- Deutsche Mittelstands Nachrichten

Ausgabe |20
29. Mai 2015
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Mittelstand
Mittelstand fehlt professionelle Kommunikationsstrategie
Im deutschen Mittelstand ist Kommunikation meist noch immer reine Chefsache
D
zu. Doch 40 Prozent der Unterer deutsche Mittelstand
gilt gemeinhin als Rückgrat
nehmen unterhalten weder eine
der deutschen Wirtschaft. Doch
eigene Kommunikationsabteidie Bekanntheit vieler wichtiger
lung noch ein KommunikationsBetriebe lässt zu wünschen übbudget. Noch immer setzt mehr
rig. Der Mehrheit der Deutschen
als die Hälfte der Mittelständler
nehmen mittelständische Unauf den Geschäftsführer, wenn
ternehmen kaum war. Ein Grund
es um die Zuständigkeit der
dafür ist deren UnternehmensKommunikation geht.
kommunikation. Die größte bisEine entsprechende ProfesDie häufigsten Gründe, warum keine eigene Kommunikationsstrategie
her erhobene Umfrage zum The- existiert.
sionalität in der UnternehmensGrafik: Fink & Fuchs
ma Mittelstandskommunikation
kommunikation fehlt dementhat zeigt: Die Unternehmen wissprechend, so das Ergebnis der
sen, dass Kommunikation wichtig ist, doch unternehmen wurden für die Umfrage Umfrage. Nur vier von zehn Unternehsie vernachlässigen diese oft. Und das kann „Mittelstandskommunikation 2015“ der men haben ein festes Team, das sich nur
sich auf dem ausländischen Markt und bei Universität Leipzig in Zusammenarbeit mit diesem Unternehmensbereich beder Suche nach Fachpersonal rächen.
mit dem PR-Beratungsunternehmen Fink schäftigt. Die Zahl der Mittelständler, die
Kommunikationsverantwortliche & Fuchs befragt. 77 Prozent der befragten externe Dienstleister für diese Aufgabe
von 310 mittelständischen Unternehmen Unternehmen schreiben demnach der zu Rate ziehen, ist mit 25,2 Prozent sehr
und eine Vergleichsgruppe aus 262 Groß- Kommunikation eine hohe Bedeutung gering. Dementsprechend fehlt es bei
Analyse
Deutscher Wirtschaft fehlen neue Gründer
2014 haben bei den Industrie- und
Handelskammern so wenig angehende
Unternehmer an Beratungsgesprächen
teilgenommen wie noch nie zuvor. Der
Deutsche Industrie- und Handelskammertag sieht einen zukünftigen Mangel
an Unternehmern. Der demographische
Wandel und die umfangreiche Bürokratie
seien die größten Hürden
Seit vier Jahren nimmt das Gründungsinteresse in Deutschland ab. Immer
weniger potentielle Gründer nehmen an
entsprechenden Gesprächen der Industrie- und Handelskammern (IHK) teil. Die
IHK-Gründungsgespräche sanken 2014
um drei Prozent auf 227.703, so wenig wie
noch nie, wie der aktuelle Gründerreport
des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zeigt.
Einen wichtigen Schritt zu mehr
Unternehmensgründungen sieht der
Gründungsreport dann auch im Abbau
der Bürokratie. Eine vierteljährliche Um-
satzsteuervoranmeldung für Existenzgründer, eine Erhöhung der steuerlichen
Kleinunternehmergrenze und eine Vereinfachung der Regelungen zur Künstlersozialkasse sind nur ein paar der Vorschläge des DIHK.
Tatsächlich bieten sich zukünftigen
Gründern dem Report zufolge nämlich
einige Chancen, vor allem im Bereich der
Industrie 4.0. So begünstigen der technologische Fortschritt und die OutsourcingTendenzen der Industrieunternehmen
eigentlich das Entstehen von wissensintensiven Start-ups. Und auch der demographische Wandel kann sich positiv auf
zukünftige Unternehmer auswirken.
