DOZ 05 | 2015 - Der Augenoptiker Benjamin Walther

DOZ_0515 Fachthemen_Interview Stollenwerk:DOZ A4 22.04.15 14:03 Seite 2
FACHTHEMEN
"3D-Refraktion"? Ja, aber…
Quelle: Ipro
Quelle: MailShop
Die Sehprüfgeräte, die im Januar 2014 auf der opti in München vorgestellt worden waren, haben seitdem einen Hype in der augenoptischen Branche ausgelöst. Neue Bezeichnungen wie "3D-Refraktion" und "Erlebnisrefraktion" machen seitdem die Runde
und sorgen für reichlich Gesprächsstoff. Knapp 2.000 Systeme verkauften die Anbieter
Ipro und MailShop eigenen Angaben zufolge seit der Erstauslieferung im April 2014.
Der IVBS-Präsident, Georg Stollenwerk wird in einer der kommenden DOZ-Ausgaben
ausführlicher über die 3D-Refraktion berichten. Die DOZ sprach schon jetzt mit ihm
darüber, was die neuen Systeme taugen und was von den proklamierten Empfehlungen
zur Durchführung der Brillenglasbestimmung zu halten ist.
DOZ: Herr Stollenwerk, die deutsche
Augenoptik wird von dem Thema "3DRefraktion" förmlich "überrannt". Es
haben bereits unzählige Vorträge zu
diesem Thema stattgefunden, viele davon wurden von der WVAO oder von
Firmen organisiert. Auf der kürzlich abgehaltenen Mitgliederversammlung
des Zentralverbands der Augenoptiker
(ZVA) haben Sie in Ihrem Vortrag verschiedene Aspekte der 3D-Refraktion
hinterfragt. Was halten Sie von der
neuen Refraktionsmethode?
Georg Stollenwerk: Zunächst einmal begrüße ich das Engagement der Entwickler, die sich mit viel Kreativität innovative
Sehprüfgeräte ausgedacht haben, welche
auf aktueller Unterhaltungselektronik basieren und dadurch preisgünstig sind.
Eine Bewertung der "3D-Refraktion" erfordert eine klare Trennung: Auf der einen Seite geht es um die Leistungsfähigkeit der Systeme, also um die verwendete
Hardware und Software. Daneben interessieren die Anwendungsemp- fehlungen der Hersteller, insbesondere wenn
diese im Gegensatz zu bewährten konventionellen Regeln stehen.
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DOZ: Beginnen wir mit den Systemen
"PasKal" von Ipro bzw. "i'Syncro" von
OptoVision sowie "PolaSkop" von MailShop. Gibt es Unterschiede und falls ja,
wo liegen aus Ihrer Sicht mögliche Vorund Nachteile?
G.S.: Auch wenn sich die Technik auf den
ersten Blick ähnelt, gibt es doch gewisse
Unterschiede. Eine objektive Bewertung ist
aber nur schwer möglich, weil die subjektiven Kaufkriterien individuell sehr unterschiedlich sein können. Für den einen
muss es unbedingt ein Apple-System sein,
andere vertrauen eher auf Googles Android. Gelegentlich fällt die Entscheidung
allein aufgrund bestimmter 3D-Bilder, die
persönlich besser gefallen. Weitere Kaufkriterien, die genannt werden, sind CEKennzeichnung, Vertrauen in den Hersteller und die Datenübertragung zum
Monitor: Existiert im Prüfraum ein stabiles
W-LAN oder ist möglicherweise Bluetooth
die sinnvollere Wahl?
DOZ: Zur Anwendung der Systeme werden Seminare angeboten. Benötigen Augenoptikermeister tatsächlich eine besondere Schulung, um weiterhin gut
refraktionieren zu können? Gibt es neue
Regeln für die Brillenglasbestimmung?
G.S.: In der Tat bin ich bereits von einigen
Kollegen gefragt worden, ob ihre bisherige
Vorgehensweise nicht mehr zeitgemäß sei
und sie sich auf etwas Neues umstellen
müssten. Dem liegt zugrunde, dass die
"3D-Refraktion" gerne damit beworben
wird, sie liefere genauere und verträglichere Korrektionen. Allerdings gibt es dafür bislang keinen Nachweis. Das Selbstvertrauen der besorgten Kollegen war
schnell wieder hergestellt, nachdem wir
über die Zufriedenheit ihrer Kunden gesprochen hatten. Nein, es gibt keine Veranlassung, jahrzehntelang erprobte und bewährte Verfahrenstechniken in Frage zu
stellen. Der Besuch von Fortbildungen ist
natürlich sinnvoll, auch um sich über technischen Neuerungen zu informieren.
DOZ: Inwiefern sind Anwendungsempfehlungen zu den Systemen kritisch zu
hinterfragen?
G.S.: Gestatten Sie mir vorab den Hinweis,
dass es bei jedem Sehprüfgerät darauf ankommt, in welcher Weise es verwendet
wird. Das gilt für "PasKal", „i´Syncro“ und
"PolaSkop" gleichermaßen; mit diesen Systemen lassen sich gute Ergebnisse erzielen, es kann aber auch fehlerhaft gearbeitet
werden. Ob es überhaupt einer Modifikation der bisherigen Vorgehensweise bedarf, entscheidet allein der Anwender – aufgrund seines Fachwissens und seiner
Erfahrung. Ein erfahrener Untersucher
wird auch entsprechende Vorschläge für
neue Wege fachlich einzuschätzen wissen
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und nur diejenigen Empfehlungen umsetzen, die er als fach- und sachgerecht bewertet. Im Übrigen enthalten beide Systeme alle erforderlichen Tests für eine
konventionelle Brillenglasbestimmung.
