[d] i g i t a l intelligence institute Framework ECM Intelligence Social ECM als kollaboratives Dokumentenmanagement s ECM p ECM w ECM www.di-i.org Prof. Dr. Ayelt Komus / Wilfried Heinrich Inhalt Einleitung3 I Entwicklungstreiber für kollaboratives ECM 1. Digitale Akzeptanz 2. Mobility 3. Social Media 4. Cloud 5. Consumerization II Die soziale Dimension des Dokumentenmanagements 5 5 7 9 11 13 16 1. Konstituierende Merkmale sozialer Strukturen 16 2. Die Sozialfähigkeit von DMS/ECM 17 III Entwicklungstendenzen im kollaborativen Dokumentenmanagement 1. Sharepoint 2. Online-Speicher in der Cloud 3. Document Sharing als Social ECM IV Strategische Analyse und Rahmenkonzept für sECM 1. Generelle Digitalisierungs- und ECM-Strategie-Optionen 2. Nutzenperspektiven von sECM für Unternehmen 3. sECM-Strategie aus der Nutzer-Perspektive 4. Risikobewertungen 5. Realisierungsvarianten als Public oder Private Cloud V Projektentwicklung 1. Vorgehensmethodik 2. Prozessorientierte sECM-Konzeption 3. Integrationsmaßnahmen 4. Evaluierung des sECM-Providers VI Technische Infrastruktur für sECM 1. Communication Hub 2. Document Sharing-Rollen 3. Prozessvarianten für das Document Sharing 20 21 22 23 30 31 32 36 38 40 42 42 43 45 45 49 49 50 55 1 4. Einflussfaktoren 5. Benutzerverwaltung 6. Strukturierung der geteilten Informationen 7. Versionierung 56 58 59 60 VII Management des sECM-Betriebs 63 1. Prozess- und Qualitätsmanagement 2. Infrastruktur-Management 3. Organisationsmodell für sECM 63 64 66 VIII sECM Strategy Portfolio 69 IX Abbildungsverzeichnis 72 2 Einleitung Das Framework „ECM Intelligence“ gliedert sich in drei separate Teile auf. Während im ersten Teil, der bereits in 2012 erschien, das workflow-orientierte Dokumentenmanagement betrachtet und mit dem ECM-Performance-Index eine Methode zur wirtschaftlichen und qualitativen Steuerung von ECM-Prozessen vorgestellt wurde, widmet sich der aktuelle Band dem Social ECM als einer speziellen, aber an Bedeutung deutlich wachsenden Form des Dokumentenmanagements. Unter Social ECM ist hier im Kern die gezielte Nutzung digitaler Informationen in kollaborativen Strukturen mit gleichzeitiger Option für ein systematisches Sharing von Dokumenten gemeint. Mehreren Ansätzen unterliegt derzeit eine Entwicklung in diese Richtung, wenngleich mit unterschiedlichen kollaborativen Ausprägungsstufen. Zu den Entwicklungstreibern gehören vor allem Cloud-Archive1, die in kurzer Zeit eine breite Akzeptanz insbesondere im Bereich der privaten Nutzer gefunden haben. Dieser Trend resultiert nicht zuletzt aus der starken Verbreitung der mobilen Endgeräte, die als mobile Kleincomputer immer mehr zu individuellen Datenzentralen mit vielfältigen technischen Funktionen geworden sind. Zudem besteht ein deutlicher Trend hin zum Sharing, also dem Teilen, von Informationen. Allerdings besteht die Herausforderung, die vom Ursprung her professionelle unternehmensgeschäftsprozessbezogene Ausrichtung von ECM mit den Bedürfnissen der privaten User zu koppeln. Dabei sollten möglichst kollaborative Strukturen unterstützt werden, die auch sehr komplexe Beziehungen bei der Nutzung digital gespeicherter Informationen erlauben. Entsprechend definiert sich Social ECM (sECM) zunächst einmal als klassisches und nach professionellen Anforderungen funktionierendes Dokumentenmanagement, das aber gleichzeitig über seine bisher unternehmensbegrenzte Fokussierung hinausgeht, indem es ein kontrolliertes Teilen der elektronischen Informationen mit ausgewählten Adressaten erlaubt. Mit diesen erweiterten Möglichkeiten des Informationsaustauschs ergeben sich gleichzeitig nicht nur veränderte Dokumentenprozesse; vielmehr eröffnen sich vollständig neue 1) Ein (elektronisches) Archiv i.e.S. dient der unveränderbaren, langzeitigen Aufbewahrung elektronischer Information. In diesem Text wird der Archiv-Begriff um Funktionalitäten zur kurzfristigen und veränderlichen Speicherung von Informationen und insbesondere Dateien erweitert verstanden, wie es oft auch im allgemeinen Sprachgebrauch verbreitet ist. 3 Perspektiven in der interaktiven Kommunikation beispielsweise zwischen Unternehmen und ihren Kunden, Lieferanten und anderen Geschäftspartnern. Dieses Framework nimmt in seiner praktischen Ausrichtung nicht nur eine Abgrenzung des Social ECM vom klassischen Dokumentenmanagement vor und weist ihm eine eigene Kategorie zu. Vielmehr widmet es sich auch der Fragestellung, wie sich sECM-Projekte systematisch planen, organisieren und managen lassen. Dabei werden auch die notwendigen technischen Infrastrukturbedingungen einer ausführlichen Betrachtung unterzogen und in einem Lösungsmodell dargestellt. 4 I Entwicklungstreiber für kollaboratives ECM Die Technologien, Prozesse und methodischen Konzepte in den Unternehmensstrukturen wachsen immer mehr zusammen. Auch das Dokumentenmanagement muss sich offen für Veränderungen im Umfeld zeigen und sein Blickfeld erweitern. Zwar darf das Argument der Modernität nicht dazu führen, dass mit einer gewissen Beliebigkeit jedem Trend gefolgt wird, aber es ist wichtig, aus einem erweiterten Verständnis heraus kontinuierlich die relevanten Entwicklungsfaktoren zu erkennen und intelligent für die Weiterentwicklung von ECM zu nutzen. Herausforderungen dafür ergeben sich nicht nur infolge der Veränderungsgeschwindigkeit in Business und Technik. Durch die hohe Digitalisierungsdynamik in der gesamten Gesellschaft werden die von außen wirkenden Einfl üsse auf ECM in Zukunft vermutlich noch vielfältiger werden. Umgekehrt wird ECM dadurch aber auch maßgeblich an Bedeutung gewinnen – wenngleich das ECM der Zukunft nicht gänzlich dem Dokumentenmanagement nach den Vorstellungen der Gegenwart entspricht. Entwicklungstreiber des kollaborativen ECM Mobility Digitale Bildung Akzeptanz ECM Consumerization Cloud Abbildung 1 Social Media Unabhängig von der zukünftigen Weiterentwicklung ist jetzt bereits festzustellen, dass das Dokumentenmanagement bzw. Enterprise Content Management längst kein isolierter Bereich der IT-Welt mehr ist. Es steht unter vielfältigen Einfl üssen, die einen erweiterten Blickwinkel auf die digitale Nutzung von Informationen erfordern. 1. Digitale Akzeptanz Eine neue kollaborative Dimension des Dokumentenmanagements kann nur erreicht werden, wenn die Informationen und Dokumente in wachsendem Maß elektronisch zur Verfügung stehen. Und dies gilt für die Unternehmen gleichermaßen wie für die privaten Nutzer. So wächst in den Unternehmensorganisationen kontinuierlich der Umfang des di- 5 gitalen Informationsvolumens zulasten der papierbasierten Dokumente. Gleichzeitig setzen immer mehr Geschäftsprozesse vollständig auf elektronischen Content. Dies resultiert aus einer deutlich gewachsenen Akzeptanz digitaler Medien. So ermittelte etwa 2012 eine Studie des dii, dass quer durch die Hierarchieebenen und Altersgruppen der Unternehmen tendenziell eine große Bereitschaft besteht, verstärkt in digitale Technologien und Prozesse zu investieren. Zwar verzeichnet die Studie nach wie vor für das Top-Management in den persönlichen Affinitäten eine gewisse Distanz zu den digitalen Medien, doch nur jeder sechste von ihnen bezeichnet solche Investitionen als überflüssig. Im Gegenteil werden sie von 64 Prozent als zukunftsrelevant oder zumindest erstrebenswert beurteilt. Bei den Fachbereichsmanagern und Teamleitern liegt die Quote derer, die sich für ein stärkeres Engagement der Firmen in digitale Techniken aussprechen, sogar jeweils bei über drei Viertel. Für sie sind die digitalen Medien mehrheitlich unverzichtbar geworden. In der Altersbetrachtung wiederum plädieren die jüngeren Beschäftigten bis 30 Jahre in fast doppelt so hoher Zahl für eine Steigerung des Investitionsengagements wie die Befragten im Alter von über 50 Jahren. Dieses Kennzeichnen der hohen digitalen Affinität bei den Jüngeren hat zum Begriff der Generation der „Digital Natives“ geführt. Sie wächst überwiegend schon im Kindesalter mit elektronischen Medien auf und entwickelt dadurch ein digitales Selbstverständnis. Im Gegensatz zu den älteren Generationen brauchen die Digital Natives ihre Verhaltensgewohnheiten nicht zu ändern, um mit den neuen digitalen Medien zu arbeiten. Stattdessen charakterisiert sich die Nachwuchsgeneration durch ein insgesamt digital geprägtes Handlungsprofil im Alltag. Zugleich verändert diese Generation zunehmend auch das Verhalten der älteren Generationen durch intensiven Transfer von Verhaltensmustern der Digital Native-Generation auf die älteren Generationen. Für die kollaborative Nutzung von ECM hat diese Entwicklung der digitalen Akzeptanz samt der wachsenden soziografischen Angleichung digital orientierter Handlungsmuster eine zentrale Bedeutung: Die bisherige Fokussierung des Dokumentenmanagement auf den professionellen Einsatz in Unternehmen wird deutlich aufgeweicht, weil sich auch der private User gleich welchen Alters ganz selbstverständlich der elektronischen Speicherung und Archivierung von Bildern, Videos und anderen Dokumenten oder Informationen widmet. Dadurch 6 entsteht ein selbstverständlicher und von persönlichen Interessen geprägter Zugang zum Dokumentenmanagement, wodurch wirksame Digitalisierungsimpulse in die Unternehmen hineingetragen werden. 2. Mobility Die Flexibilisierung der Arbeitsplätze verknüpft mit ortsunabhängiger Nutzung von Anwendungen und Daten gewinnt eine immer größere Bedeutung. Dies geschieht zeitgleich mit einer fortschreitenden Arbeitsteilung und Vernetzung. Damit besteht als Konsequenz auch die Notwendigkeit, dass ECM-Lösungen nicht mehr nur am stationären Arbeitsplatz nutzbar sind. Vielmehr müssen sie auch einen bedarfsgerechten Zugriff über unterschiedliche Mobile Devices bieten, um dem veränderten Arbeitsrhythmus Rechnung tragen zu können. Die Unterschiede zwischen dem klassischen und dem mobilorientierten IT-Arbeitsplatz sind dabei sehr vielfältig: • Unabhängigkeit von der Infrastruktur: Wesentliche Grundlage für den IT-Arbeitsplatz der Zukunft ist die Abkehr von den ortsfesten Strukturen von Desktop-Rechnern mit ihren starren und infrastrukturabhängigen Technologien. Desktop-Rechner haben den Benutzer an ihren definierten Arbeitsplatz gebunden, so dass die Mitarbeiter bspw. nicht einmal in der Lage sind, einige Räumlichkeiten weiter im Gespräch mit Kollegen auf ihre lokal gespeicherten Daten zuzugreifen. Derartige Restriktion lässt sich durch die neuen Technologien wie etwa die Desktop-Virtualisierung auflösen, weil damit die Client-Nutzung von der ursprünglich festen IT-Architektur entkoppelt wird. • Zentralisierung für den standortunabhängigen Zugriff auf alles: Indem die Endgeräte im Falle einer Virtualisierung nur noch primär als Präsentationsinstrument für zentral bereit gestellte Anwendungen und Daten fungieren, kann der Ort des IT-Arbeitsplatzes frei gewählt werden. Anders als bisher ist ein flexibler Zugriff sowohl im unternehmensinternen Netzwerk als auch an anderen Firmenlokationen oder beim Kunden vor Ort möglich. Dies ermöglicht eine konsequente Ausrichtung der Prozesse auf den Business-Bedarf statt wie bisher abhängig von der technologischen Infrastruktur zu sein. • Neue Freiheiten bei den Endgeräten: Der Unterschied besteht jedoch nicht allein in der standortunabhängigen Nutzung etwa von Business-Applikationen, sondern es werden auch gleichzeitig neue Freiheiten in Sachen Endgeräte geschaffen. Schließlich können als Devices prinzipiell ebenso Tablet-PCs, Laptops oder Smartphones wie Desktops genutzt werden. Insofern gleicht sich mobiles Arbeiten in seiner Erscheinung immer mehr den Consumer-Technologien an. 7 • Kollaboratives Arbeiten wird einfacher: Mit den neuen Technologien werden zugleich bisherige Beschränkungen in der Teamarbeit beispielsweise mit Hilfe von Groupware-, Sharepoint- oder Wiki-Systemen deutlich reduziert. Dies entspricht auch dem Bedarf in der Praxis. Denn die in wachsendem Maß mobil geprägten Tätigkeiten vieler Mitarbeiter steigern die Notwendigkeit, dezentral miteinander arbeiten zu können. Dem Mobility-Trend bei den Arbeitsprozessen lässt sich möglicherweise die größte Wirkung auf die Entwicklung von Social ECM zuschreiben, da sie die Präsenz von Prozessbeteiligten an verschiedenen Orten impliziert, so dass Informationen und Dokumente in digitaler Form vorliegen müssen, damit sie ortsunabhängig zur Verfügung gestellt und genutzt werden können. Auch aus einem weiteren Grund ist der Mobility-Aspekt konstituierend für die soziale Nutzung von ECM: Social Media-Dienste werden hauptsächlich über mobile Endgeräte genutzt. Außerdem werden eigene Informationen in wachsendem Maß über Online-Archive gespeichert bzw. mit anderen Menschen geteilt und standortunabhängig genutzt. Durch diese Kombination entstehen deutliche Entwicklungskräfte für die kollaborative Nutzung von digitalem Content. Klassischer IT-Arbeitsplatz vs. Information Worker-Arbeitsplatz Merkmale infrastrukturabhängig ortsunabhängige Nutzung mobile Nutzung Endgeräte private Endgeräte kollaboratives Arbeiten Information Worker-Arbeitsplatz klassischer IT-Arbeitsplatz ► abhängig von Hardware und Betriebssystem ► keine bis geringe Abhängigkeiten ► standortabhängig ► flexibel nutzbar an jedem internen und externen Standort ► nein ► ja ► nur PCs und Terminals möglich ► freie Wahl (PCs, Tablet-PCs, Smartphones etc.) ► private Endgeräte ► prinzipiell freie Wahl Möglichkeit („Bring your own device“) ► zusätzliche Lösungen erforderlich ► native Unterstützung Abbildung 2 8 3. Social Media Die sozialen Netzwerke haben in den letzten Jahren das Kommunikationsgeschehen der Menschen deutlich verändert. Zwar bestehen altersspezifische unterschiedliche Nutzungsintensitäten mit einer deutlich höheren Verbreitung in der jüngeren Generation. Dies ändert aber nichts daran, dass beispielsweise der Social Media-Dienst Facebook inzwischen höhere Nutzerzahlen erreicht als die Suchmaschine Google. Zentrale und bestimmende Merkmale von Social Media sind Interaktivität und die hohe Bedeutung von User generated content, also Inhalten, die nicht etwa von einer Redaktion, sondern von den Nutzern selber generiert werden. Während in den herkömmlichen elektronischen Medien der Content dominierte, steht nun die Kommunikation im Mittelpunkt – auch wenn die Angebote nicht durchgängig klar voneinander abgrenzbar sind. Grundsätzlich lässt sich Social Media in vier Typen klassifizieren: • Kollaborative Plattformen, in denen von den Teilnehmern erzeugte Inhalte im Vordergrund stehen. Dazu gehören beispielsweise Wikipedia, Blogs oder Microblogs (Twitter). • Soziale Netzwerke, die primär der Eigenpräsentation und dem sozialen Austausch der Nutzer dienen. Dies sind etwa Facebook für den privaten Nutzerkreis oder Xing und LinkedIn für eine Business- oder beruflich orientierte Nutzung. • Communities zum Austausch von Inhalten, wie sie YouTube oder Flickr für Fotos und Videos darstellen. • Online-Spiele und die Gestaltung virtueller Welten stellen eine weitere Kategorie von Social Media dar. Hier gehören World of Warcraft oder Minecraft zu den typischen Vertretern. Aus dieser Klassifizierung lässt sich ableiten, dass über alle verschiedenen Social MediaGattungen hinweg erstens der interaktive Aspekt konstituierend ist und zweitens jeweils digitaler Content im Fokus der sozialen Vernetzung steht. Ihre dynamische Verbreitung findet aber längst nicht mehr ausschließlich in der privaten Nutzung statt, sondern es entwickeln sich immer mehr Berührungspunkte zwischen Social Media und den Unternehmensprozessen. Und durch den digitalen Content-Bezug der Kommunikation über diese Plattformen entstehen immer vielfältigere Schnittstellen zum klassischen Unternehmens-ECM. Allerdings darf auch nicht übersehen werden, dass die meisten Unternehmen erst sehr 9 begrenzt auf Social Media ausgerichtet sind. Denn auch wenn sie sich in Facebook oder anderen sozialen Netzwerken präsentieren, fehlt es vielfach noch an den technischen, organisatorischen und vor allem kulturellen Möglichkeiten, um mit ihren Zielgruppen eine systematische Kommunikation über die gesamten neuen Kanäle zu führen. Andererseits dürfte es sich dabei um eine Übergangssituation handeln. Schließlich hat sich durch das Social Networking nicht nur das Kommunikationsverhalten der Menschen verändert, sondern dieser Kommunikationskanal greift auch zunehmend in die Geschäftsprozesse der Unternehmen ein. Hintergrund sind einerseits die privat entwickelten Verhaltensmuster der digital aktiven User im Internet und den sozialen Netzwerken, die auf ihre Verhaltensgewohnheiten auch im betrieblichen Umfeld nicht verzichten möchten. Zugleich werden Unternehmen durch den Social Media-Kanal neue Kommunikationsmöglichkeiten eröffnet, indem sie die privat etablierten Nutzungsgewohnheiten etwa auf kommunikationsrelevante Elemente der Arbeitsprozesse übertragen können. Ein Beispiel dafür ist etwa die Unterstützung der Koordination von Projekten mit Hilfe von Social Media-Diensten, die einen ortsunabhängigen, intensiveren und kreativeren Austausch zwischen den Teammitgliedern erlauben. Zu den Nachteilen gehört aber, dass für Unternehmen mit der Nutzung sozialer Netzwerke zumeist ein Kontrollverlust über ihre Informationen verbunden ist. Sie müssen sich vorgegebenen Nutzungsbedingungen unterwerfen, die meist eine weitere Verwendung und Verwertung der persönlichen Benutzerdaten und -dokumente durch den Service-Betreiber implizieren. Obwohl dies derzeit noch in der Breite als notwendiges Übel akzeptiert wird, bleibt dies eine deutliche Schwachstelle der sozialen Netze, der demnächst vermutlich eine höhere Aufmerksamkeit zukommen wird. Die umfassende Diskussion im Kontext der NSA-Zugriffe auf den Datenverkehr dürfte dazu einen weiteren Beitrag leisten und führt bereits zu ersten Reaktionen bei Anbietern. Allerdings lässt sich angesichts der großen Eigendynamik im Social Media-Bereich gegenwärtig kaum gesichert abschätzen, ob in den zukünftigen sozialen Netzen der Datenschutz eine stärkere Verankerung findet. Wächst jedoch, wie zu erwarten ist, die private und unternehmensbezogene Nutzung stärker zusammen, wird dies kaum ohne eine Rückgewinnung der Kontrolle über die eigenen Daten möglich sein. 10 4. Cloud Sogenannte „Cloud“-Dienste spielen in der allgemeinen Diskussion in den letzten Jahren ein große Rolle. Auch wenn es an einer allgemein anerkannten Cloud-Definition fehlt, so lassen sich mit der weitgehenden Abstraktion der technischen Realisierung aus Sicht des Nutzers und der Ausgestaltung der Dienste in Form hoch standardisierter Leistungen zwei wesentliche Merkmale nennen. Zwar befindet sich die Entwicklung des Cloud-Konzepts erst noch in den Anfängen und es gibt erst wenige entsprechende Business-Applikationen im Markt. Dennoch ist davon auszugehen, dass diese Nutzungsvariante für Daten, Anwendungen und Services auch die ECM-Welt deutlich beeinflussen wird, weil sie den Anwenderunternehmen eine Reihe substanzieller Vorteile bieten. Dazu gehört insbesondere, dass ein schneller Einsatz der Anwendung möglich wird, eine hohe Skalierbarkeit gewährleistet ist, auf eine technische Infrastruktur für den Betrieb verzichtet werden kann und geringere Investitionen für die Implementierung entstehen. Diskussionen von Chancen und Risiken von Cloud-Services im Zuge des aktuellen Hypes vernachlässigen die Tatsache, dass westliche Gesellschaften ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage bereits seit Jahrzehnten Lösungen anvertrauen, die in zentralen Aspekten völlig identisch mit dem Cloud-Ansatz sind, nämlich dem modernen Bankwesen. Es liegt auf der Hand, dass etwa ein einfaches Giro-Konto dem Modell Cloud stark gleicht: Die Daten sind in einer abstrahierten, anonymen IT-Infrastruktur dezentral gespeichert, die Daten sind dezentral verfügbar, sind beispielsweise durch Überweisungen oder Lastschriftverfahren teilbar, außerdem sind sie integer und werden vor Fremdzugriffen geschützt. Die Daten sind allerdings bei der einfachsten Form homogen. Die zugrundeliegenden Objekte, Geldbeträge, zeichnen sich dabei durch einfache Beschreibbarkeit und hohe Standardisierbarkeit aus. Es handelt sich um nichts weiter als einen Wert, der dem Zahlenraum der rationalen Zahlen entstammt. Somit ist die Datenhaltung, Aktualisierung und Garantie der Integrität, die zu gleichen Teilen im Interesse des Dienstanbieters wie auch des Leistungsnehmers liegt, von geringem Aufwand geprägt. Aus dieser Perspektive mutet es paradox an, dass sich die Etablierung von Cloud-Diensten für weit weniger relevante Daten mit gleich hohem Leistungsanspruch um so vieles komplizierter zu gestalten scheint. Tatsächlich ist es aber so, dass sich die meisten Cloud-Speicherungsanbieter weit weniger als Banken denn viel mehr als soziale Dienste verstehen. 