«Als Verwaltungschef hat man stets zwei Hüte auf» - Dorf

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Monatsinterview
Dorf-Blitz
03/2015
Der Bassersdorfer Verwaltungsdirektor Rolf Rinderknecht geht in Pension
«Als Verwaltungschef hat man stets zwei Hüte auf»
Als Verwaltungsdirektor hat Rolf
Rinderknecht die Entwicklung
von Bassersdorf zur modernen
Kleinstadt im Grünen massgeblich mitgeprägt. Knapp 14 Jahre
leitete der heute 62-Jährige die
Geschicke der Gemeindeverwaltung und unterstützte den Gemeinderat in politischen und
Sachfragen. Nun geht der passionierte Läufer Ende April in Frühpension.
von Reto Hoffmann
Sie haben sich entschieden, mit 62
Jahren in den Vorruhestand zu treten. Haben Sie das Berufsleben
satt?
Meine Absicht war immer, mit 62
oder 63 Jahren in Pension zu gehen.
Diese Überlegung machte ich mir
schon vor zehn Jahren, es ist also
kein kurzfristiger Entscheid. Nach 37
aktiven Jahren im Berufsleben
kommt irgendwann der Zeitpunkt,
bei dem man sich überlegt, wie lange
noch. Ich freue mich aber jetzt noch
etwas Neues im Rahmen eines 50
Prozent-Engagements zu tun. So
kann ich mich langsam an das Nichtstun gewöhnen...(lacht).
Was hat Sie bewogen, Ihr Amt vorzeitig abzugeben?
Ich habe in Bassersdorf eine sehr
spannende und herausfordernde Zeit
erlebt. Eine Zeitspanne in meinem
Leben, welche mich persönlich auch
sehr beansprucht hat. Nach knapp 14
Jahren als Verwaltungsdirektor treten verständlicherweise auch gewisse Abnützungs- und Sättigungserscheinungen auf. Viele Dinge widerholen sich und man ist nicht mehr
mit der gleichen Intensität dabei wie
am Anfang. Doch ich bin nicht der
Typ, der die Zeit jetzt noch bis zur
Pensionierung absitzt. Deshalb
möchte ich nun einer neuen unbelasteten Führungskraft Platz machen,
welche frischen Wind und auch neue
Ideen nach Bassersdorf bringt.
14 Jahre Chef der Verwaltung in
Bassersdorf. Eine lange Zeit.
Selbstverständlich sind 14 Jahre eine
lange Zeit. Doch für mich ist sie wie
im Fluge vergangen. Bevor ich die
Rolf Rinderknecht: «Meine Absicht war es immer, mit 62 oder 63 Jahren in Pension zu gehen. Diese Überlegung
machte ich mir schon vor zehn Jahren.» (Bilder: Reto Hoffmann)
Stelle 2001 antrat, hatten meine zwei
oder drei Vorgänger nicht einen so
langen Atem. Ich denke aber auch,
dass die Zeiten heute vorbei sind, bei
denen ein Gemeindeschreiber oder
eine Gemeindeschreiberin ihr ganzes Berufsleben in der gleichen Gemeinde verbringt. Von daher sind 14
Jahre als relativ zu betrachten.
«Ich bin nicht der Typ,
meine Zeit bis zur
Pensionierung abzu­
sitzen»
Was hat sich in Ihrer Amtszeit
konkret bewegt? Welches waren
aus Ihrer Sicht die Meilensteine
und Herausforderungen?
Zu Beginn meiner Anstellung war
Bassersdorf noch ein Dorf und ist es
natürlich auch heute noch... Ich
konnte mir nicht vorstellen, dass Bassersdorf innert so kurzer Zeit einen
solchen Boom erlebt und zu einer
«Stadt» wird. Diese Entwicklung hat
sowohl in der Politik, wie in der Verwaltung dann auch einiges ausgelöst.
Viele Ideen konnten von meiner frü-
heren Tätigkeit in der Stadt Uster in
meine neue Funktion einfliessen.
