Wie aus einem Kölner Szene- roman ein Stück Luxemburger

Buchbesprechung
Oktober 2007
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Wie aus einem Kölner Szene­roman ein Stück Luxemburger
Weltliteratur wurde
Manuel Andrack entdeckt Guy Helmingers ersten
Roman Die Ruhe der Schlammkröte neu
In der deutschsprachigen Literaturszene findet Guy Helminger zunehmend Be­achtung: Seine Präsenz in Form von Lesungen und anderen literarischen LivePräsentationen ist beachtlich, er erzählt im NDR-Kulturfernsehen von seiner
Heimatstadt Esch, seine neueren Texte werden bei Suhrkamp im Hardcover verlegt.
Kiepenheuer & Witsch hat in diesem Frühjahr seinen bereits 1994 veröffentlichten
Romanerstling Die Ruhe der Schlammkröte als Taschenbuch neu aufgelegt, diesmal
allerdings herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von Manuel Andrack,
den man als ,Counterpart‘ von Harald Schmidt aus dessen „Late-Night-Show“
im Ersten Deutschen Fernsehen kennt.1 Zusammengeführt hat beide die 1989
gemeinsam in der Kölner Punk-Kneipe Station verbrachte Zeit: Helminger hinter
der Theke, Andrack davor.
Natürlich kann ein Roman, der von einer lokalen Kölner Punk-Kneipe, ihrem Personeninventar
und diversen Formen des Überschreitens alkoholischer und sexueller Normalitätsgrenzen handelt,
nostalgisch rückblickend als Schlüsselroman einer
,Szene‘ gelesen werden. Ebenso wird man ihn auf
der Folie der inzwischen erschienenen Texte lesen
und etwa entdecken, dass das für die Erzählungen
des Bandes Etwas fehlt immer2 so charakteristische
Prinzip der unerwarteten Wendung auch schon
in der „Schlammkröte“ genutzt wurde. Nach der
(Wieder-)Lektüre stellt man sich als Leser aber
unwillkürlich auch die Frage, ob man es bei die-
Rolf Parr ist Professor für Literaturwissenschaft/Literaturdidaktik an
der Universität Bielefeld.
sem Buch noch mit dem lediglich neu gerahmten
alten Text oder schon einem ganz neuen zu tun
hat. Denn hinzugekommen sind die dem eigentlichen Romantext vorangestellte E-Mail-Korrespon­
denz zwischen Autor und Herausgeber, ein mehr als
einhundert Fußnoten umfassender Anmerkungsteil sowie diverse, teils simulierte Materialien und
ein Dutzend Fotos von Ute Behrend. Dabei adaptieren die in einem quasi-wissenschaftlichen Ton
verfassten Kommentare und Anhänge des gelernten Germanisten Andrack das Vorbild kritischer
Editionen und parodieren es zugleich, etwa die
Materialien zur Aufarbeitung des Werks im histori­
schen Kontext. Alles also nur ein großer Spaß, den
sich das Gespann Andrack/Helminger mit seinem
Publikum erlaubt und sich selbst bereitet hat?
Sicherlich, aber vielleicht nicht nur.
Rolf Parr
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Für den französischen Literaturtheoretiker Gérard Genette
haben solche, den eigentlichen Kerntext begleitenden,
ihn rahmenden „Paratexte“
nämlich die wichtige Funktion, als rezeptionssteuernde
Schwellen bzw. Membranen
zu fungieren.3 Im Falle der
Neuauflage der „Schlammkröte“ scheint mir diese
Funktion darin zu liegen,
Helminger nicht nur als einen
auf dem deutschsprachigen
Buchmarkt erfolgreichen und
tendenziell sogar ‚internationalen‘ Autor, sondern
zugleich auch als einen spezifisch Luxemburger Autor
auszuweisen, also die Verankerung Helmingers in Luxemburg und als Luxemburger zu
übernehmen. Damit ist ein
Double-bind markiert, das für
eine ganze Reihe der erfolgreicheren Luxemburger
Autoren konstitutiv ist: Sie müssen (und wollen)
sich einerseits luxemburgisch verankern, möchten sich andererseits aber auch über Luxemburg
hinausreichende Leserkreise erschließen und müssen dies in ökonomischer Hinsicht sogar. In dieser
Situation können die Luxemburger Schriftsteller
erstens entweder ganz auf Luxemburg (und damit
auf dauerhafte Subvention) setzen und sich vom
europäischen Markt abkoppeln oder zweitens ausschließlich auf das Leserpotenzial einer der beiden
großen Bezugssprachen setzen, wofür aber die
Luxemburger Spezifika weitgehend ausgeblendet
werden müssen, oder drittens solche Kompromisse
eingehen, die darauf hinauslaufen, das eine zu tun
ohne das andere zu lassen. Genau das leisten im
Falle der Neuausgabe von Helmingers „Schlammkröte“ die hinzugekommenen Paratexte.