11 Bei genauerer Betrachtung von Amazons S3 als einem der größten Cloud-Speicheranbieter der Welt, der für viele bekannte Cloud-Dienste die Speicherbasis bildet, wird schnell deutlich: Einfachheit, schnelle Verfügbarkeit und preiswerter Speicherplatz sind die primären Bedürfnisse, die mit diesem Dienst angesprochen werden. Sicherheits- und Vertraulichkeitsbedürfnisse werden nur nachrangig angesprochen, wenn man von Ausnahmen wie dem AWS GovCloud (US)- Angebot absieht, das aber auf die Abdeckung der Bedürfnisse nach US-amerikanischen Vorgaben ausgerichtet ist. Nutzen- und Risikoprofi l von Cloud-Lösungen Vorteile Nachteile ortsunabhängige Nutzung sensible Datenschutzbedingungen keine Implementierung Abhängigkeit vom Cloud-Provider kein Betriebsaufwand geringe Individualisierung transparente Kosten begrenzte individuelle SLA-Bedingungen Abbildung 3 So entpuppt sich der zentrale Aspekt von sozialen Diensten, der auch dem Modell Cloud im privaten Sektor den Erfolg beschieden hat, nämlich die leichte Teilbarkeit und Verbreitung von Informationen, gleichzeitig als der zentrale Hinderungsgrund, Cloud-Angebote im großen Stil für sensible private oder geschäftliche Daten in Betracht zu ziehen. Nichtsdestoweniger sind es neben der ökonomischen Datenhaltung oder dem ressourcenschonenden Anwendungsbetrieb eben diese Aspekte der einfachen Teilbarkeit, Nutzbarkeit und der weitreichenden Akzeptanz, die auch für einen geschäftlichen Einsatz von Cloud weitreichende Effi zienzsteigerungen versprechen. Man denke nur an die Möglichkeiten nahtlosen Datenaustausches mit Dienstleistern aller Art und Kunden, ohne umständlich auf Fax, Email oder gar traditionelle Briefpost zurückgreifen zu müssen. 12 Mit der Nutzung von Cloud-Architekturen im ECM würde sich ein Versprechen von Cloud im privaten wie geschäftlichen Bereich erfüllen, nämlich die völlige Autonomie von Geräten und Infrastrukturen. Dies könnte zugleich als Basis für einen echten, technologiebasierten Paradigmenwechsel fungieren: weg von einer Datenhaltung, die lediglich die Optionen „Veröffentlichen“ und „privat Halten“ bietet, hin zu einem Datenhaltungsnetz, das sich echten menschlichen Kommunikationsmöglichkeiten angleicht: Informationen können nach Belieben für etwaige Adressaten adaptiert und diesen weitergegeben werden. Die Weitergabe an Dritte kann angestoßen, aber ebenso übernommen werden. Datenanfragen von beispielsweise Dienstleistern, Servicepartnern oder Leistungsgebern aktivieren nur solche Datenknoten, die für die entsprechenden Prozesse von Belang sind, während diese Daten in Echtzeit beliebig abgerufen werden können. Eine redundante Datenhaltung bei Wissensnehmern und Wissengebern würde unnötig und Versionskonflikte und veraltete Daten würden der Vergangenheit angehören. Praktisch wäre eine solche Entwicklung im Zuge der Etablierung von Protokollen denkbar, die einen standardisierten Datenaustausch von Vertrags-, Auftrags-, persönlichen Daten oder selbstverständlich auch Monitoring- oder Logdaten ermöglichen. Über eine Attribuierung bzw. ein Tagging von beliebig aufteilbaren Datenchunks bestimmt der Datengeber sowohl die Art der Daten als auch die Addressatendomäne. Stark vereinfacht würde jemand bspw. seinen Vor- und Zunamen, Adressdaten und Kontoverbindung mit dem fiktiven Standardtag „#persönliche Basisdaten“ versehen und der Domäne „#public“ und „#contractpartners“ zuweisen und so definieren, dass beliebige Vertragspartner jederzeit seinen Namen und Vornamen und ggf. weitere definierten Daten aus seiner Cloud abrufen können. Umgekehrt würde ein Leistungsnehmer einer Versicherung beispielsweise in die Lage versetzt, die exakten Leistungsparameter eines bestehenden Vertrages einem neuen Partner zukommen zu lassen, der dann sein Leistungsangebot exakt an den bestehenden Verträgen entlang gestalten und so Leistungsüberschneidungen verhindern könnte. 5. Consumerization Einher mit dem Mobility-, Social Media- und Cloud-Trend geht die sogenannte Konsumerisierung der Informationstechnik. Gemeint ist hier die wachsende Angleichung von technischen Systemen für private und professionelle Nutzer. Deren wesentlicher Impuls geht dabei häufig von den Konsumentenprodukten aus, wird aber auch von der Entwicklung gestützt, dass 13 Arbeits- und Privatleben in vielen Bereichen immer stärker zusammenwachsen bzw. nicht mehr die klassische Grenzziehung aufweisen. Tatsächlich sind in den letzten Jahren deutliche Überschneidungen zwischen berufl icher und privater IT-Infrastruktur entstanden, dies gilt schon seit längerem für Desktop-PC und noch mehr für die mobilen Devices ebenso wie für Anwendungen und Services mit ihren Smartphones, Cloud-Anwendungen und sozialen Netzwerken. Wesentlicher Treiber ist das Streben der Mitarbeiter ihre digitalen privaten Technik- und Kommunikationsgewohnheiten in das berufl iche Umfeld zu übertragen. Unternehmensnutzen durch Consumerization der IT Daraus ist nicht zuletzt der BYOD-Ansatz (Bring-your-own-device) entstanden, bei dem Mitarbeiter ihre privaten Endgeräte im Büro als Arbeitsmittel höhere IT-Akzeptanz einsetzen können. Ganz unabhängig davon, ob sich solche Verfahren u.a. geringerer Schulungsaufwand angesichts einer Reihe ungeklärter Rechts- und Sicherheitsfragen Produktivitätsgewinn durch besseres IT-Verständnis zukünftig in der Breite durchsetzen können zeigt dieses Beispiel sehr positive kollaborative Effekte deutlich: Aufgrund der Auswirkungen einer derart weit verbreiteten Nutzung technische Lösungsimpulse durch die User von privaten Geräten am Arbeitsplatz sind die Unternehmen gezwungen, technische Selbsthilfe der Mitarbeiter ihre Denkweisen und Organisationsmethoden deutlich zu überdenken. Abbildung 4 Zeitgleich mit dem zunehmenden Verschwimmen der Grenzen von Berufs- und Privatleben verschwimmen auch die Grenzen zwischen berufl icher und privater IT. Dies macht eine grundlegende Neugestaltung von Architekturen, Prozessen und Sicherheitskonzepten erforderlich. Positiv verbergen sich in „Consumerization of IT“ erhebliche Nutzenpotenziale für die Unternehmen. Zu den Vorteilen gehört zweifellos, dass Mitarbeiter auf diese Weise in großer Breite zu Innovatoren bezüglich der Geschäftsprozesse werden können, weil sie im Umgang 14 mit den digitalen Medien eigenes Können und Ideen mitbringen. Als Beispiel hierfür steht etwa die Online-Archivierung privater Dokumente über ECM-Lösungen in der Cloud. Gleichzeitig sind Mitarbeiter in der Kollaboration geübt, die auch für die Arbeitsprozesse in den Unternehmensorganisationen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Insgesamt kann davon die Innovations- und Kommunikationskultur des Unternehmens deutlich profitieren. Diesen positiven Effekten steht jedoch die Anforderungen gegenüber, dass die Unternehmen Prozesse, organisatorische Regelungen und die Bereitstellung technischer Dienste und Systeme teilweise neu gestalten müssen. Wollen sie an den Nutzenpotenzialen der IT-Konsumerisierung partizipieren, dann müssen sie sich aber auch mit den Mitarbeiterbedürfnissen und deren Sicherheitsbewusstsein auseinandersetzen und dazu bereit sein, weitreichende Bereiche der Geschäftsprozesse und IT-Strategien neu zu denken. 15 II Die soziale Dimension des Dokumentenmanagements Unter sozial werden wechselseitige Bezüge von Menschen verstanden. Die Ableitung aus dem lateinischen Aocius steht für Gemeinsamkeit und Verbundenheit, also für ein nach bestimmten formalen Regeln, Konventionen und Zielen funktionierendes Miteinander in kleineren oder größeren Gruppen. Wie die weltweit oder auch regional unterschiedlichen Kulturen zeigen, kann das Selbstverständnis in solchen sozialen Systemen durchaus sehr differieren. So hat etwa der Familienbegriff in südeuropäischen Ländern teilweise ganz andere Akzentuierungen als der in Skandinavien oder Asien. Andere der vielfältigen Beispiele für verschiedene Formen von Sozialkulturen sind der Umgang mit Freiheit oder Religion. Auch interessensorientierte Vereine, Parteien und andere Gruppierungen stellen Verbünde mit jeweils eigenem sozialen Profil dar. 1. Konstituierende Merkmale sozialer Strukturen Ohne sich näher mit Phänomenen gesellschaftlicher oder gesellschaftspolitischer Verhältnisse beschäftigen zu wollen, liegen generell jeder sozialen Struktur verschiedene Merkmale inne: 1. Selbstverständnis in Form von Grundsätzen, Philosophien und Zielsetzungen, die den Charakter der jeweiligen sozialen Gruppe spezifizieren und der Identifikation durch ihre Mitglieder dienen; 2. Verhaltensregeln, die sich in der Kommunikation und Art und Weise des Gruppenhandelns in seinen akzeptierten Aktionen und Reaktionen manifestieren und dabei spezifische Verhaltensinstrumente wie Sprache, Gesetzeswerke oder andere kulturelle Konventionen zur Konstituierung gruppenspezifischer Handlungsmuster nutzen; 3. Kollaboration in Form einzelner oder gruppenweiser Interaktion und Kooperation zur zielorientierten Ausgestaltung des Gruppenverhaltens im Rahmen des gemeinsamen Selbstverständnisses; 4. kompetentes und selbstbestimmtes Verhalten im Sinne freier Entscheidungen des Einzelnen bei der inhaltlichen, zeitlichen und selektiven Gestaltung von Interaktion und Kooperationen; 5. Umweltbezug, aus dem sich die Möglichkeiten und Grenzen des sozialen Handelns ableiten; 6. dynamische Weiterentwicklung der sozialen Strukturen zur sukzessiven Ergänzung und Optimierung der zielbestimmten Ausrichtung. 16 Diese typischen Kennzeichen lassen sich dazu heranziehen, um die Frage nach der Sozialfähigkeit des Dokumentenmanagement bzw. Enterprise Content Management zu beantworten. Dabei richtet sich der Blick zunächst darauf, dass es sich Konstituierende Merkmale sozialer Strukturen bei ECM traditionell primär um eine technisch orientierte Diszipspezifisches Selbstverständnis lin handelt, die in ihrer Herkunft keinen unmittelbaren sozialen spezifische Verhaltens- und Kommunikationskonventionen Bezug aufweist. Vielmehr stellt DMS/ECM in der klassischen Interaktion und Kollaboration Betrachtung ein eher technisch orientiertes Instrument zur Optiindividuelle Gestaltungsoptionen mierung bzw. Unterstützung der betriebswirtschaftlichen Prozesumweltbezogene Verhaltensdispositionen se und Erfordernisse (Compliance) in Unternehmen und Verwaldynamische Weiterentwicklung tungseinrichtungen dar. Abbildung 5 Insofern stellt die soziale Ausrichtung im Sinne einer Teilhabe und aktiver Mitwirkung verschiedener Nutzer eine neue Option dar. Denn Informationen stehen damit nicht nur im individuellen Zugriff einzelner Personen oder von Mitgliedern bestimmter, fest defi nierter Prozessschritte zur Verfügung, sondern sie können im kollaborativen Sinne nach eigenen Kriterien fl exibel einem festlegbaren und veränderbaren Adressatenkreis zur Verfügung gestellt werden. 2. Die Sozialfähigkeit von DMS/ECM Ob es sich bei Social ECM um eine realistische Perspektive oder nur um eine populär konstruierte Vision handelt, lässt sich anhand der kennzeichnenden Merkmale sozialer Strukturen als Anforderungen auf den Sachverhalt von DMS/ECM projizieren: 1. soziales Selbstverständnis: Generell gilt in Unternehmen, Verwaltungseinrichtungen und zunehmend auch im privaten Bereich die Zielsetzung, dort wo möglich auf Doku- 17 mente in Papierform zu verzichten. Die damit verbundene Fokussierung auf digitalisierte Dokumente und Informationen verlangt über DMS/ECM-Systeme eine systematische Archivierung und Bereitstellung. Und indem digitalisierte Informationen nach dedizierter Auswahl Dritten für eine kooperative (1:1-Verhältnis) oder kollaborative Nutzung (1:n- oder n:n-Verhältnis) zur Verfügung gestellt werden, wird ein gemeinsamer Orientierungsrahmen konstituiert. Der Kern dieser ideellen Ausrichtung von Social ECM besteht wesentlich darin, durch ein gezieltes Teilen von Informationen deren Nutzungsqualität zu steigern. 2. Verhaltensregeln: Zu den wesentlichen Anforderungen im Dokumentenmanagement gehören die Revisionssicherheit und der Datenschutz, die sich auf der organisationsindividuellen Ebene typischerweise in der Compliance-Policy für den Umgang mit Dokumenten und Informationen darstellt. Diesem Anspruch kann Sozial ECM dann gerecht werden, sofern allen beteiligten Usern – ganz gleich ob unternehmensintern oder unternehmensübergreifend – die Pflicht obliegt, Informationen nach ähnlichen Prinzipien zu archivieren bzw. anderen nutzbar zu machen. Auch die Verbreitung von Dokumenten- und andere technologische Standards wie beispielsweise PDF unterstützen kollaborative Prinzipien. Zudem gehört es zu den typischen Funktionsmerkmalen von DMS/ECM-Systemen, dass über differenzierte Berechtigungskonzepte eine transparente Steuerung der Nutzung geschaffen werden kann. 3. Kollaboration: Dieses konstituierende Merkmal stellt nicht nur die operative Ebene des sozialen Selbstverständnis entsprechend den Verhaltensinstrumenten und -regeln dar, sondern ist gleichzeitig die Keimzelle des Nutzenpotenzials einer gruppenorientierten Nutzung von digitalen Informationen. Denn indem Informationen einem theoretisch beliebig großen Nutzerkreis zur Verwendung und Bearbeitung bereitgestellt werden können, entstehen prinzipiell grundlegend neue Potenziale für die Effizienz, Realisierungsgeschwindigkeit und Qualität von Arbeitsprozessen. Auch das Wissens- und Organisationsmanagement oder die individuelle Informationsbeschaffung kann erhebliche Vorteile daraus ziehen. Grundsätzliche Restriktionen für den Zugriff auf digital gespeicherte Dokumente und Informationen bestehen im Social ECM nicht mehr, insofern verbirgt sich im kollaborativen Aspekt und seinen facettenreichen Perspektiven ein elementarer Beleg für die gruppenorientierte Nutzbarkeit von DMS/ECM. 4. kompetentes und selbstbestimmtes Verhalten: Trotz aller gruppenspezifischer Regeln, Kulturen und anderer Bedingungen steht in sozialen Strukturen der individuelle Mensch im Mittelpunkt des gruppenorientierten Verhaltens. Übertragen auf das Feld des Dokumentenmanagements resultiert daraus die Frage, ob die einzelnen Mitglieder grundsätzlich über die notwendigen Fähigkeiten zur Nutzung moderner Technologien verfügen 18 können. Aber auch die Handlungsbereitschaft zur Gestaltung unterschiedlich komplexer wechselseitiger Prozesse sind notwendig. Auch geräte-, ressourcen- und infrastrukturunabhängige Zugriffs- und Verwaltungsregelungen für beliebige Daten gehören zu den Anforderungen an eine freie Gestaltung gruppenorientierter und kollaborativer Prozesse. Diesen Social Performance-Anforderungen von DMS/ECM kann zweifellos entsprochen werden. Die Qualität der kooperativen Nutzung von digitalen Informationen hängt jedoch auch von den individuellen Handlungskompetenzen und Mitgestaltungsmöglichkeiten der Teilnehmer ab, da über Social ECM lediglich ein Handlungsrahmen mit Nutzungsoptionen angeboten werden kann. 5. Umweltbezug: Das Informationsverhalten in sozialen Gruppen steht grundsätzlich immer in einer direkten Beziehung zur Umwelt und wird in weiten Teilen durch die Interaktion mit ihr initiiert. Dies gilt gerade auch für Informationen im Kontext von Unternehmen oder öffentlichen Institutionen. Sie werden inhaltlich und in ihrer Art wesentlich durch extern gerichtete Strategien, Markteinflüsse, über die Lieferanten- und Kundenstrukturen, durch gesellschaftliche Trends und andere, beispielsweise soziokulturelle, Rahmenbedingungen geprägt. Der damit konstituierte Umweltbezug verändert sich auch nicht durch die kollaborative Nutzung von digitalen Dokumenten und Informationen, weshalb DMS/ECM auch in dieser Hinsicht über die notwendige soziale Performance verfügt. 