PX23_1429_1434:px06_01.qxd 4.11.2010 10:00 Uhr Seite 1429 PRAXIS Mini-Review Praxis 2010; 99 (23): 1429–1434 1429 Universitätsklinik für Rheumatologie, Klinische Immunologie & Allergologie, Inselspital Bern M. Seitz Auto-Antikörper-Messungen: Bei welchen klinischen Symptomen? Which Clinical Symptoms Suggest Distinct Autoantibody Measurements? Zusammenfassung Die Messung von Autoantikörpern stellt einen wesentlichen Eckpfeiler der Diagnostik systemischer Autoimmunerkrankungen wie den autoimmunen Konnektivitiven (= Kollagenosen) und den systemischen Kleingefässvaskulitiden dar. Geeignete Screening-Untersuchungen sind der Nachweis der antinukleären Antikörper (ANA) bei den Konnektivitiden sowie der antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörper (p+c-ANCA) bei den Kleingefässvaskulitiden. Eine erweiterte Autoantikörperdiagnostik sollte aus gesundheitsökonomischen wie auch aus intellektuell/didaktischen Gründen ausschliesslich zielgerichtet erfolgen auf der Basis von Anamnese und klinischem Untersuchungsbefund und auf daraus abzuleitenden diagnostischen Verdachtsmomenten. Schlüsselwörter: Autoantikörper – Arthritis, rheumatoide – Konnektivitiden, autoimmune – Vaskulitiden Anamnestische und klinische Verdachtsmomente Beim Vorliegen von B-Symptomen (Fieber, Nachtschweiss, Gewichtsabnahme, Malaise) und bei gleichzeitigem Vorhandensein von rheumatologischen © 2010 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern Symptomen im engeren Sinne wie polymyalgischen Beschwerden, Polyarthralgien oder Arthritiden liegt der differentialdiagnostische Verdacht auf eine rheumatologische Systemerkrankung (Konnektivitis, Vaskulitis) nahe. In diesem Falle lohnt es sich neben dem Infekt- und Tumorausschluss ein labormässiges «Autoimmun-Screening» mit der Bestimmung von ANA und ANCA durchzuführen. Autoantikörper bei autoimmunen Konnektivitiden (Kollagenosen) Das Vorliegen einer autoimmunen Konnektivitis wird umso wahrscheinlicher, je mehr der folgenden spezifischeren zusätzlichen Krankheitssymptome vorliegen: 앫 Raynaud-Symptomatik 앫 Sicca-Symptomatik 앫 Keratokonjunktivitis 앫 Entzündliche Arthralgien (Ruheschmerz und Morgensteifigkeit), Arthritiden (Gelenkschwellung, Ruheschmerz, Morgensteifigkeit) 앫 Hautexanthem nach Sonnenexposition (bei SLE, entzündlichen Myopathien) 앫 Haarausfall 앫 Hautulzerationen, Enanthem 앫 Rasch progrediente proximale Muskelschwäche (Dermato- oder Polymyositis) 앫 Skleroderme Hautveränderungen, Sklerodaktylie und Teleangiektasien (diffuse oder limitierte Systemsklerose) 앫 Trockener unproduktiver Reizhusten, Dyspnoe, Sklerosiphonie (interstitielle Lungenerkrankung) 앫 Dysphagie, verkürztes und verdicktes Zungenbändchen, Tabaksbeutelmund/ Mikrostomie, Refluxbeschwerden, Flatulenz, Diarrhöe (Systemsklerose) 앫 Thoraxschmerzen, thorakales Druckgefühl (Pleuritis, Perikarditis) 앫 Arterielle Hypertonie, Proteinurie, Ödeme, Mikrohämaturie (Glomerulonephritis) 앫 Neurologische Defizite, Wesensveränderungen (ZNS-Befall) 앫 Rezidivierende Thromboembolien, Spontanaborte (AntiphosphoplipidSyndrom) Im Artikel verwendete Abkürzungen: ANA antinukleäre Antikörper ANCA antineutrophile zytoplasmatische Antikörper anti-ccP Antikörper gegen zyklisches