Wichtige politischen Meilensteine
waren aus meiner Sicht der Kauf der
Freizeitanlage der Swissair, die heutige bxa, die Einführung der Einheitsgemeinde, der Bau des Werkgebäudes in der Ufmatten, die Realisierung
des neuen Dorfzentrums, der Entscheid für den Bau eines neuen
Schulhauses und die Mitgliedschaft
in der Flughafenregion. Das ist gewissermassen die Aussensicht. Gegen Innen durchlief die Verwaltung
erfolgreich eine Behörden- und Verwaltungsreorganisation, welche ich
massgeblich mitgestaltet habe. Eine
grosse Herausforderung waren für
mich auch immer die Gemeindeversammlungen. Diese wurden in den
letzten Jahren immer komplexer im
Ablauf. So zum Beispiel der Schulhausneubau und das Budget, welche
sehr konträr diskutiert worden sind.
Wo konnten Sie sich besonders
einbringen und etwas bewirken?
Mit der Unterstützung des damaligen
Gemeindepräsidenten Franz Zemp
war es mir möglich, die Verwaltungsorganisation zu modernisieren. Das
Ziel war es, den Gemeinderat in seinen operativen Tätigkeiten zu entlasten und ihm dadurch mehr Freiraum
für strategische Aufgaben zu ermöglichen. Mit dieser Organisation
konnte das heute aktuelle Geschäftsleitungsmodell eingeführt werden,
welches heute bei immer mehr Gemeinden und Städten Anklang findet, aber dazumal in der Bevölkerung
«Für mich stand immer
eine gute und kons­
truktive Zusammen­
arbeit im Vordergrund»
nicht bei allen auf Gegenliebe stiess.
Worin konnten Sie denn den Gemeinderat konkret entlasten?
Durch die ganz andere Aufgabenverteilung beispielsweise ist eine
Sitzung mit dem Gemeinderat nur
noch einmal pro Monat nötig statt
regelmässig alle zwei Wochen. Die
Geschäftsleitung der Verwaltung
ist auch stark in Projektarbeiten
involviert. So kümmern wir uns
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auch um betriebliche Angelegenheiten und engagieren uns in den
Budgetierungs- und Strategieprozessen.
Was war Ihnen bei Ihrer Tätigkeit
besonders wichtig?
Als Verwaltungsdirektor ist man die
Drehscheibe für viele Anspruchsgruppen. Eine grosse Herausforderung dabei war es, die beiden Funk­
tionen, jene des Beraters des Gemeinderates und jene des Verwaltungschefs, unter einen Hut zu bringen.
Dies konnte beispielsweise bei personellen Fragen zu Spannungen führen, welche manchmal nicht ganz
einfach zu handhaben waren. Doch
das Personal der Verwaltung genoss
bei mir immer einen hohen Stellenwert, denn ohne gutes Personal gibt
«Es war nie mein
innigster Wunsch,
Verwaltungsdirektor
genannt zu werden»
es keine guten Dienstleistungen.
In einer Gemeinde heisst der Vorsteher der Verwaltung Gemeindeschreiber. In der Stadt, Stadtschreiber. Wie kam es zur Jobbezeichnung Verwaltungsdirektor?
Ich wurde viel auf diese Jobbezeichnung angesprochen. Der Gemeindeschreiber wurde im Zusammenhang
mit der Behörden- und Verwaltungsreorganisation durch den Begriff des
Verwaltungsdirektors abgelöst. Es
war jedoch nie mein innigster
Wunsch, Verwaltungsdirektor genannt zu werden. In den umliegenden Gemeinden und Städten gibt
es verschiedene Formen, welche den
Job des Gemeindeschreibers umschreiben: In Kloten und Opfikon
nennt man sie ebenfalls Verwaltungsdirektoren, in Dübendorf zum
Beispiel Geschäftsführer.
Zwei Gemeindepräsidenten waren
in Ihrer Amtszeit Ihre Chefs. Wie
haben Sie diese erlebt?
