Das Social ECM Framework

[d] i g i t a l
intelligence institute
Framework ECM Intelligence
Social ECM als kollaboratives Dokumentenmanagement
s ECM
p ECM
w ECM
www.di-i.org
Prof. Dr. Ayelt Komus / Wilfried Heinrich
Inhalt
Einleitung3
I Entwicklungstreiber für kollaboratives ECM
1. Digitale Akzeptanz
2. Mobility
3. Social Media
4. Cloud 5. Consumerization II Die soziale Dimension des Dokumentenmanagements
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1. Konstituierende Merkmale sozialer Strukturen
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2. Die Sozialfähigkeit von DMS/ECM
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III Entwicklungstendenzen im kollaborativen Dokumentenmanagement
1. Sharepoint
2. Online-Speicher in der Cloud
3. Document Sharing als Social ECM
IV Strategische Analyse und Rahmenkonzept für sECM
1. Generelle Digitalisierungs- und ECM-Strategie-Optionen
2. Nutzenperspektiven von sECM für Unternehmen
3. sECM-Strategie aus der Nutzer-Perspektive
4. Risikobewertungen 5. Realisierungsvarianten als Public oder Private Cloud
V Projektentwicklung
1. Vorgehensmethodik
2. Prozessorientierte sECM-Konzeption
3. Integrationsmaßnahmen
4. Evaluierung des sECM-Providers
VI Technische Infrastruktur für sECM
1. Communication Hub
2. Document Sharing-Rollen
3. Prozessvarianten für das Document Sharing
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4. Einflussfaktoren
5. Benutzerverwaltung
6. Strukturierung der geteilten Informationen
7. Versionierung
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VII Management des sECM-Betriebs
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1. Prozess- und Qualitätsmanagement
2. Infrastruktur-Management
3. Organisationsmodell für sECM
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VIII sECM Strategy Portfolio 69
IX Abbildungsverzeichnis 72
2
Einleitung
Das Framework „ECM Intelligence“ gliedert sich in drei separate Teile auf. Während im ersten Teil, der bereits in 2012 erschien, das workflow-orientierte Dokumentenmanagement
betrachtet und mit dem ECM-Performance-Index eine Methode zur wirtschaftlichen und
qualitativen Steuerung von ECM-Prozessen vorgestellt wurde, widmet sich der aktuelle
Band dem Social ECM als einer speziellen, aber an Bedeutung deutlich wachsenden Form
des Dokumentenmanagements. Unter Social ECM ist hier im Kern die gezielte Nutzung
digitaler Informationen in kollaborativen Strukturen mit gleichzeitiger Option für ein systematisches Sharing von Dokumenten gemeint.
Mehreren Ansätzen unterliegt derzeit eine Entwicklung in diese Richtung, wenngleich mit
unterschiedlichen kollaborativen Ausprägungsstufen. Zu den Entwicklungstreibern gehören
vor allem Cloud-Archive1, die in kurzer Zeit eine breite Akzeptanz insbesondere im Bereich
der privaten Nutzer gefunden haben. Dieser Trend resultiert nicht zuletzt aus der starken
Verbreitung der mobilen Endgeräte, die als mobile Kleincomputer immer mehr zu individuellen Datenzentralen mit vielfältigen technischen Funktionen geworden sind. Zudem besteht
ein deutlicher Trend hin zum Sharing, also dem Teilen, von Informationen.
Allerdings besteht die Herausforderung, die vom Ursprung her professionelle unternehmensgeschäftsprozessbezogene Ausrichtung von ECM mit den Bedürfnissen der privaten User
zu koppeln. Dabei sollten möglichst kollaborative Strukturen unterstützt werden, die auch
sehr komplexe Beziehungen bei der Nutzung digital gespeicherter Informationen erlauben.
Entsprechend definiert sich Social ECM (sECM) zunächst einmal als klassisches und nach
professionellen Anforderungen funktionierendes Dokumentenmanagement, das aber gleichzeitig über seine bisher unternehmensbegrenzte Fokussierung hinausgeht, indem es ein
kontrolliertes Teilen der elektronischen Informationen mit ausgewählten Adressaten erlaubt.
Mit diesen erweiterten Möglichkeiten des Informationsaustauschs ergeben sich gleichzeitig nicht nur veränderte Dokumentenprozesse; vielmehr eröffnen sich vollständig neue
1) Ein (elektronisches) Archiv i.e.S. dient der unveränderbaren, langzeitigen Aufbewahrung elektronischer
Information. In diesem Text wird der Archiv-Begriff um Funktionalitäten zur kurzfristigen und veränderlichen
Speicherung von Informationen und insbesondere Dateien erweitert verstanden, wie es oft auch im allgemeinen
Sprachgebrauch verbreitet ist.
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Perspektiven in der interaktiven Kommunikation beispielsweise zwischen Unternehmen und
ihren Kunden, Lieferanten und anderen Geschäftspartnern.
Dieses Framework nimmt in seiner praktischen Ausrichtung nicht nur eine Abgrenzung
des Social ECM vom klassischen Dokumentenmanagement vor und weist ihm eine eigene
Kategorie zu. Vielmehr widmet es sich auch der Fragestellung, wie sich sECM-Projekte systematisch planen, organisieren und managen lassen. Dabei werden auch die notwendigen
technischen Infrastrukturbedingungen einer ausführlichen Betrachtung unterzogen und in
einem Lösungsmodell dargestellt.
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I Entwicklungstreiber für kollaboratives ECM
Die Technologien, Prozesse und methodischen Konzepte in den Unternehmensstrukturen
wachsen immer mehr zusammen. Auch das Dokumentenmanagement muss sich offen für
Veränderungen im Umfeld zeigen und sein Blickfeld erweitern. Zwar darf das Argument der
Modernität nicht dazu führen, dass mit einer gewissen Beliebigkeit jedem Trend gefolgt wird,
aber es ist wichtig, aus einem erweiterten Verständnis heraus kontinuierlich die relevanten
Entwicklungsfaktoren zu erkennen und intelligent für die Weiterentwicklung von ECM zu
nutzen. Herausforderungen dafür ergeben sich nicht nur infolge der Veränderungsgeschwindigkeit in Business und Technik. Durch die hohe Digitalisierungsdynamik in der gesamten
Gesellschaft werden die von außen wirkenden Einfl üsse auf ECM in Zukunft vermutlich noch vielfältiger werden. Umgekehrt wird ECM dadurch aber auch maßgeblich an Bedeutung
gewinnen – wenngleich das ECM der Zukunft nicht gänzlich dem Dokumentenmanagement
nach den Vorstellungen der Gegenwart entspricht.
Entwicklungstreiber
des kollaborativen ECM
Mobility
Digitale
Bildung
Akzeptanz
ECM
Consumerization
Cloud
Abbildung 1
Social
Media
Unabhängig von der zukünftigen Weiterentwicklung ist jetzt bereits festzustellen, dass
das Dokumentenmanagement bzw. Enterprise Content Management längst kein isolierter
Bereich der IT-Welt mehr ist. Es steht unter
vielfältigen Einfl üssen, die einen erweiterten Blickwinkel auf die digitale Nutzung von Informationen erfordern.
1. Digitale Akzeptanz
Eine neue kollaborative Dimension des Dokumentenmanagements kann nur erreicht
werden, wenn die Informationen und Dokumente in wachsendem Maß elektronisch zur
Verfügung stehen. Und dies gilt für die Unternehmen gleichermaßen wie für die privaten
Nutzer. So wächst in den Unternehmensorganisationen kontinuierlich der Umfang des di-
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gitalen Informationsvolumens zulasten der papierbasierten Dokumente. Gleichzeitig setzen
immer mehr Geschäftsprozesse vollständig auf elektronischen Content.
Dies resultiert aus einer deutlich gewachsenen Akzeptanz digitaler Medien. So ermittelte
etwa 2012 eine Studie des dii, dass quer durch die Hierarchieebenen und Altersgruppen der
Unternehmen tendenziell eine große Bereitschaft besteht, verstärkt in digitale Technologien
und Prozesse zu investieren. Zwar verzeichnet die Studie nach wie vor für das Top-Management in den persönlichen Affinitäten eine gewisse Distanz zu den digitalen Medien, doch
nur jeder sechste von ihnen bezeichnet solche Investitionen als überflüssig. Im Gegenteil
werden sie von 64 Prozent als zukunftsrelevant oder zumindest erstrebenswert beurteilt.
Bei den Fachbereichsmanagern und Teamleitern liegt die Quote derer, die sich für ein
stärkeres Engagement der Firmen in digitale Techniken aussprechen, sogar jeweils bei
über drei Viertel. Für sie sind die digitalen Medien mehrheitlich unverzichtbar geworden.
In der Altersbetrachtung wiederum plädieren die jüngeren Beschäftigten bis 30 Jahre in fast
doppelt so hoher Zahl für eine Steigerung des Investitionsengagements wie die Befragten
im Alter von über 50 Jahren.
Dieses Kennzeichnen der hohen digitalen Affinität bei den Jüngeren hat zum Begriff der
Generation der „Digital Natives“ geführt. Sie wächst überwiegend schon im Kindesalter mit
elektronischen Medien auf und entwickelt dadurch ein digitales Selbstverständnis. Im Gegensatz zu den älteren Generationen brauchen die Digital Natives ihre Verhaltensgewohnheiten
nicht zu ändern, um mit den neuen digitalen Medien zu arbeiten. Stattdessen charakterisiert
sich die Nachwuchsgeneration durch ein insgesamt digital geprägtes Handlungsprofil im
Alltag. Zugleich verändert diese Generation zunehmend auch das Verhalten der älteren Generationen durch intensiven Transfer von Verhaltensmustern der Digital Native-Generation
auf die älteren Generationen.
Für die kollaborative Nutzung von ECM hat diese Entwicklung der digitalen Akzeptanz samt
der wachsenden soziografischen Angleichung digital orientierter Handlungsmuster eine zentrale Bedeutung: Die bisherige Fokussierung des Dokumentenmanagement auf den professionellen Einsatz in Unternehmen wird deutlich aufgeweicht, weil sich auch der private User
gleich welchen Alters ganz selbstverständlich der elektronischen Speicherung und Archivierung von Bildern, Videos und anderen Dokumenten oder Informationen widmet. Dadurch
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entsteht ein selbstverständlicher und von persönlichen Interessen geprägter Zugang zum
Dokumentenmanagement, wodurch wirksame Digitalisierungsimpulse in die Unternehmen
hineingetragen werden.
2. Mobility
Die Flexibilisierung der Arbeitsplätze verknüpft mit ortsunabhängiger Nutzung von Anwendungen und Daten gewinnt eine immer größere Bedeutung. Dies geschieht zeitgleich mit einer
fortschreitenden Arbeitsteilung und Vernetzung. Damit besteht als Konsequenz auch die Notwendigkeit, dass ECM-Lösungen nicht mehr nur am stationären Arbeitsplatz nutzbar sind. Vielmehr müssen sie auch einen bedarfsgerechten Zugriff über unterschiedliche Mobile Devices
bieten, um dem veränderten Arbeitsrhythmus Rechnung tragen zu können. Die Unterschiede
zwischen dem klassischen und dem mobilorientierten IT-Arbeitsplatz sind dabei sehr vielfältig:
• Unabhängigkeit von der Infrastruktur: Wesentliche Grundlage für den IT-Arbeitsplatz
der Zukunft ist die Abkehr von den ortsfesten Strukturen von Desktop-Rechnern mit ihren
starren und infrastrukturabhängigen Technologien. Desktop-Rechner haben den Benutzer
an ihren definierten Arbeitsplatz gebunden, so dass die Mitarbeiter bspw. nicht einmal
in der Lage sind, einige Räumlichkeiten weiter im Gespräch mit Kollegen auf ihre lokal
gespeicherten Daten zuzugreifen. Derartige Restriktion lässt sich durch die neuen Technologien wie etwa die Desktop-Virtualisierung auflösen, weil damit die Client-Nutzung von
der ursprünglich festen IT-Architektur entkoppelt wird.
• Zentralisierung für den standortunabhängigen Zugriff auf alles: Indem die Endgeräte
im Falle einer Virtualisierung nur noch primär als Präsentationsinstrument für zentral bereit gestellte Anwendungen und Daten fungieren, kann der Ort des IT-Arbeitsplatzes frei
gewählt werden. Anders als bisher ist ein flexibler Zugriff sowohl im unternehmensinternen
Netzwerk als auch an anderen Firmenlokationen oder beim Kunden vor Ort möglich. Dies
ermöglicht eine konsequente Ausrichtung der Prozesse auf den Business-Bedarf statt wie
bisher abhängig von der technologischen Infrastruktur zu sein.
• Neue Freiheiten bei den Endgeräten: Der Unterschied besteht jedoch nicht allein in der standortunabhängigen Nutzung etwa von Business-Applikationen, sondern es werden auch gleichzeitig neue Freiheiten in Sachen Endgeräte geschaffen. Schließlich können als Devices prinzipiell
ebenso Tablet-PCs, Laptops oder Smartphones wie Desktops genutzt werden. Insofern gleicht
sich mobiles Arbeiten in seiner Erscheinung immer mehr den Consumer-Technologien an.
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• Kollaboratives Arbeiten wird einfacher: Mit den neuen Technologien werden zugleich
bisherige Beschränkungen in der Teamarbeit beispielsweise mit Hilfe von Groupware-,
Sharepoint- oder Wiki-Systemen deutlich reduziert. Dies entspricht auch dem Bedarf in
der Praxis. Denn die in wachsendem Maß mobil geprägten Tätigkeiten vieler Mitarbeiter
steigern die Notwendigkeit, dezentral miteinander arbeiten zu können.
Dem Mobility-Trend bei den Arbeitsprozessen lässt sich möglicherweise die größte Wirkung
auf die Entwicklung von Social ECM zuschreiben, da sie die Präsenz von Prozessbeteiligten
an verschiedenen Orten impliziert, so dass Informationen und Dokumente in digitaler Form
vorliegen müssen, damit sie ortsunabhängig zur Verfügung gestellt und genutzt werden
können. Auch aus einem weiteren Grund ist der Mobility-Aspekt konstituierend für die soziale Nutzung von ECM: Social Media-Dienste werden hauptsächlich über mobile Endgeräte
genutzt. Außerdem werden eigene Informationen in wachsendem Maß über Online-Archive
gespeichert bzw. mit anderen Menschen geteilt und standortunabhängig genutzt. Durch
diese Kombination entstehen deutliche Entwicklungskräfte für die kollaborative Nutzung von
digitalem Content.
Klassischer IT-Arbeitsplatz vs. Information Worker-Arbeitsplatz
Merkmale
infrastrukturabhängig
ortsunabhängige Nutzung
mobile Nutzung
Endgeräte
private Endgeräte
kollaboratives Arbeiten
Information
Worker-Arbeitsplatz
klassischer
IT-Arbeitsplatz
► abhängig von Hardware
und Betriebssystem
► keine bis geringe
Abhängigkeiten
► standortabhängig
► flexibel nutzbar an jedem internen und externen Standort
► nein
► ja
► nur PCs und Terminals
möglich
► freie Wahl (PCs, Tablet-PCs,
Smartphones etc.)
► private Endgeräte
► prinzipiell freie Wahl Möglichkeit („Bring your own device“)
► zusätzliche Lösungen
erforderlich
► native Unterstützung
Abbildung 2
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3. Social Media
Die sozialen Netzwerke haben in den letzten Jahren das Kommunikationsgeschehen der
Menschen deutlich verändert. Zwar bestehen altersspezifische unterschiedliche Nutzungsintensitäten mit einer deutlich höheren Verbreitung in der jüngeren Generation. Dies ändert
aber nichts daran, dass beispielsweise der Social Media-Dienst Facebook inzwischen höhere Nutzerzahlen erreicht als die Suchmaschine Google.
Zentrale und bestimmende Merkmale von Social Media sind Interaktivität und die hohe
Bedeutung von User generated content, also Inhalten, die nicht etwa von einer Redaktion,
sondern von den Nutzern selber generiert werden. Während in den herkömmlichen elektronischen Medien der Content dominierte, steht nun die Kommunikation im Mittelpunkt – auch
wenn die Angebote nicht durchgängig klar voneinander abgrenzbar sind. Grundsätzlich lässt
sich Social Media in vier Typen klassifizieren:
• Kollaborative Plattformen, in denen von den Teilnehmern erzeugte Inhalte im Vordergrund
stehen. Dazu gehören beispielsweise Wikipedia, Blogs oder Microblogs (Twitter).
• Soziale Netzwerke, die primär der Eigenpräsentation und dem sozialen Austausch der
Nutzer dienen. Dies sind etwa Facebook für den privaten Nutzerkreis oder Xing und LinkedIn für eine Business- oder beruflich orientierte Nutzung.
• Communities zum Austausch von Inhalten, wie sie YouTube oder Flickr für Fotos und
Videos darstellen.
• Online-Spiele und die Gestaltung virtueller Welten stellen eine weitere Kategorie von Social Media dar. Hier gehören World of Warcraft oder Minecraft zu den typischen Vertretern.
Aus dieser Klassifizierung lässt sich ableiten, dass über alle verschiedenen Social MediaGattungen hinweg erstens der interaktive Aspekt konstituierend ist und zweitens jeweils digitaler Content im Fokus der sozialen Vernetzung steht. Ihre dynamische Verbreitung findet
aber längst nicht mehr ausschließlich in der privaten Nutzung statt, sondern es entwickeln
sich immer mehr Berührungspunkte zwischen Social Media und den Unternehmensprozessen. Und durch den digitalen Content-Bezug der Kommunikation über diese Plattformen
entstehen immer vielfältigere Schnittstellen zum klassischen Unternehmens-ECM.
Allerdings darf auch nicht übersehen werden, dass die meisten Unternehmen erst sehr
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begrenzt auf Social Media ausgerichtet sind. Denn auch wenn sie sich in Facebook oder
anderen sozialen Netzwerken präsentieren, fehlt es vielfach noch an den technischen,
organisatorischen und vor allem kulturellen Möglichkeiten, um mit ihren Zielgruppen eine
systematische Kommunikation über die gesamten neuen Kanäle zu führen.
Andererseits dürfte es sich dabei um eine Übergangssituation handeln. Schließlich hat sich
durch das Social Networking nicht nur das Kommunikationsverhalten der Menschen verändert, sondern dieser Kommunikationskanal greift auch zunehmend in die Geschäftsprozesse der Unternehmen ein.
Hintergrund sind einerseits die privat entwickelten Verhaltensmuster der digital aktiven User
im Internet und den sozialen Netzwerken, die auf ihre Verhaltensgewohnheiten auch im
betrieblichen Umfeld nicht verzichten möchten. Zugleich werden Unternehmen durch den
Social Media-Kanal neue Kommunikationsmöglichkeiten eröffnet, indem sie die privat etablierten Nutzungsgewohnheiten etwa auf kommunikationsrelevante Elemente der Arbeitsprozesse übertragen können. Ein Beispiel dafür ist etwa die Unterstützung der Koordination von
Projekten mit Hilfe von Social Media-Diensten, die einen ortsunabhängigen, intensiveren
und kreativeren Austausch zwischen den Teammitgliedern erlauben.
Zu den Nachteilen gehört aber, dass für Unternehmen mit der Nutzung sozialer Netzwerke
zumeist ein Kontrollverlust über ihre Informationen verbunden ist. Sie müssen sich vorgegebenen Nutzungsbedingungen unterwerfen, die meist eine weitere Verwendung und Verwertung der persönlichen Benutzerdaten und -dokumente durch den Service-Betreiber implizieren. Obwohl dies derzeit noch in der Breite als notwendiges Übel akzeptiert wird, bleibt dies
eine deutliche Schwachstelle der sozialen Netze, der demnächst vermutlich eine höhere
Aufmerksamkeit zukommen wird. Die umfassende Diskussion im Kontext der NSA-Zugriffe
auf den Datenverkehr dürfte dazu einen weiteren Beitrag leisten und führt bereits zu ersten
Reaktionen bei Anbietern. Allerdings lässt sich angesichts der großen Eigendynamik im Social Media-Bereich gegenwärtig kaum gesichert abschätzen, ob in den zukünftigen sozialen
Netzen der Datenschutz eine stärkere Verankerung findet. Wächst jedoch, wie zu erwarten
ist, die private und unternehmensbezogene Nutzung stärker zusammen, wird dies kaum
ohne eine Rückgewinnung der Kontrolle über die eigenen Daten möglich sein.
