrem
Nutzen in der Frühdiagnostik der RA hat
der positive Nachweis von anti-ccPAntikörpern auch eine prognostische
Bedeutung im Hinblick auf eine zu erwartende erosive Erkrankung und eine
daraus abzuleitende aggressive initiale
Behandlung.
An eine autoimmune Konnektivitis
(Kollagenose) im engeren Sinne, z.B. an
einen systemischen Lupus erythematodes (SLE), muss man denken, wenn
ein(e) Patient(in) sich mit B-Symptomen, entzündlichen Arhralgien, einem
typischen Schmetterlingserythem im
Gesicht (oft nach Sonnenexposition),
einer Sicca-Symptomatik von Augen
(Xerophthalmie, Keratokonjuktivitis),
Mund (Xerostomie) und mit weiteren
organspezifischen Symptomen präsentiert (z.B. Pleuritis/Perikarditis, Ödeme,
arterielle Hypertonie, neurologische und/
oder psychische Auffälligkeiten, thromboembolische Ereignisse und rezidivierende Spontanaborte). In diesem Falle
ist zusätzlich zur Bestimmung der ANA
eine erweiterte Autoantikörper-Diagnostik gerechtfertigt mit der Bestimmung von: anti-ds-DNS-Antikörpern
mittels ELISA (niedrigaffine, pathogenetisch weniger bedeutende Autoantikör-
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Tab. 1: Autoantikörper beim SLE.
Autoantikörper
ANA
Sensitivität (%)
Spezifität (%)
Kommentare
Screening
100
ds-DNS
70
95
niedrige Affinität
Crithitien
40
100
hohe Affinität
SS-A
25–35
87–94
Sm
30
95
anti-C1q
kongenitaler AV-Block
100% NPV für renalen Befall
Histon
30–80
50
U1-RNP
60
50
hochtitrig bei MCTD
Histon
95
85
medikamentös induzierter Lupus
NPV = negative predictive value; MCTD = mixed connective tissue disease
per) und Crithitien-Assay (hochaffine,
pathogenetisch relevante Autoantikörper), Antikörper gegen Sm, SS-A (antiRho), SS-B (anti-La), anti-C1q (100%
negativer prädiktiver Wert für Nierenbefall; Titerhöhe korreliert mit Aktivität
der Nephritis) sowie die Komplementfaktoren C3, C4 bzw. die gesamthämolytische C-Aktivität (CH50). Anti-HistonAntikörper sind falls in hohen Titern
auftretend eher beim medikamentös
induzierten SLE anzutreffen, können
niedrigtitrig aber auch bei der idiopathischen Form der Erkrankung gefunden
werden. Aus prognostischen und therapeutischen Gründen ist es sehr wichtig,
bei thromboembolischen Ereignissen,
unklarer Thrombopenie, bei rezidivierenden Aborten und bei klinischer
Livedo der Haut an eine sekundäres Antiphospholipid-Antikörpersyndrom zu
denken. In diesem Falle ist die Bestimmung der folgenden Antikörper vor
einer oralen Antikoagulation oder präventiven Heparinisierung sinnvoll: AntiCardiolipin-Antikörper, Antikörper gegen ␤2 Glycoprotein I sowie als Suchtest
für das Lupus-Antikoagulans die Bestimmung der partiellen Thromboplastinzeit (aPTT). Die Sensitivität und Spezifität der einzelnen Autoantikörper bei
SLE sind in einer Übersicht in Tabelle 1
dargestellt.
Eine dem SLE verwandte Konnektivitis
ist die Mischkonnektivitis (MCTD =
mixed connective tissue disease), welche
serologisch zusätzlich neben hochtitrigen ANA auch durch hohe Titer von
Autoantikörpern gegen U1RNP charakterisiert ist. Differenzierungsmerkmale
gegenüber einem SLE sind der fehlende
Nierenbefall, diffuse Hand-und Fingerödeme sowie häufiger als beim SLE eine
Begleitmyositis mit Muskelschwäche
und auch das Vorhandensein von Halsschmerzen, Heiserkeit und Dysphagie
(vor allem im Entzündungsschub).
