Erbrecht - BRANDI Rechtsanwälte

Juni 2015
Erbrecht
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Unternehmensrecht
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Juni 2015
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wir freuen uns, dass wir Ihnen mit diesem Mandantenrundbrief Beiträge von Mitgliedern aus unseren Kompetenzgruppen Unternehmensrecht sowie Vermögensplanung, Vermögensnachfolge und Erbrecht präsentieren können. Wir
haben verschiedene aktuelle Themen und grundsätzliche
Darstellungen zu dem Thema Unternehmensnachfolge
zusammengefasst und für Sie aufbereitet, so dass Sie aktuell
informiert und auch zu grundsätzlichen Überlegungen im
Hinblick auf die Unternehmensnachfolge angeregt werden.
Dabei haben wir die Beiträge in vier Bereiche aufgegliedert:
Wir beginnen mit dem Notfallkoffer für Unternehmer und leiten sodann über zu der EU-Erbrechtsverordnung, die für
deutlich mehr Personen Relevanz entfalten kann, als dies
vielleicht bei erstem Hören zu vermuten ist.
Grundsätzliche Beiträge widmen sich sodann der internationalen Unternehmensnachfolge, der Familienstiftung als
Instrument der Unternehmensnachfolge und der Übertragung
von Unternehmen/Unternehmensteilen auf Minderjährige.
Der aktuelle Teil wird eingeleitet mit einer Betrachtung der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, an die sich wichtige
Einzelfragen zu Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, der Gesellschafterliste im Erbfall, der Erbenhaftung in
der BGB-Gesellschaft und der Betriebsaufspaltung im Rahmen der Nachfolgeplanung anschließen.
Außerdem freuen wir uns, Ihnen unsere neuen Kolleginnen, Frau Ute Lienenlüke und Frau Jessica Müßel, an den
Standorten Bielefeld und Hannover vorstellen zu können.
Wir wünschen anregende Lektüre und stehen Ihnen
natürlich an allen unseren Standorten zu vertiefenden
Besprechungen gern zur Verfügung.
Patrizia Ferrara • Dr. Jürgen Löbbe • Dr. Oliver Knodel
Unsere neuen Kolleginnen
Unsere neuen Kolleginnen
Ute Lienenlüke
verstärkt seit März 2015 unseren Standort in Bielefeld. Frau Lienenlüke studierte
an der Universität Bielefeld mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsrechtsberatung.
Sie absolvierte außerdem eine fachspezifische Fremdsprachenausbildung im
englischen Recht. Ihr erstes Staatsexamen erwarb sie 2012. Ihr Referendariat
absolvierte Frau Lienenlüke am Landgericht Bielefeld mit Stationen mit gesellschaftsrechtlicher Prägung und erwarb ihr zweites Staatsexamen 2015.
Jessica Müßel
ist seit März 2015 im Büro in Hannover tätig. Sie studierte Rechtswissenschaft an
der Georg-August-Universität in Göttingen mit dem Schwerpunkt im öffentlichen
und privaten Medienrecht und absolvierte den Ergänzungsstudiengang Rechtsintegration in Europa. Das Studium schloss sie 2012 mit dem ersten Staatsexamen ab. Ihr Referendariat absolvierte sie beim Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg mit einer Station bei einer Wirtschaftskanzlei in Auckland,
Neuseeland. 2015 erwarb sie ihr zweites Staatsexamen. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt im gewerblichen Rechtsschutz sowie im Handels- und Insolvenzrecht.
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Inhalt
Notfallkoffer für Unternehmer
Dr. Nils Wigginghaus
Die Vorsorgevollmacht für Unternehmer...................................................................Seite 4
Dr. Josef Heimann, LL.M.
Der Ehevertrag und das Testament des Unternehmers.............................................Seite 5
EU-Erbrechtsverordnung
Dr. Jürgen Löbbe
Die EU-Erbrechtsverordnung - Überblick . .................................................................Seite 7
Dr. Jörg Niggemeyer
Auswirkungen der EU-Erbrechtsverordnung auf das Ehegüterrecht......................Seite 7
Franz Pieper
Das europäische Nachlasszeugnis...............................................................................Seite 8
Dr. Gert Müller-Baumgarten
Welches Erbrecht ist in Erbfällen ab dem 17.08.2015 anzuwenden?........................Seite 9
Struktur der Unternehmensnachfolge
Dr. Franz Tepper, LL.M.
Internationale Unternehmensnachfolge....................................................................Seite 10
Dr. Axel Brandi
Die Familienstiftung als Instrument der Unternehmensnachfolge.........................Seite 12
Hartmut Sandering
Vermögensübertragung auf Minderjährige...............................................................Seite 14
Aktuelle Problemfelder
Dr. Bernhard König
Zukunft der Erbschaft- und Schenkungsteuer für Unternehmensvermögen........Seite 15
Dr. Carsten Hoppmann
Fallstricke und Risiken bei Abfindungsklauseln
in Gesellschaftsverträgen von GmbH..........................................................................Seite 17
Dr. Jana Ilchmann
Gesellschafterliste im Erbfall .......................................................................................Seite 18
Sven Hasenstab
Erbenhaftung in der BGB-Gesellschaft.......................................................................Seite 19
Sebastian Siesenop
Gefahren einer Betriebsaufspaltung im Rahmen der Nachfolgeplanung..............Seite 19
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Vorsorgevollmacht für Unternehmer
Jeder Unternehmer muss sich im Rahmen der Krisen- und
Risikovorsorge nicht nur über die Sicherung der Unternehmensnachfolge, Ehe- und Pflichtteilsverzichtsverträge (dazu
im Folgenden Teil 2 von Dr. Josef Heimann) Gedanken
machen. Er sollte auch an den Fall denken, dass er krankheits- oder altersbedingt – vorübergehend oder dauerhaft –
nicht mehr in der Lage ist, seine Rechte als Geschäftsführer
oder Gesellschafter wahrzunehmen.
Dass die Geschäftsunfähigkeit jederzeit bei einem selbst
oder Mitgesellschaftern durch einen Unfall, eine Krankheit
oder das Alter eintreten kann, wird von den Betroffenen überwiegend verdrängt. Die mangelnde Vorsorge kann jedoch für
ein Unternehmen und damit für die Lebensgrundlage der
Familie existenzbedrohende Folgen haben.
Wie bei dem Nicht-Unternehmer auch soll die Vorsorgevollmacht des Unternehmers (oder der Unternehmerin)
auch verhindern, dass für ihn im Notfall eine Betreuung
eingerichtet wird – jedoch gelten für sie besondere
gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen!
1. Allgemeines
Wird ein Unternehmer geschäftsunfähig, ist für ihn - wie für
jeden anderen Volljährigen - durch das Betreuungsgericht ein
Betreuer zu bestellen. Der Betroffene wird - so möglich - in
dem langwierigen Verfahren persönlich vom Gericht angehört und von einem Sachverständigen begutachtet. Der Einfluss des Betroffenen darauf, welche Person zum Betreuer
bestellt wird, ist in diesem Verfahren beschränkt. Das Betreuungsgericht muss zudem auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht nehmen, was etwa der Lösung, einen (mit
dem Unternehmen wenigstens vertrauten) Mitgesellschafter
zum Betreuer zu bestellen, entgegenstehen kann. Der
Betreuer muss zwar „geeignet“ sein, doch lässt sich hieraus
nicht ohne weiteres schließen, dass er das erforderliche
Know-how und die persönlichen Eigenschaften mitbringt, die
für eine erfolgreiche Fortführung des Unternehmens erforderlich sind.
Das gesetzliche Betreuungsverfahren ist für den Unternehmer ungeeignet. Es ist langwierig und es ist nicht
sichergestellt, dass ein Betreuer bestellt wird, der sich
mit dem Unternehmen auskennt! Vertrauliche Informationen über die Gesellschaft sind gefährdet.
Damit besteht die Gefahr, dass ein aus Sicht des Unternehmens nicht qualifizierter Dritter genau wie der betroffene
Gesellschafter ein Einsichts- und Auskunftsrecht erhält und
zu den Gesellschafterversammlungen zu laden ist. Damit
gelangen vertrauliche Informationen an den Dritten. Zudem
stehen im Falle einer Betreuung zahlreiche wesentliche
unternehmerische Entscheidungen in Form von Gesellschafterbeschlüssen unter dem Vorbehalt einer Genehmigung
durch das Betreuungsgericht. An rasche unternehmerisch
notwendige Entscheidungen ist nicht zu denken. Aus alledem
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wird klar: Die Bestellung eines Betreuers sollte unbedingt
verhindert werden.
2. Kapitalgesellschaften (GmbH und AG)
Es ist ferner wichtig, Kapital- und Personenhandelsgesellschaften getrennt zu betrachten.
Der Verlust der Gesellschafterstellung ist mit der
Geschäftsunfähigkeit nicht verbunden. Kraft Gesetzes endet
lediglich die Organstellung als Geschäftsführer einer GmbH
und als Vorstand einer AG. Für die Personengesellschaften
gibt es keine entsprechenden Regelungen. Ist kein weiterer
Geschäftsführer mehr vorhanden, droht die Bestellung eines
Notgeschäftsführers. Nur für die Entgegennahme von Willenserklärungen (z.B. Kündigungen) sind auch die Gesellschafter bei Führungslosigkeit der GmbH vertretungsbefugt.
Die Notgeschäftsführung kann durch jeden beantragt werden,
der ein berechtigtes Interesse geltend macht – das können
auch Gläubiger sein.
Ist der einzige Geschäftsführer einer GmbH nicht in der
Lage, die Geschäfte zu führen, entsteht - wie oftmals
angenommen - kein gesetzliches Vertretungsrecht der
Gesellschafter oder gar seiner Familienmitglieder. Die
Gesellschaft ist führungslos und kann von niemandem
vertreten werden! Es droht die Bestellung eines – unternehmensfremden – Notgeschäftsführers.
Zur Vorsorge ist es denkbar, unter bestimmten Bedingungen
auch den Verlust der Beteiligung an der Gesellschaft vorzusehen, jedoch lässt sich auch hier die Beteiligung eines
Betreuers regelmäßig nicht vermeiden. Insbesondere ist das
komplette Ausscheiden aber oftmals nicht im Interesse des
betroffenen Unternehmers - und, da ein Ausscheiden nur
gegen Abfindung erfolgen kann, auch nicht in dem des Unternehmens. Der Unternehmer sollte daher eine bevollmächtigte
Person seiner Wahl vorsehen, die seine Rechte als Gesellschafter nach Maßgabe seiner Vorstellungen wahrnimmt.
Die übliche General-Vorsorgevollmacht ist hierzu jedoch
nicht geeignet, da sie den spezifischen handels- und gesellschaftsrechtlichen Erfordernissen nicht gerecht wird. Vielmehr solle eine gesonderte Unternehmer-Vorsorgevollmacht
als Spezialvollmacht erteilt werden, die inhaltlich mit der
General-Vorsorgevollmacht abgestimmt ist. Zudem sind die
Regelungen des Gesellschaftsvertrages hiermit in Einklang
zu bringen, denn oftmals finden sich in Gesellschaftsverträgen Klauseln, die mit der Vorsorgevollmacht kollidieren.
Bei einer GmbH ist die Bevollmächtigung zur Ausübung
des Stimmrechts im Grundsatz zulässig. Soweit ein Mitgesellschafter bevollmächtigt wird, ist auf eine Befreiung vom
Verbot des Insichgeschäfts zu achten. Insbesondere muss
aber geprüft werden, ob der Gesellschaftsvertrag bezüglich
der zu bevollmächtigenden Person Beschränkungen enthält.
Die in Gesellschaftsverträgen häufig anzutreffende Formulierung „Jeder Gesellschafter kann sich in der
Gesellschaftsversammlung durch einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Bevollmächtigten vertre-
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ten lassen“ ist schädlich, wenn z.B. die nicht zu dieser
Berufsgruppe (Rechtsanwälte, Steuerberater) gehörende Ehefrau bevollmächtigt werden soll!
3. Personengesellschaften (OHG, GbR, KG)
Bei Personengesellschaften (OHG, GbR, KG) ist die Lage
noch etwas komplizierter. Das Prinzip der Selbstorganschaft
steht der Einräumung von organähnlichen Kompetenzen an
einen Bevollmächtigten entgegen. Daher sollte bereits in den
Gesellschaftsvertrag die Zustimmung aller Gesellschafter zur
Wahrnehmung der Gesellschaftsrechte durch eine in einer
Vorsorgevollmacht vorgesehene Person aufgenommen werden.
Ferner bestehen zwischen Gesellschaftern insgesamt,
aber insbesondere bei denen einer Personengesellschaft,
besondere Schutzpflichten. Diese werden als gesellschaftsrechtliche Treuepflicht bezeichnet. Es ist im Einzelnen umstritten, ob diese durch die Vollmacht dem Bevollmächtigten aufgegeben werden oder ob er dies direkt erklären muss, um
wirksam vertreten zu können. Man sollte hier den sichersten
Weg gehen.
Der Vorsorgebevollmächtigte sollte sich bei einer Personengesellschaft schriftlich verpflichten, auch die
gesetzlich nicht niedergeschriebenen Treuepflichten
des betroffenen Gesellschafters einzuhalten!
4. Bedingung und Form
Die unternehmerische Vorsorgevollmacht ist im Außenverhältnis (d.h. im Verhältnis zu Dritten, etwa den Mitgesellschaftern) ohne Bedingung zu erteilen. Dies bedeutet auch, dass
selbst die Unfähigkeit des Bevollmächtigenden, selbst tätig
zu werden, keine Bedingung der Vollmacht werden darf –
ohne zu riskieren, dass Dritte den Eintritt dieser Bedingung
bezweifeln (es drohen langwierige Streitigkeiten, Gutachten,
etc.).
Schutzlos ist der Bevollmächtigende nicht. Im Innenverhältnis kann der Unternehmer dann Handlungsanweisungen
geben, etwa ob im Falle seiner Geschäftsunfähigkeit die Fortführung, die Liquidation, ein Verkauf des Unternehmens oder
ein Wechsel der Rechtsform vorzugswürdig ist, wobei der
Bevollmächtigte nicht zu weit eingeschränkt werden sollte.
Der Missbrauchsgefahr einer Vorsorgevollmacht lässt
sich wirksam begegnen, indem mehrere einzelvertretungsberechtigte Bevollmächtigte eingesetzt werden, die sich im
Rahmen separater Handlungsanweisungen gegenseitig kontrollieren – gleichwohl, auch das hat eine Kehrseite, etwa
wenn sich bei zwei Bevollmächtigten kein Konsens über das
richtige Vorgehen herausbildet. Hiermit begegnet man jedoch
gleichzeitig der Gefahr, dass trotz unternehmerischer Vorsorgevollmacht noch ein Gegenbetreuer oder ein Betreuer zur
Überwachung des Bevollmächtigten bestellt wird.