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4. Cloud
Sogenannte „Cloud“-Dienste spielen in der allgemeinen Diskussion in den letzten Jahren
ein große Rolle. Auch wenn es an einer allgemein anerkannten Cloud-Definition fehlt, so
lassen sich mit der weitgehenden Abstraktion der technischen Realisierung aus Sicht des
Nutzers und der Ausgestaltung der Dienste in Form hoch standardisierter Leistungen zwei
wesentliche Merkmale nennen.
Zwar befindet sich die Entwicklung des Cloud-Konzepts erst noch in den Anfängen und
es gibt erst wenige entsprechende Business-Applikationen im Markt. Dennoch ist davon
auszugehen, dass diese Nutzungsvariante für Daten, Anwendungen und Services auch
die ECM-Welt deutlich beeinflussen wird, weil sie den Anwenderunternehmen eine Reihe
substanzieller Vorteile bieten. Dazu gehört insbesondere, dass ein schneller Einsatz der
Anwendung möglich wird, eine hohe Skalierbarkeit gewährleistet ist, auf eine technische Infrastruktur für den Betrieb verzichtet werden kann und geringere Investitionen für
die Implementierung entstehen.
Diskussionen von Chancen und Risiken von Cloud-Services im Zuge des aktuellen Hypes
vernachlässigen die Tatsache, dass westliche Gesellschaften ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage bereits seit Jahrzehnten Lösungen anvertrauen, die in zentralen Aspekten völlig
identisch mit dem Cloud-Ansatz sind, nämlich dem modernen Bankwesen. Es liegt auf der
Hand, dass etwa ein einfaches Giro-Konto dem Modell Cloud stark gleicht: Die Daten sind in
einer abstrahierten, anonymen IT-Infrastruktur dezentral gespeichert, die Daten sind dezentral
verfügbar, sind beispielsweise durch Überweisungen oder Lastschriftverfahren teilbar, außerdem sind sie integer und werden vor Fremdzugriffen geschützt. Die Daten sind allerdings bei
der einfachsten Form homogen. Die zugrundeliegenden Objekte, Geldbeträge, zeichnen sich
dabei durch einfache Beschreibbarkeit und hohe Standardisierbarkeit aus. Es handelt sich um
nichts weiter als einen Wert, der dem Zahlenraum der rationalen Zahlen entstammt. Somit ist
die Datenhaltung, Aktualisierung und Garantie der Integrität, die zu gleichen Teilen im Interesse des Dienstanbieters wie auch des Leistungsnehmers liegt, von geringem Aufwand geprägt.
Aus dieser Perspektive mutet es paradox an, dass sich die Etablierung von Cloud-Diensten
für weit weniger relevante Daten mit gleich hohem Leistungsanspruch um so vieles komplizierter zu gestalten scheint. Tatsächlich ist es aber so, dass sich die meisten Cloud-Speicherungsanbieter weit weniger als Banken denn viel mehr als soziale Dienste verstehen.
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Bei genauerer Betrachtung von Amazons S3 als einem der größten Cloud-Speicheranbieter
der Welt, der für viele bekannte Cloud-Dienste die Speicherbasis bildet, wird schnell deutlich: Einfachheit, schnelle Verfügbarkeit und preiswerter Speicherplatz sind die primären
Bedürfnisse, die mit diesem Dienst angesprochen werden. Sicherheits- und Vertraulichkeitsbedürfnisse werden nur nachrangig angesprochen, wenn man von Ausnahmen wie dem
AWS GovCloud (US)- Angebot absieht, das aber auf die Abdeckung der Bedürfnisse nach US-amerikanischen Vorgaben ausgerichtet ist.
Nutzen- und Risikoprofi l von Cloud-Lösungen
Vorteile
Nachteile
ortsunabhängige Nutzung
sensible Datenschutzbedingungen
keine Implementierung
Abhängigkeit vom Cloud-Provider
kein Betriebsaufwand
geringe Individualisierung
transparente Kosten
begrenzte individuelle SLA-Bedingungen
Abbildung 3
So entpuppt sich der zentrale Aspekt von sozialen Diensten, der auch dem Modell Cloud
im privaten Sektor den Erfolg beschieden hat, nämlich die leichte Teilbarkeit und Verbreitung von Informationen, gleichzeitig als der zentrale Hinderungsgrund, Cloud-Angebote im
großen Stil für sensible private oder geschäftliche Daten in Betracht zu ziehen. Nichtsdestoweniger sind es neben der ökonomischen Datenhaltung oder dem ressourcenschonenden
Anwendungsbetrieb eben diese Aspekte der einfachen Teilbarkeit, Nutzbarkeit und der weitreichenden Akzeptanz, die auch für einen geschäftlichen Einsatz von Cloud weitreichende
Effi zienzsteigerungen versprechen. Man denke nur an die Möglichkeiten nahtlosen Datenaustausches mit Dienstleistern aller Art und Kunden, ohne umständlich auf Fax, Email oder
gar traditionelle Briefpost zurückgreifen zu müssen.
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Mit der Nutzung von Cloud-Architekturen im ECM würde sich ein Versprechen von Cloud
im privaten wie geschäftlichen Bereich erfüllen, nämlich die völlige Autonomie von Geräten
und Infrastrukturen. Dies könnte zugleich als Basis für einen echten, technologiebasierten
Paradigmenwechsel fungieren: weg von einer Datenhaltung, die lediglich die Optionen „Veröffentlichen“ und „privat Halten“ bietet, hin zu einem Datenhaltungsnetz, das sich echten
menschlichen Kommunikationsmöglichkeiten angleicht: Informationen können nach Belieben für etwaige Adressaten adaptiert und diesen weitergegeben werden. Die Weitergabe an
Dritte kann angestoßen, aber ebenso übernommen werden. Datenanfragen von beispielsweise Dienstleistern, Servicepartnern oder Leistungsgebern aktivieren nur solche Datenknoten, die für die entsprechenden Prozesse von Belang sind, während diese Daten in Echtzeit
beliebig abgerufen werden können. Eine redundante Datenhaltung bei Wissensnehmern
und Wissengebern würde unnötig und Versionskonflikte und veraltete Daten würden der
Vergangenheit angehören.
Praktisch wäre eine solche Entwicklung im Zuge der Etablierung von Protokollen denkbar, die
einen standardisierten Datenaustausch von Vertrags-, Auftrags-, persönlichen Daten oder
selbstverständlich auch Monitoring- oder Logdaten ermöglichen. Über eine Attribuierung
bzw. ein Tagging von beliebig aufteilbaren Datenchunks bestimmt der Datengeber sowohl
die Art der Daten als auch die Addressatendomäne. Stark vereinfacht würde jemand bspw.
seinen Vor- und Zunamen, Adressdaten und Kontoverbindung mit dem fiktiven Standardtag
„#persönliche Basisdaten“ versehen und der Domäne „#public“ und „#contractpartners“
zuweisen und so definieren, dass beliebige Vertragspartner jederzeit seinen Namen und
Vornamen und ggf. weitere definierten Daten aus seiner Cloud abrufen können. Umgekehrt
würde ein Leistungsnehmer einer Versicherung beispielsweise in die Lage versetzt, die exakten Leistungsparameter eines bestehenden Vertrages einem neuen Partner zukommen
zu lassen, der dann sein Leistungsangebot exakt an den bestehenden Verträgen entlang
gestalten und so Leistungsüberschneidungen verhindern könnte.
5. Consumerization
Einher mit dem Mobility-, Social Media- und Cloud-Trend geht die sogenannte Konsumerisierung der Informationstechnik. Gemeint ist hier die wachsende Angleichung von technischen
Systemen für private und professionelle Nutzer. Deren wesentlicher Impuls geht dabei häufig von den Konsumentenprodukten aus, wird aber auch von der Entwicklung gestützt, dass
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Arbeits- und Privatleben in vielen Bereichen immer stärker zusammenwachsen bzw. nicht
mehr die klassische Grenzziehung aufweisen.
Tatsächlich sind in den letzten Jahren deutliche Überschneidungen zwischen berufl icher und privater IT-Infrastruktur entstanden, dies gilt schon seit längerem für Desktop-PC und
noch mehr für die mobilen Devices ebenso wie für Anwendungen und Services mit ihren
Smartphones, Cloud-Anwendungen und sozialen Netzwerken. Wesentlicher Treiber ist das
Streben der Mitarbeiter ihre digitalen privaten Technik- und Kommunikationsgewohnheiten
in das berufl iche Umfeld zu übertragen.
Unternehmensnutzen
durch Consumerization der IT
Daraus ist nicht zuletzt der BYOD-Ansatz (Bring-your-own-device) entstanden, bei dem Mitarbeiter ihre privaten
Endgeräte im Büro als Arbeitsmittel
höhere IT-Akzeptanz
einsetzen können. Ganz unabhängig
davon, ob sich solche Verfahren u.a.
geringerer Schulungsaufwand
angesichts einer Reihe ungeklärter Rechts- und Sicherheitsfragen
Produktivitätsgewinn durch besseres IT-Verständnis
zukünftig in der Breite durchsetzen
können zeigt dieses Beispiel sehr
positive kollaborative Effekte
deutlich: Aufgrund der Auswirkungen
einer derart weit verbreiteten Nutzung
technische Lösungsimpulse durch die User
von privaten Geräten am Arbeitsplatz
sind die Unternehmen gezwungen,
technische Selbsthilfe der Mitarbeiter
ihre Denkweisen und Organisationsmethoden deutlich zu überdenken.
Abbildung 4
Zeitgleich mit dem zunehmenden
Verschwimmen der Grenzen von Berufs- und Privatleben verschwimmen auch die Grenzen
zwischen berufl icher und privater IT. Dies macht eine grundlegende Neugestaltung von Architekturen, Prozessen und Sicherheitskonzepten erforderlich.
Positiv verbergen sich in „Consumerization of IT“ erhebliche Nutzenpotenziale für die Unternehmen. Zu den Vorteilen gehört zweifellos, dass Mitarbeiter auf diese Weise in großer
Breite zu Innovatoren bezüglich der Geschäftsprozesse werden können, weil sie im Umgang
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mit den digitalen Medien eigenes Können und Ideen mitbringen. Als Beispiel hierfür steht
etwa die Online-Archivierung privater Dokumente über ECM-Lösungen in der Cloud. Gleichzeitig sind Mitarbeiter in der Kollaboration geübt, die auch für die Arbeitsprozesse in den
Unternehmensorganisationen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Insgesamt kann davon
die Innovations- und Kommunikationskultur des Unternehmens deutlich profitieren.
Diesen positiven Effekten steht jedoch die Anforderungen gegenüber, dass die Unternehmen Prozesse, organisatorische Regelungen und die Bereitstellung technischer Dienste
und Systeme teilweise neu gestalten müssen. Wollen sie an den Nutzenpotenzialen der
IT-Konsumerisierung partizipieren, dann müssen sie sich aber auch mit den Mitarbeiterbedürfnissen und deren Sicherheitsbewusstsein auseinandersetzen und dazu bereit sein,
weitreichende Bereiche der Geschäftsprozesse und IT-Strategien neu zu denken.
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II Die soziale Dimension des Dokumentenmanagements
Unter sozial werden wechselseitige Bezüge von Menschen verstanden. Die Ableitung aus dem
lateinischen Aocius steht für Gemeinsamkeit und Verbundenheit, also für ein nach bestimmten
formalen Regeln, Konventionen und Zielen funktionierendes Miteinander in kleineren oder größeren Gruppen. Wie die weltweit oder auch regional unterschiedlichen Kulturen zeigen, kann
das Selbstverständnis in solchen sozialen Systemen durchaus sehr differieren. So hat etwa
der Familienbegriff in südeuropäischen Ländern teilweise ganz andere Akzentuierungen als
der in Skandinavien oder Asien. Andere der vielfältigen Beispiele für verschiedene Formen von
Sozialkulturen sind der Umgang mit Freiheit oder Religion. Auch interessensorientierte Vereine,
Parteien und andere Gruppierungen stellen Verbünde mit jeweils eigenem sozialen Profil dar.
1. Konstituierende Merkmale sozialer Strukturen
Ohne sich näher mit Phänomenen gesellschaftlicher oder gesellschaftspolitischer Verhältnisse
beschäftigen zu wollen, liegen generell jeder sozialen Struktur verschiedene Merkmale inne:
1. Selbstverständnis in Form von Grundsätzen, Philosophien und Zielsetzungen, die den
Charakter der jeweiligen sozialen Gruppe spezifizieren und der Identifikation durch ihre
Mitglieder dienen;
2. Verhaltensregeln, die sich in der Kommunikation und Art und Weise des Gruppenhandelns in seinen akzeptierten Aktionen und Reaktionen manifestieren und dabei spezifische
Verhaltensinstrumente wie Sprache, Gesetzeswerke oder andere kulturelle Konventionen
zur Konstituierung gruppenspezifischer Handlungsmuster nutzen;
3. Kollaboration in Form einzelner oder gruppenweiser Interaktion und Kooperation zur
zielorientierten Ausgestaltung des Gruppenverhaltens im Rahmen des gemeinsamen
Selbstverständnisses;
4. kompetentes und selbstbestimmtes Verhalten im Sinne freier Entscheidungen des
Einzelnen bei der inhaltlichen, zeitlichen und selektiven Gestaltung von Interaktion und
Kooperationen;
5. Umweltbezug, aus dem sich die Möglichkeiten und Grenzen des sozialen Handelns ableiten;
6. dynamische Weiterentwicklung der sozialen Strukturen zur sukzessiven Ergänzung
und Optimierung der zielbestimmten Ausrichtung.
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Diese typischen Kennzeichen lassen sich dazu heranziehen, um die Frage nach der Sozialfähigkeit des Dokumentenmanagement bzw. Enterprise Content Management zu beantworten. Dabei richtet sich der Blick
zunächst darauf, dass es sich
Konstituierende Merkmale sozialer Strukturen
bei ECM traditionell primär um
eine technisch orientierte Diszipspezifisches Selbstverständnis
lin handelt, die in ihrer Herkunft
keinen unmittelbaren sozialen
spezifische Verhaltens- und Kommunikationskonventionen
Bezug aufweist. Vielmehr stellt
DMS/ECM in der klassischen
Interaktion und Kollaboration
Betrachtung ein eher technisch
orientiertes Instrument zur Optiindividuelle Gestaltungsoptionen
mierung bzw. Unterstützung der
betriebswirtschaftlichen Prozesumweltbezogene Verhaltensdispositionen
se und Erfordernisse (Compliance) in Unternehmen und Verwaldynamische Weiterentwicklung
tungseinrichtungen dar.
Abbildung 5
Insofern stellt die soziale Ausrichtung im Sinne einer Teilhabe und
aktiver Mitwirkung verschiedener Nutzer eine neue Option dar. Denn Informationen stehen
damit nicht nur im individuellen Zugriff einzelner Personen oder von Mitgliedern bestimmter,
fest defi nierter Prozessschritte zur Verfügung, sondern sie können im kollaborativen Sinne nach eigenen Kriterien fl exibel einem festlegbaren und veränderbaren Adressatenkreis zur Verfügung gestellt werden.
2. Die Sozialfähigkeit von DMS/ECM
Ob es sich bei Social ECM um eine realistische Perspektive oder nur um eine populär konstruierte Vision handelt, lässt sich anhand der kennzeichnenden Merkmale sozialer Strukturen
als Anforderungen auf den Sachverhalt von DMS/ECM projizieren:
1. soziales Selbstverständnis: Generell gilt in Unternehmen, Verwaltungseinrichtungen
und zunehmend auch im privaten Bereich die Zielsetzung, dort wo möglich auf Doku-
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mente in Papierform zu verzichten. Die damit verbundene Fokussierung auf digitalisierte
Dokumente und Informationen verlangt über DMS/ECM-Systeme eine systematische
Archivierung und Bereitstellung. Und indem digitalisierte Informationen nach dedizierter
Auswahl Dritten für eine kooperative (1:1-Verhältnis) oder kollaborative Nutzung (1:n- oder
n:n-Verhältnis) zur Verfügung gestellt werden, wird ein gemeinsamer Orientierungsrahmen konstituiert. Der Kern dieser ideellen Ausrichtung von Social ECM besteht wesentlich
darin, durch ein gezieltes Teilen von Informationen deren Nutzungsqualität zu steigern.
2. Verhaltensregeln: Zu den wesentlichen Anforderungen im Dokumentenmanagement gehören die Revisionssicherheit und der Datenschutz, die sich auf der organisationsindividuellen
Ebene typischerweise in der Compliance-Policy für den Umgang mit Dokumenten und Informationen darstellt. Diesem Anspruch kann Sozial ECM dann gerecht werden, sofern allen
beteiligten Usern – ganz gleich ob unternehmensintern oder unternehmensübergreifend
– die Pflicht obliegt, Informationen nach ähnlichen Prinzipien zu archivieren bzw. anderen
nutzbar zu machen. Auch die Verbreitung von Dokumenten- und andere technologische
Standards wie beispielsweise PDF unterstützen kollaborative Prinzipien. Zudem gehört es
zu den typischen Funktionsmerkmalen von DMS/ECM-Systemen, dass über differenzierte
Berechtigungskonzepte eine transparente Steuerung der Nutzung geschaffen werden kann.
3. Kollaboration: Dieses konstituierende Merkmal stellt nicht nur die operative Ebene des
sozialen Selbstverständnis entsprechend den Verhaltensinstrumenten und -regeln dar,
sondern ist gleichzeitig die Keimzelle des Nutzenpotenzials einer gruppenorientierten Nutzung von digitalen Informationen. Denn indem Informationen einem theoretisch beliebig
großen Nutzerkreis zur Verwendung und Bearbeitung bereitgestellt werden können, entstehen prinzipiell grundlegend neue Potenziale für die Effizienz, Realisierungsgeschwindigkeit und Qualität von Arbeitsprozessen. Auch das Wissens- und Organisationsmanagement oder die individuelle Informationsbeschaffung kann erhebliche Vorteile daraus
ziehen. Grundsätzliche Restriktionen für den Zugriff auf digital gespeicherte Dokumente
und Informationen bestehen im Social ECM nicht mehr, insofern verbirgt sich im kollaborativen Aspekt und seinen facettenreichen Perspektiven ein elementarer Beleg für die
gruppenorientierte Nutzbarkeit von DMS/ECM.
4. kompetentes und selbstbestimmtes Verhalten: Trotz aller gruppenspezifischer Regeln, Kulturen und anderer Bedingungen steht in sozialen Strukturen der individuelle
Mensch im Mittelpunkt des gruppenorientierten Verhaltens. Übertragen auf das Feld des
Dokumentenmanagements resultiert daraus die Frage, ob die einzelnen Mitglieder grundsätzlich über die notwendigen Fähigkeiten zur Nutzung moderner Technologien verfügen
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können. Aber auch die Handlungsbereitschaft zur Gestaltung unterschiedlich komplexer
wechselseitiger Prozesse sind notwendig. Auch geräte-, ressourcen- und infrastrukturunabhängige Zugriffs- und Verwaltungsregelungen für beliebige Daten gehören zu den
Anforderungen an eine freie Gestaltung gruppenorientierter und kollaborativer Prozesse.
Diesen Social Performance-Anforderungen von DMS/ECM kann zweifellos entsprochen
werden. Die Qualität der kooperativen Nutzung von digitalen Informationen hängt jedoch
auch von den individuellen Handlungskompetenzen und Mitgestaltungsmöglichkeiten der
Teilnehmer ab, da über Social ECM lediglich ein Handlungsrahmen mit Nutzungsoptionen
angeboten werden kann.
5. Umweltbezug: Das Informationsverhalten in sozialen Gruppen steht grundsätzlich immer
in einer direkten Beziehung zur Umwelt und wird in weiten Teilen durch die Interaktion
mit ihr initiiert. Dies gilt gerade auch für Informationen im Kontext von Unternehmen oder
öffentlichen Institutionen. Sie werden inhaltlich und in ihrer Art wesentlich durch extern
gerichtete Strategien, Markteinflüsse, über die Lieferanten- und Kundenstrukturen, durch
gesellschaftliche Trends und andere, beispielsweise soziokulturelle, Rahmenbedingungen
geprägt. Der damit konstituierte Umweltbezug verändert sich auch nicht durch die kollaborative Nutzung von digitalen Dokumenten und Informationen, weshalb DMS/ECM auch in
dieser Hinsicht über die notwendige soziale Performance verfügt.
