Robert Trevino - Münchner Philharmoniker

Robert Trevino
Donnerstag, 19. März 2015, 20 Uhr
Freitag, 20. März 2015, 20 Uhr
Sonntag, 22. März 2015, 19 Uhr
ERLEBEN SIE DAS FRIDRICH
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Franz Schubert
Symphonie Nr. 4 c-Moll D 417
(„Tragische“)
1. Adagio molto – Allegro vivace
2. Andante
3. Menuetto: Allegro vivace – Trio – Allegro vivace
4. Allegro
Gustav Mahler
Symphonie Nr. 5 in fünf Sätzen für großes Orchester
I. Abteilung
1. Trauermarsch: In gemessenem Schritt. Streng. Wie ein Kondukt.
2. Stürmisch bewegt. Mit größter Vehemenz.
II. Abteilung
3. Scherzo: Kräftig. Nicht zu schnell.
III. Abteilung
4. Adagietto: Sehr langsam.
5. Rondo-Finale: Allegro giocoso. Frisch.
(3., endgültige Fassung von 1911)
Robert Trevino, Dirigent
Donnerstag, 19. März 2015, 20 Uhr
3. Abonnementkonzer t k5
Freitag, 20. März 2015, 20 Uhr
5. Abonnementkonzer t c
Sonntag, 22. März 2015, 19 Uhr
5. Abonnementkonzer t g5
Spielzeit 2014/2015
117. Spielzeit seit der Gründung 1893
Valery Gergiev, Chefdirigent (ab 2015/2016)
Paul Müller, Intendant
Franz
Schubert:
4. Symphonie
Franz
Schubert:
4. Symphonie
c-Moll
2
7
ImImVertrauten
Neueentdecken
entdecken
Vertrauten das
das Neue
Daniela Koreimann
Daniela Koreimann
Franz Schubert
Lebensdaten des Komponisten
(1797–1828)
Geboren am 31. Januar 1797 im Himmelpfortgrund bei Wien (heute: 9. Wiener Gemeindebezirk / Alsergrund); gestorben am 19. Novem ber 1828 in Wien.
Symphonie Nr. 4 c-Moll D 417
(„Tragische“)
1. Adagio molto – Allegro vivace
2. Andante
3. Menuetto: Allegro vivace – Trio –
Allegro vivace
4. Allegro
Entstehung
Nach eigener Datierung im überlieferten Partiturautograph hat Schubert seine 4. Symphonie „im
April 1816“, d. h. ein knappes Jahr nach Vollendung
seiner 3. Symphonie, begonnen und am 27. April
1816 in Wien beendet. Er überschrieb sie selbst
mit dem Beinamen „Tragische“.
Uraufführung
Die erste öffentliche Aufführung der Symphonie
fand erst nach Schuberts Tod statt: Am 19. November 1849, seinem 21. Todestag, in Leipzig (Orchester der Musikgesellschaft „Euterpe“ unter Leitung
von August Ferdinand Riccius).
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Moritz von Schwind: Franz Schubert im 17. Lebensjahr (1814)
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Franz
Schubert:
4. Symphonie
Franz
Schubert:
4. Symphonie
c-Moll
„Ich komme vom Gebirge her,
Es dampft das Tal, es braust das Meer.
Ich wandle still, bin wenig froh,
Und immer fragt der Seufzer: Wo ? [...]
Wo bist du, mein geliebtes Land,
Gesucht, geahnt und nie gekannt ? [...]
Das Land, das meine Sprache spricht,
O Land, wo bist du ?
Im Geisterhauch tönt’s mir zurück:
Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück !“
Schubert, der Wanderer
Schubert, der ruhelos Suchende, Schubert, der
Melancholiker – Klassifizierungen wie diese, gewonnen aus Schubert’schen Liedtexten, haben
sich im 20. Jahrhundert zu einem Zentralmotiv
der Schubert-Rezeption entwickelt. Im Typus des
heimatlos Getriebenen, des glücklos vom Weltschmerz Zerrissenen, fanden Dichter von Thomas Mann über Arnold Zweig, Eva Strittmatter
und Roland Barthes bis hin zu Peter Härtling
Identifikations- und Erklärungspotential für die
Befindlichkeit der eigenen Zeit und Person. Un ter der Prämisse, Schmerz werde überwindbar
im Medium der Kunst, extrahierten Literaten und
Musikwissenschaftler einerseits aus Schuberts
Werk diejenigen Momente, die das metaphysische Zweifeln, die Ich-Spaltung des modernen
Menschen belegen konnten, wie sie andererseits
Liedtexte und biographische Dokumente zu griffigen Interpretationsschablonen machten – so z. B.
Schuberts Äußerung von 1824: „Meine Erzeugnisse sind durch den Verstand für Musik und durch
meinen Schmerz vorhanden.“
Damit war ein nachhaltig wirkendes Bewertungsmuster geschaffen, das mit dem Bild des gemütlichbiedermeierlichen „Schwammerl“-Schubert radikal
aufräumte und an Schuberts Musik das Revolutionäre, weit in die Zukunft weisende entschlüsselte. Theodor W. Adorno gelang gar mit der These,
Wandern sei das zentrale Strukturmotiv in Schuberts Werk, eine völlig neue Definition von Schuberts Schaffensintention: die Suche nach Wahrheit und Vollendung in einer bis dato nicht gekann ten Form und Sprache sei das treibende Moment
von Schuberts Komponieren. Die Kehrseite dieses
Interpretationsansatzes liegt darin, dass er von
vornherein eine adäquate Betrachtung des Jugendwerks, insbesondere der Symphonien, ausschloss. Modernität, Zerrissenheit, Suche nach
Vollendung – das alles konnte an den Werken aus
den sogenannten „Jahren der Krise“ ab 1818 und
der „Zeit der Reife“ ab 1824 dokumentiert und
bewiesen werden – auf symphonischem Gebiet
also an der „Unvollendeten“, der „großen“ C-DurSymphonie und allenfalls noch an dem einen oder
anderen symphonischen Fragment. Nicht jedoch
an den rasch vollendeten sechs Symphonien der
Jugendzeit.
Dass Schubert das eingangs zitierte Gedicht mit
seiner Thematik des Wanderns und Suchens bereits 1816 vertont hatte – im gleichen Jahr also,
in dem die 4. und 5. Symphonie entstanden waren – , wurde bei der Bewertung der frühen symphonischen Zeugnisse genauso außer Acht gelassen wie die zahlreichen Momente des Suchens
nach einer neuen Form und Ausdrucksweise, wie
sie bereits die sechs Jugendsymphonien durchziehen. Noch 1991 konnte man in einem Musikführer lesen: „Die Bedeutung von Schuberts frühen Symphonien wird in der Regel überschätzt.“
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Schuberts Geburtshaus im Wiener Vorort Himmelpfortgrund
Blick über den Himmelpfortgrund mit der Lichtentaler Pfarrkirche
610
Franz
Schubert:
4. Symphonie
Franz
Schubert:
4. Symphonie
c-Moll
Mit anderen Worten: Bis vor kurzem versperrte
sich die moderne Schubert-Rezeption den unvoreingenommenen Zugang zu den Jugendsymphonien, ganz ähnlich wie es im 19. Jahrhundert die
Romantiker mit ihren ausschließlich an Beethoven
geschulten Maßstäben getan hatten.
Beethoven und die Folgen
1815 schrieb stellvertretend für viele der Philosoph und Musikschriftsteller Amadeus Wendt,
Beethoven habe „aus der romantischen Instrumentalmusik sich gleichsam einen Dom bis in
die Wolken erbaut. Schwerlich wird ihn ein noch
lebender Componist an Reichthum großer und
ernster musikalischer Ideen übertreffen.“ Die
Auseinandersetzung mit Beethoven bestimmte
die musikalischen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts. An ihm, dem alles überragenden „Heros
der Tonkunst“, wie ihn E.T.A. Hoffmann 1810 umschrieb, kam kein Komponist vorbei – erst recht
nicht, wenn er sich auf dem Gebiet der Symphonie versuchte, der Gattung des 19. Jahrhunderts
schlechthin.
Führte bis ins 18. Jahrhundert die Vokalmusik, insbesondere die Oper, die Rangfolge der musikalischen Gattungen an, machte sich ab dem Ende des
18. Jahrhunderts, mit den Werken von Haydn und
Mozart, ein Paradigmenwechsel bemerkbar. Die
Instrumentalmusik und hier wiederum die Symphonie, wurde zur reinsten, von allen außermusikalischen Einflüssen befreiten und damit höchsten
Kunst deklariert. So schrieb etwa E.T.A. Hoffmann
1806 in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung:
„Die große, vollstimmige Orchestersymphonie, so
wie sie die Welt den Deutschen, zuerst Haydn und
Mozart, verdankt, ist der höchste und glänzendste
Gipfel der neuern Instrumentalmusik“; und 1810
ist in seiner berühmt gewordenen Rezension von
Beethovens 5. Symphonie zu lesen: „Haydn und
Mozart, die Schöpfer der neue Instrumentalmusik,
zeigten uns zuerst die Kunst in ihrer vollen Glorie:
wer sie da mit voller Liebe anschaute und eindrang
in ihr innigstes Wesen, ist – Beethoven."