DOZ: In Ihrem Vortrag im Rahmen der
ZVA Mitgliederversammlung hatten Sie
auch konkrete Bedenken geäußert…
G.S.: Ja, das stimmt. Es gibt bestimmte Vorschläge und Aussagen, die bei jedem Fachmann – bei aller Aufgeschlossenheit für
Neues – zumindest Skepsis hervorrufen
müssen. Für Befremden sorgen vor allem
undifferenzierte Aussagen wie "Die Zudeckscheibe ist abgeschafft". Dahinter
steht die Grundphilosophie der "3D-Refraktion", bereits die Bestimmung von
Sphäre und Zylinder unter binokularen
Sehbedingungen durchzuführen. Dagegen
gibt es verschiedene fachliche Einwände.
DOZ: Würden Sie das bitte näher erläutern?
G.S.: Es steht fest, dass bei 70 bis 80 Prozent aller Menschen eine Heterophorie
vorhanden ist. Allerdings weiß der Untersucher zu Beginn der Brillenglasbestimmung in der Regel noch nicht, ob eine
solche latente Abweichung vorliegt. Da
Akkommodation und Vergenz physiologisch miteinander gekoppelt sind, besteht das Risiko, unkontrolliert in diesen
Regelkreis einzugreifen und ungewollt
eine akkommodative Korrektion der Heterophorie auszulösen.
DOZ: Handelt es sich dabei um ein abstraktes Risiko, und würden Sie stets für
eine prismatische Korrektion plädieren?
G.S.: Die beschriebene Gefahr besteht
ganz konkret und unabhängig von etwaigen Überlegungen bezüglich einer prismatischen Korrektion. Nehmen wir beispielsweise an, dass eine Exophorie
vorliegt, dann könnten die Augen unter
binokularen Bedingungen zu viel Minus
annehmen, weil die mit dem dadurch
ausgelösten akkommodativen Ausgleich
gekoppelte Konvergenz der exophoren
Ruhestellung entgegenwirkt.
Als weiteres Beispiel wäre die Fixationsdisparation zu nennen, die sehr häufig als Begleiterscheinung einer Heterophorie auftritt. Problematisch bei einer monokularen
Refraktion unter binokularen Bedingungen
ist dann, dass die Refraktionswerte in mindestens einem Auge für eine disparate
Netzhautstelle ermittelt werden.
DOZ: In Ihrem Vortrag für die Mitglieder
des ZVA nannten Sie auch positive
Aspekte der "3D-Refraktion"?
G.S: Ja, denn die gibt es zweifelsohne.
Technisch gesehen ist das zunächst die einwandfreie Bildtrennung durch zirkulare Polarisation. Neu ist das allerdings nicht, das
erste Sehprüfgerät mit diesem Trennverfahren wurde im Jahr 2012 von Topcon vorgestellt. Der aus fachlicher Sicht wohl interessanteste Aspekt ist der abschließende
Feinabgleich der Zylinderachse unter binokularen Sehbedingungen. Auch diesen
Ansatz gab es bereits vor einigen Jahren,
sogar in Fachpublikationen. Die Vorschläge wurden seinerzeit aber nie richtig
aufgegriffen, obwohl deren Umsetzung gerade beim gleichzeitigen Vorhandensein
von Zyklophorie und Astigmatismus ab bestimmten Werten merkliche Verbesserungen der Korrektion bewirken können. Und
schließlich begrüße ich, dass in beiden Systemen sämtliche Teste für eine professionelle Heterophoriebestimmung gemäß
MKH enthalten sind.
DOZ: Wie bewerten Sie die bunten 3DBilder, die das Gesicht der "3D-Refraktion" so entscheidend prägen?
G.S.: Aus fachlicher Sicht ist es natürlich zu
begrüßen, dass bei jedem Klienten das Stereosehen überprüft wird, auch wenn die
verwendeten Stereowinkel nur eine grobe
Prüfung zulassen. Aber möglicherweise
fällt auf diesem Wege ein defizitäres Stereosehen gleich zu Beginn auf – auch einem Untersucher, der das vielleicht ansonsten gar nicht überprüft hätte. Leider
kommt es an dieser Stelle aber auch leicht
zu Fehlinterpretationen, denn gute Stereopsis ist kein Indikator für ungestörtes Binokularsehen. Unglücklicherweise gibt es in
diesem Zusammenhang bedenkliche Aussagen seitens der Hersteller, etwa dass der
3D-Test "eine Entscheidungshilfe für eine
prismatische Korrektion" liefere oder dass
beim Umschalten auf 3D "sofort eine phorische Belastung auffällig" werde.
DOZ: Es ist zu beobachten, dass einige
Augenoptiker gezielt mit "3D-Refraktion"
werben. Ist die Brillenglasbestimmung
mit der neuen Technik für den Kunden
tatsächlich attraktiver?