Die IHK sehen vor allem im Bereich von
Dienstleistungen im Pflege-, Wellnessund Medizinbereich Chancen bei der
Konzentration auf eine alternde Bevölkerung.
Positiv bewertete der Report die Entwicklung der Zahlen der Frauen sowie der
Gründer mit Migrationshintergrund. So
lag der Anteil der Frauen bei den durchgeführten Gründungsgesprächen bei mittlerweile 44 Prozent. Allerdings zielten die
Gespräche meist auf Selbstständigkeit im
Nebenerwerb. Hier spielt die noch nicht
ganz mögliche Vereinbarkeit von Familie
und Beruf eine bedeutende Rolle.
Darüber hinaus verfüge mittlerweile
jeder fünfte Gründer über einen Migrationshintergrund. „Des Weiteren stellen
Menschen aus dem Ausland, die hier ein
Unternehmen betreiben, einen wichtigen Innovationsmotor dar“, so der Gründungsreport. „ Sie bringen Kenntnisse aus
anderen Ländern mit und helfen, Märkte
leichter zu erschließen.“ Diese Entwicklung hin zu mehr Gründern mit Migrationshintergrund sollte dem DIHK zufolge
gefördert werden. Denn noch würden zu
wenige dieser Gründer professionellen
Rat außerhalb der Familie und des Bekanntenkreises suchen.
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vielen Mittelständlern an einer ausgeklügelten, stringenten Kommunikationsstrategie. Gerade die ist aber wichtig, um die
zukünftigen Kommunikationsprozesse
zu vereinfachen und gleichzeitig regelmäßig die Pflege des Unternehmensimages in der Öffentlichkeit durchzuführen.
Gründe für die fehlende Kommunikationsstrategie und das entsprechende Personal sind Personalmangel, ein zu geringes Budget und zu wenig Zeit.
Auffällig ist auch, dass die Unternehmenskommunikation den meisten Mittelständlern dazu dient, die Bekanntheit
zu erhöhen und Beziehungen bzw. die Reputation der Marke zu pflegen. Die Kommunikationsarbeit jedoch auch für die
Rekrutierung von Fachpersonal einzusetzen, ist für jeden zweiten Mittelständler
hingegen noch Nebensache. Und gerade
hier warten ebenso große Herausforderungen für die Unternehmen wie beispielsweise hinsichtlich der wachsenden
Konkurrenz aus dem Ausland. Kunden
und Vertriebspartner sind die mit Abstand wichtigsten Zielgruppen der Unternehmenskommunikation.
„Nur 26,1 Prozent der Mittelständler
haben eine eindeutige Strategie für Employer Branding und Arbeitgeberkommunikation“, heißt es in dem Bericht.
Rund ein Viertel der befragten Unternehmen habe nach eigener Auskunft kein klares Profil als Arbeitgeber. Vielmehr nutzt
die Mehrheit der mittelständischen Unternehmen persönliche Kontakte (91,7 %),
Online-Angebote auf der eigenen Website
(88,6 %) und Jobportale (81,7 %), um neue
Fachkräfte zu gewinnen. Zwei Drittel setzen immerhin auch auf Printanzeigen.
Weiterer Nachholbedarf in der Unternehmenskommunikation der Mittelständler zeigt sich bei der internationalen
Kommunikation. „Vier von zehn international tätigen Mittelständlern betreiben
außerhalb von Deutschland keine aktive
Kommunikationsarbeit, obwohl diese als
große Herausforderung betrachtet wird.“
Die Umfrage zeigt, dass hier vor allem die
„Berücksichtigung lokaler Mentalitäten
und Kulturen bei der Kommunikation“
(70,6 %), die oft schwer erfassbare Medienlandschaft (66 %) und öffentliche
Meinungsbildung (63,3 %) Schwierigkei-
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ten bereiten.