Eine Symphonie neben oder nach Beethoven zu
schreiben, erschien demnach als „schwierig“, „gefährlich“ und gar „unmöglich“ – eine Belastung,
die viele Komponisten in Schaffenskrisen stürzte
oder von der Komposition von Symphonien abhielt.
Auch Schubert scheint die Bürde des großen Vorbilds und den immanenten Drang zur Innovation
gespürt zu haben – doch zeugen davon erst die
Symphonie-Fragmente der „Jahre der Krise“ ab
1818. Zu diesem Zeitpunkt aber hatte er bereits
6 Symphonien vollendet, die in keiner Weise Scheu
oder Mutlosigkeit vor dem „Monument“ Beethoven zeigen, sondern vielmehr Schuberts Auseinandersetzung mit Haydn und Mozart belegen. Insofern mag der von Joseph Spaun dem 15-Jährigen
in den Mund gelegte Ausspruch „Wer vermag nach
Beethoven noch etwas zu machen ?“ weniger auf
sich selbst als auch seine Zeitgenossen gemünzt
gewesen sein.
Auf dem Weg zur neuen Symphonie
Im April 1816 beendete Schubert in einem Zeitraum von weniger als 30 Tagen seine 4. Symphonie – ob er sie selbst, vielleicht bei einem Konzert
des von Otto Hatwig geleiteten Privatorchesters,
jemals gehört hat, ist fraglich. Ungewöhnlich für
die damalige Zeit (und erschwerend für die Aufführung durch ein Liebhaberorchester !) war die von
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Aus Schuberts Tagebuch von 1816, dem Entstehungsjahr seiner „Tragischen“
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Franz
Schubert:
4. Symphonie
Franz
Schubert:
4. Symphonie
c-Moll
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Schubert geforderte Besetzung mit 4 Hörnern –
eine Besetzung, die Beethoven erst in der 9. Symphonie vorschrieb und die in Haydns Werk ebenfalls nur einmal, nämlich in der „Jagdsymphonie“
Nr. 95, in Erscheinung tritt. Ungewöhnlich und folgenschwer auch die explizite Benennung der Symphonie als „Tragische“, was in Verbindung mit der
Grundtonart c-Moll zum Hauptbeweis einer „Heraufbeschwörung“ Beethovens avancierte. Ein junger Wiener Komponist, der eine c-Moll-Symphonie
mit dem Titel „Tragische“ überschreibt, kann nur
eine Auseinandersetzung mit Beethovens „Fünfter“
im Sinn gehabt haben – so lautete die fast einhellige Expertenmeinung seit der Leipziger Uraufführung im November 1849.
den Satzverlauf als fließenden Prozess zu integrieren. Gegensätze erscheinen damit nicht mehr
unversöhnlich, sondern als zwei Seiten ein und desselben Ausgangspunkts. Die Polarität des Dur-MollWechsels wird aufgegeben und mutiert zu einem
Wechsel der Klangfarben, wird zum kompositorischen Mittel des Ausdrucks. Ziel dieses Prozesses
ist nicht das Aufzeigen thematischer Gegensätze,
sondern vielmehr die Verdeutlichung ihres doppelbödigen Zusammenhangs. Das ist das Neue, „Romantische“, an Schuberts Kompositionstechnik, und
es wird in der 4. Symphonie bereits unüberhörbar
manifest.
Schuberts „Tragische“ sei „ein Werk der Beunruhigung durch Beethoven – den Beethoven der c-MollWerke, vor allem des Streichquartetts op. 18/4 und
der Coriolan-Ouvertüre“, schrieb noch der Musikwissenschaftler Alfred Einstein 1951. Dass sich
Schubert mit der Bezeichnung „tragisch“ lediglich in der Tradition der zeittypischen Tonartencharakteristik bewegte und c-Moll nicht anders
einsetzte, als es Haydn und Mozart vor ihm getan
hatten, gehört zu den zahlreichen Missverständnissen der Rezeptionsgeschichte. Neuere Forschungen
hingegen, die in der „Vierten“ einen strukturellen
Neubeginn von Schuberts Kompositionsverfahren
erkennen wollen, gelangen wieder zu ganz anderen
Bewertungen: Schubert, der zunehmend die Regeln
der klassischen Sonatenhauptsatzform in Frage
stelle, ja sich von ihnen zu befreien suche, habe
die komplexere Moll-Tonart gewählt, um an ihr und
mit ihr neue harmonische Lösungen zu erproben.
So fällt am Kopfsatz die Kürze der Durchführung –
ansonsten klassischer Schwerpunkt motivischthematischer Arbeit ! – und die damit verbundene Gewichtsverlagerung auf Exposition und Reprise auf. In keiner Weise dem Schema des Sonaten satzes entspricht die harmonische Disposition, und
konträr zu Beethoven erweist sich auch die Gestaltung des motivisch prägnanten und periodisch geschlossenen Hauptthemas: Für Beethoven war die
„Offenheit“ eines Themas die Voraussetzung für
sich entwickelnde motivische Arbeit – was Schubert zunehmend weniger oder gar nicht interessierte, was ihn aber immer wieder vor die Problematik der inneren Dynamisierung des Satzverlaufs stellte.
So stellt Schubert nicht wie üblich den Moll-DurKontrast der Themen aus, sondern versucht ihn in
Hinter der Maske der Konvention
Auch im „himmlisch“ langen, schon ganz vom
sehnsuchtsvollen Romanzen-Ton des späteren
Schubert erfüllten Andante stellt sich der Komponist der Frage nach neuen satzinternen Entwicklungsmöglichkeiten außerhalb der von Haydn,
Mozart und Beethoven vorgezeichneten Bahnen.
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Leopold Kupelwieser: Franz Schubert im 24. Lebensjahr (1821)
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Franz
Schubert:
4. Symphonie
Franz
Schubert:
4. Symphonie
c-Moll
Erstmals bricht er hier das gewohnte Rondoschema auf und erweitert es zur 5-teiligen Wiederholungsform – ein Schema, das er bis zur „großen“
C-Dur-Symphonie beibehält.
Im Finalsatz wagt Schubert dann eine Art Synthese aus einer primär rhythmisch orientierten Satzanlage und einer motivisch bestimmten Satzentwicklung, wie sie im Gefolge Haydns und Beet hovens traditionell den Satzzusammenhang sichert.
Die Durchführung dieses Satzes weist eine ungewöhnliche Dichte auf – sie wird allerdings nicht
durch Verarbeitung im Sinne von Veränderung des
motivischen Materials oder durch Kontrastierung
von Thementeilen erreicht, sondern durch Übereinanderschichtung verschiedener rhythmisch prägnanter Teile des Themas.
Schubert, der Fortschrittliche
Wenn Schubert dem Ideal der großen „romantischen“ Symphonie nach Beethoven nacheiferte –
und es spätestens mit seiner 8. Symphonie auch
erreichte – , so sind seine frühen Symphonien als
Prozesse zunehmender Individualisierung, eines
Sich-Loslösens von Vorbildern zu begreifen. Es ist
längst an der Zeit, dem allzu vertrauten SchubertBild eine neue Facette hinzuzufügen: die des früh
Experimentierenden, des früh Innovativen, der hinter der mühsam aufrecht erhaltenen Fassade von
Konvention und Tradition diese latent aufzubrechen versucht. Vielleicht gelingt dies, indem wir
anfangen, bewusster zu hören und im Vertrauten
das Neue zu entdecken.
Weil er zu vertraut war,
wird er nun fremd.
Seine Wanderer trafen
auf wenig Freundlichkeit,
immer verschlossen sich
die Häuser, die Nachbarn
waren aus Stein,
die Mädchen, deren Bild
er bewahrte, gehörten
andern, und
sein Winter endete
nicht.
Er wusste, die Erde
kühlt aus.
Peter Härtling: „Schubert“
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Gustav Mahler: 5. Symphonie
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„Die ‚Fünfte‘ ist ein verfluchtes Werk.
Niemand capirt sie !“
Stephan Kohler
Gustav Mahler
(1860–1911)
Symphonie Nr. 5
in fünf Sätzen für großes Orchester
I. Abteilung
1. Trauermarsch: In gemessenem Schritt. Streng.
Wie ein Kondukt.
2. Stürmisch bewegt. Mit größter Vehemenz.
II. Abteilung
3. Scherzo: Kräftig. Nicht zu schnell.
III. Abteilung
4. Adagietto: Sehr langsam.
5. Rondo-Finale: Allegro giocoso. Frisch.
(3., endgültige Fassung von 1911)
Lebensdaten des Komponisten
Geboren am 7. Juli 1860 (nach unbestätigten
Vermutungen schon am 1. Juli) als zweites von
zwölf Kindern im Dorf Kalischt an der böhmischmährischen Grenze (heute: Kalište in Tschechien); gestorben am 18. Mai 1911 in Wien.
