Einheit in Vielfalt? - Deutsche Bank Research

Research Briefing
Deutschland
Einheit in Vielfalt?
26. März 2015
Autoren
Patricia Wruuck
+49(69)910-31832
[email protected]
Frank Zipfel
+49(69)910-31890
[email protected]
*Die Autoren danken Marcel Zeitinger und
Dominik Wojnowski für die Unterstützung bei
der Erstellung dieser Studie.
Editor
Barbara Böttcher
Deutsche Bank AG
Deutsche Bank Research
Frankfurt am Main
Deutschland
E-Mail: [email protected]
Fax: +49 69 910-31877
www.dbresearch.de
DB Research Management
Ralf Hoffmann
Trends & Treiber von Immobilienbesteuerung in Europa
und Deutschland
Immobilienbesteuerung hat eine hohe volkswirtschaftliche und fiskalische
Bedeutung: Die Besteuerung von Immobilien ist ein wichtiger institutioneller
Faktor, der Angebot, Nachfrage und Transaktionskosten auf Immobilienmärkten
beeinflusst und auf Kapitalallokation, Vermögensbildung, Immobilienfinanzierung sowie Marktstabilität wirkt. Gleichzeitig sind Immobiliensteuern insbesondere für subnationale Gebietskörperschaften eine wichtige Einnahmequelle.
Trotz großer Unterschiede in der EU gibt es gemeinsame Treiber. Europaweit
unterscheidet sich die Besteuerung von Immobilien zwar teils erheblich, aber es
sind einige parallel laufende Änderungen zu beobachten. Zum einen wurde in
einer Reihe von Ländern die steuerliche Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen eingeschränkt. Dies spiegelt die Erfahrungen der Immobilienkrise wider und zielt
auf Erhöhungen der Immobilien- und Finanzmarktstabilität. Zum anderen ist
fiskalischer Konsolidierungsdruck ein wichtiger Treiber für Anpassungen – dies
gilt europaweit und auch in Deutschland.
In Deutschland zeigen die aktuellen Entwicklungen den auf Länder- bzw.
kommunaler Ebene lastenden Konsolidierungsdruck – sowohl Grundsteuerhebesätze als auch Grunderwerbsteuern sind gestiegen. Regionale Unterschiede verdeutlichen den unterschiedlich stark ausgeprägten Konsolidierungsbedarf
und die Wirkung institutioneller Rahmenbedingungen (u.a. Schuldenbremse und
kommunale Entschuldungsprogramme).
Das Anziehen der Steuerschraube in den vergangenen Jahren ist eher Symptom tiefer sitzender Probleme – der Tragfähigkeit föderaler und kommunaler
Finanzen – als Allheilmittel. Mit steigenden Immobiliensteuern rücken zudem
mögliche Nebeneffekte – etwa Auswirkungen auf Marktliquidität, Kosten für
Immobilienerwerb sowie Widersprüche zu anderen (wohnungs-)politischen Zielen – bei der Grunderwerbsteuer stärker in den Blick. Bei der Grundsteuer ist es
weniger die Höhe der Sätze als die Systematik, die zur Diskussion steht.
Konsolidierungsdruck dürfte zentraler Treiber für Immobilienbesteuerung in
Deutschland und Europa bleiben. In Europa sind Probleme – und (Einnahmen)Spielräume – von Immobilienbesteuerung jedoch weiter vor dem Hintergrund spezifischer Markt- und institutioneller Rahmenbedingungen zu bewerten.
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
Einleitung
Struktur der Sachvermögen: Eigenheim
mit größtem Anteil
1
Anteil am Sachvermögen (ohne Finanzvermögen),
%, private Haushalte
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
16,5
26,1
52
DE
11,5
22,7
Die Ausgestaltung steuerlicher Rahmenbedingungen für Immobilienwerb ist ein
Faktor, der Preisanstiege und mitunter den Aufbau von Hauspreisblasen befördert, etwa durch eine übermäßige steuerliche Begünstigung von Wohneigentum
oder die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen. Gleichzeitig stehen steuerliche
Rahmenbedingungen in Wechselwirkung mit dem aktuellen makroökonomischen Umfeld. Da wiederum gerade mit Phasen anhaltend lockerer Geldpolitik
ein stärkeres Risiko für (Haus)Preisblasenbildung einhergeht bzw. sich steuerliche (Fehl)Anreize stärker auswirken können, lohnt besonders aktuell ein Blick
auf Trends und Treiber. In Europa gilt dies umso mehr, da Immobilienbesteuerung zwar national geregelt wird, Fehlentwicklungen aber die Stabilität der Eurozone insgesamt beeinträchtigen können.
60,8
EWU
Eigenheim
Anderes Immobilienvermögen
Fahrzeuge
Wertgegenstände
Betriebsvermögen (Selbstständige)
Quellen: EZB (Household Finance & Consumption Survey) ,
Deutsche Bank Research
Internationale Klassifizierung grundrelevanter Steuern
2
International wird zwischen folgenden Formen
grundrelevanter Steuern unterschieden:
1.
wiederkehrende (jährliche) Steuern auf
(unbeweglichen) Grundbesitz
2.
wiederkehrende Steuern auf (Netto)
Vermögen
3.
Steuern auf Grundstücke, Erbschaften
und Schenkungen
4.
Steuern auf Finanz- und Kapitaltransaktionen
5.
andere nicht wiederkehrende Steuern
(Abgaben) auf Besitz
6.
andere wiederkehrende Steuern auf
Besitz (inkl. beweglicher Vermögenswerte
wie etwa Fahrzeuge und Maschinen)
Diese Klassifikation liegt etwa ländervergleichenden Einnahmestatistiken (OECD) zu
Grunde.
Vgl. OECD
Wohneigentum ist ein wichtiges Element für individuellen Vermögensaufbau
und Bestandteil der Altersvorsorge. Mehr als die Hälfte der Bruttovermögen
privater Haushalte entfällt hierzulande auf Immobilienvermögen, in anderen EU1
Mitgliedstaaten liegt der Anteil teils deutlich höher. Die Besteuerung von Immobilien kann daher Anreize für Immobilienbesitz bzw. -erwerb beeinflussen und ist
damit gleichermaßen von individueller wie volkswirtschaftlicher Bedeutung.
Letzteres auch, weil sie auf die Funktionsfähigkeit von Immobilienmärkten wirken kann.
Schließlich bietet ein Blick auf Immobilienbesteuerung noch einen weiteren –
gleichfalls aktuellen – Ansatzpunkt: Immobiliensteuern haben eine nicht zu unterschätzende fiskalische Bedeutung, vor allem sind sie eine wichtige Finanzierungsquelle für subnationale Gebietskörperschaften. Dementsprechend wird
derzeit in Europa vielfach ihr Potential als Element möglichst wachstumsfreundlicher Konsolidierungsstrategien ausgelotet.
Unter dem Oberbegriff Immobilienbesteuerung werden üblicherweise eine Reihe
unterschiedlicher Steuern und Abgaben zusammengefasst. Vereinfacht kann
man zwischen
— regelmäßig erhobenen Steuern auf Grundbesitz und Gebäude
— Transaktionssteuern beim Kauf bzw. Verkauf von Immobilien
— und der steuerlichen Behandlung von Immobilienvermögen bzw. deren Finanzierungsmitteln unterscheiden.