Etwas darf auf
keinen Fall
fehlen, nämlich
der den Autor
als Luxemburger
verankernde
Hinweis, der
für nicht auf
Luxemburg hin
orientierte Leser
allerdings auch
nicht weiter
störend wirken
darf [...]
Luxemburg-Verankerungen
Exponiert wird die Luxemburgfrage von Andrack,
und zwar so direkt, dass es fast schon wie ein
Test auf die nationale Position Helmingers wirkt:
„Dass ich als Kölner Urgestein irgendwann zum
Liebhaber der Station geworden bin, war ja
eigentlich nur logisch. Aber hast du, lieber Guy,
nicht ab und zu die heimatliche Scholle in Luxemburg vermisst? [...] Dabei hast du – so ist mir zu
Ohren gekommen – doch schon das Bundesverdienstkreuz des Herzogtums verliehen bekommen? Also wie ist dein Verhältnis zu Luxemburg
und wieso hat es dich [...] dauerhaft nach Köln
verschlagen?“ (S. 18)
Natürlich gibt es in Luxemburg kein Bundesverdienstkreuz, sondern es ist der Helminger
2006 verliehene Prix du mérite culturel de la
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Ville d’Esch gemeint. Aber genau das ist eine der
Schreibstrategien, um die Luxemburger Spezifik
zwar einerseits aufzurufen, sie aber andererseits
zugleich auch in die Vorstellungshorizonte eines
größeren deutschsprachigen Publikums zu ,übersetzen‘, um so allen Anschein von unweigerlich
negativ konnotierter Regionalität zu vermeiden,
der das potenzielle Lesepublikum einschränken
würde. Daher versucht Helminger parallel dazu
jegliche Verortung auch in der Kölner Regionalität
zu vermeiden und beteuert sogar explizit, nie ein
Konzert von BAP oder den Bläck Föss gehört zu
haben. Das verschiebt ihn zunächst einmal auf
eine Position der jenseits der Luxemburger und
überhaupt jenseits aller Regionalität angesiedelten Autoren, um ihn dann jedoch sofort wieder
ins Land zurückzuholen. Genau diese Bewegung
in zwei Richtungen realisiert dann auch Helmingers Antwort, und zwar in gleich mehrfachem
Wechsel der Bezugsrichtungen:
„An Luxemburg oder an meine dortige Heimatstadt Esch habe ich wenig gedacht, muss ich
zugeben. Ich habe mich schon immer als Nomade
gefühlt und damit überall zu Hause [das zielt in
Richtung Internationalität]. Aber die Ehrungen meiner Geburtsstadt lass ich nicht veräppeln, hörst
du [das holt ihn wieder nach Luxemburg zurück].
Ich meine, hätte jemand mir damals erzählt, dass
Esch-sur-Alzette mir eines Tages den ,Prix du
mérite culturel‘ verleihen würde, hätte ich ihn
nach Merheim in die Klapse geschickt [hier ver­
ortet sich Helminger durch Lokalwissen wieder regio­
nal]. Eigentlich hatte ich nie vor, in meine Heimat zurückzukehren. Da ich nur noch Deutsch
schrieb, war mir klar, dass ich auch in Deutschland leben muss. [...] Heute fahre ich regelmäßig
zu Besuch nach Esch, sage meinen Eltern hallo,
treffe Freunde [alles das geht wiederum in Richtung
Luxemburger Identität], aber nach ein paar Tagen
ist mir alles wieder zu klein und ich freu mich
auf Köln [da setzt schon wieder die Absetzbewegung
ein].“ (S. 19f.; Kommentare hinzugefügt, R.P.)