Eine Unternehmervollmacht sollte notariell beurkundet
werden – das reduziert das Risiko, dass es später Streit
darüber gibt, ob der Vollmachtgeber bei Abgabe noch
geschäftsfähig war oder nicht.
Hinsichtlich der Form gilt: Die notarielle Beurkundung ist das
Mittel der Wahl. Sie sichert zum einen, dass mit der Vollmacht
auch Grundstücksgeschäfte betrieben werden können, zum
anderen beinhaltet nur die beurkundete Vollmacht die Vermutung, dass der Vollmachtgeber zum Zeitpunkt der Erteilung
noch geschäftsfähig war.
Fazit
Der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit eines Gesellschafters
oder des einzigen Geschäftsführers birgt für ein Unternehmen nicht zu unterschätzende Risiken. Diese reichen von der
zeitweisen Handlungsunfähigkeit, der Abhängigkeit von einer
unternehmerisch unqualifizierten dritten Person bis zum
Bekanntwerden von vertraulichen Informationen. Durch eine
auf den Einzelfall angepasste Vorsorgevollmacht unter
Beachtung der gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen
lassen sich diese Risiken kontrollieren.
Dr. Nils Wigginghaus, BRANDI Rechtsanwälte
[email protected]
Der Ehevertrag und das Testament
des Unternehmers
1. Ehevertrag
Steht die Hochzeit bevor, muss der Unternehmer (oder die
Unternehmerin) an vieles denken. Zu den weniger romantischen Dingen gehören der Abschluss eines Ehevertrages
und der damit verbundene Besuch beim Notar. Gleichwohl
sollte zum Schutz des Unternehmens oder der Gesellschaft
eines Ehegatten auch hieran gedacht werden. Kommt es
nämlich zur Scheidung und haben die Eheleute keine vertragliche Vorsorge getroffen, so wird der jeweilige Zugewinn
seit Eheschließung miteinander verglichen. Derjenige, der
einen höheren Zugewinn erzielt hat, muss diesen gegenüber
dem anderen ausgleichen. Problematisch kann das werden,
wenn das Unternehmen eines Ehegatten im Laufe einer Ehe
deutlich an Wert gewinnt und dies zu einer erheblichen Zugewinnausgleichsforderung führt. Kann diese nicht allein aus
dem Privatvermögen beglichen werden, drohen Liquiditätsbelastungen des Unternehmens. Zudem müssen mitunter
aufwändige und teure Gutachten zum Unternehmenswert
eingeholt werden.
Um dieses Ungemach zu vermeiden, sollte bei Eheschließung erwogen werden, das Unternehmen bzw. den
Gesellschaftsanteil aus dem Zugewinnausgleich für den Fall
der Scheidung (und ggf. auch für den Fall des Todes des
Unternehmers) herauszunehmen. Man spricht dann von einer
modifizierten Zugewinngemeinschaft, für die es verschiedene Gestaltungsvarianten gibt. Die früher regelmäßig vereinbarte Gütertrennung wird heute kaum noch gewählt, da
sie gegenüber der Zugewinngemeinschaft erbschaftsteuer-
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liche Nachteile mit sich bringt. Der Ehevertrag kann durch
einen Pflichtteilsverzicht des Ehegatten ergänzt werden, um
(ggf. ebenfalls liquiditätsbedrohende) Pflichtteilsansprüche
des Ehegatten zu vermeiden. Dies sollte insbesondere im
Falle einer zweiten Ehe des Unternehmers erwogen werden
(näher zum Pflichtteilsverzicht im Folgenden Abschnitt).
Häufig wird der Abschluss eines Ehevertrages bereits im
Gesellschaftsvertrag vorgeschrieben. An dessen Vorgaben
sollte sich der Gesellschafter tunlichst halten, da ihm ansonsten unangenehme Konsequenzen (bis hin zum Ausscheiden) drohen können. Dies klingt wie eine Binsenweisheit. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass junge Gesellschafter
oft überhaupt nicht wissen, was der (manchmal von der Elternoder Großelterngeneration formulierte) Gesellschaftsvertrag
regelt.
Die Herausnahme des Unternehmens aus dem Zugewinnausgleich (modifizierte Zugewinngemeinschaft)
kann Unternehmen vor existenzbedrohenden Liquiditätsbelastungen schützen. Vor Eheschließung sollte
geprüft werden, ob ein Gesellschaftsvertrag zum
Abschluss eines (bestimmten) Ehevertrages verpflichtet. Der Ehevertrag bedarf der notariellen Beurkundung.
2. Unternehmertestament
Die wichtigste Empfehlung hierzu lautet vorab, dass ein
Unternehmer (unabhängig vom Alter) im Interesse seines
Unternehmens und seiner Familie ein Testament errichten
und sich nicht auf die gesetzliche Erbfolge verlassen sollte.
Jedenfalls bei minderjährigen Kindern ist die gesetzliche Erbfolge denkbar ungeeignet, wenn ein Unternehmen oder eine
Gesellschaftsbeteiligung in den Nachlass fällt. Denn wichtige
Entscheidungen können mitunter nur mit Hilfe eines gerichtlich zu bestellenden Ergänzungspflegers und Genehmigung
des Familiengerichts getroffen werden. Das kann ein Unternehmen lähmen. Die Frage ist also nicht das Ob, wohl aber
das Wie eines Unternehmertestaments. Hierbei ist vor allem
Folgendes zu berücksichtigen und zu überlegen:
-- Welche Vorgaben an die Testamentsgestaltung folgen aus
einem Gesellschaftsvertrag?
-- Wer soll Unternehmensnachfolger werden?
-- Wie kann das Unternehmen vor hohen Liquiditätsbelastungen im Erbfall geschützt werden?
a) Vorgaben des Gesellschaftsvertrages
Genau wie vor dem Abschluss eines Ehevertrages muss
auch vor der Testamentserrichtung der erste Blick in den
Gesellschaftsvertrag gehen. Ist der Unternehmer Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), so
wird, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes regelt,
die Gesellschaft infolge seines Todes aufgelöst; seine Erben
werden an einem etwaigen Liquidationsüberschuss beteiligt.
Der Tod des persönlich haftenden Gesellschafters einer
offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder einer Kommanditgesellschaft (auch einer GmbH & Co. KG) führt, wenn der
Gesellschaftsvertrag nichts anderes regelt, zu seinem Aus-
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scheiden aus der Gesellschaft. Seine Erben haben dann
einen Abfindungsanspruch. Nur beim Tod des Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft (auch einer GmbH & Co.
KG) geht sein Gesellschaftsanteil nach dem Gesetz automatisch auf seine Erben über.
Ist der Unternehmer Gesellschafter einer GbR oder persönlich haftender Gesellschafter einer OHG oder Kommanditgesellschaft oder GmbH & Co. KG, kann er seine Rechtsnachfolge in diesen Gesellschaften also nur regeln, wenn der
Gesellschaftsvertrag dies zulässt. Anders ist die Rechtslage,
wenn der Unternehmer Gesellschafter einer GmbH oder einer
Aktiengesellschaft ist. Hier sind die Gesellschaftsbeteiligungen stets vererblich. Allerdings kann der Gesellschaftsvertrag bei „falschen Erben“ die zwangsweise Einziehung
eines ererbten Anteils vorsehen. So enthalten Gesellschaftsverträge von Familien-GmbHs nicht selten Regelungen,
wonach nur Abkömmlinge Rechtsnachfolger eines Gesellschafters werden dürfen. Wird dies bei der Testamentsgestaltung übersehen und erbt in einem solchen Fall der Ehegatte, kann er – nach näherer Ausgestaltung durch den
Gesellschaftsvertrag – aus der Gesellschaft ausgeschlossen
werden. Genau wie vor der Eheschließung ist daher auch vor
der Testamentserrichtung zwingend der Gesellschaftsvertrag zu studieren. Ist die gewünschte Erbfolge nicht in Übereinstimmung mit dem Gesellschaftsvertrag zu bringen, sollte
dessen Änderung angestrebt werden.
Vor Testamentserrichtung muss geprüft werden,
welche Vorgaben der Gesellschaftsvertrag macht.
b) Wahl des Unternehmensnachfolgers
Grundsätzlich empfiehlt es sich, geeignete Unternehmensnachfolger schon zu Lebzeiten am Unternehmen und dessen
Führung zu beteiligen. Ist das noch nicht oder nicht vollständig erfolgt, sollte das Testament klare Regelungen enthalten,
wer die Rechtsnachfolge des Unternehmers antritt bzw. in
dessen Gesellschafterstellung folgt. Soll dieses Recht z. B.
einem Kind oder mehreren Kindern zustehen? Kann der
Unternehmer die Entscheidung im Testament nicht selbst
treffen - etwa wegen des jungen Alters der eigenen Kinder –
kann er einen Dritten (Testamentsvollstrecker) zu einem späteren Zeitpunkt hierüber entscheiden lassen, muss ihm
jedoch vorgeben, nach welchen Kriterien er vorzugehen hat.
Das Testament sollte klare Regelungen zur Unternehmensnachfolge vorsehen. Ggf. kann ein Testamentsvollstrecker nach eindeutigen Vorgaben des Unternehmers den Nachfolger auswählen.
c) Liquiditätserhaltung
Eine Gefahr für das Unternehmen stellen insbesondere
Pflichtteilsansprüche der gesetzlichen Erben (in erster Linie
Ehegatte und Kinder) dar. Grundsätzlich sind Pflichtteilsansprüche sofort fällig, was gerade dann, wenn der Nachlass im
Wesentlichen aus einem Unternehmen besteht, zu erheblichen Liquiditätsproblemen führen kann. Zudem entsteht
häufig Streit über den Wert eines Unternehmens, was eine
aufwändige und teure Begutachtung nach sich zieht.
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Diese Schwierigkeiten können durch einen lebzeitigen
Pflichtteilsverzicht, der notarieller Beurkundung bedarf, vermieden werden. Der Pflichtteilsverzicht kann darauf
beschränkt werden, dass der Unternehmenswert bei der
Pflichtteilsberechnung außen vor bleibt (gegenständlich
beschränkter Pflichtteilsverzicht). Allerdings wird der wirtschaftlich denkende Pflichtteilsberechtigte einen Pflichtteilsverzicht nur gegen eine Gegenleistung abgeben.
Pflichtteilsverzichte mindern das Risiko einer hohen
Liquiditätsbelastung durch Pflichtteilsansprüche.
Ein weiteres Risiko stellen Erbschaftsteuerbelastungen dar.
Bei großen Vermögen kann die Möglichkeit genutzt werden,
alle zehn Jahre die erbschaft- und schenkungsteuerlichen
Freibeträge (jedes Kind 400.000 €, Ehegatten 500.000 €)
auszunutzen. Das beliebte Berliner Testament (der erstversterbende Ehegatte wird allein vom überlebenden Ehegatten
beerbt, dieser dann von den Kindern) kann sich bei hohen
Vermögen als Steuerfalle herausstellen, weil Freibeträge
„verschenkt“ werden. Hier sollte bei der Testamentsgestaltung erwogen werden, die Kinder schon beim ersten Erbfall
mit zu bedenken.
Lebzeitige Schenkungen mindern die spätere Erbschaftsteuerbelastung. Das Berliner Testament kann
eine Erbschaftsteuerfalle darstellen.
einen einheitlichen Erbschein für die gesamte EU statt der
bislang geltenden nationalen Regelungen.
Die Umsetzung der EU-Erbrechtsverordnung führt zu
zahlreichen ungeklärten Fragen - z.B. was ist der gewöhnliche Aufenthaltsort; wie wirkt sich bei einem deutschen
Staatsbürger das deutsche Ehegüterrecht auf die Erbfolge
aus, wenn er bewusst oder unbewusst durch den Wechsel
des gewöhnlichen Aufenthaltsortes einer anderen Erbrechtsordnung unterliegt; welches Recht gilt, wenn jemand mit
einem „alten“ Testament aus der Zeit vor dem 17.08.2015 vor
oder nach diesem Stichtag seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort – möglicherweise mehrfach – in einen anderen Staat verlegt und anschließend stirbt; wie wirkt sich die zugelassene
Rechtswahl für das anwendbare Erbrecht auf das Erbscheinsverfahren aus, wenn nach der EU-Erbrechtsverordnung das
Gericht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsortes zuständig
ist und deswegen aus seiner Sicht ausländisches Recht
anwenden muss … Wie die Beispiele zeigen, gibt es demnächst neue Probleme im Erbfall für die Staatsbürger, bei
denen jetzt oder später ein ausländischer Wohnsitz und damit
verbunden ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltsortes
denkbar ist. Ein Teil dieser neuen Probleme werden in den
erbrechtlichen Darstellungen in diesem Heft behandelt, um
schon jetzt diejenigen Leser auf sie aufmerksam zu machen,
für die die Neuerungen von Bedeutung sein oder werden
können.
Dr. Josef Heimann, LL.M., BRANDI Rechtsanwälte
Dr. Jürgen Löbbe, BRANDI Rechtsanwälte
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Die EU-Erbrechtsverordnung - Überblick
Auswirkung der EU-Erbrechtsverordnung auf das
Ehegüterrecht
Im laufenden Jahr, genau ab dem 17.08.2015, gelten neue
Regelungen im internationalen Erbrecht. Die bereits seit dem
16.08.2012 in Kraft getretene EU-Erbrechtsverordnung
(EU-ErbVO) ist auf alle Erbfälle anwendbar, die ab dem
17.08.2015 eintreten. Sie hat mangels entsprechender Anwendungsfälle in der Vergangenheit, nur bei vorsorgenden Maßnahmen, z.B. bei Testament- und Erbverträgen Auswirkungen
gehabt. Nunmehr werden ab dem 17.08.2015 bei EU-Bürgern
eintretende Erbfälle (ausgenommen Dänemark, Irland und
das Vereinigte Königreich) - nach Maßgabe dieser Verfahrensvorschriften abzuwickeln sein.
Ziel dieser Regelung ist es, in grenzüberschreitenden
Sachverhalten für einheitliche Regeln zu sorgen und damit
die Rechtssicherheit zu erhöhen. Dabei ergeben sich auch
für das deutsche Erbrecht, dessen Grundsätze im Wesentlichen mit Inkrafttreten des BGB seit dem Jahr 1900 gelten,
nicht unerhebliche Auswirkungen, die zu erheblichen Komplikationen führen können. Einige davon sollen hier angesprochen werden.
