Abstracts ÖGGM - Österreichische Gesellschaft für Gerichtliche

Postmortale Intervallbestimmung am Skelettknochen mittels µCT, Mittlere
Infrarot Spektroskopie (MIR) und Energiedispersive Röntgenspektroskopie
(EDS)
S. Longato, Claudia Wöss, J. D. Pallua
Gerichtsmedizin Innsbruck
Postmortale Intervallbestimmung knöcherner Überreste ist ein wichtiges, jedoch
häufig nur unbefriedigend lösbares Problem. Von besonderem Interesse der
Staatsanwaltschaften und Gerichte sind skelettale Funde mit einer Liegezeit weniger
Jahrzehnte. Längere postmortale Intervalle (hundert Jahre und mehr) sind meist „nur
noch“ von archäologischem Interesse. Skelettale Veränderungen sind stark abhängig
von äußerlich einwirkenden Faktoren. Häufig basiert eine postmortale
Intervallbestimmung letztlich auf der Erfahrung des Gutachters. Technische Innovationen aus den Bereichen der Radiologie sowie
Infrarotspektroskopie eröffnen neue Möglichkeiten im Bereich der forensischen
Anthropologie bzw. Osteologie. Mit Hilfe von µCT, Mittlerer Infrarot Spektroskopie
(MIR) sowie Energiedispersive Röntgenspektroskopie (EDS) wurden archeologische
wie auch „rezente“ Knochen analysiert und die Liegezeit mittels multivarianter Datenanalyse
bewertet.
Case Report: „Der Tote vom Untersberg“ – ein ungewöhnlicher Fall forensischarchäologischer Personenidentifizierung mit (zeit)historischer Relevanz
J. Cemper-Kiesslich1, H. Brandtner1, Eva Müller1, Edith Tutsch-Bauer1, O. Anzböck2,
F. Kanz3 , F. Neuhuber1
1
Gerichtsmedizin Salzburg
2
Landespolizeidirektion Salzburg, Polizeiinspektion Anif,
Alpenstraße 111, A-5081 Anif
3
Department für Gerichtsmedizin Wien, Abteilung Forensische Anthropologie
Am 19. Oktober 2014 wurden von Höhlenforschen im sog. Horrer-Schacht im
Untersberg bei Salzburg in ca. 250 m Tiefe menschliche Knochen sowie die Reste
einer historisch wirkenden Schiausrüstung gefunden. Wir berichten chronologisch
vom Auffinden und Bergen, von der anthropologischen und molekularbiologischen
Befunderhebung sowie von den zunächst überraschenden Ergebnissen der DNAAnalyse und der letztendlichen Identifizierung der Überreste. Überdies versuchen wir
beispielhaft das Potential der Forensischen Archäologie in Österreich
herauszuarbeiten und schließen mit einer kritischen Evaluation des vorgestellten
Falls.
Forensisch-toxikologische Aspekte dreier Fälle suizidaler Vergiftungen mit
´Eisenhut´
W. Bicker
FTC Labor BgmbH, Gaudenzdorfer Gürtel 43-45, 1120 Wien
[email protected], 01/8120156-81
Akut letal verlaufende Intoxikationen mit heimischen Giftpflanzen sind ein
vergleichsweise seltenes Fallszenario. Hier werden drei voneinander unabhängige
Todesfälle vorgestellt, bei denen das in ´Eisenhut´-Arten, heimisch vor allem der
blaue Eisenhut (Aconitum napellus L.), vorkommende Alkaloid Aconitin in
Körperproben nachgewiesen wurde. Die Leichen (18 Jahre weiblich, 52 Jahre
männlich, 56 Jahre männlich) wurden jeweils zu Hause aufgefunden. In zwei Fällen
fanden sich unbekannte Flüssigkeiten, in einem Fall ´Eisenhut´-Setzlinge. Eine
morphologisch begründbare Todesursache wurde jeweils nicht festgestellt, die
chemisch-toxikologische Routineanalytik war unauffällig. Eine Massenspektrometriebasierte Übersichtsanalyse auf ausgewählte Pflanzentoxine verlief jeweils positiv auf
Aconitin. Anhand einer umfassenden Validierung mit verschiedenen Probentypen
wurde dokumentiert, dass die Probenaufarbeitung der Drogen/MedikamentenRoutine bei Lebendfällen unmittelbar für den Nachweis von Aconitin in
Leichenmaterial angewandt werden kann und dass die Wahl des internen Standards
entscheidenden Einfluss auf die exakte Quantifizierung hat. Aconitin-Konzentrationen
im Schenkelvenenblut reichten von 10,3 bis 17,9 ng/mL und lagen im Vergleich mit
Literatur-Fallberichten im typischen Bereich letaler Intoxikationen. Darüber hinaus
wurde Aconitin in Herzblut, Urin, Mageninhalt, Galle, Glaskörperflüssigkeit,
Herzbeutelflüssigkeit und Leber bestimmt, sowie in den vor Ort aufgefundenen
unbekannten Flüssigkeiten (Aconitin-Konzentrationen bei letzteren 15,2-19,7 mg/L).