6. Veränderungsdynamik: Soziale Strukturen im technikorientierten Umfeld weisen im Regelfall eine evolutionäre Entwicklung auf. Sie muss allerdings nicht zwangsläufig gradlinig
verlaufen, sondern kann durch Integration mit anderen technologischen Entwicklungen
zusammenfließen oder von ihnen beeinflusst werden. Gerade die Geschichte der IT ist
sehr vielfältig von diesem Phänomen geprägt und es gilt auch für das Dokumentenmanagement, wie beispielsweise die Zusammenführung mit den Entwicklungen in Bereichen
wie Mobility oder Cloud zeigen. Zudem verbirgt sich gerade auch in den kollaborativen
Perspektiven von DMS/ECM eine potenziell sehr hohe Veränderungsdynamik. Deren
weitere Entwicklungspotenziale und Grenzen können derzeit kaum prognostiziert werden. Dies gilt auch für die daraus resultierenden möglichen Konsequenzen des sozialen
Handelns über digitale Kanäle und Entwicklung neuer sozialer Verhaltensmuster mittels
technischer Medien.
Insofern erfüllen DMS/ECM-Lösungen prinzipiell alle konstituierenden Kriterien der Sozialfähigkeit, also zur sinnvollen Nutzung im sozialen Umfeld, wie sie aus dem typischen Handlungsprofil in sozialen Gruppen abzuleiten sind.
19
III Entwicklungstendenzen im kollaborativen Dokumentenmanagement
Dass dem Dokumentenmanagement eine soziale Dimension in professionellen Einsatzfeldern innewohnt, lässt sich über die vorgenommene analytische Bewertung hinaus auch aus
bisherigen Entwicklungen ableiten. Denn die Idee der kollaborativen Arbeitsprozesse liegt
schon länger zurück und ist beispielsweise in den Groupware-Lösungen zu fi nden. Zu deren typischem Leistungsprofi l gehören vor allem Messaging-Features wie etwa E-Mail-, Kalender- und Notizbuchfunktionen oder eine gemeinsame Dokumentenverwaltung und -entwicklung
sowie eine Verwaltungsunterstützung im Projektmanagement. Sie sind jedoch nicht speziell
auf Dokumentenmanagement ausgeTrends im kollaborativen
richtet und können dadurch ArbeitsDokumentenmanagement
prozesse nur begrenzt unterstützen,
in denen ein gruppenbezogener Zugriff und Austausch auf gespeicherte
universelle kollaborative Systeme
Dokumente wichtig ist. Insofern
weisen die Groupware-Lösungen
Cloud-Archive für private Nutzer
unter dem Aspekt des Dokumentenmanagements deutliche Grenzen auf
professionelles Document Sharing in der Cloud
und können demzufolge nicht dem
Social ECM zugeordnet werden.
Abbildung 6
Im Bereich Social ECM lassen sich derzeit vor allem drei generelle Kategorien heraus
arbeiten:
• Sharepoint als universelles kollaboratives System
• Online-Archive für private Anwender
• professionelles Document Sharing in der Cloud.
Während Sharepoint unter dem Gesichtspunkt von ECM eine Sonderrolle darstellt, weil
dieses System keine spezifi sche Ausrichtung auf ECM in sich birgt, entspringen die anderen beiden Lösungskategorien originär dem Ziel dem Dokumenten- oder Contentmanagement.
Zudem entspringen die beiden Cloud-Varianten dem Social Media-Trend mit ihrem spezifi schen Handlungsprofi l bei der Nutzung digitaler Informationen.
20
1. Sharepoint
Seit einigen Jahren haben sich mit den Sharepoint-basierten Lösungen ECM-Angebote eines
ganz neuen Typs in der Welt des Dokumentenmanagements etabliert. Während sich die
klassischen ECM-Lösungen durch ein spezielles Funktions- und Einsatzprofil charakterisieren, unterstützten die Sharepoint-basierten Alternativen zwar ähnliche wirtschaftliche und
effizienzsteigernde Funktionalitäten, aber ihre eigentliche Stoßrichtung ist eine andere: die
Kollaboration und das Teilen von Informationen in ihren vielfältigen Facetten. Insofern adressieren diese ECM-Lösungen vor allem solche Unternehmen, die im Rahmen ihrer kollaborativen Ziele bereits über eine klare Sharepoint-Strategie beispielsweise für ihr Intranet verfügen,
in deren weiterer Umsetzung auch das Dokumentenmanagement einbezogen werden soll.
Zudem stellt Sharepoint in Sachen Kollaboration eine Multifunktionsplattform dar. Sie dient
längst nicht nur ECM, sondern über dieses Teilwerkzeug hinaus können noch eine Vielzahl
weiterer Disziplinen abgebildet werden. Der übergreifende Gedanke ist dabei, Informationen
einfach auffindbar und auf transparentem Weg austauschbar zu machen. Diese Informationen müssen keineswegs immer Dokumente sein, sondern ebenso Termine, Aufgaben,
Reports oder ein Wiki innerhalb eines Projektraumes.
Infolge der großen Verbreitung von Sharepoint mit rund 125 Millionen Seats in 2012 stellt
diese Plattform einen Treiber für die gesamte ECM-Entwicklung dar. Dabei wird es zukünftig
aber voraussichtlich noch zu einer stärkeren Abgrenzung zwischen dem Sharepoint-basierten und klassischen Dokumentenmanagement kommen. Dies resultiert aus der konsequenten Verfeinerung des kollaborativen Profils der Plattform, die Microsoft anstrebt. Sharepoint
wird damit einerseits immer mehr Filesystem und Integrationswerkzeug, andererseits soll es
durch die starke Social Web-Orientierung auf die Anforderungen junger Menschen an ein
modernes Informationsmanagement zugeschnitten werden.
Hintergrund ist, dass die nachwachsenden Generationen zunehmend eine andere Sicht auf
den Content hat. Sie werden Dokumente vermutlich nicht mehr primär über E-Mail austauschen, sondern wollen zukünftig beispielsweise über Business-Twitter oder Business-Facebook kommunizieren. Dieses Social Networking, das sie aus ihrem privaten Umfeld her
kennen, wird wohl nach Ansicht von Microsoft auch ihre Präferenzen beim Umgang mit
Content im Arbeitsumfeld bestimmen.
21
2. Online-Speicher in der Cloud
Wohl kaum ein aus der IT stammender technischer Begriff wurde so schnell vom allgemeinen
Sprachgebrauch der Konsumenten übernommen wie die Bezeichnung Cloud. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser raschen Verbreitung hat zweifellos die iCloud von Apple geleitet.
Von dieser allgemeinen Akzeptanz profi tieren auch die Online-Speicherdienste. Ihre schnell gewachsenen User-Zahlen resultieren aber auch daraus, dass sie in ihrem Nutzungsprofi l der Social Media-Welt entspringen und meist sowohl stationär als auch mobil darauf zugegriffen werden kann. So bestehendie meisten Cloud-Speicher nicht nur als Web-Anwendungen, sondern sie können ebenso als PC-Client und über Apps für das Smartphone und den
Tablet-PC genutzt werden, um standortunabhängig auf die Daten zugreifen zu können.
Cloud-Speicher stellen Webdienste mit einfachem Handling zur Speicherung elektronischer
Dokumente dar, die für verschiedene Endgeräte synchron gehalten werden können. Dazu
können Textdokumente Bilder, Videos, Scans und teilweise auch E-Mails und Telefongespräche gehören. Die Speicherung erfolgt auf einem zentralen Server, vielfach in Ländern
mit geringen Betriebskosten für die Rechenzentren außerhalb der Europäischen Union.
Dies hat auch wirtschaftliche Gründe, denn die im Regelfall kostenlosen Einstiegsangebote
sind oft mit einem beträchtlichen
Speichervolumen von ein oder zwei
Grundstruktur ECM in der Cloud
Gigabyte ausgestattet. Auch diese
kostenfreie Nutzung hat zweifellos
zur starken Verbreitung beigetraTablet-PCs
gen, da keine monetären EntscheiBildung
PCs
dungshürden entstehen.
ECM
Smartphones
Abbildung 7
Notebooks
Weil aber diese Lösungen primär
den Kreis der Privatanwender
adressieren, entsprechen ihre
Möglichkeiten der systematischen
Speicherung nicht dem Niveau professioneller Lösungen für das Dokumentenmanagement. Allerdings
werden inzwischen auch vermehrt
22
die Business-Anwender angesprochen, selbst das Online-Archiv Dropbox hat Unternehmen als Zielgruppe entdeckt. Doch gerade die Cloud-Angebote mit primärer Ausrichtung
auf private Nutzer weisen erhebliche sicherheitstechnische Defizite auf. Dies gilt besonders
für den Aspekt der Datenspeicherung in Ländern mit geringem Datenschutzniveau, aber
auch eine Verschlüsselung der Datenübertragung fehlt oft oder muss vom User zusätzlich
eingerichtet werden. Vielen Online-Speichern fehlt es zudem an einer Zertifizierung nach
internationalen Normen.
Andere Anbieter hingegen fokussieren ausschließlich auf Unternehmen als Anwender und
bieten demzufolge auch eine professionelle Speicherung und Archivierung in der Cloud an.
Dazu gehört beispielsweise die Einrichtung frei wählbarer Aktenstrukturen, Indexierungsund ausgeprägte Suchfunktionen, eine Archivierung von Standard-Dateiformaten wie PDF,
TIFF und JPG und die revisionssichere Speicherung entsprechend den Anforderungen nach
Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GdPDU) und Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). Auch ein verschlüsselter Datenverkehr und die
Einhaltung von unternehmensindividuellen Compliance-Anforderungen für die E-Mail-Archivierung werden bei diesen Business-Lösungen gewährleistet.
Beide Angebotsgruppen sind aber nur begrenzt kollaborativ, weil von ihrer jeweiligen Entwicklungsideen her primär eine Konzentration auf den einzelnen Nutzer besteht.
3. Document Sharing als Social ECM
Eine ganz neue Kategorie des kollaborativen Dokumentenmanagements kennzeichnet sich
dadurch, dass sie einerseits aus den Grundideen des Social Networkings entstammt, aber
gleichzeitig die Restriktionen der vorgenannten Lösungsansätze beseitigt.
• Es besteht ein ausgeprägter Community-Ansatz, indem digitale Dokumente jederzeit über
flexibel gestaltbare Beziehungsstrukturen geteilt werden können.
• Die Speicherung von Dokumenten erfolgt ebenso wie bei anderen Formen der OnlineSpeicherung in der Cloud und ist demzufolge standortunabhängig und über alle gängigen
stationären wie mobilen Endgeräte nutzbar.
• Es erfolgt eine Archivierung auf rechtlich gesicherter Basis, indem elementare ECMAspekte wie die Möglichkeiten zur umfassenden Verknüpfung mit Metadaten, Einbindung
23
in Geschäftsprozesse, Versionsverwaltung, die Revisionssicherheit und Datenschutz zum
konstituierenden Bestandteil des Lösungskonzepts gehören.
Aus praktischer Sicht verbirgt sich dahinter eine bessere und systematische Ordnung von
digital gespeicherten Informationen mit Zugriff von jedem beliebigen Standort aus, wie sie
die bisherigen Online-Archive bieten. Dies schöpft jedoch die Nutzenpotenziale noch nicht
aus, solange nicht zusätzlich auch die Möglichkeit besteht, die eigenen Inhalte mit anderen
teilen und sie dabei gleichzeitig systematisch speichern und archivieren zu können. Denn
eine solche Community-Ausrichtung erzeugt für alle Beteiligten insofern eine Nutzenoptimierung, als dass die Kommunikation zwischen Einzelpersonen und Unternehmen oder
Organisationen jeglicher Größe vereinfacht wird.
Grundprinzip Document Sharing
Dies gilt beispielsweise für Rechtsanwälte oder Steuerberater, die
ihren Klienten die regelmäßigen
Dokumente und Korrespondenz
Bank
durch Teilen einfach in deren
Versicherung
Online-Archiv stellen, wo es
automatisch in den defi nierten Steuerberater
Verzeichnissen sicher gespeichert
Cloud
wird. Entsprechende BenachrichArchiv
tigungen weisen dann die AdresAndere
saten auf den Eingang der neuen
Informationen hin. Umgekehrt können die Klienten wiederum ihre InArbeitgeber
Vermieter
formationen mit dem Cloud-Archiv
des Steuerberaters oder Anwalts
teilen. Beide Seiten profi tieren daAbbildung 8
von, weil sie jederzeit digital über
exakt die gleichen Informationen verfügen, ohne dass der Klient am Jahresende den obligatorischen Schuhkarton voller alter Papier-Rechnungen in die Kanzlei tragen muss.
Nach dem gleichen Prinzip können auch Unternehmen jeglicher Größe wie Versicherungen,
Banken, Energieversorger oder selbst kleine Handwerksbetriebe darüber enger mit ihren
24
Kunden zusammenrücken: Sie übertragen ihre Verträge, Abrechnungen und sonstigen Informationen automatisch in das Community-Archiv ihrer Kunden. Damit können sie nicht nur
ihre Druck- und Versandkosten deutlich mindern, sondern bieten zudem auch gleichzeitig
eine höhere und moderne Servicequalität, weil der Kunde die gesamten Dokumente direkt
auch in seinem Online-Archiv systematisch archiviert erhält.
Zielgruppen von Unternehmen
für das Document Sharing (Beispiele)
Kunden
Versicherungen/Banken
Mitglieder von Projektteams
Verbände/Verbandsmitglieder
Lieferanten
Behörden
Dienstleister (Rechtsanwälte,
Steuerberater, Logistiker, etc.)
Reseller-, Entwicklungs-, Kooperationspartner
Abbildung 9
Doch darin erschöpft sich der kollaborative Charme des Community-Ansatzes bei den Online-Archiven noch keineswegs. Besonders interessant wird es, wenn der User als Kunde
im Mittelpunkt verschiedener Unternehmenskontakte steht und er Informationen zwischen
ihnen koordinieren kann. Hat er beispielsweise von seinem Versicherungspartner eine Lebensversicherung im Archiv und will sie für eine Immobilienfi nanzierung einsetzen, kann er diesen Vertrag, der vorher zwischen Versicherung und ihm geteilt wurde, nun wiederum für
den Kreditantrag mit seiner Bank nutzen, ohne dass er neu übermittelt werden muss. Auch
die notwendige Gehaltsnachweise können so dem Kreditinstitut direkt zugehen, wenn der
Arbeitgeber die Lohnabrechnung im Community-Archiv verwaltet.
Nach einer dii-Studie gibt es auch bereits deutliche Anzeichen dafür, dass die Unternehmen
solchen Modellen relativ erwartungsvoll gegenüber stehen. Zwar urteilt jeder fünfte der fast
300 befragten Business-Manager, die Verbreitung des Document Sharing im Business-Umfeld
25
sei letztlich eine Frage des Datenschutzes und der Sicherheitslevel. Auf diesen Aspekt will es
etwa die Hälfte der Firmenvertreter gleichwohl nicht reduzieren. Sie sind sich entweder bereits
sehr sicher oder haben zumindest eine gewisse Erwartung, dass solche Verfahren des Teilens
eine Zukunft haben werden. Lediglich ein knappes Drittel der Befragten ist skeptisch und glaubt
nicht daran, dass solche Cloud-Dienste auch für Unternehmen sinnvoll sein können.
Unternehmensnutzen des Document Sharings
Doch für eine positivere
Einschätzung spricht nach
Meinung von 60 Prozent der
Befragten, dass über das Doschnellere und komfortablere Kommunikationsprozesse
zu Kunden und Partnern
cument Sharing eine engere
Vernetzung mit den Zielgrupsystematische Archivierung bei allen Sharing-Beteiligten
pen erreicht werden könnte.
Ähnlich viele erwarten Erintegrierte Weiterverarbeitung der digitalen Informationen
sparnisse bei den Kommunikationsaufwänden. Aber auch
alle Beteiligte immer mit identischer Informationsbasis
schnellere Kommunikationsund Abstimmungsprozesse,
engere Vernetzung mit wichtigen Zielgruppen
weil alle Sharing-Beteiligten
über die gleiche Informationshöherer Kundenservice
basis verfügen, werden von
vielen als interessanter NutImagesteigerung durch moderne Kommunikationsform
zen angesehen. Hinzu kommt
nach Meinung von zwei DritVersandkostenersparnisse
teln der Business-Manager:
Solche Verfahren würden auf
eine hohe Benutzerakzeptanz
Abbildung 10
stoßen, und zwar bei den Kunden ebenso wie bei Produktlieferanten und Dienstleistungspartnern.
Allerdings bestehen bei den Unternehmen hohe Ansprüche, was die Realisierbarkeit des
Document Sharings betrifft. So votieren drei Viertel für eine Datenspeicherung in Deutschland, ebenso viele machen eine verschlüsselte Datenübertragung zur Voraussetzung. Aber
auch eine revisionssichere Archivierung in der Cloud gehört zu den Ansprüchen.
26
Sehen Sie im Document Sharing
in der Cloud eine Zukunft?
auf jeden Fall
nur bei hohen
Sicherheitslevels
vermutlich
eher nein
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
Gleichzeitig machen die Business-Manager deutlich, dass eine technische
Integration der Sharing-Prozesse in die
zentrale IT-Infrastruktur des Unternehmens notwendig ist. Aber sie verweisen
auch noch auf zwei weitere Aspekte: Ein
Document Sharing könne nur gelingen,
wenn es intern zu einem veränderten
Kommunikationsbewusstsein komme und
eine hohe Digitalisierungsbereitschaft bei
den ausgewählten Zielgruppen bestehe.
35%
Diese Ergebnisse weisen ebenso wie
die bereits hohen Nutzerzahlen der klassischen Cloud-Archive darauf hin, dass eine große Bereitschaft für einen konsequenten
kollaborativen Ansatz vorhanden ist. Zu den treibenden Faktoren der weiteren Entwicklung
des Akzeptanzpotenzials von Social ECM im Sinne von Sharing ECM gehören:
(n=294 ECM-Anwender; Mehrfachnennungen möglich; Quelle: dii; 2013)
Abbildung 11
Welche Nutzenvorteile könnten für
ein Document Sharing sprechen?
• Einfach in bestehende Handlungsmuster integrierbar: Das Modell
Sharing ECM entspricht den breit etablierten Communitiy-Affi nitäten vieler geringer Kommunikationsaufwand
Nutzergruppen von Consumer-IT und
Ersparnisse bei Versandkosten
lässt sich dadurch ohne wesentlichen
gleiche Informationsbasis
Lernaufwand oder Akzeptanzhürden in
schnellere Abstimmungsprozesse
ihr alltägliches Verhaltensmuster inteengere Vernetzung mit Zielgruppen
grieren. Im Gegenteil besteht bei den
Verfahren mit hoher Akzeptanz
digital-affi nen Zielgruppen die Tendenz, neue technische Entwicklungen in ihre
andere Vorteile
Handlungsmuster zu übernehmen.
10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%
0%
(n=294 ECM-Anwender; Mehrfachnennungen möglich; Quelle: dii; 2013)
• Hohe Nutzenperspektiven für alle
Abbildung 12
Beteiligten: Für beide Einsatzkategorien – das Teilen von digitalisierten Informationen im kundenorientierten Business to Comsumer wie das Document Sharing mit Lieferanten oder Geschäftspartnern im Business to
27
Business-Bereich – bestehen erhebliche Nutzenperspektiven. Auf der Unternehmensebene sind sie durch die Digitalisierung der Geschäftsprozesse und Abbau papierbasierter
Dokumente dabei bereits vertraut, während die privaten Nutzer für eine elektronische
Archivierung ihrer Informationen noch Gewohnheitsveränderungen vollziehen müssen.
Allerdings zeigen die Beispiele elektronischer Rechnungen und der Umgang mit den mobilen Endgeräten in den letzten Jahren, dass mit der hohen digitalen Affi nität eine große Veränderungsbereitschaft einhergeht.