G.S.: Die Wortneuschöpfung "Erlebnisrefraktion" bringt die Zielsetzung wohl auf
den Punkt. Es wird sogar behauptet, dem
Kunden werde "ein neuartiges Seherlebnis
geboten, welches einem entspannten
Heimkinoabend" gleichkomme. Diesen
Vergleich halte ich für unglücklich, und aus
fachlicher Sicht wurde er auch bereits als
unseriös kritisiert. Schließlich äußerten in
einer Studie der Beuth-Hochschule rund 36
Prozent der Klienten "während der stereoskopischen Messung ein unruhiges Gefühl". Zudem berichten Augenoptiker immer wieder, dass die 3D-Teste bei einigen
Kunden Doppelbilder verursachen. Viele
Menschen sind dennoch fasziniert von den
3D-Effekten, sie kennen diese zum Beispiel
aus 3D-Filmen. Daher kann vermutlich
auch der Augenoptiker mit den neuen Testbildern beeindrucken. Und solange nicht
gegen fachliche Prinzipien verstoßen wird,
ist gegen diese Art von Werbemaßnahmen
nichts einzuwenden.
DOZ: Wie sehen Sie die Zukunft der "3DRefraktion"?
G.S.: Es handelt sich um einen völlig neuen
Ansatz, zu dem es noch einige offene Fragen und strittige Punkte gibt. Einerseits
sollte Neuem eine faire Chance eingeräumt
werden, andererseits muss es aber auch kritisch hinterfragt werden dürfen. In jedem
Fall kann es für die Weiterentwicklung der
neuen Technologie nur förderlich sein,
wenn jetzt eine sachliche Fachdiskussion
entsteht und von verschiedenen Seiten Verbesserungsvorschläge einfließen. Mittlerweile beschäftigen sich einige Fachleute
mit der Thematik, und wir alle warten gespannt auf Untersuchungsergebnisse. In
meinen Vorträgen zeige ich bereits eine
modifizierte Vorgehensweise, die eine fachlich unbedenkliche Einbindung von 3D-Bildern in die Brillenglasbestimmung erlaubt.
Aus meiner Sicht hat jedoch ein gutes Ergebnis stets Priorität vor einem tollen Erlebnis (während der Messung).
DOZ: Wie lautet Ihre vorläufige Bewertung
der "3D-Refraktion" mit ein paar Worten?
G.S.: Ja, aber…
DOZ: Vielen Dank für dieses Gespräch,
Herr Stollenwerk. Wir freuen uns auf Ihre
Veröffentlichung in der DOZ. ■
Judith Kern
Gesprächspartner:
Georg Stollenwerk,
M.Sc. (optom)
IVBS-Präsident
E-Mail: [email protected]
Internet: www.optometrie24.de
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FACHTHEMEN
Besser 2D oder 3D?
Die Reproduzierbarkeit der Refraktionsbestimmung
mit PasKal 3D
Olaf Schmidt-Kiy, Hans-Jürgen Grein
Einleitung
Die monokulare Augenglasbestimmung wird üblicherweise mit
abgedecktem Gegenauge durchgeführt. Wenn die monokulare
Augenglasbestimmung für das rechte und das linke Auge abgeschlossen ist, folgt ein monokularer sphärischer Feinabgleich
unter binokularen Bedingungen.
Seit Januar 2014 ist ein System namens PasKal 3D auf dem
Markt, mit dem die gesamte Refraktionsbestimmung unter binokularen Bedingungen ermittelt wird. Es nehmen also immer
beide Augen am Sehprozess teil.
Im Rahmen der Testabfolge wird dem Kunden während der
Refraktionsbestimmung ein stereoskopisch dargestelltes Landschaftsbild präsentiert1. Im Vordergrund werden wahlweise dem
rechten oder dem linken Auge Optotypen gezeigt, die auf hellem
Hintergrund erscheinen (vgl. Abb. 1). Das Gegenauge sieht das
gleiche Bild ohne die Optotypen.
Auf den Homepages von Ipro sowie verschiedener Augenoptiker wird dem PasKal 3D-System aufgrund der durchgängig
binokularen Darstellung eine höhere Messsicherheit zugesprochen als bei der herkömmlichen monokularen Darstellung der
Sehzeichen.
Abb. 1: Die Bildschirmdarstellung von PasKal 3D bei der Prüfung des
rechten Auges (Ipro 01 2015). Das linke Auge sieht das gleiche Bild
ohne die Optotypen.
Einige Beispiele: „PasKal 3D […] ermöglicht dem Augenoptiker […] eine viel genauere Messung als das bisherige System.“
(Ipro 02 2015)
„Noch nie waren optische Messergebnisse so exakt, …“
(Optikhelden 2014)
„Augenvermessungen bei denen beide Augen geöffnet sind,
bieten Ihnen mehr Licht, besseres Sehen, höhere Kontraste. Somit können Sie die Messung entspannter erleben und es kommt
zu genaueren Messergebnissen, da das Zusammenspiel der
Augen während der Messung immer gewährleistet ist.“ (Augenblick 2014)
Fritz Paßmann und Dieter Kalder, die Erfinder von PasKal 3D,
sprechen von einer „3D-Erlebnisrefraktion“
Es stellt sich die Frage, ob durch die binokulare Darstellung
der Sehzeichen tatsächlich eine Verbesserung in der Messsicherheit entsteht oder vielleicht ein anderes Ergebnis erzielt
wird als mit abgedecktem Gegenauge.
Mit welcher Sicherheit lässt sich
die subjektive Refraktionsbestimmung
durchführen?
Das Ergebnis und die Reproduzierbarkeit einer subjektiven Refraktionsbestimmung sind von einer Reihe unterschiedlicher
Faktoren abhängig. Hier sollen nur einige genannt werden, um
zu zeigen, dass die subjektive Refraktionsbestimmung eine Messung ist, die verschiedenen Unsicherheiten ausgesetzt ist.