Entstehung
Die Komposition seiner ursprünglich 4-sätzig
geplanten „Fünften“ beschäftigte Mahler in den
Jahren 1901 bis 1903; sie entstand, außer in
den Wintermonaten in Wien, hauptsächlich in
Mahlers Sommerdomizil in Maiernigg am Wörther See (Kärnten). Im Sommer 1901 wurden
die Kompositionsskizzen der Sätze 1 und 2 fertiggestellt und die Arbeit am 3. Satz begonnen.
Die Neuordnung des Formverlaufs in drei Abteilungen zu fünf Sätzen fiel in den Sommer
1902, in dem Mahler auch die Kompositionsskizzen der übrigen Sätze vollendete. Instrumentation und Reinschrift erstreckten sich vom Winter 1902 über den erneut in Maiernigg verbrachten Sommer bis in den Oktober 1903, in dem
Mahler die Partitur in Wien beendete.
Fassungen
1904, noch im Jahr der Uraufführung, erschien
bei C. F. Peters, Leipzig, die Orchesterpartitur
nebst Stimmenmaterial (= 1. Fassung); 1905
wurde sie im selben Verlag durch eine „Neue
Ausgabe“ ersetzt (= 2. Fassung); Mahlers nochmalige Überarbeitungen wurden erstmals 1964
bei der Drucklegung der Symphonie im Rahmen
der „Kritischen Gesamtausgabe“ der Internationalen Gustav-Mahler-Gesellschaft berücksichtigt (= 3., endgültige Fassung).
Widmung
Die Partiturreinschrift der „Fünften“ trägt die nicht
in den Druck übernommene Widmung an Mahlers
Frau Alma Maria, geb. Schindler (1879–1964):
„Meinem lieben Almscherl, der treuen und tapferen Begleiterin auf allen meinen Wegen !“
4
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Gustav Mahler: 5. Symphonie
Uraufführung
Am 18. Oktober 1904 in Köln im Großen GürzenichSaal (Saison-Eröffnungskonzert des Städtischen
Gürzenich-Orchesters unter Leitung von Gustav
Mahler).
„Neuer Stil“
Mahlers Verleger wussten, worauf sie sich einließen: Der selbstkritische Komponist türmte
Revision auf Revision und war selten mit dem
einmal Erreichten zufrieden. Insgesamt drei
Fassungen gibt es von der „Fünften“: Die ersten
beiden erschienen noch zu Mahlers Lebzeiten im
Druck; die dritte Fassung hingegen, die hauptsächlich Änderungen der Instrumentation betraf,
wurde erst 1964 im Rahmen der Kritischen MahlerGesamtausgabe veröffentlicht. Mahler selbst
empfand es noch 1911 als „unfassbar“, wie er bei
der ersten Niederschrift der Partitur „so völlig
anfängerhaft irren konnte“: „Offenbar hatte mich
die in den ersten vier Symphonien erworbene
Routine hier völlig im Stich gelassen – da ein ganz
neuer Stil eine neue Technik verlangte... !“
Der „neue Stil“ manifestiert sich im Vergleich
zur unmittelbar vorausgehenden, kammermusikalisch aufgehellten „Vierten“ in der leuch-
tenden Brillanz der üppig besetzten Orchesterpalette, in der virtuosen Behandlung zahlreicher
Solopassagen und in einer Schreibweise, die
sich auffallend einer linear-polyphonen Stimmführung bedient. Am innovativsten wirken beim
ersten Hören Scherzo und vor allem RondoFinale, das mit seinen zahlreichen fugenartigen
Partien ein quasi „kontrapunktisches“ Konzept
verrät. Im Hinblick auf diesen polyphon dominierten Stil betrieb Mahler im Frühjahr und Sommer 1901 ausgiebige Bach-Studien, über die er
sich zu seiner Freundin und Chronistin Natalie
Bauer-Lechner enthusiastisch äußerte: „In Bach
sind alle Lebenskeime der Musik vereint wie in
Gott die Welt !“ Was er „von Bach immer mehr
und mehr lerne – freilich als Kind zu seinen Füßen sitzend“, sei vergleichbar mit dem Hinabtauchen zu den Quellen der eigenen Persönlichkeit: „Denn meine angeborene Art zu arbeiten
ist ‚Bachisch‘ !“
„Neue Techniken“
Nun wird nachvollziehbar, warum der polyphone
„neue Stil“ Probleme beim Erwerb „neuer Techniken“ hervorrief, wie sie sich in Mahlers maßloser Perfektionswut und seinem fast schon manischen Hang zu immer neuen Retuschen an der
Partitur der „Fünften“ spiegeln. Bereits nach
einer ersten Leseprobe mit den Wiener Philharmonikern im Frühjahr 1904 musste der SchlagzeugApparat verkleinert werden, weil Mahler glaubte,
versehentlich eine „Symphonie für Schlagwerk“
geschrieben zu haben. „Seit der ‚Fünften‘ “, so
erinnerte sich Alma Mahler, „war er dauernd
mit sich unzufrieden; die ‚Fünfte‘ wurde fast
für jede Aufführung uminstrumentiert. Es war
eine Wende... !“
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Gustav Mahler bei einem Arbeitsspaziergang im Garten seiner Kärntner Villa (um 1905)
14
Gustav Mahler: 5. Symphonie
Trotzdem: Die zitierte „Wende“ gegenüber der
„Tetralogie“ der frühen „Wunderhorn“-Symphonien ist so radikal nicht, wie sie auf den ersten
Blick erscheint. Viele Phänomene der 5. Symphonie sind dort keimzellenartig bereits vorhanden und mussten nur noch evolutionär ans
Tageslicht gehoben werden: Mahlers Vorliebe
für Klanghärten und lineare Reibungen, für
scharfe, konturenreiche Linienführung, für bitonale oder schein-bitonale Harmonien, für die
Verfremdung oder Anverwandlung voneinander
abgegrenzter Dur- und Moll-Tonarten. „Dadurch
ist die Akkordführung so schwer“, gestand er
Natalie Bauer-Lechner, „besonders bei meinem
Prinzip, dass sich nicht einmal etwas wiederholen darf, sondern alles aus sich heraus sich weiter entwickeln muss. Die einzelnen Stimmen
sind so schwierig zu spielen, dass sie eigentlich
lauter Solisten bedürfen. Da sind mir, aus meiner genauesten Orchester- und Instrumentenkenntnis heraus, die kühnsten Passagen und
Bewegungen entschlüpft.“
Vom Spracherwerb der Musik
Der behauptete Evolutionsschub, der zwischen
den ersten vier Symphonien und der „Wende“
der 5. Symphonie liegt, orientiert sich zumeist
an der pauschalen Zusammengehörigkeit der
Symphonien 1 bis 4 über Textvorlagen aus „Des
Knaben Wunderhorn“. Eine quasi „literarische“
Einteilung wie diese geht am kontinuierlichen,
von Symphonie zu Symphonie fortschreitenden
und somit stufenlosen Prozess der „Sprachwerdung“ von Mahlers Musik jedoch vorbei.
Wenn Mahler selbst die ersten vier Symphonien
zu einer „Tetralogie“ zusammenfasste, dann
hat er vielmehr die quasi „grenzenlose“ Entfal-
5
tung ihres Sprachcharakters gemeint, die mit
der 4. Symphonie ein vorläufiges Endergebnis
erreichte. Mahlers musikalisches Vokabular
war nun mit literarischer Bedeutung soweit
aufgeladen, dass jede weitere Einbeziehung
von Textvorlagen zur Redundanz von Wort und
Ton geführt hätte. Das instrumentale hatte das
vokale Idiom semantisch in sich aufgesogen
und zu einem wortlosen Vokabular geformt, mit
dem er in seiner 5. Symphonie autark von vorn
beginnen konnte: eine „Welt“ nur aus „Tönen“
aufzubauen, war ja seit jeher Mahlers Desiderat gewesen.
Das Selbstbewusstsein, das sich Mahler mit
der erfolgreichen 4. Symphonie erworben hatte, ließ ihn nun großzügig auf programmatische
Äußerungen verzichten, zumindest aber sparsam mit Kommentaren zu seiner 5. Symphonie
umgehen. Keinesfalls wollte er wie früher den
Fehler begehen, „den Trotteln von Richtenden
und Hörenden“ inhaltliche Beweggründe seines Komponierens zu verraten, damit sie ihn
„auf’s Albernste verstehen und verdrehen“. Die
„mündig“ gewordene Musik der 5. Symphonie,
ihres Auftrags und ihrer Wirkung nunmehr sicher, konnte sich einer tautologischen Verdeutlichung durch Texte oder weitschweifige Programme stolz entledigen.