Kundennutzen des Document Sharings
direkte Kommunikation mit relevanten Unternehmen
vollständig digitale Kommunikation
Ordnung in allen relevanten Dokumenten
durch systematische Archivierung
Nutzung des Cloud-Archivs als multi-kollaborative Plattform
alle Sharing-Beteiligten immer mit identischer Informationsbasis
ortsunabhängiger/mobiler Dokumentenzugriff
Abbildung 13
• Veränderungszwänge der Wirtschaft: Unternehmen müssen sich aktiv dem Social Media widmen und die digitalen Verhaltensprofi le sowohl in ihrer Kommunikationskultur berücksichtigen als auch in ihre Geschäftsstrategien einbinden. Bislang werden die sozialen
Netze primär aus Marketingsicht im Sinne der Imagebildung betrachtet, ohne dass Social
Media für Zwecke wie die Verbesserung der operativen Abläufe genutzt wird. Es dürfte
jedoch infolge der sich zunehmend kollaborativen Verhaltensgewohnheiten ein deutlicher
Handlungsdruck wachsen, digitale Technologien und Kommunikationsmöglichkeiten für
Service- und Business-Prozesse im Kontakt mit den Kunden nutzbar zu machen.
• Kultureller Wandel: Während traditionell das Bestreben der Menschen darauf ausgerichtet war, Besitz von materiellen Gütern zu erlangen, um sie bestmöglich im eigenen Interes-
28
se einsetzen zu können, vollzieht sich derzeit ein deutlicher Bewusstseinswandel. Denn in
diesem Wertewandel steht nicht mehr das Besitzen, sondern das Nutzen im Vordergrund.
Deutliche Beispiele hierfür finden sich außerhalb der digitalen Welt, beispielsweise im
zunehmend genutzten Car Sharing. Auch sind immer mehr Internetportale erfolgreich, in
denen gemeinsam nutzbare Ressourcen angeboten werden. In der Industrie hat sich der
Sharing-Gedanke mit dem Outsourcing, bei dem keine Eigeninvestitionen etwa für den
IT-Betrieb vorgenommen und stattdessen Nutzungsgebühren entrichtet werden, sogar
schon deutlich früher durchgesetzt. Indem die Fokussierung auf die Nutzungsmöglichkeiten statt des Besitzens nun auch in unterschiedlichen Facetten im privaten Sektor an Akzeptanz gewinnt, werden im Kontext der digitalen Verhaltensgewohnheiten der Menschen
zusätzliche Impulse für das Sharing-Modell beim Dokumentenmanagement geschaffen.
Dokumente bzw. die IT-Systeme zur Speicherung derselben müssen damit nicht mehr im
direkten Zugriffsbereich bzw. im Eigentum der Nutzer sein.
Aus diesen Betrachtungen heraus ergibt sich, dass die Variante des Document Sharings den
Ansatz des Social ECM am besten umsetzt, da es die konsequenteste Form der kollaborativen Nutzung von digitalen Informationen darstellt und gleichzeitig den aus dem Zeitgeist
abzuleitenden Verhaltensaffinitäten entspricht.
Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass sich Social ECM im Einsatz der Unternehmen
nicht automatisch aus ihren Geschäftsprozessen und technischen Infrastrukturen ableitet.
Vielmehr müssen für Strategien mit Ausrichtung auf ein systematisches ECM-Sharing spezifische Voraussetzungen geschaffen werden, die technische und organisatorische Fragen
ebenso deutlich berühren können wie die Formen von Kundenbeziehungen und Vermarktungsmodelle.
29
IV Strategische Analyse und Rahmenkonzept für sECM
Mit der grundlegenden Erweiterung des Verständnisses und der Prozesse des Dokumentenmanagement durch Social ECM ergeben sich aus der Sicht der Unternehmen vielfältige
Veränderungen. Denn Unternehmen mit ECM-Systemen und -Prozessen müssen überlegen, wie sie ihr Dokumentenmanagement in Richtung Social ECM weiterentwickeln. Unternehmen wiederum, die ein neues ECM-System einführen wollen, sollten im Interesse
einer nachhaltigen und zukunftssicheren Lösung die Besonderheiten von Social ECM im
Einführungsprozess konzeptionell berücksichtigen.
Die Prozessgestaltung und ein Vorgehensmodell zur Einführung einer ECM-Lösung wurden
bereits im ersten Teil des Framework ECM Intelligence dargestellt. Diese Ausführungen
behalten auch bei der Einführung von Social ECM-Lösungen ihre Gültigkeit. Allerdings
sind zusätzlich die
Entwicklung von sECM-Strategien
Besonderheiten des
Social-Aspektes und
seine Auswirkungen
Klärung der generellen Digitalisierungs- und ECM-Strategie-Optionen
zu berücksichtigen.
Die betreffen organiKlärung der generellen Ziele aus der Unternehmenssicht
satorische, prozessuale und technische
Definition der sECM-Strategie aus der Nutzerperspektive
Bedingungen ebenso
wie Compliance-beRisikoanalyse mit Compliance- und Datenschutz-Auswirkungen
zogene und vermarktungsrelevante KonRealisierung als Public oder Private Cloud
sequenzen.
Abbildung 14
Für die Einführung eines Social ECM-Systems empfi ehlt sich mit Blick auf die Unternehmen zunächst die Durchführung einer Strategischen Analyse. Anschließend sind für eine Vielzahl von Handlungsfeldern unternehmensindividuell geprägte Konzeptionen zu entwickeln und umzusetzen. Die
Entwicklung einer sECM-Strategie umfasst zunächst, die generellen Digitalisierungs- und
ECM-Strategie-Optionen sowie die grundsätzlichen Ziele aus der Unternehmenssicht zu
klären. Anschließend gilt es, die sECM-Strategie aus der Nutzerperspektive zu defi nieren, 30
um in den nächsten Schritten eine Risikoanalyse mit Compliance- und Datenschutz-Auswirkungen sowie die Realisierung von sECM als Public oder Private Cloud vorzunehmen.
1. Generelle Digitalisierungs- und ECM-Strategie-Optionen
Bei der Entwicklung der Projektstrategie ist grundlegend zu unterscheiden, ob für das Document Sharing im Sinne von Social ECM ergänzend zum bestehenden Dokumentenmanagementsystem für den klassischen ECM-Einsatz ein separates Cloud-basiertes eingesetzt werden oder eine gesamtheitlich neue Strategie mit gleichzeitiger Migration des bestehenden
ECM-Systems hin zu einer Cloud-Lösung vorgenommen werden soll, um unterschiedliche
Betriebsformen zu vermeiden. Beide Modelle weisen in ihrer technischen Realisierbarkeit
keine entscheidenden Besonderheiten auf, wohl aber in der Projektkomplexität. Insofern
gilt es bei der Planung eines Social ECM-Engagements zu klären, welche Auswirkungen
damit für die generellen Digitalisierungs- bzw.
Hybrides sECM
ECM-Strategien verbunden sind.
Für eine dritte denkbare Alternative, dem Einsatz
einer hybriden ECM-Lösung, die innerhalb nur
eines einzigen Systems sowohl die klassischen
Anforderungen im internen betrieblichen Einsatz
klassisches
abdeckt und gleichzeitig kollaborative Funktionen
ECM
für externe Nutzer wie Kunden oder Lieferanten
bietet, fehlt es im Markt gegenwärtig noch an Produkten. Selbst derzeitige Cloud-Lösungen bieten
eine solche Kombination nicht im Sinne eines
Social ECM, weil sie den bisherigen Prinzipien mit ausschließlich nach innen gerichteten
Nutzungsfunktionen folgen und nicht für ein Document Sharing mit Gruppenfunktionen, also
für eine umfassende kollaborative Nutzung frei definierbarer User, angelegt sind.
Hybrides
Social ECM
System
CloudArchiv
Abbildung 15
Allerdings ist zu erwarten, dass die Entwicklung in Richtung hybrider Lösungen und derartiger
Angebote gehen wird. Daraus folgt für die ECM-Strategien, dass vorteilhafterweise Social
ECM zunächst mittels ergänzender Cloud-Lösungen realisiert werden sollte. Die Aufwände
für die Realisierung der organisatorischen und prozessualen Erfordernisse sowie für die
technische Integration bzw. Automation der von außen kommenden Dokumentenprozesse
31
hingegen können in Teilen auch bei einer späteren Einführung einer vollständig dem Social
ECM-Gedanken entsprechenden Lösung in großen Teilen genutzt werden. Auch werden so
bereits Lerneffekte bezüglich der neuen Prozesse und Konzepte ermöglicht.
2. Nutzenperspektiven von sECM für Unternehmen
Wie beim Lebenszyklusmanagement aller betrieblichen Informationssysteme spielt das
Strategy-Alignment, also die Ausrichtung des Systems an den strategischen Zielen und Erfordernissen, eine zentrale erfolgsrelevante Rolle. Social Media-Anwendungen sind aktuell
noch ein relativ neuer Ansatz im betrieblichen Umfeld. Entsprechend kann bei der Entwicklung der Strategie für eine Social-ECM-Lösung nicht auf langjährige Erfahrungswerte zurückgegriffen werden. Umso wichtiger ist daher, eine systematische Klärung und Bewertung
der angestrebten Effekte durch sECM vorzunehmen. Dazu können insbesondere gehören:
• Enge Vernetzung im Markt: Mit der Vernetzung von Unternehmen, Institutionen und Menschen können neue Potenziale zur Vermarktung und Effizienzsteigerung aktiviert werden.
Solche Effekte sind auch beim Document Sharing zu erwarten, wenn Unternehmen solche
Kommunikationsmodelle mit Kunden und Lieferanten realisieren. Solche Vorteile können
aber nicht nur Unternehmen generieren, sondern beispielsweise auch Verbände mit ihren
Mitgliedern und kooperativen Institutionen. Auch innerhalb des Gesundheitswesens können die Prozesse durch ein Document Sharing deutlich vereinfacht werden, indem etwa
Patienteninformationen, Röntgenbilder oder medizinische Gutachten unter Umgehung
der bisherigen Transportwege von Hausärzten, Krankenhäusern und anderen an einer
Behandlung Beteiligten zeitgleich nutzen können.
• Digitalisierungsimpulse für die Kommunikationsprozesse: Insgesamt besteht in
den Unternehmen eine deutliche Tendenz, bisher manuell geprägte Geschäftsprozesse zu digitalisieren. Bislang wurde diesen Absichten im Kontakt mit den Kunden
jedoch enge Grenzen gesetzt, weil die technische Infrastruktur meist an den Grenzen
des Unternehmens Halt macht und dadurch digitale Prozesse nur mit Einsatz von
E-Mails oder spezifischen Download- bzw. Datentransfer-Lösungen möglich waren.
Entsprechend war die direkte digitale Weiterverarbeitung in den anderen Fällen nicht
möglich. Diese Beschränkung wird durch Social ECM aufgehoben, da die Online-Archive eine unmittelbare und flexible digitale Schnittstelle zu den Kunden darstellen.
32
Nutzenperspektiven von sECM
enge Vernetzung im Markt
Digitalisierungsimpulse
höhere Servicequalität im Kundenmanagement
stärkere Kundenbindung
Cross Selling-Chancen
vertriebsfördernde Imageeffekte
virale Marketingeffekte
Kommunikationskostenersparnisse
höherer Automatisierungsgrad
Aufwandsersparnisse Kundenbetreuung
einfacheres Lieferantenmanagement
Wettbewerbsvorsprung
erhöhte Rechtssicherheit
Abbildung 16
• Einfacheres Lieferantenmanagement: Zwar bestehen im Regelfall elektronisch gesteuerte Logistikprozesse, die damit verbundenen Lieferdokumente werden aber oft noch
in Papierform realisiert. Wird für alle Beteiligten entlang der Logistikprozesse jedoch ein
Document Sharing realisiert, können wesentliche Effi zienzverbesserungen erreicht wer-
33
den. Weitere Nutzeneffekte entstehen im eigentlichen Partner- und Produktmanagement,
indem der Reseller von den Lieferanten alle relevante Dokumente von Serviceinformationen bis zu aktualisierten Produktbeschreibungen direkt in das Cloud-Archiv gestellt
bekommt. Dies spart Zeit und reduziert den Kommunikationsaufwand, außerdem werden
Handelsunternehmen gegenüber ihren Kunden auskunftsfähiger.
• Steigerung des Automationsgrades: Verbunden mit der Digitalisierung von Kommunikationsprozessen mit Kunden und Lieferanten über das Cloud-Archiv wird die Möglichkeit
eröffnet, diese Abläufe durch eine technische Integration der beteiligten Systeme zu automatisieren, sofern die Dokumente eine Struktur aufweisen, die sie maschinell auslesbar
macht und keine anderen Formen der strukturierten Datenübermittlung bereits genutzt
werden. Neben der damit verbundenen Kostenreduzierung und der schnelleren Informationsverarbeitung steht auch eine höhere Qualität auf der Vorteilsseite, da automatisierte
Abläufe typischerweise eine geringere Fehlerquote als manuell geprägte Prozesse aufweisen.
• Höhere Servicequalität im Kundenmanagement: Werden mit Kunden relevante Informationen zu Verträgen, Produkten, Rechnungen, Tarifen usw. mittels eines Cloud-Archivs
geteilt, entsteht bereits grundsätzlich ein spürbarer Vorteil, bei Archivierung und Handling
von Dokumenten. Dieser Nutzen wird zusätzlich gesteigert, wenn beispielsweise ein Handelsunternehmen ein Document Sharing mit seinen Produktlieferanten und Dienstleistern
vornimmt. Dadurch lassen sich deren aktuelle Produktänderungen, Neuheiten und mehr
in die Cloud-Archive der Kunden übertragen. Umgekehrt können die Kunde Informationsoder Serviceanfragen zu Produkten direkt an den Hersteller senden. Denkbar mit Blick
auf Vorteilseffekte bei der Servicequalität ist aber auch die Option, dass sich der Aufwand
für Beratungsgespräche reduzieren lässt. So können auf Basis eines Document-Sharings
Kundenberater und Kunden gemeinsam per Telefonkonferenz auf Basis der für beide Seiten vorliegenden Dokumente Fragen erörtern und so die Gesprächsqualität steigern bzw.
in vielen Fällen auch die Aufwände für ein persönliches Treffen vermeiden.
• Stärkung der Kundenbindung: Als Konsequenz der faktisch engeren Vernetzung
in Zusammenhang mit Vorteilen in der Servicequalität wird auf der Kundenebene
ein engeres Beziehungsverhältnis erzeugt. Die Stärkung der Kundenbindung steht
allein schon deshalb im Fokus der Unternehmen, weil die Neukundengewinnung mit
hohen Kosten verbunden ist und demzufolge allein wirtschaftliche Gründe wirkungsvolle Initiativen zur Kundenbindung erforderlich machen. Ein Cloud-Archiv, über das
ein permanenter Kontakt zu Kunden geschaffen wird und diesen einen individuell
spürbaren Mehrwert bietet, kann sich deshalb zu einem Instrument entwickeln, dass
34
weit wirkungsvoller als klassische Marketingmethoden zur Kundenbindung wirkt.
Weiterhin kann sich mit einem Cloud-Archiv ein Lock-In-Effekt ergeben, der es Bestandskunden erschwert, das Archiv und damit den Anbieter zu wechseln. Der dann mit einem
Lieferantenwechsel verbundene Aufwand, archivierte Dokumente aus dem Archiv herauszutransferieren und in ein neues Archiv zu verbringen, wird somit zu einem Argument, dem
jeweiligen Lieferanten treu zu bleiben.
• Erlössteigerung durch Cross Selling-Chancen: Abgeleitet aus der Intensivierung der
Kundenbeziehungen über das Document Sharing zählen zu den weiteren Nutzenperspektiven, dass Voraussetzungen für einen höheren Umsatz pro Kunde geschaffen werden.
Denn da eine vom Kunden akzeptierte höhere Kommunikationsfrequenz entsteht, lassen
sich ergänzende Produkte einfacher platzieren – beispielsweise mit Hilfe von maßgeschneiderten Zusatzangeboten im Zusammenhang mit Versicherungen, deren Verträge
über das Cloud-Archiv geteilt werden. Auch für Upgrade-Möglichkeiten von Diensten oder
Produkten ergeben sich verbesserte Perspektiven zur Erlössteigerung.
• Vertriebsfördernde Imageeffekte: Die Affinität zu modernen technischen Produkten und
Services findet sich längst nicht mehr nur bei Konsumenten aus der Generation der Digital
Natives, sondern auch bei weiteren Zielgruppen mit ausgeprägtem digitalen Kommunikationsverhalten spielen sie wesentlich in die Kaufentscheidungen hinein. Damit können
Document Sharing-Angebote gerade von Unternehmen, die über klassische und wenig
emotionalisierende Produkte verfügen, bei den Konsumenten imagesteigernde Impulse
auslösen und unter Nutzung dieser Wirkung neue Kundengruppen generieren.
• Virale Marketingeffekte: Sofern das im Rahmen von Kundenservice eingesetzte
Cloud-Archiv eine ausreichende Akzeptanz in relevanten Kundenkreisen und in der öffentlichen Diskussion erlangt, kann eine zusätzliche vertrieblich wirksame Imagewirkung
generiert werden. Diese viralen Marketingeffekte, bei denen sich öffentlich in wichtigen
Zielgruppen eine positive Meinung zu Unternehmen oder Produkten bildet und über die
sozialen Kanäle kommuniziert wird, gewinnen eine immer größere Bedeutung für den
Vermarktungserfolg von Unternehmen.
• Geringere Kommunikationskosten: Mit der Nutzung einer sECM-Plattform lassen sich
die unmittelbaren Aufwände für die dokumentenbasierten Prozesse mit den Kunden,
Lieferanten und Partnern deutlich verringern. Die Kostenersparnisse betreffen vor allem
den Druck und Versand von Kundendokumenten. Gelingt es, die Prozesse entsprechend
zu automatisieren, können die Grenzkosten je zur Verfügung zu stellendem Dokument
deutlich gesenkt werden.
35
• Aufwandsreduzierung in der Kundenbetreuung: Indem Unternehmen wie Kunden via
sECM-Plattform jederzeit über eine gleiche Informationsbasis verfügen, lässt sich vermutlich das Volumen der Informationsnachfragen und die Zahl der Reklamationen reduzieren.
So entstehen etwa keine Anfragen für den erneuten Versand nicht oder vermeintlich nicht
zugegangener Dokumente, Ausstellung notwendiger Zertifi kate und Bescheinigungen etc. Zudem beschleunigen sich die Kontaktgespräche aufgrund der beidseitig jederzeit identischen Informationsgrundlage, so dass der Ressourcenaufwand in der Kundenbetreuung
oder anderen Servicefunktionen des Unternehmens geringer wird.
• Wettbewerbsvorsprung: Ein Angebot zur kollaborativen Kommunikation über ein
Cloud-Archiv lässt das Unternehmen als technisch modern und insbesondere für die digital
orientierte Zielgruppe als attraktiv erscheinen. Insbesondere in Märkten mit schwer differenzierbaren Produkten können solche entscheidende Vorteile im Wettbewerb erzeugen.
• Erhöhte Rechtssicherheit: Zu den weitergehenden Nutzenpotenzialen von Social
ECM-Plattformen gehört auch die Rechtssicherheit, die sich durch nachweislich vorhandene Vertragsunterlagen in der jeweils aktuellen Version u.ä. ergibt.
3. sECM-Strategie aus der Nutzer-Perspektive
sECM-Anforderungsprofi l aus Nutzersicht
individueller Mehrwert
flexible Einsatzmöglichkeiten
hohe Datensicherheit
geregelte Rückabwicklung
Mit der Erwägung einer sECM-Lösung gilt
es ebenfalls, die strategischen Aspekte einer
sECM-Plattform aus der Nutzerperspektive zu
entwickeln. Dabei ist zu beachten, dass das Document Sharing auch für diese Zielgruppen gegenwärtig vielfach noch Neuland darstellt. Selbst
Nutzer, die bereits mit etablierten Webdiensten zu
Datenspeicherung und -austausch in der Cloud
arbeiten, dürfte ein sECM-Angebot im Kontext
eines anderen Geschäftsmodells neu sein. Aus
diesem Grund gilt es, auch die Nutzungsakzeptanz auf der Adressatenseite zu erarbeiten.
geringe Eintrittsbarrieren
Abbildung 17
Denn einerseits lassen sich nicht alle Zielgruppen
im Kunden- und/oder Lieferantenkreis unmittelbar als Teilnehmer einer Document Sharing
36
Community gewinnen, andererseits bedarf es einer Etablierung dieser Methode mit gesicherter wirtschaftlicher Perspektive. Nur wenn sich Zielgruppen identifizieren lassen, bei
denen ausreichend breit und in überschaubarem Zeitrahmen eine ausreichende Akzeptanz
für diese Form der Kommunikation aufgebaut werden kann, erscheint die Einführung von
Social ECM strategisch sinnvoll.