Unsere Analyse fokussiert auf Immobilienbesteuerung „im engeren Sinne“, d.h.
sie bietet keinen umfassenden Vergleich von Einkommens- und Vermögensbesteuerung und der Behandlung von Immobilien in diesem Zuge oder wohnungspolitischer Förderung, die über Steuern, aber auch auf anderem Weg erfolgen
kann. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt vor allem auf Grund- und Grunderwerbsteuern. Die Studie gibt zunächst einen Überblick zur Besteuerung von
Immobilien in der EU, insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Reformen
bzw. Reformbestrebungen. Der zweite Teil beleuchtet Immobilienbesteuerung in
Deutschland genauer und analysiert die Entwicklungen von Grund- und Grunderwerbsteuer in den letzten Jahren, deren mögliche Treiber sowie Auswirkungen. Abschließend werden die Ergebnisse gemeinsam im Hinblick auf Reformoptionen diskutiert.
1
2
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Angaben für Brutto-Geld- und Immobilienvermögen. Ohne Immobilienvermögen der Privaten
Organisationen ohne Erwerbszweck für DE rd. 53% (2010). Hohe Immobilienanteile, etwa in
Südeuropa, spiegeln Unterschiede in Wohneigentumsquoten und Unternehmensstrukturen wider
(hohe Anzahl kleiner Familienbetriebe, für die Immobilien zum Geschäftskapital gehören). S.
auch Bräuninger, Dieter (2012). Trends bei höheren Einkommen und Vermögen im Eurogebiet.
Research Briefing, Deutsche Bank Research. In Abhängigkeit von Quelle und Methodik (z.B. Mikro- oder Makrodaten, Abgrenzung) können Angaben zu Vermögenswertkategorien teils variieren.
Research Briefing
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
Eine europäische Perspektive
Ländervergleich bei Immobiliensteuern: nicht immer einfach
Einschränkungen beim europäischen
Vergleich – Übersicht
3
—
Bezüglich der Grundsteuer müssen zum
einen die unterschiedlichen Bewertungssysteme beachtet werden und zum anderen, dass gerade in angelsächsischen
Ländern die Grundsteuer mehr als eine
allgemeine Gemeindesteuer bzw. Leistungsgebühr aufzufassen ist. Letztere
kann auch verbrauchsabhängige Steuern
wie Straßenreinigung und Abfallentsorgung beinhalten und deshalb höher sein.
—
Bezüglich der Grunderwerbsteuer muss
beachtet werden, dass in manchen Ländern bei einem Immobilienkauf von Neubauten eine Mehrwertsteuerzahlung anstatt einer Grunderwerbsteuer anfällt. Zudem kann es in einigen Ländern zu weiteren Kosten bei Grunderwerb kommen,
z. B. Registrierungs- oder anderen rechtlichen Kosten, die mitunter erheblich sein
können. Zumeist unterliegt Grundbesitz
auch noch einer Erbschaft- und Schenkungsteuer.
—
Die unterschiedliche Qualität der Steuerbefolgung, die sonst üblicherweise einen
Ländervergleich erschwert, spielt bei
grundrelevanten Steuern eine weniger
ausgeprägte Rolle, da bei Besteuerung
von Immobilien in der Regel weniger
Hinterziehungsmöglichkeiten bestehen.
Bislang hat es in der EU – im Gegensatz etwa zu den indirekten Steuern – keinerlei Harmonisierung bei der Besteuerung von Immobilien gegeben. Auch Bestrebungen hierzu sind bisher nicht zu erkennen. Die Mitgliedstaaten haben
weitgehend freie Hand bei der Gestaltung der Besteuerung mit der Folge, dass
sehr unterschiedliche Systeme von Steuern und Abgaben auf Immobilien bzw.
Grundbesitz existieren. Diese Systeme sind zudem über einen langen Zeitraum
historisch gewachsen – gerade Grundsteuern gehören zu den ältesten Steuern.
Ein Vergleich dieser Besteuerungskategorie ist daher nicht unproblematisch
bzw. mitunter nur beschränkt aussagekräftig. Hierbei kommt erschwerend hinzu,
dass nicht nur die Besteuerungssysteme selbst, sondern auch die Immobilienmärkte sich deutlich unterscheiden. Das gilt sowohl im Hinblick auf die aktuelle
Marktsituation (d.h. Preise bzw. Immobilienzyklen) als auch strukturell, d.h. unter anderem in deren volkswirtschaftlicher Bedeutung, den Eigentumsquoten,
aber auch den Finanzierungsbedingungen und -praktiken. Auch dies kann sich
erheblich auf die Besteuerung auswirken, teils gilt der Zusammenhang auch
vice versa.
Vor dem Hintergrund der Bedeutung von Immobilienmärkten für Volkswirtschaften sowie der im Zuge der Finanz- und Wirtschaftkrise in zahlreichen EUStaaten angespannten Haushaltslage lohnt sich dennoch ein vergleichender
Blick auf die Entwicklung von Steuersystemen und Besteuerungshöhe. Das gilt
umso mehr, da Steuern auf Grund und Boden bzw. Immobilien nicht nur relativ
leicht zu erheben sind und als gut kontrollier- bzw. administrierbar gelten, sondern auch im Sinne einer wachstumsfreundlichen Ausrichtung der Steuerpolitik
2
als vorteilhaft im Vergleich zu den meisten anderen Steuern anzusehen sind.
In der EU erheben so gut wie alle Länder eine Form der Grund- und Grunderwerbsteuer (bis auf Malta). Große Unterschiede bestehen zum einen bei der
Bewertung von Grund und Boden und zum anderen auch bei der Art der Besteuerung – d.h. wiederkehrende Besitzsteuern, wie die deutsche Grundsteuer,
vs. einmalige Transaktionssteuern, wie etwa die deutsche Grunderwerbsteuer –
3
und natürlich der Höhe der Steuerlast. Trotz der Einschränkungen beim euro4
päischen Vergleich durch Ungenauigkeit der verfügbaren Daten sowie der divergierenden nationale Gegebenheiten (siehe dazu ausführlicher Box 3) lassen
sich einige interessante Beobachtungen festhalten und Trends erkennen.
2
3
4
3
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S. hierzu z.B. Johansson, Å., C. Heady, J. Arnold, B. Brys und L. Vartia (2008): Tax and
economic growth. OECD Economics Department Working Papers 620 oder Johannesson Lindén,
A und C. Gayer (2012). Possible reforms of real estate taxation: Criteria for successful policies.
European Economy, Occasional Papers No.119.
Europäische Kommission & Eurostat (2014): Taxation trends in the European Union: Data from
EU member states and Norway. Luxemburg.
Der europäische Vergleich in dieser Studie erfolgt auf Basis der Daten der OECD Revenue
Statistics. Hier muss vor allem beachtet werden, dass die deutsche Grunderwerbsteuer unter die
Klassifikation „Taxes on Financial and Capital Transactions“ (4400) fällt, die auch andere Steuerarten beinhaltet (wie zum Beispiel eine Finanztransaktionssteuer). Diese Ungenauigkeit kann jedoch für den untersuchten Zeitraum hingenommen werden, denn diese Werte unterscheiden sich
nicht merklich von dem tatsächlichen Grunderwerbsteueraufkommen, da dieses zumeist den
größten Anteil ausmacht. Unter dieser Annahme können jedoch der Grunderwerbsteuer ähnliche
Steuern in anderen Ländern zumindest annähernd verglichen werden. Wenn im Folgenden von
EU-Durchschnitt gesprochen wird, so ist der Schnitt der 21 EU-Staaten, die auch OECDMitglieder sind, gemeint.