Kritisch zeigt sich die Umfrage mit
Blick auf die zunehmende Digitalisierung. Die wird nur von einem Drittel
der Unternehmen als Herausforderung
wahrgenommen. Das erkläre, warum der
Social-Media-Kommunikation eine geringere Relevanz zugesprochen wird. Der
Mittelstand könnte hier den vielfach konstatierten „blinden Fleck aufweisen“.
Der Aufwand für eine Professionalisierung der Unternehmenskommunikation lohnt sich jedoch. Neben betriebswirtschaftlichen Erfolgen führe eine
übergeordnete Strategie in der Kommunikation „insgesamt zu mehr Zufriedenheit“, heißt es in dem abschließenden
Bericht. Die starke Produkt- und Vertriebsorientierung der Mittelstandskommunikation lasse große Potentiale brachliegen.
„Die große Chance des Mittelstands ist:
mit seinen authentischen, verantwortlich handelnden Akteuren und Unternehmerpersönlichkeiten glaubwürdige
Inhalte zu vermitteln, die nachhaltig auf
Reputation und Unternehmensidentität
einzahlen.“
Unternehmen
Neues Gesetz: Schlichter helfen Kunden und Unternehmen
Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf zur bundesweiten Einrichtung von Schlichtungsstellen beschlossen
D
ie Bundesregierung hat am Mittwoch
das so genannte Verbraucherstreitbeteiligungsgesetz beschlossen. Schlichter
sollen zukünftig Streitigkeiten zwischen
Kunden und Unternehmen beilegen. Damit soll die EU-Richtlinie über Alternative
Streitbeilegung umgesetzt werden. „Durch
den Ausbau der außergerichtlichen Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten
werden sowohl für Verbraucher als auch
für Unternehmer neue niedrigschwellige
Möglichkeiten der Konfliktbeilegung geschaffen“, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nach dem Beschluss.
So können Verbraucher bei Streitigkeiten etwa über Mängel von Produkten
oder Dienstleistungen in einem einfachen, unbürokratischen und für sie regelmäßig kostenfreien Verfahren versuchen,
eine Schlichtung zu erreichen. Der Entwurf sehe zudem die Einrichtung von ergänzenden Universalschlichtungsstellen
durch die Länder vor, um für Verbraucherinnen und Verbraucher einen flächende-
ckenden Zugang zu Streitbeilegungsstellen zu gewährleisten.
Das neue Gesetz soll Konsumenten mehr Zuversicht und Sicherheit beim Kauf geben.
Foto: Flickr/r2hox/CC BY SA 2.0
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Neben staatlichen Angeboten rechnet die Bundesregierung aber auch mit
Initiativen der Privatwirtschaft. Diese
könnten sich dann von den zuständigen Behörden anerkennen lassen. „Wir
sind zuversichtlich, dass es viele private
Schlichtungsstellen geben wird, die von
der Wirtschaft initiiert, begleitet und
getragen werden“, so Maas. Schließlich
könnten die Unternehmen so ein „besonders kundenfreundliches Interesse“
an Konfliktlösungen signalisieren.
Die Teilnahme an der neuen Stra-
tegie der Streitbeilegung ist für die Unternehmen freiwillig. Dennoch müssen
sie zukünftig auf ihrer Website oder in
ihren AGB darüber Auskunft geben, ob
sie im Fall des Falles an einem Streitbeteiligungsverfahren vor einer Verbraucherstreitschlichtungsstelle teilnehmen
oder nicht.