Auch Andrack als Autor der rezeptionssteuernden
Paratexte liefert solche Luxemburgverankerungen, nutzt beispielsweise die Anmerkung zu einer
Figur dazu, auf den Prime Club in Köln hinzuweisen, der sich – wie könnte es anders sein – „auf der
Luxemburger Straße“ (S. 50 in Anm. 30) befindet.
Natürlich ist das Zufall, nicht aber, dass genau
diese Information unter hundert denkbaren anderen ausgewählt und im Text realisiert wird. Dieses
Verfahren der Verankerung des Autors in Luxemburg sowie die Ambivalenzen zwischen „Köln mit
Weltanschluss“ und „Luxemburg mit ,Einöde‘“
finden sich auch in anderen Texten Helmingers,
etwa dem Gedicht Intercity (Ein Schweigen) von
1995, in dem die beiden polar angelegten Lokalisationen „Köln“ und „Luxemburg“ als erste und
letzte Zeile den übrigen Gedichttext rahmen, die
dazwischen liegende Zugfahrt beide Pole verbindet, also den Übergang ermöglicht.4 In Umkehr
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des Titels einer Sammlung von Erzählungen Helmingers lässt sich daher sagen: Etwas darf auf keinen Fall fehlen, nämlich der den Autor als Luxemburger verankernde Hinweis, der für nicht auf
Luxemburg hin orientierte Leser allerdings auch
nicht weiter störend wirken darf, ja durch solche
kulturellen Transfers wie ,Bundesverdienstkreuz‘
sogar in die Horizonte eines anderen Landes eingerückt werden kann.
Welt-Anschlüsse
Dienen die neu hinzugekommenen Paratexte
also der Luxemburg-Verankerung, so referiert
Helminger demgegenüber im eigentlichen Romantext häufig auf Autoren wie Goethe, Shakespeare
und viele weitere, wobei das Selektionskriterium
diesmal das der ,Weltliteratur‘ ist. Der Klappentext annonciert dieses intertextuelle Verfahren
ironisierend als „Essenz der gesamten abendländischen Literatur seit Shakespeare“ (S. 3). Auf dieser
Ebene erfolgt also keine spezifisch Luxemburger
Lokalisation, was zeigt, dass wir es insgesamt mit
einem Schreiben zu tun haben, das sich hinsichtlich solcher ,Anrufungen‘ von Autoren der Weltliteratur nur punktuell regional-luxemburgisch
orientiert, jenseits der die Rezeption steuernden
Paratexte, also im eigentlichen Kerntext, aber
durchgängig auf ein größeres deutschsprachiges
Lesepublikum hin ausgerichtet ist mit einem Auge
wohl auch schon auf Übersetzungen schielt.
Wir haben also einmal die Strategie der Verortung
in Luxemburg und eine gegenläufige zweite, die
nur in Richtung größere Leserkreise geht. Ohne
die Verweise auf Luxemburg in einem Roman, der
ansonsten mit Luxemburg nur wenig zu tun hat,
hätte sich Helminger nur schwer als Luxemburger
Autor ausweisen können. Und umgekehrt: Ohne
die Öffnung auf ein breiteres deutschsprachiges
Publikum hin hätte er kein über Luxemburg hinaus erfolgreicher Autor werden können, der mit
einiger Resonanz verlegt wird.
Ein Einzelfall?
Solche Strategien der doppelten Anschlüsse in
zwei Richtungen scheinen über Helminger hinaus durchaus typisch für viele der erfolgreicheren
Luxemburger Autoren zu sein. Denn funktional
ähnliche Doppelstrategien, wenn vielleicht auch
nicht ganz so komplex, lassen sich vielfach auch
bei anderen Autoren beobachten. So für Rolph
Ketters Roman Niemannsland, der ebenfalls mit
Intertextualitäten in Richtung deutsche und
internationale Literatur arbeitet, z. B. immer
wieder Arno Schmidt-Parallelen5 nutzt, bei vergleichsweise wenig lokalen Verankerungen durch
Rekurs auf Luxemburger Schauplätze in Form von
Hinweisen wie „da ratterten die arbedschen Kohlenwaggons heran“ (S. 57) oder „wie in der Jugendherberge von Burglinster“ (S. 58). Als auffälligster
Paratext der Verankerung in Luxemburg fungiert
im Fall von Niemannsland jedoch die rote Bauchbinde „Nationaler Literaturpreis 1988. Bester
Roman in deutscher Sprache“, denn sie stellt als
rezeptionssteuernde Schwelle des Eintritts in das
Buch geradezu eine Anweisung dar, eine luxemburginterne Rezeption zu unternehmen.