Eine systematische Fehlerquelle bei der Reproduzierbarkeit
der subjektiven Refraktionsbestimmung liegt in der üblichen
Stufung der Messgläser. Die Messgläser sind in Schritten von
±0,25 dpt gestuft. Die Refraktion eines Auges dagegen kann
jeden beliebigen Wert annehmen. Da im Regelfall nur eine einzelne subjektive Refraktionsbestimmung durchgeführt wird, ergibt sich die Grenze der Messsicherheit von ±0,125 dpt allein
aus der Stufung der Refraktionsmessgläser.
Außerdem ist die subjektive Refraktionsbestimmung ein
Messverfahren, das auf die Beobachtungsfähigkeit des Probanden angewiesen ist. Der Prüfer setzt eine bestimmte Fragetech-
1 Auf die technischen Eigenschaften sowie die in PasKal 3D verfügbaren Teste und deren Abfolge wird in diesem Artikel nicht eingegangen. Informationen dazu sind auf
der Ipro-Homepage zu finden (www.ipro.de).
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nik ein und interpretiert die Antworten seines Kunden. Mancher
Kunde ist jedoch aus unterschiedlichsten Gründen nicht in der
Lage, sichere Angaben zu machen. Dann muss der Prüfer entscheiden, ob ein bestimmtes Glas gegeben oder nicht gegeben
wird. Nach Borish und Benjamin benötigt ein Proband zwischen
0,12 dpt und 1,00 dpt Unterschied in der Glasstärke, um einen
Unterschied in der Deutlichkeit des Bildes ausmachen zu
können (Borish und Benjamin 1998, zitiert in Leinonen, 2006).
Besonders beim Feinabgleich der Zylinderstärke und beim
Achsabgleich spielt das eine erhebliche Rolle.
Ferner können sich die Pupillengröße sowie etwaige Erkrankungen oder Medikamente negativ auf die Messsicherheit der
subjektiven Refraktionsbestimmung auswirken. Diese Effekte
sind bekannt und an verschiedenen Stellen ausführlich beschrieben (zum Beispiel Grehn 1995; Wesemann 2001; Berke
2004; Grein et al. 2014)
Wie lassen sich Refraktionergebnisse
vergleichen?
Der Vergleich von Refraktionsergebnissen über Mittelwerte und
Abweichungen birgt die Schwierigkeit, dass die in der Augenoptik üblichen Parameter Sphäre (S), Zylinder (Z) und Achse (α)
nicht unabhängig voneinander sind. Das soll an einem Beispiel
verdeutlicht werden: Angenommen, zwei Refraktionsbestimmungen eines Kunden ergeben gleiche Werte für Sphäre und
Zylinder, zum Beispiel sph -3,00 dpt und zyl -1,50 dpt, die Achslage dagegen ist bei den beiden Refraktionen um 10° unterschiedlich. Der Unterschied in der Achse schlägt sich sowohl auf
die sphärische als auch auf die zylindrische Korrektion des Refraktionsdefizits nieder. Aus den voneinander abhängigen Parametern Sphäre, Zylinder und Achslage lässt sich dieser Unterschied jedoch nicht ohne Weiteres quantitativ erfassen.
Aus diesem Grund wird in Untersuchungen zum Thema Refraktionssicherheit auf Vektorrechnung zurückgegriffen. Die
Umrechnung der sphärozylindrischen Kombination in Brechwertvektoren (engl.: Power vectors) sorgt dafür, dass man es mit
unabhängigen Größen zu tun hat, für die sich sehr gut Mittelwerte und Abweichungen berechnen lassen.
Die in dieser Untersuchung verwendete Form der Brechwertvektoren ist die nach Thibos et al. (1997) in der Form:
In dieser Form setzt sich die dioptrische Wirkung aus dem
sphärischen Äquivalent M und zwei Kreuzzylindern J0 und J45
zusammen. J0 ist ein Kreuzzylinder mit den Hauptschnittswirkungen in 0° und 90°, J45 ist ein Kreuzzylinder, dessen Hauptschnittswirkungen in 45° und 135° liegen. Jeder Kreuzzylinder
hat das sphärische Äquivalent Null. Zwei kombinierte Kreuzzylinder ergeben unabhängig von den Achslagen der Einzelzylinder wieder einen Kreuzzylinder. J0 und J45 beschreiben also
vektoriell die zylindrische Wirkung und deren Richtung. Sie sind
unabhängig vom sphärischen Äquivalent M. Weiterführende
Informationen zu diesem Thema finden sich unter anderem bei
Wesemann (2005).
Was wissen wir über die
Reproduzierbarkeit subjektiver
Refraktionsbestimmungen?
Parameter zum Vergleich von Messergebnissen
Die Reproduzierbarkeit von mit dem klassischen Verfahren ermittelten Refraktionsergebnissen wurde in der Vergangenheit
mehrfach untersucht. Meist werden die Ergebnisse der Studien
als Abweichungen vom mittleren Refraktionsergebnis dargestellt. Wenn man einen Probanden mehrmals refraktioniert, findet sich der arithmetische Mittelwert (MW) für das sphärische
Äquivalent M und die Zylinderstärke beziehungsweise für die
Zylinderkomponenten J0 und J45. Außerdem ergeben sich Streuparameter wie die Standardabweichung (s) oder 95%-Übereinstimmungsgrenzen. Im Bereich zwischen (MW-s) und (MW+s)
liegen rund 68% aller Messwerte, also etwa zwei Drittel. Wenn
man also an einem Probanden 100 Messungen macht, werden
68 % der Messergebnisse in diesen Bereich fallen. Die
95%-Übereinstimmungsgrenze beschreibt den Bereich, in dem
95 % der durchgeführten Refraktionsbestimmungen bei einem
Probanden liegen. Das entspricht dem Bereich, der zwischen
(MW-1,96s) und (MW+1,96s) liegt.
