16 A NA LYS E & M E I N U N G Luxemburger Wort Samstag, den 14. März 2015 VON LAURA ZUCCOLI * Warum brauchen wir das „Einwohnerwahlrecht“? VON PATRICK GOERGEN UND THIERRY ANDRÉ * Für Immobilienmakler bestehen große Risiken Bei der Geldwäsche werden Spuren illegaler, aus Straftaten stammender Vermögensgegenstände, verschleiert oder verwischt. Ziel ist es, diese zu einem späteren Zeitpunkt wieder als scheinbar legales Vermögen im regulären Geschäftsverkehr zu verwenden. Der Immobilienmakler steht aufgrund seiner Nähe zu den Vertragsparteien besonders im Mittelpunkt der Transaktion. Doch die alleinige Barzahlung oder die sogenannte Unterbriefung5 stellen nicht das größte Risiko, in einen Geldwäschevorgang eingebunden zu werden, dar. Oftmals höhere Risikofaktoren sind: n n n n undurchsichtige Geldflüsse und Firmenkonstruktionen; Strohmanngeschäfte; unklare Herkunft von Eigenmitteln; politisch exponierte Personen als Beteiligte; (FOTO: SHUTTERSTOCK) nicht zum Kundenprofil passende finanzielle Mittel; n ein wirtschaftlich unsinniges Geschäft; n Finanzierungen aus Krisen- und Dritte-Welt-Ländern; n Erwerb von Wohneigentum ohne konkreten Aufenthaltswunsch. n Zeitlicher Druck in den Verhandlungen, oder ein Vertragsauflösungswunsch nach ungewöhnlich kurzer Zeit müssen die Aufmerksamkeit des Maklers wecken und dokumentiert werden. Zu solchen Vorgängen zählen auch eine plötzliche Änderung des Verhaltens des Kunden, eine Erklärungsnot im Hinblick auf die Transaktion, wechselnde Gesprächspartner, das Vermeiden von persönlichen Kontakten, widersprüchliche Angaben sowie bedingungslose Akzeptierung aller Modalitäten. Doch nicht nur das Risiko, als Vermittler in einen Geldwäschevorgang impliziert zu werden, ist für den Makler stets präsent. Gegenüber seiner Aufsichtsbehörde – der Administration de l'Enregistrement et des Domaines – und der Staatsanwaltschaft steht er in der Anzeigen- und Kooperationspflicht. Verdachtsfälle müssen gemeldet werden. Auf Verlangen der Behörde müssen Auskünfte erteilt und Unterlagen vorgelegt werden. Mangelhafte Kontrollsysteme und ungenügend dokumentierte Sicherungsmaßnahmen können hier den Makler schnell in die Haftung bringen, und empfindliche Bußgelder und Strafverfolgung nach sich ziehen. Vom Verlust der Reputation gar nicht mal zu reden. „ Geldwäschedelikten zu sensibilisieren und abzusichern. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt aufgrund der Größe und Struktur des Unternehmens und des Risikos. Zuerst wird ein internes Sicherungssystem verlangt. Es erlaubt, Auffälligkeiten rechtzeitig zu erkennen und den Missbrauch für ein Geldwäschedelikt zu verhindern. Mangels gesetzlicher Vorgaben ist eine maßgeschneiderte Lösung je nach Größe, Geschäftsgegenstand und Risikoumfeld zu empfehlen. Als Ausgangspunkt bietet sich eine angepasste Risikoanalyse partner stehenden wirtschaftlich Berechtigten. Hier geht es darum herauszufinden, wer letztlich „Eigentümer“ des Geldes ist, bzw. wer bei einem Unternehmen letztlich die Kontrolle und damit das Sagen hat. Es muss derjenige identifiziert werden, in dessen wirtschaftlichen Interesse die Transaktion erfolgt. Während die Identifizierung natürlicher Personen keine besondere Schwierigkeit bereitet (Vorsicht jedoch, wenn der Kunde nicht persönlich anwesend ist), ist besondere Achtung bei juristischen Personen geboten. Hier muss die Identität des wirtschaftlich Berechtigten (außer bei börsennotierten Gesellschaften) durch risikoangemessene Maßnahmen überprüft werden. Informationen über den Zweck und die angestrebte Art der Geschäftsbeziehung müssen eingeholt werden. Die Geschäftsbeziehung muss kontinuierlich überwacht werden, wenn sie eine gewisse Zeit andauert. Bei politisch exponierten Personen (den sog. PEP) ist eine verstärkte Überwachung Pflicht. Hierzu gehören Personen, die ein wichtiges öffentliches Amt ausüben oder ausgeübt haben, sowie deren Angehörige und der PEP bekanntermaßen nahe stehende Personen. Da die Ermittlung, ob der Kunde unter diese Kategorie fällt, für den Makler aufwendig ist, kann hier auf externe Listenlieferanten zurückgegriffen werden, die innerhalb kürzester Zeit entsprechende Antworten liefern. Gegenüber der Aufsichtsbehörde muss jederzeit nachgewiesen werden, dass der Makler seiner Identifizierungspflicht nachgekommen ist. Die erhobenen Angaben über Vertragspartner, wirtschaftlich Berechtigte und das abgeschlossene Geschäft müssen mindestens 5 Jahre aufbewahrt wer- Der Immobiliensektor ist im besonderen Maße für die Verschleierung der Mittelherkunft und der Identität des wirtschaftlich Berechtigten prädestiniert.