Ganz ähnlich streut schließlich auch Roger
Manderscheid in seine aus der Perspektive einer
Tschechin erzählte Geschichte Die Lesung in
Prag immer wieder Verweise auf Luxemburg ein:
„warum hat karl der vierte damals seine karlsuniversität nicht in luxemburg gegründet?“,6 „bei
einer solchen führung habe ich auch meine freunde
aus luxemburg kennengelernt“, „während der
lesung der beiden autoren aus luxemburg“, oder:
„die luxemburger soffen wie böhmische zigeuner“
(S. 107-109, 111). Und auch er nutzt auf der Ebene
der Intertextualitäten dann wieder durchgehend
nur deutsche Autoren und Werke: Heinrich Böll,
Peter Weiss, Robert Musil, Martin Walser, Ludwig
Harig, Günter Grass, Sten Nadolny und Johannes
Mario Simmel.7 Nico Helminger ist demgegenüber einer der wenigen, der Anschlüsse sowohl an
die französische wie zugleich auch an die deutsche
Literatur sucht und u. a. auf Robert Walser, Rainer
Maria Rilke, Paul Celan aber auch Henry David
Thoreau und Jean-Michel Espitallier referiert.8
Man darf gespannt sein, wie Helminger in seinem
für diesen Herbst bei Suhrkamp angekündigten
Die Station (privates Foto)
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Wir haben
[...] einmal die
Strategie der
Verortung in
Luxemburg und
eine gegenläufige
zweite, die nur in
Richtung größere
Leserkreise geht.
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neuen Roman Morgen war schon mit dem skizzierten Double-bind lokaler und zugleich globaler
Anschlüsse umgeht. Denn immerhin handelt der
Text von einer im lokalen Alltag verhafteten Frau,
die von einer Reise nach Neuseeland träumt.
1
Guy Helminger: Die Ruhe der Schlammkröte. Wiederentdeckt,
herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von Manuel
Andrack. Mit Fotos von Ute Behrend. Köln: Kiepenheuer & Witsch
2007 (KiWi 978).
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4
Guy Helminger: „Intercity (Ein Schweigen)“. In: LSV Lëtzebuerger
Schriftstellerverband (Hg.): INTERCITY. L’anthologie ’95 en trois
lanques. Die dreisprachige Anthologie ’95. Echternach: Editions
phi/Op der Lay/LSV 1995, S. 64f.
5
Rolph Ketter: Niemannsland. Roman. Esch-sur-Sûre: Op der Lay
1989, S. 101 u.a. mehr.
6
Roger Manderscheid: „Die Lesung in Prag“. In: LSV: Intercity
(s. Anm. 4), S. 104-112.
7
Guy Helminger: Etwas fehlt immer. Erzählungen. Frankfurt a.M.:
Suhrkamp 2005.
Vgl. Roger Manderscheid: Die Dromedare. Stilleben für Johann
den Blinden. Esch-sur-Sûre: Op der Lay 1996 [E: 1973],
S. 10: „gruppenbild in der zeitung gesehen: stadtväter mit dame
[...]“; S. 18 (Peter Weiss), S. 21 (Robert Musil); ders.: schwarze
engel. geschichten mit 23 zeichnungen vom autor. Nospelt:
ultimomondo 2 2001, S. 18 und 56.
3
8
2
Gérard Genette: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches.
Frankfurt a.M. u.a.: Campus 1989 (frz.: Seuils. Paris: Éd. du Seuil
1987).
Vgl. Nico Helminger: grenzgang. sequenzen. mit illustrationen
von bodo korsig. Esch-sur-Alzette: éditions phi 2003 (collection
GRAPHITI).