Beispielsweise wird bei Erbfällen ab dem 17.08.2015 nicht
mehr für das anzuwendende Recht an die Staatsbürgerschaft
angeknüpft, sondern vielmehr an den gewöhnlichen Aufenthaltsort. Das deutsche Ehegüterrecht hat auch für das
Erbrecht Bedeutung, was in ausländischen Rechtsordnungen
in der Regel nicht der Fall ist. Schließlich gibt es bei Bedarf
Welche Auswirkung hat die EU-Erbrechtsverordnung (EUErbVO) auf das Ehegüterrecht? Um diese (wichtige) Frage zu
beantworten, muss zunächst herausgestellt werden, dass
nicht nur das „Erbrecht“ Auswirkungen auf die Vermögensverteilung nach dem Tod eines Erblassers hat, sondern auch
in wesentlichem Umfang das Ehegüterrecht. Einschlägiges
Stichwort ist der sog. „Zugewinnausgleich im Todesfall“. So
wird etwa im Fall des im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden Erblassers nach dessen Tod der
Ausgleich des Zugewinns durch Erhöhung des gesetzlichen
Erbteils um ¼ der Erbschaft verwirklicht, wobei unerheblich
ist, ob überhaupt ein Zugewinn erzielt worden ist, vgl. § 1371
Abs. 1 BGB. Es handelt sich hierbei um einen sehr praxisrelevanten Fall. Ca. 95 % aller deutschen Ehen bestehen im
gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Hinzu
kommt, dass nur etwa 20 % der Deutschen ein Testament
oder einen Erbvertrag hinterlassen. Damit steht fest, dass
das Ehegüterrecht immense Bedeutung für die erbbedingte
Vermögensverteilung hat, da durch dieses sog. Erbteile/Erbquoten beeinflusst werden.
Damit sind wir bei der Frage, wie die EU-ErbVO für internationale Erbfälle mit diesem Problemkreis umgeht. Binationale Ehen nehmen rasant zu. Immerhin sollen ca. 12,3 Millionen Europäer in einem anderen EU-Staat als ihrem
Heimatland leben. Jährlich soll es zudem EU-weit zu etwa
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450.000 internationalen Erbfällen mit mehr als 120 Mrd. €
Nachlassvolumen kommen.
Die EU-ErbVO gilt für alle Erbfälle ab dem 17.08.2015.
Die EU-ErbVO schafft ein einheitliches, EU-weit geltendes
internationales Erbrecht (Kollisionsrecht). Anhand dieser
Rechtsvorschriften bestimmt sich zukünftig, welches Recht
eines EU-Mitgliedstaates im Erbfall anzuwenden ist. Bislang
ist diese „Vorfrage“ der Erbrechtsanwendung anhand der
Bestimmungen des Internationalen Privatrechts jedes einzelnen Mitgliedstaats geklärt worden. In Deutschland gelten für
das Erbrecht insbesondere Artikel 25, 26 EGBGB, wonach
für das anzuwendende Recht die Staatsangehörigkeit maßgeblich ist. Die EU-ErbVO knüpft nunmehr grundsätzlich an
das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers an. Wesentliche Bereiche, die - wie oben beschrieben nach dem deutschen Recht das Erbrecht bzw. die Erbquote
mitbestimmen, sind indes vom Anwendungsbereich der EUErbVO ausgenommen. Das gilt insbesondere für das Ehegüterrecht (Artikel 1 Abs. 2d EU-ErbVO). Diese Ausnahme vom
Anwendungsbereich wirft verschiedene, schwierige Abgrenzungsfragen auf, die durch die EU-ErbVO nicht gelöst werden. Es ist zwar in der Diskussion, ähnlich der EU-ErbVO,
eine sog. EU-Güterrechtsverordnung zu schaffen. Bis über
das Vorschlagstadium ist dieser Versuch allerdings bislang
noch nicht hinaus gekommen.
Auf den typischen deutschen Erbfall eines im gesetzlichen Güterstand verheirateten Erblassers ohne Testament
oder Erbvertrag hat das Ehegüterrecht erheblichen Einfluss.
Es kommt zu der beschriebenen Erhöhung des gesetzlichen
Erbteils des überlebenden Ehegatten um ¼. Allerdings wird
um die genaue Anwendung dieser Vorschrift bei internationalen Erbfällen lebhaft gestritten. Bei der Anwendung des
§ 1371 BGB kann es vor allem dann zu beachtlichen Ungerechtigkeiten kommen, wenn das ausländische Erbrecht den
pauschalen Zugewinnausgleich durch Erbteilserhöhung nicht
kennt.
Es stellt sich die Frage, wie mit dieser gesetzlichen Regelung in einem Fall umzugehen ist, auf den die EU-ErbVO
Anwendung findet. Diese Frage scheint bislang nicht abschließend gelöst zu sein. Grundsätzlich weiter richtig dürfte indes
- wie bisher - im Rahmen einer Vorfrage zu klären sein, nach
welchem Recht sich das eheliche Güterrecht beurteilt, insbesondere ob - bei Anwendbarkeit deutschen Rechts - § 1371
BGB einschlägig ist. Allerdings ist auch der EU-Gesetzgeber
- wie sollte es auch anders sein – nicht völlig konsequent. In
dem Erwägungsgrund 12 der Verordnung heißt es, dass die
Verordnung zwar nicht für Fragen des ehelichen Güterrechts
gelten solle, die Behörden, die mit einer bestimmten Erbsache nach der EU-ErbVO befasst seien, sollten allerdings
„je nach den Umständen des Einzelfalls die Beendigung des
ehelichen oder sonstigen Güterstands des Erblassers bei der
Bestimmung des Nachlasses unter den jeweiligen Berechtigten berücksichtigen“. Was der EU-Gesetzgeber damit zum
Ausdruck bringen wollte, scheint noch nicht ganz geklärt zu
sein. In der einschlägigen fachwissenschaftlichen Literatur
ist jedenfalls der Hinweis darauf enthalten, damit könne möglicherweise gemeint sein, dass die Bestimmung der Erbteile
im konkreten Fall von der Beantwortung der erwähnten güterrechtlichen Vorfrage abhängig sein kann.
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Insoweit gilt es, die weitere Rechtsentwicklung abzuwarten. Für den hier in Rede stehenden Bereich des Ehegüterrechts ist zu konstatieren, dass die EU-ErbVO diesen wichtigen Baustein innerhalb der deutschen Erbrechtsnachfolge
(§ 1371 BGB) nicht berührt bzw. verändert. Abhilfe könnte für
die Betroffenen (wenngleich nur in begrenztem Umfang und
nicht in allen Fällen) eine Koordinierung von Erb- und Güterrechtsstatut durch ehegüterrechtliche Rechtswahl schaffen,
die notarieller Beurkundung bedarf.
Dr. Jörg Niggemeyer, BRANDI Rechtsanwälte
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Das europäische Nachlasszeugnis
Mit Geltung der europäischen Erbrechtsverordnung (EUErbVO) ab dem 17.08.2015 wird auch das europäische Nachlasszeugnis (ENZ) eingeführt. Es gilt in allen 27 Mitgliedstaaten der EU als Erbnachweis. Dieser Ausweis wird
EU-weit anerkannt. Anders als Deutschland, kennen viele
Mitgliedstaaten bisher keinen Erbschein, der von einem
Gericht ausgestellt und mit öffentlichem Glauben ausgestattet ist. Nach alter Rechtslage werden ausländische Erbscheine in Deutschland nicht anerkannt. Das gilt auch für den
deutschen Erbschein im Ausland. Das ENZ tritt aber nicht an
die Stelle der innerstaatlichen Zeugnisse und ersetzt deswegen in Deutschland nicht den Erbschein. Es besteht vielmehr
neben ihm.
Das ENZ soll die Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle erleichtern und wird deswegen für solche Erbfälle ausgestellt. Bei reinen Inlandsfällen kann es nicht erteilt werden.
Insoweit gilt also weiterhin der bundesdeutsche Erbschein.
Im Bedarfsfall können beide Zeugnisse auch nebeneinander
beantragt und erteilt werden.
Für die Ausstellung des ENZ ist das Amtsgericht als
Nachlassgericht zuständig. Antragsberechtigt sind insbesondere die Erben. Die EU-ErbVO gibt dezidiert und akribisch
vor, welche genauen Angaben der Antrag enthalten muss.
Ebenso müssen entsprechende Nachweise vorgelegt werden. Die EU-ErbVO lässt weitestgehend nationales Recht
über den Lauf des Verfahrens entscheiden. Nach deutschem
Recht hat das Nachlassgericht von Amts wegen zu ermitteln
und die erforderlichen Tatsachen festzustellen. Deshalb wird
der Erteilung des ENZ eine Prüfung vorausgehen, die der
Prüfung bei der Erteilung des bekannten Erbscheins entspricht.
Die Verordnung beschreibt detailliert den Inhalt des ENZ.
Dieser geht über den eines deutschen Erbscheins weit hinaus.
Das ENZ ist zwar dem Erbschein nachgebildet, enthält aber
auch das Testamentsvollstreckerzeugnis, wenn der Erblasser
die Testamentsvollstreckung angeordnet hat. Es vereinigt
beide Bereiche und ermöglicht so sowohl dem Erben wie
auch dem Testamentsvollstrecker (und Nachlassverwalter)
den Nachweis seiner Befugnisse innerhalb der Mitgliedstaaten.
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Juni 2015
Ein Unterschied zum deutschen Erbschein besteht darin,
dass dem Antragsteller keine Urschrift oder Ausfertigung des
Nachlasszeugnisses ausgehändigt wird, sondern stets eine
beglaubigte Abschrift. Die Urschrift wird bei der Ausstellungsbehörde verwahrt und nicht ausgehändigt. Die erteilten
beglaubigten Abschriften sind zudem nur für einen begrenzten
Zeitraum gültig. Sie gelten 6 Monate. Nach dem Ablaufdatum
verliert die beglaubigte Abschrift ihre Gültigkeit. Das Datum
ist in der beglaubigten Abschrift anzugeben. Nach Ablauf der
Frist muss bei Bedarf die Verlängerung der Frist oder eine
neue beglaubigte Abschrift verlangt werden, was jederzeit
möglich ist. Die Verordnung bestimmt auch, dass die Ausstellungsbehörde ein Verzeichnis über die Personen zu führen hat, denen beglaubigte Abschriften ausgestellt wurden.
Der vorgesehene Gutglaubensschutz wird jeweils an die
noch gültige beglaubigte Abschrift geknüpft.
Das ENZ entfaltet seine Wirkungen in allen Mitgliedstaaten, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf.
Die Wirkungen orientieren sich am Vorbild der Wirkungen
des deutschen Erbscheins. Es wird vermutet, dass den
genannten Personen tatsächlich die ihnen im ENZ zugeschriebenen Rechte und Befugnisse zustehen und dass
diese Befugnisse und Rechte nur den aufgeführten Beschränkungen unterliegen.
Das jedenfalls von einem deutschen Nachlassgericht
ausgestellte ENZ kann beispielsweise auch dem Grundbuchamt für die Eigentumsumschreibung vorgelegt werden, weil
es eine öffentliche Urkunde darstellt. Gleiches gilt für die Eintragung im (deutschen) Handelsregister.
Der der EU-ErbVO zugrunde liegende Gedanke der
Rechtsvereinheitlichung innerhalb der Mitgliedstaaten kommt
auch beim ENZ zur Geltung. Zwar führt die EU-ErbVO nicht
zu einer EU-weiten Vereinheitlichung des Erbrechts. Es soll
aber die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung und
Durchsetzung erbrechtlicher Positionen vereinheitlicht werden, so dass es im Ergebnis keine Rolle mehr spielt, welches
staatliche Gericht mit dem Erbfall befasst ist. Das Nachlasszeugnis trifft immer die gleiche Aussage, egal welches Gericht
das Zeugnis ausgestellt hat.
Die Verwendung des ENZ ist allerdings nicht verpflichtend. Es kann also in den Mitgliedstaaten der EU weiterhin
aufgrund nationaler Nachfolgezeugnisse oder öffentlich beurkundeter Testamente vorgegangen werden, soweit diese solche Urkunden bisher auch zugelassen haben.
Franz Pieper, BRANDI Rechtsanwälte
[email protected]
Welches Erbrecht ist in Erbfällen ab dem
17.08.2015 anzuwenden?
Noch richtet sich die Erbfolge bei einem deutschen Staatsbürger nach deutschem Recht. Das ändert sich demnächst
grundlegend. Nach Art. 21 Abs. 1 der EU-ErbVO unterliegt
die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht
des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes
seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Mit jedem Wechsel
des gewöhnlichen Aufenthaltes ändert sich damit für die
Staatsbürger, die der EU-ErbVO unterliegen, das anzuwendende Erbrecht, d.h. mehrmals im Laufe seines Lebens.
In Erbfällen ab dem 17.08.2015 können Streitigkeiten über
die Frage auftreten, welches Erbrecht anzuwenden ist. Die
Verordnung hat nämlich bewusst nicht definiert, was unter
dem Begriff „gewöhnlicher Aufenthaltsort des Erblassers“ zu
verstehen ist. Eine solche Definition schaffe mehr Probleme
als keine. Bei einer starren Definition könnten Sonderfälle
und künftige Entwicklungen ohne Änderung der Verordnung
nicht berücksichtigt werden. Einen Sonderfall regelt Art. 21
Abs. 2 EU-ErbVO: Ausnahmsweise soll das Recht des anderen Staates, zu dem eine engere Verbindung bestehe, anzuwenden sein, wenn sich aus der Gesamtheit aller Umstände
ergebe, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine
offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem
Staat hatte, dessen Recht normalerweise anzuwenden wäre.
Für den einzelnen Betroffenen führt diese bewusst offene
Regelung jedoch dazu, dass er ohne erbrechtliche Vorkehrungen zu seinen Lebzeiten nicht sicher sein kann, ob sein
letzter Wille, der zum Beispiel auf deutschem Recht beruht,
später auch umgesetzt werden kann. Solche Probleme entstehen dann, wenn der Erblasser nach Errichtung eines
Testamentes in ein anderes Land verzieht. Ohne flankierende
Maßnahmen wechselt mit dem Umzug das Erbrecht. Was
passiert jetzt mit dem bereits dokumentierten letzte Willen?
Gilt er weiter, weil er auch mit dem neuen Recht vereinbar ist?
Oder ist er nur durch den Umzug unwirksam geworden, weil
er nicht mehr mit dem neuen Erbrecht übereinstimmt? Wie ist
die Anpassung vorzunehmen?
Diese Fragen beantwortet Art. 22 EU-ErbVO. Danach
kann der Erblasser zu Lebzeiten für die Rechtsnachfolge von
Todes eine Rechtswahl treffen. Er kann bestimmen, dass
unabhängig von seinem gewöhnlichen Aufenthalt für die
Rechtsnachfolge nach seinem Tode das Recht des Staates
gelten soll, dem er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt seines Todes angehört, Art. 22 Abs. 1 S. 1 EU-ErbVO.
Ein Erblasser mit mehreren Staatsangehörigkeiten kann das
Recht eines der Staaten wählen, dem er zum Zeitpunkt der
Rechtswahl oder zum Zeitpunkt seines Todes angehört, Art.
