28 – SOLUTIONS Ein Haus für A house for sensitive feine Nasen Bild: zvg Image: made available noses Text: Paul Knüsel — Porträt: Mischa Scherrer Text: Paul Knüsel — Portrait: Mischa Scherrer Häuser, die krank machen, und Wohngifte, die Allergien auslösen, braucht niemand. Bauherrschaften, Planer und Lieferanten bemühen sich deshalb, gesundheitsfördernd zu bauen. Das Vorzeigeprojekt der Stadt Zürich demonstriert, dass auch der Geruchssinn nicht zu missachten ist. No-one wants a house that makes people ill or indoor toxins that trigger allergies. So principals, planners and suppliers are making every possible effort to build in a way that promotes good health. A showcase project in the City of Zurich demonstrates that it is important not to neglect the sense of smell. SOLUTIONS – 29 S Z urich is a great place to live, where the birdsong is louder than the traffic rushing past. Even though the largest city in Switzerland is bursting at the seams, there is not a single construction crane in sight on Rebenweg. The highly exclusive residential area in Zurich-Leimbach is not reserved for high rollers: the landowner, the City of Zurich, gives preference to people suffering from a great deal of stress, who are in need of peace and quiet. Since October 2013 it has been home to a dozen people who suffer from multiple chemical sensitivity (MCS) and electromagnetic hypersensitivity. It is an oasis, far from the apparent damaging effects of noise, strong smells and electromagnetic radiation. This pioneering project triggered a massive media response and has been acclaimed by medical and construction experts throughout Europe. The latter are amazed, because the building itself is not allowed to emit any harmful vapours. © Mischa Scherrer elbst in Zürich lässt sich wohnen, wo das Singen der Vögel lauter ist als der rauschende Strassenverkehr. Und obwohl die grösste Stadt der Schweiz aus allen Nähten platzt, ist am Rebenweg weit und breit kein einziger Baukran zu sehen. Die privilegierte Wohnlage in Zürich-Leimbach ist nicht kaufkräftigen Interessenten vorbehalten; die Grundeigentümerin, die Stadt Zürich, hat besonders stressgeplagten, ruhebedürftigen Menschen den Vorzug gegeben. Seit Oktober 2013 wohnen ein Dutzend Personen, die unter MultipleChemical-Sensitivity («MCS») und Elektrosensibilität leiden, in dieser Oase weit weg von mutmasslich schädlichen Einflüssen wie Lärm, Gestank und elektromagnetischer Strahlung. Das Pionierwerk hat grosses mediales Echo ausgelöst und findet europaweit unter Medizinern und Baufachleuten Anerkennung. Letztere staunen, weil das Gebäude selbst keine schädlichen Ausdünstungen von sich geben darf. Christian Schifferle, Co-Präsident der Genossenschaft Gesundes Wohnen MCS, ist selber betroffen. Christian Schifferle, Co-President of the Healthy Living Cooperative MCS, is himself affected. Das Vorhaben scheint gelungen; dem Neubau fehlt der übliche Eigengeruch. «Das ist am Tag der offenen Tür fast allen positiv aufgefallen», erklärt Andreas Zimmermann, Architekt des MCS-Hauses unterhalb des Fälletschen-Waldes. Die Bewohner zogen trotzdem mit Zurückhaltung ein; einige haben den Mietvertrag vorzeitig aufgelöst. «Doch alle 15 Wohnungen sind wieder belegt», bestätigt Genossenschafts-Copräsidentin Marianne Dutli Derron. Das Vorhaben der Wohnbaugenossenschaft «Gesundes Wohnen MCS», erstmals in normaler, aber möglichst unbelasteter Umgebung zu leben, findet Zuspruch. Zudem habe sich die Bewohnerschaft bereits gemeinschaftlich organisiert, so Dutli Derron. The plan seems to have paid off: this new build does not have any typical inherent odour. “Everyone who visited during the open day saw that as a positive,” explained Andreas Zimmermann, the architect behind the MCS house that lingers below the line of the Fälletschen forest. Nevertheless, its new residents were somewhat reluctant to move in; several ended their leases early. “But all 15 flats are occupied again now,” confirmed Marianne Dutli Derron, co-president of the cooperative. The housing co-operative’s plan “Healthy Living with MCS” to help sufferers live in normal surroundings for the first time, but with as little contamination as possible, is gaining traction. Not only that, but according to Dutli Derron, the residents have already set up their own organisation. 