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B AT T ER I E T EC H N I K
Lithium-Ionen: Speicher
in neuen Variationen
– Seit einigen Monaten sind in einem Frische-Distributionszentrum
der belgischen Lebensmittelkette Delhaize 20 fahrerlose Systeme mit
Lithium-Titanat-Akkus unterwegs.
KLAUS KOCH
N
eue Techniken im Bereich
der Batterie- und Akkuspeicher führen derzeit zu
einem Wettlauf um die innovativsten Materialien in dieser Sparte.
Vor allem zu Fragen der Feuerfestigkeit wurden inzwischen Alternativen zu den bisher bekannten Lithium-Ionen-Speichern entwickelt,
bei denen zudem der Kobaltanteil
aufgrund der damit verbundenen
Giftstoffbelastung bislang auch zu
Kritikpunkten in der Entsorgung
geführt hatte.
Während dies, wie auch die Kostenfrage, gute Argumente dafür
wären, noch ein wenig an der guten, alten Blei-Säure-Batterie und
dort verbesserten Lademethoden
festzuhalten, bieten die Möglichkeit zur Zwischenladung wie auch
eine mit einer einzigen Batterie erreichbare Drei-Schicht-Fähigkeit
der neuen Technologie doch erhebliche Vorteile. Neben der EisenPhosphat-Batterie von BYD, über
Die von Trineuron ausgerüsteten ElektroDeichselhubwagen im belgischen Distributionszentrum
von Delhaize.
die wir in der März-Ausgabe berichtet haben, kommen jetzt auch
Lithium-Titanat-Oxid-Speicher
(LTO) ins Spiel. Alle Varianten unterscheiden sich weniger durch die
Grundtechnik, als vielmehr durch
die verwendeten Elektroden in ihren Eigenschaften.
Beim LTO-Akku wird die herkömmliche Graphitanode durch
eine gesinterte Ausführung aus Lithiumtitanspinell (Li4Ti5O12) ersetzt. Die dort stärkere chemische
Bindung des Lithiums im Titanat
verhindert dem Hersteller Trineuron zufolge die Bildung einer
Schicht auf der Kontaktoberfläche, die als einer der Hauptgründe
für die Alterung herkömmlicher
Lithium-Ionen-Akkus genannt
wird. Dadurch wird die Zahl der
möglichen Ladezyklen erhöht.
Dadurch, dass das Titanat nicht
mehr mit Oxiden aus der Kathode reagieren kann, werde sogar bei
mechanischen Schäden das ther-
mische Durchgehen des Akkumulators verhindert. Sehr zupass
kommt auch die Tatsache, dass der
Titanatspeicher nicht mehr auf
höhere Temperaturen angewiesen
ist, um überhaupt effizient arbeiten zu können, sondern angeblich bis zu minus 40 Grad unter
Null eingesetzt werden kann. Die
Lithium-Titanat-Anode hat eine
effektiv wirksame Oberfläche von
100 Quadratmeter pro Gramm
im Vergleich zu den eher mageren
3 Quadratmetern einer Graphitelektrode. Toshiba warb bis vor
kurzem mit einer solchen SuperCharge-Ion-Battery (SciB) für
Elektroräder.
FORMEL 1 IM LAGER
Trineuron, eine Tochter des Batterietechnik-Anbieters Emrol, trat
bereits mit Superspeichern für die
«Elektro-Formel 1» in Belgien in
Erscheinung. Jetzt scheint es Zeit
zu sein, die Indoor-Varianten einzuführen.
Schon seit einigen Monaten
kurven 20 mit Navigationsscannern ausgestattete Elektro-Deichselhubwagen der ERE-Serie von
Jungheinrich bei Delhaize in dem
belgischen Örtchen Zellik robotgesteuert zwischen den Regalreihen
herum. 34 sollen es einmal werden.
Die Fahrzeuge wurden von dem im
französischen Moissy-Cramayel
beheimateten Automatisationsanbieter Balyo für manuellen wie
auch voll robotisierten Einsatz
ausgestattet. «Die Lithium-TitanatAkkus schienen uns die beste LöLOGISTIK UND FÖRDERTECHNIK 04/2015
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Projektmanager Roel Gevares und Supply-Chain-Chef Jurgen Limbourg sind
von der hohen Lebensdauer überzeugt.
sung für den intensiven Einsatz zu
sein», sagt Jurgen Limbourg, Supply-Chain-Chef bei Delhaize.«Mehr
als 700 Verkaufsstellen in Belgien
und Luxemburg werden von hier
aus mit Ware versorgt», betont
Projektmanager Roel Gevaers. «Wir
arbeiten hier 24 Stunden rund um
die Uhr an 302 Tagen im Jahr.» Die
permanente Verfügbarkeit war der
wichtigste Aspekt für Delhaize. Gevaers: «Die FTS mussten den Dauerbetrieb aushalten, um die Sache
rentabel zu machen.»
Delhaize führte eine eingehende
Kosten-Nutzen-Analyse durch, bei
der verschiedene Batterietechnologien mit hoher Genauigkeit unter
die Lupe genommen wurden. Trotz
höherer Kosten erwiesen sich die in
der Renntechnik erprobten LTOAkkus als die beste Lösung. Kurze Ladezeiten und eine erkennbar
hohe Lebensdauer brachten die
Entscheidung. Wobei auch ein Blick
auf 15 AGV (Automated Guided Ve-
hicles) bei dem Logistikdienstleister 2XL behilflich war, der seit 2011
nicht die geringsten Probleme mit
den Geräten zu verzeichnen hatte.
Die LTO-Batterie könnte 6 Stunden ohne Unterbruch laufen – aber
in der Realität, sagen die Lagerverantwortlichen, werde dies natürlich
nicht verlangt. In Zwischenpausen
lassen sich die Speicher mithilfe von
Schnellladegeräten binnen weniger
Minuten wieder voll aufladen, ohne
dass die Akkus darunter leiden.
Limbourg gibt die Dauer für eine
Vollaufladung mit 16 Minuten an.
Sogar noch kürzere 8 Minuten für
die volle Ladung seien bei sorgfältiger Handhabung kein Problem.
Die LTO-Akkus werden als
praktisch wartungsfrei angeboten.
Sie gasen nicht und brauchen auch
keinen separaten Laderaum. Die
temperaturbeständige Leistung ist
im Frischebereich von Delhaize, wo
permanent etwa zwei Grad Celsius
über Null herrschen, eine willkommene Dreingabe. 25 000 Ladezyklen sollen ohne Einbusse bei der
Lebensdauer möglich sein.
Für die im Endausbau 34 AGV
werden voraussichtlich vier Ladestationen ausreichend sein. Leitschienen sorgen für das sichere
Andocken der Fahrzeuge im Automatik-Modus. Mit den Zinken
voraus fahren die Geräte in die
Ladestation ein, um dort von Schockabsorbern heruntergebremst und
schliesslich exakt vor den Anschlüssen angehalten zu werden. Über
eine ausfahrbare Kontaktplatte wird
der Stromschluss hergestellt, der
Ladevorgang selbst erst in Gang gesetzt, wenn ein entsprechender Datenaustausch mit dem Laderechner
vorausgegangen ist. Seit Herbst sind
die 20 AGV in Zellik in Betrieb.
KONTAKT
Trineuron
Industrieweg 15
B-2390 Malle
Tel. +32 3 466 08 86
Fax +32 3 466 08 96
[email protected]
www.trineuron.com
In der Dockingstation können die Akkus innerhalb von acht Minuten aufgeladen werden – ohne sie
dabei zu zerstören.
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