Ausgabe | 18 15. Mai 2015 powered by Finanzen Vorbeugung notwendig: Volkskrankheiten belasten Sozialsystem Zivilisationskrankheiten kosten das Gesundheitssystem Millionen, mit gezielten Investitionen ließe sich gegensteuern D ie Menschen werden immer älter und haben so einen längeren Anspruch auf ärztliche Behandlung, aber auch ein höheres Risiko, an einer langjährigen Krankheit zu erkranken. Das belastet das Gesundheitssystem. Frühzeitige Investitionen in vorbeugende Maßnahmen sind vonnöten und senken die Kosten langfristig. Die vorzeitige Investition von öffentlichen Geldern in die Gesundheit der Bevölkerung macht noch immer einen zu kleinen Teil des Gesundheitssystems aus. Es herrscht ein Widerstreben zwischen dem frühzeitigen Investieren öffentlicher Gelder und möglicherweise erst viel später sichtbaren positiven Folgen der Vorbeugung. Doch die Investition lohnt sich, wie der Bericht „Healthy Live Years: Investments that pay off“ vom World Economic Forum und der Managementberatung Bain & Company deutlich macht. „Zivilisationskrankheiten sind eine der Hauptbedrohungen nachhaltigen Wirtschaftswachstums“, so die Autoren der Studie. Die Kosten für Behandlungen von Krankheiten in den OECD-Ländern Umfassende Vorbeugung hilft den Menschen und der Wirtschaft. Möglichkeiten der Entspannung und anderweitige Therapien sind ebenso wichtig wie eine richtige Ernährung oder finanzierte Kurse etc. Foto: Flickr/Manie Joyce/CC BY 2.0 sind in den vergangenen 50 Jahren jährlich durchschnittlich um zwei Prozent gestiegen. Nimmt man den damit einhergehenden Ausfall von Arbeitskräften oder das steigende Armutsrisiko kranker Menschen liegen die Kosten für das Gesundheitssystem noch viel höher. So belasten allein die Herz-Kreislauferkrankungen das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit 37,4 Milliarden Euro, so der Bericht. „Die Kosten der Gesundheits- systeme laufen aus dem Ruder.“ Dabei spielt auch die Demographie eine Rolle. Durchschnittlich werden die Menschen in Deutschland immer älter. Doch mit zunehmendem Alter steigt auch das Risiko, an einer der sogenannten Volkskrankheiten wie Diabetes, Alzheimer, Bluthochdruck etc. zu erkranken. Nicht-übertragbare Krankheiten wie chronische Erkrankungen sind teuer: für die Krankenkassen, den Staat, aber auch für die Wirtschaft. Das bestätigt auch Andreas Tautz von der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM): „Allein für fünf Krankheitsarten – HerzKreislauf-, Stoffwechsel-, Krebs-, chronische Atemwegs- und psychische Erkrankungen – prognostiziert das Weltwirtschaftsforum bis 2030 eintretende volkswirtschaftliche Verluste in Höhe von 47 Billionen US-Dollar.“ In Europa würden die sozioökonomischen Kosten allein für Depression auf 92 Billionen Euro beziffert. Zumindest bei einigen dieser Zivilisationskrankheiten kann vorbeugend bereits etwas von den Regierungen und Krankenkassen unternommen werden. Häufig spielt bei Analyse Ein Klick genügt: Deutsche setzen auf Gesundheits-Apps Gesundheits-Apps für das Smartphone stoßen bei deutschen Konsumenten auf steigendes Interesse. Bereits jeder Sechste (16 %) nutzt bereits Angebote dieser Art. Und immerhin 34 Prozent der deutschen Bürger interessieren sich für die speziellen Apps. Allerdings gibt es auch eine große Zahl der Deutschen, die diese Apps gar nicht nutzen wollen (42 %). Unter den Nutzern von so genannten Gesundheits-Apps sind die Fitness-Apps zurzeit am beliebtesten, so eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsinstituts Ipsos. Mit einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von mehr als 6 Monaten bei jedem dritten Nutzer sind die FitnessApps auch diejenigen, die die Konsumenten am längsten halten können. Hier spielt auch der Wettbewerb mit anderen Nutzern eine große Rolle. Durchschnittlich ist die Nutzungsdauer der Gesundheits-Apps allerdings noch sehr gering. 