Eine solche Zielgruppen- und Potenzialanalyse stellt im Vergleich zu den klassischen
ECM-Projekten eine neue Aufgabenstellung dar, weil sie – statt auf die internen Nutzungsbedingungen und Prozesse des Dokumentenmanagements gerichtet zu sein – vollständig
externe Erfolgsfaktoren im Fokus hat. Aus diesem Grund sollte sie dem Marketing- und Vertriebsbereich des Unternehmens übertragen werden, zumal dort die Motivation besonders
ausgeprägt ist, die mit dem Document Sharing im Zusammenhang stehenden Nutzeneffekte
generieren zu wollen.
Dort ist auch die notwendige Vermarktungsstrategie mit Darstellung der Vorteile zur Nutzeraktivierung zu verorten. Hierbei sind vor allem folgende Aspekte zu berücksichtigen:
• Mehrwert: Die Vorteile des Sharings eigener Daten auf einer sozialen Cloud-Plattform
können sehr vielfältig sein, sie reichen von schlanken und einfachen Kommunikationsprozessen über die Entlastung von Speicherungsaufgaben bis hin zur vereinfachten
Zusammenarbeit.
• Einsatzmöglichkeiten: Da die Menschen immer mobiler leben und gleichzeitig – nicht
zuletzt aufgrund vieler Mobilfunkverträge – in einem relativ festen Rhythmus ihre mobilen
Endgeräte wechseln, gehört eine Device- und standortunabhängige Nutzbarkeit zu den
elementaren Vorteilen von Social ECM.
• Datensicherheit: Insbesondere im deutschsprachigen Raum spielen Sorgen über einen mangelnden Datenschutz eine zunehmend wichtige Rolle. Diesem Bedürfnis nach
Sicherheit kann nur entsprochen werden, wenn eine Archivierung der Informationen nach
deutschem oder europäischem Datenschutzrecht erfolgt.
• Rückabwicklungssicherheit: Versiertere Nutzer werden sich dafür interessieren, ob
bzw. wie Daten bei Bedarf wieder aus der Plattform extrahiert werden können. Auf diese
möglichen Einwände müssen verbindliche Antworten bzw. Garantien gegeben werden.
• Eintrittsbarrieren: Es ist die Frage zu beantworten, welche möglichen Akzeptanzhürden
über die Datensicherheit hinaus Kunden daran hindern, das sECM-Angebote zu nutzen
bzw. Daten in die Plattform einzubringen.
37
4. Risikobewertungen
Die Entscheidung für die Etablierung einer Social ECM-Plattform für ein kollaboratives Sharing von Informationen wird nicht allein von Vorteilsbewertungen geprägt, sondern ebenso
sind mögliche Negativaspekte zu betrachten. Dies verlangt, dass auch die Risikopotenziale
bewertet werden.
In der Analyse der möglichen wirtschaftlichen Risiken erfolgt eine Beschränkung auf den
Aufbau einer Social ECM-Infrastruktur, d.h. im Falle einer sECM-Strategie mit gleichzeitiger
Einführung eines neuen ECM-Systems für das interne Dokumentenmanagement bleiben die
Migrationsrisiken unberücksichtigt. Insofern beschränkt sich die Betrachtung auf die speziell
sECM-relevanten Faktoren:
• Technische Investitionen: Die bei einem Eigenbetrieb entstehenden Kostenblöcke für
Software- und Hardware-Beschaffung entfallen bei Nutzung eines Cloud-Dienstes. Auch
Einführungsaufwände, insbesondere externe Beratungskosten, gestalten sich gleichzeitig
deutlich geringer als bei einer Inhouse-Implementierung. Stattdessen entstehen Mietkosten, die einerseits sehr transparent und damit auch relativ einfach kalkulierbar sind.
Andererseits können langlaufende oder leistungsmäßig eng defi nierte Verträge mit dem Cloud-Provider wirtschaftliche Risiken in sich
Risikobewertungen
bergen, weil sie die Möglichkeiten für fl exible von sECM-Investitionen
Korrekturen der vertraglichen Vereinbarungen einschränken.
technischer Investitionsaufwand
• Risiken im Providerverhältnis: Statt
der Investitionsrisiken für die technische
organisatorischer Veränderungsbedarf
Plattform von sECM gewinnen andere betriebswirtschaftliche Faktoren an Gewicht.
Provider-Verhältnisse
So spielen die Auswahl eines Dienstleisters
und das Management der LieferantenbezieVermarktungsinvestitionen
hung eine wichtige Rolle. Dies ist nicht nur
eine einmalige, sondern eine kontinuierliche
Compliance und Datenschutz
Aufgabe, weil sich die Angemessenheit der
Vertragsvereinbarungen auch in kürzeren Zyklen ändern kann. Wichtige Einfl ussfaktoren Abbildung 18
38
neben der Zuverlässigkeit von technischer Plattform und Service-Prozessen sind etwa
ein veränderter interner Bedarf, die Preisentwicklung im Markt oder die Produktpolitik des
Anbieters, die nach Modifikationen möglicherweise nicht mehr ausreichend mit den eigenen Unternehmensstrategien oder Compliance-Anforderungen konform geht. Auch die
wirtschaftliche Stabilität oder Weiterentwicklung und Modernisierung seiner Dienste sind
relevant. Dies macht eine regelmäßige und umfassende Lieferantenbewertung in festen
Rhythmen oder aus besonderen Anlässen notwendig.
• Prozessuale Investitionen: Die organisatorische und technische Integration der kollaborativen Abläufe erzeugt Aufwände, die bei der Konzeption und dem Prozessdesign beginnen und schließlich in einer Realisierung münden. Diese Aufgaben, entweder über interne
Ressourcen geleistet oder über externe Spezialisten realisiert, stellen initiale Investitionen
im klassischen Sinne dar. Während die organisatorische Prozessgestaltung wohl in den
meisten Fällen vergleichsweise geringe Kosten erzeugt und damit nur ein begrenztes wirtschaftliches Risiko aufweist, kann die technische Integration der Dokumentenprozesse
abhängig von dem geplanten Automationsgrad und den beteiligten IT-Systemen komplexere Projekte verursachen. Diese Investitionen müssten weitgehend abgeschrieben
werden, sofern das sECM-Vorhaben nicht erfolgreich im Markt etabliert werden kann und
die technischen Integrationsprozeduren nicht für alternative Dokumentenprozesse genutzt
werden können.
• Vermarktungsinvestitionen: Ohne ein gezieltes Marketing und Vertrieb sind sECM-Angebote, die einen wirtschaftlichen Nutzen entweder durch vertriebliche Effekte oder durch
eine Effizienzsteigerung in den Kommunikationsprozessen mit relevanten Dritten generieren sollen, nicht umsetzbar. Damit gehen prinzipiell Kostenrisiken einher, die jedoch
den üblichen Investitionsrisiken bei der Markteinführung neuer Produkte oder Services
entsprechen. Die theoretische Höhe dieser wirtschaftlichen Risiken ist von der Marketingkonzeption und der darin definierten Maßnahmenplanung abhängig, da jede Marktkommunikation über die Produkt- oder Servicebotschaft hinaus auch weitere Marketingeffekte
erzeugt, entsteht selbst im negativen Fall einer erfolglosen Etablierung des sECM-Angebots nur ein begrenztes Risiko.
• Compliance und Datenschutz: ECM-Systeme stehen im Zusammenhang mit Compliance-Erfordernissen per se vor besonderen Herausforderungen. Es gilt deshalb, hierbei
die vielfältigen Aspekte und Regelungen vor dem Hintergrund rechtlicher und ethischer
Erwägungen zu berücksichtigen. Mit der Erweiterung des ECM-Systems zum sECM-
39
System wird die Thematik durch wesentliche neue Herausforderungen ergänzt und führt
zu verschiedenen Fragestellungen:
• Lässt sich genau ermitteln, in welchen Ländern die IT-Systeme für die Online-Archivierung betrieben werden?
• Welche Datenschutzregelungen gelten in dem oder den betreffenden Ländern und
welche Besonderheiten weisen sie auf?
• Sind die Regelungen in den jeweiligen Ländern rechtlich und unter dem Aspekt des Kundenvertrauensschutzes mit den eigenen Regelungen und Erwartungen zu vereinbaren?
• Entsprechen die Nutzungsbedingungen des Archiv-Betreibers, beispielsweise in Bezug
auf die Rechte an den archivierten Informationen, den eigenen Compliance-Ansprüchen?
• Welche zusätzlichen Gefahren und Szenarien ergeben sich mit der Einbindung mobiler
Endgeräte?
• Welche Effekte haben die sozialen Funktionalitäten des ECM-Systems? Welche Einstellungsmöglichkeiten müssen dem Kunden zur Verfügung gestellt werden? Was für
zusätzliche Szenarien ergeben sich aus der Sicht von Compliance und Datenschutz.
• Besteht eine ausreichende Verschlüsselung bei der Datenübertragung über stationäre
und mobile Endgeräte?
• Wird innerhalb des Archivs eine Datenverschlüsselung vorgenommen, um unbefugte
Zugriffe durch Dritte zu unterbinden?
• Ist die Rückabwicklung mit vollständigem Transfer der archivierten Informationen durch
den User und gleichzeitig dauerhafter Löschung aller vorher gespeicherten Dokumente
klar geregelt?
• Bestehen für das Online-Archiv anerkannte und aktuelle Zertifikate als Qualitätsnachweis?
Die Ergebnisse dieser Betrachtungen fließen in die gesamtheitliche Bewertung der vorteilhaften und kritischen Aspekte einer sECM-Strategie ein.
5. Realisierungsvarianten als Public oder Private Cloud
Mehrheitlich dürften Social ECM-Dienste zukünftig vor allem auf Basis eines öffentlich verfügbaren Dienstes (Public Cloud) angeboten werden. Daneben ist aber auch eine Private Cloud-Variante für größere Unternehmen denkbar. Ihr wesentlicher Unterschied besteht darin, dass der
Betrieb der Archive nicht in den Händen eines externen Cloud-Providers liegt, sondern über
eigene Rechenzentrums-Ressourcen erfolgt. Hierfür können sowohl strategische Gründe sprechen, wenn etwa der Outsourcing-Gedanke weniger zum generellen Selbstverständnis oder
40
der Compliance-Philosophie des Unternehmens passt und ausreichende eigene Betriebskompetenzen vorliegen. Ebenso können auch wirtschaftliche Aspekte dem Private Cloud-Modell
den Vorzug geben. In jedem Fall sollten beide Varianten in ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen
differenziert betrachtet und in die strategischen Planungen einbezogen werden.
6. Strategische Roadmap
Nach der analytischen Betrachtung aller erfolgsrelevanten Faktoren und möglichen Risiken
für eine sECM-Ausrichtung müssen deren Ergebnisse konsolidiert und in ein konkretes Vorgehensmodell überführt werden. Eine solche strategische Roadmap umfasst mindestens
folgende Komponenten:
Komponenten Strategische Roadmap
• Zieldefinition: Es müssen möglichst operable Sollgrößen zu den wirtschaftlichen und marktstrategischen
(produktbezogener Umsatz, Marktanteile, Image etc.) Zielen einschließlich der Zeiträume festgelegt werden.
Ziele definieren
• Investitionsbudget: Für den Aufbau der technischen Infrastruktur, Organisation und personellen
Investitionen budgetieren
Ressourcen sowie für operative Maßnahmen samt
Betrieb und Weiterentwicklung der Services sind
organisatorische Implementierung
mittelfristig und langfristig angelegt die Aufwände
zu kalkulieren und zu budgetieren.
operatives Maßnahmenkonzept
• Organisatorische Implementierung: Dazu
Strategie-Controlling
gehört die Frage der organisatorischen Einordnung
der sECM-Einheit in die Unternehmensstruktur und
ihre perspektivische Ausstattung mit personellen
Abbildung 19
Ressourcen.
• Operatives Maßnahmenkonzept: Entwicklung eines systematischen Projektablaufs mit
Verantwortlichkeiten, Kosten und benötigten Ressourcen von der technischen Planung
und Realisierung bis zur Umsetzung der organisatorischen und vertrieblichen Erfordernisse im laufenden Betrieb.
• Strategie-Controlling: Aufbau von Kenngrößen zur zielgerechten Steuerung des
sECM-Engagements und Ermittlung möglicher Optimierungserfordernisse sowohl für die
Phase der Projektierung als auch des Betriebs.
41
V Projektentwicklung
Für den Fall der Implementierung eines neuen ECM-Systems parallel zur Einführung des
Cloud-basierten sECM wird auf die Good Practices für die Einführung von ECM-Systemen
aus Band 1 des „Framework ECM Intelligence“ verwiesen. Die Darstellungen in diesem Band
auch zur Projektentwicklung beschränken sich entsprechend allein auf die kollaborative Nutzung von ECM im Sinne eines Document Sharing. Dies gilt gleichermaßen auch im Hinblick
auf die Erarbeitung der Fachkonzeption und des Prozessdesign für Social ECM-Dienste
eines Unternehmens.
1. Vorgehensmethodik
Grundsätzlich gilt, dass die Unternehmen bei der Bereitstellung von Angeboten zur kollaborativen Nutzung von Informationen nicht auf Erfahrungen zurückgreifen können. Deshalb
empfi ehlt es sich, das Document Sharing für Lieferanten oder Kunden zunächst in kleinen und überschaubaren Etappen für bestimmte Zielgruppen oder Dokumentenprozesse zu realisieren, um die Erfahrungswerte in den Folgeprojekten nutzen zu können. Hierfür bietet sich
ein agiles Organisationsmodell an. Angebote werden dabei in kleinen Schritten ausgerollt,
Produkte laufend ergänzt und verbessert. Werden hierfür ein Product Backlog und eine Vision entwickelt, entsteht eine wirkungsvolle Voraussetzung für ein gemeinsames übergeordnetes Zielverständnis und dafür, dass das Angebot systematisch in seiner kundengerechten
Attraktivität und Wirtschaftlichkeit kontinuierlich verbessert wird.
Vorgehensmethodik Basis: SCRUM-Methodik
24 h
30
Tage
Produkt-Backlog
Sprint-Backlog
Sprint
lauffähige, inkrementell
verbesserte Software
Abbildung 20
42
Eine frühzeitige Integration von Projektentwicklung und Betrieb ist aber auch deshalb sinnvoll, weil eine abgeschlossene Einführungsphase die Gefahr einer „Wunschzettel-Mentalität“ in sich birgt. Aus Sorge, dass später gewünschte Features nicht mehr berücksichtigt
werden können, versuchen die Beteiligten möglichst viele ihrer Wünsche einzubringen. Eine
vorherige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wird damit unterlaufen, gleichzeitig lässt sich eine
klare Priorisierung nicht mehr ausreichend sicherstellen.
Dementsprechend ist soweit wie möglich eine backlog-orientierte, iterative Vorgehensweise
anzustreben. Vor dem Hintergrund einer langfristigen Vision und einer schlüssigen Gesamtarchitektur sollte die Realisierung in möglichst kleinen Inkrementen erfolgen. Sind diese
nicht Endkunden-geeignet, so sollte dies zumindest intern das Handeln bestimmen. Backlog
und anstehende Realisierungsziele sollten laufend hinterfragt und aktualisiert werden. Insgesamt bietet sich eine Anlehnung des Vorgehens an die Scrum-Methodik an.
2. Prozessorientierte sECM-Konzeption
Während in der Strategiephase die Einsatzperspektiven und Nutzenpotenziale samt möglicher Risiken, Prozesse und Funktionalitäten mit der Zielsetzung einer Entscheidung für
oder gegen eine sECM-Plattform und eine strategische Analyse konzipiert wurden, gilt es
im nächsten Schritt Geschäftsprozesse, Rollen, Funktionalitäten, technische Anforderungen
und betriebswirtschaftliche Aspekte so weiter zu verfeinern, dass eine System- bzw. Anbieter-Auswahl durchgeführt werden kann.
Besondere Potenziale aber auch Herausforderungen ergeben sich in der prozessorientierten Integration der Kernsysteme (bspw. ERP-, Abrechnungs-, Kundenverwaltungs-Systeme
etc.) mit dem sECM-System. Frühzeitig sollte überlegt werden, welche Erfordernisse, vor
allem auch welche neuen Möglichkeiten sich mit der Integration der Kernsysteme mit dem
sECM-System ergeben. Weiterhin ist zu überlegen, welche Funktionalitäten und Prozesse
den Kunden oder Partnern zur Verfügung gestellt werden sollten, auch wenn sie anbieterübergreifend ausgestaltet werden (bspw. monatliche Auswertung der Rechnungen mehrerer Lieferanten aus der Kundensicht). Die so erarbeiteten Strutkuren stellen eine wichtige
Grundlage bei der Auswahl des Anbieters dar.
Nach der Auswahl des sECM-Lösungsanbieters bzw. der Festlegung einer Architektur bei
43
Eigenbetrieb kann mit der Verfeinerung der Konzeptionen und der Realisierung begonnen
werden. Zunächst gilt es, die im Angebot der sECM-Plattform vorgesehenen Funktionalitäten
und Prozesse zu verstehen und den bisherigen Konzeptionen und Blueprints gegenüberzustellen. An vielen Stellen wird sich zeigen, dass ursprünglich konzeptionierte Prozesse in der
angedachten Form nicht so einfach realisiert werden können. An anderer Stelle werden Features und implementierte Ansätze neue Impulse geben, wie Angebot und Prozesse weiter
optimiert werden können. Mit der konkreten Festlegung des Partners bzw. Betriebskonzepts
können nun auch technische Probleme, insbesondere Adapter und Zusatzentwicklungen
konkret und detailliert analysiert werden.
Prozessorientiertes sECM-Konzept
Design
grobes
Sollkonzept
(Blueprint)
Auswahl
auf Basis
SW-Strukturen /
SW-Referenzmodell
Feinkonzept
Tool 1
Rollenkonzept
Sollkonzept
Tool 2
Add-Ons
Schnittstellen
Tool 3
Abbildung 21
Zeitgleich steht nun auch eine Plattform für Realisierung und Prototyping zur Verfügung. Parallel sollten Konzepte verfeinert, einzelne Funktionalitäten realisiert, integriert, präsentiert
und getestet zu werden. Es empfi ehlt sich Feinkonzeption, Realisierung, Testing, Präsentation und weitergehende Verbesserung in einer Scrum-ähnlichen Vorgehensweise in kurzen
Zyklen (Sprints von maximal vier Wochen) mit abschließender Realisierung von Einzelfunktionen und laufender Aktualisierung der jeweils anstehenden Aufgaben (Backlog-Pfl ege) zu realisieren.
44
3. Integrationsmaßnahmen
Ein ganz wesentlicher und nicht zu unterschätzender Aspekt betrifft die Integration der
sECM-Prozesse. Besondere Potenziale aber auch Herausforderungen ergeben sich in der
prozessorientierten Integration der Kernsysteme (bspw. ERP-, Abrechnungs-, Kundenverwaltungs-, etc-Systeme) mit dem sECM-System. Frühzeitig sollte überlegt werden, welche
Erfordernisse, aber vor allem auch neue Möglichkeiten sich mit der Integration der Kernsysteme mit dem sECM-System ergeben. Denn sollen die Cloud-Funktionen in die eigenen Produkte und Prozesse eingebunden werden, was zur Automation der kollaborativen Abläufe
und damit aus Effizienzgründen unbedingt zu empfehlen ist, so müssen vielfältige Verknüpfungen zwischen bestehenden betrieblichen Informationssystemen und dem sECM-System
geschaffen werden. Schließlich wird es in den wenigsten Fällen ausreichen, lediglich ein
PDF-Dokument aus den laufenden Wirksystemen in das sECM-System zu übertragen.
Erst mit der funktionalen und prozessorientierten Integration, beispielsweise durch Meta-Daten-Übergabe, Möglichkeiten der intelligenten Speicherung und Verwaltung von Dokumenten im sECM-System, Abruf von Daten aus dem sECM-System, Übergabe von Rechten
oder Single-Sign-On-Funktionalitäten erschließen sich auch die wirtschaftlichen Potenziale
eines integrierten sECM-Systems. Hierfür sind ergänzende Entwicklungen notwendig, weil
im Regelfall keine Standard-Adapter zur Verfügung stehen werden bzw. vorhandene nicht
ausreichend die notwendigen Funktionalitäten abdecken.