Wenn es um die Demonstration der neu erlangten „Sprachfähigkeit“ seiner Musik ging, wies
Mahler, u. a. in einem Gespräch mit Natalie
Bauer-Lechner, gerne auf das „musiksprachlich“ emanzipierte Scherzo hin: „Es ist durchgeknetet, dass auch nicht ein Körnchen unvermischt und unverwandelt bleibt. Jede Note ist
von der vollsten Lebendigkeit, und alles dreht
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Gustav Mahler mit Tochter Maria am Ufer des Wörther Sees (um 1905)
6
16
Gustav Mahler: 5. Symphonie
sich im Wirbeltanz ! Romantisches und Mystisches kommt nicht vor, nur der Ausdruck unerhörter Kraft liegt darin. Es ist der Mensch in
vollem Tagesglanz, auf dem höchsten Punkte
des Lebens. So ist es auch instrumentiert: keine Harfe, kein Englisch Horn. Die menschliche
Stimme würde hier absolut nicht Raum finden.
Es bedarf nicht des Wortes, alles ist rein musikalisch gesagt ! Es wird auch eine regelrechte Symphonie in vier Sätzen, deren jeder für
sich besteht und abgeschlossen ist, und die nur
in der verwandten Stimmung verbunden sind !“
„Wirrnis, Ordnung und Harmonie“
Als Mahler im August 1901 von der „regelrechten“
Viersätzigkeit seiner „Fünften“ sprach, war die
Entscheidung für einen letztlich dreiteiligen Aufbau – mit den Sätzen 1 und 2 als erster „Abteilung“, dem Scherzo als zweiter und den Sätzen
4 und 5 als dritter „Abteilung“ – ganz offensichtlich noch nicht mal angedacht. Erst im nächsten
Sommer, den Mahler wiederum in Maiernigg
am Wörther See verbrachte, scheint er sich für
den Bauplan eines fünfteiligen Triptychons entschieden zu haben, ohne aber selber Gründe
dafür anzuführen.
Schon die Urfassung der 1. Symphonie („Titan“)
war fünfteilig angelegt, und auch die 2. („Auferstehung“) und 3. Symphonie wiesen eine aus
fünf Sätzen bestehende, aber eher lose „Kettengliederung“ auf. Doch wenn es in den frühen
Symphonien um die Bändigung auseinander strebender, „extensiv“ ausufernder Formteile ging,
so galt es in der „Fünften“, die Komplexität und
Vielschichtigkeit eines aufeinander zustreben-
den, „intensiv“ komprimierten Vokabulars formal wieder zu entflechten. So kann der 2. Satz
als großangelegte Durchführung des 1. („Trauermarsch“-) Satzes gelten, der sich zum 2. Satz
folglich wie eine Exposition verhält. In ähnlicher Weise benutzt der 5. Satz das Themenmaterial des vorausgehenden 4. („Ada gietto“-)
Satzes als Ausgangspunkt für durchführungsartige Prozesse mit Finalcharakter. Dem Scherzo, der symmetrischen Mitte der Satzfolge 2 +
1 + 2, kommt demnach nicht nur eine zentrale,
sondern auch deutlich nach allen Seiten hin „abgegrenzte“ Position zu. Es sei „enorm schwer zu
arbeiten“, so Mahler zu Natalie Bauer-Lechner,
und zwar „durch den Aufbau und die größte
künstlerische Meisterschaft, die dieser Satz in
allen Verhältnissen und Détails verlangt. Die
scheinbare Wirrnis muss, wie bei einem gotischen Dome, sich in höchste Ordnung und Harmonie auflösen !“
Wahrscheinlich war es dieser explizit „entwirrende“ und auf Harmonie der Teile und des Ganzen zustrebende Ordnungswille, der Mahler den
Anstoß zur Neugliederung der Symphonie gab.
Dreht sich das Scherzo noch wirbeltanzartig um
die eigene Achse, so funktioniert nun die dualistische Anordnung der umgebenden „Abteilungen“ 1 und 3 nach einem quasi „multispektralen“
Prinzip: 1. und 2., nicht anders wie 4. und 5.
Satz, stehen sich wie Dioskuren zwar innerlich
getrennt, aber dennoch paarweise gegenüber,
wobei der vorausgehende im jeweils nachfolgenden Satz fast vollständig aufgehoben ist.
Die Ambivalenz einer solch doppelbödigen Formgebung wirkte sich notgedrungen auch auf den
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Mahlers Sommervilla in Maiernigg am Wörther See, die er von 1901 bis 1907 bewohnte
18
Gustav Mahler: 5. Symphonie
Tonartenplan aus: „Es ist nach Disposition der
Sätze“, so Mahler an seinen Verleger, „schwer
möglich, von einer Tonart der ganzen Symphonie zu sprechen, und bleibt, um Missverständnissen vorzubeugen, lieber eine solche besser
unbezeichnet... !“ Die einzelnen Sätze der „Fünften“ durchdringen sich in der Tat nicht nur motivisch und thematisch, sondern auch hinsichtlich
ihrer (Grund-) Tonarten. Das cis-Moll des expositionsartigen „Trauermarsch“-Beginns (= 1.
Satz) findet sich im durchführungsartigen „Hauptsatz“ (= 2. Satz) ebenso, wie dessen vorherrschende Grundtonart a-Moll bereits im 1. Satz
anklingt. Prospektive und Retrospektive teilen
sich den schier undurchdringlichen Beziehungsreichtum dieser Partitur.
Kunst und Leben
Die Komposition seiner „Fünften“ beschäftigte
Mahler in den Jahren 1901 bis 1903; sie entstand, außer in Wien, hauptsächlich in Maiernigg am Wörther See (Kärnten), wo Mahler von
1900 bis 1907 seine alljährlichen Sommerferien
verbrachte. Im Sommer 1901 stellte er die Kompositionsskizzen des 1. und 2. Satzes fertig, wobei ihm, wie Bauer-Lechner berichtete, „ein Thema von Koschat, ‚An dem blauen See‘ (worunter
der Wörther See gemeint ist), in den 2. Satz geriet“; Thomas Koschat (1845–1914) war ein damals bekannter Komponist von „populären“
Kärntner Liedern, die am Wirtshaustisch und
auf Volksfesten gesungen wurden. Zu diesem
unfreiwilligen Zitat aus der Trivialfolklore meinte Mahler, es sei ihm lieber, „dass es von Koschat ist, als wenn es von Beethoven wäre, denn
der hat seine Themen selbst ausgearbeitet !
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Von Schubert könnte man ruhig die meisten Themen aufgreifen und erst ausführen. Ja, das würde ihnen gar nicht schaden, so ganz und gar
unausgearbeitet sind sie.“
Im selben Sommer begann auch schon die Arbeit am 3. Satz, dem Scherzo, die sich in der
Folge aber als besonders schwierig herausstellte. Zu diesem Zeitpunkt war die „Fünfte“ bekanntlich noch als 4-sätzige Symphonie geplant:
das traditionelle Schema verwarf Mahler wahrscheinlich erst im November 1901 in Wien, als er
das „Adagietto“ als zusätzlichen Symphoniesatz
in den Bauplan der „Fünften“ einschob. Den biographischen Anlass bildete Mahlers Bekanntschaft
mit Alma Schindler, der er das „Adagietto“ –
nach einem Bericht des Mahler-Freunds und
-Dirigenten Willem Mengelberg – als wortlosen
„Liebesbrief“ zukommen ließ. In Mengelbergs
noch zusammen mit Mahler redigierter und von
aufschlussreichen Randnotizen übersäter Partitur heißt es unmissverständlich: „Dieses Adagietto war Gustav Mahlers Liebeserklärung an
Alma ! Statt eines Briefes sandte er ihr dieses
im Manuscript, weiter kein Wort dazu. Sie hat
es verstanden und schrieb ihm: Er solle kommen !!!
Beide haben mir dies erzählt. Wenn Musik eine
Sprache ist, so ist sie es hier – er sagt ihr alles
in ‚Tönen‘ und ‚Klängen‘, in: Musik !“
Alma contra Natalie
Der Maiernigger Sommer 1901 war damit erwartungsgemäß der letzte, den Mahler mit Natalie Bauer-Lechner (1858–1921) verbrachte,
seiner langjährigen Seelenfreundin und Helferin in allen Angelegenheiten des Lebens und der
19
Der Beginn des „Adagietto“ in der noch von Mahler persönlich redigierten Dirigierpartitur Willem Mengelbergs
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Gustav Mahler: 5. Symphonie
beruflichen Karriere. Zwölf Jahre engster Freundschaft verbanden ihn mit der Bratscherin des
bekannten Soldat-Roeger-Streichquartetts, und
rechnet man die Jahre vorheriger Begegnungen
seit Mahlers früher Budapester Zeit hinzu, erstreckte sich ihre Beziehung über einen fast doppelt so langen Zeitraum wie die nur 10-jährige
Verbindung Mahlers mit Alma. Bauer-Lechner
kannte Mahlers innerstes Wesen, las ihm jeden
Wunsch von den Augen ab und war ihm als Haushaltshilfe wie als versierte Gesprächspartnerin
im Laufe der Jahre unentbehrlich geworden.