“ Betriebsinterne Maßnahmen helfen, die Agentur abzusichern Ziel dieser betriebsinternen Maßnahmen ist es, die Agentur gegenüber an. Zu den Sicherungsmaßnahmen zählen Handlungsanweisungen, interne Zuständigkeiten, Umgang mit Barzahlungen, und Mitarbeiterschulung. Die Mitarbeiter müssen für dieses Thema sensibilisiert werden. Über Typologien und aktuelle Methoden der Geldwäsche und die gesetzlichen Pflichten der Makler muss regelmäßig unterrichtet werden. Ein Beauftragter für das Thema der Geldwäsche muss intern bestimmt werden. Dieser stellt die Kontaktperson in den Verbindungen mit der Aufsichtsbehörde und der Staatsanwaltschaft dar. Kundenbezogene Sorgfaltspflichten sind wichtig Zu den wichtigsten Sorgfaltspflichten zählt die Identifizierung des Kunden. Dies gilt vor Begründung einer Geschäftsbeziehung. Der Makler ist verpflichtet, die gesetzlich vorgesehenen Daten zu erheben, zu kontrollieren und aufzuzeichnen. Die Identifizierung gilt auch für den hinter dem Vertrags- 17 Einwohnerwahlrecht: Fakten statt Emotionen Geldwäsche: Konkrete Risiken für den Immobiliensektor in Luxemburg Investitionen in Immobilien eignen sich besonders für Geldwäsche. Der Immobiliensektor ist im besonderen Masse für die Verschleierung der Mittelherkunft und der Identität des wirtschaftlich Berechtigten prädestiniert. Beispielhaft für die Verschleierungsmöglichkeiten sind hier die Nutzung komplexer Eigentümerstrukturen bzw. Finanzierungsmodelle mit Einbindung von Off-Shore-Standorten. So die Auffassung des FATF1 im Jahr 2007. Wie sieht die Lage in Luxemburg aus? Einerseits gibt es eine sehr geringe Anzahl von Verdachtsanzeigen seitens der Immobilienmakler. Zwischen 2004 und 2013 wurden insgesamt nur neun solcher Anzeigen abgegeben2. Gibt es in Luxemburg im Immobiliensektor keine Fälle von Geldwäsche, oder sind die Makler hier wenig sensibilisiert?3 Aus einer für das deutsche BKA angefertigten Fachstudie zum Thema4 geht hervor, dass in Deutschland die Vermittler sich durch die gesetzlichen Verpflichtungen in der Ausübung ihres Berufs eingeschränkt sehen. Das Risiko, zu Geldwäschezwecken missbraucht zu werden, wird im Allgemeinen als gering eingeschätzt, nur ca. 5 Prozent der Studienteilnehmer gingen von einem höherem Risiko aus. Auch würden Verdachtsfälle wegen wirtschaftlichen Interessen und möglichen Reputationsschäden nicht zur Anzeige gebracht. Während das Bewusstsein für das Erstatten einer Anzeige bei den Banken ausgeprägt ist, hätten Makler teilweise größere Vorbehalte, auf die Strafverfolgungsbehörden zuzugehen. Oft werde die Geldwäscheproblematik nur im Zusammenhang mit Bargeld gesehen. Für die weiteren Stufen der Geldwäsche oder mögliche Konstruktionen fehlten oftmals Verständnis und Vorstellungskraft. Mangels vergleichbarer Studien für den Immobiliensektor in Luxemburg kann man davon ausgehen, dass die Lage im Großherzogtum sich ähnlich darstellt. Welche konkreten Risiken bestehen für den Makler? Wie kann er diese Risiken mindern? A NA LYS E & M E I N U N G Luxemburger Wort Samstag, den 14. MäRZ 2015 den. Ziel ist es, staatsanwaltliche oder polizeiliche Ermittlungen unterstützen zu können. Wenn es um die Herkunft von Geldern geht, muss vom Makler korrekt und übergreifend der Kunde befragt werden, und danach das Risiko für eine Geschäftsbeziehung beurteilt werden. Bei der Risikoanalyse spielen die Art der Finanztransaktion, die geografische Herkunft der Gelder, die berufliche Tätigkeit und das gesamte Vermögen des Kunden eine Rolle. Der Makler kann bei der Einhaltung seiner gesetzlichen Pflichten nicht auf andere Akteure verweisen. Dass Notare und Banken ähnliche Pflichten bei dem Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung haben, entbindet den Makler nicht von seinen gesetzlichen Pflichten. Unabhängig von anderen dem Gesetz verpflichteten Berufsständen muss der Makler, aufgrund der von ihm erhobenen oder zugetragenen Informationen und nach erfolgter Risikoanalyse, im Verdachtsfall die Staatsanwaltschaft einschalten. 