citrulliniertes Peptid aPTT partielle Thromboplastinzeit MCTD mixed connective tissue disease MPO Myeloperoxidase PR3 Proteinase 3 RA rheumatoide Arthritis RF Rheumafaktoren SLE systemischer Lupus erythematodes SRP signal recognition particle DOI 10.1024/1661-8157/a000311 PX23_1429_1434:px06_01.qxd 4.11.2010 10:00 Uhr Seite 1430 PRAXIS Bei persistierenden symmetrischen Gelenkschwellungen während mehr als sechs Wochen muss die differentialdiagnostische Möglichkeit einer beginnenden rheumatoiden Arthritis (RA) erwogen werden und neben der allgemeinen Entzündungsdiagnostik, dem Gelenkultraschall und dem Gelenkröntgen eine Autoantikörper-Diagnostik mit Bestimmung der Rheumafaktoren (RF; routinemässig IgM-Subtyp ausreichend), der Antikörper gegen zyklisches citrulliniertes Peptid (anti-ccP) und der ANA erfolgen. Mit der kombinierten Bestimmung von RF und anti-ccP-Antikörpern kann heute mit einer hohen Sensitivität (ca. 75%) und Spezifität (ca. 96%) die Diagnose einer RA untermauert werden. In über 60% der Fälle von initial RFnegativer RA können anti-ccP Antikörper nachgewiesen werden. Neben ihrem Nutzen in der Frühdiagnostik der RA hat der positive Nachweis von anti-ccPAntikörpern auch eine prognostische Bedeutung im Hinblick auf eine zu erwartende erosive Erkrankung und eine daraus abzuleitende aggressive initiale Behandlung. An eine autoimmune Konnektivitis (Kollagenose) im engeren Sinne, z.B. an einen systemischen Lupus erythematodes (SLE), muss man denken, wenn ein(e) Patient(in) sich mit B-Symptomen, entzündlichen Arhralgien, einem typischen Schmetterlingserythem im Gesicht (oft nach Sonnenexposition), einer Sicca-Symptomatik von Augen (Xerophthalmie, Keratokonjuktivitis), Mund (Xerostomie) und mit weiteren organspezifischen Symptomen präsentiert (z.B. Pleuritis/Perikarditis, Ödeme, arterielle Hypertonie, neurologische und/ oder psychische Auffälligkeiten, thromboembolische Ereignisse und rezidivierende Spontanaborte). In diesem Falle ist zusätzlich zur Bestimmung der ANA eine erweiterte Autoantikörper-Diagnostik gerechtfertigt mit der Bestimmung von: anti-ds-DNS-Antikörpern mittels ELISA (niedrigaffine, pathogenetisch weniger bedeutende Autoantikör- Mini-Review Praxis 2010; 99 (23): 1429–1434 1430 Tab. 1: Autoantikörper beim SLE. Autoantikörper ANA Sensitivität (%) Spezifität (%) Kommentare Screening 100 ds-DNS 70 95 niedrige Affinität Crithitien 40 100 hohe Affinität SS-A 25–35 87–94 Sm 30 95 anti-C1q kongenitaler AV-Block 100% NPV für renalen Befall Histon 30–80 50 U1-RNP 60 50 hochtitrig bei MCTD Histon 95 85 medikamentös induzierter Lupus NPV = negative predictive value; MCTD = mixed connective tissue disease per) und Crithitien-Assay (hochaffine, pathogenetisch relevante Autoantikörper), Antikörper gegen Sm, SS-A (antiRho), SS-B (anti-La), anti-C1q (100% negativer prädiktiver Wert für Nierenbefall; Titerhöhe korreliert mit Aktivität der Nephritis) sowie die Komplementfaktoren C3, C4 bzw. die gesamthämolytische C-Aktivität (CH50). Anti-HistonAntikörper sind falls in hohen Titern auftretend eher beim medikamentös induzierten SLE anzutreffen, können niedrigtitrig aber auch bei der idiopathischen Form der Erkrankung gefunden werden. Aus prognostischen und