4. Evaluierung des sECM-Providers
Grundsätzlich ist zwischen dem Anbieter einer kollaborativen ECM-Lösung sowie dem
Hosting-Dienstleister für die Archivierung und den technischen Betrieb der Sharing-Plattform
zu unterscheiden. Zwar weist im Gegensatz zum Segment des Hostings der gegenwärtige
Markt für sECM-Lösungen noch nicht in nennenswerter Zahl Anbieter auf, weil er sich gerade erst in der Entwicklungsphase befindet, zukünftig werden Unternehmen aber vermutlich
zwischen drei verschiedenen Dienstleistungsmodellen für Social ECM entsprechend ihres
eigenen Anforderungsprofils wählen können:
1. Bundling-Angebote: Hierbei wird die sECM-Lösung eines Softwarehauses mit den
Cloud-Services (technische Plattform, technische Service-Prozesse und Customer
45
Service-Prozesse) eines definierten Hosting-Partners kombiniert. Damit übernimmt der
Plattform-Anbieter auch die gesamten technischen Leistungsverpflichtungen gegenüber
dem Unternehmen etwa hinsichtlich der Verfügbarkeit. Auf der anderen Seite werden in
diesem Fall viele Lösungsparameter schwer oder gar nicht zu beeinflussen sein, so etwa
der Standort der Archivierungssysteme.
2. Freie Wahl des sECM-Providers: Da die Software für das Document Sharing, der technische Betrieb und die Service Prozesse prinzipiell abgrenzbar sind, kann grundsätzlich
eine eigene Provider-Auswahl in den verschiedenen Bereichen vorgenommen werden.
Dieses Szenario bietet sich etwa an, wenn spezifische Betriebsanforderungen wie beispielsweise die ausschließliche Speicherung der Daten in Deutschland oder besondere
Anforderungen an das Continuity Management bestehen. Notwendig ist aber die Bereitschaft des ausgewählten ECM-Softwarehauses zur Zusammenarbeit mit dem ausgewählten Cloud-Provider.
3. Einsatz in der Private Cloud: Insbesondere in Konzernen mit ausgeprägten Potenzialen
für den technischen Betrieb von IT-Diensten kann eine weitere Alternative darin bestehen,
das Hosting selbst zu betreiben und die Nutzung der sECM-Lösung mittels eigener Private
Cloud zu ermöglichen.
Ganz unabhängig der Wahl des Dienstleistungsmodells bedarf es bei der Auswahl der Social ECM-Lösung umfangreicher Kriterien mit unterschiedlicher Bedeutung. Zur methodischen
Vereinfachung des Aufbaus einer Evaluierungsmatrix wird hier jedoch keine Unterscheidung
nach den Dienstleistungsvarianten vorgenommen, sondern die sECM-Lösung und das Hosting in der Cloud als Einheit betrachtet. Zu den wichtigsten Auswahlkriterien gehören:
• Neutralität: Da der Provider geschäftskritische Daten von möglicherweise konkurrierenden Marktteilnehmern speichert, übernimmt er eine Treuhänder-Funktion hinsichtlich der
archivierten Informationen. Dieser Aspekt spielt für die Verbreitung des Document Sharings
eine zentrale Rolle, da ohne den neutralen Status des Providers hier keine ausreichende
Akzeptanz bei den Unternehmen zu erreichen ist. Deshalb werden sich vermutlich auch
keine Sharing-Modelle von bestimmten Produktanbietern wie etwa Banken oder Versicherungen durchsetzen, weil ein Konkurrenzunternehmen keine eigenen Kundeninformationen mit dem betreffenden Online-Archiv teilen würde.
• Funktionalitäten und Prozesse der sECM-Plattform: Noch mehr als Standardsoftware
sind Cloud-basierte Lösungen dadurch gekennzeichnet, dass grundlegende Anpassun-
46
gen in Prozessen und Funktionalitäten nicht oder nicht wirtschaftlich möglich sind. Entsprechend müssen angebotene Lösungen diesbzgl. genau untersucht werden. Es muss
verstanden werden, welche Unterschiede zwischen den verfügbaren Lösungen und den
ursprünglich angedachten Szenarien bestehen.
• Kundensupport: Soll auch der Support fremdvergeben werden, so müssen auch die
Support-Leistungen mit in Betracht gezogen werden. Eine grundlegende Frage ist die
Entscheidung, ob die Kundensupportprozesse selbst durchgeführt werden, durch den
Anbieter der sECM-Plattform durchgeführt oder sogar durch Dritte übernommen werden.
• Reputation und Vertrauen: Cloud-Lösungen sind ihrer Natur nach wenig greif- und sichtbar. Entsprechend spielen Reputation und Vertrauen eine große Rolle. Für das eigene
Unternehmen, noch mehr aber, wenn die angestrebten Lösungen die Einbindung von
Kunden und Partnern umfasst,
Marktevaluierung sECM-Provider
ist Vertrauen ein wichtiger Faktor. Reputation und ggf. starke
Neutralität
Marken können dazu beitragen,
dass die Beteiligten schneller
Funktionsprofil und Prozesse der sECM-Plattform
und überzeugter gewillt sind ihre
vertraulichen und wichtigen Dokumente und Information einem
Support-Unterstützung
Dritten zu überantworten.
• Datenschutz und CompliProvider-Reputation
ance: Eng verbunden mit dem
Aspekt von Reputation und
SLAs und Datensicherheit
Vertrauen ist die Thematik „Datenschutz und Vertrauen“. Es gilt
Datenschutz- und Compliance
zu prüfen, inwieweit der Anbieter
die Berücksichtigung der für
Fall-Back-Bedingungen
das eigenen Unternehmen relevanten Datenschutz- und ComRückabwicklung
pliance-Vorgaben
zusichern
kann. Hier sind Aspekte wie die
Abbildung 22
Sicherung der Daten, aber auch
gegebenenfalls die Garantie der Speicherung in den geeigneten Ländern sicherzustellen.
• SLAs und Datensicherheit: Ein weiterer Aspekt ist die glaubhafte Zusicherung aus-
47
reichend hoher Service Levels für die eigenen Prozesse, aber auch für die Bedürfnisse
von Partnern und Kunden. Zu welchen Zeiten ist ein Service verfügbar? Welche Response-Zeiten können abhängig vom Support-Level garantiert werden? Sichern redundante
Systeme eine erhöhte Verfügbarkeit? Welche Disaster-Recovery und Continuity-Management-Mechanismen sind installiert?
• Fall-Back-Bedingungen: Mit der Einbindung von Cloud-Diensten und Dienstleistern
müssen Konzepte bestehen, wie bei technologischen Problemen wie geringe Verfügbarkeiten und mangelnde Qualität, wirtschaftlichen Problemen des Dienstleisters oder bei
vertragsrechtlichen Problemen mit ihm Content und Prozesse wieder zurückgeholt oder
an einen anderen Anbieter übertragen werden könnten. Auch diese Konzepte müssen
getestet und laufend aktualisiert werden.
• Rückabwicklung: Unabhängig von möglichen Ausnahmesituationen, die Fall-Back-Szenarien auslösen, muss geklärt werden, wie sich bei regulärem Vertragsende die Prozesse
zur Rückabwicklung gestalten. Hier sind insbesondere die Pflichten des Providers präzise
zu definieren, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.
48
VI Technische Infrastruktur für sECM
Auch wenn der Betrieb des kollaborativen Online-Archivs und damit die Speicherung der
Dokumente in der Cloud erfolgen, bedarf es sowohl einer speziellen technischen Plattform
als auch prozessualer Verfahren für die Bereitstellung und Archivierung der Dokumente
des betreffenden Unternehmens. Diese Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass sich die zu
teilenden Informationen und Dokumente in möglicherweise sehr verschiedenen betriebswirtschaftlichen Applikationen befinden und sie nur durch eine Integration von sECM in die
IT-Infrastruktur genutzt werden können.
1. Communication Hub
Prinzipiell ist es möglich, dass beim Document Sharing nicht nur eine 1:1-Kommunikation
zwischen einer Funktionseinheit des Unternehmens mit den Kunden stattfindet, sondern
mehrere Organisations- oder Geschäftsbereiche diesen Kommunikationsweg gleichzeitig
nutzen können. In der Konsequenz erzeugt dies eine n:1-Kommunikation mit den Nutzern
von wECM („klassisches“ workflow-orientiertes ECM, siehe Band 1), wobei dafür möglicherweise verschiedene Applikationen in Anspruch genommen werden müssen. Am Beispiel
einer Versicherung dargestellt bedeutet dies folgendes: Wollen etwa die Produktbereiche
Lebensversicherung und Berufsunfähigkeitsversicherung sowie zusätzlich die Leistungsabwicklung der privaten Krankenversicherung und die Kfz-Schadensbearbeitung das Document Sharing im Kundenkontakt nutzen, muss die Datenkommunikation der jeweiligen
Fachanwendungen so konsolidiert werden, dass die Dokumentendarstellung und Verwaltung für den Kunden wie aus „einem Guß“ unabhängig von den jeweiligen Quellsystemen
und -prozessen erscheint.
Dies lässt sich über einen „Communication Hub“ lösen, dessen Kernaufgabe darin besteht,
eine zentrale Plattform für den Austausch von Dokumenten sowohl aus- als auch eingehend mit Kunden, Lieferanten, Partnern etc. zu etablieren. Über ihn werden die eigentlichen
Sharing-Vorgänge zentral ausgeführt und eventuell bestehende Restriktionen, Anforderungen oder vordefinierte Prozessabläufe über Rückmeldungen zu Sharing-Vorgängen etc.
berücksichtigt. Seine technische Funktionalität ist dabei, die Informationen aus den einzelnen Systemen, aus denen Daten für das Document Sharing bereitgestellt werden, entgegenzunehmen bzw. abzufragen und den Empfängern zur Verfügung zu stellen. Sämtliche
49
Anforderungen an Übertragungswege für das Document Sharing, verwendete Plattformen,
Datenformate etc. werden im Communication Hub abgedeckt – an der nachgelagerten
Infrastruktur sind somit keine Änderungen erforderlich. Der Communication Hub vereinheitlicht die unterschiedlichen Dokumenten- und Informationsstrukturen und leitet sie zentral
an die für den Endkunden ersichtliche Document Sharing-Plattform. Der Communication
Hub ist im Hintergrund platziert und kümmert sich um die Aufbereitung der Dokumente, die
DS-Plattform ist das Frontend und unabhängig vom CH.
Communication Hub
Unternehmen
System 1
System 2
Kunden/Partner
Communication
Hub
Communication
Hub
System 3
PDF
Kunde 1
Offline
Kunde 2
XM
L
Partner 1
Abbildung 23
2. Document Sharing-Rollen
Die Nutzung von Online-Archiven im Sinne des Document Sharings kann in unterschiedlichen Varianten erfolgen, denen jeweils verschiedene Prozessbedingungen zugrunde liegen:
• Document Sharing aus der „Sender“-Perspektive: Bei der aktiven Rolle im Document
Sharing wird die Bereitstellung von Dokumenten für Empfänger betrachtet. Hierbei können
verschiedene Szenarien in Betracht gezogen werden, die im nachfolgenden erläutert werden.
• Reines Document Sharing: Sämtliche Dokumente zwischen Unternehmen und Empfänger
werden ausschließlich über eine sECM-Plattform ausgetauscht. Es erfolgt keine Übermittlung
50
mehr in gedruckter Form oder als Dokumente über E-Mail etc., sondern es wird ausschließlich
die Document Sharing-Plattform des Empfängers für die Kommunikation genutzt. Dies setzt
voraus, dass alle im Unternehmen an der Kommunikation mit dem Empfänger beteiligten
Systeme und Prozesse eine vollständige Integration in die sECM-Strategie unterstützen und
z.B. in einen unternehmensweiten Communication Hub integriert sind.
• Document Sharing-Mischform: Bestimmte Dokumentarten werden zwischen Unternehmen und Empfänger über eine sECM-Plattform ausgetauscht. Je nach Dokumenten-Art
erfolgt die Übermittlung dabei über den Sharing Hub des Empfängers, in elektronischer Form
beispielsweise via E-Mail etc. oder postalisch. Hierbei sind zwei Varianten zu unterscheiden:
a. Document Sharing-Mischform mit Wahlmöglichkeiten: Der Empfänger entscheidet
selber, welche Dokumentenarten über den Sharing-Hub und welche über alternative
Kanäle zur Verfügung gestellt werden sollen. Hierbei müssen alle nachgelagerten
Systeme des Unternehmens die individuellen Präferenzen des Empfängers entsprechend berücksichtigen und für bestimmte Dokumenten-Typen unterschiedliche
Bereitstellungs-Prozesse definiert werden. Bei Nutzung eines Communication-Hubs
muss dort entsprechend für jeden Empfänger ein Nutzerprofil hinterlegt werden, in
dem die individuellen Anforderungen des Empfängers erfasst sind. Abhängig von der
bereitstellenden Dokumenten-Art wird dann der entsprechende Bereitstellungsprozess
angestoßen.
b. Document Sharing-Mischform ohne Wahlmöglichkeit: Es gibt keine Wahlmöglichkeit für den Empfänger, welche Dokumente über seinen Sharing Hub geteilt oder
über alternative Kanäle bereitgestellt werden. Bei diesem Szenario bestehen für die
nachgelagerten Systeme weniger komplexe Anforderungen in Bezug auf die Bereitstellung von Dokumenten, da diese sich nicht aus dem Empfängerprofil, sondern unternehmensinternen Prozessen ableiten. Wichtig ist hierbei, dass eine für den Kunden
transparente Kommunikation erfolgt, welche Dokumententypen über den Sharing Hub
oder klassisch elektronisch oder postalisch zur Verfügung gestellt werden.
• Document Sharing „on demand“: Das Document Sharing zwischen Empfänger und
Unternehmen erfolgt nur auf einer „on demand“-Basis, z.B. bei Kontakt mit dem Callcenter des Unternehmens mit Anforderung von Produktinformationen, die auf Kundenwunsch per Document Sharing bereitgestellt werden. Vergleichbar mit der Variante des
Document Sharing als Mischform ohne Wahlmöglichkeit kann hier die Bereitstellung
51
per Document Sharing auf bestimmte Dokumententypen beschränkt werden, da diese
Form der Bereitstellung als Angebot an den Empfänger und nicht auf Anforderung erfolgt.
Document Sharing-Varianten aus der Sender-Perspektive
Document Sharing-Varianten aus der Sender-Perspektive
reines Document Sharing
Document Sharing on demand
Document Sharing-Mischform
Document Sharing-Mischform
mit Wahlmöglichkeiten
Document Sharing-Mischform
ohne Wahlmöglichkeit
Abbildung 24
Alle Varianten mit Ausnahme der On-demand-Version weisen zusätzlich die Notwendigkeit auf, dass der Empfänger über den Eingang der Dokumente entsprechend
informiert wird. Je nach Art der Dokumente und Präferenzen der Empfänger kann
hierbei eine Mitteilung per E-Mail, SMS, Social Media etc. gewählt werden. Dabei
muss der zeitnahe ggf. rechtssichere Zugang der Information gewährleistet sein,
damit möglich Fristen und gesetzliche Informationspfl ichten eingehalten werden.
Entsprechende Prozesse für die Benachrichtigung der Adressaten bei der Nutzung von Document Sharing sind dabei direkt in den Communication Hub zu integrieren. Dies stellt sicher, dass eine vollständige und eindeutige Dokumentation
aller Document Sharing-Vorgänge erfolgt und der Benachrichtigungsstatus entsprechend für jeden einzelnen Vorfall im System hinterlegt ist. Sofern die nachgelagerten Systeme dies unterstützen, kann auch eine Tracking-Funktionalität
integriert werden, die direkt im generierenden System eine Statusänderung für das
betreffende Dokument vornimmt, sobald es für den Empfänger bereitgestellt wurde.
52
• Document Sharing aus der Empfänger-Perspektive: Bei der passiven Rolle im Document Sharing als Empfänger müssen durch Dritte (Kunden, Geschäftspartner etc.) geteilte Dokumente verarbeitet werden können. Hierfür ist es erforderlich, entsprechende Prozesse für die Erfassung, Verarbeitung und Ablage der geteilten Dokumente zu schaffen und
es muss defi niert werden, welche Dokumentenarten über Document Sharing von Dritten bereitgestellt werden können. Dazu gehören beispielsweise Rechnungen, Produktinformationen, Gutachten etc. Typischerweise können dabei zwei verschiedene Szenarien
zum Tragen kommen:
a. Empfang von geteilten Dokumenten in definierten Prozessen: Dies betrifft die
Verarbeitung von erwarteten bzw. angeforderten Dokumenten, die durch Dritte mit
dem Unternehmen geteilt werden und einem Standardvorgehen folgen. Dies sind
beispielsweise Produktdatenblätter von Lieferanten, die im Rahmen einer Lebensversicherung angeforderten ärztlichen Unterlagen eines Kunden etc. Um eine vollständige
und korrekte Verarbeitung der eingehenden Dokumente zu gewährleisten, muss eine
Integration in die entsprechenden nachgelagerten Prozesse geschaffen werden.
Document Sharing-Varianten aus der Empfänger-Perspektive
Document Sharing-Varianten aus der Empfänger-Perspektive
Kunden
Word
PDF
Lieferanten
XML PDF
Partner
Excel
Behörden
PDF
Communication Hub
definierte Prozesse
Prüfung + Klassifizierung
interne Verarbeitung
Abbildung 25
53
Bei geschäftlichen Partnern ist hier eine möglichst weitgehende Automatisierung der
Prozesse erstrebenswert. Beispielsweise lassen sich Dokumente, die einer festgelegten Logik bei der Benennung folgen (z.B. Lieferantennummer_Artikelnummer_Versionsnummer) hochgradig automatisiert und ohne weitere manuelle Eingriffe direkt in
weiterführenden Systemen und Prozessen verarbeiten.
Bei individuell bereitgestellten Dokumenten (beispielsweise Unterlagen im Rahmen
einer Schadensregulierung durch einen Privatkunden) ist ebenfalls eine möglichst weitgehende Automatisierung der Verarbeitung anzustreben. Dies lässt sich beispielsweise
durch die Aufforderung an den Sender umsetzen, alle Dokumente im Dateinamen mit
der entsprechenden Policen-Nummer oder einer Schadensnummer zu versehen.
Dies stellt sicher, dass die eingehenden Dokumente unmittelbar den entsprechenden
Vorgängen im System zugeordnet werden können und keine manuelle Erfassung der
einzelnen Dokumente erforderlich ist.
Fehleingaben bei der Benennung von Dokumenten müssen über entsprechende logische Prüfungen abgefangen werden, indem beispielsweise eine Überprüfung erfolgt,
ob die enthaltene Schadensnummer dem betreffenden Kunden zugeordnet ist oder ob
ein Dokument bereits vorliegt. Für den Fall von Fehlern in der automatisierten Verarbeitung oder fehlenden Angaben sind daher entsprechende Prozesse zu definieren,
um die Dokumente manuell zu erfassen und zu klassifizieren, um die Bearbeitung zu
gewährleisten.
b. Eingang von geteilten Dokumenten in nicht definierten Prozessen: Der Eingang
von geteilten Dokumenten über das Document Sharing für nicht definierte Prozesse
erfordert entsprechend flexible Prozesse für die Verarbeitung der Informationen.
Abhängig vom Typ und Inhalt der eingehenden Dokumente müssen entsprechende
nachgelagerte Prozesse initiiert und die Bearbeitung der Informationen angestoßen
werden. Dies betrifft dabei sowohl die erstmalige Qualifizierung und Einordnung der
eingehenden Dokumente als auch die Erfassung und Aufbereitung der Inhalte.
Hierfür ist eine entsprechende Erweiterung bestehender ECM-Systeme um einen weiteren
Kanal für die Verarbeitung von Dokumenten zu empfehlen.
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3. Prozessvarianten für das Document Sharing
Die Anwendungsfelder für Document Sharing lassen sich in bestimmte Gruppen einteilen,
die gemeinsame Merkmale aufweisen und ähnlichen oder identischen Prozessen folgen. So
lassen sich für unterschiedliche Vorgänge oder Dokumentenarten die gleichen Bereitstellungsprozesse nutzen.