6. Veränderungsdynamik: Soziale Strukturen im technikorientierten Umfeld weisen im Regelfall eine evolutionäre Entwicklung auf. Sie muss allerdings nicht zwangsläufig gradlinig verlaufen, sondern kann durch Integration mit anderen technologischen Entwicklungen zusammenfließen oder von ihnen beeinflusst werden. Gerade die Geschichte der IT ist sehr vielfältig von diesem Phänomen geprägt und es gilt auch für das Dokumentenmanagement, wie beispielsweise die Zusammenführung mit den Entwicklungen in Bereichen wie Mobility oder Cloud zeigen. Zudem verbirgt sich gerade auch in den kollaborativen Perspektiven von DMS/ECM eine potenziell sehr hohe Veränderungsdynamik. Deren weitere Entwicklungspotenziale und Grenzen können derzeit kaum prognostiziert werden. Dies gilt auch für die daraus resultierenden möglichen Konsequenzen des sozialen Handelns über digitale Kanäle und Entwicklung neuer sozialer Verhaltensmuster mittels technischer Medien. Insofern erfüllen DMS/ECM-Lösungen prinzipiell alle konstituierenden Kriterien der Sozialfähigkeit, also zur sinnvollen Nutzung im sozialen Umfeld, wie sie aus dem typischen Handlungsprofil in sozialen Gruppen abzuleiten sind. 19 III Entwicklungstendenzen im kollaborativen Dokumentenmanagement Dass dem Dokumentenmanagement eine soziale Dimension in professionellen Einsatzfeldern innewohnt, lässt sich über die vorgenommene analytische Bewertung hinaus auch aus bisherigen Entwicklungen ableiten. Denn die Idee der kollaborativen Arbeitsprozesse liegt schon länger zurück und ist beispielsweise in den Groupware-Lösungen zu fi nden. Zu deren typischem Leistungsprofi l gehören vor allem Messaging-Features wie etwa E-Mail-, Kalender- und Notizbuchfunktionen oder eine gemeinsame Dokumentenverwaltung und -entwicklung sowie eine Verwaltungsunterstützung im Projektmanagement. Sie sind jedoch nicht speziell auf Dokumentenmanagement ausgeTrends im kollaborativen richtet und können dadurch ArbeitsDokumentenmanagement prozesse nur begrenzt unterstützen, in denen ein gruppenbezogener Zugriff und Austausch auf gespeicherte universelle kollaborative Systeme Dokumente wichtig ist. Insofern weisen die Groupware-Lösungen Cloud-Archive für private Nutzer unter dem Aspekt des Dokumentenmanagements deutliche Grenzen auf professionelles Document Sharing in der Cloud und können demzufolge nicht dem Social ECM zugeordnet werden. Abbildung 6 Im Bereich Social ECM lassen sich derzeit vor allem drei generelle Kategorien heraus arbeiten: • Sharepoint als universelles kollaboratives System • Online-Archive für private Anwender • professionelles Document Sharing in der Cloud. Während Sharepoint unter dem Gesichtspunkt von ECM eine Sonderrolle darstellt, weil dieses System keine spezifi sche Ausrichtung auf ECM in sich birgt, entspringen die anderen beiden Lösungskategorien originär dem Ziel dem Dokumenten- oder Contentmanagement. Zudem entspringen die beiden Cloud-Varianten dem Social Media-Trend mit ihrem spezifi schen Handlungsprofi l bei der Nutzung digitaler Informationen. 20 1. Sharepoint Seit einigen Jahren haben sich mit den Sharepoint-basierten Lösungen ECM-Angebote eines ganz neuen Typs in der Welt des Dokumentenmanagements etabliert. Während sich die klassischen ECM-Lösungen durch ein spezielles Funktions- und Einsatzprofil charakterisieren, unterstützten die Sharepoint-basierten Alternativen zwar ähnliche wirtschaftliche und effizienzsteigernde Funktionalitäten, aber ihre eigentliche Stoßrichtung ist eine andere: die Kollaboration und das Teilen von Informationen in ihren vielfältigen Facetten. Insofern adressieren diese ECM-Lösungen vor allem solche Unternehmen, die im Rahmen ihrer kollaborativen Ziele bereits über eine klare Sharepoint-Strategie beispielsweise für ihr Intranet verfügen, in deren weiterer Umsetzung auch das Dokumentenmanagement einbezogen werden soll. Zudem stellt Sharepoint in Sachen Kollaboration eine Multifunktionsplattform dar. Sie dient längst nicht nur ECM, sondern über dieses Teilwerkzeug hinaus können noch eine Vielzahl weiterer Disziplinen abgebildet werden. Der übergreifende Gedanke ist dabei, Informationen einfach auffindbar und auf transparentem Weg austauschbar zu machen. Diese Informationen müssen keineswegs immer Dokumente sein, sondern ebenso Termine, Aufgaben, Reports oder ein Wiki innerhalb eines Projektraumes. Infolge der großen Verbreitung von Sharepoint mit rund 125 Millionen Seats in 2012 stellt diese Plattform einen Treiber für die gesamte ECM-Entwicklung dar. Dabei wird es zukünftig aber voraussichtlich noch zu einer stärkeren Abgrenzung zwischen dem Sharepoint-basierten und klassischen Dokumentenmanagement kommen. Dies resultiert aus der konsequenten Verfeinerung des kollaborativen Profils der Plattform, die Microsoft anstrebt. Sharepoint wird damit einerseits immer mehr Filesystem und Integrationswerkzeug, andererseits soll es durch die starke Social Web-Orientierung auf die Anforderungen junger Menschen an ein modernes Informationsmanagement zugeschnitten werden. Hintergrund ist, dass die nachwachsenden Generationen zunehmend eine andere Sicht auf den Content hat. Sie werden Dokumente vermutlich nicht mehr primär über E-Mail austauschen, sondern wollen zukünftig beispielsweise über Business-Twitter oder Business-Facebook kommunizieren. Dieses Social Networking, das sie aus ihrem privaten Umfeld her kennen, wird wohl nach Ansicht von Microsoft auch ihre Präferenzen beim Umgang mit Content im Arbeitsumfeld bestimmen. 21 2. Online-Speicher in der Cloud Wohl kaum ein aus der IT stammender technischer Begriff wurde so schnell vom allgemeinen Sprachgebrauch der Konsumenten übernommen wie die Bezeichnung Cloud. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser raschen Verbreitung hat zweifellos die iCloud von Apple geleitet. Von dieser allgemeinen Akzeptanz profi tieren auch die Online-Speicherdienste. Ihre schnell gewachsenen User-Zahlen resultieren aber auch daraus, dass sie in ihrem Nutzungsprofi l der Social Media-Welt entspringen und meist sowohl stationär als auch mobil darauf zugegriffen werden kann. So bestehendie meisten Cloud-Speicher nicht nur als Web-Anwendungen, sondern sie können ebenso als PC-Client und über Apps für das Smartphone und den Tablet-PC genutzt werden, um standortunabhängig auf die Daten zugreifen zu können. Cloud-Speicher stellen Webdienste mit einfachem Handling zur Speicherung elektronischer Dokumente dar, die für verschiedene Endgeräte synchron gehalten werden können. Dazu können Textdokumente Bilder, Videos, Scans und teilweise auch E-Mails und Telefongespräche gehören. Die Speicherung erfolgt auf einem zentralen Server, vielfach in Ländern mit geringen Betriebskosten für die Rechenzentren außerhalb der Europäischen Union. Dies hat auch wirtschaftliche Gründe, denn die im Regelfall kostenlosen Einstiegsangebote sind oft mit einem beträchtlichen Speichervolumen von ein oder zwei Grundstruktur ECM in der Cloud Gigabyte ausgestattet. Auch diese kostenfreie Nutzung hat zweifellos zur starken Verbreitung beigetraTablet-PCs gen, da keine monetären EntscheiBildung PCs dungshürden entstehen. ECM Smartphones Abbildung 7 Notebooks Weil aber diese Lösungen primär den Kreis der Privatanwender adressieren, entsprechen ihre Möglichkeiten der systematischen Speicherung nicht dem Niveau professioneller Lösungen für das Dokumentenmanagement. Allerdings werden inzwischen auch vermehrt 22 die Business-Anwender angesprochen, selbst das Online-Archiv Dropbox hat Unternehmen als Zielgruppe entdeckt. Doch gerade die Cloud-Angebote mit primärer Ausrichtung auf private Nutzer weisen erhebliche sicherheitstechnische Defizite auf. Dies gilt besonders für den Aspekt der Datenspeicherung in Ländern mit geringem Datenschutzniveau, aber auch eine Verschlüsselung der Datenübertragung fehlt oft oder muss vom User zusätzlich eingerichtet werden. Vielen Online-Speichern fehlt es zudem an einer Zertifizierung nach internationalen Normen. Andere Anbieter hingegen fokussieren ausschließlich auf Unternehmen als Anwender und bieten demzufolge auch eine professionelle Speicherung und Archivierung in der Cloud an. Dazu gehört beispielsweise die Einrichtung frei wählbarer Aktenstrukturen, Indexierungsund ausgeprägte Suchfunktionen, eine Archivierung von Standard-Dateiformaten wie PDF, TIFF und JPG und die revisionssichere Speicherung entsprechend den Anforderungen nach Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GdPDU) und Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). Auch ein verschlüsselter Datenverkehr und die Einhaltung von unternehmensindividuellen Compliance-Anforderungen für die E-Mail-Archivierung werden bei diesen Business-Lösungen gewährleistet. Beide Angebotsgruppen sind aber nur begrenzt kollaborativ, weil von ihrer jeweiligen Entwicklungsideen her primär eine Konzentration auf den einzelnen Nutzer besteht. 3. Document Sharing als Social ECM Eine ganz neue Kategorie des kollaborativen Dokumentenmanagements kennzeichnet sich dadurch, dass sie einerseits aus den Grundideen des Social Networkings entstammt, aber gleichzeitig die Restriktionen der vorgenannten Lösungsansätze beseitigt. • Es besteht ein ausgeprägter Community-Ansatz, indem digitale Dokumente jederzeit über flexibel gestaltbare Beziehungsstrukturen geteilt werden können. • Die Speicherung von Dokumenten erfolgt ebenso wie bei anderen Formen der OnlineSpeicherung in der Cloud und ist demzufolge standortunabhängig und über alle gängigen stationären wie mobilen Endgeräte nutzbar. • Es erfolgt eine Archivierung auf rechtlich gesicherter Basis, indem elementare ECMAspekte wie die Möglichkeiten zur umfassenden Verknüpfung mit Metadaten, Einbindung 23 in Geschäftsprozesse, Versionsverwaltung, die Revisionssicherheit und Datenschutz zum konstituierenden Bestandteil des Lösungskonzepts gehören. Aus praktischer Sicht verbirgt sich dahinter eine bessere und systematische Ordnung von digital gespeicherten Informationen mit Zugriff von jedem beliebigen Standort aus, wie sie die bisherigen Online-Archive bieten. Dies schöpft jedoch die Nutzenpotenziale noch nicht aus, solange nicht zusätzlich auch die Möglichkeit besteht, die eigenen Inhalte mit anderen teilen und sie dabei gleichzeitig systematisch speichern und archivieren zu können. Denn eine solche Community-Ausrichtung erzeugt für alle Beteiligten insofern eine Nutzenoptimierung, als dass die Kommunikation zwischen Einzelpersonen und Unternehmen oder Organisationen jeglicher Größe vereinfacht wird. Grundprinzip Document Sharing Dies gilt beispielsweise für Rechtsanwälte oder Steuerberater, die ihren Klienten die regelmäßigen Dokumente und Korrespondenz Bank durch Teilen einfach in deren Versicherung Online-Archiv stellen, wo es automatisch in den defi nierten Steuerberater Verzeichnissen sicher gespeichert Cloud wird. Entsprechende BenachrichArchiv tigungen weisen dann die AdresAndere saten auf den Eingang der neuen Informationen hin. Umgekehrt können die Klienten wiederum ihre InArbeitgeber Vermieter formationen mit dem Cloud-Archiv des Steuerberaters oder Anwalts teilen. Beide Seiten profi tieren daAbbildung 8 von, weil sie jederzeit digital über exakt die gleichen Informationen verfügen, ohne dass der Klient am Jahresende den obligatorischen Schuhkarton voller alter Papier-Rechnungen in die Kanzlei tragen muss. Nach dem gleichen Prinzip können auch Unternehmen jeglicher Größe wie Versicherungen, Banken, Energieversorger oder selbst kleine Handwerksbetriebe darüber enger mit ihren 24 Kunden zusammenrücken: Sie übertragen ihre Verträge, Abrechnungen und sonstigen Informationen automatisch in das Community-Archiv ihrer Kunden. Damit können sie nicht nur ihre Druck- und Versandkosten deutlich mindern, sondern bieten zudem auch gleichzeitig eine höhere und moderne Servicequalität, weil der Kunde die gesamten Dokumente direkt auch in seinem Online-Archiv systematisch archiviert erhält. Zielgruppen von Unternehmen für das Document Sharing (Beispiele) Kunden Versicherungen/Banken Mitglieder von Projektteams Verbände/Verbandsmitglieder Lieferanten Behörden Dienstleister (Rechtsanwälte, Steuerberater, Logistiker, etc.) Reseller-, Entwicklungs-, Kooperationspartner Abbildung 9 Doch darin erschöpft sich der kollaborative Charme des Community-Ansatzes bei den Online-Archiven noch keineswegs. Besonders interessant wird es, wenn der User als Kunde im Mittelpunkt verschiedener Unternehmenskontakte steht und er Informationen zwischen ihnen koordinieren kann. Hat er beispielsweise von seinem Versicherungspartner eine Lebensversicherung im Archiv und will sie für eine Immobilienfi nanzierung einsetzen, kann er diesen Vertrag, der vorher zwischen Versicherung und ihm geteilt wurde, nun wiederum für den Kreditantrag mit seiner Bank nutzen, ohne dass er neu übermittelt werden muss. Auch die notwendige Gehaltsnachweise können so dem Kreditinstitut direkt zugehen, wenn der Arbeitgeber die Lohnabrechnung im Community-Archiv verwaltet. Nach einer dii-Studie gibt es auch bereits deutliche Anzeichen dafür, dass die Unternehmen solchen Modellen relativ erwartungsvoll gegenüber stehen. Zwar urteilt jeder fünfte der fast 300 befragten Business-Manager, die Verbreitung des Document Sharing im Business-Umfeld 25 sei letztlich eine Frage des Datenschutzes und der Sicherheitslevel. Auf diesen Aspekt will es etwa die Hälfte der Firmenvertreter gleichwohl nicht reduzieren. Sie sind sich entweder bereits sehr sicher oder haben zumindest eine gewisse Erwartung, dass solche Verfahren des Teilens eine Zukunft haben werden. Lediglich ein knappes Drittel der Befragten ist skeptisch und glaubt nicht daran, dass solche Cloud-Dienste auch für Unternehmen sinnvoll sein können. Unternehmensnutzen des Document Sharings Doch für eine positivere Einschätzung spricht nach Meinung von 60 Prozent der Befragten, dass über das Doschnellere und komfortablere Kommunikationsprozesse zu Kunden und Partnern cument Sharing eine engere Vernetzung mit den Zielgrupsystematische Archivierung bei allen Sharing-Beteiligten pen erreicht werden könnte. Ähnlich viele erwarten Erintegrierte Weiterverarbeitung der digitalen Informationen sparnisse bei den Kommunikationsaufwänden. Aber auch alle Beteiligte immer mit identischer Informationsbasis schnellere Kommunikationsund Abstimmungsprozesse, engere Vernetzung mit wichtigen Zielgruppen weil alle Sharing-Beteiligten über die gleiche Informationshöherer Kundenservice basis verfügen, werden von vielen als interessanter NutImagesteigerung durch moderne Kommunikationsform zen angesehen. Hinzu kommt nach Meinung von zwei DritVersandkostenersparnisse teln der Business-Manager: Solche Verfahren würden auf eine hohe Benutzerakzeptanz Abbildung 10 stoßen, und zwar bei den Kunden ebenso wie bei Produktlieferanten und Dienstleistungspartnern. Allerdings bestehen bei den Unternehmen hohe Ansprüche, was die Realisierbarkeit des Document Sharings betrifft. So votieren drei Viertel für eine Datenspeicherung in Deutschland, ebenso viele machen eine verschlüsselte Datenübertragung zur Voraussetzung. Aber auch eine revisionssichere Archivierung in der Cloud gehört zu den Ansprüchen. 26 Sehen Sie im Document Sharing in der Cloud eine Zukunft? auf jeden Fall nur bei hohen Sicherheitslevels vermutlich eher nein 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% Gleichzeitig machen die Business-Manager deutlich, dass eine technische Integration der Sharing-Prozesse in die zentrale IT-Infrastruktur des Unternehmens notwendig ist. Aber sie verweisen auch noch auf zwei weitere Aspekte: Ein Document Sharing könne nur gelingen, wenn es intern zu einem veränderten Kommunikationsbewusstsein komme und eine hohe Digitalisierungsbereitschaft bei den ausgewählten Zielgruppen bestehe. 35% Diese Ergebnisse weisen ebenso wie die bereits hohen Nutzerzahlen der klassischen Cloud-Archive darauf hin, dass eine große Bereitschaft für einen konsequenten kollaborativen Ansatz vorhanden ist. Zu den treibenden Faktoren der weiteren Entwicklung des Akzeptanzpotenzials von Social ECM im Sinne von Sharing ECM gehören: (n=294 ECM-Anwender; Mehrfachnennungen möglich; Quelle: dii; 2013) Abbildung 11 Welche Nutzenvorteile könnten für ein Document Sharing sprechen? • Einfach in bestehende Handlungsmuster integrierbar: Das Modell Sharing ECM entspricht den breit etablierten Communitiy-Affi nitäten vieler geringer Kommunikationsaufwand Nutzergruppen von Consumer-IT und Ersparnisse bei Versandkosten lässt sich dadurch ohne wesentlichen gleiche Informationsbasis Lernaufwand oder Akzeptanzhürden in schnellere Abstimmungsprozesse ihr alltägliches Verhaltensmuster inteengere Vernetzung mit Zielgruppen grieren. Im Gegenteil besteht bei den Verfahren mit hoher Akzeptanz digital-affi nen Zielgruppen die Tendenz, neue technische Entwicklungen in ihre andere Vorteile Handlungsmuster zu übernehmen. 