Im Zusammenhalt des chemisch-toxikologischen Befundes mit den
Anknüpfungstatsachen konnte bei allen drei Fällen von letalen Intoxikationen durch
orale Aufnahme Aconitin-haltiger ´Eisenhut´-Pflanzenteile/Extrakte ausgegangen
werden. Die Ermittlungen ergaben jeweils keinen Hinweis auf ein Tötungsdelikt.
Plötzlicher Tod eines Säuglings mit einem nicht diagnostizierten, angeborenen
Herzfehler
Claudia Wöss
Gerichtsmedizin Innsbruck
Vorgestellt wird der unerwartete Tod eines weiblichen Säuglings 18 Tage nach der
ambulanten Geburt. Weder im Rahmen der Schwangerschaftsuntersuchungen, noch
postnatal wurden pathologische Veränderungen festgestellt. Bei der Obduktion
zeigte sich ein in einem guten Ernährungs- und Pflegezustand befindliches Kind mit
einem hypoplastischen Linksherzsyndrom (HLHS). Dieses schwere angeborene
Vitium macht ca. 1-2% aller angeborenen Herzfehler aus. Der linke Ventrikel ist nur
rudimentär angelegt. Aorten- und/oder Mitralklappe weisen eine Stenose/Atresie auf
und die Aorta ascendens ist hypoplastisch. Die Versorgung des Körpers erfolgt über
die Pulmonalarterie und den Ductus Botalli. Die Koronarien werden retrograd
perfundiert.
Die Kinder sind postnatal klinisch zunächst unauffällig. Kritisch wird die Situation erst,
wenn sich nach wenigen Tagen bis höchstens Wochen nach der Geburt der Ductus
Botalli verschließt, was zu einer Minderdurchblutung des Herzmuskels führt.
Korrigierende kausale Therapien existieren nicht. Anerkannte Behandlungsmöglichkeiten sind Herztransplantation, ein 3-stufiges operatives Behandlungskonzept (mit dem Ziel der Kreislauftrennung) oder auch eine medizinische
Sterbebegleitung.
Diskutiert werden die Gründe, warum dieser gravierende Herzfehler übersehen
werden kann und Untersuchungen erörtert, die bei der Diagnose dieses Syndroms
hilfreich sind.
Ungewöhnlicher Energieverlust bei einem aufgesetzten Revolverschuss im
Kaliber .38 Special
Denise Lackner, J. Keusch, D. Faninger, W. Rabl
Gerichtsmedizin Innsbruck
Ein 47 Jahre alter Mann wurde tot im Wohnzimmer mit einer Einschussverletzung an
der linken Brustkorbvorderseite aufgefunden. Im Nahebereich wurde ein Revolver
der Marke Smith&Wesson im Kaliber .38 Special sichergestellt.
Bei der Obduktion wurde ein aufgesetzter Brustkorbsteckschuss festgestellt, wobei
das Projektil durch den 4. Interkostalraum in die linke Brustkorbhälfte eingedrungen
und dort Herzbeutel und linke Herzkammer durchsetzt hatte. Als Todesursache
wurde der Blutverlust in die Brusthöhle festgestellt. Das praktisch unverformte
Vollblei-Projektil wurde lose in den Blutkoageln in der linken Brustkorbhälfte
vorgefunden. Die Erklärung für die auffallend geringe Projektilenergie lieferte eine
waffentechnische Überprüfung des verwendeten Revolvers. Aufgrund einer
nachträglichen Manipulation war der Trommelspalt zwischen Trommel und Lauf
ungewöhnlich verbreitert, was über den erhöhten Gasaustritt die niedrige
Restenergie des Projektils erklärt.
Auswirkungen der Gebührenanspruchsgesetz-Novelle 2015 auf die
Anwendung bildgebender Verfahren in der Gerichtsmedizin
H. Brandtner, Edith Tutsch-Bauer
Gerichtsmedizin Salzburg
Die Arbeitsgruppe für forensische Bildgebung der Deutschen Gesellschaft für
Rechtmedizin (DGRM) arbeitet derzeit unter Beteiligung österreichischer
Gerichtsmediziner intensiv an der Integration bildgebender Verfahren in die tägliche
Routine. Unter anderem sollen Empfehlungen in Bezug auf die Indikationsstellung
von bildgebenden Verfahren etabliert werden.
Parallel dazu liegt dem österreichischen Nationalrat die GebührenanspruchsgesetzNovelle 2015 (GebAG-Novelle 2015) vor, womit € 43 GebAG (Tarif Ärzte)
Änderungen in wesentlichen Bereichen erfahren wird. Unter anderem wird auch die
tarifliche Verrechnung von bildgebenden Verfahren grundlegend novelliert werden.
Da nun auch radiologische Schnittbildverfahren vom entsprechenden Tarif umfasst
werden sollen, ist eine schlechtere Abgeltung dieser Leistung zu befürchten.
Neben der aktuellen Rechtslage und den Änderungen durch die GebAG-Novelle
2015 sollen die Auswirkungen auf eine mögliche Integration bildgebender Verfahren
in die gerichtsmedizinische Routine in Österreich kritisch beleuchtet werden.