Schlechte Aussichten für die Luxemburger Literaturwissenschaft
an der Uni Luxemburg
Wir hatten vor, an dieser Stelle Prof. Dr. Rolf Parr
als zukünftigen Professor für Luxemburger Literatur und Kultur vorzustellen. Er war von einem
universitären Auswahlgremium Ende Juli 2007
einstimmig für diese Stelle ausgewählt worden.
Wir hatten Rolf Parr kurze Zeit später kontaktiert, um einen Beitrag zur Neuauflage von Guy
Helmingers Roman Die Ruhe der Schlammkröte
anzufragen. Es hat uns – nebenbei bemerkt – ziemlich beeindruckt, dass sich ein anerkannter, aus
dem Ausland kommender Professor auf diesem
Wege umgehend in das intelektuelle und akademische Umfeld dieses Landes integrieren wollte!
Damit ist es der Universität wahrscheinlich auch
versperrt, die Situation über eine erneute Ausschreibung zu korrigieren, wie sie es im Falle
von Prof. Dr. Peter Gilles noch hatte tun können.
Dieser war als Professor für luxemburgische Linguistik zuerst abgelehnt worden, da seine Luxemburgischkenntnisse offenbar nicht ausreichend
waren. In der zweiten Stellenausschreibung
wurde die Stellenbeschreibung dann auf allgemeine Linguistik umgeschrieben und Peter Gilles
konnte berufen werden. Jetzt lehrt und erforscht
er als Wittlicher auf Luxemburgisch Luxemburger
Linguistik.
Rolf Parr ist Professor für Literaturwissenschaft
und Literaturdidaktik an der Universität Bielefeld
mit den Schwerpunkten „Literarisch-kulturelles
Leben der Gegenwart und mediale Vernetzung von
Literatur“. Er verbindet also Literatur-, Kultur-
und Medienwissenschaften, was sich als ideale
Kombination für die Entwicklung des Forschungsschwerpunktes „Etudes luxembourgeoises“ der
Uni Luxemburg darstellt. Dieser ist der Erforschung der „kulturellen Identitäten“ der Luxemburger Gesellschaft gewidmet. Rolf Parr hätte sich
mit Luxemburger Literatur beschäftigen sollen,
das heißt mit der luxemburgisch-, französisch-,
deutsch- und portugiesischsprachigen und bald
wahrscheinlich kreolischen Literatur Luxemburgs.
Dazu wird es jedoch nicht kommen.
Man kann denjenigen, die jetzt erneut die Kenntnis der luxemburgischen Sprache in die Stellenausschreibung für die Professur „Luxemburger
Literatur und Kultur“ eingeschrieben hatten, den
Vorwurf nicht ersparen, dass sie dem Conseil de
gouvernance die Argumente in die Hände geliefert
haben. Trotzdem, dass die Stelle nicht erneut ausgeschrieben wird, nährt den Verdacht, dass über
den Umweg der Nichtberufung von Professoren,
ein ungeliebter Forschungsschwerpunkt im Keim
erstickt werden soll.
Am 24. September beschloss der Conseil de gouvernance die Berufung von Prof. Dr. Rolf Parr
abzulehnen. Auf eine Angabe von Gründen verzichtete das Aufsichtsgremium, aber es ist ein
offenes Geheimnis, dass der Kandidat wegen seiner Unkenntnis des Luxemburgischen durchgefallen ist. Dass es weltweit zurzeit keinen Literaturprofessor geben kann, der das Kriterium „luxemburgischsprachig“ erfüllt, ist dem Conseil de gouvernance offenbar bewusst gewesen, denn er hat
den Posten gar nicht erst neu ausgeschrieben.
Währenddessen wird der Ruf der jungen Universität durch solche Entscheidungen schwer be-
schädigt. Dass in Luxemburg mit dem Conseil de
gouvernance ein Gremium, das rein politisch und
keineswegs akademisch legitimiert ist, Berufungen der Universität ablehnen kann, weist auf die
europaweit ziemlich einmalige Konstruktion des
Universitätsgesetzes von 2003 hin. Professoren,
die sich schon eine gewisse Reputation an ausländischen Universitäten erarbeitet haben, werden
es sich zweimal überlegen, bevor sie ihre Bewerbung einreichen.
JST