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 0% (n=294 ECM-Anwender; Mehrfachnennungen möglich; Quelle: dii; 2013) • Hohe Nutzenperspektiven für alle Abbildung 12 Beteiligten: Für beide Einsatzkategorien – das Teilen von digitalisierten Informationen im kundenorientierten Business to Comsumer wie das Document Sharing mit Lieferanten oder Geschäftspartnern im Business to 27 Business-Bereich – bestehen erhebliche Nutzenperspektiven. Auf der Unternehmensebene sind sie durch die Digitalisierung der Geschäftsprozesse und Abbau papierbasierter Dokumente dabei bereits vertraut, während die privaten Nutzer für eine elektronische Archivierung ihrer Informationen noch Gewohnheitsveränderungen vollziehen müssen. Allerdings zeigen die Beispiele elektronischer Rechnungen und der Umgang mit den mobilen Endgeräten in den letzten Jahren, dass mit der hohen digitalen Affi nität eine große Veränderungsbereitschaft einhergeht. Kundennutzen des Document Sharings direkte Kommunikation mit relevanten Unternehmen vollständig digitale Kommunikation Ordnung in allen relevanten Dokumenten durch systematische Archivierung Nutzung des Cloud-Archivs als multi-kollaborative Plattform alle Sharing-Beteiligten immer mit identischer Informationsbasis ortsunabhängiger/mobiler Dokumentenzugriff Abbildung 13 • Veränderungszwänge der Wirtschaft: Unternehmen müssen sich aktiv dem Social Media widmen und die digitalen Verhaltensprofi le sowohl in ihrer Kommunikationskultur berücksichtigen als auch in ihre Geschäftsstrategien einbinden. Bislang werden die sozialen Netze primär aus Marketingsicht im Sinne der Imagebildung betrachtet, ohne dass Social Media für Zwecke wie die Verbesserung der operativen Abläufe genutzt wird. Es dürfte jedoch infolge der sich zunehmend kollaborativen Verhaltensgewohnheiten ein deutlicher Handlungsdruck wachsen, digitale Technologien und Kommunikationsmöglichkeiten für Service- und Business-Prozesse im Kontakt mit den Kunden nutzbar zu machen. • Kultureller Wandel: Während traditionell das Bestreben der Menschen darauf ausgerichtet war, Besitz von materiellen Gütern zu erlangen, um sie bestmöglich im eigenen Interes- 28 se einsetzen zu können, vollzieht sich derzeit ein deutlicher Bewusstseinswandel. Denn in diesem Wertewandel steht nicht mehr das Besitzen, sondern das Nutzen im Vordergrund. Deutliche Beispiele hierfür finden sich außerhalb der digitalen Welt, beispielsweise im zunehmend genutzten Car Sharing. Auch sind immer mehr Internetportale erfolgreich, in denen gemeinsam nutzbare Ressourcen angeboten werden. In der Industrie hat sich der Sharing-Gedanke mit dem Outsourcing, bei dem keine Eigeninvestitionen etwa für den IT-Betrieb vorgenommen und stattdessen Nutzungsgebühren entrichtet werden, sogar schon deutlich früher durchgesetzt. Indem die Fokussierung auf die Nutzungsmöglichkeiten statt des Besitzens nun auch in unterschiedlichen Facetten im privaten Sektor an Akzeptanz gewinnt, werden im Kontext der digitalen Verhaltensgewohnheiten der Menschen zusätzliche Impulse für das Sharing-Modell beim Dokumentenmanagement geschaffen. Dokumente bzw. die IT-Systeme zur Speicherung derselben müssen damit nicht mehr im direkten Zugriffsbereich bzw. im Eigentum der Nutzer sein. Aus diesen Betrachtungen heraus ergibt sich, dass die Variante des Document Sharings den Ansatz des Social ECM am besten umsetzt, da es die konsequenteste Form der kollaborativen Nutzung von digitalen Informationen darstellt und gleichzeitig den aus dem Zeitgeist abzuleitenden Verhaltensaffinitäten entspricht. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass sich Social ECM im Einsatz der Unternehmen nicht automatisch aus ihren Geschäftsprozessen und technischen Infrastrukturen ableitet. Vielmehr müssen für Strategien mit Ausrichtung auf ein systematisches ECM-Sharing spezifische Voraussetzungen geschaffen werden, die technische und organisatorische Fragen ebenso deutlich berühren können wie die Formen von Kundenbeziehungen und Vermarktungsmodelle. 29 IV Strategische Analyse und Rahmenkonzept für sECM Mit der grundlegenden Erweiterung des Verständnisses und der Prozesse des Dokumentenmanagement durch Social ECM ergeben sich aus der Sicht der Unternehmen vielfältige Veränderungen. Denn Unternehmen mit ECM-Systemen und -Prozessen müssen überlegen, wie sie ihr Dokumentenmanagement in Richtung Social ECM weiterentwickeln. Unternehmen wiederum, die ein neues ECM-System einführen wollen, sollten im Interesse einer nachhaltigen und zukunftssicheren Lösung die Besonderheiten von Social ECM im Einführungsprozess konzeptionell berücksichtigen. Die Prozessgestaltung und ein Vorgehensmodell zur Einführung einer ECM-Lösung wurden bereits im ersten Teil des Framework ECM Intelligence dargestellt. Diese Ausführungen behalten auch bei der Einführung von Social ECM-Lösungen ihre Gültigkeit. Allerdings sind zusätzlich die Entwicklung von sECM-Strategien Besonderheiten des Social-Aspektes und seine Auswirkungen Klärung der generellen Digitalisierungs- und ECM-Strategie-Optionen zu berücksichtigen. Die betreffen organiKlärung der generellen Ziele aus der Unternehmenssicht satorische, prozessuale und technische Definition der sECM-Strategie aus der Nutzerperspektive Bedingungen ebenso wie Compliance-beRisikoanalyse mit Compliance- und Datenschutz-Auswirkungen zogene und vermarktungsrelevante KonRealisierung als Public oder Private Cloud sequenzen. Abbildung 14 Für die Einführung eines Social ECM-Systems empfi ehlt sich mit Blick auf die Unternehmen zunächst die Durchführung einer Strategischen Analyse. Anschließend sind für eine Vielzahl von Handlungsfeldern unternehmensindividuell geprägte Konzeptionen zu entwickeln und umzusetzen. Die Entwicklung einer sECM-Strategie umfasst zunächst, die generellen Digitalisierungs- und ECM-Strategie-Optionen sowie die grundsätzlichen Ziele aus der Unternehmenssicht zu klären. Anschließend gilt es, die sECM-Strategie aus der Nutzerperspektive zu defi nieren, 30 um in den nächsten Schritten eine Risikoanalyse mit Compliance- und Datenschutz-Auswirkungen sowie die Realisierung von sECM als Public oder Private Cloud vorzunehmen. 1. Generelle Digitalisierungs- und ECM-Strategie-Optionen Bei der Entwicklung der Projektstrategie ist grundlegend zu unterscheiden, ob für das Document Sharing im Sinne von Social ECM ergänzend zum bestehenden Dokumentenmanagementsystem für den klassischen ECM-Einsatz ein separates Cloud-basiertes eingesetzt werden oder eine gesamtheitlich neue Strategie mit gleichzeitiger Migration des bestehenden ECM-Systems hin zu einer Cloud-Lösung vorgenommen werden soll, um unterschiedliche Betriebsformen zu vermeiden. Beide Modelle weisen in ihrer technischen Realisierbarkeit keine entscheidenden Besonderheiten auf, wohl aber in der Projektkomplexität. Insofern gilt es bei der Planung eines Social ECM-Engagements zu klären, welche Auswirkungen damit für die generellen Digitalisierungs- bzw. Hybrides sECM ECM-Strategien verbunden sind. Für eine dritte denkbare Alternative, dem Einsatz einer hybriden ECM-Lösung, die innerhalb nur eines einzigen Systems sowohl die klassischen Anforderungen im internen betrieblichen Einsatz klassisches abdeckt und gleichzeitig kollaborative Funktionen ECM für externe Nutzer wie Kunden oder Lieferanten bietet, fehlt es im Markt gegenwärtig noch an Produkten. Selbst derzeitige Cloud-Lösungen bieten eine solche Kombination nicht im Sinne eines Social ECM, weil sie den bisherigen Prinzipien mit ausschließlich nach innen gerichteten Nutzungsfunktionen folgen und nicht für ein Document Sharing mit Gruppenfunktionen, also für eine umfassende kollaborative Nutzung frei definierbarer User, angelegt sind. Hybrides Social ECM System CloudArchiv Abbildung 15 Allerdings ist zu erwarten, dass die Entwicklung in Richtung hybrider Lösungen und derartiger Angebote gehen wird. Daraus folgt für die ECM-Strategien, dass vorteilhafterweise Social ECM zunächst mittels ergänzender Cloud-Lösungen realisiert werden sollte. Die Aufwände für die Realisierung der organisatorischen und prozessualen Erfordernisse sowie für die technische Integration bzw. Automation der von außen kommenden Dokumentenprozesse 31 hingegen können in Teilen auch bei einer späteren Einführung einer vollständig dem Social ECM-Gedanken entsprechenden Lösung in großen Teilen genutzt werden. Auch werden so bereits Lerneffekte bezüglich der neuen Prozesse und Konzepte ermöglicht. 2. Nutzenperspektiven von sECM für Unternehmen Wie beim Lebenszyklusmanagement aller betrieblichen Informationssysteme spielt das Strategy-Alignment, also die Ausrichtung des Systems an den strategischen Zielen und Erfordernissen, eine zentrale erfolgsrelevante Rolle. Social Media-Anwendungen sind aktuell noch ein relativ neuer Ansatz im betrieblichen Umfeld. Entsprechend kann bei der Entwicklung der Strategie für eine Social-ECM-Lösung nicht auf langjährige Erfahrungswerte zurückgegriffen werden. Umso wichtiger ist daher, eine systematische Klärung und Bewertung der angestrebten Effekte durch sECM vorzunehmen. Dazu können insbesondere gehören: • Enge Vernetzung im Markt: Mit der Vernetzung von Unternehmen, Institutionen und Menschen können neue Potenziale zur Vermarktung und Effizienzsteigerung aktiviert werden. Solche Effekte sind auch beim Document Sharing zu erwarten, wenn Unternehmen solche Kommunikationsmodelle mit Kunden und Lieferanten realisieren. Solche Vorteile können aber nicht nur Unternehmen generieren, sondern beispielsweise auch Verbände mit ihren Mitgliedern und kooperativen Institutionen. Auch innerhalb des Gesundheitswesens können die Prozesse durch ein Document Sharing deutlich vereinfacht werden, indem etwa Patienteninformationen, Röntgenbilder oder medizinische Gutachten unter Umgehung der bisherigen Transportwege von Hausärzten, Krankenhäusern und anderen an einer Behandlung Beteiligten zeitgleich nutzen können. • Digitalisierungsimpulse für die Kommunikationsprozesse: Insgesamt besteht in den Unternehmen eine deutliche Tendenz, bisher manuell geprägte Geschäftsprozesse zu digitalisieren. Bislang wurde diesen Absichten im Kontakt mit den Kunden jedoch enge Grenzen gesetzt, weil die technische Infrastruktur meist an den Grenzen des Unternehmens Halt macht und dadurch digitale Prozesse nur mit Einsatz von E-Mails oder spezifischen Download- bzw. Datentransfer-Lösungen möglich waren. Entsprechend war die direkte digitale Weiterverarbeitung in den anderen Fällen nicht möglich. Diese Beschränkung wird durch Social ECM aufgehoben, da die Online-Archive eine unmittelbare und flexible digitale Schnittstelle zu den Kunden darstellen. 32 Nutzenperspektiven von sECM enge Vernetzung im Markt Digitalisierungsimpulse höhere Servicequalität im Kundenmanagement stärkere Kundenbindung Cross Selling-Chancen vertriebsfördernde Imageeffekte virale Marketingeffekte Kommunikationskostenersparnisse höherer Automatisierungsgrad Aufwandsersparnisse Kundenbetreuung einfacheres Lieferantenmanagement Wettbewerbsvorsprung erhöhte Rechtssicherheit Abbildung 16 • Einfacheres Lieferantenmanagement: Zwar bestehen im Regelfall elektronisch gesteuerte Logistikprozesse, die damit verbundenen Lieferdokumente werden aber oft noch in Papierform realisiert. Wird für alle Beteiligten entlang der Logistikprozesse jedoch ein Document Sharing realisiert, können wesentliche Effi zienzverbesserungen erreicht wer- 33 den. Weitere Nutzeneffekte entstehen im eigentlichen Partner- und Produktmanagement, indem der Reseller von den Lieferanten alle relevante Dokumente von Serviceinformationen bis zu aktualisierten Produktbeschreibungen direkt in das Cloud-Archiv gestellt bekommt. Dies spart Zeit und reduziert den Kommunikationsaufwand, außerdem werden Handelsunternehmen gegenüber ihren Kunden auskunftsfähiger. • Steigerung des Automationsgrades: Verbunden mit der Digitalisierung von Kommunikationsprozessen mit Kunden und Lieferanten über das Cloud-Archiv wird die Möglichkeit eröffnet, diese Abläufe durch eine technische Integration der beteiligten Systeme zu automatisieren, sofern die Dokumente eine Struktur aufweisen, die sie maschinell auslesbar macht und keine anderen Formen der strukturierten Datenübermittlung bereits genutzt werden. Neben der damit verbundenen Kostenreduzierung und der schnelleren Informationsverarbeitung steht auch eine höhere Qualität auf der Vorteilsseite, da automatisierte Abläufe typischerweise eine geringere Fehlerquote als manuell geprägte Prozesse aufweisen. • Höhere Servicequalität im Kundenmanagement: Werden mit Kunden relevante Informationen zu Verträgen, Produkten, Rechnungen, Tarifen usw. mittels eines Cloud-Archivs geteilt, entsteht bereits grundsätzlich ein spürbarer Vorteil, bei Archivierung und Handling von Dokumenten. Dieser Nutzen wird zusätzlich gesteigert, wenn beispielsweise ein Handelsunternehmen ein Document Sharing mit seinen Produktlieferanten und Dienstleistern vornimmt. Dadurch lassen sich deren aktuelle Produktänderungen, Neuheiten und mehr in die Cloud-Archive der Kunden übertragen. Umgekehrt können die Kunde Informationsoder Serviceanfragen zu Produkten direkt an den Hersteller senden. Denkbar mit Blick auf Vorteilseffekte bei der Servicequalität ist aber auch die Option, dass sich der Aufwand für Beratungsgespräche reduzieren lässt. So können auf Basis eines Document-Sharings Kundenberater und Kunden gemeinsam per Telefonkonferenz auf Basis der für beide Seiten vorliegenden Dokumente Fragen erörtern und so die Gesprächsqualität steigern bzw. in vielen Fällen auch die Aufwände für ein persönliches Treffen vermeiden. • Stärkung der Kundenbindung: Als Konsequenz der faktisch engeren Vernetzung in Zusammenhang mit Vorteilen in der Servicequalität wird auf der Kundenebene ein engeres Beziehungsverhältnis erzeugt. Die Stärkung der Kundenbindung steht allein schon deshalb im Fokus der Unternehmen, weil die Neukundengewinnung mit hohen Kosten verbunden ist und demzufolge allein wirtschaftliche Gründe wirkungsvolle Initiativen zur Kundenbindung erforderlich machen. Ein Cloud-Archiv, über das ein permanenter Kontakt zu Kunden geschaffen wird und diesen einen individuell spürbaren Mehrwert bietet, kann sich deshalb zu einem Instrument entwickeln, dass 34 weit wirkungsvoller als klassische Marketingmethoden zur Kundenbindung wirkt. Weiterhin kann sich mit einem Cloud-Archiv ein Lock-In-Effekt ergeben, der es Bestandskunden erschwert, das Archiv und damit den Anbieter zu wechseln. Der dann mit einem Lieferantenwechsel verbundene Aufwand, archivierte Dokumente aus dem Archiv herauszutransferieren und in ein neues Archiv zu verbringen, wird somit zu einem Argument, dem jeweiligen Lieferanten treu zu bleiben. • Erlössteigerung durch Cross Selling-Chancen: Abgeleitet aus der Intensivierung der Kundenbeziehungen über das Document Sharing zählen zu den weiteren Nutzenperspektiven, dass Voraussetzungen für einen höheren Umsatz pro Kunde geschaffen werden. Denn da eine vom Kunden akzeptierte höhere Kommunikationsfrequenz entsteht, lassen sich ergänzende Produkte einfacher platzieren – beispielsweise mit Hilfe von maßgeschneiderten Zusatzangeboten im Zusammenhang mit Versicherungen, deren Verträge über das Cloud-Archiv geteilt werden. Auch für Upgrade-Möglichkeiten von Diensten oder Produkten ergeben sich verbesserte Perspektiven zur Erlössteigerung. • Vertriebsfördernde Imageeffekte: Die Affinität zu modernen technischen Produkten und Services findet sich längst nicht mehr nur bei Konsumenten aus der Generation der Digital Natives, sondern auch bei weiteren Zielgruppen mit ausgeprägtem digitalen Kommunikationsverhalten spielen sie wesentlich in die Kaufentscheidungen hinein. Damit können Document Sharing-Angebote gerade von Unternehmen, die über klassische und wenig emotionalisierende Produkte verfügen, bei den Konsumenten imagesteigernde Impulse auslösen und unter Nutzung dieser Wirkung neue Kundengruppen generieren. • Virale Marketingeffekte: Sofern das im Rahmen von Kundenservice eingesetzte Cloud-Archiv eine ausreichende Akzeptanz in relevanten Kundenkreisen und in der öffentlichen Diskussion erlangt, kann eine zusätzliche vertrieblich wirksame Imagewirkung generiert werden. Diese viralen Marketingeffekte, bei denen sich öffentlich in wichtigen Zielgruppen eine positive Meinung zu Unternehmen oder Produkten bildet und über die sozialen Kanäle kommuniziert wird, gewinnen eine immer größere Bedeutung für den Vermarktungserfolg von Unternehmen. • Geringere Kommunikationskosten: Mit der Nutzung einer sECM-Plattform lassen sich die unmittelbaren Aufwände für die dokumentenbasierten Prozesse mit den Kunden, Lieferanten und Partnern deutlich verringern. Die Kostenersparnisse betreffen vor allem den Druck und Versand von Kundendokumenten. Gelingt es, die Prozesse entsprechend zu automatisieren, können die Grenzkosten je zur Verfügung zu stellendem Dokument deutlich gesenkt werden. 35 • Aufwandsreduzierung in der Kundenbetreuung: Indem Unternehmen wie Kunden via sECM-Plattform jederzeit über eine gleiche Informationsbasis verfügen, lässt sich vermutlich das Volumen der Informationsnachfragen und die Zahl der Reklamationen reduzieren. So entstehen etwa keine Anfragen für den erneuten Versand nicht oder vermeintlich nicht zugegangener Dokumente, Ausstellung notwendiger Zertifi kate und Bescheinigungen etc. Zudem beschleunigen sich die Kontaktgespräche aufgrund der beidseitig jederzeit identischen Informationsgrundlage, so dass der Ressourcenaufwand in der Kundenbetreuung oder anderen Servicefunktionen des Unternehmens geringer wird. • Wettbewerbsvorsprung: Ein Angebot zur kollaborativen Kommunikation über ein Cloud-Archiv lässt das Unternehmen als technisch modern und insbesondere für die digital orientierte Zielgruppe als attraktiv erscheinen. Insbesondere in Märkten mit schwer differenzierbaren Produkten können solche entscheidende Vorteile im Wettbewerb erzeugen. • Erhöhte Rechtssicherheit: Zu den weitergehenden Nutzenpotenzialen von Social ECM-Plattformen gehört auch die Rechtssicherheit, die sich durch nachweislich vorhandene Vertragsunterlagen in der jeweils aktuellen Version u.ä. ergibt. 