„Der Wirtschaft entsteht zusätzlicher Erfüllungsaufwand durch die Einrichtung und den Betrieb von privaten
Verbraucherschlichtungsstellen, durch
die Teilnahme an Streitbeilegungsver-
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fahren vor privaten und behördlichen
Verbraucherschlichtungsstellen sowie
durch die vorgesehenen Pflichten zur
Information des Verbrauchers“, so der
Gesetzesentwurf. Damit kämen auf die
Wirtschaft einmalige Umstellungskosten von 3,68 Millionen Euro und jährliche Kosten in Höhe von 24,988 Millionen
Euro zu. „Dem stehen Entlastungen in
vergleichbarer Höhe durch die Vermeidung von Kosten und Aufwand für andere Möglichkeiten der Rechtsverfolgung
gegenüber.“
Innovation
Norwegen startet weltweit erste elektrische Fähre
150 kWh verbraucht die Norled-Fähre, so viel wie ein Standardhaushalt in drei Tagen
Dank ihrer drei Batteriepakete, eines an Bord und eines in jedem Hafen, fährt die Elektro-Fähre vollständig emissionsfrei.
Foto: www.siemens.com/presse
Z
usammen mit dem Schiffbauer Fjellstrand hat Siemens die weltweit erste
elektrische Fähre entwickelt: die NorledFähre. Sie ist die erste von weiteren Elektro-Fähren, die auf insgesamt 50 verschiedenen Strecken entlang Norwegens Küste
eingesetzt werden sollen. Auf dem Sognefjord transportiert die Fähre nun bis zu 360
Passagiere und 120 Autos zwischen Lavik
und Oppedal.
Basis der Fähre sind zwei Motoren,
die mit Lithium-Ionen-Batterien betrieben werden. Geladen werden die Batteri-
en in knapp zehn Minuten mittels Strom
aus den umliegenden Wasserkraftwerken.
„Das macht den Strom günstiger als Diesel,
zudem stößt das Schiff auch indirekt kein
Gramm Kohlendioxid aus“, sagt Odd Moen
von Siemens.
Insgesamt drei Batteriepakete gehören zur Fähre. Ein Batteriepaket befindet
sich an Bord und jeweils eines in beiden
Häfen. „Jedes Batteriepaket entspricht der
Leistung von 1600 Standardautobatterien“, so Siemens. Neben den Batteriepaketen umfasst das von Siemens gelieferte
elektrische Antriebssystem Blue Drive
Plus C ein Steuersystem, ein Energiemanagementsystem, ein integriertes Warnsystem und Strahlruder- sowie Propellersteuerungen.
Der Verbrauch der Fähre soll bei rund
zwei Millionen Kilowattstunden (kWh) im
Jahr liegen. Herkömmliche Dieselfähren
verbrauchen mindestens eine Million Liter Diesel. „Wir sind optimistisch und begeistert über diese Technologie und wie sie
die Zukunft der umweltfreundlichen maritimen Technik und des Schiffbaus mitgestaltet“, sagt Mario Azar von Siemens. Mit
150 kWh pro gefahrener Route bietet das
Batteriesystem der Fähre eine Ersparnis
von 60 Prozent der Treibstoffkosten. Jeder
der zwei Motoren verfügt über eine Leistung von 450 KWh. Die Fähre ist 80 Meter
lang und 20 Meter breit. Für den Schiffsrumpf wurde statt Stahl leichtes Aluminium verwendet. Das reduzierte das Gewicht
der Fähre um die Hälfte.
Die Fähre geht auf einen Wettbewerb
vom norwegischen Verkehrsministerium
der norwegischen Straßenverwaltungsbehörde im Jahr 2010 zurück. Die Region
rund um den Fjord verfügt über ein schwaches Stromnetz. „Wenn wir nun kurzzeitig
so viel Energie vom Mittelspannungsnetz
in die Fähre pumpen, gehen in allen Häusern die Waschmaschinen aus – das wollten wir den Menschen natürlich nicht zumuten“, sagt Moen.
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Innovation
Erste Solar-Betonwand eingeweiht
Etwa 500 Kilowattstunden kann die Wand jedes Jahr an Energie zur Verfügung stellen
S
olarzellen auf den Dächern haben
sich auch in Deutschland in den vergangenen Jahren vermehrt. Doch die
Zellen sind nicht die einzige Möglichkeit, wenn es um die Nutzung von Sonnenenergie geht. Das zeigt der Hauptsitz
des Unternehmens RECKLI in Herne.