30 – SOLUTIONS Deklaration gesundheitsfördernder Produkte (ØT4QJDCW+PPGPCWUUVCVVWPIWPF/QDKNKCTKUVGKPTGKEJJCNVKIGU5QTVKOGPVCPÒMQNQIKUEJGP$CWUVQHHGPGKPUGV\DCT.CDGNUYKG natureplus, Emicode oder Blauer Engel zeichnen Produkte (Holzwerkstoffe, Dämmstoffe, Mörtelmasse etc.) aus, die nur wenig Schadstoffe oder Lösungsmittel ausstossen. Die Schweizer Stiftung Farbe hat vor kurzem eine Umweltetikette eingeführt. Und darüber hinaus verlangt das Gebäude-Label M+0'4)+'®-Eco umfassende gesundheitsfördernde Qualitäten, so etwa viel TagesNKEJVYGPKI.ÀTOUQYKGGNGMVTQDKQNQIKUEJG5EJWV\OCUUPCJOGP+PFGP'75VCCVGPUKPFFKG8QTICDGPWPURG\KƂUEJGTFGƂPKGTV obwohl die ökologischen Eigenschaften einzelner Baustoffe in einer Umwelt-Produktdeklaration (EPD) anzugeben sind. FachNGWVGDGOÀPIGNPLGFQEJFCUUFKG)GUWPFJGKVUCURGMVGKPFKGUGT&GMNCTCVKQPURƃKEJVGJGTXGTPCEJNÀUUKIVUGKGP Roh und nüchtern Architektonisch ist der kompakt-kantige Kasten ein würdiger Vertreter der Schweizer Moderne. Gelbe Pinselstriche prägen die Fassade, halbhoher Maschendraht umfasst die Balkone und auch sonst wirkt das vierstöckige Gebäude eher roh. Die nüchterne Gestaltung setzt sich im Innenausbau fort: Man läuft über Kunststeinplatten; die Wände sind mit farblosem Kalk verputzt. Und die Raumdecken sind aus grauem Beton. «Obwohl mir die unverfälschte Wirkung sehr gut gefällt, haben wichtigere Aspekte als die Gestaltung den Ausschlag gegeben», erzählt Architekt Zimmermann. Denn in jeder MCS-Wohnung sind Gifte, Elektrosmog und natürliche flüchtige Substanzen, selbst in kleinsten Mengen, strikte verboten. Baustoffe, Farben, Kleber, Türen, Schränke, Strom- und Wasserleitungen und alles andere, was zu einem Wohnhaus gehört, wurden daher eingehend auf störende Ingredienzien überprüft. 7PƂPKUJGFCPFCWUVGTG Architecturally speaking, the compact, square box is a worthy representative of Swiss modern art. Yellow brushstrokes decorate the façade; half-height wire mesh surrounds the balconies. Overall, this four-storey building gives the impression of being somewhat unfinished. Its austere design carries through to the interior: the floors are paved with artificial stone slabs; the walls plastered with pale limestone. The ceilings are made of grey concrete. “Although I really like this unadulterated look, the design took a back seat to several more important aspects,” said Zimmermann, the architect. After all, pollutants, electro-smog and volatile organic substances are strictly forbidden in the MCS flats, even in the tiniest quantities. Building materials, paints, adhesives, doors, cupboards, electrics and water pipes, and everything else that belongs in a home were therefore checked thoroughly to determine whether they contained harmful ingredients. Die beteiligten Planer erlebten überraschende Aha-Momente: «Nur chemisch tote Materien wie Backstein, Beton, Glas oder Stahl werden den hohen Sensitivitätsanforderungen gerecht», sagt Bauökologe Michael Pöll, der als Qualitätsmanager der Stadt Zürich das Projekt mitbetreut. «Öko-Materialien wie Holz, Lehm oder Linoleum sind weitgehend tabu, weil sie Gerb- und Duftstoffe sowie Harze in die Atemluft abgeben», ergänzt Architekt Zimmermann. Problematisch war auch der Baustellenbetrieb, weil dort künstliche Klebe- und Bindemittel normalerweise omnipräsent