3. sECM-Strategie aus der Nutzer-Perspektive sECM-Anforderungsprofi l aus Nutzersicht individueller Mehrwert flexible Einsatzmöglichkeiten hohe Datensicherheit geregelte Rückabwicklung Mit der Erwägung einer sECM-Lösung gilt es ebenfalls, die strategischen Aspekte einer sECM-Plattform aus der Nutzerperspektive zu entwickeln. Dabei ist zu beachten, dass das Document Sharing auch für diese Zielgruppen gegenwärtig vielfach noch Neuland darstellt. Selbst Nutzer, die bereits mit etablierten Webdiensten zu Datenspeicherung und -austausch in der Cloud arbeiten, dürfte ein sECM-Angebot im Kontext eines anderen Geschäftsmodells neu sein. Aus diesem Grund gilt es, auch die Nutzungsakzeptanz auf der Adressatenseite zu erarbeiten. geringe Eintrittsbarrieren Abbildung 17 Denn einerseits lassen sich nicht alle Zielgruppen im Kunden- und/oder Lieferantenkreis unmittelbar als Teilnehmer einer Document Sharing 36 Community gewinnen, andererseits bedarf es einer Etablierung dieser Methode mit gesicherter wirtschaftlicher Perspektive. Nur wenn sich Zielgruppen identifizieren lassen, bei denen ausreichend breit und in überschaubarem Zeitrahmen eine ausreichende Akzeptanz für diese Form der Kommunikation aufgebaut werden kann, erscheint die Einführung von Social ECM strategisch sinnvoll. Eine solche Zielgruppen- und Potenzialanalyse stellt im Vergleich zu den klassischen ECM-Projekten eine neue Aufgabenstellung dar, weil sie – statt auf die internen Nutzungsbedingungen und Prozesse des Dokumentenmanagements gerichtet zu sein – vollständig externe Erfolgsfaktoren im Fokus hat. Aus diesem Grund sollte sie dem Marketing- und Vertriebsbereich des Unternehmens übertragen werden, zumal dort die Motivation besonders ausgeprägt ist, die mit dem Document Sharing im Zusammenhang stehenden Nutzeneffekte generieren zu wollen. Dort ist auch die notwendige Vermarktungsstrategie mit Darstellung der Vorteile zur Nutzeraktivierung zu verorten. Hierbei sind vor allem folgende Aspekte zu berücksichtigen: • Mehrwert: Die Vorteile des Sharings eigener Daten auf einer sozialen Cloud-Plattform können sehr vielfältig sein, sie reichen von schlanken und einfachen Kommunikationsprozessen über die Entlastung von Speicherungsaufgaben bis hin zur vereinfachten Zusammenarbeit. • Einsatzmöglichkeiten: Da die Menschen immer mobiler leben und gleichzeitig – nicht zuletzt aufgrund vieler Mobilfunkverträge – in einem relativ festen Rhythmus ihre mobilen Endgeräte wechseln, gehört eine Device- und standortunabhängige Nutzbarkeit zu den elementaren Vorteilen von Social ECM. • Datensicherheit: Insbesondere im deutschsprachigen Raum spielen Sorgen über einen mangelnden Datenschutz eine zunehmend wichtige Rolle. Diesem Bedürfnis nach Sicherheit kann nur entsprochen werden, wenn eine Archivierung der Informationen nach deutschem oder europäischem Datenschutzrecht erfolgt. • Rückabwicklungssicherheit: Versiertere Nutzer werden sich dafür interessieren, ob bzw. wie Daten bei Bedarf wieder aus der Plattform extrahiert werden können. Auf diese möglichen Einwände müssen verbindliche Antworten bzw. Garantien gegeben werden. • Eintrittsbarrieren: Es ist die Frage zu beantworten, welche möglichen Akzeptanzhürden über die Datensicherheit hinaus Kunden daran hindern, das sECM-Angebote zu nutzen bzw. Daten in die Plattform einzubringen. 37 4. Risikobewertungen Die Entscheidung für die Etablierung einer Social ECM-Plattform für ein kollaboratives Sharing von Informationen wird nicht allein von Vorteilsbewertungen geprägt, sondern ebenso sind mögliche Negativaspekte zu betrachten. Dies verlangt, dass auch die Risikopotenziale bewertet werden. In der Analyse der möglichen wirtschaftlichen Risiken erfolgt eine Beschränkung auf den Aufbau einer Social ECM-Infrastruktur, d.h. im Falle einer sECM-Strategie mit gleichzeitiger Einführung eines neuen ECM-Systems für das interne Dokumentenmanagement bleiben die Migrationsrisiken unberücksichtigt. Insofern beschränkt sich die Betrachtung auf die speziell sECM-relevanten Faktoren: • Technische Investitionen: Die bei einem Eigenbetrieb entstehenden Kostenblöcke für Software- und Hardware-Beschaffung entfallen bei Nutzung eines Cloud-Dienstes. Auch Einführungsaufwände, insbesondere externe Beratungskosten, gestalten sich gleichzeitig deutlich geringer als bei einer Inhouse-Implementierung. Stattdessen entstehen Mietkosten, die einerseits sehr transparent und damit auch relativ einfach kalkulierbar sind. Andererseits können langlaufende oder leistungsmäßig eng defi nierte Verträge mit dem Cloud-Provider wirtschaftliche Risiken in sich Risikobewertungen bergen, weil sie die Möglichkeiten für fl exible von sECM-Investitionen Korrekturen der vertraglichen Vereinbarungen einschränken. technischer Investitionsaufwand • Risiken im Providerverhältnis: Statt der Investitionsrisiken für die technische organisatorischer Veränderungsbedarf Plattform von sECM gewinnen andere betriebswirtschaftliche Faktoren an Gewicht. Provider-Verhältnisse So spielen die Auswahl eines Dienstleisters und das Management der LieferantenbezieVermarktungsinvestitionen hung eine wichtige Rolle. Dies ist nicht nur eine einmalige, sondern eine kontinuierliche Compliance und Datenschutz Aufgabe, weil sich die Angemessenheit der Vertragsvereinbarungen auch in kürzeren Zyklen ändern kann. Wichtige Einfl ussfaktoren Abbildung 18 38 neben der Zuverlässigkeit von technischer Plattform und Service-Prozessen sind etwa ein veränderter interner Bedarf, die Preisentwicklung im Markt oder die Produktpolitik des Anbieters, die nach Modifikationen möglicherweise nicht mehr ausreichend mit den eigenen Unternehmensstrategien oder Compliance-Anforderungen konform geht. Auch die wirtschaftliche Stabilität oder Weiterentwicklung und Modernisierung seiner Dienste sind relevant. Dies macht eine regelmäßige und umfassende Lieferantenbewertung in festen Rhythmen oder aus besonderen Anlässen notwendig. • Prozessuale Investitionen: Die organisatorische und technische Integration der kollaborativen Abläufe erzeugt Aufwände, die bei der Konzeption und dem Prozessdesign beginnen und schließlich in einer Realisierung münden. Diese Aufgaben, entweder über interne Ressourcen geleistet oder über externe Spezialisten realisiert, stellen initiale Investitionen im klassischen Sinne dar. Während die organisatorische Prozessgestaltung wohl in den meisten Fällen vergleichsweise geringe Kosten erzeugt und damit nur ein begrenztes wirtschaftliches Risiko aufweist, kann die technische Integration der Dokumentenprozesse abhängig von dem geplanten Automationsgrad und den beteiligten IT-Systemen komplexere Projekte verursachen. Diese Investitionen müssten weitgehend abgeschrieben werden, sofern das sECM-Vorhaben nicht erfolgreich im Markt etabliert werden kann und die technischen Integrationsprozeduren nicht für alternative Dokumentenprozesse genutzt werden können. • Vermarktungsinvestitionen: Ohne ein gezieltes Marketing und Vertrieb sind sECM-Angebote, die einen wirtschaftlichen Nutzen entweder durch vertriebliche Effekte oder durch eine Effizienzsteigerung in den Kommunikationsprozessen mit relevanten Dritten generieren sollen, nicht umsetzbar. Damit gehen prinzipiell Kostenrisiken einher, die jedoch den üblichen Investitionsrisiken bei der Markteinführung neuer Produkte oder Services entsprechen. Die theoretische Höhe dieser wirtschaftlichen Risiken ist von der Marketingkonzeption und der darin definierten Maßnahmenplanung abhängig, da jede Marktkommunikation über die Produkt- oder Servicebotschaft hinaus auch weitere Marketingeffekte erzeugt, entsteht selbst im negativen Fall einer erfolglosen Etablierung des sECM-Angebots nur ein begrenztes Risiko. • Compliance und Datenschutz: ECM-Systeme stehen im Zusammenhang mit Compliance-Erfordernissen per se vor besonderen Herausforderungen. Es gilt deshalb, hierbei die vielfältigen Aspekte und Regelungen vor dem Hintergrund rechtlicher und ethischer Erwägungen zu berücksichtigen. Mit der Erweiterung des ECM-Systems zum sECM- 39 System wird die Thematik durch wesentliche neue Herausforderungen ergänzt und führt zu verschiedenen Fragestellungen: • Lässt sich genau ermitteln, in welchen Ländern die IT-Systeme für die Online-Archivierung betrieben werden? • Welche Datenschutzregelungen gelten in dem oder den betreffenden Ländern und welche Besonderheiten weisen sie auf? • Sind die Regelungen in den jeweiligen Ländern rechtlich und unter dem Aspekt des Kundenvertrauensschutzes mit den eigenen Regelungen und Erwartungen zu vereinbaren? • Entsprechen die Nutzungsbedingungen des Archiv-Betreibers, beispielsweise in Bezug auf die Rechte an den archivierten Informationen, den eigenen Compliance-Ansprüchen? • Welche zusätzlichen Gefahren und Szenarien ergeben sich mit der Einbindung mobiler Endgeräte? • Welche Effekte haben die sozialen Funktionalitäten des ECM-Systems? Welche Einstellungsmöglichkeiten müssen dem Kunden zur Verfügung gestellt werden? Was für zusätzliche Szenarien ergeben sich aus der Sicht von Compliance und Datenschutz. • Besteht eine ausreichende Verschlüsselung bei der Datenübertragung über stationäre und mobile Endgeräte? • Wird innerhalb des Archivs eine Datenverschlüsselung vorgenommen, um unbefugte Zugriffe durch Dritte zu unterbinden? • Ist die Rückabwicklung mit vollständigem Transfer der archivierten Informationen durch den User und gleichzeitig dauerhafter Löschung aller vorher gespeicherten Dokumente klar geregelt? • Bestehen für das Online-Archiv anerkannte und aktuelle Zertifikate als Qualitätsnachweis? Die Ergebnisse dieser Betrachtungen fließen in die gesamtheitliche Bewertung der vorteilhaften und kritischen Aspekte einer sECM-Strategie ein. 5. Realisierungsvarianten als Public oder Private Cloud Mehrheitlich dürften Social ECM-Dienste zukünftig vor allem auf Basis eines öffentlich verfügbaren Dienstes (Public Cloud) angeboten werden. Daneben ist aber auch eine Private Cloud-Variante für größere Unternehmen denkbar. Ihr wesentlicher Unterschied besteht darin, dass der Betrieb der Archive nicht in den Händen eines externen Cloud-Providers liegt, sondern über eigene Rechenzentrums-Ressourcen erfolgt. Hierfür können sowohl strategische Gründe sprechen, wenn etwa der Outsourcing-Gedanke weniger zum generellen Selbstverständnis oder 40 der Compliance-Philosophie des Unternehmens passt und ausreichende eigene Betriebskompetenzen vorliegen. Ebenso können auch wirtschaftliche Aspekte dem Private Cloud-Modell den Vorzug geben. In jedem Fall sollten beide Varianten in ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen differenziert betrachtet und in die strategischen Planungen einbezogen werden. 6. Strategische Roadmap Nach der analytischen Betrachtung aller erfolgsrelevanten Faktoren und möglichen Risiken für eine sECM-Ausrichtung müssen deren Ergebnisse konsolidiert und in ein konkretes Vorgehensmodell überführt werden. Eine solche strategische Roadmap umfasst mindestens folgende Komponenten: Komponenten Strategische Roadmap • Zieldefinition: Es müssen möglichst operable Sollgrößen zu den wirtschaftlichen und marktstrategischen (produktbezogener Umsatz, Marktanteile, Image etc.) Zielen einschließlich der Zeiträume festgelegt werden. Ziele definieren • Investitionsbudget: Für den Aufbau der technischen Infrastruktur, Organisation und personellen Investitionen budgetieren Ressourcen sowie für operative Maßnahmen samt Betrieb und Weiterentwicklung der Services sind organisatorische Implementierung mittelfristig und langfristig angelegt die Aufwände zu kalkulieren und zu budgetieren. operatives Maßnahmenkonzept • Organisatorische Implementierung: Dazu Strategie-Controlling gehört die Frage der organisatorischen Einordnung der sECM-Einheit in die Unternehmensstruktur und ihre perspektivische Ausstattung mit personellen Abbildung 19 Ressourcen. • Operatives Maßnahmenkonzept: Entwicklung eines systematischen Projektablaufs mit Verantwortlichkeiten, Kosten und benötigten Ressourcen von der technischen Planung und Realisierung bis zur Umsetzung der organisatorischen und vertrieblichen Erfordernisse im laufenden Betrieb. • Strategie-Controlling: Aufbau von Kenngrößen zur zielgerechten Steuerung des sECM-Engagements und Ermittlung möglicher Optimierungserfordernisse sowohl für die Phase der Projektierung als auch des Betriebs. 41 V Projektentwicklung Für den Fall der Implementierung eines neuen ECM-Systems parallel zur Einführung des Cloud-basierten sECM wird auf die Good Practices für die Einführung von ECM-Systemen aus Band 1 des „Framework ECM Intelligence“ verwiesen. Die Darstellungen in diesem Band auch zur Projektentwicklung beschränken sich entsprechend allein auf die kollaborative Nutzung von ECM im Sinne eines Document Sharing. Dies gilt gleichermaßen auch im Hinblick auf die Erarbeitung der Fachkonzeption und des Prozessdesign für Social ECM-Dienste eines Unternehmens. 1. Vorgehensmethodik Grundsätzlich gilt, dass die Unternehmen bei der Bereitstellung von Angeboten zur kollaborativen Nutzung von Informationen nicht auf Erfahrungen zurückgreifen können. Deshalb empfi ehlt es sich, das Document Sharing für Lieferanten oder Kunden zunächst in kleinen und überschaubaren Etappen für bestimmte Zielgruppen oder Dokumentenprozesse zu realisieren, um die Erfahrungswerte in den Folgeprojekten nutzen zu können. Hierfür bietet sich ein agiles Organisationsmodell an. Angebote werden dabei in kleinen Schritten ausgerollt, Produkte laufend ergänzt und verbessert. Werden hierfür ein Product Backlog und eine Vision entwickelt, entsteht eine wirkungsvolle Voraussetzung für ein gemeinsames übergeordnetes Zielverständnis und dafür, dass das Angebot systematisch in seiner kundengerechten Attraktivität und Wirtschaftlichkeit kontinuierlich verbessert wird. Vorgehensmethodik Basis: SCRUM-Methodik 24 h 30 Tage Produkt-Backlog Sprint-Backlog Sprint lauffähige, inkrementell verbesserte Software Abbildung 20 42 Eine frühzeitige Integration von Projektentwicklung und Betrieb ist aber auch deshalb sinnvoll, weil eine abgeschlossene Einführungsphase die Gefahr einer „Wunschzettel-Mentalität“ in sich birgt. Aus Sorge, dass später gewünschte Features nicht mehr berücksichtigt werden können, versuchen die Beteiligten möglichst viele ihrer Wünsche einzubringen. Eine vorherige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wird damit unterlaufen, gleichzeitig lässt sich eine klare Priorisierung nicht mehr ausreichend sicherstellen. Dementsprechend ist soweit wie möglich eine backlog-orientierte, iterative Vorgehensweise anzustreben. Vor dem Hintergrund einer langfristigen Vision und einer schlüssigen Gesamtarchitektur sollte die Realisierung in möglichst kleinen Inkrementen erfolgen. Sind diese nicht Endkunden-geeignet, so sollte dies zumindest intern das Handeln bestimmen. Backlog und anstehende Realisierungsziele sollten laufend hinterfragt und aktualisiert werden. Insgesamt bietet sich eine Anlehnung des Vorgehens an die Scrum-Methodik an. 2. Prozessorientierte sECM-Konzeption Während in der Strategiephase die Einsatzperspektiven und Nutzenpotenziale samt möglicher Risiken, Prozesse und Funktionalitäten mit der Zielsetzung einer Entscheidung für oder gegen eine sECM-Plattform und eine strategische Analyse konzipiert wurden, gilt es im nächsten Schritt Geschäftsprozesse, Rollen, Funktionalitäten, technische Anforderungen und betriebswirtschaftliche Aspekte so weiter zu verfeinern, dass eine System- bzw. Anbieter-Auswahl durchgeführt werden kann. Besondere Potenziale aber auch Herausforderungen ergeben sich in der prozessorientierten Integration der Kernsysteme (bspw. ERP-, Abrechnungs-, Kundenverwaltungs-Systeme etc.) mit dem sECM-System. Frühzeitig sollte überlegt werden, welche Erfordernisse, vor allem auch welche neuen Möglichkeiten sich mit der Integration der Kernsysteme mit dem sECM-System ergeben. Weiterhin ist zu überlegen, welche Funktionalitäten und Prozesse den Kunden oder Partnern zur Verfügung gestellt werden sollten, auch wenn sie anbieterübergreifend ausgestaltet werden (bspw. monatliche Auswertung der Rechnungen mehrerer Lieferanten aus der Kundensicht). Die so erarbeiteten Strutkuren stellen eine wichtige Grundlage bei der Auswahl des Anbieters dar. Nach der Auswahl des sECM-Lösungsanbieters bzw. der Festlegung einer Architektur bei 43 Eigenbetrieb kann mit der Verfeinerung der Konzeptionen und der Realisierung begonnen werden. Zunächst gilt es, die im Angebot der sECM-Plattform vorgesehenen Funktionalitäten und Prozesse zu verstehen und den bisherigen Konzeptionen und Blueprints gegenüberzustellen. An vielen Stellen wird sich zeigen, dass ursprünglich konzeptionierte Prozesse in der angedachten Form nicht so einfach realisiert werden können. An anderer Stelle werden Features und implementierte Ansätze neue Impulse geben, wie Angebot und Prozesse weiter optimiert werden können. Mit der konkreten Festlegung des Partners bzw. Betriebskonzepts können nun auch technische Probleme, insbesondere Adapter und Zusatzentwicklungen konkret und detailliert analysiert werden. Prozessorientiertes sECM-Konzept Design grobes Sollkonzept (Blueprint) Auswahl auf Basis SW-Strukturen / SW-Referenzmodell Feinkonzept Tool 1 Rollenkonzept Sollkonzept Tool 2 Add-Ons Schnittstellen Tool 3 Abbildung 21 Zeitgleich steht nun auch eine Plattform für Realisierung und Prototyping zur Verfügung. Parallel sollten Konzepte verfeinert, einzelne Funktionalitäten realisiert, integriert, präsentiert und getestet zu werden. Es empfi ehlt sich Feinkonzeption, Realisierung, Testing, Präsentation und weitergehende Verbesserung in einer Scrum-ähnlichen Vorgehensweise in kurzen Zyklen (Sprints von maximal vier Wochen) mit abschließender Realisierung von Einzelfunktionen und laufender Aktualisierung der jeweils anstehenden Aufgaben (Backlog-Pfl ege) zu realisieren. 44 3. Integrationsmaßnahmen Ein ganz wesentlicher und nicht zu unterschätzender Aspekt betrifft die Integration der sECM-Prozesse. Besondere Potenziale aber auch Herausforderungen ergeben sich in der prozessorientierten Integration der Kernsysteme (bspw. ERP-, Abrechnungs-, Kundenverwaltungs-, etc-Systeme) mit dem sECM-System. Frühzeitig sollte überlegt werden, welche Erfordernisse, aber vor allem auch neue Möglichkeiten sich mit der Integration der Kernsysteme mit dem sECM-System ergeben. Denn sollen die Cloud-Funktionen in die eigenen Produkte und Prozesse eingebunden werden, was zur Automation der kollaborativen Abläufe und damit aus Effizienzgründen unbedingt zu empfehlen ist, so müssen vielfältige Verknüpfungen zwischen bestehenden betrieblichen Informationssystemen und dem sECM-System geschaffen werden. Schließlich wird es in den wenigsten Fällen ausreichen, lediglich ein PDF-Dokument aus den laufenden Wirksystemen in das sECM-System zu übertragen. Erst mit der funktionalen und prozessorientierten Integration, beispielsweise durch Meta-Daten-Übergabe, Möglichkeiten der intelligenten Speicherung und Verwaltung von Dokumenten im sECM-System, Abruf von Daten aus dem sECM-System, Übergabe von Rechten oder Single-Sign-On-Funktionalitäten erschließen sich auch die wirtschaftlichen Potenziale eines integrierten sECM-Systems. Hierfür sind ergänzende Entwicklungen notwendig, weil im Regelfall keine Standard-Adapter zur Verfügung stehen werden bzw. vorhandene nicht ausreichend die notwendigen Funktionalitäten abdecken. 