22 Abs. 1 S. 2 EU-ErbVO.
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Nicht eindeutig geregelt ist jedoch, welches Recht
anwendbar ist, wenn ein Erblasser vor dem 17.08.2015 ein
Testament errichtet hat und nach diesem Zeitpunkt seinen
gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem Staat hat, dessen
Staatsangehörigkeit er nicht besitzt. Grundsätzlich gilt nach
Art. 24 EU-ErbVO das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes,
wenn keine Rechtswahl getroffen worden ist. Das Schrifttum
meint jedoch, auch ohne ausdrückliche Regelung sei in diesen Fällen eine Rechtwahl zu Gunsten des Staates anzunehmen, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser bei Testamentserrichtung hatte. Ob dies jedoch später von den
Gerichten genauso gesehen wird oder wie in Einzelfällen bei
Streitigkeiten über diese Frage zu entscheiden ist, kann heute
nicht sicher vorhergesagt werden. Das Gericht muss die
Erklärungen des Verstorbenen auslegen, kann ihn aber nicht
mehr fragen. Auslegung ist immer schlecht, weil es bei ihr
einfach formuliert, auf die Ansicht des letzten Entscheiders
nach Aktenlage ankommt. Deswegen sollte derjenige, für
den diese Frage relevant werden könnte oder schon jetzt
relevant geworden ist, eine eindeutige Regelung treffen. Sie
ist anschließend formgerecht und wirksam für die Zukunft
niederzulegen. Es empfiehlt sich also eine Ergänzung der
letztwilligen Verfügung mit einer eindeutigen Rechtswahl
oder der Erklärung, dass keine Rechtswahl gewünscht wird.
Eine Rechtswahl ist jedoch nicht formlos zulässig. Nach
Art. 22 Abs. Abs. 2 EU-ErbVO muss die Rechtswahl in der
Form einer letztwilligen Verfügung erfolgen oder sich aus
den Bestimmungen einer solchen letztwilligen Verfügung
ergeben.
Die Verordnung regelt auch, nach welchem Erbrecht die
Rechtswahl sowie ihre Änderung oder ihr Widerruf vorzunehmen ist, damit sie auch nach dem Tod wirksam werden kann.
Ob eine Rechtswahl wirksam ist oder nicht, richtet sich nach
dem gewählten Recht und muss den Formvorschriften dieses
Rechts entsprechen, Art. 22 Abs. 3 und 4 EU-ErbVO. Nach
deutschem Recht ist sie z.B. in einem Testament oder Erbvertrag zu regeln.
Für die Praxis bedeutet dies, dass sich ab dem 17.08.2015
die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen entweder
nach dem Recht des Staates richtet, in dem der Erblasser
seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes
hatte, oder bei wirksamer Rechtswahl nach dem Recht des
Staates, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser im Zeitpunkt der Rechtswahl oder seines Todes hat, Art. 23 EUErbVO.
Dr. Gert Müller-Baumgarten, BRANDI Rechtsanwälte
[email protected]
Juni 2015
Internationale Unternehmensnachfolge
Unternehmensnachfolgen haben zunehmend Berührung mit
dem Ausland. So kann ein Teil des zu übertragenden Vermögens im Ausland belegen sein. Die Unternehmensnachfolgerin kann im Ausland ihren Wohnsitz haben oder mit einem
Ausländer verheiratet sein. Das Gleiche kann für den Unternehmer gelten. All diese internationalen Aspekte führen zu
besonderen rechtlichen und steuerlichen Aspekten, die bei
der Nachfolgegestaltung berücksichtigt werden müssen. Eine
ausführliche Darstellung aller bei internationalen Gestaltungen zu beachtenden Gesichtspunkten würde den Rahmen
sprengen. Deshalb soll anhand eines Beispiels aus der Praxis verdeutlicht werden, worauf zu achten ist:
Die Eheleute A und B sind deutsche Staatsangehörige und schon immer in Deutschland wohnhaft.
Sie sind zu je ½ Alleingesellschafter der M-GmbH mit
Sitz in Deutschland und halten die Anteile im Privatvermögen.
Die M-GmbH ist ein sehr erfolgreiches und stark
wachsendes Unternehmen mit etwa 200 Mitarbeitern
und erheblichen stillen Reserven. Sie hat eine Tochterkapitalgesellschaft in Frankreich mit 20 Mitarbeitern. Es ist beabsichtigt, in den nächsten 2 Jahren 100
% der Geschäftsanteile einer chinesischen Kapitalgesellschaft mit 30 Mitarbeitern zu erwerben.
A und B haben zwei Söhne – X und Y. Die Eltern
sowie die Söhne sind deutsche Staatsangehörige.
Sohn X hat seinen Wohnsitz in Deutschland und ist
mit einer deutschen Ehefrau verheiratet. Sie haben 2
gemeinsame Kinder. Y wohnt seit einigen Jahren in
Florida, USA und ist dort mit einer Brasilianerin glücklich verheiratet. Sie haben ebenfalls 2 Kinder.
Der Gesellschaftsvertrag der M-GmbH enthält
eine Güterstandsklausel, nach der die Gesellschafter
einen Ehevertrag abschließen müssen, nach dem
entweder Gütertrennung vereinbart wird oder, dass
die Gesellschaftsanteile nicht in den Zugewinn fallen
sollen (sog. modifizierte Zugewinngemeinschaft).
Darüber hinaus sind nach dem Gesellschaftsvertrag
nur Abkömmlinge von Gesellschaftern nachfolgeberechtigt und die Gesellschafter verpflichtet, entsprechende letztwillige Verfügungen zu treffen.
Die Eltern A und B möchten nun ihre Anteile
unentgeltlich auf die beiden Söhne zu je ½ übertragen. Die Söhne möchten die Regelungen im Gesellschaftsvertrag über den Güterstand und die
Nachfolgeberechtigung beibehalten.
1. Schenkungsteuer
Für die unentgeltliche Übertragung kann grundsätzlich die
steuerliche Privilegierung gem. §§ 13a, 13b ErbStG in
Anspruch genommen werden. Zur Frage der Verfassungswidrigkeit dieser Regelung und deren Folgen wird an anderer
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Juni 2015
Stelle in diesem Newsletter eingegangen. Da in der Zukunft
die Regelungen im Schenkungsteuerrecht nicht besser, sondern eher schlechter werden, sollten Übertragungen noch vor
dem Inkrafttreten einer Neuregelung mit einer Rückforderungsklausel vorgenommen werden.
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Das eigentliche Problem der Schenkung von Anteilen an
nicht in der EU oder dem EWR ansässige Personen ist also
nicht die Schenkung-, sondern die Einkommensteuer.
Will man Kapitalgesellschaftsanteile an eine nicht in der
EU oder dem EWR wohnhafte Person übertragen und die
Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG vermeiden, scheidet
eine unmittelbare Übertragung der Anteile an diese Person
aus. Es kommen etwa folgende Gestaltungsvarianten in
Betracht, die im Einzelfall allerdings sorgfältig geprüft werden
müssen:
Bekanntlich ist ein wesentliches Element für die schenkungsteuerliche Privilegierung bei der Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen, dass die Lohnsumme innerhalb von
5 Jahren 400 % bzw. innerhalb von 7 Jahren 700 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (§ 13a Abs. 1 S. 2, §
13a Abs. 8 Nr. 1 ErbstG). Bei der Ermittlung der Lohnsumme
werden auch die Mitarbeiter in von der M-GmbH gehaltenen -- Zum einen können die Kapitalgesellschaftsanteile an eine
Familienstiftung unentgeltlich übertragen werden, für die
Beteiligungen an Kapitalgesellschaften berücksichtigt, wenn
die schenkungsteuerliche Privilegierung gem. §§ 13a, 13b
die M-GmbH daran mehr als 25 % hält (§ 13a Abs. 4 S. 5
ErbStG ebenfalls gilt. Begünstigter der Familienstiftung
ErbStG). Auch die Mitarbeiter von ausländischen Beteilikann Y und seine Familie sein. Da die Familienstiftung
gungen werden bei der Ermittlung der Lohnsumme mitgezählt,
keine Gesellschafter hat, kommt es allein auf deren Sitz an.
allerdings nur dann, wenn die ausländische Gesellschaft
Es ist deshalb darauf zu achten, dass dieser in Deutschland
ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat
ist. Insbesondere der Sitz der Geschäftsleitung darf nicht in
der EU oder in einem Staat des EWR hat (§ 13a Abs. 4 S. 5
den USA liegen, so dass diese durch einen Inländer zu
ErbStG). Damit würde die französische Tochtergesellschaft,
besetzten ist.
nicht aber der Erwerb der Beteiligung in China die Lohnsumme erhöhen.
-- Zum anderen könnten die Kapitalgesellschaftsanteile in ein
inländisches Betriebsvermögen z.B. einer GmbH & Co. KG
Hinsichtlich der französischen Tochtergesellschaft treffen
eingelegt und anschließend die Anteile an der GmbH & Co.
Eltern und Kinder erhöhte Nachweispflichten für das VorlieKG übertragen werden. Mit der Übertragung in ein Betriebsgen der Voraussetzungen der schenkungssteuerlichen
vermögen handelt es sich nicht mehr um Anteile im Sinne
Begünstigung gem. § 13a Abs. 7 ErbStG.
des § 17 EStG. Ob allerdings eine GmbH & Co. KG ausreicht, die allein die Anteile an der M-GmbH hält und anOb die Geschäftsanteile an der M-GmbH an den in den
sonsten keinen eigenen Geschäftsbetrieb unterhält, ist
USA wohnhaften Sohn unentgeltlich übertragen werden,
fraglich. Für Übertragungen vor dem 29. Juni 2013 ist § 50i
spielt für die schenkungsteuerliche Privilegierung der ÜberEStG zu beachten. Auch ist bei einer solchen Gestaltung
tragung gem. §§ 13a, 13b ErbStG keine Rolle. Auch die
an § 42 AO zu denken.
Schenkung an Steuerausländer kann begünstigt sein. Ohne
Begünstigung kann die Schenkung von einem in Deutschland
ansässigen Schenker an einen in den USA ansässigen Erwerber allerdings auch schenkungsteuerpflichtig sein (§ 2 Abs. 1 3. Güterstandsklausel
Nr. 1S. 1 ErbStG). Mit den USA besteht ein ErbschaftsteuerDoppelbesteuerungsabkommen, dass Abgrenzungsfälle Die Regelung im Gesellschaftsvertrag, dass entweder Gütertrennung zu vereinbaren ist oder, dass der Geschäftsanteil
regelt.
nicht in den Zugewinn fällt, kann Sohn X problemlos nach
deutschem Recht umsetzen. Für Sohn Y ist das allerdings
nicht so einfach, denn nach deutschem Internationalen Pri2. Einkommensteuer
vatrecht richtet sich der Güterstand im vorliegenden Fall nach
Obwohl die unentgeltliche Übertragung der Kapitalgesell- dem Recht von Florida als dem Bundesstaat der USA, in dem
schaftsanteile von den Eltern an den in Deutschland leben- die Eheleute sich gewöhnlich aufhalten (Art. 15 Abs. 1 i.V.m.
den Sohn X keine Einkommensteuer auslöst, ist das mit der Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB). Es wäre allerdings die Wahl
Übertragung der Anteile an den in den USA lebenden Sohn deutschen Rechts für den Güterstand gem. Art. 15 Abs. 2 Nr.
anders. Werden nämlich die Anteile an der M-GmbH von den 1 EGBGB möglich.
Eltern auf den in den USA lebenden Sohn Y übertragen, steht
Im Ergebnis könnten die Eheleute Y also deutsches Recht
dies gem. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Außensteuergesetz (AStG)
einem Wegzug aus Deutschland gleich und führt zu einem für ihren Güterstand wählen und danach – ebenso wie die
fiktiven Verkauf der Anteile gem. § 17 EStG, d.h. zur Besteu- Eheleute Y – die Güterstandsklausel im Gesellschaftsvertrag
erung der gesamten stillen Reserven der M-GmbH ohne dass umsetzen. Das würde aber verkennen, dass nicht gewährein Liquiditätszufluss bei den Beteiligten erfolgt. Würde Y in leistet, ja sogar unwahrscheinlich ist, dass überhaupt die
einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR leben, würde die deutschen Regelungen über das auf den Güterstand anwendSteuer gem. § 6 Abs. 5 AStG unter bestimmten Vorausset- bare Recht zum tragen kommen. Die Eheleute Y leben in den
zungen zinslos und ohne Sicherheitsleistung gestundet. Da Y USA und würden sich mit an Sicherheit grenzender Wahraber in den USA lebt, kommt eine Stundung nur unter den scheinlichkeit vor US-amerikanischen Gerichten streiten,
erschwerten Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 AStG und nur wenn es zu einer Scheidung käme. Diese Gerichte wenden
aber ihr eigenes Internationales Privatrecht an und eine nach
für höchstens 5 Jahre gegen Sicherheitsleistung in Betracht.
deutschem Recht mögliche Rechtswahl ist danach nicht unter
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denselben Voraussetzungen oder gar nicht möglich. Auch
sind die nach der Güterstandsklausel vorgesehenen Regelungen in einen Ehevertrag eingebettet, der in den Bundesstaaten der USA völlig anderen Regelungen für dessen
Zustandekommen und Inhalt folgt. So ist in einigen Bundesstaaten für die Wirksamkeit eines solchen Vertrages erforderlich, dass beide Seiten von einem Anwalt vertreten und die
Vermögensverhältnisse offengelegt werden. Eine deutsche
notarielle Urkunde stößt, weil dort nicht bekannt, auf Unverständnis und wird im Zweifel nicht durchsetzbar sein. Deshalb
ist dringend zu empfehlen, die güterrechtliche Regelung in
einem Ehevertrag nach dem Recht des Wohnsitzes der Ehegatten wirksam zu vereinbaren. Die Eheleute Y sollten deshalb einen Ehevertrag nach dem Recht des US-Bundesstaates Florida errichten. Ob daneben auch ein deutscher
Ehevertrag geschlossen werden sollte, ist im Einzelfall zu
prüfen.
4. Nachfolgeklausel, Erbrecht
Die nach dem Gesellschaftsvertrag erforderliche letztwillige
Verfügung sollte beinhalten, dass der Gesellschaftsanteil
letztlich nur einem nachfolgeberechtigten Abkömmling
zusteht. Nach deutschem Recht könnte dies etwa durch ein
Vermächtnis geschehen, was X in sein Testament aufnehmen
kann.
Die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Errichtung einer
letztwilligen Verfügung von Y richtet sich grundsätzlich nach
dem Recht von Florida (Art. 21 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1 der
Europäischen Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO)). Y könnte
insoweit aber auch deutsches Recht in seinem Testament
wählen (Art. 22 Abs. 1, Art. 24 Abs. 2 EU-ErbVO). Würde
diese Frage vor einem deutschen Gericht behandelt, würden
die Regelungen der EU-ErbVO zur Anwendung kommen.