therapeutischen Gründen ist es sehr wichtig, bei thromboembolischen Ereignissen, unklarer Thrombopenie, bei rezidivierenden Aborten und bei klinischer Livedo der Haut an eine sekundäres Antiphospholipid-Antikörpersyndrom zu denken. In diesem Falle ist die Bestimmung der folgenden Antikörper vor einer oralen Antikoagulation oder präventiven Heparinisierung sinnvoll: AntiCardiolipin-Antikörper, Antikörper gegen 2 Glycoprotein I sowie als Suchtest für das Lupus-Antikoagulans die Bestimmung der partiellen Thromboplastinzeit (aPTT). Die Sensitivität und Spezifität der einzelnen Autoantikörper bei SLE sind in einer Übersicht in Tabelle 1 dargestellt. Eine dem SLE verwandte Konnektivitis ist die Mischkonnektivitis (MCTD = mixed connective tissue disease), welche serologisch zusätzlich neben hochtitrigen ANA auch durch hohe Titer von Autoantikörpern gegen U1RNP charakterisiert ist. Differenzierungsmerkmale gegenüber einem SLE sind der fehlende Nierenbefall, diffuse Hand-und Fingerödeme sowie häufiger als beim SLE eine Begleitmyositis mit Muskelschwäche und auch das Vorhandensein von Halsschmerzen, Heiserkeit und Dysphagie (vor allem im Entzündungsschub). An ein primäres Sjögren-Syndrom muss man denken, wenn eine ausgeprägte Sicca-Symptomatik von Augen und Mund und allenfalls auch des oberen Respirationstrakts besteht (durch pathologischen Schirmer-Test und Saxon-Test zu objektivieren) und gleichzeitig eine rezidivierende Schwellung von Ohrund/oder Mundspeicheldrüsen vorliegt. Die Diagnose wird durch den histologischen Nachweis einer autoimmunen Sialadenitis gestellt (z.B. mittels Lippenschleimhaut-Biopsie), kann aber auch zusätzlich durch die typische Autoantikörper-Konstellation mit Nachweis von Antikörpern gegen SS-A und SS-B wie sie in Tabelle 2 dargestellt ist, untermauert werden. Präsentiert sich ein Patient mehr mit diffusen Ödemen, einer lokalisierten oder diffusen Hautinduration, mit einer progressiven Sklerodaktylie und Finger- PX23_1429_1434:px06_01.qxd 4.11.2010 10:00 Uhr Seite 1431 PRAXIS beugekontrakturen, einer RaynaudSymptomatik mit oder ohne akrale Ulzerationen an Fingern oder Zehen, einer fibrosierenden Tendovaginitis oder weist Zeichen einer viszeralen Organbeteiligung auf (GIT: Dysphagie, Reflux, Flatulenz, Obstipation/Ileussymptomatik, Diarrhöe, Analinkontinenz; Lunge: unproduktiver trockener Reizhusten, zunehmende Dyspnoe bei Belastung; Niere: Hypertonie, Ödeme, rasches Nierenversagen), dann liegt mit allergrösster Wahrscheinlichkeit eine Systemsklerose vor. Aus prognostischen Gründen und wegen des unterschiedlichen Organbefallmusters ist die Unterscheidung von limitierter und diffuser Systemsklerose wichtig. Neben der Klinik helfen hierbei auch bestimmte Autoantikörper. So ist die limitierte Form der Erkrankung charakterisiert durch das Vorhandensein von anti-Centromeren-Antikörpern mit einer hohen Spezifität, aber einer nur maximal 30%igen Sensitivität und einer Assoziation mit pulmonal-arterieller Hypertonie, Teleangiektasien und einer Calcinosis cutis. Bei ca. 20% der Patienten mit einer diffusen Systemsklerose lassen sich Autoantikörper gegen Scl-70 (Topoisomerase 1) nachweisen, die prädiktiv sind für die Entwicklung einer interstitiellen