1 Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF), Money Laundering & Terrorist Financing through the real estate sector, 2007 2 Parquet de Luxembourg, Cellule de renseignement financier (CRF), Rapport d’activité pour 2013, Oktober 2014 3 Siehe Interview mit Doris Woltz, „Land“ 17.10.2014. Auf die Frage „Aviez-vous déjà été confronté à des cas de blanchiment dans le secteur immobilier?“, antwortet die Leiterin der CRF: „Pas que je sache, mais mon impression du secteur, c’est que les professionnels n’ont tout simplement pas conscience de la question du blanchiment. C’est une autre culture et il faudra du temps…“ 4 Geldwäsche im Immobiliensektor in Deutschland, Fachstudie im Auftrag des Bundeskriminalamtes, 2012 5 Von Unterbriefung spricht man vor allem im Zusammenhang mit Grundstücks- oder Immobilienkäufen, wenn der offiziell angegebene Kaufpreis niedriger ist, als der tatsächlich vereinbarte. * Patrick Goergen ist Managing Partner von Cross Borders s.e.c.s., André Thierry ist Managing Director von ANDRisk sàrl. Die demografische Situation Luxemburgs ist einzigartig in der EU, ja sogar weltweit. Momentan leben etwa 55% Luxemburger in unserem Land. Die Zahl der Nicht-Luxemburger in unserer Gesellschaft wird weiter steigen, alle Prognosen bestätigen, dass die Luxemburger in den nächsten 5 bis 10 Jahren in der Minderheit sein werden. Die steigende Zahl der Einwohner steht im Gegensatz zu der nur sehr leicht steigenden luxemburgischen Wählerschaft. Nur 57,4% der wahlberechtigten Einwohner dürfen wählen, dabei ist fast ein Drittel älter als 60 Jahre. Die Hälfte der Wähler sind berufstätig, davon nur 51,1% im Privatsektor und 36,3% im öffentlichen Sektor.1 Die Frage der Legitimität unserer Volksvertreter in der Abgeordnetenkammer stellt sich also. Können wir in Luxemburg von Demokratie sprechen, wenn die Wählerschaft nur auf einem immer kleineren Teil unserer Gesellschaft beruht? Werden bestimmte körperschaftliche Interessen eher berücksichtigt, da sie ja zur Wählerschaft gehören? In welcher Weise werden die Sorgen der vom Wahlrecht Ausgeschlossenen ernst genommen? Ein demokratisches Gesellschaftssystem muss auf einer breiten vielfältigen Basis beruhen, sonst ist die Vertretung des Volkes durch die Abgeordneten nicht repräsentativ. Die Nicht Luxemburger tragen entscheidend zum Wohlstand des Landes bei . Sie wohnen hier, erwarten – wie die Luxemburger – Antworten von der Politik, dürfen aber nicht am politischen Leben teilnehmen! Dies stellt einen Verlust der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Dynamik dar. Wir laufen Gefahr Parallelgesellschaften zu fördern, wir verlieren wichtige und nützliche Kompetenzen, die wir in der Politik benötigen. Ist der Erwerb der luxemburgischen Staatsbürgerschaft die Lösung? Selbst bei sehr großzügiger Einbürgerung wird die Kluft zwischen der Zahl der Wähler und der potentiellen Anwärtern der luxemburgischen Nationalität weiter zunehmen. Bei extrem erleichtertem Zugang zur luxemburgischen Nationalität bräuchte es Jahrzehnte bis die Zahl der Luxemburger wieder deutlich in der Mehrheit wäre. In den letzten 3 Jahren stieg die Zahl der Nicht-Luxemburger jedes Jahr um 10.000 Personen, dagegen wurden jedes Jahr bloß 5.000 Ausländer eingebürgert. Und dabei hat Luxemburg jetzt schon, die höchste Einbürgerungsrate in der EU! Das neue Nationalitätengesetz müsste also extrem großzügig sein um nur das Verhältnis Luxemburger / Nicht Luxemburger auf dem momentanen Stand zu belassen! Der Erwerb einer Nationalität und der Zugang zum Wahlrecht sind zwei grundsätzlich verschiedene Vorgehensweisen. Man erwirbt eine Staatsbürgerschaft, weil man sich einem Land verbunden fühlt, man hat dort wichtige Ereignisse seines Lebens erlebt, man identifiziert sich mit der Kultur und der Lebensweise dieses Landes, aber man nimmt die Staatsbürgerschaft nicht an um wählen zu dürfen . 