Würde ein Rechtsstreit über diese Frage allerdings vor
den Gerichten in Florida ausgetragen, würden diese das
Internationale Privatrecht von Florida anwenden. Danach ist
eine Rechtswahl – soweit ersichtlich – im Erbrecht nicht zulässig. Darüber hinaus sind für den Inhalt und die Form von letztwilligen Verfügungen andere Voraussetzungen zu beachten
als in Deutschland. Diese sind letztlich auch dadurch begründet, dass das Erbrecht von Florida (wie insgesamt in den
USA) den Grundsatz der Universalsukzession nicht kennt,
nach dem die Erben automatisch Eigentümer des hinterlassenen Vermögens werden. Nach dem Erbrecht von Florida
entsteht nach dem Tod einer Person eine Art selbstständige
Vermögensmasse, die durch einen Executor verteilt wird. Das
Testament enthält deshalb Anweisungen an den Executor,
wie er das Vermögen zu verteilen hat und nicht – wie bei uns
– primär eine Erbeinsetzung. Y wird, weil er mit seiner Familie
in den USA lebt, darüber hinaus eine größere Affinität zur
Errichtung eines Testaments nach US-amerikanischem Recht
haben, nicht zuletzt auch deshalb, weil er noch über in den
USA belegenes Vermögen verfügen wird. Es empfiehlt sich
deshalb, neben dem US-amerikanischen auch ein deutsches
Testament zu errichten. Beide Testamente müssen allerdings
genau aufeinander abgestimmt sein.
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Juni 2015
Dies ist nur ein beispielhafter Abriss der bei der Unternehmensnachfolge mit Auslandsberührung zu beachtenden
Besonderheiten. Wie man sieht, führt schon der Wohnsitz
eines Familienmitglieds im Ausland zu nicht unerheblichem
Gestaltungsaufwand. Grenzüberschreitende Sachverhalte
sind durchaus beherrschbar. Sie bedürfen aber einer besonderen Sensibilität auch für die praktischen Themen.
Dr. Franz Tepper, LL.M., BRANDI Rechtsanwälte
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Die Familienstiftung als Instrument der
Unternehmensnachfolge
Wie die NW am 28.01.2015 berichtete, haben 3 namhafte
Unternehmer aus OWL ihre Nachfolge im Unternehmen durch
Einsetzung einer Familienstiftung geregelt. Dargestellt wurden die Fälle des früheren IHK-Präsidenten Dr. Peter von
Möller, des früheren Arbeitgeberpräsidenten Martin Kannegiesser und des Marktführers bei modischen Damenschuhen
Horst Wortmann. Die Entscheidung der 3 Unternehmer entspricht einem seit einiger Zeit zu beobachtenden Trend.
Vorangegangen waren schon vor längerer Zeit der „Schrauben-König“ Reinhold Würth und der Brillenanbieter Günther
Fielmann.
Unternehmer denken in der Regel nur dann an eine unternehmensverbundene Familienstiftung, wenn im Familienkreis
niemand bereit und/oder in der Lage ist, das Familienunternehmen in der nächsten Generation zu führen oder wenn
keine Abkömmlinge vorhanden sind. Mit der Beschränkung
auf diese Fallgruppen werden die Vorteile der Familienstiftung nicht ausgeschöpft.
Bevor wir die wichtigsten Argumente für bzw. gegen die
Einsetzung einer Familienstiftung aufführen, einige grundsätzliche Hinweise: Mit Rücksicht auf das erwünschte Fortbestehen des Unternehmens und die Nachhaltigkeit der Stiftungsgestaltung für die Unternehmensnachfolge kommen nur
rechtsfähige Stiftungen gem. §§ 80 ff. BGB in Frage. Treuhänderische bzw. nicht rechtsfähige Stiftungen sind an dieser
Stelle ungeeignet. Die rechtsfähige Stiftung besteht aus
Organisation und Vermögen. Sie hat weder Gesellschafter
noch Mitglieder; sie gehört sich gewissermaßen selbst. Die
Stiftung ist eine steuerpflichtige juristische Person, die
gemeinnützig i.S.d. §§ 51 ff. AO sein kann, es aber nicht sein
muss.
Bei den unternehmensverbundenen Stiftungen unterscheidet man zwischen Unternehmensträgerstiftungen und
Beteiligungsträgerstiftungen. Die Unternehmensträgerstiftung betreibt das Unternehmen selbst. Für die Unternehmensnachfolge ist sie mangels entsprechender Flexibilität der
Rechtsform Stiftung in der Regel nicht geeignet. Die Beteiligungsträgerstiftung ist alleinige oder Mitgesellschafterin einer
Personen- oder Kapitalgesellschaft, die ihrerseits das Unternehmen betreibt. Die Anteile werden entweder im Wege der
vorweggenommenen Erbfolge oder letztwillig auf die Stiftung
übertragen. Da das Unternehmen selbst als Personen- oder
Kapitalgesellschaft betrieben wird, bleibt die erforderliche
Flexibilität des Unternehmens grundsätzlich erhalten.
Juni 2015
Für die Nachfolgegestaltung ist die Beteiligungsträgerstiftung (Familienstiftung) interessant als Dotationsquelle für die
Familie oder für andere Personen (z.B. Mitarbeiter des Unternehmens) und als Führungsinstrument für das Unternehmen.
Dazu wird die Familienstiftung in der Regel, wenn nicht als
Alleingesellschafterin, so zumindest als Mehrheitsgesellschafterin verankert.
Von einer Familienstiftung spricht man, wenn die Stiftung
in erster Linie oder jedenfalls in ihrer wesentlichen Zwecksetzung den Interessen einer oder mehrerer Familien dient. Sie
hat dann typischerweise die Familie zu versorgen, d.h. die
Unternehmenserträge zum Unterhalt der Familiendestinatäre
aufzuwenden. Zugleich soll sie den Einfluss der Familie auf
das Unternehmen aufrechterhalten, indem die Organe der
Stiftung neben fachkundigen Dritten mit Familienmitgliedern
besetzt werden. Zugriff auf die Substanz des Unternehmens
haben die Familienmitglieder nicht. Die von der Stiftung
gehaltenen Anteile sind im Grundsatz nicht veräußerbar. Die
Erwartung des Stifters geht ja gerade dahin, dass die Familienstiftung die Anteile nachhaltig zusammenhält. Die Destinatäre gelangen über die Gesellschafterstellung der Familienstiftung in den Genuss der Unternehmenserträge.
Typischerweise erhalten sie keinen Zahlungsanspruch gegen
die Stiftung.
Vom Prinzip her ist eine Stiftung „auf ewig“ angelegt. Deshalb taten sich in der Vergangenheit die Stiftungsaufsichtsbehörden schwer damit, Gestaltungen zuzulassen, die ein späteres „Herausnehmen“ der Gesellschaftsanteile aus der
Stiftung gestatten. Nachdem der Gesetzgeber im Jahre 2010
ausdrücklich sog. Verbrauchsstiftungen für zulässig erklärt
hat, hat sich die Auffassung der Stiftungsaufsichtsbehörden
geändert. In der Stiftungssatzung kann geregelt werden, dass
Unternehmensanteile (Gesellschaftsanteile) unter bestimmten
Voraussetzungen, z.B. auf Familienangehörige, übertragen
werden können, wenn diese z.B. die Stellung eines tätigen
Gesellschafters übernehmen und ihr Einfluss über Anteilsbesitz gestärkt werden soll. Damit ist zugleich der häufig gegen
die Familienstiftung gehörte Einwand widerlegt, durch die
Stiftungsgestaltung werde die Familie praktisch auf ewige
Zeiten enteignet.
In Unternehmerkreisen wird bisweilen das Bestehen einer
Stiftungsaufsicht als Nachteil der Stiftungslösung befürchtet.
Im Stiftungsrecht ist der Stifterwille (fast) uneingeschränkt der
Maßstab aller Dinge. Die Stiftungsaufsicht ist der Garant des
„Stifterwillens“. Die Aufsicht umfasst aber „nur“ die Überwachung der Einhaltung von Gesetz und Stiftungssatzung. Die
Stiftungsorgane sind im Rahmen der Stiftungssatzung – die
ja ihrerseits vom Stifter festgelegt worden ist – bei ihren Entscheidungen über die Art und Weise der Lenkung der Stiftung
frei. Die Aufsichtsbehörde darf nicht ihre eigenen Einschätzungen zur Frage, welche Maßnahmen der Stiftungsorgane
zweckmäßig sind, an die Stelle der Einschätzung des Vorstands setzen.
Ein weiterer häufig gehörter Einwand gegen die Stiftung
verweist auf die angeblich fehlende Flexibilität dieser Institution. Die Stiftungssatzung kann nämlich nur aufgrund des tatsächlich geäußerten oder mutmaßlichen Willens des Stifters
in engen Grenzen geändert werden. Die Satzungsänderung
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erfordert außerdem grundsätzlich die Zustimmung der Stiftungsaufsicht. Andererseits darf die Stiftungsaufsicht ihre
Zustimmung zu Satzungsänderungen nicht versagen, wenn
diese dem mutmaßlichen Willen des Stifters entsprechen.
Die Stiftungssatzung ist so zu gestalten, dass auf geänderte
Anforderungen und Verhältnisse in der Praxis reagiert werden kann. Den Stiftungsorganen sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, mit qualifizierten Mehrheiten erforderliche
Anpassungen an geänderte wirtschaftliche Verhältnisse im
Bereich der Stiftung durchzuführen. Darüber hinaus können
die Stiftungsorgane ermächtigt werden, in besonderen Fällen
die Rechtsform des Unternehmens anzupassen.
Eine erhebliche Rolle bei der Konzeption von Stiftungsgestaltungen spielt das Steuerrecht. Allerdings sollten rein steuerliche Gründe nie allein ausschlaggebend für eine Stiftungsgestaltung sein. Dafür ist einerseits das Steuerrecht zu
kurzlebig und andererseits die Stiftung zu sehr auf generationenübergreifende Zeiträume angelegt. Die zur Errichtung
einer Familienstiftung erforderliche Übertragung von Vermögenswerten auf diese Stiftung ist schenkungs- oder erbschaftsteuerpflichtig. Die Steuerpflicht entfällt nur dann, wenn
der Sonderfall einer steuerbefreiten Stiftung (§ 13 Abs. 1 Nr.
16b ErbStG) vorliegt. Für die Steuerklasse maßgebend ist das
Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungssatzung
entferntest Bezugsberechtigten im Verhältnis zum Stifter
(Schenker/Erblasser) (§ 15 Abs. 2 ErbStG). Dies gilt sowohl
für den Freibetrag (§ 16 ErbStG) wie für den Steuersatz (§ 19
ErbStG). Da sich in diesem Zusammenhang erhebliche Differenzen ergeben können, ist eine umfassende steuerliche
Beratung erforderlich.
Ertragsteuerlich unterliegt die Stiftung mit ihrem Einkommen der Körperschaftsteuer in Höhe von aktuell 15 % sowie
dem Solidaritätszuschlag. Die Ausschüttungen an die
Destinatäre unterfallen in der Regel § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG
(Einkünfte aus Kapitalvermögen). Sie unterliegen damit der
Abgeltungssteuer in Höhe von 25 % (zuzüglich ggf. Soli und
Kirchensteuer) mit der Option der „Günstigerprüfung“ (§ 32d
EStG).
Im Mittelpunkt der steuerlichen Diskussion um die Familienstiftung steht in der Regel die sog. Erbersatzsteuer (§ 1
Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Dieser Steuer unterliegen Stiftungen,
„sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder
bestimmter Familien errichtet“ sind. Seit der Entscheidung
des BFH vom 18.11.2009 dürften praktisch alle Familienstiftungen erbersatzsteuerpflichtig sein. Der BFH und dem folgend die Finanzverwaltung verzichten inzwischen auf jedes
quantitative Kriterium der Bezugsberechtigung von Familienangehörigen. Es genügt, dass die Stiftung im Familieninteresse gegründet worden ist. Die Steuerpflicht entsteht alle 30
Jahre. Andererseits kommen die zurzeit erneut in der gesetzgeberischen Diskussion befindlichen erbschaftsteuerlichen
Verschonungsregeln für Betriebsvermögen auch den Familienstiftungen zugute. Die Erbersatzsteuer bedeutet deshalb
wohl auch in Zukunft kein Totschlagargument gegen eine
Nachfolge durch Einsetzung einer Familienstiftung.
Die wichtigsten Argumente für die Familienstiftung: Streitigkeiten zwischen Familienmitgliedern können durch Einsetzung einer Familienstiftung als „Haupterbe“ weitgehend ver-
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mieden werden. Einer über die Unternehmenserben
möglicherweise hereinbrechenden Verschwendungssucht –
Substitution der Unternehmensbeteiligung durch mobile oder
immobile Prestigeobjekte – werden Grenzen gesetzt.
Dr. Axel Brandi, BRANDI Rechtsanwälte
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Vermögensübertragung auf Minderjährige
In den Jahren von 2010 bis 2020 werden nach Schätzungen
des Deutschen Instituts für Altersvorsorge Vermögenswerte
im Wert von insgesamt ca. € 2,6 Billionen auf die nachfolgende Generation übergehen; etwa die Hälfte davon stellt
Immobilienvermögen dar. Um die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Freibeträge wiederholend im Abstand von
10 Jahren nutzen zu können, werden Vermögensübertragungen häufig auch auf noch minderjährige Kinder vorgenommen. Motiv für Übertragung ist regelmäßig auch, das
Vermögen mitgestaltend gerecht auf die Kinder zu verteilen.
Bei diesen Vorgängen ergeben sich etliche Fragen zur
Abwicklung der Übertragung, aber auch im Hinblick auf die
adäquate Absicherung des Übertragenden und des zu übertragenden Vermögens in den Händen der Kinder, zumal die
weitere Entwicklung der Begünstigten nur schwerlich vorherzusehen ist.
Besonderer Schutz des Minderjährigen
Minderjährige (bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres)
unterfallen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) einem
besonderen Schutz. Bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres
ist der Minderjährige geschäftsunfähig, kann also gar nicht an
einer Vermögensübertragung mitwirken mit der Folge, dass
stets ein gerichtlich bestellter Ergänzungspfleger für ihn handeln muss, weil die Eltern beim Abschluss eines Übertragungsvertrages nicht gleichzeitig als Schenker und auch als
Vertreter für den Beschenkten auftreten können, § 1629 Abs.
2 i.V.m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Wer das 7. Lebensjahr vollendet hat, gilt als beschränkt geschäftsfähig und kann beim
Abschluss eines Übertragungsvertrages selbst mitwirken.
Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das konkrete Geschäft nicht
lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Die Annahme, dass eine Vermögensübertragung doch stets rechtlich vorteilhaft für den
Empfänger sei und deshalb die Bestellung eines Ergänzungspflegers entbehrlich sein müsse, ist eine weit verbreitete Fehlvorstellung, insbesondere wenn es um die Übertragung von
Unternehmensbeteiligungen geht. Vielmehr ist bei solchen
Vorgängen regelmäßig zusätzlich noch die Genehmigung des
Familiengerichts erforderlich, damit das Rechtsgeschäft
Wirksamkeit erlangt.
Übertragung von Unternehmensanteilen
Die Stellung als Gesellschafter – sei es in einer
Personen(handels-)gesellschaft oder in einer Kapitalgesellschaft – bringt Rechte, aber auch eine Vielzahl von Pflichten
mit sich. So stellt etwa die schenkungsweise Übertragung
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Juni 2015
von Gesellschaftsanteilen einer GbR, OHG oder der Komplementärstellung in einer KG wegen des mit der Gesellschafterstellung einhergehenden
Haftungsrisikos kein lediglich
rechtlich vorteilhaftes Geschäft dar; in diesen Fallgestaltungen ist immer die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers,
der für den Minderjährigen handelt, und auch die familiengerichtliche Genehmigung erforderlich. Dies gilt gleichermaßen
für die Übertragung eines (voll eingezahlten) GmbH- oder
Kommandit-Anteils, da auch in diesen Fällen noch potentielle
Haftungsrisiken bestehen. Dem gegenüber ist die schenkungsweise Übertragung voll eingezahlter Aktien einer AG
lediglich rechtlich vorteilhaft, so dass jedenfalls der beschränkt
geschäftsfähige Minderjährige den Übertragungsvertrag
selbst mit seinen Eltern abschließen kann. Auch nach einer
erfolgreichen Übertragung von Unternehmensanteilen auf
minderjährige Kinder kann für den späteren Abschluss eines
(neuen) Gesellschaftsvertrages bzw. die Abstimmung über
bestimmte Gesellschaftsangelegenheiten die Bestellung
eines Ergänzungspflegers erforderlich werden. Möchte man
vermeiden, dass der Ergänzungspfleger Einblick in und insbesondere Einfluss auf die internen Geschäftsvorgänge
nimmt, kann dem mit gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten entgegengewirkt werden.
Übertragung von Immobilienvermögen
Auch bei der Übertagung von Immobilienvermögen ist im Einzelfall zu prüfen, ob ein lediglich rechtlich vorteilhaftes
Geschäft für den beschenkten Minderjährigen vorliegt. Dies
kann etwa dann fraglich sein, wenn das schenkungsweise
übertragene Eigentum – etwa zur Absicherung des Übertragenden – mit einem Wohnungsrecht oder einem Nießbrauch
belastet werden soll, woraus sich Verpflichtungen für den
Minderjährigen ergeben können. Die Folge davon ist, dass
auch für die Grundstücksübertragung ein Ergänzungspfleger
zu bestellen und die Genehmigung des Familiengerichts
einzuholen ist. Zu beachten ist, dass auch nach erfolgreich
vollzogenem Beitritt des Minderjährigen zu einer vermögensverwaltenden GbR mit familiengerichtlicher Genehmigung
diese erneut erwirkt werden muss, wenn die vermögensverwaltende GbR unter Beteiligung des Minderjährigen ein
Grundstück aus dem Gesellschaftsvermögen veräußert.
Absicherung des Übertragenden und Schutz der
übertragenen Vermögenswerte
Regelmäßig wollen die schenkenden Eltern die Erträge aus
den übertragenen Unternehmensbeteiligungen oder Immobilien weiterhin behalten bzw. diese selbst weiter nutzen können und diese Rechte auch abgesichert wissen. Ertrag und
Nutzung können bei Immobilien durch im Grundbuch einzutragende Rechte wie Nießbrauch oder Wohnungsrecht gesichert werden; auch an Gesellschaftsanteilen kann ein
Nießbrauch bestellt werden. Bei der Ausgestaltung des Nießbrauchs ist indes Vorsicht geboten, um die Stellung des
Beschenkten als Mitunternehmer steuerlich nicht zu gefährden. Dem Übertragenden vorbehaltene Nutzungsrechte
haben im Übrigen den charmanten Vorteil, dass sich der steuerliche Wert der Übertragung um den steuerlichen (Kapital-)
Wert des vorbehaltenen Nutzungsrechts reduziert und nur
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der so oftmals erheblich geminderte Wert die Bemessungs- -- 85 % des Werts der Erbschaft bleiben von Erbschafts- und
Schenkungssteuer verschont, wenn die jährliche Lohngrundlage für die Schenkungsteuer ist.
summe in den fünf Jahren nach dem Erb-/Schenkungsfall
400 % der Ausgangslohnsumme erreicht und der Erwerber
Übertragungsverträge sollten Vorkehrungen vorsehen,
die Behaltensfrist von fünf Jahren einhält, also nicht wieder
falls der Beschenkte in Vermögensverfall gerät oder er vor
veräußert oder den Betrieb stilllegt.
dem Übertragenden verstirbt und die Erbfolge nicht mit dessen Vorstellungen im Einklang steht. Für diese und für etliche
andere in den Vertrag aufzunehmende Tatbestände sollte ein -- 100 % des Wertes bleiben steuerfrei, wenn der Erbe/
Beschenkte optiert und dann auch durchhält eine jährliche
Rückforderungsrecht geregelt werden, was bei ÜbertraLohnsumme über sieben Jahre in Höhe von 700 % der Ausgungen auf Minderjährige von besonderer Wichtigkeit ist. Mit
gangslohnsumme und eine Behaltensfrist von sieben Jahden skizzierten Gestaltungen unterliegen die übertragenen
ren.
Vermögenswerte auch nach der Übertragung weiterhin der
Kontrolle durch die Eltern.
-- Bei Betrieben mit maximal 20 Arbeitnehmern entfällt die
Notwendigkeit, die Lohnsumme zu halten.
Hartmut Sandering, BRANDI Rechtsanwälte
[email protected]
Zukunft der Erbschaft- und Schenkungsteuer für
Unternehmensvermögen
Am 17.12.2014 verkündete das Bundesverfassungsgericht in
Karlsruhe seine Entscheidung zum Erbschaftsteuerrecht.
Das Bundesverfassungsgericht hatte schon wiederholt
Regelungen des Erbschaftsteuerrechts für verfassungswidrig
erklärt.
-- Ist Teil des ererbten unternehmerischen Vermögens so
genanntes Verwaltungsvermögen (nicht betriebsnotwendiges Vermögen) und beträgt der Anteil mehr als 50 %, entfallen die Privilegierungen. Beträgt das Verwaltungsvermögen bis 50 %, kommt die Privilegierung zur
Anwendung.
Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs
In dieser Regelung sah der Bundesfinanzhof schwerwiegende Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
(Art. 3 GG).
Dieses Mal stand die Regelung für die Vererbung oder
Schenkung von Unternehmensvermögen auf dem Prüfstand. -- Die Verschonungsregelung sei schon vom Grundsatz her
verfassungsrechtlich unzulässig, weil sie unabhängig von
Gemessen an dem, was vorher in der Literatur diskutiert worder zur Verfügung stehenden Liquidität gewährt werde.
den war, und gemessen an dem Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs, der die Sache an das Bundesverfassungsgericht gegeben hatte, ist die Entscheidung aus Sicht der -- Die Behaltensfristen von fünf oder sieben Jahren und die
entsprechenden Lohnsummenfristen seien unverhältnisinteressierten Unternehmer „glimpflicher“ ausgefallen, als
mäßig kurz angesichts des Umfangs der Steuerverschoman hätte befürchten können.
nung.
Die Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes (§§ 13a,
13b) sind zwar insgesamt für verfassungswidrig erklärt wor- -- Die Verschonungsregelung auch für große und größte
Unternehmen sei verfassungswidrig.
den. In den Entscheidungsgründen verwirft das Bundesverfassungsgericht aber nicht den grundsätzlichen Ansatz der
Verschonungsregelungen, sondern nur einzelne Ausgestal- -- Die Privilegierung kleinerer Unternehmen mit bis zu 20
Arbeitnehmern, die die Lohnsumme nicht nachweisen
tungen. Diese einzelnen Ausgestaltungen sind verfassungsmüssten, sei verfassungswidrig.
widrig, machen es aber notwendig, die gesamte Regelung
neu zu fassen.
-- Die Privilegierung nicht betriebsnotwendigen Vermögens
(Verwaltungsvermögen bis 50 %) sei verfassungswidrig,
Die Karlsruher Richter haben dem Gesetzgeber auf den
vor allem deshalb, weil sie Missbrauchsmöglichkeiten eröff80 Seiten ihrer Entscheidung „Leitplanken“ vorgegeben, an
net (Verschiebung von Privatvermögen in Betriebsvermödenen sich die Große Koalition wohl auch orientieren wird.
gen).
Kein „großer neuer Wurf“, sondern Reparatur in dem vom
Urteil vorgegebenen Rahmen.
-- und schließlich seien eine Reihe von Steuergestaltungen
denkbar, die keinen Missbrauch im Sinne von § 42 AO
seien, aber zur Anwendung der Privilegierungsregelungen
Bisherige Regelung
führen könnten, die das Ziel des Gesetzgebers weit überschritten.
Die bisher geltende Regelung sei sehr verkürzt rekapituliert:
§§ 13a, 13b ErbStG privilegieren unternehmerisches Vermögen (Betriebsvermögen, Land- und Forstwirtschaft, Anteile
an Kapitalgesellschaften) im Erb- und Schenkungsfall gegenüber der Vererbung von Privatvermögen in mehrfacher Hinsicht:
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-- Die Freistellung aller Betriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern
von der Lohnsummenpflicht sei unverhältnismäßig. Damit
würden 90 % der Betriebe in Deutschland in den Genuss
Das Bundesverfassungsgericht ist diesem „Angriff auf breiter
der Verschonungsregelung kommen, ohne nachweisen zu
Front“ nicht ganz gefolgt.
müssen, dass das eigentliche gesetzgeberische Ziel der
Verschonungsregelung - Arbeitsplatzerhalt - auch erreicht
Die Verfassungsrichter führen aus, der Gesetzgeber habe
wird. Auch mit Rücksicht auf die Missbrauchsmöglichkeiten
bei der Gestaltung der Erbschafts- und Schenkungssteuer
in der Gestaltung (z.B. durch geschickte Betriebsaufspaleinen erheblichen Gestaltungsspielraum, auch vor dem Hintungen vor der Schenkung) hat das Bundesverfassungsgetergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Wenn er sich
richt diese Regelung für verfassungswidrig erklärt.
aber für ein bestimmtes System entschieden habe, bedürften
Abweichungen und Ausnahmen der besonderen RechtfertiDie Anwendung der Verschonungsregelung auch in Fällen,
gung nach dem Gleichbehandlungsprinzip. Je bedeutender
in denen ein Verwaltungsvermögen von 50 % (bei Behaldie Abweichung von der normalen Regel sei, je größer die
tensfrist 5 Jahre) oder von 10 % (bei Behaltensfrist von 7
wirtschaftlichen Auswirkungen, desto strenger sei zu prüfen,
Jahren) besteht, ist ebenfalls unverhältnismäßig. Die hierin
ob diese Regelung der Verfassung entspreche.
liegende Ungleichbehandlung gegenüber nicht privilegiertem (Privat)-Vermögen sei verfassungsrechtlich nicht zu
Das Ziel der Verschonungsregelung für Unternehmensrechtfertigen. Das ergebe sich insbesondere auch aus
vermögen, den Übergang von Unternehmensvermögen ohne
einer Reihe von Missbrauchsmöglichkeiten, die genutzt
steuerverursachtes Liquiditätsrisiko zu ermöglichen und
werden könnten, um Privatvermögen zu Verwaltungsverdamit die Liquidität von Unternehmen, deren Bestand und die
mögen innerhalb von Unternehmensvermögen zu machen
Arbeitsplätze zu sichern, sei verfassungsrechtlich nicht zu
und damit eigentlich erbschaftsteuerpflichtiges Vermögen
beanstanden. Es liege auch im Gemeinwohlinteresse, insoin den Bereich der Verschonungsregelung zu verlagern.
weit eine Sonderregelung im Sinne der Verschonungsregelung zu treffen.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Das vom Gesetzgeber gewählte Mittel - die Verschonungsregelung in all ihren Facetten - müsse vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund geeignet, erforderlich und
angemessen sein, dieses Ziel zu erreichen.
Die Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes seien
geeignet und erforderlich, den Übergang von Unternehmensvermögen ohne existenzbedrohende Liquiditätsrisiken zu
ermöglichen.
In drei Fällen sei die Regelung aber nicht angemessen
und deshalb verfassungswidrig.
In diesen Fällen sei die Privilegierung unangemessen,
weil hier die steuerliche Privilegierung vor dem Hintergrund
des gesetzgeberischen Ziels nicht nachvollziehbar sei, und
vor allem deshalb, weil das Ausmaß der steuerlichen Privilegierung in diesen drei Fällen unverhältnismäßig sei:
-- Die Verschonungsregelung sei zwar für kleine und mittlere
Unternehmen verfassungsrechtlich unbedenklich, nicht
aber für große Unternehmen. Bei kleinen und mittleren
Unternehmen könne man durchaus allgemein davon ausgehen, dass eine Erbschaft- und Schenkungssteuerbelastung existenzbedrohend sein könne. Bei großen
Unternehmen sei das aber nicht ohne Weiteres der Fall, so
dass man bei ihnen auch nicht die Notwendigkeit einer Verschonungsregelung ohne Weiteres unterstellen könne.
Es bleibt dem Gesetzgeber überlassen, dieses Problem der
größeren Unternehmen zu lösen. Die Verfassungsrichter
deuten an, man könne etwa an eine Obergrenze des verschonten Vermögens denken (z.B. 100 Mio. €), oder man
könne daran denken, dass bei der Prüfung der Steuerbelastung auch das sonstige durch Erbschaft oder Schenkung erworbene Vermögen oder das Privatvermögen der
erbschaftsteuerpflichtigen Person zu berücksichtigen sei,
um festzustellen, inwieweit sie über Liquidität verfüge.
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Rechtslage in der Übergangszeit
Das Bundesfinanzministerium arbeitet bereits an einer
Novelle zum Erbschaftsteuergesetz. Es orientiert sich an den
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts:
Die Verschonungsregelung soll im Grundsatz erhalten bleiben, in den verfassungswidrigen Details aber modifiziert werden. Die Neuregelung soll „minimalinvasiv und zügig“ erfolgen,
möglichst noch vor dem 30.06.2016 (Frist des Bundesverfassungsgerichts). Das bedeutet keine große Reform, sondern punktuelle Korrekturen.