Pneumopathie und als protektiv gelten gegen die Entwicklung einer isolierten pulmonal-arteriellen Hypertonie. Bei der diffusen Form können auch in 20% der Fälle Antikörper gegen die RNA-Polymerase III nachgewiesen werden, die wiederum in 25% der Fälle mit einer renalen Krise einhergehen können und deswegen bereits prophylaktisch mit einem ACE-Hemmer behandelt werden sollten. Diese Untergruppe weist zusätzlich einen starken Hautbefall auf, entwickelt aber nur sehr selten eine interstitielle Pneumopathie. Tabelle 3 zeigt die systemsklerose-assoziierten Autoantikörper im Überblick. Bei Verdacht auf eine autoimmune Myositis, d.h. eine Dermatomyositis oder Polymyositis (rasch progrediente proximal betonte Muskelschwäche von Mini-Review Praxis 2010; 99 (23): 1429–1434 1431 Tab. 2: Autoantikörper beim primären Sjögren-Syndrom. Autoantikörper ANA Sensitivität (%) Spezifität (%) SS-A (Ro) 70 87 SS-B (La) 60 94 RF 30 Thyreoglobulin, Mikrosomen Kommentare Screening 100 Hashimoto Hypothyreose 80–100 Tab. 3: Autoantikörper bei Systemsklerose. Autoantikörper Sensitivität (%) Spezifität (%) Kommentare ANA 60–80 Centromeren 25–30 100 Limit. Form, PAH Scl70 15–20 100 Diffuse Form, ISLD RNA Polymerase III Screening 20 Renaler Befall/Krise, starker Hautbefall PAH = pulmonal arterielle Hypertonie; ISLD = interstitial lung disease Armen und Beinen, Dysphagie, typisches Exanthem mit Heliotropismus, periorbitales Ödem mit livider Verfärbung, Gottron-Papeln, schmerzhaftes Nagelhäutchen, trockener Reizhusten, Dyspnoe, Raynaud- und Sicca-Symptomatik) kann in der Minderheit der Fälle eine prognostische Subgruppen-Zuordnung mittels Autoantikörpern erfolgen. Anti-Jo1-Antikörper sind bei dieser Krankheitsgruppe die häufigsten Autoantikörper, die gegen die Histidyl-tRNASynthetase gerichtet sind und assoziiert auftreten mit dem anti-SynthetaseSyndrom (30% bei Polymyositis, 5% bei Dermatomyositis, 15% bei OverlapSyndromen mit einer 70%igen 5-JahresÜberlebensrate). Dieses Syndrom umfasst als klinische Einzelsymptome interstitielle Pneumopathie, Raynaud, Arthritis, Fieber und «mechanic hands». Die myositische Komponente ist häufig nur zu Krankheitsbeginn klinisch evident und tritt im weiteren Krankheitsverlauf gegenüber der interstitiellen Pneumopathie meistens in den Hintergrund. Anti-M2-Autoantikörper sind gegen nukleäre Helicase gerichtet und treten ausschliesslich auf in Assoziation mit einer klassischen Dermatomyositis mit akuter Erythrodermie, Schal- oder V-Zeichen (5 Jahres-Überleben bei 100%). Bei weniger als 5% der Polymyositis-Patienten findet man Autoantikörper gegen SRP (signal recognition particle). Diese Patienten leiden an einer schweren rasch progredienten Myopathie mit myokardialer Beteiligung und sind ausgesprochen therapieresistent. Die Prognose ist mit einem 5-Jahresüberleben von 25% ausgesprochen schlecht. In Tabelle 4 sind Autoantikörper aufgelistet, welche zur Differenzierung der autoimmunen Lebererkrankung beitragen. Diese Autoantikörper lohnt es sich zu bestimmen, wenn anamnestische und klinische Verdachtsmomente bestehen wie die folgenden: uncharakteristische Müdigkeit, Leistungsintoleranz gepaart mit Abdominalbeschwerden, Juckreiz, Übelkeit, Hyperpigmentation