87% der Nicht Luxemburger sind EU – Bürger, diese fühlen sich als Europäer und sind an Titelbild der Broschüre „'Jo' zum Wahlrecht – Firwat?“ die auf der Internetseite www.minte.lu heruntergeladen werden kann. den Erwerb eines zweiten EU Passes nicht interessiert! Sie fühlen sich als EU Bürger bei uns zuhause. Das Ausüben des Wahlrechtes ist ein ziviler Akt. Der Bürger gibt sein Vertrauen an die Politik ab, damit diese gesellschaftliche Antworten auf seine Sorgen, Fragen gibt. Es ist ein Mitspracherecht der Bürgers zu Themen des täglichen Lebens. Zwei Vorstellungen zur größeren Beteiligung der Nicht Luxemburger an nationalen Wahlen stehen sich gegenüber! Einerseits, soll der Nicht Luxemburger die luxemburgische Staatsbürgerschaft erwerben um so das Wahlrecht bekommen. Um möglichst viele einzubürgern müsste man allerdings die Einbürgerungskriterien (Sprache, Aufenthaltsdauer, ...) stark auflockern. Die Vertreter dieser Vorgehensweise behaupten, dass wir so den Erhalt unserer Identität gewährleisten, dass die Nicht Luxemburger so den Beweis ihres Integrationswillen zeigen können. Was wird aus der sogenannten luxemburgischen Identität, wenn der Zugang zur luxemburgischen Staatsbürgerschaft vereinfacht wird ? Andererseits, steigert der Zugang durch das Wahlrecht das Interesse der Nicht Luxemburger an der luxemburgischen Politik und so das Zughörigkeitsgefühl. Man bekommt ‘Lust’ die Nationalität zu erwerben! Was passiert, wenn wir “JA” sagen? Es wird keinen demokratischen Erdrutsch geben, da die Wählerschaft nur schwach zunehmen wird – maximal 35.000 Wähler, wenn alle Nicht Luxemburger von ihrem Recht Gebrauch machen – was sicher nicht der Fall sein wird. Die vorgesehenen Auflagen zum Zugang zum Wahlrecht für Nicht Luxemburger sind sehr restriktiv : Man muss sich auf der Wahlliste einschreiben, sowie 10 Jahre in Luxemburg gewohnt haben, und an Kommunal oder EU Wahlen in Luxemburg teilgenommen haben. Die politische Landschaft wird sich also nur sehr langsam verändern. Dabei wird den Nicht Luxemburgern nur das aktive Wahlrecht (wählen können) erteilt, nicht das Passive (kandidieren können). Ist die ‘Luxemburger Identität‘ in Gefahr? Die luxemburgische Identität kennzeichnet sich durch eine Mehrsprachigkeit, eine große Sprachen- und Kulturvielfalt, Toleranz und Weltoffenheit seiner Einwohner, eine Mischung aus romanischer und germanischer Kultur und eines ausgeprägten Europagefühls (siehe Eurobarometer). Kann man die luxemburgische Identität bloß durch die Nationalität festlegen? Oder ist die Identität eher der Ausdruck eines Zusammenlebens auf einem kleinen geografischen Raum?! Die angesagte Erweiterung des Wahlrechtes an Nicht Luxemburger ist ein kleiner aber wichtiger Schritt! Sie ist eine wichtige Voraussetzung für eine politische Integration, für die Erneuerung der Wählerschaft Luxemburgs, sie ist der Beginn eines Prozesses! Nach dem Frauenwahlrecht 1919, nach der Öffnung des kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-Bürger, würde Luxemburg eine weitere Erweiterung seiner Demokratie vornehmen und sicherlich auch in einem positiveren Bild erscheinen. All diese Argumente ergeben einen klaren Vorteil für Luxemburg, seinen Zusammenhalt, seine Integrationsfähigkeit und seine Identität, sollte das „Awunnerwahlrecht“2 nach dem Referendum eingeführt werden! 1 STATEC Regard sur le profil des électeurs /15 – octobre 2013 2 Die Broschüre « JO» zum Wahlrecht – Firwat? findet man auf www.minte.lu * Laura Zuccoli est présidente d'ASTI Luxembourg, Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés.
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