Zu unterscheiden ist dabei nach Massenbereitstellung, individueller Bereitstellung sowie der
Bereitstellung auf Anforderung durch Empfänger:
• Massenbereitstellung von Dokumenten via Document Sharing: Es erfolgt eine
vollautomatisierte und an einen großen Adressatenkreis gerichtete Bereitstellung von Dokumenten. Beispielsweise bei aktuellen Angeboten, Informationen zu neuen Geschäftsbedingungen etc., die allen Kunden oder bestimmten Kundengruppen zur Verfügung
gestellt werden. Eine Personalisierung der geteilten Dokumente fi ndet hierbei im Regelfall nicht statt bzw. folgt klar defi nierten Algorithmen, wie dies etwa bei Rechnungen der Fall ist, die hochgradig automatisiert und standardisiert erstellt und geteilt werden können.
Prozessvarianten im Document Sharing
Massenbereitstellung
von Dokumenten an Empfänger
individuelle Bereitstellung
von Dokumenten
Dokumentenbereitstellung
auf Anforderung von Empfängern
Abbildung 26
Im Falle einer Document Sharing-Mischform,
die Wahlmöglichkeiten des Empfängers bietet,
erfordert die massenhafte Bereitstellung von
Dokumenten die Nutzung eines Communication Hubs, um eine individuelle Zuleitung der
Dokumente entweder über Document Sharing
oder über alternative Kanäle zu realisieren.
Dies muss entsprechend regelbasiert erfolgen
und es muss eine individuelle Variante für jeden
einzelnen Empfänger gewählt werden. Eine
entsprechende Dokumentation des gewählten
Kanals und der Form der Bereitstellung ist vorzunehmen.
• Individuelle Bereitstellung von Dokumenten via Document Sharing: Es erfolgt eine
individuelle Bereitstellung eines oder mehrerer Dokumente für einen einzelnen Empfänger.
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Beispielsweise Informationen zu einem bestimmten Produkt oder ein Angebot etc. Dieser
Vorgang kann sowohl manuell angestoßen werden als auch vollautomatisch regelbasiert
erfolgen. Voraussetzung ist hierbei, dass die entsprechenden Systeme, aus denen die
gewünschten Informationen generiert werden oder diese aus einem Informationspool zur
Verfügung stellen, eine entsprechende Integration in das sECM-Konzept aufweisen. Hier
kommt wieder der Communication Hub zum Tragen, über den die Bereitstellung der Dokumente für den Empfänger abgewickelt wird. Ein solcher Hub muss entsprechend auch
einen Ad-Hoc-Mechanismus bereitstellen, der das individuelle Einstellen eines Dokuments
erlaubt, das bspw. lediglich über den Dokumenttyp – etwa PDF – eingeschränkt ist.
• Document Sharing auf Anforderung von Empfängern: Es erfolgt eine individuelle
Bereitstellung von bestimmten Dokumenten auf Abruf. Hierbei handelt es sich um eine
Untermenge der individuellen Bereitstellung, die jedoch andere Prozesse voraussetzt
bzw. nach sich zieht. Der Empfänger kann hierbei aus einem Pool an Informationen wählen und erhält auf Anforderung die entsprechenden Informationen in seinem Sharing Hub
zur Verfügung gestellt. Beispielsweise können dies Handbücher, Produktbeschreibungen
individuelle Angebote etc. sein, die der Empfänger bei Bedarf selber anfordern kann.
Hierfür ist es erforderlich, dass neben den entsprechenden Berechtigungskonzepten, welche
Informationen welchen Adressaten grundsätzlich zur Verfügung stehen, auch ergänzende
Prozesse definiert werden, um zu erfassen, wer welche Dokumente angefordert hat. Eine
Integration in Dritt-Systeme wie CRM etc. bietet sich hier an, um einen entsprechenden
Überblick zu bewahren und die Informationen aktiv nutzen zu können.
4. Einflussfaktoren
Document Sharing-Prozesse werden, bedingt durch die Interaktion mit einer Vielzahl von
Adressaten sowie technischen oder rechtlichen Anforderungen, durch eine Vielzahl von
Faktoren beeinflusst. Diese Einflussfaktoren lassen sich in drei zentrale Gruppen clustern.
• Rechtliche Rahmenbedingungen: Bei der Konzipierung der Document Sharing-Strategie
ist besonders den rechtlichen Rahmenbedingungen eine hohe Aufmerksamkeit zu widmen.
Dies betrifft beispielsweise die Frage, welche Dokumenten-Arten über Document Sharing
bereitgestellt werden sollen, ob es Vorgaben bezüglich Schriftform, Aufbewahrungsfristen,
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Zustellform etc. gibt oder ob länderspezifi sche Besonderheiten bei einzelnen Aspekten zu berücksichtigen sind. Zudem müssen unter Umständen für bestimmte Dokumenten-Arten
Dokumentationen zu Zeitpunkt oder Art der Zustellung bzw. eine Empfangsbestätigung
erfasst oder garantierte Zustellung sichergestellt werden, was im Rahmen des Document
Sharing-Konzepts berücksichtigt und entsprechend abgebildet werden muss.
• Zielgruppen: Im Vorfeld muss eine genaue Analyse vorgenommen werden, welche
generellen Gruppen bei den Adressaten defi niert werden können und welche Relevanz die jeweiligen Gruppen für das Unternehmensgeschäft
Einfl ussfaktoren auf sECM-Prozesse aufweisen. Hierbei empfi ehlt sich beim Clustering eine Kombination aus einer Gruppenbildung auf Basis von
rechtliche Rahmenbedingungen
demografi schen Kriterien wie „Privatkunden“, „Geschäftspartner“, „junge Kunden“ etc. und auf Basis von
Zielgruppen
Kriterien wie „Gesamtumsatz“, „Kauffrequenz“ etc.
technische Bestandssysteme
Abbildung 27
Aufbauend auf den gebildeten Gruppen kann dann eine
genauere Betrachtung vorgenommen werden, welche
bestehende Prozesse
Affi nität die jeweiligen Gruppen für das Document Sharing aufweisen, welche gruppenspezifi schen Prozesse für die Bereitstellung von Dokumenten typischerweise
auftreten oder welche Arten von Dokumenten generiert
werden. Hieraus abgeleitet kann dann eine Einstufung erfolgen, welche Zielgruppen vorrangig im Rahmen der Document Sharing-Strategie adressiert werden sollen oder welche
spezifi schen Anforderungen erfüllt werden müssen.
• Bestehende interne technische Systeme und Prozesse: Im Rahmen der Document Sharing-Strategie muss detailliert analysiert und überprüft werden, welche internen technischen
Systeme und Prozesse an der Generierung der zu teilenden Dokumente beteiligt sind und
wie deren Status bezüglich der Unterstützung einer Document Sharing-Strategie ist. So verfügen beispielsweise Systeme, die auf Basis fester Regeln massenhaft Dokumente erzeugen und für den Versand an Kunden generieren über andere Voraussetzungen als Systeme,
die auf Abruf durch einen Benutzer individuelle Dokumente erstellen. Bei Mischformen sind
entsprechend beide Varianten zu berücksichtigen, um nach außen eine hohe Konsistenz
der Kommunikation sicherzustellen. Wichtige Fragen können hierbei beispielsweise sein:
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• Unterstützt das System flexibel Ausgabeformate, um verschiedene Kanäle parallel
bedienen zu können (Print, Document Sharing)
• Falls nein: Kann über entsprechende Schnittstellen (z.B. in Form eines Communication
Hubs) eine entsprechende Unterstützung geschaffen werden?
• Lassen sich Präferenzen der Empfänger für bestimmte Kanäle im System erfassen?
• Erwartet das System eine Rückmeldung für einzelne Dokumente von nachgelagerten
Prozessen über erfolgreiche Ausführung der Dokumenten-Erstellung etc.?
5. Benutzerverwaltung
Der Benutzerverwaltung kommt beim Document Sharing im Rahmen einer sECM-Strategie
eine besondere Bedeutung zu. Werden Dokumente mit einer Vielzahl von Kunden geteilt,
muss eine klare Abgrenzung vorgenommen werden, welchen Kunden welche Dokumenten-Arten zur Verfügung gestellt werden. Dies hängt beispielsweise davon ab, ob eine aktive
Kundenbeziehung und daher Zugriff auf ein erweitertes Angebot an Dokumenten besteht
oder die Kundenbeziehung beendet wurde und ggfs. nur noch Dokumente wie Rechnungen
oder Vertragsunterlagen historisch archiviert verfügbar gehalten werden.
Aber auch unterschiedliche Kundengruppen oder Abstufungen bei Lieferanten oder Partnern
müssen in Form eines Rollenkonzepts entsprechend berücksichtigt werden. Dies ist besonders deshalb erforderlich, weil eine für jeden einzelnen Sharing-Partner individuell gesetzte
Rechtevergabe schnell in einer unüberschaubaren Vielzahl von Konfigurationseinstellungen
münden kann, die das Risiko in sich tragen kann, Adressaten falsche Dokumente zur Verfügung zu stellen oder ihnen entsprechende Informationen vorzuenthalten. Ein praktikables
und gut durchdachtes Rollenkonzept auf Basis von Geschäftsbeziehungen ist entscheidend,
um den Aufwand und nicht zuletzt auch die Sicherheit beherrschbar zu halten.
Ein mehrstufiges und für einzelne Zielgruppen differenziertes Rechtemodell vereinfacht hier
die Verwaltung der freigegebenen Dokumente bzw. den Widerruf der Freigabe deutlich und
schafft eine bessere Transparenz für die internen Verantwortlichen. Individuell ergänzte Freigaben für einzelne Dokumente oder Dokumenten-Typen sollten dabei an Gruppen-Rechte
gekoppelt werden, damit diese bei entsprechenden Änderungen ebenfalls im Zweifelsfall
automatisch angepasst werden.
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In der Praxis empfiehlt sich dabei ein in Form einer Baumstruktur angeordnetes Rechtekonzept mit aufeinander aufbauenden Berechtigungen für einzelne Dokumenten-Typen, bei der
die Enden der einzelnen Zweige die geringsten Berechtigungen enthalten und übergeordnete Knoten die Freigaben untergeordneter Ebenen erben. Dies schafft eine transparente
Berechtigungsstruktur und stellt gleichzeitig sicher, dass schnell und unkompliziert entsprechende Freigaben erteilt werden können.
6. Strukturierung der geteilten Informationen
Um die Komplexität für Adressaten des Document Sharing zu reduzieren und gleichzeitig
die Transparenz zu steigern, ist ein eindeutiges Struktur-Konzept für die zu teilenden Dokumente empfehlenswert. Dies betrifft nicht den Aufbau der Dokumente an sich, sondern
wie Sie dem Adressaten zur Verfügung gestellt werden. Denn besonders bei Kunden- oder
Geschäftsbeziehungen mit einer Vielzahl von im Document Sharing bereitgestellten Dokumenten ist es von hoher Bedeutung für die Akzeptanz des selbigen, dass ein maximaler
Nutzenkomfort und eine einfache Bedienung erzielt werden können.
Eine in der eigenen Software logisch und strukturiert aufbereitete Dokumenten-Aufteilung
muss nicht zwingend auch in der Kommunikation nach außen diesen Kriterien entsprechen,
sondern folgt vielfach eher der internen Programmlogik als objektiven Kriterien. Daher ist im
Rahmen der Document Sharing-Strategie für alle Dokumenten-Typen und betroffenen Prozesse eine Struktur zu erarbeiten, wie die entsprechenden Dokumente für den Adressaten
optimal aufbereitet und zur Verfügung gestellt werden können. Beispielsweise können alle
Vorgänge, die bestimmte Aufträge, Verträge etc. betreffen, in separaten Ordnern bereitgestellt werden, die bei einer Vielzahl von Dokumenten noch einmal ausdifferenziert werden
können, um bestimmte Dokumententypen wie Rechnungen, Vertragsunterlagen, Angebote,
Benachrichtigungen etc. übersichtlich abzulegen und zu teilen. Alternative Modelle können
auch die Nutzung von Sammelordnern für gleiche Dokumenten-Typen sein.
Im Zentrum sollte hierbei weniger die interne Sicht auf die Dokumenten-Struktur als vielmehr die externe Sicht der Adressaten stehen, um eine optimale Document Sharing-Struktur
zu entwickeln. Dies bedeutet, dass im Rahmen von Kundenbefragungen oder neutralem
Feedback durch unbeteiligte Dritte ermittelt werden und laufend überprüft werden sollte, in
welcher Struktur etc., die Inhalte dargestellt werden sollten.
59
7. Versionierung
Beim Document Sharing spielt auch der Punkt eine entscheidende Rolle, ob es sich bei
geteilten Dokumenten um einmalig erzeugte Dokumente handelt oder ob es sich um ein
Dokument handelt, das Aktualisierungen unterliegt bzw. unterliegen kann. Dies hat direkten
Einfluss darauf, wie die verschiedenen Dokumenten-Typen behandelt werden müssen, um
eine optimale Struktur im Sharing-Prozess sicherzustellen. Dafür können verschiedene Arten von Vorgängen unterschieden werden:
• Einmaliges Document Sharing ohne Aktualisierung: Hierbei handelt es sich typischerweise um Dokumente wie Auftragsbestätigungen, Vertragsunterlagen etc., die zu einem
bestimmten Zeitpunkt erzeugt und geteilt werden. Es erfolgt eine Einordnung in die Dokumenten-Struktur des Sharing-Konzepts und anschließend werden keine Veränderungen
an den geteilten Dokumenten vorgenommen.
• Einmaliges Document Sharing mit Aktualisierung: Dieser Fall umfasst alle Dokumente, die auf Kundenanforderung bereitgestellt werden, bei denen die geteilten DokumentenArten aber Veränderungen unterliegen. Dies betrifft beispielsweise Sicherheitsdatenblätter
für einzelne Produkte, Benutzeranleitungen, Prospekte etc.
Im Rahmen der Document Sharing-Strategie sind für diese Dokumenten-Typen entsprechende Regeln festzulegen und Prozessdefinitionen vorzunehmen, die die Aktualisierung
der geteilten Informationen betrifft. Dies kann beispielsweise ein Austausch des geteilten
Dokuments mit entsprechender Benachrichtigung des Benutzers über die Aktualisierung
sein. Alternativ ist auch eine Aktualisierung mit Verschiebung des bisherigen Dokuments
in einen Archiv-Ordner sowie Kennzeichnung als nicht mehr aktueller Version möglich, was
dem Benutzer weiterhin Zugriff auf vorherige Daten ermöglicht, während gleichzeitig die
aktuellen Informationen angeboten werden.
Welche Variante gewählt wird, ist dabei sowohl von technischen Voraussetzungen als
auch den Dokumenten-Typen abhängig. Bei Dokumenten, die beispielsweise zur Einhaltung rechtlicher Vorgaben dienen und damit eine hohe Relevanz für Anbieter und Adressat
haben, bietet sich eine Archiv-Lösung an, um eine maximale Transparenz auf Seiten des
Adressaten zu schaffen, während bei Dokumenten wie Handbüchern etc., die vor allem
als Kundenservice genutzt werden, ein einfacher Austausch ggf. mit Benachrichtigung mit
60
dem Datum der letzten Aktualisierung erfolgen kann. Im Rahmen der sECM-Strategie sollte
daher für jeden einzelnen Dokumenten-Typ und Geschäftsprozess eine ausführliche und
differenzierte Bewertung vorgenommen werden und eine für den Adressaten schlüssige und
gleichzeitig den Anforderung genügende Lösung gewählt werden.
Typische zu beantwortende Fragen können hierbei sein:
• Hat der Adressat einen Nutzen, wenn vorherige Dokumenten-Versionen weiterhin verfügbar sind?
• Schafft es ein höheres Vertrauen, wenn der Adressat auf eigene Initiative Veränderungen
in den Dokumenten nachverfolgen kann?
• Gibt es rechtliche Anforderungen, was das Vorhalten früherer Dokumenten-Versionen
betrifft?
Neben der Aktualisierung der Inhalte kann für einzelne Dokumenten-Typen aber auch ein
Ablauf-Datum relevant sein, ab dem z.B. die Freigabe für das betreffende Dokument wiederrufen werden soll, weil es seine Gültigkeit verliert oder vorhersehbar bestimmten Anforderungen nicht mehr genügt. Auch für diesen Fall muss eine Abwägung vorgenommen
werden, ob Dokumente des betreffenden Typs ggf. mit Benachrichtigung des Adressaten
gelöscht werden oder ob die Dokumente in einem Archiv-Ordner als abgelaufen markiert
weiterhin verfügbar gehalten werden.
• Wiederkehrendes Document Sharing ohne Aktualisierung: Hierbei handelt es sich um
automatisch oder manuell angestoßene Prozesse, sie sich in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen wiederholen und immer gleiche Dokumenten-Typen betreffen. Dies
können beispielsweise Monatsrechnungen, Übersicht über erbrachte Leistungen etc. sein.
Bei wiederkehrenden Sharing-Vorgängen für einzelne Dokumenten-Typen ohne Aktualisierung geteilter Dokumente empfiehlt sich die Anlage von Archiv-Ordnern, in denen vorherige Dokumente unter Beibehaltung von gesetzlich vorgegebenen Fristen oder im Rahmen
der Kunden- oder Geschäftsbeziehung getroffenen Vereinbarungen vorgehalten werden.
Hierfür sind entsprechende Prozesse zu definieren, die sicherstellen, dass jeweils das
aktuellste Dokument verfügbar gemacht wird und eine automatische Archivierung bestehender Dokumente erfolgt. Außerdem ist eine Benachrichtigungsfunktion für den Adressa-
61
ten zu integrieren, die sowohl über die Bereitstellung des neuen Dokuments als auch die
Verschiebung bestehender Dokumente in das Archiv informiert.
• Wiederkehrendes Document Sharing mit Aktualisierung: Dieser Sharing-Typ umfasst
beispielsweise aktuelle Angebote, Übersicht über im letzten Monat neu hinzugekommene
Artikel, Verbrauchsübersichten etc. Wie beim einmaligen Document Sharing mit Aktualisierung handelt es sich um Dokumente, die in einem bestimmten Rhythmus aktualisiert
werden, bei der die vorherige Version des Dokuments nach Aktualisierung aber ihre
Gültigkeit verliert. Es sind daher die gleichen Prozess-Defi nitionen und Regeln wie beim einmaligen Document Sharing zu defi nieren und zu nutzen.
Versionierung von geteilten Dokumenten
Communication Hub
Einmaliges Document Sharing
Austausch
bestehender
Dokumente
Bereitstellung
neuer
Dokumente
Benachrichtigung des Empfängers
Wiederkehrendes Document Sharing
Austausch
bestehender
Dokumente
Bereitstellung
neuer
Dokumente
Benachrichtigung des Empfängers
Abbildung 28
62
VII Management des sECM-Betriebs
Durch das Angebot einer sECM-Plattform übernimmt das Unternehmen gegenüber allen
Nutzern die Verantwortung für die Leistungsqualität des Archivs. Dies stellt grundsätzlich
eine für den Betrieb von IT-Lösungen typische Anforderung dar, sie weist aber aufgrund der
spezifi schen Anwendung verschiedene Besonderheiten auf.
1. Prozess- und Qualitätsmanagement
Um gegenüber den Usern eine kontinuierliche Leistungsqualität sicherzustellen, ist der Aufbau spezieller Customer Services erforderlich. Denn mit dem Document Sharing müssen
neue Support und Service-Angebote entwickelt
Prozess- und Qualitätsmanagement
und betrieben werden, die zumindest im Zusammenspiel mit den Kunden bei der Nutzung
beispielsweise von Papierdokumenten oder
Customer Services
einfachen E-Mails nicht notwendig waren. Beispielsweise müssen nun Kunden bei FragestelService Level Management
lungen zum Verlust von Passwörtern, fehlender
technischer Kompatibilitäten von Browsern etc.
Organizational Change Management
unterstützt werden. Aber auch Fragen zum Servicelevel und zur kontinuierlichen Weiterentwicklung des Support müssen gelöst werden.
Abbildung 29
• Customer Service-Prozesse: Mit dem Angebot, die Dokumente zur kollaborativen Nutzung zu verwalten, sind entsprechend ergänzende Support-Leistungen bereitzustellen.