Research Briefing
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
Steueraufkommen sehr unterschiedlich
Das aus der Besteuerung von Immobilien erzielte Steueraufkommen ist innerhalb Europas unterschiedlich. Im Vergleich zu Deutschland fällt das Steueraufkommen in den europäischen Nachbarstaaten teils wesentlich höher aus (siehe
Grafik 4). Dies gilt für das Grundsteueraufkommen (0,4% des BIP in Deutschland gegenüber 0,9% im EU-Durchschnitt), in geringerem Maße auch für das
Grunderwerbsteueraufkommen (0,3% in Deutschland gegenüber 0,4% in der
EU). Spitzenreiter im europäischen Vergleich hinsichtlich der Einnahmen aus
der Grundsteuer ist Großbritannien mit 3,2% des BIP, gefolgt von Frankreich mit
2,5%. Hier ist jedoch zu beachten, dass es sich bei der englischen Grundsteuer
eher um eine erweiterte bzw. allgemeine Gemeindesteuer handelt. Die Aufkommensunterschiede bei der Grunderwerbsteuer sind deutlich geringer als bei
der Grundsteuer. Bei letzterer bestehen zum Teil erhebliche Differenzen von
über 2%-Punkten. Belgien und Italien weisen mit rund 1% des BIP das größte
Aufkommen aus der Grunderwerbsteuer auf. Angesichts dieser Unterschiede
lohnt sich ein genauerer Blick, auch auf die Entwicklung von Immobiliensteuern
im Zeitverlauf.
Der Europäische Vergleich: Deutschland mit geringem Steueraufkommen (2013)
4
Steueraufkommen in % BIP, EU-Durchschnitt = EU-21 (Mitgliedstaaten in der OECD, NL und GR Stand 2012)
4,5
4
3,5
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
UK
FR
DK
BE
IT
Grundsteuer
GR
IE
ES
EU
PT
SE
FI
NL
DE
AT
Grunderwerbsteuer
Quellen: Deutsche Bank Research, OECD
Bedeutung der Grundsteuer in EU
nimmt zu
5
Steueraufkommen in % BIP
1
0,9
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
1977
1983
1989
1995
2001
2007
Grundsteuer EU
2013
Betrachtet man beide Steuern über einen längeren Zeitraum, dann zeigt sich,
dass die Bedeutung der Grundsteuer in der EU – gemessen im Verhältnis zum
5
BIP – tendenziell zugenommen hat. Dies gilt insbesondere in den letzten Jahren. Die Bedeutung der Grunderwerbsteuer unterlag dagegen stärkeren
Schwankungen und scheint stärker konjunkturell beeinflusst. Nachdem das
Grunderwerbsteueraufkommen seit Ende der 1990er Jahren im EU-Vergleich
bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 gestiegen war, fiel es danach stark ab.
Erst jüngst scheint sich diese Entwicklung wieder umzukehren.
Innerhalb der Länder ist die Aufkommensentwicklung wiederum sehr heterogen.
So ist bspw. das Grundsteueraufkommen in Frankreich und Belgien seit den
1970er Jahren um mehr als 1%-Punkte gestiegen, in Deutschland, Österreich
und den Niederlanden blieb es relativ konstant, in Irland hat es sich mehr als
halbiert. Hierbei ist zu beachten, dass die Aufkommensentwicklung aus Immobi6
liensteuern grundsätzlich von mehreren Größen beeinflusst werden kann. Dies
beinhaltet:
Grunderwerbsteuer EU
Quellen: Deutsche Bank Research, OECD
5
6
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Der im Rahmen dieser Studie berechnete EU-Durchschnitt unterstellt, dass alle zum jetzigen
Zeitpunkt im Schnitt enthaltenen Mitgliedstaaten über den ganzen Zeitraum (und nicht erst seit
ihrem jeweiligen Beitrittsdatum) Mitglieder sind.
Die Treiber der hier skizzierten Entwicklungen sind auf diesem Aggregationsniveau nur schwer
zu isolieren. Denn sowohl die Entwicklung des BIP – als Nennergröße – als auch das SteueraufResearch Briefing
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
— die erfassten Steuerobjekte
— deren Bewertung
Bedeutung grundrelevanter Steuern
für die nationalen Haushalte, 2013
6
Grund- und Grunderwebsteueranteil am
nationalen Steueraufkommen in %, NL, GR 2012
— den angewandten Steuersatz
— bestehende Ausnahmen
— bei Grunderwerbsteuern die Transaktionshäufigkeit.
UK
FR
Die Entwicklung des Grunderwerbsteueraufkommens war eher getrieben von
der Preisentwicklung auf den Immobilienmärkten, insbesondere in Spanien,
Irland und Griechenland war die Korrelation zwischen der Entwicklung der
Hauspreise und dem Steueraufkommen besonders hoch (Werte 0,6 und 0,7 im
Zeitraum von 1998 bis 2013). Auch spiegeln sich in gesunkenem Steueraufkommen in einigen einzelnen Mitgliedstaaten Einbrüche der dortigen Immobilienkonjunktur wider (etwa Spanien oder Irland).
IE
IT
BE
ES
GR
EU*
DK
PT
NL
FI
DE
AT
0
5
10
15
* EU = EU-21 (OECD-Mitgliedsländer)
Quellen: Deutsche Bank Research, OECD Revenue
Statistics
In EU fließt das Steueraufkommen aus
Grund- und Grunderwerbsteuer v.a. an
subnationale Haushalte
7
Prozentuale Anteile der jeweiligen staatlichen Ebene
am Aufkommen der Grund- und Grunderwerbst.
AT
BE
Deutlicher als in der Relation zum BIP zeigt sich die Bedeutung von Immobiliensteuern, wenn man ihr Aufkommen ins Verhältnis zum gesamten Steueraufkommen setzt – allerdings nimmt hier entsprechend die Variationsbreite zu. So
tragen bspw. in Großbritannien die grundrelevanten Steuern mit über 10% zum
dortigen Steueraufkommen bei. Im EU-Durchschnitt sind es jedoch nur etwa
3,6%. Für Deutschland, Niederlande und Österreich haben grundrelevante
Steuern als Einnahmeposten eine vergleichsweise geringe Bedeutung. Die
Länder, die einen geringen Anteil von Immobiliensteuern am Staatsbudget haben, weisen auch die geringste Volatilität bei den Aufkommen aus der Grundund Grunderwerbsteuer auf. Insgesamt betrachtet ist der Anteil von Immobiliensteuern an staatlichen Haushalten jedoch im Vergleich zu anderen Steuerfaktoren wie Arbeit, Kapital oder Konsum relativ gering.
Dennoch ist die Bedeutung grundrelevanter Steuern nicht zu unterschätzen. So
gewinnt gerade die Grundsteuer mit stetigem Aufkommenswachstum angesichts des eher schwachen Wirtschaftswachstums in Europa sowie der fiskalisch schwierigen Lage nationaler und sub-nationaler Haushalte aus Sicht des
Fiskus immer mehr an Relevanz. Auch haben grundrelevante Steuern zentrale
Bedeutung für subnationale Haushalte.
DK
Grund- und Grunderwerbsteuer fließen vorwiegend an die subnationalen Haushalte und werden meist auch dort administriert
FI
FR
DE
GR
IE
IT
NL
PT
ES
UK
0%
50%
100%
Nicht nur fließt ein großer Anteil der beiden Immobiliensteuern an die subnationalen Haushalte statt an die Zentralhaushalte in Europa; in einer Reihe von
Staaten stellen sie zudem die wesentliche bzw. zum Teil auch die fast ausschließliche Steuerquelle der subnationalen Ebene dar. So macht etwa der Anteil der Grundsteuer im EU-Durchschnitt rund 35% der gesamten Steuereinnahmen der lokalen Ebene aus. Dahinter bewegen sich die Werte zwischen
100% in UK bzw. 94% in IE und Werten von 3% in SE oder 5% in LU. In
Deutschland trägt die Grundsteuer rund 15% zum Steueraufkommen der Kommunen bei.