4. Evaluierung des sECM-Providers Grundsätzlich ist zwischen dem Anbieter einer kollaborativen ECM-Lösung sowie dem Hosting-Dienstleister für die Archivierung und den technischen Betrieb der Sharing-Plattform zu unterscheiden. Zwar weist im Gegensatz zum Segment des Hostings der gegenwärtige Markt für sECM-Lösungen noch nicht in nennenswerter Zahl Anbieter auf, weil er sich gerade erst in der Entwicklungsphase befindet, zukünftig werden Unternehmen aber vermutlich zwischen drei verschiedenen Dienstleistungsmodellen für Social ECM entsprechend ihres eigenen Anforderungsprofils wählen können: 1. Bundling-Angebote: Hierbei wird die sECM-Lösung eines Softwarehauses mit den Cloud-Services (technische Plattform, technische Service-Prozesse und Customer 45 Service-Prozesse) eines definierten Hosting-Partners kombiniert. Damit übernimmt der Plattform-Anbieter auch die gesamten technischen Leistungsverpflichtungen gegenüber dem Unternehmen etwa hinsichtlich der Verfügbarkeit. Auf der anderen Seite werden in diesem Fall viele Lösungsparameter schwer oder gar nicht zu beeinflussen sein, so etwa der Standort der Archivierungssysteme. 2. Freie Wahl des sECM-Providers: Da die Software für das Document Sharing, der technische Betrieb und die Service Prozesse prinzipiell abgrenzbar sind, kann grundsätzlich eine eigene Provider-Auswahl in den verschiedenen Bereichen vorgenommen werden. Dieses Szenario bietet sich etwa an, wenn spezifische Betriebsanforderungen wie beispielsweise die ausschließliche Speicherung der Daten in Deutschland oder besondere Anforderungen an das Continuity Management bestehen. Notwendig ist aber die Bereitschaft des ausgewählten ECM-Softwarehauses zur Zusammenarbeit mit dem ausgewählten Cloud-Provider. 3. Einsatz in der Private Cloud: Insbesondere in Konzernen mit ausgeprägten Potenzialen für den technischen Betrieb von IT-Diensten kann eine weitere Alternative darin bestehen, das Hosting selbst zu betreiben und die Nutzung der sECM-Lösung mittels eigener Private Cloud zu ermöglichen. Ganz unabhängig der Wahl des Dienstleistungsmodells bedarf es bei der Auswahl der Social ECM-Lösung umfangreicher Kriterien mit unterschiedlicher Bedeutung. Zur methodischen Vereinfachung des Aufbaus einer Evaluierungsmatrix wird hier jedoch keine Unterscheidung nach den Dienstleistungsvarianten vorgenommen, sondern die sECM-Lösung und das Hosting in der Cloud als Einheit betrachtet. Zu den wichtigsten Auswahlkriterien gehören: • Neutralität: Da der Provider geschäftskritische Daten von möglicherweise konkurrierenden Marktteilnehmern speichert, übernimmt er eine Treuhänder-Funktion hinsichtlich der archivierten Informationen. Dieser Aspekt spielt für die Verbreitung des Document Sharings eine zentrale Rolle, da ohne den neutralen Status des Providers hier keine ausreichende Akzeptanz bei den Unternehmen zu erreichen ist. Deshalb werden sich vermutlich auch keine Sharing-Modelle von bestimmten Produktanbietern wie etwa Banken oder Versicherungen durchsetzen, weil ein Konkurrenzunternehmen keine eigenen Kundeninformationen mit dem betreffenden Online-Archiv teilen würde. • Funktionalitäten und Prozesse der sECM-Plattform: Noch mehr als Standardsoftware sind Cloud-basierte Lösungen dadurch gekennzeichnet, dass grundlegende Anpassun- 46 gen in Prozessen und Funktionalitäten nicht oder nicht wirtschaftlich möglich sind. Entsprechend müssen angebotene Lösungen diesbzgl. genau untersucht werden. Es muss verstanden werden, welche Unterschiede zwischen den verfügbaren Lösungen und den ursprünglich angedachten Szenarien bestehen. • Kundensupport: Soll auch der Support fremdvergeben werden, so müssen auch die Support-Leistungen mit in Betracht gezogen werden. Eine grundlegende Frage ist die Entscheidung, ob die Kundensupportprozesse selbst durchgeführt werden, durch den Anbieter der sECM-Plattform durchgeführt oder sogar durch Dritte übernommen werden. • Reputation und Vertrauen: Cloud-Lösungen sind ihrer Natur nach wenig greif- und sichtbar. Entsprechend spielen Reputation und Vertrauen eine große Rolle. Für das eigene Unternehmen, noch mehr aber, wenn die angestrebten Lösungen die Einbindung von Kunden und Partnern umfasst, Marktevaluierung sECM-Provider ist Vertrauen ein wichtiger Faktor. Reputation und ggf. starke Neutralität Marken können dazu beitragen, dass die Beteiligten schneller Funktionsprofil und Prozesse der sECM-Plattform und überzeugter gewillt sind ihre vertraulichen und wichtigen Dokumente und Information einem Support-Unterstützung Dritten zu überantworten. • Datenschutz und CompliProvider-Reputation ance: Eng verbunden mit dem Aspekt von Reputation und SLAs und Datensicherheit Vertrauen ist die Thematik „Datenschutz und Vertrauen“. Es gilt Datenschutz- und Compliance zu prüfen, inwieweit der Anbieter die Berücksichtigung der für Fall-Back-Bedingungen das eigenen Unternehmen relevanten Datenschutz- und ComRückabwicklung pliance-Vorgaben zusichern kann. Hier sind Aspekte wie die Abbildung 22 Sicherung der Daten, aber auch gegebenenfalls die Garantie der Speicherung in den geeigneten Ländern sicherzustellen. • SLAs und Datensicherheit: Ein weiterer Aspekt ist die glaubhafte Zusicherung aus- 47 reichend hoher Service Levels für die eigenen Prozesse, aber auch für die Bedürfnisse von Partnern und Kunden. Zu welchen Zeiten ist ein Service verfügbar? Welche Response-Zeiten können abhängig vom Support-Level garantiert werden? Sichern redundante Systeme eine erhöhte Verfügbarkeit? Welche Disaster-Recovery und Continuity-Management-Mechanismen sind installiert? • Fall-Back-Bedingungen: Mit der Einbindung von Cloud-Diensten und Dienstleistern müssen Konzepte bestehen, wie bei technologischen Problemen wie geringe Verfügbarkeiten und mangelnde Qualität, wirtschaftlichen Problemen des Dienstleisters oder bei vertragsrechtlichen Problemen mit ihm Content und Prozesse wieder zurückgeholt oder an einen anderen Anbieter übertragen werden könnten. Auch diese Konzepte müssen getestet und laufend aktualisiert werden. • Rückabwicklung: Unabhängig von möglichen Ausnahmesituationen, die Fall-Back-Szenarien auslösen, muss geklärt werden, wie sich bei regulärem Vertragsende die Prozesse zur Rückabwicklung gestalten. Hier sind insbesondere die Pflichten des Providers präzise zu definieren, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. 48 VI Technische Infrastruktur für sECM Auch wenn der Betrieb des kollaborativen Online-Archivs und damit die Speicherung der Dokumente in der Cloud erfolgen, bedarf es sowohl einer speziellen technischen Plattform als auch prozessualer Verfahren für die Bereitstellung und Archivierung der Dokumente des betreffenden Unternehmens. Diese Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass sich die zu teilenden Informationen und Dokumente in möglicherweise sehr verschiedenen betriebswirtschaftlichen Applikationen befinden und sie nur durch eine Integration von sECM in die IT-Infrastruktur genutzt werden können. 1. Communication Hub Prinzipiell ist es möglich, dass beim Document Sharing nicht nur eine 1:1-Kommunikation zwischen einer Funktionseinheit des Unternehmens mit den Kunden stattfindet, sondern mehrere Organisations- oder Geschäftsbereiche diesen Kommunikationsweg gleichzeitig nutzen können. In der Konsequenz erzeugt dies eine n:1-Kommunikation mit den Nutzern von wECM („klassisches“ workflow-orientiertes ECM, siehe Band 1), wobei dafür möglicherweise verschiedene Applikationen in Anspruch genommen werden müssen. Am Beispiel einer Versicherung dargestellt bedeutet dies folgendes: Wollen etwa die Produktbereiche Lebensversicherung und Berufsunfähigkeitsversicherung sowie zusätzlich die Leistungsabwicklung der privaten Krankenversicherung und die Kfz-Schadensbearbeitung das Document Sharing im Kundenkontakt nutzen, muss die Datenkommunikation der jeweiligen Fachanwendungen so konsolidiert werden, dass die Dokumentendarstellung und Verwaltung für den Kunden wie aus „einem Guß“ unabhängig von den jeweiligen Quellsystemen und -prozessen erscheint. Dies lässt sich über einen „Communication Hub“ lösen, dessen Kernaufgabe darin besteht, eine zentrale Plattform für den Austausch von Dokumenten sowohl aus- als auch eingehend mit Kunden, Lieferanten, Partnern etc. zu etablieren. Über ihn werden die eigentlichen Sharing-Vorgänge zentral ausgeführt und eventuell bestehende Restriktionen, Anforderungen oder vordefinierte Prozessabläufe über Rückmeldungen zu Sharing-Vorgängen etc. berücksichtigt. Seine technische Funktionalität ist dabei, die Informationen aus den einzelnen Systemen, aus denen Daten für das Document Sharing bereitgestellt werden, entgegenzunehmen bzw. abzufragen und den Empfängern zur Verfügung zu stellen. Sämtliche 49 Anforderungen an Übertragungswege für das Document Sharing, verwendete Plattformen, Datenformate etc. werden im Communication Hub abgedeckt – an der nachgelagerten Infrastruktur sind somit keine Änderungen erforderlich. Der Communication Hub vereinheitlicht die unterschiedlichen Dokumenten- und Informationsstrukturen und leitet sie zentral an die für den Endkunden ersichtliche Document Sharing-Plattform. Der Communication Hub ist im Hintergrund platziert und kümmert sich um die Aufbereitung der Dokumente, die DS-Plattform ist das Frontend und unabhängig vom CH. Communication Hub Unternehmen System 1 System 2 Kunden/Partner Communication Hub Communication Hub System 3 PDF Kunde 1 Offline Kunde 2 XM L Partner 1 Abbildung 23 2. Document Sharing-Rollen Die Nutzung von Online-Archiven im Sinne des Document Sharings kann in unterschiedlichen Varianten erfolgen, denen jeweils verschiedene Prozessbedingungen zugrunde liegen: • Document Sharing aus der „Sender“-Perspektive: Bei der aktiven Rolle im Document Sharing wird die Bereitstellung von Dokumenten für Empfänger betrachtet. Hierbei können verschiedene Szenarien in Betracht gezogen werden, die im nachfolgenden erläutert werden. • Reines Document Sharing: Sämtliche Dokumente zwischen Unternehmen und Empfänger werden ausschließlich über eine sECM-Plattform ausgetauscht. Es erfolgt keine Übermittlung 50 mehr in gedruckter Form oder als Dokumente über E-Mail etc., sondern es wird ausschließlich die Document Sharing-Plattform des Empfängers für die Kommunikation genutzt. Dies setzt voraus, dass alle im Unternehmen an der Kommunikation mit dem Empfänger beteiligten Systeme und Prozesse eine vollständige Integration in die sECM-Strategie unterstützen und z.B. in einen unternehmensweiten Communication Hub integriert sind. • Document Sharing-Mischform: Bestimmte Dokumentarten werden zwischen Unternehmen und Empfänger über eine sECM-Plattform ausgetauscht. Je nach Dokumenten-Art erfolgt die Übermittlung dabei über den Sharing Hub des Empfängers, in elektronischer Form beispielsweise via E-Mail etc. oder postalisch. Hierbei sind zwei Varianten zu unterscheiden: a. Document Sharing-Mischform mit Wahlmöglichkeiten: Der Empfänger entscheidet selber, welche Dokumentenarten über den Sharing-Hub und welche über alternative Kanäle zur Verfügung gestellt werden sollen. Hierbei müssen alle nachgelagerten Systeme des Unternehmens die individuellen Präferenzen des Empfängers entsprechend berücksichtigen und für bestimmte Dokumenten-Typen unterschiedliche Bereitstellungs-Prozesse definiert werden. Bei Nutzung eines Communication-Hubs muss dort entsprechend für jeden Empfänger ein Nutzerprofil hinterlegt werden, in dem die individuellen Anforderungen des Empfängers erfasst sind. Abhängig von der bereitstellenden Dokumenten-Art wird dann der entsprechende Bereitstellungsprozess angestoßen. b. Document Sharing-Mischform ohne Wahlmöglichkeit: Es gibt keine Wahlmöglichkeit für den Empfänger, welche Dokumente über seinen Sharing Hub geteilt oder über alternative Kanäle bereitgestellt werden. Bei diesem Szenario bestehen für die nachgelagerten Systeme weniger komplexe Anforderungen in Bezug auf die Bereitstellung von Dokumenten, da diese sich nicht aus dem Empfängerprofil, sondern unternehmensinternen Prozessen ableiten. Wichtig ist hierbei, dass eine für den Kunden transparente Kommunikation erfolgt, welche Dokumententypen über den Sharing Hub oder klassisch elektronisch oder postalisch zur Verfügung gestellt werden. • Document Sharing „on demand“: Das Document Sharing zwischen Empfänger und Unternehmen erfolgt nur auf einer „on demand“-Basis, z.B. bei Kontakt mit dem Callcenter des Unternehmens mit Anforderung von Produktinformationen, die auf Kundenwunsch per Document Sharing bereitgestellt werden. Vergleichbar mit der Variante des Document Sharing als Mischform ohne Wahlmöglichkeit kann hier die Bereitstellung 51 per Document Sharing auf bestimmte Dokumententypen beschränkt werden, da diese Form der Bereitstellung als Angebot an den Empfänger und nicht auf Anforderung erfolgt. Document Sharing-Varianten aus der Sender-Perspektive Document Sharing-Varianten aus der Sender-Perspektive reines Document Sharing Document Sharing on demand Document Sharing-Mischform Document Sharing-Mischform mit Wahlmöglichkeiten Document Sharing-Mischform ohne Wahlmöglichkeit Abbildung 24 Alle Varianten mit Ausnahme der On-demand-Version weisen zusätzlich die Notwendigkeit auf, dass der Empfänger über den Eingang der Dokumente entsprechend informiert wird. Je nach Art der Dokumente und Präferenzen der Empfänger kann hierbei eine Mitteilung per E-Mail, SMS, Social Media etc. gewählt werden. Dabei muss der zeitnahe ggf. rechtssichere Zugang der Information gewährleistet sein, damit möglich Fristen und gesetzliche Informationspfl ichten eingehalten werden. Entsprechende Prozesse für die Benachrichtigung der Adressaten bei der Nutzung von Document Sharing sind dabei direkt in den Communication Hub zu integrieren. Dies stellt sicher, dass eine vollständige und eindeutige Dokumentation aller Document Sharing-Vorgänge erfolgt und der Benachrichtigungsstatus entsprechend für jeden einzelnen Vorfall im System hinterlegt ist. Sofern die nachgelagerten Systeme dies unterstützen, kann auch eine Tracking-Funktionalität integriert werden, die direkt im generierenden System eine Statusänderung für das betreffende Dokument vornimmt, sobald es für den Empfänger bereitgestellt wurde. 52 • Document Sharing aus der Empfänger-Perspektive: Bei der passiven Rolle im Document Sharing als Empfänger müssen durch Dritte (Kunden, Geschäftspartner etc.) geteilte Dokumente verarbeitet werden können. Hierfür ist es erforderlich, entsprechende Prozesse für die Erfassung, Verarbeitung und Ablage der geteilten Dokumente zu schaffen und es muss defi niert werden, welche Dokumentenarten über Document Sharing von Dritten bereitgestellt werden können. Dazu gehören beispielsweise Rechnungen, Produktinformationen, Gutachten etc. Typischerweise können dabei zwei verschiedene Szenarien zum Tragen kommen: a. Empfang von geteilten Dokumenten in definierten Prozessen: Dies betrifft die Verarbeitung von erwarteten bzw. angeforderten Dokumenten, die durch Dritte mit dem Unternehmen geteilt werden und einem Standardvorgehen folgen. Dies sind beispielsweise Produktdatenblätter von Lieferanten, die im Rahmen einer Lebensversicherung angeforderten ärztlichen Unterlagen eines Kunden etc. Um eine vollständige und korrekte Verarbeitung der eingehenden Dokumente zu gewährleisten, muss eine Integration in die entsprechenden nachgelagerten Prozesse geschaffen werden. Document Sharing-Varianten aus der Empfänger-Perspektive Document Sharing-Varianten aus der Empfänger-Perspektive Kunden Word PDF Lieferanten XML PDF Partner Excel Behörden PDF Communication Hub definierte Prozesse Prüfung + Klassifizierung interne Verarbeitung Abbildung 25 53 Bei geschäftlichen Partnern ist hier eine möglichst weitgehende Automatisierung der Prozesse erstrebenswert. Beispielsweise lassen sich Dokumente, die einer festgelegten Logik bei der Benennung folgen (z.B. Lieferantennummer_Artikelnummer_Versionsnummer) hochgradig automatisiert und ohne weitere manuelle Eingriffe direkt in weiterführenden Systemen und Prozessen verarbeiten. Bei individuell bereitgestellten Dokumenten (beispielsweise Unterlagen im Rahmen einer Schadensregulierung durch einen Privatkunden) ist ebenfalls eine möglichst weitgehende Automatisierung der Verarbeitung anzustreben. Dies lässt sich beispielsweise durch die Aufforderung an den Sender umsetzen, alle Dokumente im Dateinamen mit der entsprechenden Policen-Nummer oder einer Schadensnummer zu versehen. Dies stellt sicher, dass die eingehenden Dokumente unmittelbar den entsprechenden Vorgängen im System zugeordnet werden können und keine manuelle Erfassung der einzelnen Dokumente erforderlich ist. Fehleingaben bei der Benennung von Dokumenten müssen über entsprechende logische Prüfungen abgefangen werden, indem beispielsweise eine Überprüfung erfolgt, ob die enthaltene Schadensnummer dem betreffenden Kunden zugeordnet ist oder ob ein Dokument bereits vorliegt. Für den Fall von Fehlern in der automatisierten Verarbeitung oder fehlenden Angaben sind daher entsprechende Prozesse zu definieren, um die Dokumente manuell zu erfassen und zu klassifizieren, um die Bearbeitung zu gewährleisten. b. Eingang von geteilten Dokumenten in nicht definierten Prozessen: Der Eingang von geteilten Dokumenten über das Document Sharing für nicht definierte Prozesse erfordert entsprechend flexible Prozesse für die Verarbeitung der Informationen. Abhängig vom Typ und Inhalt der eingehenden Dokumente müssen entsprechende nachgelagerte Prozesse initiiert und die Bearbeitung der Informationen angestoßen werden. Dies betrifft dabei sowohl die erstmalige Qualifizierung und Einordnung der eingehenden Dokumente als auch die Erfassung und Aufbereitung der Inhalte. Hierfür ist eine entsprechende Erweiterung bestehender ECM-Systeme um einen weiteren Kanal für die Verarbeitung von Dokumenten zu empfehlen. 