54 Prozent der Männer nutzen Gesundheits-Apps länger als acht Wochen, bei den Frauen sind es nur 46 Prozent. Andere Apps, die gern genutzt werden, sind Apps zur Ernährungsberatung oder auch zur Körperanalyse. Angesichts der zunehmenden Vernetzung auch im Gesundheitsbereich besitzt der Markt der Gesundheits-Apps durchaus Entwicklungspotential. Durch eine Beteiligung von Ärzten oder Krankenkassen zur Verbesserung bzw. Entwicklung neuer Apps dieser Art könnte das Smartphone zukünftig integraler Bestandteil der Vorbeugung von Krankheiten sein. Immerhin ein Drittel der Smartphone-Nutzer ist einer Umfrage der Bitkom sogar bereit, seine Daten an die Krankenkasse weiterleiten zu lassen. Jeder fünfte Befragte (19 %) wünscht sich im Gegenzug für die Weiterleitung seiner Daten Versicherungsrabatte. 1 powered by Ausgabe | 18/15 den Zivilisationskrankheiten nämlich auch die Lebensweise eine entscheidende Rolle. „Richten Volkswirtschaften ihre Aufmerksamkeit auf die Gesundheitsvorsorge statt auf die bloße Behandlung von Krankheiten, erreichen sie deutlich bessere Renditen auf ihr eingesetztes Kapital“, so der Bericht. „Ein theoretisches Beispiel: In einem Land von der Größe Moldawiens würde ein gemeinsam mit der Weltbank finanziertes Programm zur Bluthochdruckkontrolle bis 2030 rund 73 Millionen US-Dollar kosten, gleichzeitig läge der prognostizierte volkswirtschaftliche Nutzen bei 210 Millionen US-Dollar. Ein reales Beispiel ist die Mangelernährung von Kindern auf den Philippinen. Hier ist die Regierung eine öffentlich-private Partnerschaft mit Nestlé eingegangen, um die Bevölkerung gezielt mit angereicherten Cerealien und Milchprodukten zu versorgen, die der Staat bezuschusst. Die Kosten dafür belaufen sich auf zwölf Millionen US-Dollar. Der volkswirtschaftliche Nutzen ist mit 25 Millionen US-Dollar mehr als doppelt so hoch.“ Wie spärlich eine vorbeugende Gesundheitspolitik jedoch bisher umgesetzt wurde, zeigen die konkreten Zahlen: Der 15. Mai 2015 OECD zufolge beliefen sich die Ausgaben für öffentliche Gesundheit und Vorsorge im Jahr 2010 in den EU-24-Staaten nur auf 2,9 Prozent der gesamten Kosten im Gesundheitsbereich. „Die Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung dient nicht nur der individuellen Lebensqualität, sondern auch der ökonomischen Stabilisierung unseres Gesundheitswesens“, so Tautz von der DGAUM. Und sie „ist darüber hinaus unverzichtbar für eine Begrenzung der durch chronische Krankheiten verursachten volkswirtschaftlichen Verluste“. Gesundheitssystem Die Niederlande haben die größte Patientenzufriedenheit in Europa Die Niederländer sind mit ihrem Gesundheitssystem am zufriedensten. Die deutschen Patienten sind kritischer D er aktuelle Euro Health Consumer Index hat erneut die Gesundheitssysteme von 36 europäischen Ländern verglichen. Wie die dazugehörige Studie zeigt, erhielten die Niederlande in puncto Patientenzufriedenheit 898 von 1.000 möglichen Punkten – ein neuer Rekord. Die Niederlande belegten damit den ersten Rang unter den 36 Ländern, gefolgt von der Schweiz (855 Punkte) und Norwegen (851 Punkte). Besonders das Hausarztmodell, die vielen Patientenorganisationen und das System privater Krankenversicherungen haben zu dem guten Abschneiden der Niederlande geführt. Das geht aus der Studie hervor, die der schwedische Think Tank Health Consumer Powerhouse (HCP) veröffentlicht. Deutschland hingegen belegte nur Platz 9 mit 812 Punkten, den 6. Platz von 2012 konnte das deutsche Gesundheitssystem nicht halten. 2009 war Deutschland sogar nur auf Rang 14 gekommen. Allerdings gibt die Studie zu bedenken, dass das deutsche Gesundheitssystem vielleicht gar nicht so negativ ist, wie es den Patienten erscheint: So könnte das Abrutschen auf Platz 9 ein „Artefakt sein, das durch die deutsche Neigung, zu grummeln“, hervorgerufen werde. „Was bedeutet, dass die derzeitige Verschlechterung des traditionell ausge- Deutschland belegt im Ranking von 2014 nur Platz 9. Mit 812 erreichten Punkten schnitt das deutsche Gesundheitssystem damit deutlich schlechter ab als das der Niederlande. Grafik: Health Consumer Powerhouse zeichneten Zugangs zur Gesundheitsversorgung weniger stark ist, als es die Öffentlichkeit wahrnimmt“, so