Grundsteuer Zentralebene
Grunderwerbsteuer Zentralebene
Grundsteuer Sub-National
Grundrelevante Steuern werden in Europa zumeist auf kommunaler oder regio7
naler Ebene erhoben und wie in Deutschland besteht eine gewisse Autonomie
bei der Festlegung der Steuersätze. Hier gibt es Ausnahmen, etwa UK, wo die
gewerbliche Grundsteuer zwar zentral erhoben, jedoch anschließend wieder an
Grunderwerbsteuer Sub-National
Quellen: Deutsche Bank Research, OECD Revenue
7
5
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kommen – als Zähler – werden von verschiedensten Einflussfaktoren bestimmt, die sich zudem
überlagern können.
Johansson, Å., C. Heady, J. Arnold, B. Brys und L. Vartia (2008). Tax and economic growth.
OECD Economics Department Working Papers 620.
Research Briefing
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
Bewertungssysteme von Grund und
Immobilien in Europa
8
8
In Deutschland, Österreich, Frankreich und
Italien existieren grundsätzlich marktnahe
Bewertungsmethoden, die jedoch zumeist an
marktferne Wertverhältnisse anknüpfen (in
Deutschland bswp. die Einheitswerte). In
Osteuropa (u.a. Polen, Slowakei, Tschechien)
ist hingegen das Konzept der Flächensteuer
mit einer i.d.R. nutzungsabhängigen und typisierenden Ausdifferenzierung der Steuersätze
sehr verbreitet. In den skandinavischen und
baltischen Staaten sowie den Niederlanden
findet eine marktnahe „ad valorem“-Bestimmung statt, die im Normalfall mittels jährlich
(automatisiert) am Markt ermittelter Verkaufsfälle berechnet wird. Die Grundsteuersysteme
in Belgien, Irland und Großbritannien basieren
auf den jährlich erzielten Mieten, die mithilfe
von direkten Informationen aus Einzelfällen
oder Vergleichswerten errechnet werden. Eine
Neubewertung der so ermittelten Mietwerte
findet dabei in der Regel alle fünf Jahre statt.
In den südeuropäischen Staaten Griechenland,
Portugal und Spanien wird zwar eine an die
tatsächlichen Wertverhältnisse angenäherte
Bewertung angestrebt. Der Grundbesitz wird
dabei anhand formelhaft bestimmter Faktoren
(wie Grundstücksgröße, Nutzungsart, Alter,
Lage usw.) bewertet, die mehr oder weniger
komplexe und verwaltungsaufwändige Verfahren darstellen, deren tatsächliche Annäherung
an die tatsächlichen Verkehrswerte zumindest
unklar ist.
Grunderwerbsteuer in Europa
9
Steuersatz
Mitgliedsstaat
≥10%
BE
5-9%
DE, FR, ES, LU, HR, IT, MT, PT*,
UK*
<5%
AT, GR, IE, NL, SI, FI, CZ, DK,
LV, PL, SE, HU
Keiner
EE, SK, BG, LT
* bedeutet eine progressive oder multiple Besteuerung
Quelle: Europäische Kommission (2014)
Eigentümeranteile in Europa
unterscheiden sich deutlich
10
Bevölkerung nach Wohnbesitzverhältnissen,
Eigentum in % (2013 oder letzter verfügbarer Wert)
Neue MS (12)
ES
GR
PT
FI
IT
BE
NL
EWU
UK
FR
DK
AT
DE
Unterschiede auch bei Berechnung und Feststellung grundrelevanter Steuern groß
Obwohl immobilienbezogene Steuern bei der Erhebung eine Reihe von Vorteilen – etwa gute Kontrollierbarkeit – aufweisen, treten insbesondere bei wiederkehrenden Steuern wie der Grundsteuer Schwierigkeiten bei der Ermittlung der
steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage auf. Denn hier liegen – anders als bei
Transaktionssteuern wie der Grunderwerbsteuer – keine Marktpreise für den
Wert des Objektes vor, die als Ansatzpunkt für die Bemessungsgrundlage der
Steuer dienen könnten. Stattdessen muss die Bemessungsgrundlage über Bewertungs-, Vergleichs- bzw. Ertragsverfahren bestimmt werden. Daher ist auch
wenig überraschend, dass diese in Europa mit teils sehr unterschiedlichen Methoden errechnet werden. Immobilien und Land werden demnach – vereinfacht
10
gruppiert – mittels fünf verschiedener Bewertungssysteme besteuert.
In Europa herrschen darüber hinaus sehr unterschiedliche Eigenheimanteile.
Dies gilt es zu berücksichtigen, wenn man die Entwicklung der grundrelevanten
Steuern vergleicht. Deutschland und Österreich weisen eine vergleichsweise
geringe Eigenheimquote auf, in den südlichen Ländern Griechenland, Spanien
und Portugal liegt die Eigenheimquote bei über 75% und ist in den letzten Jahrzehnten stetig, wenn auch langsam gestiegen (Grafik 10). Dieser sich allmählich
entwickelnde Trend lässt sich in der ganzen Europäischen Union beobachten
und ist zum Teil mit der demografischen Entwicklung sowie den niedrigen Zins11
sätzen für Immobilienfinanzierung zu erklären. Eine hohe Eigenheimquote
kann es bspw. erschweren, Grundsteuererhöhungen politisch durchzusetzen,
da sie eine breitere Masse an Immobilienbesitzern trifft. Ähnliches gilt für eine
alternde Bevölkerung (demografische Verteilung von Wohneigentum).
Aktuelle Entwicklungen und Reformbestrebungen in der EU
Angesichts der angespannten fiskalischen Lage vieler öffentlicher Haushalte,
aber auch vor dem Hintergrund von Bestrebungen zu wachstumsfreundlichen
Reformen der Besteuerung sind gerade wiederkehrende Steuern auf Immobilien
vermehrt in das Blickfeld von Wissenschaft und Politik/Finanzverwaltungen geraten. In diesem Zusammenhang ist zudem relevant, dass der Besteuerung von
Immobilien auch ein bedeutender Einfluss auf Preisentwicklungen, Stabilität und
Funktionsfähigkeit des Immobilienmarktes attestiert wird – sowohl positiv als
auch negativ. Dies betrifft die steuerliche Behandlung von Immobilienfinanzie8
9
10
20
40
60
80
100
Quellen: Eurostat (EU-SILC), Deutsche Bank Research
6
die Kommunen verteilt wird. In Deutschland und Spanien fließt das Aufkommen
aus den direkten Immobiliensteuern komplett an die sub-nationale Ebene.
Grundsätzlich lässt sich eine gewisse Dynamik in Europa hin zu vermehrter
lokaler Grunderwerbsbesteuerung feststellen: Das sub-nationale Steueraufkommen durch Immobilienerwerb ist in den letzten 20 Jahren in Ländern wie
Belgien, Spanien oder Portugal konstant gestiegen. Im gleichen Zeitraum verringerte sich der nationale Anteil oder verschwand gänzlich. Im Fall der beiden
ersten Länder ist dies wahrscheinlich auch der vermehrten Übertragung von
9
Souveränitätsrechten an die sub-nationale Ebene geschuldet.
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11
S. Policy Exchange (2013). Taxing Issues? Reducing housing demand or increasing housing
supply. London sowie Johannesson Lindén, A. und C Gayer (2012).
Für Unabhängigkeitsbestrebungen siehe Zipfel, Frank, Stefan Vetter und Daniel Pietzker (2014).
Alleine sind wir stark? Ökonomische Aspekte regionaler Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen in Europa. EU-Monitor. Deutsche Bank Research.
Siehe Box 8 für eine Übersicht. Zu diesem Abschnitt und der Box vgl. Spengel, C. (2011). Reform
der Grundsteuer: Ein Blick nach Europa. Der Betrieb: mit Recht Innovation sichern. 64(1).
