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Basel, 6. Mai 2015/AF
Stellungnahme zur Änderung des Ausländergesetzes: Umsetzung von Art.
121a BV und Anpassung der Gesetzesvorlage zur Änderung des Ausländergesetzes (Kreisschreiben Nr. 5 / 2015)
Sehr geehrte Damen und Herren
Wir bedanken uns für die Gelegenheit zur Stellungnahme in der obgenannten Angelegenheit
und nehmen diese im Folgenden gerne wahr.
1. Vorbemerkungen
Vor dem Hintergrund der Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung ist als oberstes
Ziel die Erhaltung der Bilateralen Verträge I zwischen der Schweiz und der EU anzustreben.
Ebenso ist für die Wirtschaft vorrangiges Ziel, dass bei der neuen Begrenzung der Zuwanderung von erwerbstätigen, ausländischen Arbeitskräften die gesamtwirtschaftlichen Interessen
des Landes im Vordergrund stehen.
Der neue Verfassungsartikel (Art. 121a BV) und dessen Übergangsbestimmungen beinhalten im Wesentlichen zwei Aspekte: „Autonome Steuerung der Migration“ und „Neuverhandlung nicht vereinbarer Abkommen“. Unter geltendem Recht regelt das Freizügigkeitsabkommen (FZA) betreffend die EU-Staaten die Migrationsströme, während diese in Zukunft von
der Schweiz wieder als rein hoheitliche Aufgabe ausgestaltet werden sollen.
Der Bundesrat schlägt in seiner Vorlage eine starre Kontingentslösung vor, die den vorhanden Spielraum bei der Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung nicht nutzt. Der Vorschlag stellt keine gangbare Lösung dar, weil sie aussenpolitisch kaum durchsetzbar ist, ohne das FZA und die bilateralen Verträge aufs Spiel zu setzen. Die vorgeschlagene Lösung
greift für EU/EFTA-Bürger erst, wenn auch das FZA geändert oder gekündigt wird. Eine Änderung des FZA im Sinne der Vernehmlassungsvorlage ist mit Blick auf die bisherigen einschlägigen Stellungnahmen der EU aber höchst unwahrscheinlich, und eine Kündigung des
FZA ist nicht Gegenstand dieser Vernehmlassung. Dadurch werden Stellungnahmen zur
Vernehmlassungsvorlage des Bundesrates in ihrer Wirkung ins Leere laufen, denn wenn die
präsentierte Umsetzungslösung von der EU nicht akzeptiert wird, bleibt die innenpolitische
Lösung in Bezug auf die beabsichtigten Ziele der Initiative im EU/EFTA-Raum wirkungslos.
Aus heutiger Sicht bietet als konstruktiver Beitrag zur Umsetzung der Volksinitiative einzig
das vom Schweizerischen Arbeitgeberverband und von economiesuisse vorgeschlagene
Schutzklauselsystem Perspektiven für eine erfolgreiche innen- und aussenpolitische Lösung.
Eine Gesamtbeurteilung der Umsetzung von Art. 121a BV wird erst möglich sein, wenn die
Resultate der Verhandlungen über eine Anpassung des FZA vorliegen. Sollten diese Verhandlungen mit der EU zu einer neuen Ausgangslage oder zu neuen relevanten Aspekten
führen, muss somit zwingend ein neues Vernehmlassungsverfahren durchgeführt werden.
2. Einführung eines „Schutzklausel-Modells“ mit der Festlegung eines sog. „Globalkontingents“
Im Hinblick auf den Verhandlungsspielraum, den die neue Verfassungsbestimmung eröffnet,
ist von dem starren Kontingentssystem des Bundesrates Abstand zu nehmen. Anstelle dessen sollen die Nachverhandlungen zum FZA auf das von den Wirtschaftsverbänden vorgeschlagene Schutzklausel-Modell ausgerichtet werden. Damit wird den in Art. 121a BV explizit
genannten „gesamtwirtschaftlichen Interessen“ des Landes Rechnung getragen.
Im Rahmen des Schutzklausel-Modells ist für die Zuwanderung durch den Bundesrat ein
jährlich zu bestimmendes Globalkontingent festzulegen. Wird dieser Stellenwert nicht erreicht, gilt die Personenfreizügigkeit für die EU/EFTA-Staaten weiterhin (analog geltendem
Recht). D.h. bis zum Erreichen des Schwellenwerts gelten weiterhin die bekannten Aufenthaltsbewilligungen, ohne irgendein Kontingentssystem. Erst wenn die Interventionsschwelle
des Globalkontingents überschritten zu werden droht oder erreicht ist, würde für das laufende Jahr im Rahmen eines Kontingentsystems die Einwanderung plafoniert. Wie bis anhin
blieben die Drittstaatsangehörigen weiterhin dem Kontingentssystem unterstellt.