Alle Vorgesetzten pflegen eigene Führungsstile und haben ihren Ecken und
Kanten. So habe ich auch Gemeindepräsident Franz Zemp oder die jetzige
Gemeindepräsidentin Doris MeierKobler erlebt. Für mich persönlich
stand immer eine gute und konstruktive Zusammenarbeit im Vordergrund
und das habe ich mit beiden erlebt.
Ende April übergibt Rolf Rinderknecht (r.) das Amt des Verwaltungsdirektors in die Hände seines Nachfolgers
Christian Pleisch, derzeit stellvertretender Gemeindeschreiber in Wangen-Brüttisellen.
Ich fühlte mich immer fair behandelt
und beide hatten jederzeit auch ein
offenes Ohr für meine Anliegen.
«Eine grosse Herausforderung waren
für mich auch immer
die Gemeinde­
versammlungen»
Wie muss oder soll sich Bassersdorf aus Ihrer Sicht in den nächsten zehn Jahren entwickeln?
Diese Frage muss nicht ich beantworten, sondern vielmehr der Gemeinderat zusammen mit der Bevölkerung.
Der Gemeinderat hat dafür zwei
wichtige Projekte angestossen: «Bassersdorf 2030» und «Alter 65plus».
Im Projekt «Bassersdorf 2030», das
verbunden sein wird mit einer Revision der Bau- und Zonenordnung,
werden wichtige Grundlagen für die
planerische Entwicklung von Bassersdorf gelegt. Mit dem Projekt «Alter 65plus» werden Wege aufgezeigt,
wie Bassersdorf der demographischen Entwicklung in den kommenden Jahren begegnen will.
Welches waren die anspruchsvollen Momente in Ihrem Job,
welches die Schönsten?
Ich möchte die Fragen so beantworten: Der Job eines Gemeindeschreibers ist grundsätzlich anspruchsvoll. Schöne Momente gab es natürlich immer, wenn der Souverän
einem Antrag oder Projekt des Gemeinderates zugestimmt hat, bei
dem man selber intensiv mitgearbeitet hat. Wie zum Beispiel kürzlich
bei der Urnenabstimmung zum
Schulhaus Chrüzacher.
«Das Personal der
Verwaltung genoss
bei mir immer einen
hohen Stellenwert»
Privat sind Sie ein Langstreckenläufer. Das heisst Ausdauer. Hat
sich das auch in Ihrem Beruf ausgewirkt?
Ich war lange Zeit ein passionierter
Marathonläufer, halte mich heute
aber eher mit Biken und Spaziergängen mit meinen drei Hunden
fit. Doch Ausdauersport war mir
immer schon sehr wichtig. Mit einer guten physischen Verfassung
ist man aus meiner Sicht leistungsfähiger und stressresistenter, auch
im Job und besitzt mehr Ausdauer.
Bewegung spielte in meinem Leben
immer eine zentrale Rolle und wird
es auch weiter tun. Doch ich bin
kein Asket. Beispielsweise bin ich
einem guten Glas Wein nicht abgeneigt. Das ist für mich ebenfalls
Lebensfreude.
Was können Sie Ihrem Nachfolger
mit auf den Weg geben?
Gehe deinen eigenen Weg – verfolge
deine eigenen Ziele. Ich denke, es ist
wichtig, dass er eine eigenständige
Person ist und mit den Abteilungsleitern zusammen die Geschäftsleitung bildet und auch die Haltung der
Verwaltung vertritt.
Wie sieht nun Ihr Leben nach
­Ihrem Ausscheiden aus?
Am 1. Mai werde ich KommandantStellvertreter der Zivilschutzorganisation (ZSO) Hardwald mit einem
50 Prozent-Pensum und ZSO-Kommandant ad Interim für PfäffikonFehraltorf-Hittnau-Russikon. Für
mich war es ein Glücksfall. Ich
suchte immer nach einer neuen Herausforderung, bei der ich einen
Übergang in den Ruhestand habe.
Daneben wird sich auch meine
Frau freuen, wenn ich wieder mehr
Zeit habe für gemeinsame Aktivitäten, zum Beispiel Reisen. Dann
gibt es in Haus und Garten immer
etwas zu tun. Langweilig wird es
mir sicher nicht werden.
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