Andrews, D., A. Caldera Sánchez und Å. Johansson (2011). Housing Markets and Structural
Policies in OECD Countries. OECD Economics Department Working Papers 836.
Research Briefing
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
rung, die Verteilung der Steuerlast zwischen Transaktions- und wiederkehren12
den Steuern und deren Ausgestaltung sowie Reformpotentiale.
Wiederkehrende Steuern auf Grund und Boden erweisen sich häufig sowohl
empirisch als auch in Modellsimulationen als am wenigsten wachstumsschäd13
lich im Vergleich zur Besteuerung der Faktoren Arbeit, Kapital und Konsum.
Eine unter Effizienz- und Wachstumsgesichtspunkten erfolgreiche strukturelle
Verschiebung, z.B. vom Faktor Arbeit zu Grundsteuern, setzt voraus, dass die
Bemessungsgrundlage der Steuer (also der ermittelte Wert von Grund und Immobilien) Marktwerte möglichst gut abbildet. Denn nur in diesem Falle belastet
die Steuer die Kapitalrendite bzw. den Mietwert möglichst adäquat und führt
damit zu einer effizienteren Entscheidung zwischen Kauf und Miete. Zudem
reduziert eine marktnahe Bewertung das Problem von ungleicher bzw. unfairer
Belastung von Grund Boden in Folge einer divergierenden Preisentwicklung
über einen längeren Zeitraum hinweg. Sie ist daher sowohl unter Effizienz- als
auch unter Verteilungsaspekten zu begrüßen, um Fehlanreize zu vermeiden.
Eine marktnahe Bewertung ist jedoch nicht nur schwierig in der Praxis umzusetzen. Ferner kann hierbei vermehrt das Problem auftreten, dass die Besteuerungsgrundlage deutlich volatiler wird – je nach Entwicklung der Immobilienpreise. Das erhöht sowohl aus Sicht der Steuerzahlers als auch des Fiskus die Unsicherheit. Aus praktischer Sicht ist daher zumindest eine annähernd regelmä14
ßige Anpassung der Werte anzustreben. In der EU haben mindestens 10
Staaten (u.a. BE; DE; LU, AT; FR, IT; UK, GR) seit Jahren die Werte nicht mehr
aktualisiert. In einer Reihe von Staaten sind jedoch Änderungen bereits beschlossen oder sollen in den kommenden Jahren vorgenommen werden (IT,
GR, PT, IT, FR, CY und auch seit langem in DE geplant).
Reduktion der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Schuldzinszahlungen zu
beobachten
Neben Bewertungsfragen können Anreize – oder auch Fehlanreize – durch
explizite steuerliche Sonderregelungen für Immobilien entstehen, wie etwa die
(übermäßige) steuerliche Abzugsfähigkeit von Schuldzinszahlungen (oder sogar
von Tilgungszahlungen). Diese sind jedoch eher im Rahmen der Einkommensteuer als in den speziellen Immobiliensteuern zu finden. Durch die Abzugsfähigkeit kann es zu einer übermäßigen Verschuldung und in der Folge mehr Vo15
latilität bzw. auch Blasenbildung auf dem Immobilienmarkt kommen. Derartige
Regelungen existieren in einer Vielzahl von Mitgliedstaaten der EU in unter16
schiedlicher Ausprägung – zuletzt noch in 13 der 28 Mitgliedstaaten. Dazu
gehören u.a. BE, CZ, DK, IE (nur noch für Kredite bis Jan 2012), ES (nur für
Darlehen bis Jan. 2013), IT, LU, NL, PT (nur für Kredite bis Ende 2011), FI, SE.
Das Ausmaß der Abzugsmöglichkeiten (und die daraus resultierenden Mindereinnahmen) schwankt beträchtlich zwischen den Staaten. Die EU-Kommission
schätzt dieses für das Jahr 2012 auf 0,1 % des BIP in FR und IT, 0,3% in Spanien und 0,7% in BE. Zahlreiche Einschränkungen bestehen allerdings im Detail, u.a. für bestimmte Personengruppen (Familien, Erstkäufer etc.) oder durch
zeitliche Befristungen und Obergrenzen. Viele Mitgliedstaaten sind gegenwärtig
12
13
14
15
16
7
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Vgl. Europäische Kommission (2014). Tax Reforms in EU Member States. Taxation Papers No.
48 sowie Norregaard, John (2013), Taxing immovable Property, Revenue Potentials and
Implementation Challenges, IMF Working Paper 13/129 und Slack, E. and R. Bird (2014), The
Political Economy of Property Tax Reform, OECD Working Paper on Fiscal Federalism No.18.
Vgl. Arnold, J. M., B. Brys, C. Heady, A. Johansson, C. Schwellnus and L. Vartia (2011). Tax
Policy for Economic Recovery and Growth, EconomicJournal, 121 (550), S. F70 ff.
Vgl. im Folgenden zu den einzelnen Ländern die Übersichten der einzelnen Länder in Europäische Kommission (2014). S. 64ff.
Vgl. OECD (2011). Economic Policy Reform 2011, Going for growth.
Vgl. Europäische Kommission (2014). S. 70ff.
Research Briefing
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
damit beschäftigt, die Regelungen zu ändern bzw. haben dies bereits getan –
nicht zuletzt als „Lehre“ aus der Krise.
Konsolidierungsdruck als weiterer Treiber für Änderungen in der EU
Eine Reihe von Mitgliedstaaten hat zuletzt Steuerlast in stärkerem Maß auf Immobilien verlagert – nicht zuletzt mit dem Ziel, hierdurch einen Beitrag zu Haushaltskonsolidierungen zu erreichen. Insgesamt 12 Mitgliedstaaten haben zwi17
schen 2012 und 2014 Anpassungen bei Immobiliensteuern vorgenommen.
Dies beinhaltet insbesondere die Krisenländer IT, ES, IE, GR, CY, aber auch in
DE, UK und NL wurde die Steuerbelastung erhöht. Häufig handelt es sich um
Anstiege der Steuersätze, teils auch um grundlegendere Reform(bestrebungen)
18
oder die Einführung von neuen Steuern (z.B. IE oder RO).
Festzuhalten bleibt, dass ein EU-Vergleich drei Dinge zeigt:
— Es gibt starke Unterschiede bei der Besteuerung von Grund und Boden
bzw. Immobilien.
— Im Zeitvergleich nimmt die Bedeutung der Immobilienbesteuerung zu.
— Die Finanz- und Schuldenkrise hat erheblichen Einfluss auf die Immobilien
besteuerung.
Wohnimmobilienpreise in Deutschland
steigen - am stärksten in Städten
11
Q1 08=100
150
140
In Deutschland ist der Anstieg der Steuerlast in erster Linie auf die nach 2006
zu beobachtende Erhöhung der Grunderwerbsteuersätze in den Bundesländern
und seit ein paar Jahren ein Stück weit auch auf den zunehmenden Anstieg der
Hebesätze in zahlreichen Kommunen zurückzuführen. Unsere Analyse im Folgenden zeigt, dass auch hier Konsolidierungsdruck – in diesem Fall auf subnationaler Ebene – ein wesentlicher Treiber für Immobilienbesteuerung ist.
130
Immobilienbesteuerung in Deutschland
120
110
In Deutschland wird mit der Grundsteuer eine Substanzsteuer auf den Besitz
von Grundstücken und deren Bebauung erhoben (s. auch Box 18). Die Grunderwerbsteuer fällt als Verkehrssteuer beim Kauf bzw. Verkauf von Immobilien an
(s. auch Box 13). Eine steuerliche Anrechnungsmöglichkeit von Schuldzinsen
für Privatkäufer, die Wohneigentum zur Selbstnutzung erwerben, gibt es in
19
Deutschland aktuell nicht.