Hier ist Europas erste Solar-Betonwand
zu sehen.
RECKLI ist Hersteller von Betonmatrizen und hat für dieses Projekt mit
dem Dresdner Unternehmen Heliatek
zusammengearbeitet. Heliathek ist auf
organische Photovoltaik spezialisiert.
Die Betonwand sei ein neuer Ansatz für
gebäudintegrierte organische Photovoltaik (BIOPV), so RECKLI.
In der Betonfassade zeigen sich drei
Reihen Betonelemente mit vertikal integrierten Solarfilmen mit einer Gesamtfläche von 16,80 x 3,50 Metern. Farbgestaltung und Layout der Folien sind
in unterschiedlichen Ausführungen zu
haben.
„In Richtung Süd-Westen ausgerichtet liefert die Wand bei einer installierten Leistung von 1 kWp im Jahr ca. 500
kWh Energie, welche von RECKLI direkt
Auch im Schatten könne die Fassade Energie aufnehmen.
intern genutzt wird“, heißt es in einer
Mitteilung der beiden Unternehmen.
Der Energieertrag soll die SiliziumTechnologie schätzungsweise um ein
Viertel übersteigen können. Das liege in den einzigartigen Eigenschaften
des organischen Halbleitermaterials
begründet.
„Wir sind sehr zufrieden mit dem
Fortschritt unseres gemeinsamen Ent-
Foto: HeliaFilm® – ©Reckli
wicklungsprojektes, in welchem die
Vorteile unseres dünnen und leichten
Produkts sowie des flexiblen Layouts
perfekt zum Tragen kommen“, so Thomas Bickl von Heliatek. „Weltweit werden
jährlich ca. 130 Mio. m² an Betonfassade
verbaut – das ist unser Zielmarkt!“
Für das zweite Halbjahr 2017 ist die
umfassende Markteinführung des SolarBetons geplant.
Industrie
Konkurrenz aus China und Russland belastet Stahlindustrie
Die EU erwägt, den eigenen Markt vor den ausländischen Wettbewerbern zu schützen
I
m April dieses Jahres ist die weltweite
Rohstahlproduktion gegenüber dem
Vorjahresmonat um 0,7 Prozent auf 135
Millionen Tonnen gesunken. Während die
Produktion in China nur leicht um ebenfalls 0,7 Prozent nachgab, wurde in Europa die Stahlproduktion deutlich stärker
zurückgefahren, berichtet die Worldsteel
Association. Deren Statistik umfasst insgesamt 65 Länder.
Deutschland beispielsweise produzierte nur 3,6 Millionen Tonnen im April. Das entspricht einem Rückgang von
1,9 Prozent. Mit einer jährlichen Produktion von etwa 43 Millionen Tonnen ist
Deutschland der größte Stahlhersteller
der EU-28. Die Umsatzerlöse lagen 2014
bei 40,1 Milliarden Euro, 2013 waren es
noch 41,8 Milliarden Euro.
In Italien verringerte sich die Produktion um 8,5 Prozent und in Frankreich
um 9 Prozent. Im Gegensatz dazu stieg
die Stahlproduktion etwa in der Türkei,
Russland, Indien, Brasilien und Spanien.
Damit einher ging auch die durchschnittliche Kapazitätsauslastung in den Unternehmen auf 72,5 Prozent deutlich zurück:
um 3,2 Prozent gegenüber März 2014.
In der EU werden insgesamt monatlich rund 14,4 Millionen Tonnen Stahl (170
Millionen Tonnen jährlich) produziert.