Vielleicht war das Rückert-Lied „Ich atmet’ einen
linden Duft“, das parallel zur „Fünften“ im Sommer 1901 in Maiernigg entstand, als heimliches
Portrait der stets diskret im Hintergrund agierenden Natalie gedacht, denn Mahler sagte ihr,
„es stecke darin die verhaltene, glückliche Empfindung, wie wenn man in der Gegenwart eines
lieben Menschen weilt, dessen man ganz sicher
ist, ohne dass es auch nur eines Wortes zwischen den beiden Seelen bedürfte“.
Die fast mütterliche Geborgenheit bei der um
zwei Jahre älteren Natalie zerstörte im November 1901 der erotische Schockzustand, in dem
sich Mahler nach seiner Begegnung mit Alma
Schindler befand. Die schon früh als „femme
fatale“ verschriene Tochter eines Wiener Landschaftsmalers hatte Mahler am 7. November
1901 im Salon von Berta Zuckerkandl kennen
gelernt. Am 7. Dezember folgte die heimliche
Verlobung, am 27. Dezember eine erste indiskrete Notiz im Wiener „Abendblatt“ und am 9.
März 1902 schließlich die etwas überstürzt wirkende Heirat. Alma Maria Mahler (1879–1964)
war fortan die „einzige“, totalitär besitzergreifende Frau in Mahlers Leben, als der es ihr ge-
lang, alle Erinnerungen an frühere Beziehungen
ihres Mannes, mögen sie auch noch so platonisch gewesen sein, buchstäblich auszulöschen.
Es war vorauszusehen, dass Natalie BauerLechner im Januar 1902 ihr Mahler-Tagebuch
mit den Worten beschloss: „Mahler hat sich
vor sechs Wochen mit Alma Schindler verlobt.
Ich befände mich hier, wollte ich darüber reden,
in der Lage des Arztes, der sein Nächstes und
Liebstes auf Tod und Leben behandeln soll. Drum
sei, dies zu Ende zu führen, in die Hände des
höchsten, ewigen Meisters gelegt !“
Ohne sich darüber in vollem Umfang bewusst zu
sein, hatte Mahler also in der ersten „Abteilung“ der „Fünften“ seine Beziehung zu Natalie
zu Grabe getragen, um nach dem Wendepunkt
des 3. Satzes mit dem „Adagietto“-Liebesbrief
und dem „per aspera ad astra“ eilenden Finale
dem nun glücklich erreichten Hafen der Ehe mit
Alma ein tönendes, aber zuletzt ziemlich lärmendes Denkmal zu setzen. „Meinem lieben
Almscherl, der treuen und tapferen Begleiterin
auf allen meinen Wegen !“, heißt es über der
Partiturreinschrift der „Fünften“ – eine etwas
voreilige Widmung, wenn man bedenkt, dass
Mahler Alma im Oktober 1903 noch nicht einmal
zwei Jahre kannte...
„Verdammte Musik“
Mahler musste nun sehr bald erkennen, dass
die „Fünfte“ nicht nur stilistisch, sondern auch
biographisch einen quasi doppelten Wendepunkt in seinem Leben bedeutete. Die neue,
von Anfang an gefährdete Existenz neben einer
der begehrtesten Frauen Wiens, der der Ruf
einer männermordenden, fleischfressenden
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Das erste überlieferte Photo von Alma und Gustav Mahler, aufgenommen am Rheinufer
in Basel (1903)
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Gustav Mahler: 5. Symphonie
Pflanze vorauseilte, nahm mehr, als ihm lieb
war, Einfluss auf sein künstlerisches Schaffen.
Verglichen mit der fatalistischen, von Ausweglosigkeit geprägten „Sechsten“ ist die „Fünfte“
allerdings noch voller Euphorie und spiegelt mit
ihrem „Durch Nacht zum Licht“-Verlauf das ganze Spektrum positiver Lebenserwartungen, das
Mahler mit seiner Eheschließung verband. Wie
eine Messe zelebrierte das Paar im Herbst 1902
die Vollendung der Particell-Skizze: „Es war das
erste Mal, dass er mir ein neues Werk vorspielte“, so Alma weihevoll in ihren „Erinnerungen“,
„und wir stiegen dazu Arm in Arm mit Feierlichkeit zu seinem Arbeitshaus im Walde hinauf... !“
Bei der Uraufführung musste das hohe Paar allerdings, wie zu erwarten war, in die Niederungen
des zeitgenössischen, so verstaubten wie intriganten Musikbetriebs ernüchtert hinabsteigen.
Das Werk fand eine geteilte Aufnahme – am
meisten gefiel noch das notorisch populäre
„Adagietto“. Richard Strauss gestand offen, ihm
habe die Symphonie „große Freude bereitet“,
die ihm „nur durch das kleine Adagietto etwas
getrübt“ wurde: „Dass dasselbe beim Publikum
am meisten gefallen hat, geschieht Ihnen dafür
auch ganz recht. Die beiden ersten Sätze besonders sind sehr großartig; das geniale Scherzo wirkte nur etwas zu lang – wie viel da die
etwas ungenügende Ausführung Schuld trägt,
entzog sich meiner Beurteilung !“
Hatte sich Mahler beim Einstudieren des Scherzo geirrt oder es ganz bewusst sehr langsam
genommen ? Zahllose Missverständnisse dieser
Art vorausahnend, gab er Alma zu den Zukunftsaussichten seiner Musik zu Protokoll: „Das Scherzo ist ein verdammter Satz ! Der wird eine lan-
ge Leidensgeschichte haben ! Die Dirigenten
werden ihn fünfzig Jahre lang zu schnell nehmen und einen Unsinn daraus machen. Das Publikum – o Himmel ! – , was soll es zu diesem
Chaos, das ewig auf’s Neue eine Welt gebärt,
die im nächsten Moment wieder zu Grunde
geht, zu diesen Urweltsklängen, zu diesem sausenden, brüllenden, tosenden Meer, zu diesen
tanzenden Sternen, zu diesen verathmenden,
schillernden, blitzenden Welten für ein Gesicht
machen ? Die ‚Fünfte‘ ist ein verfluchtes Werk.
Niemand capirt sie !“
Die Künstler
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Robert Trevino
Dirigent
Der amerikanische Dirigent gab 2003 sein Debüt
im Alter von nur 20 Jahren und ist derzeit Associate Conductor des Cincinnati Symphony Orchestra / USA. Seither hat Robert Trevino zahlreiche
Orchester in Nordamerika, Europa und Asien geleitet, darunter das Cleveland Orchestra, New York
City Opera Orchestra, Philadelphia Orchestra, New
World Symphony Orchestra sowie das Cincinnati,
Baltimore, Memphis und Napa Valley Symphony
Orchestra, das Tanglewood Music Center und Aspen Music Festival Orchestra und darüber hinaus
in Südkorea das Suwon Philharmonic Orchestra,
in Frankreich das Orchestre National de Montpellier und in Mexiko das Orchester der Universidad
Nacional Autonoma de Mexico.
In seiner früheren Position als Associate Conductor und Gastdirigent der New York City Opera hat
Robert Trevino die Weltpremieren von fünf Opern
im Rahmen der jährlich stattfindenden VOX American Opera Series geleitet. In jüngster Zeit führten Gastdirigate den jungen Amerikaner zum East
Texas sowie zum Macon und Tallahassee Symphony Orchestra. Außerdem trat er mit dem Orchester der Ensemble Modern Akademie beim
Klangspuren Festival in Schwaz / Tirol auf, dirigierte die Millennium Chamber Players beim
Jusqu’aux Oreilles Festival in Montréal / Canada
und assistierte Leif Segerstam bei der Erarbeitung
eines kompletten Sibelius-Zyklus mit dem Helsinki Philharmonic Orchestra. Im vergangenen
Sommer wurde Robert Trevino von James Levine
zum Tanglewood Music Festival eingeladen, wo
er als einer von drei Conducting Fellows u. a. mit
Kurt Masur und Emanuel Ax arbeiten durfte.
2010 war Robert Trevino einer der Finalisten des
Internationalen Jewgenij-Swetlanow-Dirigierwettbewerbs und erhielt den James Conlon Prize
for Excellence in Conducting beim renommierten
Aspen Music Festival. Ebenso gewann er 2010
einen Career Assistance Award der Sir Georg
Solti Foundation.
Als begeisterter Befürworter und Interpret zeitgenössischer Musik hat Robert Trevino eng mit
zahlreichen führenden Komponisten zusammengearbeitet und mehrfach Stipendien der Found­
ation for Contemporary Art erhalten.