100
90
08
09
10
11
12
13
14
BulwienGesa
IMX
BulwienGesa City
IMXCity
Die Einnahmen aus der Grundsteuer stehen den Gemeinden zu, die zudem die
20
Steuer feststellen. Die Grunderwerbsteuer dagegen ist eine Landessteuer.
Während die Sätze bis 2006 bundesweit einheitlich geregelt waren, können
diese seitdem auf Landesebene individuell festgesetzt werden.
Quellen: BulwienGesa, IMX, Deutsche Bank Research
Preisschere zwischen Städten öffnet
sich weiter
12
Preise für ETW (Erstbezug) pro qm in 126 dt.
Städten
Marktumfeld in Deutschland: anziehendes Interesse an Immobilien
6000
Mit bedingt durch die Finanz- und Euro-Schuldenkrise und das ausnehmend
niedrige Zinsniveau hat das Interesse am Erwerb von Wohnimmobilien in
5000
4000
17
3000
2000
1000
18
0
2000
2004
Median
2008
2010
2012
Min
2014
19
Max
20
Quellen: BulwienGesa, Deutsche Bank Research
8
| 26. März 2015
Dies beinhaltet auch geplante Reformen (HR). In Slowenien waren ebenfalls Änderungen geplant, dann jedoch nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichts aufgehoben worden. Reformbedarf wird vor dem Hintergrund bestehenden Konsolidierungsdrucks weiter angemahnt,
Vgl. OECD (2014). Slovenia – Reforms for a strong and sustainable recovery.
Für einen Überblick s. Europäische Kommission (2014). Tax Reforms in EU Member States:
2014 Report. Taxation Paper No. 48.
S. Europäische Kommission (2014). Zur Besteuerung von Immobilien im weiteren, auch für
Unternehmen, s. Farle, V. (2012). Understanding Taxation of German Real Estate Investment. In
Just, T. und Maennig (2012). Understanding German Real Estate Investments.
Vgl. Art 108 GG. Die Verwaltungshoheit teilt sich zwischen den Ländern (Feststellung des Einheitswertes) und den Gemeinden (Festsetzung der Steuer).
Research Briefing
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
Grunderwerbsteuer in Deutschland
13
Die Grunderwerbsteuer knüpft an Kaufverträge
und Rechtsgeschäfte, die einen Wechsel der
Verfügungsmacht über inländische Grundstücke zur Folge haben. Sie ist Teil der Transaktionskosten beim Immobilienkauf. Die Bestätigung über die Zahlung der Grundsteuer ist
Voraussetzung für den Grundbucheintrag. Die
Grunderwerbsteuer ersetzt beim Immobilienkauf gewissermaßen die Mehrwertsteuer, die
hierbei in der Regel nicht anfällt.22 Ausgenommen von der Grunderwerbsteuer ist etwa der
Erwerb eines Grundstücks durch eine Erbschaft.23 Grundlage für die Steuerbemessung
ist der vertraglich vereinbarte Kaufpreis einschließlich der Gegenleistungen. Der Gegenwert übernommener Verpflichtungen, etwa
eine bestehende Hypothek oder Nutzungsrechte des Verkäufers, gehen ebenfalls in die
Bemessungsgrundlage mit ein. Sowohl Verkäufer als auch Käufer sind Steuerschuldner
(§13 Nr.2 GrEStG), in der Praxis zahlt jedoch
der Käufer.
Bedeutung der Grunderwerbssteuer
wächst
14
Angaben in %
60
Deutschland in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Da die höhere Nachfrage auf ein kurzfristig unelastisches Angebot trifft, haben die Preise für Immobilien ebenfalls angezogen. Preisniveaus und -dynamiken entwickelten sich
allerdings teils sehr unterschiedlich. Vor allem Metropolen und eher wirtschaftsstarke Regionen haben die stärkste Dynamik verzeichnet. In wirtschaftsschwachen Regionen und ländlichen Gebieten blieben die Anstiege gebremst, man21
cherorts fielen die Preise sogar. Im Ergebnis verbreiterte sich die Kluft zwischen Stadt und Land, aber auch zwischen Städten ging die Preisschere weiter
auseinander (s. Grafiken 11 und 12).
Steigende Abgaben auf Immobilien
Vor dem Hintergrund der anziehenden Immobilienkonjunktur hat sich auch die
Besteuerung von Immobilien in den vergangenen Jahren verändert. Insgesamt
ist eine steigende steuerliche Belastung von Immobilien zu verzeichnen. Dies
betrifft sowohl Entwicklungen bei der Grund- als auch der Grunderwerbsteuer.
Grunderwerbsteuer: „race to the top“?
Mit der Föderalismusreform (2006) wird die Grunderwerbsteuer nicht mehr einheitlich, sondern auf Länderebene festgelegt. Ausgehend vom ehemals einheit24
lichen Wert von 3,5% sind die Sätze seitdem im Schnitt um 1,7 Prozentpunkte
25
angestiegen und liegen aktuell bei 5,2%. Bundesweit wurden die Grunderwerbsteuern bisher 24 Mal erhöht – allerdings nicht überall. In Sachsen und
Bayern gilt nach wie vor der Abgabensatz von 3,5%. Die höchsten Grunderwerbsteuern beim Immobilienkauf fallen aktuell im Saarland, Schleswig-Holstein
und Nordrhein-Westfalen an (6,5%). In 13 Bundesländern liegt der Steuersatz
inzwischen bei 5% oder darüber. Im Ergebnis sind über die letzten Jahre nicht
nur die Höhe der Grunderwerbsteuer im Durchschnitt, sondern auch die Unterschiede zwischen den Bundesländern deutlich gewachsen.
50
40
Bedeutung der Grunderwerbsteuer aus fiskalischer Sicht
30
20
10
0
2004
2006
2008
2010
2012
Anteil Grunderwerbssteuer an
Landessteuereinnahmen
Anteil Grunderwerbssteuer an
Steuereinnahmen der Länder
Quellen: BMF, DIW, Deutsche Bank Research
2014
Die Bedeutung der Grunderwerbsteuer aus fiskalischer Sicht ist in den letzten
Jahren in Deutschland gewachsen. Bedingt durch die Kombination aus höheren
Transaktionsvolumina, Immobilienpreisen und steigenden Sätzen sind die Einnahmen durch die Grunderwerbsteuer seit 2005 deutlich angestiegen. So lag
2013 das Aufkommen bei rd. 8,4 Mrd. EUR, für 2014 werden ca. 9,2 Mrd. EUR.
26
erwartet (zum Vergleich: 2005 rd. 4,8 Mrd).
Um diesen Zuwachs einzuordnen, sind jedoch nicht nur die absoluten Aufkommenszahlen, sondern auch ein Verweis auf die Kompetenzverteilungen zwi27
schen Bund und Ländern hilfreich. Zwischen Bund und Ländern bestehen
21
22
23
24
25
26
27
9
| 26. März 2015
Europäische Kommission (2012). S.70 für Überblick zu Regelungen und aktuellen Änderungen in
den Mitgliedstaaten.
S. Möbert, J. (2014). Robuste Investitionen und Preise steigen weiter. Ausblick Deutschland
(5.11.2014). Deutsche Bank Research.
Vgl. Grunderwerbsteuergesetz §1. Ausnahmen bestehen bei „einheitlichem Vertragswerk“, das
neben dem Übertrag des Grundstücks auch dessen Bebauung regelt, die in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einfließt. In diesem Fall muss der Käufer außer der Grunderwerbsteuer auch Umsatzsteuer auf Bauleistungen zahlen.
Daneben gibt es weitere Ausnahmen, etwa für Bagatellfälle bis EUR 2.500. Für einen Überblick
s. RWI (2012). Probleme der Grunderwerbsteuer und ihrer Anhebung durch die Länder. RWIProjektbericht.