Für die Großunternehmen wird der Gesetzgeber die bisherige Verschonungsregelung wahrscheinlich durch eine
Bedürfnisprüfung, ggf. gekoppelt mit Stundungsmöglichkeiten
für die Steuerverbindlichkeit, vorsehen. Es wird derzeit ernsthaft erwogen, bei der Bedürfnisprüfung auch das bereits vorhandene Vermögen des Beschenkten bzw. Erben mit zu
berücksichtigen.
Hinsichtlich des Verwaltungsvermögens wird es entweder
keine Privilegierung mehr geben oder eine Privilegierung
begrenzt auf einen geringeren Umfang des Verwaltungsvermögens, das notwendig ist, damit ein Unternehmen vernünftig wirtschaften kann. Wie die Grenze festgelegt wird, z.B.
10 % bis 20 % des Unternehmenswerts, ist offen.
Die 90 % der deutschen Betriebe, die maximal 20 Mitarbeiter beschäftigen, werden nicht mehr generell vom Nachweis der Lohnsumme während der Behaltensfrist freigestellt
sein. Hier droht also mehr bürokratischer Aufwand. Außerdem stehen weitere Anpassungen - etwa im Bewertungsgesetz - zur Debatte. Im Augenblick muss man abwarten, bis der
erste Gesetzentwurf vorliegt.
Für die Praxis der Finanzämter gilt ein neuer Erlass der
obersten Finanzbehörden vom 12.03.2015: Danach werden
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alle Erbschaft- und Schenkungssteuerbescheide für Festsetzungen nach dem 31.12.2008 in Zukunft unter Vorbehalt
erklärt. Die Steuern werden also vorläufig festgesetzt, eine
endgültige Überprüfung erfolgt nach der gesetzlichen Neuregelung. Ob und inwieweit durch die gesetzliche Neuregelung
eine Rückwirkung angeordnet wird, bleibt abzuwarten. Das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat hierfür - jedenfalls
Rückwirkung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung am
17.12.2014 - Spielräume eröffnet.
Das neue Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht wird
nicht zu einer geringeren, sondern zu einer höheren Belastung führen. Deshalb ist es ratsam, noch von dem alten
Recht Gebrauch zu machen und Vermögen zu übertragen,
falls dies ohnehin beabsichtigt ist. Diese Übertragung sollte
allerdings mit einem Rückforderungsrecht für den Fall einer
steuerlichen Verschlechterung versehen werden, die gem.
§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG grundsätzlich anerkannt wird.
Dr. Bernhard König, BRANDI Rechtsanwälte
[email protected]
Fallstricke und Risiken bei Abfindungsklauseln in
Gesellschaftsverträgen von GmbH
I. Einleitung
II. Sittenwidrigkeit
Abfindungsklauseln können sittenwidrig und damit gem.
§ 138 BGB unwirksam sein. Dies ist immer dann der Fall,
wenn schon zu dem Zeitpunkt, in dem die Abfindungsklausel
in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen worden ist, Sittenwidrigkeit vorlag. Die Sittenwidrigkeit ist beispielsweise bei
einer übergroßen Diskrepanz zwischen dem wahren Anteilswert und dem Abfindungsbetrag gegeben. Zu beachten ist,
dass, wenn diese Diskrepanz erst nach Aufnahme der Abfindungsklausel in den Gesellschaftsvertrag eingetreten ist,
keine Sittenwidrigkeit vorliegt. In diesen Fällen greifen die
Grundsätze des sogenannten Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein. Eine sittenwidrig niedrige Abfindung ist immer dann
gegeben, wenn die Diskrepanz zwischen Anteilswert und
Abfindungsbetrag mehr als 50 % beträgt. Liegt dieser Fall vor,
so ist die gesamte Klausel nichtig und es erfolgt eine Abfindung zum Verkehrswert.
Auch eine überlange Streckung der Auszahlung des
Abfindungsguthabens im Wege einer Ratenzahlung kann zur
Sittenwidrigkeit führen Der BGH hat eine Ratenzahlungsdauer von 15 Jahren als unzulässig angesehen. Auf der
sicheren Seite ist man, wenn die Ratenzahlungsdauer 5 bis 8
Jahre nicht überschreitet.
Abfindungsklauseln können zudem auch sittenwidrig sein,
wenn sie gläubigerbenachteiligend wirken. Dies ist immer
dann der Fall, wenn die Abfindungsbeschränkung gerade auf
den Fall des Gläubigerzugriffs - etwa im Rahmen einer Pfändung der Anteile oder der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens - abzielt und damit einseitig die Gläubiger des Gesellschafters benachteiligt. Sollen Abfindungsbeschränkungen in
diesem Zusammenhang wirksam sein, so müssen sie weitere
Fallgruppen erfassen (z.B. das Ausscheiden des Gesellschafters aus wichtigem Grund oder bei der Kündigung der
Beteiligung).
Abfindungsklauseln sind ein dauerhaftes Streitthema zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern, die oftmals in langwierigen Gerichtsverfahren enden. Das GmbHG regelt die
Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters nur eingeschränkt. Es gilt der Grundsatz, dass ein ausscheidender
Gesellschafter eine Abfindung nach dem Verkehrswert
erhält. Gesellschaftsvertraglich kann eine andere Regelung
vereinbart werden. So enthalten viele Gesellschaftsverträge
Abfindungsbeschränkungen zur Höhe der Abfindung, zur Art
und Weise der Ermittlung des Wertes der Beteiligung oder zur
Dauer der Auszahlung des Abfindungsanspruchs. Bei der III. Wegfall der Geschäftsgrundlage
Gestaltung von abfindungsbeschränkenden Klauseln stehen
sich die Interessen der Gesellschaft und des ausscheidenden Tritt der Fall ein, dass erst nachträglich der gesellschaftsverGesellschafters (oder seiner Erben) gegenüber. So kann z.B. traglich vereinbarte Abfindungsbetrag und der wahre Anteilseine Abfindung zum vollen wirtschaftlichen Wert für die wert erheblich auseinanderfallen, und dies bei Gründung der
Gesellschaft und die verbleibenden Gesellschafter zu einem Gesellschaft nicht vorhersehbar war, so kann ein Wegfall der
existenzgefährdenden Liquidationsabfluss führen. Der Geschäftsgrundlage vorliegen. Die Gesellschaft kann sich
ausscheidende Gesellschafter bzw. seine Erben haben ein dann nicht auf die in der Satzung festgelegte Beschränkung
Interesse daran, einen möglichst hohen Abfindungsanspruch des Abfindungsanspruches berufen. Die gesellschaftsvertragliche Abfindungsbeschränkung bleibt zwar bestehen, ist
zu erhalten.
aber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung anzuAbfindungsbeschränkungen in Gesellschaftsverträgen passen. Die Gerichte müssen in diesen Fällen unter Einbeziesind grundsätzlich zulässig. Unter dem Gesichtspunkt der Sit- hung einer objektiven Abwägung der beiderseitigen Interessen
tenwidrigkeit oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kön- ermitteln, was Gesellschaft und Gesellschafter vereinbart
nen sich jedoch Einschränkungen ergeben. Ein vollständiger hätten, wenn sie die Entwicklung vorher gesehen hätten.
Abfindungsausschluss ist nur in wenigen Ausnahmefällen
rechtlich zulässig, wenn die Gesellschaft ideelle Zwecke verfolgt, bei Abfindungsklauseln auf den Todesfall oder bei auf IV. Steuerliche Auswirkungen
Zeit abgeschlossenen Mitarbeiterbeteiligungsmodellen. Ferner sind steuerliche Auswirkungen bei der Gestaltung einer Abfindungsbeschränkungen können auch schwerwiegende
steuerliche Auswirkungen haben. Diese folgen aus
Abfindungsklausel zu beachten.
§§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 7 und 10 Abs. 10 ErbStG. Die vorstehenden Regelungen machen aus jeder Abfindungsbe-
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schränkung eine steuerbare Bereicherung bei der Gesellschaft, Geschäftsanteilen auch vom Nichtberechtigten ermöglicht.
den verbleibenden Gesellschaftern bzw. dem Erwerber des Begeht der Geschäftsführer hier eine Pflichtverletzung, haftet
Anteils. Scheidet ein Gesellschafter aus einer Gesellschaft er persönlich auf Schadenersatz.
aus und liegt der Abfindungsbetrag unterhalb des sogenannDie Freude ist groß über einen Erbschein, diesen akzepten Steuerwerts des Anteils, so ergibt sich auf der anderen
Seite rechnerisch eine Mehrung des Vermögens der Gesell- tiert jedes Grundbuchamt und jedes Handelsregister, da er
schaft, den verbleibenden Gesellschaftern oder des Erwer- hinreichende Sicherheit über die Erbenstellung bietet. Doch
bers des Anteils. Dieser Betrag ist steuerpflichtig und muss vielen Erben sind die Kosten und der Zeitaufwand zu hoch.
entsprechend erklärt werden, da der Steuergesetzgeber die- Was also tun, wenn nur ein einfaches privatschriftliches
sen Erwerbsvorgang für erbschaft- bzw. schenkungssteuer- Testament vorliegt? Die kurze Antwort: Finger weg! Es gibt
rechtlich relevant hält. Seit der Änderung der keine Gewähr, dass nicht doch andere widersprechende
Bewertungsgrundsätze im Jahr 2009 wird dieses Problem Testamente vorliegen und damit der falsche Erbe auftritt.
zunehmend relevanter, da die Finanzbehörden das Ausschei- Selbst ein gerichtlicher Vergleich über die Auslegung eines
den von Gesellschaftern einer genaueren Überprüfung unter- privatschriftlichen Testaments bietet nicht hinreichende
Sicherheit. Vorsicht ist ebenfalls geboten bei ausländischen
ziehen.
Erbscheinen. Hatte der Gesellschafter hingegen ein notarielles Testament oder einen Erbvertrag errichtet, so genügt
dieses zusammen mit der gerichtlichen Niederschrift über die
V. Zusammenfassung
Eröffnung durchaus als Nachweis der Erbenstellung. Dies
Abfindungsbeschränkungen in Gesellschaftsverträgen sind setzt aber voraus, dass sich aus dem notariellen Testament
üblich und rechtlich zulässig. Sie bezwecken die wirtschaft- die Erbfolge klar und eindeutig ergibt. Sind weitere Ermittliche Überlebensfähigkeit einer Unternehmung zu erhalten, lungen zur Feststellung der Erbfolge erforderlich, dürfte allerwenn ein Gesellschafter aus der GmbH ausscheidet. Ohne dings auch die Vorlage einer öffentlich beurkundeten Verfüeine solche Abfindungsbeschränkung kann es zu einem exi- gung von Todes wegen mit Eröffnungsprotokoll kein
stenzgefährdenden Liquiditätsabfluss kommen. Wird jedoch hinreichender Nachweis der Erbenstellung sein.
von der Gesellschaft der Bogen überspannt, so droht gerade
Sofern also nicht der Gesellschaftsvertrag konkrete Regedas Gegenteil. Die Abfindungsbeschränkung greift nicht und
der ausscheidende Gesellschafter erhält den Verkehrswert lungen über den Nachweis der Erbenstellung beinhaltet,
sollten Geschäftsführer und Vorstände die gleichen – strenseiner Beteiligung.
gen – Regeln anwenden wie das Handelsregister und
Ist die Abfindungsbeschränkung wirksam, so sind die zunächst darauf bestehen, einen (deutschen) Erbschein zu
steuerlichen Folgen auf Seiten der Gesellschaft bzw. den ver- erhalten. In Zukunft (ab dem 17.08.2015) hat das Europäische
bleibenden Gesellschaftern oder den neu hinzutretenden Nachlasszeugnis nach der Europäischen ErbrechtsverordGesellschaftern zu beachten. Die entsprechenden erb- oder nung die gleichen Wirkungen wie der deutsche Erbschein.
Bis der Erbschein vorliegt, ist die Gesellschafterliste zwar
schenkungsteuerlichen Formalien sind einzuhalten.
offensichtlich nicht mehr aktuell, da der Verstorbene nicht
mehr Gesellschafter ist, allerdings damit auch nicht fahrlässig
Dr. Carsten Hoppmann, BRANDI Rechtsanwälte
unrichtig. Bei der Prüfung einer öffentlich beurkundeten [email protected]
fügung von Todes wegen mit Eröffnungsprotokoll liegt es im
Ermessen der Geschäftsführung, ob sie sich weiteren Rechtsrat einholt.
Gesellschafterliste im Erbfall
Die vermeintlich kleine Gesellschafterliste hat es in sich –
gerade im Erbfall. Ob es nun die Liste der Gesellschafter bei
der GmbH ist oder das Aktienregister bei der Aktiengesellschaft – für die Ausübung der Gesellschafterrechte, insbesondere das Stimmrecht, ist entscheidend, wer in dieser Liste
aufgeführt ist. Hier besteht die primäre Pflicht der Geschäftsführer, bei Veränderungen eine neue Liste der Gesellschafter
beim Handelsregister einzureichen, ebenso für den Vorstand,
das Aktienregister zu aktualisieren. Mitunter ist dies aber
keine leichte Aufgabe, wenn nicht feststeht, wer nun tatsächlich Gesellschafter ist. Verstirbt ein Gesellschafter, muss
geklärt werden, wer in die Gesellschafterstellung nachrückt.
Doch welche Nachweise sind hier erforderlich, um sich
gerade nicht der Haftung auszusetzen und irrtümlich einen
falschen Erben in die Gesellschafterliste einzutragen? Grundsätzlich vorab: Die Geschäftsführung ist hier relativ frei, welchen Nachweis sie genügen lässt. Allerdings ist gerade für
den GmbH-Geschäftsführer zu berücksichtigen, dass die
Liste der Gesellschafter einen gutgläubigen Erwerb von
www.brandi.net
Dr. Jana Ilchmann, BRANDI Rechtsanwälte
[email protected]
Seite 19
Juni 2015
Erbenhaftung in der BGB-Gesellschaft
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder auch BGBGesellschaft ist die ursprünglichste und einfachste Gesellschaftsform, die das deutsche Recht kennt. Die rechtlichen
Anforderungen für die Gründung und den laufenden
Geschäftsbetrieb sind verhältnismäßig gering. In der Folge
wird die Rechtsform der BGB-Gesellschaft oft von Freiberuflern oder zum Zweck einer gemeinsamen (familiären) Vermögensverwaltung gewählt. Anders als etwa in Kapitalgesellschaften haften die Gesellschafter für Verbindlichkeiten
jedoch unbeschränkt, d.h. mit ihrem gesamten Vermögen.
1. Grundproblem der Erbenhaftung
Verstirbt ein Gesellschafter, sieht das gesetzliche Leitbild des
§ 727 BGB vor, dass die BGB-Gesellschaft aufgelöst wird.