Manche Autoren verwenden statt des arithmetischen Mittelwerts den Median. Das ist der Wert, der bei nach Größe geordneten Messergebnissen in der Mitte liegt. Die passenden Streubreitenangaben sind das obere und untere Quartil. Innerhalb
dieser Grenzen liegen die mittleren 50 % der gefunden Werte.
Auch hier lässt sich die 95%-Übereinstimmungsgrenze über die
Perzentile angeben.
Studienergebnisse
Zadnik et al. führten an 40 Probanden je zwei subjektive Refraktionsbestimmungen im Abstand von ein bis 14 Tagen durch und
fanden als Differenz im sphärischen Äquivalent eine mittlere
Abweichung von -0,063 ± 0,319 dpt (Mittelwert ± Standardabweichung) (Zadnik et al. 1992). Die 95%-Übereinstimmungsgrenzen lagen ± 0,625 dpt von der mittleren Abweichung entfernt.
Leinonen et al. verglichen je zwei Refraktionsergebnisse von
99 Augen. Unter den gemessenen Augen waren 22 gesunde Augen, die anderen hatten eine Katarakt oder waren mit einer
Intraokularlinse versorgt. Die Refraktionsbestimmungen wurden von zwei verschiedenen Prüfern durchgeführt. Der mittlere
Zeitabstand zwischen den beiden Refraktionsbestimmungen
betrug 45 Tage. Es zeigte sich, dass die Reproduzierbarkeit der
Refraktionsbestimmung vom Visus der Probanden abhängig ist.
Bei Probanden mit einem Visus ≥ 0,7 fanden sie im sphärischen
Äquivalent einen mittleren Unterschied von +0,05 ± 0,51 dpt
(MW±1,96s) zwischen den beiden Refraktionsergebnissen. Das
entspricht einer Standardabweichung von ± 0,260 dpt. Probanden mit einem Visus zwischen 0,3 und 0,45 zeigten im sphärischen Äquivalent größere 95%-Übereinstimmungsbereiche
von bis zu ± 1,14 dpt um den Mittelwert. Bei den zylindrischen
Anteilen der Refraktionsergebnissen lagen die Streuungen in
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der gleichen Größenordnung wie beim sphärischen Äquivalent
(Leinonen et al. 2006).
Pseudovs et al. untersuchten die Reproduzierbarkeit subjektiv bestimmter Refraktionen durch vier verschiedene Prüfer bei
16 Probanden. Sie fanden im sphärischen Äquivalent 95%Übereinstimmungsgrenzen von ± 0,484 dpt um die mittlere
Abweichung. Für den Betrag der Zylinderkomponente (J 0 und
J45 zu einem Vektor kombiniert) zeigte sich im Median ein
Unterschied von 0,110 dpt. Das 95%-Perzentil lag hier bei
0,345 dpt (Pseudovs et al. 2007).
Eine an der Fielmann Akademie Schloss Plön durchgeführte
Studie erbrachte ähnliche Streuungen bei der subjektiven
Refraktionsbestimmung: 20 augengesunde Probanden wurden
von sechs unterschiedlichen Prüfern je zweimal refraktioniert.
95% der Einzelmessungen lagen ± 0,2 bis ± 0,65 dpt vom mittleren Refraktionsergebnis entfernt. Das gilt für das sphärische
Äquivalent und für die Zylinderstärke (Grein et al. 2014).
Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich die Ergebnisse
der verschiedenen Untersuchungen dahingehend decken, dass
man bei einer korrekt durchgeführten subjektive Refraktionsbestimmung mit Unsicherheiten in der Größenordnung von
± 0,50 dpt in Sphäre und Zylinder zu rechnen hat.
Alle bisher vorgestellten Untersuchungen beziehen sich auf
die klassische Refraktionsbestimmung mit abgedecktem Gegenauge bei der monokularen Refraktionsbestimmung.
Studienergebnisse zur Messsicherheit der Refraktionsbestimmung unter binokularen Bedingungen und speziell mit dem
PasKal 3D-System liegen bisher nur spärlich vor, da das Gerät
noch sehr neu ist.
Bereits in den 1930er bis 1960er Jahren wurden jedoch
Versuche unternommen, die Refraktionsbestimmung unter binokularen Bedingungen zu realisieren. Allerdings waren die technischen Voraussetzungen nicht mit den heutigen vergleichbar.
Es wurde mit Nebelungen von 0,75 dpt bis 2,00 dpt vor dem
nicht geprüften Auge gearbeitet (Smith 1930; Copeland 1942;
Humphriss 1963, alle zitiert in Grolman 1966) oder die Trennung
der Seheindrücke wurde mit Opak-Trennern realisiert (Morgan
1960, zitiert in Grolman 1966). Miles berichtet, dass sich die
Achslage der Korrektion unter binokularen Bedingungen um im
Mittel ungefähr acht Grad von der unterscheidet, die unter monokularen Bedingungen gefunden wurde. Er führt das auf Zyklophorien zurück, die sich unter binokularen Bedingungen zeigten
(Miles 1948).