Der einheitliche Satz von 3,5% bestand seit 1997.
Ungewichteter Durchschnitt.
S. Ergebnisse des Arbeitskreises Steuerschätzung Nov. 2014 (BMF).
S. hierzu auch Zipfel, F. (2011): Finanzen der Bundesländer im Schatten des Bundes. Aktuelles
Thema. Deutsche Bank Research.
Research Briefing
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
Grunderwerbsteuer ist wichtige
Ländersteuer
enge Verflechtungen sowie horizontale Umverteilungsmechanismen (Länderfinanzausgleich). Die Steuereinnahmen, die die Bundesländer im Ergebnis erhalten, beinhalten daher Anteile und Zuweisungen aus Gemeinschaftssteuern (z.B.
Umsatzsteuern) und Einnahmen aus Steuern, über die die Länder selbst entscheiden können. Die Grunderwerbsteuer zählt zu letzterer Kategorie. Ihre Bedeutung bemisst sich jedoch nicht nur an ihrem Einnahmeanteil an den gesamten Steuereinnahmen der Länder – dieser liegt aktuell bei rd. 3,7% (ggü. 2,85%
2004). Betrachtet man die Grundsteuer im Verhältnis zu den Steuereinnahmen
aus Landessteuern,deren Aufkommen allein den Ländern zufließen und über
deren Höhe sie entscheiden können, beträgt der Anteil der Grunderwerbsteuer
gegenwärtig rd. 53% und hat sich in den letzten 10 Jahren mehr als verdoppelt
28
(2004: 23,5%). Die Grunderwerbsteuer ist damit die ertragsreichste unter den
Landessteuern und eine wichtige finanzpolitische „Stellschraube“.
15
Aufkommen in Mrd. EUR
2013
2014
0
5.000
10.000
15.000
20.000
Gleichzeitig besteht auf Länderebene durch die Einführung der Schuldenbremse ab 2020 teils erheblicher Konsolidierungsdruck. Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, die Grunderwerbsteuer unter Einnahmegesichtspunkten zu betrachten. Zum einen, weil sie eine der wenigen für die Länder beeinflussbaren Größen ist. Zum anderen wird dies durch die spezifische Ausgestaltung des Länderfinanzausgleichs bzw. die Handhabung der Grundsteuer in diesem Verfahren befördert.
Erbschaftssteuer
Grunderwerbsteuer
Rennwett- und Lotteriesteuer
Feuerschutzsteuer
Biersteuer
Quellen: BMF (Steuerschätzung Nov. 2014), Deutsche
Bank Research
Seltener Erhöhungen bei niedrigeren
Schulden
Anzahl Grunderwerbsteuererhöhungen* pro
Bundesland
Schuldenstand in EUR
(p.c. 2013, gerundet)
0
2.600
1
9.500
2
14.100
3
17.300
16
*bis einschl. 1.1.2015.
Höhere Schulden, höhere Steuern
17
X-Achse: Grunderwerbsteuer in Prozent (Jan. 2015),
Y-Achse: Schuldenstände* nach Bundesland
5,0
R² = 0,37
4,5
Weil die Befürchtung bestand, dass Länder über Steuersatzsenkungen die für
den Finanzausgleich relevanten Einnahmen senken könnten und ein verzerrter
Steuerwettbewerb die Folge wäre, wurde für die Grunderwerbsteuer ein Normierungsverfahren eingeführt. Dabei wird das Gesamtaufkommen der Grunderwerbsteuer auf die Länder aufgeteilt. Der Länderanteil ergibt sich aus dem Anteil der Landesbemessungsgrundlage an der Gesamtbemessungsgrundlage
29
(unabhängig vom Steuersatz). Durch die Regelung wirken sich Steuersatzänderungen in einem Land auch auf die Einnahmen der übrigen Länder aus (über
das Gesamtaufkommen). Mehreinnahmen durch Steuererhöhungen werden für
30
die Berücksichtigung im LFA nur anteilig angerechnet. Damit kann es besonders für kleinere Länder attraktiv sein, die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer zu steigern (geringer Anteil an Finanzkraft insgesamt). Dies gilt umso
mehr vor dem Hintergrund der aktuell regen Immobilienkonjunktur. Kritikpunkte
an der bestehenden Regelung sind zum einen die Ungleichbehandlung zwischen den Ländern (Steuersatzerhöhung in A hat nicht dieselben Auswirkungen
wie in B), zum anderen auch mögliche Anreize für Erhöhungen der Sätze (Ländern kann bei Verwendung der normierten Einnahmen höhere Finanzkraft
31
unterstellt werden, als auf Basis der tatsächlichen Einnahmen).
Die Entwicklung der Besteuerung von Immobilienkäufen in den vergangenen
Jahren und die sich herausbildenden regionalen Unterschiede legen zudem
einen gewissen Zusammenhang zwischen der Finanzsituation der Länder und
der Entwicklung der Steuersätze nahe. So war etwa Berlin das erste Bundesland, das nach der Reform (2006) zum 1.1.2007 die Grunderwerbsteuer anhob
4,0
3,5
3,0
3
4
5
6
7
*Schuldenstände pro Kopf als logarithmierte
Durchschnittswerte (2006-2013)
28
Quellen: Statistisches Bundesamt, Deutsche Bank Research
29
30
31
10 | 26. März 2015
S. auch DIW (2014). Grunderwerbsteuer. DIW-Wochenbericht Nr. 50.
Bemessungsgrundlage sind die Grundbeträge der Länder, die sich aus den tatsächlichen Landesaufkommen, geteilt durch den Landessteuersatz ergeben. S. auch Broer (2014). Reformoptionen des Länderfinanzausgleichs unter politökonomischer Betrachtung. Wirtschaftsdienst 94(4)
und DIW (2014). Reform der Grunderwerbsteuer. DIW Wochenbericht Nr. 50.
Würde bspw. Bremen durch eine Steuersatzerhöhung seine Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer um 10 Mio. erhöhen, würden dem Land für den LFA nur ein geringer Anteil zugerechnet
werden, weil der Länderanteil an der Gesamtbemessungsgrundlage vergleichsweise gering ist.
Ein Land mit einem höheren Gesamtanteil, müsste einen entsprechend größeren Anteil einbringen. Beispiel nach Broer (2014) und DIW (2014).
S. DIW (2014), Wirtschaftsdienst (2014), DSI (2013). Grunderwerbsteuer und Länderfinanzausgleich: Anreize für Steuererhöhungen beseitigen. DSI kompakt Nr.2, RWI (2012): Probleme der
Grunderwerbsteuer und ihrer Anhebung durch die Länder; und Hessicher Landtag (2012). Gesetzesentwurf – für ein Gesetz über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer.
Drucksache 18/6228.
Research Briefing
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
Grundsteuer in Deutschland
18
Die Grundsteuer ist eine Realsteuer und fließt
den Gemeinden zu, die über die Festlegung
der Hebesätze auch deren Höhe beeinflussen
können. Grundsätzlich fällt die Grundsteuer bei
allen Arten von Grund- und Immobilienbesitz
an (inkl. Teileigentum und Erbpachtrechte),
wobei zwischen der Grundsteuer A für landwirtschaftlich genutzte Flächen und der Grundsteuer B für bebaute bzw. bebaubare Flächen
unterschieden wird. Die Höhe der Grundsteuer
wird in einem mehrstufigen Verfahren ermittelt
und ist abhängig von
(1) dem festgesetzten Objektwert – dem so
genannten Einheitswert, der durch das Finanzamt bestimmt wird. Einheitswerte variieren
nach Nutzung (bebaut/unbebaut), Lage (neue/
alte Bundesländer) und Objektcharakteristika.