Die EU ist hinter China der derzeit zweit-
größte Stahlproduzent der Welt. Und so
macht der europäischen Stahlindustrie
vor allem die Konkurrenz aus China und
Russland zu schaffen. Die schwache Binnennachfrage und die Überkapazitäten in
China haben die Exporte im vergangenen
Jahr um 50 Prozent auf einen Rekordwert
von 98,8 Millionen Tonnen gesteigert,
so die Financial Times. Zudem hat der
schwache Rubel die russischen Stahlhersteller wettbewerbsfähiger gemacht.
Entsprechend versucht auch die Europäische Kommission, mit speziellen
Maßnahmen die eigenen Unternehmen
und Märkte zu schützen. Mitte Mai etwa
hatte die EU-Kommission angekündigt,
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Die Rohstahlerzeugung in der EU hat im Vergleich zum Vorjahr deutlich abgenommen. Grafik: WV Stahl
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über vorübergehende Maßnahmen zur
Bekämpfung von Anti-Dumping-Preisen
zu beraten. Diesmal geht es vor allem um
Stahlprodukte aus Russland und China.
Im März kam es schon einmal zu Strafzöllen für Edelstahl aus China und Taiwan.
Neben der Konkurrenz aus China
und Russland könnten die CO-2-Emission die europäischen Stahlunternehmen
weiter unter Druck setzen. Derzeit wird
über eine EU-weite Verteuerung der CO2-Emissionen beraten. Das würde zum
Beispiel für die deutschen Stahlunternehmen eine zusätzliche Belastung von
mehr als einer Milliarde Euro bis zum
Ende des nächsten Jahrzehnts bedeuten,
so Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der
Wirtschaftsvereinigung Stahl.
Wirtschaft
Europäischer Chemiemarkt verliert erheblich an Bedeutung
Zu hohe Produktionskosten und zu viel Regulierung gefährden die europäische Chemieindustrie
D
as Wachstum des weltweiten Chemiemarktes wird sich in den kommenden Jahren deutlich verlangsamen.
Derzeit liegt das weltweite Wachstum
bei durchschnittlich 4,1 Prozent jährlich.
Die Beratungsgesellschaft Roland Berger
geht aber von einer leichten Abkühlung
auf nur noch 3,6 Prozent zwischen 2030
und 2035 aus. Insgesamt werde der Umsatz von heute 2,6 Billionen Euro nur
noch auf 5,3 Billionen Euro anwachsen.
Dieser Trend wird vor allem den europäischen Chemiemarkt treffen, wie die
Roland-Berger-Studie „Chemicals 2035
– Gearing up for growth: How Europe’s
chemical industry can gain traction in a
digitized world“ zeigt. Während Europa
im Jahr 2000 noch ein Drittel des Marktes für sich beanspruchen konnte, sind
es heute nur mehr 19 Prozent. Bis 2035
soll der Marktanteil sogar auf 13 Prozent
absinken. Das Wachstum des europäischen Chemiemarktes wird sich bis 2035
auf jährliche 1,5 Prozent abkühlen, so die
Studie.
„Obwohl europäische Chemieunternehmen eine hohe Produktivität vorweisen und sehr innovativ sind, konsolidiert
sich der Markt seit Jahren, vor allem in
Europa“, sagt Martin Erharter von Roland
Berger. Wichtige Themen wie die zuneh-
mende Digitalisierung der Industrie und
neue Kundenanforderungen setzen Chemiekonzerne immer stärker unter Druck.
Ein Grund ist die zunehmende Präsenz Asiens. China und Indien bauen
ihre Industrie aus. Das macht sie unabhängiger vom Import europäischer Chemieerzeugnisse und schafft gleichzeitig
Konkurrenz für die Industrie aus Europa.
Die Studie legt nahe, dass Asien im Gegensatz zu Europa bis 2035 62 Prozent
des weltweiten Chemiemarktes besetzen
wird.
Aber auch im Nahen Osten wird die
Bedeutung der Chemieindustrie immer
größer. Hier herrscht neben niedrigeren
Arbeitskosten auch ein Vorteil bei der
Rohstoffbeschaffung. Die Nähe zu den
notwendigen Rohstoffen und die gesunkenen Rohstoffpreise begünstigen diese
Entwicklung erheblich. Die Produktionskosten für eine Tonne Äthylen liegen in
dieser Region derzeit bei etwa 250 Dollar.