1966 beschreibt Grolmann die Polarisation von Sehzeichen
als Mittel zur Trennung der Seheindrücke bei der Fernpunktrefraktion (Grolmann 1966).
Aktuell findet sich eine Bachelorarbeit der Beuth Hochschule
Berlin von Bargenda und Wurche, die sich mit der Refraktionsbestimmung unter binokularen Bedingungen befasst. Dabei
wurde auch das PasKal 3D-System verwendet. Bargenda und
Wurche verfolgten die These, dass bei der Bestimmung der
Achslage ein Unterschied entstehen könnte, wenn die Messung
unter binokularen Bedingungen statt mit abgedecktem Gegenauge durchgeführt wird. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied in den Ergebnissen (Bargenda und Wurche 2014).
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Methode
Wenn das PasKal 3D-System eine höhere Messsicherheit bei der
Refraktionsbestimmung besitzt, dann müssten die Streuungen
bei Mehrfachmessungen eines Probanden niedriger sein als
bei einer herkömmlichen Refraktion, bei der das jeweils nicht
geprüfte Auge bei der monokularen subjektiven Refraktionsbestimmung abgedeckt ist.
In einer an der Fielmann Akademie Schloss Plön durchgeführten Studie wurden 12 Probanden jeweils achtmal am
PasKal 3D und achtmal mit einer herkömmlichen Sehzeichendarstellung unter Verwendung der Kreuzzylinder-Methode
refraktioniert. Im Anschluss an den monokularen Abgleich erfolgte ein monokularer Abgleich unter binokularen Bedingungen. Die Probanden waren keine Augenoptiker.
Die 16 Messungen jedes Einzelprobanden fanden im Verlauf
eines Tages statt und wurden von drei erfahrenen Refraktionisten durchgeführt.
Als Startwerte für die subjektive Refraktionsbestimmung
dienten für beide Messverfahren die Ergebnisse einer Autorefraktometermessung.
Für die Probanden galten folgende Kriterien:
Einschlusskriterien:
❚ Visus R/L ≥ 0,8
❚ Simultansehen mit Fusion
❚ Augengesund, keine Allgemeinerkrankungen mit Einfluss auf
das Sehen
Ausschlusskriterien:
❚ Medikamenteneinnahme mit Einfluss auf das Sehen
❚ Kontaktlinsentragen innerhalb der letzten 24 Stunden
Zusätzlich zu den Refraktionsergebnissen wurde der subjektive
Eindruck des PasKal 3D auf die Probanden mithilfe eines Fragebogens erfasst. Auf einer visuellen Analogskala beurteilten die
Probanden
❚ welches Verfahren ihnen angenehmer ist,
❚ mit welchem Verfahren sie meinten, deutlicher zu sehen,
❚ bei welchem Verfahren sie meinten, entspannter zu sehen,
❚ bei welchem Verfahren sie einen natürlicheren Seheindruck
hatten und
❚ welchem Verfahren sie das größere Vertrauen entgegenbringen.
Bei Proband drei stellte sich im Laufe der Messreihe heraus,
dass er den Visus 0,8 nicht durchgängig erreichte. Die Ergebnisse dieses Probanden wurden in der Auswertung nicht berücksichtigt.
Die Auswertung der Refraktionsergebnisse erfolgte auf
Grundlage von Brechwertvektoren in der Form nach Thibos et
al. (1997).
Ergebnisse
Refraktionsergebnisse
In der Abbildung 2 sind die Mittelwerte aus den acht Refraktionen pro Verfahren für das sphärische Äquivalent M (Abb. 2a)
und die Zylinderstärke Z (Abb. 2b) für alle Probanden dargestellt. Die dargestellten Boxen enthalten 50 % der gemessenen
Daten. Der Querstrich innerhalb der Boxen zeigt den Median.
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Abb. 2: Die Ergebnisse der Refraktionen aller Probanden. Es gibt keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den mit PasKal 3D und einer
2D-Refaktion gefundenen Ergebnissen.
„2D-Refraktion“ steht in den Grafiken für die klassische Methode mit Abdecken des nicht geprüften Auges, „PasKal 3D“
steht für die Refraktion am PasKal 3D, also mit durchgängig
binokularer Darstellung.
Die sphärischen Äquivalente der Probanden in dieser Messreihe lagen zwischen +3,125 dpt und -5,375 dpt mit dem Median
-1,375 dpt. Die Zylinderstärken reichten von 0,00 dpt bis -4,75
dpt mit dem Median bei -1,00 dpt.
Weder bei den sphärischen Äquivalenten noch bei den Zylinderstärken ergeben sich statistisch signifikante Unterschiede
zwischen den beiden Messverfahren (p>0,05). Das gleiche gilt
für die Komponenten J0 und J45 der Zylinderstärke (vgl. Abb. 2c
und 2d).
Streuungen in den Refraktionsergebnissen
Als Maß für die Streuung wurde die Standardabweichung der
Messergebnisse der einzelnen Probanden gewählt.
Die Abbildung 3 zeigt die Standardabweichungen der Messungen mit dem PasKal 3D und mit der 2D-Refraktion. Jeder
Datenpunkt steht für die Standardabweichung eines Probanden
bezüglich des jeweiligen Parameters. Die Boxen enthalten die
mittleren 50% der so ermittelten Werte. Je 25 % der gefundenen Standardabweichungen liegen oberhalb und unterhalb des
durch die Box markierten Bereichs.