sind und standardmässig verwendet werden. The planners involved in the project ran the gamut of aha moments. “Only chemically dead materials, such as brick, concrete, glass and steel, satisfy the high sensitivity requirements,” noted building ecologist Michael Pöll, who also supported the project as a quality manager on behalf of the City of Zurich. “Eco-materials like wood, clay and linoleum are largely off-limits because they give out tannins, aromas and also resins into the breathable air,” added Zimmermann. Running the building site was also problematic in that artificial adhesives and bonding agents are usually omnipresent and used by default. Wenn Nasen über Produkte entscheiden Die Suche nach unbedenklichen Materialien dauerte fast ein ganzes Jahr. Welche Stoffe und Komponenten geruchs- und emissionsfrei sind, wurde in einem zweistufigen Verfahren festgestellt. Im Labor erfolgte die wissenschaftliche Probenahme; zuletzt war die feine Nase der MCS-Betroffenen entscheidend: When noses pick the products The search for “safe” substances took almost an entire year. There was a two-step process to determine which substances and components were free of odours and emissions. Scientific sampling was carried out in a lab, although ultimately the delicate noses of the MCS sufferers became the deciding factor: MCS – Multiple Chemical Sensitivity &KGOWNVKRNG%JGOKMCNKGP7PXGTVTÀINKEJMGKV /%5HCUUVCMWVGWPFEJTQPKUEJG$GUEJYGTFGP\WUCOOGPFGTGP7TUCEJGƃØEJVKIG natürliche und synthetische Substanzen sind, selbst wenn sie die Atemluft nur in geringster Konzentration belasten. MCS-Symptome können überall im Körper und den Organen auftreten, weil das ganze Immunsystem betroffen ist. Eine eindeutige ärztliche Diagnose kann oft scheitern; MCS ist in der Schulmedizin höchst umstritten und in der Schweiz – anders als Deutschland – nicht als Krankheit CPGTMCPPV9GKVIGJGPFWPDGUVTKVVGPKUVFCUUFKG%JGOKMCNKGP¸DGTGORƂPFNKEJMGKVPKEJVOKVRU[EJQUQOCVKUEJGT4GCMVKQPINGKEJ\WUGV\GPKUV&KG/%5.KIC5EJYGK\UGV\VUKEJCNU5GNDUVJKNHGQTICPKUCVKQPHØTFKGQHƂ\KGNNG#PGTMGPPWPIKP5EJWNOGFK\KPWPF5Q\KCNXGTUKcherungen ein. SOLUTIONS – 31 Declaration of products that promote good health #YKFGTCPIGQHGEQNQIKECNDWKNFKPIOCVGTKCNUKUCXCKNCDNGHQTWUGKPDWKNFKPIUJGNNUKPVGTKQTƂVVKPIUCPFHWTPKUJKPIU.CDGNUUWEJCU Natureplus, Emicode and The Blue Angel mark out products (wood-based materials, insulating materials, mortars etc.) that emit only minimal harmful substances or solvents. The Swiss Paints Foundation (Schweizer Stiftung Farbe) recently introduced its own GPXKTQPOGPVCNNCDGN(WTVJGTOQTGVJGDWKNFKPINCDGN/+0'4)+''%1FGOCPFUCDTQCFTCPIGQHJGCNVJ[SWCNKVKGUUWEJCURNGPV[ QHFC[NKIJVOKPKOCNPQKUGCPFGNGEVTQDKQNQIKECNRTQVGEVKXGOGCUWTGU6JGIWKFGNKPGUCTGNGUUURGEKƂEKP'7EQWPVTKGUCNVJQWIJ VJGGEQNQIKECNCVVTKDWVGUQHKPFKXKFWCNDWKNFKPIOCVGTKCNUOWUVDGURGEKƂGFKPVJGHQTOQHCPGPXKTQPOGPVCNRTQFWEVFGENCTCVKQP (EPD). However, experts criticise the fact that health aspects are rather neglected in this mandatory declaration. Zehn Personen unterzogen die wichtigsten Produkte einem Schnüffeltest. Nichts auszusetzen gab es zum Beispiel beim Fenster von EgoKiefer, weil dessen Aluminium-KunststoffRahmen nichts ausdünstet. Der städtische Vertreter Michael Pöll ist beeindruckt, «wie einheitlich die Urteile ausgefallen sind». War das Verdikt jedoch ein kollektives Nein, fing die Materialsuche wieder von vorne an. Ohne Goodwill der Zulieferfirmen, über Herkunft und Inhaltsstoffe umfassend zu informieren, wäre das aufwendige Auswahlverfahren deshalb nicht vom Fleck gekommen. «Anbieter und Handwerker haben sich selbst um alternative Produkte und traditionelle Einbaumethoden bemüht», lobt Architekt Andreas Zimmermann die hervorragende Zusammenarbeit. «Das Pilotprojekt ist auf grosses Echo gestossen; gesundes Bauen interessiert», so das