die Studie. Deutschland habe das, was man als „am wenigsten reglementiertes und patientenorientiertes Gesundheitssystem in Europa“ bezeichnen könnte. Die Patienten würden „fast alle Arten der Behandlungen erhalten, sobald sie dies wollen, obwohl es hier eher um Quantität als um Qualität geht“. Generell liege aber die Schwachstelle des deutschen Gesundheitssystems in der großen Zahl eher kleiner allgemeiner Krankenhäuser, die sich nicht spezialisiert hätten. Dies, so der Bericht, beginne sich nun langsam zu ändern. Das Schlusslicht bilden Bosnien-Herzegowina (420 Punkte), Rumänien (453 Punkte) und Montenegro (463 Punkte). Die Lücke zwischen weniger wohlhabenden europäischen Ländern und wohlhabenden Ländern werde auch im Gesundheitssystem immer größer, so die Autoren der Studie. 2 powered by Ausgabe | 18/15 15. Mai 2015 Technologie Smartphone-Mikroskop spürt Parasiten auf App untersucht und analysiert Blutproben vor Ort in zwei Minuten Die schematische Darstellung zeigt den Aufbau des auf einem Smartphone basierenden Video-Mikroskops. Bild: Mike D’Ambrosio und Matt Bakalar, Fletcher Lab, UC Berkeley D ie Behandlung von Krankheiten wie Elephantiasis und Flussblindheit ist in bestimmten Regionen Afrikas nur unter schwierigen Bedingungen möglich. Die notwendigen Medikamente dürfen nur verabreicht werden, wenn der Patient nicht mit dem Loa-Ioa-Wurm (afrikanischer Augenwurm) infiziert ist. Der lässt sich aber nur über eine Blutprobe nachweisen. Ein Smartphone-Mikroskop könnte dies nun vor Ort zügig durchführen. Amerikanische Forscher der University of California haben das portable Smartphone-Mikroskop „CellScope Loa“ entwickelt, um in schwer erreichbaren Regionen Parasiten aufzuspüren. Dank des Mikroskops sollen sich Würmer im Blut des Erkrankten schnell und vor Ort nachweisen lassen können. Allein 20 Millionen Menschen sind in Afrika an der so genannten Flussblindheit erkrankt. Diese kann zu einem Verlust der Sehkraft führen. Elephantiasis, bei der die Gliedmaßen über die Maße stark anschwellen, ist ebenfalls weit in dieser Region verbreitet – weltweit sind bis zu 120 Millionen Menschen von der Erkrankung betroffen. Sowohl die Flussblindheit als auch die Elephantiasis werden durch Insektenstiche ausgelöst, durch die Parasiten übertragen werden. Zwar können theoretisch beide Erkrankungen mit dem Medikament Ivermectin behandelt werden, doch es kann zu schwerwiegenden Komplikationen kommen. Ist der Patient auch mit dem parasitischen Wurm Loa Ioa infiziert, kann eine Behandlung mit dem Medikament tödliche Folgen haben. Bislang kann der Wurm nur mittels einer Blutprobe festgestellt werden. Da diese bisher zur Untersuchung ins Labor gebracht werden müssen, vergeht viel wertvolle Zeit. Das Smartphone-Mikroskop soll das nun ändern. Die Untersuchung geschieht „ohne die Notwendigkeit der herkömmlichen Probenvorbereitung oder Färbung“, so die Wissenschaftler. Es reicht ein Probenblättchen mit einem Blutstropfen. Dieses wird in das Gerät eingeschoben und eine Mikroskoplinse zeigt den Detailblick in die Blutprobe über die Videokamera. „Das Gerät erfasst und analysiert dank einer entsprechenden App automatisch die Bewegungen von Mikrofilarien (Würmern) im Blut.“ Alles in allem dauert die Untersuchung weniger als zwei Minuten. Erste Tests mit dem Smartphone-Mikroskop wurden bereits an 33 potenziell mit dem Loa-Wurm infizierten Patienten in Kamerun durchgeführt. Arbeitswelt Japanische Bank setzt auf Exo-Skelette für ältere Mitarbeiter Ein tragbarer Roboter unterstützt die Muskulatur der Angestellten und hilft beim Heben schwerer Lasten E ine japanische Bank will ihren älteren Mitarbeitern bei der Arbeit sprichwörtlich unter die Arme greifen. Ein so genanntes Exoskelett soll beim Heben schwerer Bargeldpakete helfen. Ein zehn Kilogramm schweres Paket wirkt damit gefühlt vier Kilogramm leichter. Das japanische Start-up Cyberdine Inc. kann sich nun beweisen: Die japanische Bank Sumitomo Mitsui Banking Corp. will die neu entwickelten Exoskelette des Start-ups testen. Die Rede