Der Median der Standardabweichungen im sphärischen
Äquivalent ist 0,26 dpt beim PasKal 3D und 0,25 dpt bei der
2D-Refraktion (Abb. 3a). Der Proband mit der geringsten Standardabweichung in M liegt für beide Geräte bei ungefähr
0,1 dpt. Die maximale Standardabweichung liegt bei 0,59 dpt.
Auch hier handelt es sich bei beiden Geräten um denselben
Probanden. Es gibt keinen statistisch signifikanten Unterschied
zwischen den mit den beiden Refraktionsmethoden ermittelten
Standardabweichungen (p > 0,05).
Die Mediane der Standardabweichungen in der Zylinderstärke sind 0,37 dpt für das PasKal 3D-System und 0,31 dpt
bei der 2D-Refraktion (Abb. 3b). Die kleinsten Standardabweichungen betragen etwa 0,11 dpt für beide Refraktionsmethoden.
Die größten Standardabweichungen liegen bei 0,93 dpt beim
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FACHTHEMEN
Abb. 3: Die Streuungen für die einzelnen Komponenten der Refraktionswerte, die bei wiederholten Refraktionsbestimmungen auftreten,
sind individuell unterschiedlich. Die Grafiken zeigen die Streuungen der Standardabweichungen innerhalb der Probandengruppe. Bei keiner
der Größen M, Z, J0 oder J45 zeigt sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Geräten.
PasKal 3D-System und 0,73 dpt bei der 2D-Refraktion. Ebenso
wie bei den Standardabweichungen des sphärischen Äquivalents sind die Standardabweichungen der Zylinderstärke nicht
signifikant unterschiedlich (p > 0,05).
Die Standardabweichungen der Zylinderkomponenten J0 und
J45 zeigen ebenfalls keinen statistisch signifikanten Unterschied
(Abb. 3c und 3d).
In der Abbildung 4 sind die Streuungen aller Probanden für
beide Geräte dargestellt. Auf der Abszisse ist die Differenz jeder
Einzelmessung eines Probanden von seinem Mittelwert im
sphärischen Äquivalent abgetragen, die Ordinate zeigt die Abweichung jeder Einzelmessung vom Mittelwert bezogen auf die
Zylinderstärke. Die grüne Ellipse umschreibt den Bereich, in
dem 95 % aller Datenpunkte liegen.
Sowohl beim PasKal 3D-System als auch bei der 2D-Refraktion liegen die 95%-Grenzen bei etwa ± 0,45 dpt für das sphärische Äquivalent und für die Zylinderstärke.
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Die Abbildung 5 zeigt die individuellen Streuungen der Probanden am PasKal 3D und für die 2D-Refraktion. Wieder sind auf
der Abszisse die Abweichungen von der mittleren Refraktion des
Probanden im sphärischen Äquivalent abgetragen, die Ordinate
zeigt die Abweichungen in der Zylinderstärke. Jeder Punkt gibt
also die Abweichung einer Einzelmessung vom Mittelwert aller
Messungen des jeweiligen Probanden wieder. Die Ellipsen
kennzeichnen die 95%-Übereinstimmungsgrenzen.
Es sind deutliche Unterschiede zwischen den Probanden zu
erkennen. Bei Proband 1 beispielsweise liegen die Unterschiede
zum mittleren Refraktionsergebnis in der Größenordnung um
0,2 dpt, während Proband 4 Unterschiede von 0,4 dpt zeigt. Bei
manchen Probanden, zum Beispiel bei Proband 8, ist die Bestimmung der Zylinderstärke unsicherer als die Bestimmung
des sphärischen Äquivalents.
Es zeigt sich kein signifikanter Unterschied zwischen den
Abweichungen bei PasKal 3D und bei der 2D-Refraktion.
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Subjektive Einschätzung der Probanden
Die subjektive Einschätzung der Geräte durch die Probanden ist
in der Abbildung 6 dargestellt. Die Striche in den Boxen zeigen
den Median aller Antworten, die Box enthält die mittleren 50 %
aller Stimmen. Im Mittel fanden die Probanden die 3D-Refraktion angenehmer als die 2D-Refraktion. Außerdem waren die
Probanden der Meinung, bei der 3D-Refraktion deutlicher zu sehen. Der Vergleich der erreichten Sehleistungen mit den beiden
Refraktionsmethoden bestätigt diese Aussage jedoch nicht. Der
Visus der Probanden war mit beiden Methoden gleich.
Hinsichtlich der Eigenschaften „entspanntes Sehen“ und
„natürliches Sehen“ legt der Median der Aussagen keinen Trend
nahe. Die beiden Methoden schneiden hier gleich ab. Das gleiche gilt für die Frage danach, welches System den Probanden
vertrauenswürdiger vorkam. Auch hier werden beide Systeme
gleich beurteilt.
Diskussion
Das PasKal 3D-System unterscheidet sich vor allem dadurch
von einem 2D-System, dass während der gesamten Refraktionsbestimmung beide Augen des Probanden am Sehprozess teilnehmen.
Die Refraktionsbestimmung mit dem PasKal 3D-System erbringt die gleichen Ergebnisse wie eine 2D-Refraktion. Es findet
sich kein für das Ergebnis der Refraktionsbestimmung relevanter Vor- oder Nachteil bei einem der Systeme.
Die Standardabweichungen bei der Ermittlung des sphärischen Äquivalents M (0,26 dpt) und der Zylinderstärke Z
(0,37 dpt) mit dem PasKal 3D-System decken sich mit denen einer 2D-Refraktion. Die Reproduzierbarkeit ist also vergleichbar
und stimmt mit den Ergebnissen vorangegangenen Studien
überein.