der Haut, polymylagische Beschwerden und/oder Polyarthralgien, Hepatosplenomegalie, Teleangiektasien, Spider naevi oder Aszites. Im Rahmen eines Overlap-Syndromes kann eine autoimmune Lebererkrankung jederzeit auch mit einer anderen definierten Autoim- PX23_1429_1434:px06_01.qxd 4.11.2010 10:00 Uhr Seite 1432 PRAXIS munerkrankung assoziiert auftreten (z.B. primäres Sjögren-Syndrom, SLE etc.) Mit Ausnahme der Antikörper gegen ds-DNS und C1q (renaler Befall bei SLE) sind alle aufgeführten Autoantikörper rein diagnostisch, d.h. eine wiederholte Bestimmung ist i. d. R. sinnlos und unökonomisch, da für die Beurteilung des Krankheitsverlaufes irrelevant. Autoantikörper bei systemischen Kleingefässvaskulitiden Eine systemische Kleingefässvaskulitis ist dann evident, wenn die folgenden organspezifischen Krankheitssymptome zusätzlich zu B-Symptomen vorhanden sind: 앫 Episkleritis, Skleritis, Keratitis, Uveitis, Vitritis, Retinitis 앫 Chronische antibiotikaresistente Otitis media, Mastoiditis, purulente und/ oder hämaorrhagische Rhinitis und Sinusitis, Hörverlust, Schwindel 앫 Hämoptysen, Dyspnoe 앫 Palpable Hautpurpura (nicht wegdrückbar mit dem Glasspatel), Hautulzera an atypischer Stelle und nach banalen Traumen auftretenden, schlecht heilend 앫 Ödeme, arterieller Hypertonus, Proteinurie, Mikrohämaturie, rasch progrediente Niereninsuffizienz (Glomerulonephritis) 앫 Progressive senso-motorische Ausfälle (Mononeuritis multiplex, sensomotorische Polyneuropathie) 앫 Perimyokarditis Mit der Entwicklung des serologischen Nachweises von p- (perinukleären) und c- (cytoplasmatischen) NeutrophilenAntikörpern (p + c-ANCAs) wurden ganz wesentliche Fortschritte in der Diagnostik der Kleingefässvaskulitiden bei Morbus Wegener, mikroskopischer Polyangiitis und bei dem Churg-StraussSyndrom erzielt. Mini-Review Praxis 2010; 99 (23): 1429–1434 1432 Tab. 4: Autoantikörper bei autoimmunen Lebererkrankungen. Autoantikörper Sensitivität (%) ANA SMA, Actin, SLA/LP Spezifität (%) Kommentare 30–50% Autoimmunhepatitis I 20 Autoimmunhepatitis II ANA LKM ANA AMA, SMA, atypische p-ANCA Primär bil. Zirrhose/ autoimmune Cholangiopathie SMA = smooth muscle cell antibody; SLA = soluble liver antigen; LP = liver pancreas; LKM = liverkidney microsomal antibody; AMA = Anti-mitochondriale Antikörper; ANCA = Antineutrophilen cytoplasmatische Antikörper Tab. 5: ANCA-assoziierte Kleingefässvaskulitiden. Wegener MPA CSS Sensitivität Spezifität PPV Sensitivität Spezifität PPV Sensitivität Spezifität PPV c-ANCA 81.3 99.5 93.7 2.5 92.8 0.3 6.5 92.8 0.9 p-ANCA 3.6 94.0 4.8 65.0 94.2 8.9 6.5 92.8 0.9 +MPO-ANCA 1.8 99.3 17.5 47.5 99.5 47.5 4.3 99.2 5.0 MPA = mikroskopische Polyangiitis; CSS = Churg-Strauss; PPV = positive predictive value; MPO = Myeloperoxidase; ANCA = Antineutrophilen cytoplasmatische Antikörper; c = cytoplasmatisch; p = perinukleär Abb. 1: Indirekter Immunfluoreszenznachweis von c-ANCA (links) und p-ANCA (rechts). Beide Antikörper werden mit mässiger bis hoher Sensitivität (67–81%) durch den indirekten Immunfluoreszenz-Test (IIF) nachgewiesen. Eine hohe diagnostische Spezifität von 94–99% weisen die ELISA-Testmethoden auf, die als spezifisches Zielantigen der c-ANCA die zytoplasmatische lokalisierte