An ein primäres Sjögren-Syndrom muss
man denken, wenn eine ausgeprägte
Sicca-Symptomatik von Augen und
Mund und allenfalls auch des oberen
Respirationstrakts besteht (durch pathologischen Schirmer-Test und Saxon-Test
zu objektivieren) und gleichzeitig eine
rezidivierende Schwellung von Ohrund/oder Mundspeicheldrüsen vorliegt.
Die Diagnose wird durch den histologischen Nachweis einer autoimmunen
Sialadenitis gestellt (z.B. mittels Lippenschleimhaut-Biopsie), kann aber auch
zusätzlich durch die typische Autoantikörper-Konstellation mit Nachweis von
Antikörpern gegen SS-A und SS-B wie
sie in Tabelle 2 dargestellt ist, untermauert werden.
Präsentiert sich ein Patient mehr mit diffusen Ödemen, einer lokalisierten oder
diffusen Hautinduration, mit einer
progressiven Sklerodaktylie und Finger-
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beugekontrakturen, einer RaynaudSymptomatik mit oder ohne akrale
Ulzerationen an Fingern oder Zehen,
einer fibrosierenden Tendovaginitis oder
weist Zeichen einer viszeralen Organbeteiligung auf (GIT: Dysphagie, Reflux,
Flatulenz, Obstipation/Ileussymptomatik, Diarrhöe, Analinkontinenz; Lunge:
unproduktiver trockener Reizhusten,
zunehmende Dyspnoe bei Belastung;
Niere: Hypertonie, Ödeme, rasches Nierenversagen), dann liegt mit allergrösster
Wahrscheinlichkeit eine Systemsklerose
vor. Aus prognostischen Gründen und
wegen des unterschiedlichen Organbefallmusters ist die Unterscheidung von
limitierter und diffuser Systemsklerose
wichtig. Neben der Klinik helfen hierbei auch bestimmte Autoantikörper. So
ist die limitierte Form der Erkrankung
charakterisiert durch das Vorhandensein
von anti-Centromeren-Antikörpern mit
einer hohen Spezifität, aber einer nur
maximal 30%igen Sensitivität und einer
Assoziation mit pulmonal-arterieller
Hypertonie, Teleangiektasien und einer
Calcinosis cutis. Bei ca. 20% der Patienten mit einer diffusen Systemsklerose
lassen sich Autoantikörper gegen Scl-70
(Topoisomerase 1) nachweisen, die
prädiktiv sind für die Entwicklung einer
interstitiellen Pneumopathie und als
protektiv gelten gegen die Entwicklung
einer isolierten pulmonal-arteriellen
Hypertonie. Bei der diffusen Form können auch in 20% der Fälle Antikörper
gegen die RNA-Polymerase III nachgewiesen werden, die wiederum in 25% der
Fälle mit einer renalen Krise einhergehen
können und deswegen bereits prophylaktisch mit einem ACE-Hemmer behandelt werden sollten. Diese Untergruppe weist zusätzlich einen starken
Hautbefall auf, entwickelt aber nur sehr
selten eine interstitielle Pneumopathie.
Tabelle 3 zeigt die systemsklerose-assoziierten Autoantikörper im Überblick.
Bei Verdacht auf eine autoimmune
Myositis, d.h. eine Dermatomyositis
oder Polymyositis (rasch progrediente
proximal betonte Muskelschwäche von
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Tab. 2: Autoantikörper beim primären Sjögren-Syndrom.
Autoantikörper
ANA
Sensitivität (%)
Spezifität (%)
SS-A (Ro)
70
87
SS-B (La)
60
94
RF
30
Thyreoglobulin,
Mikrosomen
Kommentare
Screening
100
Hashimoto Hypothyreose
80–100
Tab. 3: Autoantikörper bei Systemsklerose.
Autoantikörper
Sensitivität (%)
Spezifität (%)
Kommentare
ANA
60–80
Centromeren
25–30
100
Limit. Form, PAH
Scl70
15–20
100
Diffuse Form, ISLD
RNA Polymerase III
Screening
20
Renaler Befall/Krise, starker
Hautbefall
PAH = pulmonal arterielle Hypertonie; ISLD = interstitial lung disease
Armen und Beinen, Dysphagie, typisches Exanthem mit Heliotropismus,
periorbitales Ödem mit livider Verfärbung, Gottron-Papeln, schmerzhaftes
Nagelhäutchen, trockener Reizhusten,
Dyspnoe, Raynaud- und Sicca-Symptomatik) kann in der Minderheit der Fälle
eine prognostische Subgruppen-Zuordnung mittels Autoantikörpern erfolgen.