ähnlich positive Fazit von Michael Pöll. Nicht nur beim MCS-Wohnhaus, auch sonst ist seine Arbeitgeberin, die Stadt Zürich, dafür bekannt, bauökologisch Überdurchschnittliches zu verlangen. Die grösste öffentliche Immobilienbesitzerin der Schweiz baut eigene Wohnsiedlungen, Schulhäuser und Spitäler so oft wie möglich im MINERGIE®-Eco-Standard. Laut Michael Pöll seien die Eco-Kriterien zwar weniger streng, weil Duftstoffe oder natürliche Gerüche im geringen Mass erlaubt sind; dennoch sei das Wohn- und Arbeitsklima gesünder, wenn auf ökologische Bauprodukte und transparente Lieferketten geachtet werde. Neue Erkenntnisse für die Baupraxis Das gelbe MCS-Haus in Zürich-Leimbach besticht durch die einmalige geografische Lage und das vorbildliche bauökologische Design. Zumindest das Privileg, derart unbelastet zu wohnen, gilt es nun für die Allgemeinheit zu nutzen: Niemand wird etwas dagegen haben, wenn die beteiligten Planer und Unternehmen ihre Erkenntnisse nun freiwillig in die Baupraxis einfliessen lassen. ten people put the most important products through a sniff test. They found nothing wrong with the EgoKiefer windows, for example, because the aluminium-plastic frame does not emit anything harmful. Michael Pöll, the city’s representative, was impressed at “just how consistent the opinions were.” If the verdict was a collective no, then the search for materials began again. Without the goodwill of the supplier firms in providing comprehensive information about origins and ingredients, the time-consuming selection process would have made no headway at all. “The providers and tradespeople themselves worked hard to research alternative products and traditional installation methods,” said architect Andreas Zimmermann in praise of the outstanding cooperation. Michael Pöll agreed wholeheartedly, “The pilot project attracted considerable attention. People are interested in healthy building.” And this is true not just of the MCS home. Zimmermann’s employer, the City of Zurich, is known for demanding the above-average in terms of building ecology. Wherever possible, Switzerland’s largest public property owner builds its own housing estates, schools and hospitals in accordance with MINERGIE® eco-standards. According to Michael Pöll, these eco-criteria may be less strict, permitting aromatic substances and natural smells in small amounts, yet the living and working climate is healthier if close attention is paid to securing green building products and transparent supply chains. New insights for building practices The yellow MCS house in Zurich-Leimbach stands out thanks to its one-off geographic location and pioneering building ecology design. The idea now is to open up this privilege of living in a less contaminated way to the general public. No-one will object to the planners and companies involved voluntarily allowing their findings to be incorporated into building practices. MCS – multiple chemical sensitivity Multiple chemical sensitivity (MCS) is an umbrella term for acute and chronic symptoms that are caused by volatile natural and synthetic substances, even if they are present in only the smallest concentrations in the breathable air. MCS symptoms can emerge CP[YJGTGKPVJGDQF[CPFKPVJGQTICPUDGECWUGVJGGPVKTGKOOWPGU[UVGOKUCHHGEVGF+VKUQHVGPFKHƂEWNVVQQDVCKPCENGCTOGFKECN diagnosis: MCS is extremely controversial in conventional medicine and is not a recognised disease in Switzerland – unlike in Germany. What is widely undisputed is that chemical hypersensitivity should not be equated with a psychosomatic response. The Swiss /%5.GCIWGKUCUGNHJGNRQTICPKUCVKQPVJCVYQTMUQPDGJCNHQHUWHHGTGTUKPECNNKPIHQTVJGQHƂEKCNTGEQIPKVKQPQH/%5KPEQPXGPVKQPal medicine and by social security institutions.
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