Proteinase 3 (PR3) detektieren und als Zielantigen der p-ANCA die perinukleär lokalisierte Myeloperoxidase (MPO). Im klinischen Alltag werden in der Regel bei den obengenannten Symptomen einer Kleingefässvaskulitis beide Antikörper mittels IIF (Abb. 1) und ELISA gleichzeitig bestimmt. Die p-ANCA sind diagnostisch für die mikroskopische Polyangiitis (Leitsymptome von alveolärer Hämorrhagie und Glomerulonephritis) und die c-ANCA für den Morbus Wegener, vor PX23_1429_1434:px06_01.qxd 4.11.2010 10:00 Uhr Seite 1433 PRAXIS allem in der generalisierten Form. Die rein lokoregionären Formen der Erkrankung können in bis zu 50% der Fälle ANCA-negativ verlaufen. Beim Churg-Strauss-Sydrom können p- und c-ANCA in einem geringen Prozentsatz ebenfalls vorkommen. Eine ganze Reihe nicht MPO-spezifischer p-ANCA kann bei chronischen Darmerkrankungen oder bei der rheumatoiden Arthritis vorkommen, welche aber bei diesen Erkrankungen weder diagnostische noch prognostische Bedeutung haben. Die verschiedenen Sensitivitäten und Spezifitäten der ANCA sind auf Tabelle 5 im Überblick dargestellt. Eine Persistenz oder ein Anstieg der ANCA-Titer im Krankheitsverlauf weist auf ein erhöhtes Rezidivrisiko hin, kann aber auf Einzelpatientenebene nicht immer gleichgesetzt werden mit einem unmittelbar drohenden Rezidiv der Erkrankung. Anders verhält es sich allerdings, wenn nach eingetretener Seronegativierung unter Therapie ein erneuter ANCA-Anstieg zu beobachten ist. In diesem Fall sind engmaschigere klinische Kontrollen erforderlich, um ein Rezidiv frühzeitig zu erfassen und die Immunosuppression anzupassen. Somit sind periodische Bestimmungen der ANCA zur Beurteilung des Krankheitsverlaufes grundsätzlich sinnvoll. Wenn irgend möglich, sollte die Diagnose einer Kleingefässvaskulitis jedoch immer histologisch untermauert werden und nicht alleine auf der Klinik und der ANCA-Positivität basieren. Mini-Review Praxis 2010; 99 (23): 1429–1434 1433 Key messages ● Die gleichzeitige Bestimmung von Rheumafaktoren und anti-ccP-Antikör- pern weist die höchste Sensitivität und Spezifität in der Frühdiagnostik der rheumatoiden Arthritis auf. ● In der Autoantikörper-Diagnostik des systemischen Lupus erythematodes ist die Bestimmung der ANA sowie der spezifischen Autoantikörper gegen ds-DNS, Crithidien, C1q und die Bestimmung der Komplementfaktoren C3 und C4 am wichtigsten. ● Die limitierte und die diffuse Form der Systemsklerose lassen sich serologisch durch den Nachweis von Autoantikörpern gegen Centromeren bzw. gegen Scl70 (Topoisomerase I) unterscheiden. ● c- und p-ANCA sind geeignet als diagnostische «screening marker» beim klinischen Verdacht auf eine Kleingefässvaskulitis. Lernfragen 1. Welche Aussage zu den folgenden Autoantikörpern ist FALSCH? a) C-ANCA sind beim M. Wegener immer positiv. b) Das spezifische Zielantigen der c-ANCA ist die lysosomale Proteinase 3. c) MPO-spezifische p-ANCA sind diagnostisch für die mikroskopische Polyangitis. d) Unspezifische p-ANCA sind diagnostisch irrelevant. e) Die wiederholte Bestimmung der c-ANCA ist sinnvoll, da die Autoantikörperspiegel mit der Krankheitsaktivität korrelieren können. 