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Auftakt
„Ewig jung“
Die Kolumne von Elke Heidenreich
Eine Fülle wunderbarer Konzerte können Sie in den nächsten Wochen bei
den Münchner Philharmonikern hören,
wohlbekannte alte und herausfordernde neue Musik, und es ist für mich immer wieder ein schönes Wunder, dass
die Konzertsäle, wo auch immer, fast
voll werden mit Zuhörern. Da spielen
Menschen für andere Menschen Musik, die man
doch auch zuhause auf CD oder im Radio hören
könnte – aber nein, man macht sich auf in den Konzertsaal, zahlt sogar Eintritt, nur, um zusammen
zuzuhören. Das klingt altmodisch und ist es auch
– schon etwa seit dem 17. Jahrhundert gibt es
diese Art Konzerte. Früher fanden sie in Kirchen
oder an Fürstenhöfen statt, und dann kam um die
Mitte des 17. Jahrhunderts in England ein Mr. Bannister auf die Idee, Konzerte in Tavernen, in Kneipen spielen zu lassen, gegen einen kleinen Eintritt.
Das wurde ein großer Erfolg, auch Mozart hat noch
in Tavernen gespielt, als er London besuchte. Und
so, kann man sagen, kam die Musik endgültig unters Volk.
Bis heute können wir wählen zwischen einem Jazzoder Rockkonzert, einem Konzert von Helene Fischer oder den Wiener Sängerknaben, zwischen
klassischem Konzert mit Bekanntem oder Konzerten, die neue Musik anbieten. Oft wird das Neue
mit dem Alten gemischt, damit es eine Chance hat,
auch gehört zu werden, und ich habe schon Konzerte erlebt, wo man sich nach Beethoven vor dem
„Neutöner“ fürchtete und dann nach dem Neuem
eigentlich nichts Altes mehr hören wollte.
Wir kennen so viele Stücke, aber im
Konzertsaal live klingen sie plötzlich
wieder anders, je nach Dirigent schon
sowieso. Ich frage mich oft – und ja
nicht nur ich – ob das Konzert eine
aussterbende, eine altmodische Gattung ist. Aber dann sehe ich in Köln,
wo ich lebe, über tausend Menschen
donnerstags zu den kostenlosen Mittagskonzerten
in die Philharmonie strömen – oft ungeübte Zuhörer, die einfach mal eben vom Bahnhof oder Dom
nebenan für eine halbe Stunde reinschneien. Und
München bietet in Kooperation mit Kulturraum
Konzerte für sozial schwache Menschen an, die
Philharmoniker gehen unter der Überschrift „Spielfeld Klassik“ gezielt auf junge Hörer in Schulen,
der Uni oder sogar Kindergärten zu, spielen in
Clubs und Off-Locations, jungen und alten Menschen wird der Besuch von Generalproben ermöglicht, und all diese Angebote werden dankbar
angenommen.
Also: von wegen, das klassische Konzert ist ein
Anachronismus! Sein Ende wurde schon oft heraufbeschworen – als die Mäzene an den Fürstenhöfen wegfielen, als Radio und Schallplatte aufkamen, aber die Begegnung Künstler-Publikum hat
überdauert. Die Zahl der in Deutschland jährlich
gespielten Konzerte geht in die Tausende, die der
Besucher liegt bei rund vier Millionen, nach den
letzten Zahlen, die ich kenne.
Sie gehören dazu. Eine gute Entscheidung!
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Orchesterakademie
Wir haben drei neue Akademisten: Johannes
Treutlein (Kontrabass) wird ab März Mitglied unserer Orchesterakademie sein, Philipp Lang (Trompete) und Vicente Climent Calatayud (Posaune) ab
April.
Folgende Orchesterakademie-Stipendien sind noch
ausgeschrieben: Flöte (Probespieltermin: 11.06.15),
Oboe (Probespieltermin: 01.07.15), Klarinette (Probespieltermin: 20.04.15) und Fagott (Probespiel termin:
07.05.15).
Bewerbungen bitte an:
[email protected].
Leitbild
Auch wir haben nun ein Leitbild, das in den letzten Monaten von einem Gremium aus Orchestermusikern und Kollegen der Direktion erarbeitet
wurde. Verabschiedet wurde dieses Leitbild feier-
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lich mit einem Neujahrs-Umtrunk nach einem
Konzert. Einzusehen ist unser Leitbild auf
www.mphil.de
Herzlichen Glückwunsch
Die Münchner Philharmoniker gratulieren ihrem
ehemaligen Solo-Bratschisten Sigfried Meinecke
zum 99. Geburtstag!
Fußball
Wetterbedingt wurden die Trainingseinheiten unserer Fußballmannschaft auf Eis gelegt. Aber auch
bei uns wird die Winterpause zu harten Verhandlungen genützt: die Termine für die nächsten Trainingsstunden mit Konstantin Sellheim stehen!
Sollte der Frühling noch so sonnig werden – die
Fußballmannschaft der Staatsoper kann sich schon
mal warm anziehen.
MPhil vor Ort
Egal ob Club oder Hofbräuhaus, wir sind dabei! Im
Januar gab es ein weiteres Konzert in der MPhil
vor Ort-Reihe mit Holleschek+Schlick, dieses Mal
im Postpalast an der Hackerbrücke. Erst Beethovens 6. Symphonie und „The Light“ von Philip Glass,
anschließend Fest mit Disc- und Video-Jockeys
und einem Überraschungs-Auftritt um 1 Uhr.
„Ehrensache“ ist wieder das Konzert der Blas musik
der Münchner Philharmoniker im Hofbräuhaus.
Beginn ist am 29.3. um 11 Uhr, Karten gibt’s bei
MünchenTicket.
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Herzlich Willkommen
Quirin Willert (Wecheselposaune) und unser ehemaliger Akademist Thomas Hille (Kontrabass) treten ab März ihren Dienst bei uns an. Wir freuen
uns und wünschen alles Gute für das Probejahr!
Auch unsere ehemalige Akademistin Yushan Li
(Viola) kehrt zurück. Direkt nach ihrem bestandenen
Probespiel ging sie in ein halbes Jahr in Babypause,
im April beginnt sie ihr Probejahr. Ihr Ehemann
Valentin Eichler, ebenfalls Bratschist bei uns, geht
dafür in Elternzeit.
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Philharmonische Notizen
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Wir gratulieren...
...Mia Aselmeyer und Jano Lisboa
zum bestandenen Probejahr
Mia Aselmeyer wurde 1989 in Bonn geboren, wo
sie auch aufwuchs. Ihren ersten Hornunterricht
erhielt sie im Alter von neun Jahren bei Rohan
Richards, Hornist des Beethoven Orchesters Bonn.
Während eines einjährigen High-School-Aufenthalts
in Michigan, USA, feierte sie mit mehreren Ensembles verschiedene Wettbewerbserfolge. Vor dem
Abitur war sie Jungstudentin bei Paul van Zelm an
der Kölner Musikhochschule und wechselte dann
an die Hochschule für Musik und Theater Hamburg,
wo sie bei Ab Koster ihr Hauptfachstudium absolvierte. Währenddessen war sie Mitglied der Jungen Deutschen Philharmonie, des Orchesters des
Schleswig-Holstein-Musik-Festivals sowie zahlreichen Kammermusikensembles. Von 2011 bis 2013
war sie Mitglied der Giuseppe-Sinopoli-Akademie
der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Außerdem war sie Stipendiatin des Vereins Yehudi Menuhin Live Music Now. Ihre Orchestertätigkeiten
führten Mia Aselmeyer an bedeutende Konzerthäuser Europas, Amerikas und Asiens. Für die Saison 2013/14 erhielt sie einen Zeitvertrag bei den
Münchner Philharmonikern, seit Beginn der Saison
2014/15 ist sie festes Mitglied der Horn-Gruppe.
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Geboren in Viana de Castelo in Portugal, bekam
Jano Lisboa im Alter von 13 Jahren Viola-Unterricht. Er setzte seine Ausbildung bei Kim Kashkashian am New England Conservatory in Boston fort
und schloss sein Studium in den USA mit dem Master of Music ab. Außerdem studierte er Streichquartett bei Rainer Schmidt (Hagen Quartett) an der
Reina Sofia Music School in Madrid. Regelmäßig
tritt Jano Lisboa bei Solo – und Kammermusikkonzerten in Europa, USA, Brasilien und Afrika auf.
Jano Lisboa arbeitete mit Tigran Mansurian an
dessen Violakonzert „…and then I was in time
again“, führte Fernando Lopes-Graças „Viola Concertino“ mit dem Orquestra do Norte und das Viola-Konzert von Alexandre Delgado mit dem Gulbenkian Orchestra in Lissabon auf.