In Europa sind die Produktionskosten fast doppelt so hoch. Zumal neben
den Arbeitskosten und den hohen Energiepreisen auch die zunehmende Regulierung auf EU-Ebene den Kostenaufwand
für die Betriebe nach oben schraubt. Von
2008 bis heute stieg die Zahl der EU-Regulierungen für die Chemieindustrie um
56 Prozent.
Die höheren Anforderungen der
Kunden und die zunehmende Digitalisierung sind zusätzliche Herausforderungen für die Industrie. „Chemieunternehmen sollten auch von den erheblichen
Vorteilen von Industrie 4.0 profitieren“,
so die Studie. Sie erlaubt eine erheblich
effizientere und auf den Kunden abgestimmte Produktion. Nur Unternehmen,
die die entstehenden Möglichkeiten voll
ausnutzen, werden langfristig erfolgreich
sein.
Der europäische Trend spiegelt sich
auch in der deutschen Chemiebranche.
Deutschland ist derzeit noch die weltweit
viertgrößte Chemieindustrie. Eine Studie
von Oxford Economics zeigt, dass der
Chemiestandort Deutschland seit 2008
jedoch an Wettbewerbsfähigkeit verloren
hat. Für 2015 erwartet der Verband der
Chemischen Industrie einen Anstieg der
Produktion um 1,5 Prozent. „Die Preise
für chemische Erzeugnisse werden dabei
um 2 Prozent sinken, sodass der Branchenumsatz um 0,5 Prozent auf 189,9
Milliarden Euro zurückgeht“, so der Verband. Während im ersten Quartal 2015
die Chemieproduktion im Vergleich zum
Vorquartal um 1,9 Prozent gestiegen war,
schrumpfte sie im Vergleich zum Vorjah-
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resquartal allerdings um 0,2 Prozent. Mit
46 Milliarden Euro lagen die Erlöse der
Branche 1,3 Prozent unter dem Niveau
des Vorquartals.
Die Verkäufe an inländische Kunden
fielen saisonbereinigt gegenüber dem
Vorquartal um 2,3 Prozent auf 17,3 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr fiel
der Rückgang mit 4,5 Prozent noch stärker aus. Immerhin konnten das Auslandsgeschäft mit um 0,2 Prozent gestiegenen
Verkäufen und die Abwertung des Euro
die Branche auf Wachstumskurs halten.
Die zunehmende Bedeutung der
Chemieindustrie in Regionen wie Asien
ist vor allem für die deutsche Industrie
gefährlich. Schließlich erwirtschaftet die
Branche 60 Prozent ihres Umsatzes mit
Kunden im Ausland. Die Konkurrenz aus
anderen Ländern setzt die Branche unter Druck. Kunden in den aufstrebenden
Regionen orientieren sich an nationalen
Produkten und Wettbewerber besetzen
immer mehr Marktanteile.
Bis 2035 wird Asien 62 Prozent des weltweiten Chemiemarktes besetzen.
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„Der Chemiestandort Deutschland
wird auch in den kommenden Jahren
Weltmarkt- und Welthandelsanteile verlieren“, so Oxford Economics: Bei den
Energiekosten hat Deutschland vor allem gegenüber dem Nahen Osten und
den USA einen Wettbewerbsnachteil.
Aber auch innerhalb Europas zählen die
deutschen Industriestrompreise zu den
höchsten. „In jüngster Zeit wurden politische Prioritäten gesetzt, die die Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflussen.“
Foto: Flickr/U.S. Army RDECOM/CC BY 2.0
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Chefredakteurin:
Jennifer Bendele. Redaktion: Thomas Gollmann, Anika Schwalbe, Gloria Veeser. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright: Blogform
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