Mittwoch, 13. Mai 2015 / Nr. 110
Luzern
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BOTE DER URSCHWEIZ
Solidaritätswelle für «Monopol»-Chefin
LUZERN Mit ihrem Kampf
gegen die Verschwendung von
Essen löst die «Monopol»Direktorin unzählige Reaktionen
aus. Auch die Umweltstiftung
stellt sich hinter sie.
SARAH WEISSMANN
[email protected]
Brigitte Heller, Direktorin des Luzerner
Hotels Monopol, kämpft gegen die tägliche Lebensmittelverschwendung durch
Touristen aus Fernost. Mit Tischstellern
will sie ihre Gäste dazu bewegen, nicht
mehr so viele Essensreste auf ihren
Tellern zu hinterlassen. Notfalls würde
sie ihren Gästen gar Bilder von halb
verhungerten Kindern aus der Dritten
Welt zeigen (Ausgabe vom 8. Mai).
Damit hat sie einen Nerv in der Bevölkerung getroffen. Aufgrund der Be-
richterstattung in unserer Zeitung hat die
«Monopol»-Chefin Hunderte E-Mails
erhalten von Befürwortern ihrer Aktion.
Heller freut sich sehr über die positive
Unterstützung: «Ich werde überschwemmt von Dankes- und Lobesmails
für meinen Mut.» Sie sei überwältigt von
der positiven Anteilnahme und werde
sich in den nächsten Tagen Zeit nehmen,
auf jede einzelne Mail zu antworten.
Auch von den Lesern unserer Zeitung
erhält Brigitte Heller viel Unterstützung.
«Danke für Ihren Mut, Ihren Einsatz für
den respektvollen Umgang mit unseren
Lebensmitteln. Bitte machen Sie weiter
so. Viele, viele Menschen unterstützen
Sie und sind Ihnen dankbar», schreibt
etwa eine Leserin aus der Stadt Luzern.
Stephan Wirz aus Emmenbrücke
schreibt in einem Leserbrief: «Bravo,
Glückwunsch, grosses Kompliment an
Brigitte Heller. Endlich jemand, der
‹Füdle› hat und sich getraut, auf Unsitten hinzuweisen, dass viele Touristen
im Hotel ihre Teller nicht leer essen.»
Eigentlich wollte sie bereits gestern
erstmals die Hinweise auf ihren Restauranttischen platzieren. Aufgrund der
zahlreichen Rückmeldungen – auch von
Sprachlehrern – hat sie diesen Termin
nun verschoben. So müssen die in
mehreren Sprachen beschrifteten Tischsteller teilweise angepasst werden.
In anderen Hotels ebenfalls Thema
Trotz der grossen Sympathiewelle aus
der Bevölkerung für Brigitte Heller sieht
der Verband Luzerner Hotels dennoch
keinen Anlass, in dieser Frage aktiv zu
werden, wie Präsident Patric Graber auf
Anfrage schreibt: «Das ist jedem Hotelier
selber überlassen.» Dennoch lässt Graber
durchblicken: «Es gibt Hotels, welche
dies an einer nächsten Kadersitzung
thematisieren werden.» Um welche Hotels es sich handelt, will er nicht verraten.
Auch Corinne Seiler von Hotellerie
Suisse schreibt dazu: «Das konkrete,
situative Verhalten liegt in der unternehmerischen Verantwortung des einzelnen Hoteliers.» Der Verband stelle
den Hoteliers aber Gästebroschüren zur
Verfügung, in denen diese auf die kulturellen Besonderheiten bestimmter
Herkunftsländer aufmerksam gemacht
würden.
«Es ist eine Schweinerei»
Die Schweizerische Umweltstiftung
unterstützt das Vorgehen von Heller
ebenfalls. «Unserer Umwelt zuliebe hoffe ich, dass weitere Luzerner Hotels
diese Aktion vom Hotel Monopol ebenfalls umsetzen werden», teilt Stiftungsratspräsident Jost Schumacher mit. Die
Zurückhaltung der Hotelverbände erklärt Schumacher damit, dass diese
keinen Einfluss auf die Sitten der anderen Länder nehmen wollten. «Es ist aber
eine Schweinerei, wenn man so viele
Lebensmittel wegwerfen muss», sagt
Schumacher. Denn dies würde dazu
beitragen, dass ein Drittel der in der
Schweiz produzierten Nahrungsmittel
im Abfall landen. «Das Vorgehen des
Hotels Monopol ist ein Schritt in die
richtige Richtung zu einem sorgsameren
Umgang mit unserer Umwelt.»
Allerdings steckt hinter der Essensverschwendung gemäss der Knigge-Expertin Michèle Ségouin keine böse Absicht, sondern eine kulturelle Prägung.
Was es damit in den Kulturen, aus denen
Luzerner Touristen vorwiegend stammen, auf sich hat, erklären Experten in
untenstehenden Kurztexten.
Alle News online
FEIERTAG red. Morgen Donnerstag
ist Auffahrt. Deshalb erscheint keine Zeitung. Sie können sich aber
jederzeit im Internet über die aktuellen Neuigkeiten informieren.
www...