Er ist Gewinner des „Prémio Jovens Músicos“ (Lissabon), des „NEC Mozart Concerto Competition“
(2006, Boston, USA) und des „Watson Forbes International Viola Competitions“ (2009, Schottland). Darüber hinaus wurde Jano Lisboa mit der Bürgerverdienstmedaille seiner Heimatstadt ausgezeichnet.
Jano Lisboa war Mitglied des Münchener Kammerorchesters und Künstlerischer Leiter des Kammermusik-Festivals Viana in Portugal.
Seit September 2013 ist er der Solobratschist der
Münchner Philharmoniker. Er spielt eine Bratsche
von Ettore Siega von 1932 mit einem Bogen von
Benoît Rolland.
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Symposium in Buchenried
Das Musiksymposium am Starnberger See
Simone Siwek
Von 3.–6. Januar 2015 trafen sich zum zweiten Mal
Neugierige, Musikinteressierte und Profis am Starnberger See in Buchenried, einem Haus der Münchner
Volkshochschule. Im Januar 2014 startete die Reihe
mit dem Titel „Musik ist Kommunikation“, das diesjährige Thema lautete „Musik ist Idee“.
Haus Buchenried bietet nach dem Umbau attraktive
Seminarräume, aber auch Übernachtungsmöglichkeiten – beides in großartiger Lage. So entstand die Idee,
in Kooperation zwischen der Münchner Volkshochschule, dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München und den Münchner Philharmonikern ein Projekt
für diesen Ort zu entwickeln. Das Musiksymposium
bietet eine besonders persönliche und ambitionierte Beschäftigung mit Aspekten des Musizierens in
einem Kreis zwischen 30 und 40 Teilnehmern – für
die Menschen, die sie rezipieren ebenso wie für
diejenigen, die sie zu ihrem Beruf gemacht haben.
Idee und Konzept zum Musiksymposium stammen
von Gunter Pretzel, Bratschist der Münchner Philharmoniker:
Drei Tage im allerersten Beginn des Jahres, noch
außerhalb jeder Zeit, fern jeden Alltags; drei Tage
voller Klang, Ideen, Bildern und Begegnungen; eine
Auszeit im Innersten der Musik: dies sind die Symposien in Buchenried am Starnberger See.
In diesem Jahr war es der Intuition gewidmet und
damit der Frage nach dem Entstehen von Musik im
Moment ihres Erklingens. Denn nicht jede erklingende Notenfolge ist zugleich auch schon Musik.
Musik kann entstehen – oder auch nicht. Was ge-
schieht im Entstehen von Musik? Wie erarbeitet sich
der Musiker das Werk, wie geht er auf die Bühne,
was muss er tun, dass Musik entstehen, dass Musik
sich ereignen kann?
Dabei ist die Frage nach dem Entstehen von Musik
im Moment ihres Erklingens das Leitmotiv, das alle
diese Symposien verbindet. Sie ist wahrlich nicht
einfach zu beantworten, wenn es denn überhaupt
möglich ist. Aber wenn die Dozenten und Interpreten
bereit sind, in aller Offenheit sich mitzuteilen, dann
führt diese Fragestellung zu einer Nähe von sich Mitteilenden und Hörenden, die sonst kaum zu erreichen
ist.
Gunter Pretzel und Prof. Peter Gülke
Das Wort ist hier nur eines von vielen Formen der
Mitteilung: kommentierte Proben, in denen der Musiker sein Denken dem Publikum eröffnet, Klangspaziergänge, die zu eigenem kreativen Hören anstiften, Performances, in denen das Thema wie ein
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künstlerisches Motiv aufscheint und Anleitungen zu
konzentriertem Hören umschreiben das Gemeinte
vielfältig und facettenreich. Ein Begriff wie der der
Intuition, der sich ja jedem sprachlichen Zugriff entzieht, bleibt so gewärtig, ohne sein Geheimnis und
damit seine Faszinationskraft zu verlieren.
Mit einer offen gebliebenen Frage bleibt auch die
Wahrnehmung geöffnet. So wird sie mitgenommen
in alle weiteren Begegnungen mit Musik, auf die der
Hörer sich in dem dann folgenden Jahr einlässt. Er
wird feststellen, wie sich sein Hören sensibilisiert
hat und er wird noch intensiver bereit sein, sich auf
das Mit-Teilen des Künstlers einzulassen.
Die Programme von SPIELFELD KLASSIK wollen Neugierigen die Möglichkeit geben, der Musik zu begegnen und gemeinsam Entdeckungen zu machen. Daher
wurde die Idee von Gunter Pretzel gerne in die Tat
umgesetzt. Er gestaltet die Tage jeweils gemeinsam
mit Marianne Müller-Brandeck (MVHS), Heike Lies
(Kulturreferat München) und Simone Siwek (Münchner Philharmoniker).
Neben den Inhalten und allem Organisatorischen
liegt der Fokus auch darauf, interessante Dozenten
und Mitwirkende zu gewinnen. Allen voran Ernst
von Siemens Musikpreisträger, Dirigent und Musikwissenschaftler Prof. Peter Gülke, der das Symposium seit seiner Premiere im Januar 2014 mit Vorträgen und Gesprächen prägt. Auch für die Fortsetzung im Januar 2016 hat er seine Teilnahme wieder
bestätigt. Weitere Mitwirkende sind Daniel Ott und
Manos Tsangaris (Leitung der Münchner Biennale
ab 2016), Prof. Denis Rouger (Professur für Chorlei-
HAUSCHKA während der Probe mit Florentine Lenz und
Traudel Reich
tung an der Musikhochschule Stuttgart), Dr. Thomas
Girst (BMW Group, Kulturengagement), Komponist
und Pianist HAUSCHKA, Komponist und Jazztrompeter Matthias Schriefl. Musikerinnen und Musiker
der Münchner Philharmoniker sind in Ensembles beteiligt und gehen musikalische Experimente ein, wenn
sie z.B. auf den Jazztrompeter Matthias Schriefl oder
Pianist HAUSCHKA treffen. Beide komponierten eigens für diesen Anlass und arbeiteten mit den Ensembles vor Ort.
Die Planungen für 3.–6.1.2016 sind in vollem Gange.
Weitere Infos erhalten Sie unter spielfeld-klassik.de
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Symposium in Buchenried
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Orchestergeschichte
Ein Konzert zwischen Königreich und Republik
Gabriele E. Meyer
Am 7. November 1918 kam es im Zusammenhang
einer Friedenskundgebung auf der Theresienwiese zu einem Massenaufstand, der noch am selben
Abend die Herrschaft der Wittelsbacher beenden
sollte. An jenem Abend dieses „Schicksalsmoments“,
so Bruno Walter in seinen Erinnerungen, fand auch
ein Konzert der Münchner Philharmoniker (damals
noch unter dem Namen Konzertvereinsorchester
musizierend) statt. Hans Pfitzner, der gegen Ende
des Ersten Weltkrieges Hals über Kopf seine Straßburger Stellung als Opernchef, Orchesterleiter und
Konservatoriumsdirektor aufgeben musste und
zunächst notdürftig in der Residenzstadt München
untergekommen war, hatte die Leitung übernommen. Auf dem Programm standen Haydns B-DurSymphonie von 1782, Schumanns 4. Symphonie
und Webers „Oberon“-Ouvertüre, sodann die
„Nachtigallen“-Arie aus Händels Oratorium „L’Allegro,
il Pensieroso ed il Moderato“. Zu hören waren außerdem Klavierlieder von Brahms und vom Komponisten selbst, wobei Pfitzner auch als Liedbegleiter
auftrat, eine damals noch gängige Praxis in Orchesterkonzerten.
Angesichts der sich überschlagenden Schreckensnachrichten schon tagsüber machten sich verständlicherweise nur unerschrockene Konzertbesucher
auf den Weg in die Tonhalle, unter ihnen auch die
Musikrezensenten von der „Münchner Post“ und
den „Münchner Neuesten Nachrichten“. Zu Beginn
des Konzerts lebte man noch im Königreich Bayern, am Ende hatte Kurt Eisner bereits die Republik ausgerufen und den Freistaat Bayern proklamiert. Von den ohnehin nicht zahlreichen Zuhörern
scheint angesichts der bis in den Saal vernehmbaren Schießereien nur eine Handvoll bis zum
letzten Programmpunkt ausgeharrt zu haben. Erst
sehr viel später, am 20. bzw. 26. November, erschienen die beiden Besprechungen. Der just zu
der Zeit als Kritiker der „MP“ tätige Musikwissenschaftler Alfred Einstein sprach „von Kunsterlebnissen höchster Art, wie sie nur ein geniales Musikertum vermitteln kann“. Diesen Eindruck bestätigten fast acht Tage später auch die „MNN“.