Anti-Jo1-Antikörper sind bei dieser
Krankheitsgruppe die häufigsten Autoantikörper, die gegen die Histidyl-tRNASynthetase gerichtet sind und assoziiert
auftreten mit dem anti-SynthetaseSyndrom (30% bei Polymyositis, 5% bei
Dermatomyositis, 15% bei OverlapSyndromen mit einer 70%igen 5-JahresÜberlebensrate). Dieses Syndrom umfasst als klinische Einzelsymptome
interstitielle Pneumopathie, Raynaud,
Arthritis, Fieber und «mechanic hands».
Die myositische Komponente ist häufig
nur zu Krankheitsbeginn klinisch evident und tritt im weiteren Krankheitsverlauf gegenüber der interstitiellen
Pneumopathie meistens in den Hintergrund. Anti-M2-Autoantikörper sind
gegen nukleäre Helicase gerichtet und
treten ausschliesslich auf in Assoziation
mit einer klassischen Dermatomyositis
mit akuter Erythrodermie, Schal- oder
V-Zeichen (5 Jahres-Überleben bei
100%). Bei weniger als 5% der Polymyositis-Patienten findet man Autoantikörper gegen SRP (signal recognition
particle). Diese Patienten leiden an einer
schweren rasch progredienten Myopathie mit myokardialer Beteiligung und
sind ausgesprochen therapieresistent.
Die Prognose ist mit einem 5-Jahresüberleben von 25% ausgesprochen
schlecht.
In Tabelle 4 sind Autoantikörper aufgelistet, welche zur Differenzierung der
autoimmunen Lebererkrankung beitragen. Diese Autoantikörper lohnt es
sich zu bestimmen, wenn anamnestische
und klinische Verdachtsmomente bestehen wie die folgenden: uncharakteristische Müdigkeit, Leistungsintoleranz
gepaart mit Abdominalbeschwerden,
Juckreiz, Übelkeit, Hyperpigmentation
der Haut, polymylagische Beschwerden
und/oder Polyarthralgien, Hepatosplenomegalie, Teleangiektasien, Spider
naevi oder Aszites. Im Rahmen eines
Overlap-Syndromes kann eine autoimmune Lebererkrankung jederzeit auch
mit einer anderen definierten Autoim-
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munerkrankung assoziiert auftreten (z.B.
primäres Sjögren-Syndrom, SLE etc.)
Mit Ausnahme der Antikörper gegen
ds-DNS und C1q (renaler Befall bei SLE)
sind alle aufgeführten Autoantikörper
rein diagnostisch, d.h. eine wiederholte
Bestimmung ist i. d. R. sinnlos und unökonomisch, da für die Beurteilung des
Krankheitsverlaufes irrelevant.
Autoantikörper bei systemischen Kleingefässvaskulitiden
Eine systemische Kleingefässvaskulitis ist
dann evident, wenn die folgenden organspezifischen Krankheitssymptome
zusätzlich zu B-Symptomen vorhanden
sind:
앫 Episkleritis, Skleritis, Keratitis, Uveitis,
Vitritis, Retinitis
앫 Chronische antibiotikaresistente Otitis media, Mastoiditis, purulente und/
oder hämaorrhagische Rhinitis und
Sinusitis, Hörverlust, Schwindel
앫 Hämoptysen, Dyspnoe
앫 Palpable Hautpurpura (nicht wegdrückbar mit dem Glasspatel), Hautulzera an atypischer Stelle und nach
banalen
Traumen
auftretenden,
schlecht heilend
앫 Ödeme, arterieller Hypertonus, Proteinurie, Mikrohämaturie, rasch progrediente Niereninsuffizienz (Glomerulonephritis)
앫 Progressive senso-motorische Ausfälle
(Mononeuritis multiplex, sensomotorische Polyneuropathie)
앫 Perimyokarditis
Mit der Entwicklung des serologischen
Nachweises von p- (perinukleären) und
c- (cytoplasmatischen) NeutrophilenAntikörpern (p + c-ANCAs) wurden
ganz wesentliche Fortschritte in der
Diagnostik der Kleingefässvaskulitiden
bei Morbus Wegener, mikroskopischer
Polyangiitis und bei dem Churg-StraussSyndrom erzielt.