Die EU kennt bereits solche Schutzklauseln im Verkehr mit der Schweiz und auch innerhalb
ihrer Mitgliedstaaten. Aktuell zielen die Bestrebungen der britischen Regierung unter David
Cameron in die gleiche Richtung. Für die Verhandlungen mit der EU bildet somit ein Schutzklauselsystem mit Globalkontingent eine glaubwürdige Option.
Die Wirtschaft ihrerseits ist daran interessiert, die Regulierungskosten für die Rekrutierung
von Arbeitskräften aus EU/EFTA-Staaten so gering wie möglich zu halten. Ausserdem ist
auch die Dauer der Rekrutierung bzw. des Bewilligungsprozesses für EU/EFTAStaatsangehörige möglichst kurz zu halten. Bereits heute dauert der Bewilligungsprozess bei
Drittstaatsangehörigen doppelt so lange. Im Rahmen eines Schutzklauselsystems mit Globalkontingent könnten eine Explosion der Regulierungskosten und ein überbordender administrativer Aufwand im Bewilligungsverfahren vermieden werden.
Mit der Einführung eines Schutzklauselsystems mit Globalkontingent kann die auch vom
Bundesrat vorgeschlagene Weiterführung des dualen Systems mit einer privilegierten Zulassung von Angehörigen der EU/EFTA-Staaten gewährleistet werden.
3. Umsetzungsprozess des Schutzklauselsystems mit Globalkontingent
Die vorgeschlagene Lösung weicht vom strikten Wortlaut von Art. 121a BV ab. Das vorgeschlagene Schutzklausel-Modell ist daher ebenfalls auf Verfassungsstufe zu legitimieren,
bspw. durch Einführung eines neuen Art. 121b BV, welcher den Art. 121a BV ergänzt und
seine Umsetzung konkretisiert.
Ein solches Vorgehen verlangt eine Volksabstimmung. Der Vorteil liegt darin, dass das Volk
über einen konkreten Umsetzungsmechanismus abstimmen kann und damit der Volkswille,
die Zuwanderung besser zu steuern, respektiert wird. Gleichzeitig können mit dieser Lösung
auch die Interessen und Bedürfnisse der Wirtschaft berücksichtigt werden.
Zweifellos werden durch das Schutzklauselsystem sehr viele Detailfragen, insbes. bei Überschreitung des Globalkontingents, aufgeworfen. Gewisse Elemente des bundesrätlichen
Vorschlags könnten jedoch auf Stufe des Ausländergesetzes geregelt werden.
4. Höchstzahlen und Kontingente für Kurzaufenthaltsbewilligungen
Der Bundesrat sieht im Entwurf zum Ausländergesetz (Art. 17a E-AuG) vor, dass Höchstzahlen und Kontingente bereits für Kurzaufenthaltsbewilligungen ab vier Monaten eingeführt
werden.
Das Gutachten des Bundesamtes für Justiz vom 8. April 2014 bestätigt demgegenüber, dass
im Rahmen von Art. 121a BV für Kurzaufenthalte bis 12 Monate auf die Kontingentierung
und Unterstellung unter eine Höchstzahl verzichtet werden kann. Es bleibt unverständlich,
dass der Bundesrat in diesem Zusammenhang den bestehenden Verhandlungsspielraum
nicht genutzt hat. Um die Verhandlungen mit der EU nicht unnötig zu gefährden, fordert der
Arbeitgeberverband Basel Kurzaufenthalte bis 12 Monate auch bei einer Erwerbstätigkeit
nicht zu kontingentieren und keiner Höchstzahl zu unterstellen.
5. Sozialpartner als vollwertige Mitglieder der Zuwanderungskommission
Die Arbeit der Zuwanderungskommission wird einen grossen Einfluss auf die vom Bundesrat
festzulegenden jährlichen Höchstzahlen haben. Problematisch bleibt in diesem Zusammenhang das Zurückgreifen auf statistisches Material zum Arbeitsmarkt und zur Zuwanderung –
diese statistischen Grundlagen sind naturgemäss immer retrospektiv ausgerichtet und können nicht direkt zur Beurteilung einer aktuellen Situation im Migrationsbereich herangezogen
werden. Die Bedürfnisse der Wirtschaft müssen jedoch aufgrund der jeweils aktuellen Situation in die Arbeit und Beurteilungen der Zuwanderungskommission einfliessen können. Der
Arbeitgeberverband Basel fordert daher, dass die Sozialpartner als vollwertige Mitglieder in
der Zuwanderungskommission Einsitz erhalten. Der Art. 17d Abs. 1 E-AuG ist entsprechend
anzupassen.