„Pfitzner hat es vermocht“, ließ R. W. die Leser
wissen, „mit der Symphonie in B-dur von Haydn,
der Oberon-Ouvertüre von Weber und ganz besonders mit der hinreißend schwungvoll gestalteten
Symphonie in d-moll von Schumann das Publikum
zu begeistern. Man erlebte es einmal wieder, was
es bedeutet, wenn eine schöpferische künstlerische Persönlichkeit von der Bedeutung Pfitzners
zum Dirigentenstab greift.“ Insbesondere die trotz
aller straffen und strengen Rhythmik elastisch
federnde Agogik, die feine Dynamisierung und die
ungewohnt rascheren Allegrotempi hatten es dem
Rezensenten angetan. Solistin des Abends war
die Dresdner Sopranistin Gertrud Meinel, die, neben der „Nachtigallen“-Arie, noch einige Lieder
„von Pfitzner hervorragend schön am Klavier begleitet“ sehr „empfindungsfähig“ vortrug. Pfitzner
musste eigentlich zufrieden sein. Der hypersensible Komponist aber stand, nicht zum ersten Mal in
seinem Leben, unter dem Eindruck, „daß nur ihm
eine solche revolutionäre Unannehmlichkeit“ (Bruno Walter), wie er sie an jenem 7. November erlebt hatte, passieren könne.
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Komponist und Pianist HAUSCHKA
Volker Bertelmann
Als mich Heike Lies vom Münchner
Kulturreferat zum ersten Mal anschrieb, ob ich nicht Lust hätte, bei
einem Symposium in Buchenried mit
Musikern der Münchner Philharmoniker zu arbeiten, da fiel diese Anfrage genau in eine Zeit, in der mein
Interesse für die Zusammenarbeit
mit klassischen Musikern in ein neues Stadium kam. Ich hatte gerade
ein Angebot beim MDR Symphonieorchester in Leipzig (Anm: als Artist in Residence) angenommen und
war somit schon auf der Suche, wie ich Klang im
skulpturalen Sinne in eine Komposition einbringen
und wie deren Umsetzung aussehen kann.
Ich sagte zu und war sehr schnell mit Gunter Pretzel
und Simone Siwek im Gespräch über inhaltliche Fragen bezüglich experimenteller Musik und über die
Besetzung.
Eine der maßgeblichen Fragen, die mich umtreibt, ist:
wie bekomme ich den Sound aus meinen präparierten
Klavierstücken in ein Ensemble oder Orchester transportiert? Denn viele der Sounds, die sich in meinen
Kompositionen entwickeln, entstehen erst vor Ort
und auch in Abhängigkeit von Instrument und Raum.
Ich habe mich für verschiedene Stufen der Arbeit in
den nächsten Jahren entschieden, in denen ich den
Klang des Orchesters mit fertig notierten Kompositionen für mich auslote und gleichzeitig freie Improvisationen als Inspirationsquelle, aber auch als Zulassen des Zufallsereignisses in meine Musik und
Arbeit mit klassischen Musikern einbaue.
Bei meiner Zusammenarbeit mit Hilary Hahn ist es
zum Beispiel ein wunderbares Gefühl für uns beide,
aus unserem Fundus an musikalisch erlerntem Wissen zu schöpfen und es gezielt abzurufen, ohne Themen aus unserer gemeinsamen CD (Anm: „Silfra“ Hilary
Hahn & Hauschka, 2012) zu vergessen.
Mit all den Gedanken traf ich mich
nun zur Improvisation mit acht
Musikerinnen und Musikern der
Münchner Philharmoniker und versuchte herauszufinden, wie die Psychologie in unserer Gruppe funktioniert. Wie erlangt man Zugang zu dem Repertoire,
das man in sich trägt, welches aber oft mit Ängsten
und Zweifeln besetzt ist? Oft ist das Wissen in vielen Jahren abtrainiert worden und muss wieder reaktiviert werden.
Wir spielten etwa eineinhalb Stunden und ich hatte große Freude, denn es waren allesamt Menschen,
die Lust auf Neues hatten, die Lust hatten, Unsicherheiten zu überwinden – und es waren alles wundervolle Musiker! Es ging hier nicht – wie gerne angenommen wird – darum, irgend etwas zu revolutionieren oder die übliche Art Musik zu machen in
Frage zu stellen. Sondern um einen Teil, der auch
zum Musikmachen dazugehört, nämlich mit Kraft
nach dem eigenen Ausdruck zu suchen und vielleicht
etwas zu formen, das unserer gemeinsamen Vorstellung von Musik entspricht.
Viele Pläne gibt‘s und ich hoffe, die Zusammenarbeit geht weiter.
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Das letzte Wort hat...
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Do. 26.03.2015, 20:00 Uhr 5. Abo b
Fr. 27.03.2015, 20:00 Uhr 6. Abo d
Wolfgang Rihm
Konzert für Klavier und Orchester
Nr. 2
Münchner Erstaufführung
Anton Bruckner
Symphonie Nr. 9 d-Moll
(Sätze 1–3)
Christoph Eschenbach, Dirigent
Tzimon Barto, Klavier
Vorschau
Fr. 10.04.2015, 20:00 Uhr 6. Abo c
Sa. 11.04.2015, 19:00 Uhr 7. Abo d
So. 12.04.2015, 19:00 Uhr 6. Abo f
Felix Mendelsohn Bartholdy
„Elias“ op. 70
Andrew Manze, Dirigent
Sally Matthews, Sopran
Daniela Sindram, Mezzosopran
Christian Elsner, Tenor
Michael Volle, Bariton
Philharmonischer Chor München,
Einstudierung: Andreas Herrmann
Sa. 18.04.2015, 13:30 Uhr 5. ÖGP
So. 19.04.2015, 11:00 Uhr 7. Abo m
Mo. 20.04.2015, 20:00 Uhr 4. Abo k5
Di. 21.04.2015, 20:00 Uhr 5. Abo e5
Carl Nielsen
Ouvertüre zur Oper „Maskarade“
Pjotr Iljitsch Tschaikowsky
Konzert für Violine und Orchester
D-Dur op. 35
Igor Strawinsky
„Scherzo fantastique“ op. 3
Dmitrij Schostakowitsch
Symphonie Nr. 1 f-Moll op. 10
Paavo Järvi, Dirigent
Joshua Bell, Violine
Impressum
Herausgeber
Direktion der Münchner
Philharmoniker
Paul Müller, Intendant
Kellerstraße 4,
81667 München
Lektorat: Stephan Kohler
Corporate Design:
Graphik: dm druckmedien gmbh,
München
Druck: Color Offset GmbH,
Geretsrieder Str. 10,
81379 München
Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix
zertifiziertem Papier der Sorte
LuxoArt Samt.
Textnachweise
Daniela Koreimann, Elke Heidenreich, Monika Laxgang, Simone
Siwek, Gunter Pretzel, Volker
Bertelmann und Gabriele E. Meyer
schrieben ihre Texte als Original­
beiträge für die Programmhefte
der Münchner Philharmoniker.
Stephan Kohler stellte seinen
Mahler-Text den Münchner Philharmonikern zum Abdruck in diesem Programmheft zur Verfügung;
er verfasste auch die lexikalischen
Werkangaben und Kurzkommentare zu den aufgeführten Werken.
Künstlerbiographie (Trevino): Agenturtext. Alle Rechte bei den Autorinnen und Autoren; jeder Nachdruck ist seitens der Urheber genehmigungs- und kostenpflichtig.
Bildnachweise
Abbildungen zu Franz Schubert:
Joseph Wechsberg, Schubert –
Sein Leben, sein Werk, seine Zeit,
München 1978; Cedric Dumont,
Franz Schubert – Wanderer zwi­schen den Zeiten, Braunschweig
1978; Ernst Hilmar, Schubert, Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1989. Abbildungen
zu Gustav Mahler: Gilbert Kaplan
(Hrsg.), Das Mahler Album, New
York / Wien 1995; Hermann
Danuser, Gustav Mahler und
seine Zeit, Laaber 1996; Sammlung Stephan Kohler. Künstlerphotographien: Lisa Hancock
(Trevino); Leonie von Kleist
(Heidenreich), Andrea Huber
(Buchenried), Ralf Dombrowski
(Buchenried), Mareike Foecking
(HAUSCHKA), privat (Aselmeyer,
Lisboa).
Sonderkonzert
Dienstag, 28.04.2015, 20 Uhr
Philharmonie im Gasteig
Martin Grubinger
Percussion
Eivind Gullberg Jensen
Dirigent
Mikhail Glinka
Ouvertüre zu „Ruslan und Ljudmila“
Bruno Hartl
Konzert für Schlagwerk und Orchester op. 23
Modest Mussorgskij
„Bilder einer Ausstellung“
(Instrumentierung: Maurice Ravel)
Weiterer Termin: Mittwoch, 29.04.2015, 20 Uhr
Karten € 61 / 51,50 / 45 / 36,90 / 31,20 / 18,10 / 12,30
Informationen und Karten über München Ticket
KlassikLine 089 / 54 81 81 400 und unter mphil.de
117. Spielzeit seit der Gründung 1893
Valery Gergiev, Chefdirigent (ab 2015/2016)
Paul Müller, Intendant