54 3. Prozessvarianten für das Document Sharing Die Anwendungsfelder für Document Sharing lassen sich in bestimmte Gruppen einteilen, die gemeinsame Merkmale aufweisen und ähnlichen oder identischen Prozessen folgen. So lassen sich für unterschiedliche Vorgänge oder Dokumentenarten die gleichen Bereitstellungsprozesse nutzen. Zu unterscheiden ist dabei nach Massenbereitstellung, individueller Bereitstellung sowie der Bereitstellung auf Anforderung durch Empfänger: • Massenbereitstellung von Dokumenten via Document Sharing: Es erfolgt eine vollautomatisierte und an einen großen Adressatenkreis gerichtete Bereitstellung von Dokumenten. Beispielsweise bei aktuellen Angeboten, Informationen zu neuen Geschäftsbedingungen etc., die allen Kunden oder bestimmten Kundengruppen zur Verfügung gestellt werden. Eine Personalisierung der geteilten Dokumente fi ndet hierbei im Regelfall nicht statt bzw. folgt klar defi nierten Algorithmen, wie dies etwa bei Rechnungen der Fall ist, die hochgradig automatisiert und standardisiert erstellt und geteilt werden können. Prozessvarianten im Document Sharing Massenbereitstellung von Dokumenten an Empfänger individuelle Bereitstellung von Dokumenten Dokumentenbereitstellung auf Anforderung von Empfängern Abbildung 26 Im Falle einer Document Sharing-Mischform, die Wahlmöglichkeiten des Empfängers bietet, erfordert die massenhafte Bereitstellung von Dokumenten die Nutzung eines Communication Hubs, um eine individuelle Zuleitung der Dokumente entweder über Document Sharing oder über alternative Kanäle zu realisieren. Dies muss entsprechend regelbasiert erfolgen und es muss eine individuelle Variante für jeden einzelnen Empfänger gewählt werden. Eine entsprechende Dokumentation des gewählten Kanals und der Form der Bereitstellung ist vorzunehmen. • Individuelle Bereitstellung von Dokumenten via Document Sharing: Es erfolgt eine individuelle Bereitstellung eines oder mehrerer Dokumente für einen einzelnen Empfänger. 55 Beispielsweise Informationen zu einem bestimmten Produkt oder ein Angebot etc. Dieser Vorgang kann sowohl manuell angestoßen werden als auch vollautomatisch regelbasiert erfolgen. Voraussetzung ist hierbei, dass die entsprechenden Systeme, aus denen die gewünschten Informationen generiert werden oder diese aus einem Informationspool zur Verfügung stellen, eine entsprechende Integration in das sECM-Konzept aufweisen. Hier kommt wieder der Communication Hub zum Tragen, über den die Bereitstellung der Dokumente für den Empfänger abgewickelt wird. Ein solcher Hub muss entsprechend auch einen Ad-Hoc-Mechanismus bereitstellen, der das individuelle Einstellen eines Dokuments erlaubt, das bspw. lediglich über den Dokumenttyp – etwa PDF – eingeschränkt ist. • Document Sharing auf Anforderung von Empfängern: Es erfolgt eine individuelle Bereitstellung von bestimmten Dokumenten auf Abruf. Hierbei handelt es sich um eine Untermenge der individuellen Bereitstellung, die jedoch andere Prozesse voraussetzt bzw. nach sich zieht. Der Empfänger kann hierbei aus einem Pool an Informationen wählen und erhält auf Anforderung die entsprechenden Informationen in seinem Sharing Hub zur Verfügung gestellt. Beispielsweise können dies Handbücher, Produktbeschreibungen individuelle Angebote etc. sein, die der Empfänger bei Bedarf selber anfordern kann. Hierfür ist es erforderlich, dass neben den entsprechenden Berechtigungskonzepten, welche Informationen welchen Adressaten grundsätzlich zur Verfügung stehen, auch ergänzende Prozesse definiert werden, um zu erfassen, wer welche Dokumente angefordert hat. Eine Integration in Dritt-Systeme wie CRM etc. bietet sich hier an, um einen entsprechenden Überblick zu bewahren und die Informationen aktiv nutzen zu können. 4. Einflussfaktoren Document Sharing-Prozesse werden, bedingt durch die Interaktion mit einer Vielzahl von Adressaten sowie technischen oder rechtlichen Anforderungen, durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Diese Einflussfaktoren lassen sich in drei zentrale Gruppen clustern. • Rechtliche Rahmenbedingungen: Bei der Konzipierung der Document Sharing-Strategie ist besonders den rechtlichen Rahmenbedingungen eine hohe Aufmerksamkeit zu widmen. Dies betrifft beispielsweise die Frage, welche Dokumenten-Arten über Document Sharing bereitgestellt werden sollen, ob es Vorgaben bezüglich Schriftform, Aufbewahrungsfristen, 56 Zustellform etc. gibt oder ob länderspezifi sche Besonderheiten bei einzelnen Aspekten zu berücksichtigen sind. Zudem müssen unter Umständen für bestimmte Dokumenten-Arten Dokumentationen zu Zeitpunkt oder Art der Zustellung bzw. eine Empfangsbestätigung erfasst oder garantierte Zustellung sichergestellt werden, was im Rahmen des Document Sharing-Konzepts berücksichtigt und entsprechend abgebildet werden muss. • Zielgruppen: Im Vorfeld muss eine genaue Analyse vorgenommen werden, welche generellen Gruppen bei den Adressaten defi niert werden können und welche Relevanz die jeweiligen Gruppen für das Unternehmensgeschäft Einfl ussfaktoren auf sECM-Prozesse aufweisen. Hierbei empfi ehlt sich beim Clustering eine Kombination aus einer Gruppenbildung auf Basis von rechtliche Rahmenbedingungen demografi schen Kriterien wie „Privatkunden“, „Geschäftspartner“, „junge Kunden“ etc. und auf Basis von Zielgruppen Kriterien wie „Gesamtumsatz“, „Kauffrequenz“ etc. technische Bestandssysteme Abbildung 27 Aufbauend auf den gebildeten Gruppen kann dann eine genauere Betrachtung vorgenommen werden, welche bestehende Prozesse Affi nität die jeweiligen Gruppen für das Document Sharing aufweisen, welche gruppenspezifi schen Prozesse für die Bereitstellung von Dokumenten typischerweise auftreten oder welche Arten von Dokumenten generiert werden. Hieraus abgeleitet kann dann eine Einstufung erfolgen, welche Zielgruppen vorrangig im Rahmen der Document Sharing-Strategie adressiert werden sollen oder welche spezifi schen Anforderungen erfüllt werden müssen. • Bestehende interne technische Systeme und Prozesse: Im Rahmen der Document Sharing-Strategie muss detailliert analysiert und überprüft werden, welche internen technischen Systeme und Prozesse an der Generierung der zu teilenden Dokumente beteiligt sind und wie deren Status bezüglich der Unterstützung einer Document Sharing-Strategie ist. So verfügen beispielsweise Systeme, die auf Basis fester Regeln massenhaft Dokumente erzeugen und für den Versand an Kunden generieren über andere Voraussetzungen als Systeme, die auf Abruf durch einen Benutzer individuelle Dokumente erstellen. Bei Mischformen sind entsprechend beide Varianten zu berücksichtigen, um nach außen eine hohe Konsistenz der Kommunikation sicherzustellen. Wichtige Fragen können hierbei beispielsweise sein: 57 • Unterstützt das System flexibel Ausgabeformate, um verschiedene Kanäle parallel bedienen zu können (Print, Document Sharing) • Falls nein: Kann über entsprechende Schnittstellen (z.B. in Form eines Communication Hubs) eine entsprechende Unterstützung geschaffen werden? • Lassen sich Präferenzen der Empfänger für bestimmte Kanäle im System erfassen? • Erwartet das System eine Rückmeldung für einzelne Dokumente von nachgelagerten Prozessen über erfolgreiche Ausführung der Dokumenten-Erstellung etc.? 5. Benutzerverwaltung Der Benutzerverwaltung kommt beim Document Sharing im Rahmen einer sECM-Strategie eine besondere Bedeutung zu. Werden Dokumente mit einer Vielzahl von Kunden geteilt, muss eine klare Abgrenzung vorgenommen werden, welchen Kunden welche Dokumenten-Arten zur Verfügung gestellt werden. Dies hängt beispielsweise davon ab, ob eine aktive Kundenbeziehung und daher Zugriff auf ein erweitertes Angebot an Dokumenten besteht oder die Kundenbeziehung beendet wurde und ggfs. nur noch Dokumente wie Rechnungen oder Vertragsunterlagen historisch archiviert verfügbar gehalten werden. Aber auch unterschiedliche Kundengruppen oder Abstufungen bei Lieferanten oder Partnern müssen in Form eines Rollenkonzepts entsprechend berücksichtigt werden. Dies ist besonders deshalb erforderlich, weil eine für jeden einzelnen Sharing-Partner individuell gesetzte Rechtevergabe schnell in einer unüberschaubaren Vielzahl von Konfigurationseinstellungen münden kann, die das Risiko in sich tragen kann, Adressaten falsche Dokumente zur Verfügung zu stellen oder ihnen entsprechende Informationen vorzuenthalten. Ein praktikables und gut durchdachtes Rollenkonzept auf Basis von Geschäftsbeziehungen ist entscheidend, um den Aufwand und nicht zuletzt auch die Sicherheit beherrschbar zu halten. Ein mehrstufiges und für einzelne Zielgruppen differenziertes Rechtemodell vereinfacht hier die Verwaltung der freigegebenen Dokumente bzw. den Widerruf der Freigabe deutlich und schafft eine bessere Transparenz für die internen Verantwortlichen. Individuell ergänzte Freigaben für einzelne Dokumente oder Dokumenten-Typen sollten dabei an Gruppen-Rechte gekoppelt werden, damit diese bei entsprechenden Änderungen ebenfalls im Zweifelsfall automatisch angepasst werden. 58 In der Praxis empfiehlt sich dabei ein in Form einer Baumstruktur angeordnetes Rechtekonzept mit aufeinander aufbauenden Berechtigungen für einzelne Dokumenten-Typen, bei der die Enden der einzelnen Zweige die geringsten Berechtigungen enthalten und übergeordnete Knoten die Freigaben untergeordneter Ebenen erben. Dies schafft eine transparente Berechtigungsstruktur und stellt gleichzeitig sicher, dass schnell und unkompliziert entsprechende Freigaben erteilt werden können. 6. Strukturierung der geteilten Informationen Um die Komplexität für Adressaten des Document Sharing zu reduzieren und gleichzeitig die Transparenz zu steigern, ist ein eindeutiges Struktur-Konzept für die zu teilenden Dokumente empfehlenswert. Dies betrifft nicht den Aufbau der Dokumente an sich, sondern wie Sie dem Adressaten zur Verfügung gestellt werden. Denn besonders bei Kunden- oder Geschäftsbeziehungen mit einer Vielzahl von im Document Sharing bereitgestellten Dokumenten ist es von hoher Bedeutung für die Akzeptanz des selbigen, dass ein maximaler Nutzenkomfort und eine einfache Bedienung erzielt werden können. Eine in der eigenen Software logisch und strukturiert aufbereitete Dokumenten-Aufteilung muss nicht zwingend auch in der Kommunikation nach außen diesen Kriterien entsprechen, sondern folgt vielfach eher der internen Programmlogik als objektiven Kriterien. Daher ist im Rahmen der Document Sharing-Strategie für alle Dokumenten-Typen und betroffenen Prozesse eine Struktur zu erarbeiten, wie die entsprechenden Dokumente für den Adressaten optimal aufbereitet und zur Verfügung gestellt werden können. Beispielsweise können alle Vorgänge, die bestimmte Aufträge, Verträge etc. betreffen, in separaten Ordnern bereitgestellt werden, die bei einer Vielzahl von Dokumenten noch einmal ausdifferenziert werden können, um bestimmte Dokumententypen wie Rechnungen, Vertragsunterlagen, Angebote, Benachrichtigungen etc. übersichtlich abzulegen und zu teilen. Alternative Modelle können auch die Nutzung von Sammelordnern für gleiche Dokumenten-Typen sein. Im Zentrum sollte hierbei weniger die interne Sicht auf die Dokumenten-Struktur als vielmehr die externe Sicht der Adressaten stehen, um eine optimale Document Sharing-Struktur zu entwickeln. Dies bedeutet, dass im Rahmen von Kundenbefragungen oder neutralem Feedback durch unbeteiligte Dritte ermittelt werden und laufend überprüft werden sollte, in welcher Struktur etc., die Inhalte dargestellt werden sollten. 59 7. Versionierung Beim Document Sharing spielt auch der Punkt eine entscheidende Rolle, ob es sich bei geteilten Dokumenten um einmalig erzeugte Dokumente handelt oder ob es sich um ein Dokument handelt, das Aktualisierungen unterliegt bzw. unterliegen kann. Dies hat direkten Einfluss darauf, wie die verschiedenen Dokumenten-Typen behandelt werden müssen, um eine optimale Struktur im Sharing-Prozess sicherzustellen. Dafür können verschiedene Arten von Vorgängen unterschieden werden: • Einmaliges Document Sharing ohne Aktualisierung: Hierbei handelt es sich typischerweise um Dokumente wie Auftragsbestätigungen, Vertragsunterlagen etc., die zu einem bestimmten Zeitpunkt erzeugt und geteilt werden. Es erfolgt eine Einordnung in die Dokumenten-Struktur des Sharing-Konzepts und anschließend werden keine Veränderungen an den geteilten Dokumenten vorgenommen. • Einmaliges Document Sharing mit Aktualisierung: Dieser Fall umfasst alle Dokumente, die auf Kundenanforderung bereitgestellt werden, bei denen die geteilten DokumentenArten aber Veränderungen unterliegen. Dies betrifft beispielsweise Sicherheitsdatenblätter für einzelne Produkte, Benutzeranleitungen, Prospekte etc. Im Rahmen der Document Sharing-Strategie sind für diese Dokumenten-Typen entsprechende Regeln festzulegen und Prozessdefinitionen vorzunehmen, die die Aktualisierung der geteilten Informationen betrifft. Dies kann beispielsweise ein Austausch des geteilten Dokuments mit entsprechender Benachrichtigung des Benutzers über die Aktualisierung sein. Alternativ ist auch eine Aktualisierung mit Verschiebung des bisherigen Dokuments in einen Archiv-Ordner sowie Kennzeichnung als nicht mehr aktueller Version möglich, was dem Benutzer weiterhin Zugriff auf vorherige Daten ermöglicht, während gleichzeitig die aktuellen Informationen angeboten werden. Welche Variante gewählt wird, ist dabei sowohl von technischen Voraussetzungen als auch den Dokumenten-Typen abhängig. Bei Dokumenten, die beispielsweise zur Einhaltung rechtlicher Vorgaben dienen und damit eine hohe Relevanz für Anbieter und Adressat haben, bietet sich eine Archiv-Lösung an, um eine maximale Transparenz auf Seiten des Adressaten zu schaffen, während bei Dokumenten wie Handbüchern etc., die vor allem als Kundenservice genutzt werden, ein einfacher Austausch ggf. mit Benachrichtigung mit 60 dem Datum der letzten Aktualisierung erfolgen kann. Im Rahmen der sECM-Strategie sollte daher für jeden einzelnen Dokumenten-Typ und Geschäftsprozess eine ausführliche und differenzierte Bewertung vorgenommen werden und eine für den Adressaten schlüssige und gleichzeitig den Anforderung genügende Lösung gewählt werden. Typische zu beantwortende Fragen können hierbei sein: • Hat der Adressat einen Nutzen, wenn vorherige Dokumenten-Versionen weiterhin verfügbar sind? • Schafft es ein höheres Vertrauen, wenn der Adressat auf eigene Initiative Veränderungen in den Dokumenten nachverfolgen kann? • Gibt es rechtliche Anforderungen, was das Vorhalten früherer Dokumenten-Versionen betrifft? Neben der Aktualisierung der Inhalte kann für einzelne Dokumenten-Typen aber auch ein Ablauf-Datum relevant sein, ab dem z.B. die Freigabe für das betreffende Dokument wiederrufen werden soll, weil es seine Gültigkeit verliert oder vorhersehbar bestimmten Anforderungen nicht mehr genügt. Auch für diesen Fall muss eine Abwägung vorgenommen werden, ob Dokumente des betreffenden Typs ggf. mit Benachrichtigung des Adressaten gelöscht werden oder ob die Dokumente in einem Archiv-Ordner als abgelaufen markiert weiterhin verfügbar gehalten werden. • Wiederkehrendes Document Sharing ohne Aktualisierung: Hierbei handelt es sich um automatisch oder manuell angestoßene Prozesse, sie sich in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen wiederholen und immer gleiche Dokumenten-Typen betreffen. Dies können beispielsweise Monatsrechnungen, Übersicht über erbrachte Leistungen etc. sein. Bei wiederkehrenden Sharing-Vorgängen für einzelne Dokumenten-Typen ohne Aktualisierung geteilter Dokumente empfiehlt sich die Anlage von Archiv-Ordnern, in denen vorherige Dokumente unter Beibehaltung von gesetzlich vorgegebenen Fristen oder im Rahmen der Kunden- oder Geschäftsbeziehung getroffenen Vereinbarungen vorgehalten werden. Hierfür sind entsprechende Prozesse zu definieren, die sicherstellen, dass jeweils das aktuellste Dokument verfügbar gemacht wird und eine automatische Archivierung bestehender Dokumente erfolgt. Außerdem ist eine Benachrichtigungsfunktion für den Adressa- 61 ten zu integrieren, die sowohl über die Bereitstellung des neuen Dokuments als auch die Verschiebung bestehender Dokumente in das Archiv informiert. • Wiederkehrendes Document Sharing mit Aktualisierung: Dieser Sharing-Typ umfasst beispielsweise aktuelle Angebote, Übersicht über im letzten Monat neu hinzugekommene Artikel, Verbrauchsübersichten etc. Wie beim einmaligen Document Sharing mit Aktualisierung handelt es sich um Dokumente, die in einem bestimmten Rhythmus aktualisiert werden, bei der die vorherige Version des Dokuments nach Aktualisierung aber ihre Gültigkeit verliert. Es sind daher die gleichen Prozess-Defi nitionen und Regeln wie beim einmaligen Document Sharing zu defi nieren und zu nutzen. Versionierung von geteilten Dokumenten Communication Hub Einmaliges Document Sharing Austausch bestehender Dokumente Bereitstellung neuer Dokumente Benachrichtigung des Empfängers Wiederkehrendes Document Sharing Austausch bestehender Dokumente Bereitstellung neuer Dokumente Benachrichtigung des Empfängers Abbildung 28 62 VII Management des sECM-Betriebs Durch das Angebot einer sECM-Plattform übernimmt das Unternehmen gegenüber allen Nutzern die Verantwortung für die Leistungsqualität des Archivs. Dies stellt grundsätzlich eine für den Betrieb von IT-Lösungen typische Anforderung dar, sie weist aber aufgrund der spezifi schen Anwendung verschiedene Besonderheiten auf. 1. Prozess- und Qualitätsmanagement Um gegenüber den Usern eine kontinuierliche Leistungsqualität sicherzustellen, ist der Aufbau spezieller Customer Services erforderlich. Denn mit dem Document Sharing müssen neue Support und Service-Angebote entwickelt Prozess- und Qualitätsmanagement und betrieben werden, die zumindest im Zusammenspiel mit den Kunden bei der Nutzung beispielsweise von Papierdokumenten oder Customer Services einfachen E-Mails nicht notwendig waren. Beispielsweise müssen nun Kunden bei FragestelService Level Management lungen zum Verlust von Passwörtern, fehlender technischer Kompatibilitäten von Browsern etc. Organizational Change Management unterstützt werden. Aber auch Fragen zum Servicelevel und zur kontinuierlichen Weiterentwicklung des Support müssen gelöst werden. Abbildung 29 • Customer Service-Prozesse: Mit dem Angebot, die Dokumente zur kollaborativen Nutzung zu verwalten, sind entsprechend ergänzende Support-Leistungen bereitzustellen. Derartige Services werden zumeist in einer Kombination von webbasierten Hilfestellungen (FAQs, Tutorials etc.) und mitarbeitergestützten Services (Hotline, Chat, E-Mail-Support etc.) angeboten. Hierfür gilt es, die erforderlichen Prozesse, Service Levels, Tools etc. zu konzipieren und umzusetzen. Mit der Konzeption und Realisierung dieser Prozesse ist auch die grundlegende Frage zu klären, wer diese Aufgaben übernimmt. Sowohl eine Durchführung durch eigene Mitarbeiter als auch eine Vergabe der technischen Service Support-Leistungen an Dritte sind denkbar. Wird bspw. die technische Plattform durch einen Dienstleister gestellt, ist die gleichzeitige Vergabe der technischen Service Prozesse an den Plattformbetreiber eine prüfenswerte Option. 