Das gilt auch für die Einzelkomponenten J0 und J45 der Zylinder und deren Streuungen um den mittleren Wert. Das bedeutet,
dass alle Komponenten der sphärozylindrischen Kombination
inklusive der Achslagen mit beiden Verfahren den gleichen
Streuungen unterliegen. Die durchgängig binokulare Darstellung der Sehzeichen am PasKal 3D-System hat also, zumindest
bei den Probanden dieser Studie, keinen messbaren Einfluss auf
die Bestimmung der Achslage, weder hinsichtlich des Ergebnisses noch auf die Reproduzierbarkeit. Die Annahme von Miles
(1948), dass sich das Augenpaar unter binokularen stereoskopischen Bedingungen um mehrere Grad gegenüber der Lage
unter monokularen Bedingungen verrollen würde, lässt sich
anhand der Ergebnisse dieser Studie nicht nachvollziehen.
Die Frage, ob und wie häufig Zyklophorien die Genauigkeit
der Achslagenbestimmung beeinflussen, wird sehr stark von
den ohnehin relativ großen Streuungen bei der Refraktionsmessung überlagert. In der Studie von Grein et al. (2014) konnte gezeigt werden, dass selbst bei Zylinderwerten über 2,0 dpt die
Achslage nicht genauer als etwa ± 3 Grad bestimmt werden
kann. Wick und Ryan (1982) untersuchten die Häufigkeit von
Zyklophorien. Sie fanden nur bei drei Prozent der Probanden
Zyklophorien von mehr als 3 Grad (allerdings unter Ausschluss
von Probanden mit Exophorien über 6 cm/m, Esophorien über
3 cm/m und Vertikalphorien über 1 cm/m). Probanden, die neben einer relevanten Zyklophorie auch einen Astigmatismus
über 2,0 dpt haben, dürften relativ selten vorkommen. Nur in
Abb. 4: Abweichungen der Einzelmessung vom Mittelwert. Auf der
Abszisse sind die Abweichungen in M abgetragen, auf der Ordinate
die Abweichungen in Z. Die Ellipse beschreibt den Bereich, in dem
sich 95 % aller Daten befinden.
Abb. 5: Streuungen der einzelnen Probanden. Die Sicherheit, mit der
M und Z bestimmt werden können, ist interindividuell verschieden.
Abb. 6: Subjektiv bewerten die Probanden das PasKal-3D-System als
angenehmer und haben das Gefühl, deutlicher zu sehen. Dennoch wird
es nicht als vertrauenswürdiger eingeschätzt als die 2D-Refraktion.
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FACHTHEMEN
diesen Fällen wäre eine relevante Messabweichung zwischen
2D- und 3D-Refraktion überhaupt zu erwarten. Ein eventueller
Vorteil der 3D-Refraktion würde aber auch nur durch Mehrfachmessung (mindestens fünf Messungen) und Mittelung der
Refraktionsdaten offenbar werden. Ein solches Vorgehen ist in
der Praxis weder üblich noch zumutbar. Aus der vorliegenden
Studie lässt sich ein Vorteil der 3D-Refraktion bei der Achslagenbestimmung nicht nachweisen. Um diesen Torsionsunterschied aufzudecken, sind angesichts der Streubreiten für J0 und
J45 und der geringen Häufigkeit relevanter Zyklophorien mehr
Messungen an deutlich mehr Probanden erforderlich als in dieser Studie durchgeführt wurden.
Neben den objektiven Ergebnissen in Bezug auf die Refraktionsgenauigkeit spielen auch die aus den Fragebögen gewonnenen subjektiven Ergebnisse eine Rolle. Das PasKal 3D-System
wird von den Probanden tendenziell als angenehmer empfunden. Außerdem hatten die Probanden im Mittel das Gefühl, deutlicher zu sehen als bei der 2D-Refraktion. Dieser Eindruck trägt
zu einem positiven Erlebnis bei, ist aber unzutreffend: Die mit
den beiden Methoden erreichten Sehleistungen unterschieden
sich nicht signifikant voneinander.
Die Probanden der hier vorgestellten Studie waren augengesund, verfügten über Stereopsis und hatten keine störenden
Heterophorien. Inwieweit die durchgehend binokulare Darstellung bei ausgeprägteren Phorien, bei alternierend sehenden
Augenpaaren oder bei Menschen ohne Binokularsehen problematisch werden kann, geht aus den erhobenen Daten nicht hervor und müsste in einer weiteren Studie mit entsprechend ausgewählten Probanden untersucht werden.
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Fazit
Die Refraktionsergebnisse und die Streubreiten, die bei einer
Augenglasbestimmung mit dem PasKal 3D-System ermittelt
werden, unterscheiden sich nicht signifikant von denen einer
2D-Refraktion. Mit beiden Verfahren ist mit einer Standardabweichung von ± 0,26 dpt im sphärischen Äquivalent und
± 0,37 dpt in der Zylinderstärke zu rechnen. Bei der Bestimmung der Achslage zeigte sich in der hier vorgestellten Untersuchung kein Unterschied zwischen den beiden verglichenen
Verfahren. ■
Autoren:
Dipl.-Ing. (FH) Olaf Schmidt-Kiy
Fielmann Akademie Schloss Plön
E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. (FH)
Hans-Jürgen Grein
Fachhochschule Lübeck
Fielmann Akademie Schloss Plön
E-Mail: [email protected]
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