Derartige Services werden zumeist in einer Kombination von webbasierten Hilfestellungen
(FAQs, Tutorials etc.) und mitarbeitergestützten Services (Hotline, Chat, E-Mail-Support etc.) angeboten. Hierfür gilt es, die erforderlichen Prozesse, Service Levels, Tools etc. zu konzipieren und umzusetzen. Mit der Konzeption und Realisierung dieser Prozesse
ist auch die grundlegende Frage zu klären, wer diese Aufgaben übernimmt. Sowohl eine
Durchführung durch eigene Mitarbeiter als auch eine Vergabe der technischen Service
Support-Leistungen an Dritte sind denkbar. Wird bspw. die technische Plattform durch einen Dienstleister gestellt, ist die gleichzeitige Vergabe der technischen Service Prozesse
an den Plattformbetreiber eine prüfenswerte Option.
63
• Service Level Management: Weil es sich bei dem Document Sharing um einen kundenorientierten Dienst handelt, sind im Interesse einer hohen Kundenzufriedenheit anspruchsvolle bzw.
marktgerechte Qualitätslevels notwendig. Hierfür bedarf es klarer Definitionen des Serviceniveaus in seinen verschiedenen Facetten von der Verfügbarkeit des Cloud-Dienstes bis zur
Reaktionszeit bei Kundenanfragen in Form von Service Level Agreements (SLAs). Es gilt, alle
intern und extern beteiligten Instanzen (Archiv-Anbieter, interne IT, Kundenmanagement etc.) in
die Entwicklung und verbindliche Umsetzung dieser SLAs einzubeziehen. Gleichzeitig müssen
Prozeduren für eine regelmäßige Aktualisierung von sECM an veränderte technische Möglichkeiten, neue Kundenbedarfe und betriebswirtschaftliche Erfordernisse angepasst werden.
• Organizational Change Management (OCM): Eine sECM-Lösung stellt die Nutzer
und andere Stakeholder vor die Herausforderung, einen relativ neuen Ansatz des ECM
zu begreifen und zu gestalten. Dies macht ein systematisches Organizational Change
Management notwendig, das bereits früh in der Einführungsphase ansetzen sollte. Denn
es besteht die besondere Herausforderung, dass es sich bei den Nutzern nicht primär
um interne Mitarbeiter des eigenen Unternehmens, sondern um Kunden, Partner oder
Lieferanten handelt. Trotz der heterogenen Zielgruppe für das OCM müssen Interessen,
Einstellung zum Vorhaben und schließlich die Macht zur Unterstützung oder zur Behinderung eingeordnet werden. Auf dieser Basis können Change-Ziele definiert werden, die
in messbarer Weise aufzeigen, welche Einstellungen zum sECM in den verschiedenen
Gruppen vorherrschen und wie sich diese ggf. verändern.
Mit einem klaren Bild von Stakeholdern und Kommunikationszielen kann dann ein Kommunikations- und Change-Konzept entwickelt und umgesetzt werden. Nach Möglichkeit
sollten Change-Ergebnisse periodisch gemessen werden. Eine regelmäßige Aktualisierung
von Stakeholder-Analyse und Analyse der Change-Ziele, die ja bspw. auch durch veränderte sECM-Vorgehensweisen etc. beeinflusst werden können, hilft die Maßnahmen
fortlaufend auf höchste Effektivität und Effizienz auszurichten und so sicherzustellen, dass
auch die weichen Faktoren des sECM adäquat berücksichtigt sind.
2. Infrastruktur-Management
Die für den Betrieb der sECM-Plattform erforderliche technische Infrastruktur impliziert
verschiedene Managementfunktionen, um eine zielgerechte Nutzung und kontinuierliche
Optimierung sicherzustellen. Diese Aufgaben konzentrieren sich insbesondere auf:
64
• Provider-Management: Es ist für eine organisatorisch und personal klar defi nierte Schnittstelle zum Provider der sECM-Lösung zu sorgen. Sie ist dafür verantwortlich, dass
eine anforderungsgerechte Leistungs- und Qualitätssteuerung entsprechend den defi nierten technischen Anforderungen und Service Levels erfolgt. Ein kontinuierliches Monitoring
der erfolgskritischen Parameter sollte dabei ebenso zum Selbstverständnis gehören wie
ein ausführliches Reporting an
sECM-Infrastrukturmanagement
die gesamten Verantwortungsträger. Hierfür sind über die technischen Leistungsdaten hinaus
Provider-Management
angemessene Kennzahlen zur
Servicequalität zu entwickeln. Die
Compliance und Risiko-Management für den Betrieb
permanente Auswertung gemeldeter Schwierigkeiten, aber auch
kontinuierliche Optimierung und Weiterentwicklung
Vorschläge zur Verbesserung,
geben wichtige Hinweise zur
Abbildung 30
Fehlerreduktion und zur weiteren
Verbesserung und Priorisierung anstehender neuer Features (Backlog-Items im Sinne einer agilen Vorgehensweise).
• Compliance und Risiko-Management für den Betrieb: Ein weiteres Feld, das mit der
Nutzung einer sECM-Plattform erhöhte Relevanz hat, ist der Bereich Compliance, insbesondere Datenschutz und Sicherheits-Management. Denn für die Einführung und den
Betrieb muss ein angemessenes Risikomanagement konzipiert und gestartet werden.
Zum Risikomanagement gehört vor allem das Aufsetzen eines dauerhaften Prozesses
der Risikoanalyse auf Basis einer Risikomatrix mit den Dimensionen Risikoausmaß und
-wahrscheinlichkeit. Entsprechend der analysierten Risikosituation sind Maßnahmen
abzuleiten und nachzuverfolgen. In ähnlicher Form gilt es, permanent relevante Compliance-Regelungen zu identifi zieren und nach Relevanz und resultierender (möglicher) Wirkung zu bewerten. Auch aus dieser Perspektive heraus sind entsprechende Maßnahmen
abzuleiten und nachzuverfolgen.
Im Bereich des sECM werden die wichtigen Risiko- und Compliance-Faktoren vor allem
das Befolgen von Datenschutz-Regelungen, inhaltliche Datenschutzziele aus ethischen
und marktorientierten Überlegungen heraus, Verfügbarkeit und Robustheit der Prozesse
bei Ausfall von Technologien, Marktpartnern etc. sein. Typische Maßnahmen werden
65
Verfahrensanweisungen, Unterrichtungen und Schulungen, IT-Sicherheits-Konzepte,
Datensicherungsmaßnahmen, Notfallpläne, Disaster-Recovery-Vorkehrungen, Kommunikationskonzepte für Risikoszenarien u.ä. sein. Auch externe Sicherheitsprüfungen durch
Penetrationstests sind zu erwägen.
Ein weiteres wichtiges Thema bei externem Betrieb der sECM-Plattform ist eine Rollback-Strategie bei Vertragsende oder bspw. Insolvenz des Anbieters. Hier gilt es, eigene
Risikoanalysen zu entwickeln und angemessene Strategien zu defi nieren. Bei vielen Cloud-Angeboten wird eine einfache Rückübertragung von Daten und Prozessen wenn
überhaupt nur äußerst aufwändig möglich sein. Es ist zu prüfen, inwieweit hier Abstriche von
einer Maximalposition vertretbar sind bzw. wie mit derartigen Szenarien umzugehen wäre.
• Kontinuierliche Optimierung und Weiterentwicklung: Mit den Erkenntnissen aus der
Anlaufbetreuung liegen weitere wichtige Informationen zur Überarbeitung des Product
Backlogs vor. Zusammen mit verfügbaren Daten aus den sozialen Netzwerken und dem
System-Monitoring kann überlegt werden, welche Items als nächste angegangen werden
sollen. Nachdem zumindest erste Teile in Produktion sind, gilt es, eine gute Balance aus
evtl. weiteren Roll-Outs in bisher noch nicht abgedeckten Unternehmensbereichen bzw.
Regionen, Fehlerbehebungen und neuen Features zu fi nden.
3. Organisationsmodell für sECM
Schnittstellen der sECM-Organisation
Kommunikationsmarketing
Produktmarketing
Vertrieb
Lieferantenmanagement
Partnermanagement
Soll Social ECM als kollaborative Plattform für die
Kommunikation mit Kunden, Lieferanten und weiteren
Zielgruppen realisiert werden, ist der Aufbau adäquater
Organisationsstrukturen und -prozesse erforderlich. Der
sECM-Bereich sollte einem marktnahen Funktionsbereich wie etwa der Vertriebs-, Marketing- oder Kommunikationsabteilung zugeordnet werden oder es sollte zumindest eine ausreichende Nähe im Sinne von Einbindung
und Einfl uss sichergestellt werden. Eine Positionierung im direkten Umfeld der IT birgt hingegen die Gefahr, dass
die Marktperspektive nicht ausreichend berücksichtigt
wird und technische Aspekte die Überlegungen prägen.
Abbildung 31
66
Bei der Entwicklung und dem Management des sECM-Angebots sollten Strategie und Ziele
aus den Unternehmens- und Marktstrategien abgeleitet und in übergeordneten Rahmenvorgaben abgebildet werden. Sie sollten ausreichende Gestaltungsfreiheiten bieten, um eine
kreative und flexible Ausrichtung sowie kontinuierliche Weiterentwicklung der sECM-Strategie zu gewährleisten. Damit verbunden sind folgende Anforderungen:
• Verantwortlichkeiten durch einen sECM-Manager klar definieren: Infolge der zwangsläufig vielfältigen Einflüsse durch die verschiedenen einzubeziehenden Funktionsbereiche des Unternehmens erscheint eine verantwortliche Zuordnung der Aufgaben in einer
Rolle sinnvoll zu sein. Ein solcher sECM-Manager hat eine führende wie koordinierende
Funktion. Der Vorteil eines solchen Modells besteht darin, dass Social ECM auf diese
Weise klar positioniert wird und innerhalb des Unternehmens eine strategisch verbindliche
Einordnung erhält.
• Schnittstellen zu anderen Funktionsbereichen aktiv gestalten: Selbstverständlich bedarf es eines unmittelbaren Zusammenspiels mit der IT-Organisation als Verantwortliche
für den Betrieb der sECM-Lösung. Daneben sind aber weitere Schnittstellen zu weiteren
marktnahen Fachbereichen zu gestalten. Dazu gehören abhängig von der Größe und
Struktur des Unternehmens:
• das Kommunikationsmarketing als Instanz der Imagebildung über PR, Werbung und
Events, dem die Aufgabe zukommt, für diese kollaborativen Kundenservices den notwendigen Bekannheitsgrad und eine wettbewerbsdifferenzierende Positionierung im Markt zu
erzeugen;
• das Produktmarketing, weil die Wettbewerbsfähigkeit von Produkten durch die
sECM-Funktionialitäten in vielen Fällen weiter gesteigert wird und dies in der Produktweiterentwicklung und der Produkt-Marketing-Strategie zu berücksichtigen ist. Auch wird das
Sharing von Informationen ein vermarktbares Merkmal zahlreicher, aber durchaus nicht
aller Produkte sein. Insofern sollte eine enge Abstimmung mit dem Funktionsbereich der
Produktentwicklung bzw. dem möglicherweise in dezentralen Produktsparten organisierten produktfokussierten Marketing erfolgen;
• der Vertrieb, da er – möglicherweise produktabhängig – mit Document Sharing einen
Service an die Hand bekommt, dem prinzipiell zusätzliche Vermarktungsimpulse inne
wohnen;
• das Lieferantenmanagement, weil sECM auch als Plattform genutzt werden kann kann,
um mit den Lieferanten Produkt- und weitere Informationen auszutauschen und dabei
67
beispielsweise eine jederzeit aktuelle Versionierung der Dokumente vorzunehmen ist.
Werden Aufgaben des sECM fremdvergeben, so muss schließlich für diese Aufgabe eine
Vergabe und ein laufendes Lieferantenmanagement gewährleistet werden.
• das Partnermanagement in seinen möglicherweise verschiedenen Strukturen (Vertrieb,
Forschung- und Entwicklung usw.), das von einer engeren Kommunikation mit geringerem
Abstimmungsaufwand profitieren kann.
• Integration in die Marketingstrategien: Weil Social ECM primär die Kommunikationsqualität zwischen einem Unternehmen und seinem sozialen Umfeld verbessert und dabei
nicht losgelöst von den weiteren Initiativen zur Akzeptanzbildung und Vertriebssteigerung
agieren kann, müssen die Ziele und operativen Maßnahmen im sECM-Management in
Einklang mit den Marketingstrategien gebracht werden. Dieser inhaltliche Bezug spricht
dafür, die sECM-Einheit organisatorisch der Marketingabteilung zuzuordnen.
• Social Media-Kompetenzen: Da Social ECM einen hohen Bezug zum Nutzungsverhalten in sozialen Netzwerken aufweist, gehören neben einem fundierten Wissen in Dokumentenmanagement und seiner technischen angrenzenden Themen auch Kompetenzen
im Bereich der Social Network-Kommunikation zu den fachlichen Anforderungen der
Mitarbeiter mit sECM-Aufgaben. Hinzu kommen Fähigkeiten in der strategischen Planung
und dem Marketing sowie – aufgrund der zahlreichen Schnittstellen zu anderen Fachbereichen und Cloud-Provider – hohe Kommunikationsfähigkeiten.
68
VIII sECM Strategy Portfolio
Die Entwicklung vom klassischen Transaktionsgetriebenen ECM zum sECM steht derzeit noch
am Anfang. Entsprechend ist es noch schwierig zu prognostizieren, wie das sECM der Zukunft
im Detail aussehen wird. Noch ist es schwierig vorherzusagen, wann sECM im Markt breit
angenommen bzw. eingefordert wird. Auch lassen sich die technologischen Entwicklungspfade
und evtl. Sackgassen in einzelnen Funktionalitäten derzeit nicht klar benennen.
Entsprechend stellt sich die Frage für Unternehmen, welche Strategie sie im Bereich sECM
einnehmen wollen. Notwendige Investitionen in Prozesse, Technologien, Training, Marketing, Betrieb etc. können sich für einige Unternehmen als zu früh, für andere aber bereits
unbedingt angezeigt herausstellen. Einzelne Unternehmen stehen vor der Gefahr unnötige
Risiken ohne entsprechende Chancen einzugehen, während andere Unternehmen Early-Mover-Chancen aus der Hand geben könnten, die es kein zweites Mal geben wird. Es gibt
eine Vielzahl von Beispielen, in denen verpasste Chancen zum späteren Ausscheiden aus
dem Markt oder zum Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit beigetragen haben. Bekannte
Beispiele für Unternehmen, die bei anderen Technologien zu spät reagiert haben, sind etwa
Quelle, Nokia, Brockhaus Enzyklopädie etc.
Einen Hinweis auf die angezeigte Strategie in Sachen sECM gibt das sECM-Strategie-Portfolio, das auf einem zweidimensionalen Portfolio basiert. Die eine Dimension behandelt
die zu erwartenden Aufwände und Hindernisse, die mit einer Einführung und Nutzung von
sECM verbunden sind. Die zweite Dimension bildet die wirtschaftlichen Nutzenpotenziale
durch Einführung eines sECM-Angebots ab.
Wichtige Faktoren der Aufwands-/Hindernis-Dimension sind etwa
• Schlecht strukturierte Prozesse/Informationen/Dokumente
• viele Quellsysteme
• relevante Compliance-Erfordernisse, die eine sECM-Nutzung erschweren
• Sensibilität/Angst bei Kunden
• Zielgruppe nicht IT-affin
• schwerlich mit Produktimage vereinbar
• ...
69
In der Nutzen-Dimension können Faktoren eine Rolle spielen wie
• Kundennutzen
• Qualitäts- und Kosteneinsparungen im Kundenservice
• Zielgruppenaffinität zu Social-Media-Diensten
• Up-/Cross-Selling-Potenziale
• Einfache Realisierung
• bereits Standard in der Branche
• etc.
Auf Basis der Einordnung des Unternehmens bzw. der Geschäftsfelder nach den dargestellten zwei Dimensionen lassen sich Potenziale bzw. Hindernisse für das sECM zuordnen.
Dabei ist zu beachten, dass in der graphischen Ausgestaltung die Werte für die Hindernisse/
Aufwände in umgekehrter Richtung abgetragen werden.
Unternehmen bzw. Geschäftsbereiche können damit ihre jeweilige Situation einordnen:
• Gegenwind: Ist die Einführung und der Betrieb mit hohem Aufwand bzw. weitreichenden
Hindernissen verbunden und sind zugleich auch keine weitreichenden Nutzenpotenzialen
zu erkennen, so ist die kurzfristige Integration eines sECM-Systems in die bestehende
Prozess- und Systemlandschaft kritisch zu betrachten. Evtl. ist es sinnvoller abzuwarten
und die weiteren Entwicklungen in Feldern wie Technologien, sECM-Drittangebote und
Markterwartungen aufmerksam zu verfolgen.
• Lohnender Gipfel: Sprechen andererseits bei hohem Aufwand bzw. weitreichenden
Hindernissen auf der anderen Seite große Nutzenpotenziale für die Einführung eines
sECM-Systems, so ist die Entscheidung deutlich schwieriger. Hier gilt es vorsichtig abzuwägen, inwieweit die Nachteile die potenziellen Vorteile oder sogar Zwänge zur Einführung eines sECM-Systems überkompensieren. Ist es evtl. auch bei hohen Aufwänden
unumgänglich die Chancen eines sECM-Systems zu ergreifen? Diese Entscheidung ist
unter Abwägung der Pros und Cons mit großer Sorgsamkeit durchzuführen.
• Rückenwind: Lassen sich nur geringe Hürden bei der Einführung einer sECM-Lösung
identifizieren, scheinen aber auch die Vorteile überschaubar, so gilt es ebenfalls genau abzuwägen. Wurden wirklich alle Hindernisse und Aufwände ausreichend berücksichtigt? Gibt es
wirklich keine weiterreichenden Nutzen-Argumente zur Einführung eines sECM-Systems?
70
• Beach: Sind nur geringe Argumente gegen die Einführung und die fortgeführte Nutzung
eines sECM-Systems auszumachen und sprechen weitreichende Argumente für die Vorteile, so ist die Entscheidung einfach. In dieser Konstellation wäre ein Verzicht auf die
sECM-Option kaum zu vertreten.
sECM Strategy Portfolio Matrix
groß
Life is a
Beach
Gegenwind
Rückenwind
Nutzenpotential
Lohnender
Gipfel
gering
groß
Aufwand/Hindernisse
gering
Abbildung 32
71
IX Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Entwicklungstreiber des kollaborativen ECM
5
Abbildung 2: Klassischer IT-Arbeitsplatz vs. Information Worker-Arbeitsplatz
8
Abbildung 3: Nutzen- und Risikoprofil von Cloud-Lösungen
12
Abbildung 4: Unternehmensnutzen durch Consumerization der IT
14
Abbildung 5: Konstituierende Merkmale sozialer Strukturen
17
Abbildung 6: Trends im kollaborativem Dokumentenmanagement
20
Abbildung 7: Grundstruktur ECM in der Cloud
22
Abbildung 8: Grundprinzip Document Sharing
24
Abbildung 9: Zielgruppen von Unternehmen für das Document Sharing (Beispiele) 25
Abbildung 10: Unternehmensnutzen des Document Sharings
26
Abbildung 11: Sehen Sie im Document Sharing in der Cloud eine Zukunft? 27
Abbildung 12: Welche Nutzenvorteile könnten für ein Document Sharing sprechen? 27
Abbildung 13: Kundennutzen des Document Sharings
28
Abbildung 14: Entwicklung von sECM-Strategien
30
Abbildung 15: Hybrides sECM
31
Abbildung 16: Nutzenperspektiven von sECM
33
Abbildung 17: sECM-Anforderungsprofil aus Nutzersicht
36
Abbildung 18: Risikobewertungen von sECM-Investitionen
38
Abbildung 19: Komponenten Strategische Roadmap 21
41
Abbildung 20: Vorgehensmethodik Basis: SCRUM-Methodik
42
Abbildung 21: Prozessorientiertes sECM-Konzept
44
Abbildung 22: Marktevaluierung sECM-Provider
47
Abbildung 23: Communication Hub
50
Abbildung 24: Document Sharing-Varianten aus der Sender-Perspektive 52
Abbildung 25: Document Sharing-Varianten aus der Empfänger-Perspektive 53
Abbildung 26: Prozessvarianten im Document Sharing
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Abbildung 27: Einflussfaktoren auf sECM-Prozesse 57
Abbildung 28: Versionierung von geteilten Dokumenten
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Abbildung 29: Prozess- und Qualitätsmanagement
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Abbildung 30: sECM-Infrastrukturmanagement
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Abbildung 31: Schnittstellen der wECM-Organisation
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Abbildung 32: sECM Strategy Portfolio Matrix
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