Dies folgt daraus, dass der Gesetzgeber bei BGB-Gesellschaften davon ausgeht, dass der Gesellschaftszweck sehr
eng mit der Person der Gesellschafter verknüpft ist. Oft wird
diese Regelung jedoch gesellschaftsvertraglich abbedungen.
In diesem Fall treten der oder die Erben eines verstorbenen
Gesellschafters in dessen Rechtsstellung ein, sofern sie nicht
das gesamte Erbe nach § 1942 ff. BGB ausschlagen. Da es
keine Möglichkeit gibt, sich bei Gesellschafterverbindlichkeiten auf eine auf den Nachlass beschränkte Erbenhaftung
nach §§ 1975 ff., 2059 BGB zu berufen, laufen Erben dabei
grundsätzlich Gefahr, mit ihrem gesamten eigenen Vermögen
für Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften.
Diese Haftung kann in der Regel auch nicht durch eine
Kündigung der Gesellschaft begrenzt werden. Zunächst ist
durch den Eintritt des Erbfalls per se noch kein Kündigungsgrund für den Gesellschafter gegeben. Schließlich wollten die
ursprünglichen Gesellschafter ja offensichtlich, dass die
Gesellschaft mit den Erben fortgeführt wird. Sonst hätten sie
es schließlich bei der oben erwähnten gesetzlichen Regelung
belassen. Auch liegt allein aufgrund der Rechtsfolge einer
persönlichen Haftung des Erben für diesen noch kein wichtiger Grund zur Kündigung nach § 723 Abs. 3 BGB vor. Zudem
haftet er für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft ohnehin
nach § 736 Abs. 2 BGB i.V.m. § 160 HGB.
2. Möglichkeit der Umwandlung in eine Kommandit-
gesellschaft
Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung hat der Erbe
eines Gesellschafters einer BGB-Gesellschaft jedoch nach
§ 139 Abs. 1 HGB analog die Möglichkeit, sein Verbleiben in
der Gesellschaft davon abhängig zu machen, dass die BGBGesellschaft in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt
wird und ihm in der neuen Gesellschaft eine KommanditistenStellung eingeräumt wird. Dies hat für ihn den Vorteil, dass er
nur noch mit seiner Kommanditeinlage haftet. Lehnen die
anderen Gesellschafter die Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft ab, ist der Erbe befugt, ohne Einhaltung einer
Frist sein Ausscheiden aus der Gesellschaft zu erklären.
Scheidet er aus, haftet er gem. § 139 Abs. 4 HGB analog für
Gesellschaftsschulden nur nach Maßgabe der Erbenhaftung,
d.h. er kann sich auf eine auf den Nachlass beschränkte
Erbenhaftung berufen. Auch steht ihm bei Ausscheiden ein
Abfindungsanspruch zu.
Auf der anderen Seite ist er als Kommanditist jedoch von
der Geschäftsführung ausgeschlossen. Es ist also im Erbfall
genau abzuwägen, ob eine entsprechende Erklärung tatsächlich abgegeben werden soll. Die Frist für eine Aufforderung
an die anderen Gesellschafter, die BGB-Gesellschaft in eine
Kommanditgesellschaft umzuwandeln, beträgt nur drei
Monate ab Kenntnis des Erben von dem Erbfall.
Sven Hasenstab, BRANDI Rechtsanwälte
[email protected]
Gefahren einer Betriebsaufspaltung im Rahmen
der Nachfolgeplanung
Die Betriebsaufspaltung ist eine im unternehmerischen Mittelstand beliebte rechtliche Gestaltungsform. Bei der klassischen Betriebsaufspaltung überlässt eine ausschließlich
vermögensverwaltende (zumeist) Personengesellschaft
(Besitzgesellschaft) Wirtschaftsgüter an ein anderes gewerbliches Unternehmen (Betriebsgesellschaft).
Die Motivlage für die Begründung oder Nichtbegründung
einer Betriebsaufspaltung kann insolvenzrechtlich, haftungsrechtlich oder steuerrechtlich begründet sein. Steuerrechtlich
dient die Betriebsaufspaltung dazu, die Einkünfte der vermögensverwaltenden Besitzgesellschaft als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren, um das Unternehmen steuerlich nicht
besser zu stellen als den Einzelkaufmann, der – weil er eben
nur eine Vermögenssphäre hat – betriebliche Einkünfte nicht
durch Vermietung in nichtbetriebliche Einkünfte umqualifizieren kann. Voraussetzung für die Annahme einer Betriebsaufspaltung mit der Folge der Umqualifikation der Einkünfte ist
die enge sachliche und personelle Verflechtung zwischen der
Besitz- und der Betriebsgesellschaft.
Im Rahmen der Nachfolgeplanung ist zwingend zu beachten, dass bei Bestehen einer Betriebsaufspaltung die personelle und sachliche Verflechtung auch nach Übergehen des
Betriebs bestehen bleibt. Ansonsten kommt es zu der zumeist
katastrophalen Folge der Aufdeckung aller stillen Reserven
der in der Besitzgesellschaft gehaltenen Wirtschaftsgüter.
Befindet sich ein Grundstück in der Besitzgesellschaft, das
an die Betriebsgesellschaft zur Nutzung überlassen wird,
kann die Aufdeckung der stillen Reserven zur Überschuldung
führen und damit einen Insolvenzgrund hervorrufen. Der
Umstand, dass der bei Beendigung der Betriebsaufspaltung
realisierte Gewinn nur der Einkommensteuer, nicht aber der
Gewerbesteuer unterliegt, ist dabei nur ein schwacher Trost.
Beispiel:
Ein Unternehmer ist Allein-Gesellschafter und Geschäftsführer der Y-GmbH. Er ist Eigentümer eines Grundstücks, das er
an die Y-GmbH vermietet. Er beabsichtigt im Rahmen der
Nachfolgeplanung seinem Sohn die GmbH-Beteiligung und
seiner Tochter das Grundstück zu vermachen.
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Der Bundesfinanzhof hatte die dargestellte Konstellation
Führt der Unternehmer die von ihm beabsichtigte Nachfolgeplanung durch, so endet die Betriebsaufspaltung zwischen im Jahr 2011 zur Entscheidung vorliegen und entschied, dass
ihm und der Y-GmbH, da die personelle Verflechtung zwi- – zumindest soweit die Geschäftsführungsbefugnis des nicht
schen Besitz- und Betriebsgesellschaft entfällt. Die Y-GmbH an der Betriebsgesellschaft beteiligten Ehegatten nicht vollwird künftig vom Sohn beherrscht, während das Grundstück ständig auf den anderen Ehegatten übertragen ist – eine perim Eigentum der Tochter steht. Eine solche inkongruente sonelle Verflechtung nicht gegeben ist (BFH, Urteil vom 15.
Rechtsnachfolge führt zur Aufdeckung der stillen Reserven Juni 2011 – X B 255/10, BFH/NV 2011, 1859). Jedoch ist bei
der Betriebsaufspaltung unter ausschließlicher Beteiligung
des Grundstücks und der GmbH-Beteiligung.
von Ehegatten Vorsicht geboten. Grundsätzlich darf nach der
Die Aufdeckung der stillen Reserven im Nachfolgefall Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar nicht
lässt sich durch vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten vermei- die Vermutung aufgestellt werden, dass Ehegatten stets
den. An dieser Stelle seien lediglich zwei Möglichkeiten exem- gleichgerichtete Interessen verfolgen (BVerfG, Urteil vom 12.
März 1985 – 1 BvR 571/81, BStBl II 1985, 475). Kommen aber
plarisch dargestellt.
besondere Umstände als Beweisanzeichen für die ZusamFür den Fall des Vorliegens der Voraussetzungen des sog. menfassung der Stimmrechtsanteile von Ehegatten hinzu,
Verpächterwahlrechts, besteht zum einen die Möglichkeit, werden die Ehegattenanteile zusammengerechnet, so dass
eine Versteuerung von stillen Reserven dadurch zu vermei- im Ergebnis trotzdem eine Betriebsaufspaltung angenommen
den, dass die bisher überlassenen Wirtschaftsgüter weiterhin wird. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Stimmrechtsim Wege der Betriebsverpachtung an die Betriebsgesellschaft bindungen vereinbart werden oder unwiderrufliche Stimmüberlassen werden. Insoweit hat der Gesetzgeber im Jahr rechtsvollmachten erteilt werden.
2011 eine Betriebsfortführungsfiktion eingeführt (§ 16 Abs. 3b
Tritt in der vorgenannten Konstellation der Nachfolgefall
EStG). Bis zu einer ausdrücklichen, aber formlosen Aufgabeein, so entsteht eine steuerlich relevante Betriebsaufspaltung.
erklärung gilt die gewerbliche Tätigkeit als fortbestehend.
Denn beerbt die F den M, ist sie sowohl Alleingesellschafterin
Zum anderen kann eine Aufdeckung der stillen Reserven der Betriebs-GmbH als auch Allein-Eigentümerin (die GbR
dadurch vermieden werden, dass das Besitzunternehmen wird mit dem Tod des M aufgelöst) des Grundstücks. Soll das
nach § 20 UmwStG in eine GmbH zu Buchwerten eingebracht Grundstück weiterhin steuerlich im Privatvermögen verbleiwird. Der Nachteil einer solchen Regelung besteht jedoch ben, muss es auf eine Person übertragen werden, die – auch
darin, dass bei der Übertragung von Grundstücken Grunder- im Nachfolgefall – nicht identisch mit der Person ist, die die
werbsteuer entsteht. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, eine Betriebsgesellschaft beherrscht. Im oben genannten Fall
gewerblich geprägte Personengesellschaft im Sinne von § 15 hätte zum Beispiel die Übertragung des Grundstücks auf ein
volljähriges Kind die Annahme einer Betriebsaufspaltung verAbs. 3 Nr. 2 EStG zu begründen.
hindert.
Bei der Erbeinsetzung ist deshalb zu beachten, dass identische Personen in die Beteiligung am Besitz- und Betriebsun- Sebastian Siesenop, BRANDI Rechtsanwälte
ternehmen einrücken. Auch sollte die Regelung in den Gesell- [email protected]
schaftsverträgen nicht von den testamentarischen Regelungen
abweichen.
Im umgekehrten Fall einer bisher nicht bestehenden
Betriebsaufspaltung besteht bei der Nachfolgeregelung die
Gefahr, dass die bisher nicht zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter der Besitzgesellschaft mit Eintritt der
Rechtsnachfolge steuerverstrickt werden. Mit der Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter der Besitzgesellschaft zum steuerlichen Betriebsvermögen treten zwar im Zeitpunkt der Übertragung keine steuererhöhenden Wirkungen ein. Die
Steuerverstrickung eines Grundstücks führt aber dazu, dass
es künftig in jedem Fall nur steuerpflichtig veräußert werden
kann. Ein nicht steuerbares privates Veräußerungsgeschäft
für den Fall, dass das Grundstück länger als zehn Jahre
gehalten wird, kommt nicht mehr in Betracht.
Beispiel:
Die Ehegatten F und M sind je zur Hälfte an der Besitzgesellschaft, einer GbR, beteiligt, während der M alleiniger Gesellschafter der Betriebs-GmbH ist. Die Besitzgesellschaft
überlässt der Betriebs-GmbH ein Grundstück zur Nutzung.
Testamentarisch setzen sich M und F gegenseitig als Alleinerben ein.
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Veranstaltungshinweise
Am 17.06.2015 findet der „Greater China Day“ als Höhepunkt der „Ostwestfalen meets China“-Woche statt.
Weitere Informationen finden Sie in Kürze auf www.brandi.net.
Am 28.08.2015 findet unser Vergaberechtsseminar im LENKWERK Bielefeld statt. Weitere Informationen finden
Sie zu gegebener Zeit auf www.brandi.net.
Vorträge
Dr. Jörg Niggemeyer referierte am 24.02.2015 im Rahmen eines Seminars des vhw - Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. - zum Thema „Vorkaufsrechte der Gemeinden nach dem BauGB“ sowie am
26.03.2015 zum Thema „Nutzung und Umnutzung von Baudenkmälern“.
Weitere Informationen finden Sie unter www.brandi.net.
Daniela Deifuß-Kruse hat am 05.03.2015 im Rahmen des 28. Lindauer Seminars „Praktische Kanalisationstechnik - Zukunftsfähige Entwässerungssysteme“ einen Vortrag mit dem Thema „Sinn, Zweck, Angemessenheit und
praktische Probleme bei der Rechtsanwendung: Zustands- und Funktionsprüfung privater Abwasseranlagen in
NRW“ gehalten.
Patrizia Ferrara referierte am 18.05.2015 im Rahmen einer Veranstaltung des Marketing Club OWL zu dem
Thema „Anwälte und Marketing - ein Widerspruch? Modernes Kanzlei-Marketing auf allen Kanälen“.
Dr. Franz Tepper, LL.M. und Dr. Nils Wigginghaus referieren am 28.05.2015 im Rahmen einer Veranstaltung der
Wirtschaftsförderung Kreis Soest GmbH zum Thema „Unternehmensnachfolge - passend gemacht“.
Weitere Informationen finden Sie unter www.brandi.net.
Am 17.06.2015 wird Dr. Sebastian Meyer, LL.M. in Walldorf bei SAP über aktuelle datenschutzrechtliche Themen
referieren. Der Vortrag über „Datenschutz und Datennutzung in Zusammenhang mit SAP- und IT-Projekten“ richtet sich dabei ausschließlich an SAP-Systempartner.
Dr. Sebastian Meyer, LL.M. wird am 26.06.2015 im Rahmen des 6. Thementages „Datensicherheit im Unternehmen“ der Universität Graz zum Thema „Das Konzept der Datenschutzaufsicht und freiwilligen Selbstverpflichtung
in Deutschland - ein Vorbild für Österreich?“ referieren. Weitere Informationen finden Sie unter www.brandi.net.
Verschiedenes
Datenschutz-Newsletter
Mit unserem Datenschutz-Newsletter berichten wir ab sofort immer zu Beginn eines Monats über aktuelle Themen
aus dem Datenschutzrecht. Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie unter
www.brandi.net.
Dr. Christian Kollmeier wurde im Januar 2015 zum Notar in Bielefeld bestellt.
Dr. Rüdiger Osten ist im Januar 2015 mit einer Arbeit über „Moderne Finanzierungsmittel im Gewerbesteuerrecht
- Factoring, Forfaitierung und Leasing nach der Unternehmensteuerreform 2008“ zum Dr. iur. promoviert worden.
Dr. Sörren Kiene hat im Januar 2015 seine Zulassung als englischer Rechtsanwalt erhalten und trägt nun den
Titel „Solicitor (England & Wales)“.
Dr. Franz Tepper, LL.M. ist seit Dezember 2014 Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht.
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und sollen eine anwaltliche Beratung nicht ersetzen. Für Anregungen und Rückfragen stehen Ihnen die jeweiligen Autoren der Beiträge oder die Redaktion
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