ist von dem so genannten Hybrid Assistive Limb (HAL). Dabei handelt es sich um einen tragbaren Roboter, der beim Heben schwerer Lasten zum Einsatz kommt. Die Bank Sumitomo Mitsui Financial Corp. ist das erste Unternehmen, das die neue Technologie testet. Sie will damit ihre älteren Mitarbeiter unterstützen, berichtet die Japan Times. Die Exoskelette sollen vor allem beim Geldtransport zum Einsatz kommen. Der tragbare Roboter lindert beim Heben schwerer Lasten den Druck auf den unteren Rücken. Mehr als 16 Prozent der 1.600 Mitarbeiter der Bank sind über 65 Jahre. Der tragbare Roboter könne für sie das Gewicht eines zehn Kilogramm schweren Geldpaketes auf immerhin nur noch sechs Kilogramm reduzieren, sagte der Sprecher der Bank dem Wall Street Journal. Cyberdine zufolge kann das Exoskelett eine Betriebsdauer von 3 powered by Ausgabe | 18/15 etwa drei Stunden anbieten, nachdem es 45 Minuten aufgeladen wurde. Das Exoskelett HAL sei der „erste Cyborg-Type-Roboter“, sagt das japanische Unternehmen über seine Entwicklung. Der tragbare Roboter nimmt von der Hautoberfläche Nervenimpulse auf. Er analysiert diese, verstärkt sie und unterstützt so den Träger. Im Zentrum für Neurobotales Bewegungstraining (ZNB) in Bochum wird HAL derzeit erstmals außerhalb von Japan getestet. „Gehbehinderten Menschen verhilft die Bewegungstherapie mit dem Roboter zu einer deutlichen Steigerung ihrer Mobilität“, so das Zentrum. Voll aufgeladen kann man mit dem HAL von Cyberdine drei Stunden arbeiten. 15. Mai 2015 Screenshot Innovation Blindenstock erkennt Verwandte und Freunde Kamera erkennt nach Eingabe von Fotos Freunde auf bis zu zehn Meter Entfernung stanz von zehn Metern erkennen. Um dies zu ermöglichen, werden zunächst Fotos von Freunden und Verwandten und deren biometrische Daten auf eine SD-Karte geladen. Diese befindet sich im Blindenstock selbst. Eine Kamera ermöglicht es, die Bilder und Daten mit Menschen in Sehbehinderte und blinde Menschen mussten bisher immer die Menschen der näheren Umauf sich zukommen lassen. Nun „sehen“ sie mit ihrem Blindenstock, wer sich gebung abzugleinähert, und können selbst die Initiative ergreifen. chen. Erkennt der Foto: Birmingham City University Blindenstock eine ploR Cane heißt der Prototyp des Person, vibriert er und informiert den smarten Blindenstocks, den Stu- Blinden per Bluetooth über ein akustisches denten der Birmingham Birmingham Signal, wer erkannt wurde. Nachdem die Studenten den BlinCity University mithilfe einer Smartphone-Technologie entwickelt haben. denstock bereits Unternehmen in Der Blindenstock verfügt über eine Frankreich und Luxemburg vorgestellt GPS-Funktion und kann Gesichter von haben, wollen sie auch deutsche Firmen Freunden und Verwandten auf eine Di- von sich überzeugen. Derweil laufen die X Tests zur Handhabung der Technologie weiter. An der Zürcher Hochschule der Künste widmete man sich in der Vergangenheit ebenfalls dem Blindenstock. Ein sehender Blindenstock soll sehbehinderten Menschen erlauben, rechtzeitig Hindernisse ausfindig zu machen oder gezielt nach Objekten zu suchen. Eine integrierte 3D-Kamera und ebenfalls eine haptisch-akustische Schnittstelle zum Nutzer ermöglichen die Funktionen des Blindenstocks. „Die Besonderheit der 3D-Kamera ist, dass sie nicht nur ein Bild der Umgebung aufnimmt, sondern auch zusätzlich in jedem Bildpunkt die Distanz zu den Objekten in der Umgebung misst“, so die Schweizer Entwickler. „Er kann blinden und sehbehinderten Personen in vielen Alltagssituationen helfen, sich ein besseres Bild von der näheren Umgebung zu machen, um sich schneller und sicherer fortzubewegen und um schneller gesuchte Objekte oder auch den richtigen Weg zu finden.“ Ein weiterer Vorteil: Die Kamera kann auch unabhängig vom Blindenstock eingesetzt werden. Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Chefredakteurin: Jennifer Bendele. Redaktion: Thomas Gollmann, Anika Schwalbe, Gloria Veeser. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. 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