Meinung: Was halten Sie von der Aktion der
Direktorin des Hotels Monopol? Diskutieren Sie
mit unter www.luzernerzeitung.ch/forum
Vereinigte Staaten
China
Der Luzerner Alex Hermann ist Leiter
Schweiz Tourismus Amerika und lebt
seit 12 Jahren in New York. Er erklärt
die amerikanische Kultur:
Chinesen sind gemäss Schweiz Tourismus darauf bedacht, Konfrontationen zu vermeiden.
Essen ist ein wichtiges soziales Ereignis. Gegessen wird gerne an grossen runden Tischen – alleine an einem
Tisch essen zu müssen, wird als
Schicksalsschlag empfunden.
Amerikaner sind eine hohe Servicekultur gewohnt und erwarten eine
freundliche und zuvorkommende Bedienung. Zudem sind sie es aus den
USA gewohnt, alles dann und so zu
erhalten, wie sie es wollen. Sonderwünsche sind deshalb sehr verbreitet.
Auf einer Reise ist es undenkbar, etwas anderes als chinesische Küche
zu essen.
Wenn er fertig gegessen hat, erwartet der amerikanische Gast, dass der
Teller abgeräumt wird. Auch wenn
die anderen Gäste am gleichen Tisch
noch weiteressen.
Oben: So hat eine asiatische
Familie den Frühstückstisch im
Hotel Monopol in Luzern kürzlich
zurückgelassen. Unten: Touristen
aus Indien (links) und dem
arabischen Raum.
Pünktlichkeit: Vieles geschieht in
letzter Minute. Man kommt zu spät.
Da wird Flexibilität erwartet.
Amerikaner sind religiöser als die
meisten Europäer. Über Religion
und politische Themen wird aber nur
im Freundeskreis oder in der Familie
gesprochen.
Archivbilder Neue LZ/PD
Was bei uns als Lüge gilt, wird in
China als Höflichkeit gewertet. Niemand darf verletzt werden, und niemand erwartet, brutal mit der Wahrheit konfrontiert zu werden.
Tut eine Person jemandem einen Gefallen, ist Gegenseitigkeit Pflicht.
Soziale Hierarchie und Respekt werden streng beachtet.
Chinesen essen ihre Mahlzeiten
schnell und verlassen den Tisch unmittelbar nach dem letzten Gang.
Russland
Indien
Swetlana Reutener ist Expertin für die
russische Kultur. Sie erklärt:
Indien-Experte Waseem Hussain erklärt die Kultur:
Russische Gäste erwarten einen
schnellen Service im Restaurant (sie
kommen zum Essen und nicht für
Konversationen).
Nur privilegierte, gut verdienende
Minderheiten können sich eine Reise
in die Schweiz leisten. Diesem Privileg
sind sich die Touristen bewusst und
möchten entsprechend bevorzugt
behandelt werden.
Sie erhalten gerne viele verschiedene Speisen und Vorspeisen gleichzeitig serviert, sodass jeder etwas von
allem nehmen kann.
Erhalten sie länger als zwei Tage keine indische Mahlzeit, sind sie unglücklich. Essen ist nicht nur Ernährung, sondern Voraussetzung für
das Gesund- und Glücklichsein.
Das Eingehen auf die individuellen
Bedürfnisse und Ausnahmen trägt
wesentlich zu ihrer Zufriedenheit bei.
Vor jedem Essen ist es in Russland
üblich, sich die Hände zu waschen.
Russen essen gerne in grosser Gesellschaft.
Dass alle Russen gerne Wodka trinken, ist ein Klischee. Wohlhabende
Russen kosten gerne exklusive Weine und Spirituosen.
Russen haben ein anderes Zeitverständnis. Verspätungen haben aber
nichts mit Respektlosigkeit zu tun.
Teilweise werden Speisen eingeflogen
und auf den Zimmern zubereitet.
Zu Hause essen viele Inder von Hand
(mit der rechten, da die linke als unrein gilt), weil dies den Genuss steigert. Auf Reisen passen sie sich meistens jedoch an.
Zumeist wird schweigend gegessen.
Nach dem letzten Bissen steht der Araber auf und verlässt den Tisch.
Inder lachen gerne und sind humorvoll, aber nicht auf Kosten anderer
Personen. Dies gilt als unethisch.
Araber haben eine gestenreiche Sprache und sind laut.
Ein Nein wird von Indern nicht gerne
gehört, da sie es als persönliche Zurückweisung oder Ablehnung empfinden – obwohl sie selbst gerne Gebrauch davon machen.
Golfstaaten
Das gesellschaftlich verbindende Element der Golfstaaten ist der Islam. Eine
klare Trennung zwischen Gesellschaft,
Politik und Religion ist nicht üblich.
Gebetszeiten, Reinigungsritual und
Essgewohnheiten sind wichtig im Leben der praktizierenden Muslime und
auch auf Reisen unverzichtbar.
Schweinefleisch und Alkohol sind bei
den meisten Arabern ein Tabu.
Es gilt, dem anderen Geschlecht nicht
direkt in die Augen zu sehen.