2. Welcher der folgenden Autoantikörper ist geeignet für die Beurteilung der Krankheitsaktivität? a) Anti-Scl70 b) Anti-SS-A c) Anti-C1q d) Anti-Cardiolipin e) Anti-Histon 3. Welche Assoziation spezifischer Autoantikörper mit bestimmten Krankheitsmanifestationen trifft NICHT zu? a) Anti-Scl70 und interstitielle Pneumopathie b) Anti-C1q und Nephritis c) Anti-Centromeren und pulmonal arterielle Hypertonie d) Anti-RNA Polymerase III und renale Krise e) Anti-SS-A und pulmonal arterielle Hypertonie Abstract The detection of autoantibodies is an important cornerstone in the diagnosis of systemic autoimmune disorders such as autoimmune connectivitides and small vessel vasculitides. Antinuclear antibodies (ANAs ) and antineutrophil cytoplasmic antibodies (c+ p-ANCAs) are appropriate diagnostic screening tools for autoimmune connectivites and small vessel vasculitides. For economic and intellectual/didactic reasons more extensive autoantibody diagnostics should be performed only in particular situations when patients history and clinical exam lead to strong diagnostic suspicion. Key words: autoantibodies – rheumatoid arthritis – connectivitides – vasculitides PX23_1429_1434:px06_01.qxd 4.11.2010 10:00 Uhr Seite 1434 PRAXIS Résumé La recherche d’auto-anticorps est une étape centrale dans le diagnostic de maladies systémiques auto-immunes comme les collagénoses auto-immunes et les vasculites des petits vaisseaux. Les anticorps anti-nucléaires (ANA) et les anticorps antineutrophiles cytoplasmatiques (c + p ANCA) sont des tests de dépistage et de diagnostic pour des collagénoses auto-immunes et les vasculites des petits vaisseaux. Pour des raisons économiques et intellectuelles/didactiques, d’autres auto-anticorps ne devraient être recherchés pour l’obtention d’un diagnostic que dans des situations particulières, où l’anamnèse et l’examen clinique des patients permettent de soupçonner fortement un certain diagnostic. Mots-clés: auto-anticorps – arthrite rhumatoide – connectivitides autoimmune – vasculitides Mini-Review Praxis 2010; 99 (23): 1429–1434 1434 Bibliographie 1. Nielen MMJ, et al. Specific autoantibodies precede the symptoms of rheumatoid arthritis: A study of serial measurements in blood donors. Artthritis Rheum 2004;50:380. 2. Avouac J, et al. Diagnostic and predictive value of anti-cyclic citrullinated protein antibodies in rheumatoid arthritis: a systematic literature review. Ann Rheum Dis 2006;65:84. 3. Meyer OC, et al. Anti-C1q antibodies antedate patent active glomerulonephritis in patients with systemic lupus erythematosus. Arthritis Res Ther 2009;11:R8. 4. Harley JB. Autoantibodies are central to the diagnosis and clinical manifestations of lupus. J Rheumatol 1994;21:118. 5. Schönermarck U, et al. Prevalence and spectrum of rheumatic diseases associated with proteinase 3 – antineutrophil antibodies (ANCA) and myeloperoxidase-ANCA. Rheumatology 2001;40:178. Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Michael Seitz Chefarzt-Stv. Universitätsklinik für Rheumatologie, Klinische Immunologie & Allergologie Inselspital 3010 Bern [email protected] 1. Aussage a) ist falsch. 2. Antwort c) ist richtig. 3. Aussage e) trifft nicht zu. Antworten zu den Lernfragen
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