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Tab. 4: Autoantikörper bei autoimmunen Lebererkrankungen.
Autoantikörper
Sensitivität (%)
ANA
SMA, Actin, SLA/LP
Spezifität (%)
Kommentare
30–50%
Autoimmunhepatitis I
20
Autoimmunhepatitis II
ANA
LKM
ANA
AMA, SMA,
atypische p-ANCA
Primär bil. Zirrhose/
autoimmune Cholangiopathie
SMA = smooth muscle cell antibody; SLA = soluble liver antigen; LP = liver pancreas; LKM = liverkidney microsomal antibody; AMA = Anti-mitochondriale Antikörper; ANCA = Antineutrophilen
cytoplasmatische Antikörper
Tab. 5: ANCA-assoziierte Kleingefässvaskulitiden.
Wegener
MPA
CSS
Sensitivität
Spezifität
PPV
Sensitivität
Spezifität
PPV
Sensitivität
Spezifität
PPV
c-ANCA
81.3
99.5
93.7
2.5
92.8
0.3
6.5
92.8
0.9
p-ANCA
3.6
94.0
4.8
65.0
94.2
8.9
6.5
92.8
0.9
+MPO-ANCA
1.8
99.3
17.5
47.5
99.5
47.5
4.3
99.2
5.0
MPA = mikroskopische Polyangiitis; CSS = Churg-Strauss; PPV = positive predictive value; MPO =
Myeloperoxidase; ANCA = Antineutrophilen cytoplasmatische Antikörper; c = cytoplasmatisch;
p = perinukleär
Abb. 1: Indirekter Immunfluoreszenznachweis von c-ANCA (links) und p-ANCA (rechts).
Beide Antikörper werden mit mässiger
bis hoher Sensitivität (67–81%) durch
den indirekten Immunfluoreszenz-Test
(IIF) nachgewiesen. Eine hohe diagnostische Spezifität von 94–99% weisen die
ELISA-Testmethoden auf, die als spezifisches Zielantigen der c-ANCA die
zytoplasmatische lokalisierte Proteinase
3 (PR3) detektieren und als Zielantigen
der p-ANCA die perinukleär lokalisierte
Myeloperoxidase (MPO). Im klinischen
Alltag werden in der Regel bei den obengenannten Symptomen einer Kleingefässvaskulitis beide Antikörper mittels
IIF (Abb. 1) und ELISA gleichzeitig bestimmt. Die p-ANCA sind diagnostisch
für die mikroskopische Polyangiitis
(Leitsymptome von alveolärer Hämorrhagie und Glomerulonephritis) und die
c-ANCA für den Morbus Wegener, vor
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allem in der generalisierten Form. Die
rein lokoregionären Formen der Erkrankung können in bis zu 50% der
Fälle ANCA-negativ verlaufen. Beim
Churg-Strauss-Sydrom können p- und
c-ANCA in einem geringen Prozentsatz
ebenfalls vorkommen. Eine ganze Reihe
nicht MPO-spezifischer p-ANCA kann
bei chronischen Darmerkrankungen
oder bei der rheumatoiden Arthritis
vorkommen, welche aber bei diesen
Erkrankungen weder diagnostische
noch prognostische Bedeutung haben.
Die verschiedenen Sensitivitäten und
Spezifitäten der ANCA sind auf Tabelle 5
im Überblick dargestellt.
Eine Persistenz oder ein Anstieg der ANCA-Titer im Krankheitsverlauf weist auf
ein erhöhtes Rezidivrisiko hin, kann aber
auf Einzelpatientenebene nicht immer
gleichgesetzt werden mit einem unmittelbar drohenden Rezidiv der Erkrankung. Anders verhält es sich allerdings,
wenn nach eingetretener Seronegativierung unter Therapie ein erneuter ANCA-Anstieg zu beobachten ist. In diesem
Fall sind engmaschigere klinische Kontrollen erforderlich, um ein Rezidiv
frühzeitig zu erfassen und die Immunosuppression anzupassen. Somit sind
periodische Bestimmungen der ANCA
zur Beurteilung des Krankheitsverlaufes
grundsätzlich sinnvoll.