63 • Service Level Management: Weil es sich bei dem Document Sharing um einen kundenorientierten Dienst handelt, sind im Interesse einer hohen Kundenzufriedenheit anspruchsvolle bzw. marktgerechte Qualitätslevels notwendig. Hierfür bedarf es klarer Definitionen des Serviceniveaus in seinen verschiedenen Facetten von der Verfügbarkeit des Cloud-Dienstes bis zur Reaktionszeit bei Kundenanfragen in Form von Service Level Agreements (SLAs). Es gilt, alle intern und extern beteiligten Instanzen (Archiv-Anbieter, interne IT, Kundenmanagement etc.) in die Entwicklung und verbindliche Umsetzung dieser SLAs einzubeziehen. Gleichzeitig müssen Prozeduren für eine regelmäßige Aktualisierung von sECM an veränderte technische Möglichkeiten, neue Kundenbedarfe und betriebswirtschaftliche Erfordernisse angepasst werden. • Organizational Change Management (OCM): Eine sECM-Lösung stellt die Nutzer und andere Stakeholder vor die Herausforderung, einen relativ neuen Ansatz des ECM zu begreifen und zu gestalten. Dies macht ein systematisches Organizational Change Management notwendig, das bereits früh in der Einführungsphase ansetzen sollte. Denn es besteht die besondere Herausforderung, dass es sich bei den Nutzern nicht primär um interne Mitarbeiter des eigenen Unternehmens, sondern um Kunden, Partner oder Lieferanten handelt. Trotz der heterogenen Zielgruppe für das OCM müssen Interessen, Einstellung zum Vorhaben und schließlich die Macht zur Unterstützung oder zur Behinderung eingeordnet werden. Auf dieser Basis können Change-Ziele definiert werden, die in messbarer Weise aufzeigen, welche Einstellungen zum sECM in den verschiedenen Gruppen vorherrschen und wie sich diese ggf. verändern. Mit einem klaren Bild von Stakeholdern und Kommunikationszielen kann dann ein Kommunikations- und Change-Konzept entwickelt und umgesetzt werden. Nach Möglichkeit sollten Change-Ergebnisse periodisch gemessen werden. Eine regelmäßige Aktualisierung von Stakeholder-Analyse und Analyse der Change-Ziele, die ja bspw. auch durch veränderte sECM-Vorgehensweisen etc. beeinflusst werden können, hilft die Maßnahmen fortlaufend auf höchste Effektivität und Effizienz auszurichten und so sicherzustellen, dass auch die weichen Faktoren des sECM adäquat berücksichtigt sind. 2. Infrastruktur-Management Die für den Betrieb der sECM-Plattform erforderliche technische Infrastruktur impliziert verschiedene Managementfunktionen, um eine zielgerechte Nutzung und kontinuierliche Optimierung sicherzustellen. Diese Aufgaben konzentrieren sich insbesondere auf: 64 • Provider-Management: Es ist für eine organisatorisch und personal klar defi nierte Schnittstelle zum Provider der sECM-Lösung zu sorgen. Sie ist dafür verantwortlich, dass eine anforderungsgerechte Leistungs- und Qualitätssteuerung entsprechend den defi nierten technischen Anforderungen und Service Levels erfolgt. Ein kontinuierliches Monitoring der erfolgskritischen Parameter sollte dabei ebenso zum Selbstverständnis gehören wie ein ausführliches Reporting an sECM-Infrastrukturmanagement die gesamten Verantwortungsträger. Hierfür sind über die technischen Leistungsdaten hinaus Provider-Management angemessene Kennzahlen zur Servicequalität zu entwickeln. Die Compliance und Risiko-Management für den Betrieb permanente Auswertung gemeldeter Schwierigkeiten, aber auch kontinuierliche Optimierung und Weiterentwicklung Vorschläge zur Verbesserung, geben wichtige Hinweise zur Abbildung 30 Fehlerreduktion und zur weiteren Verbesserung und Priorisierung anstehender neuer Features (Backlog-Items im Sinne einer agilen Vorgehensweise). • Compliance und Risiko-Management für den Betrieb: Ein weiteres Feld, das mit der Nutzung einer sECM-Plattform erhöhte Relevanz hat, ist der Bereich Compliance, insbesondere Datenschutz und Sicherheits-Management. Denn für die Einführung und den Betrieb muss ein angemessenes Risikomanagement konzipiert und gestartet werden. Zum Risikomanagement gehört vor allem das Aufsetzen eines dauerhaften Prozesses der Risikoanalyse auf Basis einer Risikomatrix mit den Dimensionen Risikoausmaß und -wahrscheinlichkeit. Entsprechend der analysierten Risikosituation sind Maßnahmen abzuleiten und nachzuverfolgen. In ähnlicher Form gilt es, permanent relevante Compliance-Regelungen zu identifi zieren und nach Relevanz und resultierender (möglicher) Wirkung zu bewerten. Auch aus dieser Perspektive heraus sind entsprechende Maßnahmen abzuleiten und nachzuverfolgen. Im Bereich des sECM werden die wichtigen Risiko- und Compliance-Faktoren vor allem das Befolgen von Datenschutz-Regelungen, inhaltliche Datenschutzziele aus ethischen und marktorientierten Überlegungen heraus, Verfügbarkeit und Robustheit der Prozesse bei Ausfall von Technologien, Marktpartnern etc. sein. Typische Maßnahmen werden 65 Verfahrensanweisungen, Unterrichtungen und Schulungen, IT-Sicherheits-Konzepte, Datensicherungsmaßnahmen, Notfallpläne, Disaster-Recovery-Vorkehrungen, Kommunikationskonzepte für Risikoszenarien u.ä. sein. Auch externe Sicherheitsprüfungen durch Penetrationstests sind zu erwägen. Ein weiteres wichtiges Thema bei externem Betrieb der sECM-Plattform ist eine Rollback-Strategie bei Vertragsende oder bspw. Insolvenz des Anbieters. Hier gilt es, eigene Risikoanalysen zu entwickeln und angemessene Strategien zu defi nieren. Bei vielen Cloud-Angeboten wird eine einfache Rückübertragung von Daten und Prozessen wenn überhaupt nur äußerst aufwändig möglich sein. Es ist zu prüfen, inwieweit hier Abstriche von einer Maximalposition vertretbar sind bzw. wie mit derartigen Szenarien umzugehen wäre. • Kontinuierliche Optimierung und Weiterentwicklung: Mit den Erkenntnissen aus der Anlaufbetreuung liegen weitere wichtige Informationen zur Überarbeitung des Product Backlogs vor. Zusammen mit verfügbaren Daten aus den sozialen Netzwerken und dem System-Monitoring kann überlegt werden, welche Items als nächste angegangen werden sollen. Nachdem zumindest erste Teile in Produktion sind, gilt es, eine gute Balance aus evtl. weiteren Roll-Outs in bisher noch nicht abgedeckten Unternehmensbereichen bzw. Regionen, Fehlerbehebungen und neuen Features zu fi nden. 3. Organisationsmodell für sECM Schnittstellen der sECM-Organisation Kommunikationsmarketing Produktmarketing Vertrieb Lieferantenmanagement Partnermanagement Soll Social ECM als kollaborative Plattform für die Kommunikation mit Kunden, Lieferanten und weiteren Zielgruppen realisiert werden, ist der Aufbau adäquater Organisationsstrukturen und -prozesse erforderlich. Der sECM-Bereich sollte einem marktnahen Funktionsbereich wie etwa der Vertriebs-, Marketing- oder Kommunikationsabteilung zugeordnet werden oder es sollte zumindest eine ausreichende Nähe im Sinne von Einbindung und Einfl uss sichergestellt werden. Eine Positionierung im direkten Umfeld der IT birgt hingegen die Gefahr, dass die Marktperspektive nicht ausreichend berücksichtigt wird und technische Aspekte die Überlegungen prägen. Abbildung 31 66 Bei der Entwicklung und dem Management des sECM-Angebots sollten Strategie und Ziele aus den Unternehmens- und Marktstrategien abgeleitet und in übergeordneten Rahmenvorgaben abgebildet werden. Sie sollten ausreichende Gestaltungsfreiheiten bieten, um eine kreative und flexible Ausrichtung sowie kontinuierliche Weiterentwicklung der sECM-Strategie zu gewährleisten. Damit verbunden sind folgende Anforderungen: • Verantwortlichkeiten durch einen sECM-Manager klar definieren: Infolge der zwangsläufig vielfältigen Einflüsse durch die verschiedenen einzubeziehenden Funktionsbereiche des Unternehmens erscheint eine verantwortliche Zuordnung der Aufgaben in einer Rolle sinnvoll zu sein. Ein solcher sECM-Manager hat eine führende wie koordinierende Funktion. Der Vorteil eines solchen Modells besteht darin, dass Social ECM auf diese Weise klar positioniert wird und innerhalb des Unternehmens eine strategisch verbindliche Einordnung erhält. • Schnittstellen zu anderen Funktionsbereichen aktiv gestalten: Selbstverständlich bedarf es eines unmittelbaren Zusammenspiels mit der IT-Organisation als Verantwortliche für den Betrieb der sECM-Lösung. Daneben sind aber weitere Schnittstellen zu weiteren marktnahen Fachbereichen zu gestalten. Dazu gehören abhängig von der Größe und Struktur des Unternehmens: • das Kommunikationsmarketing als Instanz der Imagebildung über PR, Werbung und Events, dem die Aufgabe zukommt, für diese kollaborativen Kundenservices den notwendigen Bekannheitsgrad und eine wettbewerbsdifferenzierende Positionierung im Markt zu erzeugen; • das Produktmarketing, weil die Wettbewerbsfähigkeit von Produkten durch die sECM-Funktionialitäten in vielen Fällen weiter gesteigert wird und dies in der Produktweiterentwicklung und der Produkt-Marketing-Strategie zu berücksichtigen ist. Auch wird das Sharing von Informationen ein vermarktbares Merkmal zahlreicher, aber durchaus nicht aller Produkte sein. Insofern sollte eine enge Abstimmung mit dem Funktionsbereich der Produktentwicklung bzw. dem möglicherweise in dezentralen Produktsparten organisierten produktfokussierten Marketing erfolgen; • der Vertrieb, da er – möglicherweise produktabhängig – mit Document Sharing einen Service an die Hand bekommt, dem prinzipiell zusätzliche Vermarktungsimpulse inne wohnen; • das Lieferantenmanagement, weil sECM auch als Plattform genutzt werden kann kann, um mit den Lieferanten Produkt- und weitere Informationen auszutauschen und dabei 67 beispielsweise eine jederzeit aktuelle Versionierung der Dokumente vorzunehmen ist. Werden Aufgaben des sECM fremdvergeben, so muss schließlich für diese Aufgabe eine Vergabe und ein laufendes Lieferantenmanagement gewährleistet werden. • das Partnermanagement in seinen möglicherweise verschiedenen Strukturen (Vertrieb, Forschung- und Entwicklung usw.), das von einer engeren Kommunikation mit geringerem Abstimmungsaufwand profitieren kann. • Integration in die Marketingstrategien: Weil Social ECM primär die Kommunikationsqualität zwischen einem Unternehmen und seinem sozialen Umfeld verbessert und dabei nicht losgelöst von den weiteren Initiativen zur Akzeptanzbildung und Vertriebssteigerung agieren kann, müssen die Ziele und operativen Maßnahmen im sECM-Management in Einklang mit den Marketingstrategien gebracht werden. Dieser inhaltliche Bezug spricht dafür, die sECM-Einheit organisatorisch der Marketingabteilung zuzuordnen. • Social Media-Kompetenzen: Da Social ECM einen hohen Bezug zum Nutzungsverhalten in sozialen Netzwerken aufweist, gehören neben einem fundierten Wissen in Dokumentenmanagement und seiner technischen angrenzenden Themen auch Kompetenzen im Bereich der Social Network-Kommunikation zu den fachlichen Anforderungen der Mitarbeiter mit sECM-Aufgaben. Hinzu kommen Fähigkeiten in der strategischen Planung und dem Marketing sowie – aufgrund der zahlreichen Schnittstellen zu anderen Fachbereichen und Cloud-Provider – hohe Kommunikationsfähigkeiten. 68 VIII sECM Strategy Portfolio Die Entwicklung vom klassischen Transaktionsgetriebenen ECM zum sECM steht derzeit noch am Anfang. Entsprechend ist es noch schwierig zu prognostizieren, wie das sECM der Zukunft im Detail aussehen wird. Noch ist es schwierig vorherzusagen, wann sECM im Markt breit angenommen bzw. eingefordert wird. Auch lassen sich die technologischen Entwicklungspfade und evtl. Sackgassen in einzelnen Funktionalitäten derzeit nicht klar benennen. Entsprechend stellt sich die Frage für Unternehmen, welche Strategie sie im Bereich sECM einnehmen wollen. Notwendige Investitionen in Prozesse, Technologien, Training, Marketing, Betrieb etc. können sich für einige Unternehmen als zu früh, für andere aber bereits unbedingt angezeigt herausstellen. Einzelne Unternehmen stehen vor der Gefahr unnötige Risiken ohne entsprechende Chancen einzugehen, während andere Unternehmen Early-Mover-Chancen aus der Hand geben könnten, die es kein zweites Mal geben wird. Es gibt eine Vielzahl von Beispielen, in denen verpasste Chancen zum späteren Ausscheiden aus dem Markt oder zum Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit beigetragen haben. Bekannte Beispiele für Unternehmen, die bei anderen Technologien zu spät reagiert haben, sind etwa Quelle, Nokia, Brockhaus Enzyklopädie etc. Einen Hinweis auf die angezeigte Strategie in Sachen sECM gibt das sECM-Strategie-Portfolio, das auf einem zweidimensionalen Portfolio basiert. Die eine Dimension behandelt die zu erwartenden Aufwände und Hindernisse, die mit einer Einführung und Nutzung von sECM verbunden sind. Die zweite Dimension bildet die wirtschaftlichen Nutzenpotenziale durch Einführung eines sECM-Angebots ab. Wichtige Faktoren der Aufwands-/Hindernis-Dimension sind etwa • Schlecht strukturierte Prozesse/Informationen/Dokumente • viele Quellsysteme • relevante Compliance-Erfordernisse, die eine sECM-Nutzung erschweren • Sensibilität/Angst bei Kunden • Zielgruppe nicht IT-affin • schwerlich mit Produktimage vereinbar • ... 69 In der Nutzen-Dimension können Faktoren eine Rolle spielen wie • Kundennutzen • Qualitäts- und Kosteneinsparungen im Kundenservice • Zielgruppenaffinität zu Social-Media-Diensten • Up-/Cross-Selling-Potenziale • Einfache Realisierung • bereits Standard in der Branche • etc. Auf Basis der Einordnung des Unternehmens bzw. der Geschäftsfelder nach den dargestellten zwei Dimensionen lassen sich Potenziale bzw. Hindernisse für das sECM zuordnen. Dabei ist zu beachten, dass in der graphischen Ausgestaltung die Werte für die Hindernisse/ Aufwände in umgekehrter Richtung abgetragen werden. Unternehmen bzw. Geschäftsbereiche können damit ihre jeweilige Situation einordnen: • Gegenwind: Ist die Einführung und der Betrieb mit hohem Aufwand bzw. weitreichenden Hindernissen verbunden und sind zugleich auch keine weitreichenden Nutzenpotenzialen zu erkennen, so ist die kurzfristige Integration eines sECM-Systems in die bestehende Prozess- und Systemlandschaft kritisch zu betrachten. Evtl. ist es sinnvoller abzuwarten und die weiteren Entwicklungen in Feldern wie Technologien, sECM-Drittangebote und Markterwartungen aufmerksam zu verfolgen. • Lohnender Gipfel: Sprechen andererseits bei hohem Aufwand bzw. weitreichenden Hindernissen auf der anderen Seite große Nutzenpotenziale für die Einführung eines sECM-Systems, so ist die Entscheidung deutlich schwieriger. Hier gilt es vorsichtig abzuwägen, inwieweit die Nachteile die potenziellen Vorteile oder sogar Zwänge zur Einführung eines sECM-Systems überkompensieren. Ist es evtl. auch bei hohen Aufwänden unumgänglich die Chancen eines sECM-Systems zu ergreifen? Diese Entscheidung ist unter Abwägung der Pros und Cons mit großer Sorgsamkeit durchzuführen. • Rückenwind: Lassen sich nur geringe Hürden bei der Einführung einer sECM-Lösung identifizieren, scheinen aber auch die Vorteile überschaubar, so gilt es ebenfalls genau abzuwägen. Wurden wirklich alle Hindernisse und Aufwände ausreichend berücksichtigt? Gibt es wirklich keine weiterreichenden Nutzen-Argumente zur Einführung eines sECM-Systems? 70 • Beach: Sind nur geringe Argumente gegen die Einführung und die fortgeführte Nutzung eines sECM-Systems auszumachen und sprechen weitreichende Argumente für die Vorteile, so ist die Entscheidung einfach. In dieser Konstellation wäre ein Verzicht auf die sECM-Option kaum zu vertreten. sECM Strategy Portfolio Matrix groß Life is a Beach Gegenwind Rückenwind Nutzenpotential Lohnender Gipfel gering groß Aufwand/Hindernisse gering Abbildung 32 71 IX Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Entwicklungstreiber des kollaborativen ECM 5 Abbildung 2: Klassischer IT-Arbeitsplatz vs. Information Worker-Arbeitsplatz 8 Abbildung 3: Nutzen- und Risikoprofil von Cloud-Lösungen 12 Abbildung 4: Unternehmensnutzen durch Consumerization der IT 14 Abbildung 5: Konstituierende Merkmale sozialer Strukturen 17 Abbildung 6: Trends im kollaborativem Dokumentenmanagement 20 Abbildung 7: Grundstruktur ECM in der Cloud 22 Abbildung 8: Grundprinzip Document Sharing 24 Abbildung 9: Zielgruppen von Unternehmen für das Document Sharing (Beispiele) 25 Abbildung 10: Unternehmensnutzen des Document Sharings 26 Abbildung 11: Sehen Sie im Document Sharing in der Cloud eine Zukunft? 27 Abbildung 12: Welche Nutzenvorteile könnten für ein Document Sharing sprechen? 27 Abbildung 13: Kundennutzen des Document Sharings 28 Abbildung 14: Entwicklung von sECM-Strategien 30 Abbildung 15: Hybrides sECM 31 Abbildung 16: Nutzenperspektiven von sECM 33 Abbildung 17: sECM-Anforderungsprofil aus Nutzersicht 36 Abbildung 18: Risikobewertungen von sECM-Investitionen 38 Abbildung 19: Komponenten Strategische Roadmap 21 41 Abbildung 20: Vorgehensmethodik Basis: SCRUM-Methodik 42 Abbildung 21: Prozessorientiertes sECM-Konzept 44 Abbildung 22: Marktevaluierung sECM-Provider 47 Abbildung 23: Communication Hub 50 Abbildung 24: Document Sharing-Varianten aus der Sender-Perspektive 52 Abbildung 25: Document Sharing-Varianten aus der Empfänger-Perspektive 53 Abbildung 26: Prozessvarianten im Document Sharing 55 Abbildung 27: Einflussfaktoren auf sECM-Prozesse 57 Abbildung 28: Versionierung von geteilten Dokumenten 62 Abbildung 29: Prozess- und Qualitätsmanagement 63 Abbildung 30: sECM-Infrastrukturmanagement 65 Abbildung 31: Schnittstellen der wECM-Organisation 66 Abbildung 32: sECM Strategy Portfolio Matrix 71 72 Beratungspartner zur Praxisreflektion des Frameworks www.d-velop.de www.di-i.org
© Copyright 2024 ExpyDoc