6. Privilegierte Grenzgängerbewilligungen
Das Grenzgängertum ist für Grenzregionen wie die Region Nordwestschweiz und das Bassin
Lémanique von existenzieller Bedeutung (die abweichende Problematik im Tessin ist bekannt). Die wirtschaftliche Bedeutung der Grenzgänger in diesen vergleichsweise äusserst
wertschöpfungsstarken Regionen ist so hoch, dass sie im gesamtwirtschaftlichen Interesse
des Landes liegt. Die Grenzgänger haben insbesondere keinen Einfluss auf die ständige
Wohnbevölkerung des Landes.
Der Arbeitgeberverband Basel fordert, dass hinsichtlich der Grenzgängerbewilligungen –
auch wenn Art. 121a BV eine Kontingentierung verlangt – auf den Inländervorrang verzichtet
wird, bzw. dass Grenzgänger zum Inländerpotential zählen und die Festsetzung von Kontingenten den Kantonen überlassen wird. Mit einer Kantonskompetenz können auch die spezifischen Bedürfnisse des Tessins abgedeckt werden. In diesem Zusammenhang begrüssen
wir, dass keine speziellen Kontingente für Drittstaaten vorgesehen sind (geringfügige Zahl).
7. Umsetzung des Inländervorrangs
Art. 121a BV verlangt, die Festlegung der jährlichen Höchstzahlen und Kontingente für erwerbstätige Ausländer auf die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz auszurichten,
wobei ein Inländervorrang zu berücksichtigen ist. Der Bundesrat hat zwei Varianten vorgestellt:
1. Der Inländervorrang soll zweifach berücksichtigt werden: Einerseits abstrakt bei der
Festsetzung der Höchstzahlen und Kontingente (Berücksichtigung des einheimischen
Potentials). Andererseits soll eine Prüfung des Inländervorrangs auch im Einzelfall erfolgen, wenn es sich nicht um einen Beruf mit ausgewiesenem Fachkräftemangel handelt.
2. Der Inländervorrang soll nur abstrakt bei der Festlegung der Höchstzahlen und Kontingente berücksichtigt werden.
Aus übergeordneter Sicht lässt sich feststellen, dass sich das quantitative Inländerpotential
aus der Arbeitslosenquote ableiten lässt. Ist die Arbeitslosenquote hoch und sind Arbeitskräfte leicht zu rekrutieren, ist dies ein Hinweis auf ein vorhandenes Arbeitskräftepotential. In einem solchen Fall sind die Höchstzahlen und Kontingente tiefer anzusetzen. In einer Phase
mit tiefer Arbeitslosigkeit und grosser Nachfrage nach Arbeitskräften (Arbeitskräftemangel)
sind umgekehrt relativ höhere Höchstzahlen und Kontingente gerechtfertigt.
Der Arbeitgeberverband Basel befürwortet die einmalige, abstrakte Berücksichtigung des Inländervorrangs bei der Festlegung von Höchstzahlen und Kontingenten (Variante 2).
8. Kontrolle der branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen
Als Kriterium für eine Bewilligungserteilung sieht Art. 121a Abs. 3 BV vor, dass eine ausreichende, eigenständige Existenzgrundlage vorhanden sein muss. Diese Anforderung soll mit
einer Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen umgesetzt werden (Einhaltung der orts-,
berufs- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen). Diese Kontrolle besteht bereits bei Drittstaatsangehörigen.
Der Arbeitgeberverband Basel befürwortet die vom Bundesrat vorgeschlagene Variante, wonach bei Angehörigen der EU/EFTA-Staaten nur eine summarische Prüfung der Lohn- und
Arbeitsbedingungen erfolgt; das Gleiche soll auch für Berufe mit ausgewiesenem Fachkräftemangel gelten. Damit wird das Bewilligungsverfahren vereinfacht und zusätzliche Regulierungskosten werden vermieden.
In Branchen mit allgemeinverbindlichen GAV-Regelungen für Mindestlöhne sollen die Kontrollen der Lohn- und Arbeitsbedingungen weiterhin über die Paritätischen Kommissionen
bzw. Tripartiten Kommissionen stattfinden.
Vielen Dank für Ihre Kenntnisnahme und freundliche Grüsse.
B. Gutzwiller
A. Frei
lic. iur., Direktorin
Dr. iur., Arbeitsrecht und Arbeitsmarkt