Wenn irgend möglich, sollte die Diagnose einer Kleingefässvaskulitis jedoch
immer histologisch untermauert werden
und nicht alleine auf der Klinik und der
ANCA-Positivität basieren.
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Key messages
● Die gleichzeitige Bestimmung von Rheumafaktoren und anti-ccP-Antikör-
pern weist die höchste Sensitivität und Spezifität in der Frühdiagnostik der
rheumatoiden Arthritis auf.
● In der Autoantikörper-Diagnostik des systemischen Lupus erythematodes
ist die Bestimmung der ANA sowie der spezifischen Autoantikörper gegen
ds-DNS, Crithidien, C1q und die Bestimmung der Komplementfaktoren C3
und C4 am wichtigsten.
● Die limitierte und die diffuse Form der Systemsklerose lassen sich serologisch
durch den Nachweis von Autoantikörpern gegen Centromeren bzw. gegen
Scl70 (Topoisomerase I) unterscheiden.
● c- und p-ANCA sind geeignet als diagnostische «screening marker» beim
klinischen Verdacht auf eine Kleingefässvaskulitis.
Lernfragen
1. Welche Aussage zu den folgenden Autoantikörpern ist FALSCH?
a) C-ANCA sind beim M. Wegener immer positiv.
b) Das spezifische Zielantigen der c-ANCA ist die lysosomale Proteinase 3.
c) MPO-spezifische p-ANCA sind diagnostisch für die mikroskopische
Polyangitis.
d) Unspezifische p-ANCA sind diagnostisch irrelevant.
e) Die wiederholte Bestimmung der c-ANCA ist sinnvoll, da die Autoantikörperspiegel mit der Krankheitsaktivität korrelieren können.
2. Welcher der folgenden Autoantikörper ist geeignet für die Beurteilung der
Krankheitsaktivität?
a) Anti-Scl70
b) Anti-SS-A
c) Anti-C1q
d) Anti-Cardiolipin
e) Anti-Histon
3. Welche Assoziation spezifischer Autoantikörper mit bestimmten Krankheitsmanifestationen trifft NICHT zu?
a) Anti-Scl70 und interstitielle Pneumopathie
b) Anti-C1q und Nephritis
c) Anti-Centromeren und pulmonal arterielle Hypertonie
d) Anti-RNA Polymerase III und renale Krise
e) Anti-SS-A und pulmonal arterielle Hypertonie
Abstract
The detection of autoantibodies is an
important cornerstone in the diagnosis of systemic autoimmune disorders
such as autoimmune connectivitides
and small vessel vasculitides. Antinuclear antibodies (ANAs ) and antineutrophil cytoplasmic antibodies (c+
p-ANCAs) are appropriate diagnostic
screening tools for autoimmune connectivites and small vessel vasculitides.
For economic and intellectual/didactic
reasons more extensive autoantibody
diagnostics should be performed only
in particular situations when patients
history and clinical exam lead to
strong diagnostic suspicion.
Key words: autoantibodies – rheumatoid arthritis – connectivitides – vasculitides
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Résumé
La recherche d’auto-anticorps est une
étape centrale dans le diagnostic de
maladies systémiques auto-immunes
comme les collagénoses auto-immunes
et les vasculites des petits vaisseaux.
Les anticorps anti-nucléaires (ANA) et
les anticorps antineutrophiles cytoplasmatiques (c + p ANCA) sont des
tests de dépistage et de diagnostic pour
des collagénoses auto-immunes et les
vasculites des petits vaisseaux. Pour
des raisons économiques et intellectuelles/didactiques, d’autres auto-anticorps ne devraient être recherchés
pour l’obtention d’un diagnostic que
dans des situations particulières, où
l’anamnèse et l’examen clinique des
patients permettent de soupçonner
fortement un certain diagnostic.
Mots-clés: auto-anticorps – arthrite
rhumatoide – connectivitides autoimmune – vasculitides
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Bibliographie
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proteinase 3 – antineutrophil antibodies (ANCA) and myeloperoxidase-ANCA. Rheumatology
2001;40:178.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Michael Seitz
Chefarzt-Stv.
Universitätsklinik für Rheumatologie,
Klinische Immunologie & Allergologie
Inselspital
3010 Bern
[email protected]
1. Aussage a) ist falsch.
2. Antwort c) ist richtig.
3. Aussage e) trifft nicht zu.
Antworten zu den Lernfragen