(2) der Steuermesszahl – dies ist ein Prozentsatz, der auf den Einheitswert angewendet
wird und zusammengenommen den Grundsteuermessbetrag ergibt. Die Steuermesszahl
unterscheidet sich für unterschiedliche Grundvermögen (z.B. Einfamilien- und Zweifamilienhäusern).
(3) dem vor Ort gültigen Hebesatz, mit dem der
Steuermessbetrag multipliziert wird.
Die Besteuerung von Grundwerten auf subnationaler Ebene und die Verknüpfung mit Immobilienwerten basiert auf der Idee, dass sich
kommunale Dienstleistungen in Bodenwerten
kapitalisieren und über die Grundsteuer als
Rente abgeschöpft werden.34
Die Grundsteuer wird von Eigentümern gezahlt. Bei Vermietung kann sie allerdings als
Teil der Betriebskosten auf Mieter umgelegt
werden. Ausnahmen von der Grundsteuerpflicht bestehen etwa für Grundstücke der
öffentlichen Hand oder Körperschaften für
gemeinnützige Zwecke.
Hebesätze im längerfristigen Vergleich
19
Durchschnittshebesätze in Prozent (dt.
Gemeindem gesamt)
450
425
400
375
350
325
300
275
250
2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013
Grundsteuer A
Gewerbesteuer
– gefolgt von bislang zwei weiteren Erhöhungen. Demgegenüber ist etwa in
Sachsen oder Bayern – den beiden Bundesländern ohne Steuererhöhungen –
auch der Konsolidierungsbedarf auf Landesebene geringer. Teils wurden die
Steuererhöhungen ausdrücklich mit dem bestehenden Konsolidierungsdruck
begründet; so zuletzt etwa in NRW, wo der Satz für die Grunderwerbsteuer zum
32
1.1.2015 auf 6,5% angehoben worden war.
Aus Ländersicht ist die Kombination aus höheren Steuern und reger Immobilienkonjunktur durchaus profitabel: Die Aufkommen aus der Grunderwerbsteuer
sind ggü. 2005 (damals mit bundesweit einheitlichem Satz von 3,5% und
schwächerer Immobilienkonjunktur) in allen Bundesländern angestiegen, mitunter deutlich. An der Spitze liegt auch hier Berlin mit einem Aufkommenszuwachs
33
von rd. 180%.
Grundsteuer: Hebesätze steigen stetig
Die Grundsteuer ist die drittwichtigste Einnahmequelle der Kommunen – nach
der Gewerbesteuer und dem Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer – und
trägt rund 15% zum Steueraufkommen bei. Der überwiegende Teil des Grund35
steueraufkommens, rd. 97%, entfällt dabei auf die Grundsteuer B.
Aus der Perspektive der Gemeinden ist die Festsetzung der Hebesätze (jeweils
zu Jahresbeginn beschlossen) wichtige Stellgröße, um Einnahmen aus der
Grundsteuer zu beeinflussen. Der Anstieg der Hebesätze für die Grundsteuer ist
ein bereits längerfristig zu beobachtender Trend (s. Grafik 19). Von 2003 bis
2013 betrug der Anstieg rd. 14 Prozent. Verstärkt ist diese Tendenz seit 2009
36
zu beobachten und setzte sich auch zuletzt fort. 2014 haben 21% der Kom37
munen ihre Grundsteuersätze erhöht.
Im Folgenden untersuchen wir die Entwicklung der Hebesätze von 2009 bis
38
2013 für 126 deutsche Städte genauer. Die Analyse umfasst damit zwar nur
einen Teil der Kommunen, aber mehr als ein Drittel der Einwohner in Deutschland leben in den betrachteten Zentren. Zudem sind die Entwicklungen in Städten angesichts des Bedeutungsgewinns urbaner Immobilienmärkte von besonderem Interesse.
Insgesamt liegt das Niveau der Hebesätze in städtischen Gemeinden höher als
im Bundesdurchschnitt (betrachtete Städte mit durchschnittlichem Hebesatz von
39
487 ggü. 436 im Gesamtdurchschnitt für 2013). Auch innerhalb der Gruppe
der betrachteten Städte gilt tendenziell: „Je größer, desto höher die Hebesätze“.
Den höchsten Satz bundesweit hat hierbei Berlin (810).
Der bundesweit zu beobachtende Trend zu höheren Sätzen gilt auch für unsere
Auswahl städtischer Gemeinden. Gegenüber 2009 haben rd. drei Viertel der
Städte ihre Hebesätze angehoben. Während mancherorts die Hebesätze unverändert blieben, sind im Vergleich zu 2009 keine Senkungen zu beobachten. Im
Schnitt stiegen die Sätze von 438 auf 487. Den deutlichsten Anstieg hatten Hanau (HE), Erfurt und Gera (TH), Duisburg, Hagen (NRW) und Neubrandenburg
(BB) zu verzeichnen.
Grundsteuer B
32
Quellen: Destatis (Realsteuervergleich 2013), Deutsche
Bank Research
33
34
35
36
37
38
39
11 | 26. März 2015
S. http://www1.wdr.de/themen/politik/grunderwerbsteuer102.html
Ebenfalls für 2005 bis2013. Vgl. DIW (2014).
Für einen Überblick s. u.a. Fischel (2000): Municipal corporations, homeowners and the benefit
view of the property tax. Property taxation and local public finance. In Wallace E. Oates (Edit.)
(2000). Lincoln Institute for Land Policy. Cambridge (MA). Preprinted in State Tax Notes, Vol. 18,
Issue 22, S. 1781-1803, Mai 2000.
Angaben für 2014. Vgl. ifst (2015): Grundsteuer und Gewerbesteuer: Update 2014.
S. auch ifst und Ernst & Young (2015). Entwicklung der kommunalen Realsteuern 2005-2014.
Zum Stichtag 30.06.2014 S. Ernst & Young Studie Kommunalfinanzen (2015).
Hierbei handelt es sich um die wichtigsten städtischen Immobilienmärkte analog der Klassifikation von BulwienGesa.
S. Realsteuervergleich 2013. Statistisches Bundesamt.
Research Briefing
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
Hebesätze in ausgewählten Städten: im
Schnitt in den letzten 5 Jahren gestiegen 20
Hebesätze für 126 deutsche Städte
1000
800
Allerdings sind die Anstiege unterschiedlich verteilt. Hohe Niveaus bedeuten
nicht zwingend auch eine deutlichere Dynamik. Ebenso handelt es sich trotz
allgemeinen Aufwärtstrends nicht um reine Aufholeffekte. So finden sich zum
einen Städte mit unverändert hohen als auch unverändert niedrigen Sätzen.
Zum anderen haben sowohl Städte mit vergleichsweise niedrigem als auch hohem Niveau (Basis von 2009) weiter erhöht.
600
Gerade die Stadtstaaten und einige der größeren Städte haben zwar tendenziell
höhere Niveaus, aber in den vergangenen Jahren vergleichsweise weniger
ausgeprägte Steigerungen zu verzeichnen bzw. die Sätze blieben konstant. Im
40
Schnitt waren es eher kleinere Zentren, die deutlicher erhöht haben. Insgesamt ist auf Stadtebene aber eine hohe Heterogenität zu beobachten.
400
200
0
2009
2010
Median
2011
2012
Min
Quellen: Destatis, Deutsche Bank Research
2013
Max
Höhe und Dynamik der Hebesätze deutscher Städte
21
X-Achse: Änderung der Hebesätze in Prozent (2009 ggü. 2013), Y-Achse: Höhe des Hebesatzes 2009.
850
durchschnittlicher Anstieg
2009-2013
750
II
I
650
550
450
Mittelwert 2009
350
IV
250
0
10
III
20
30
40
50
60
I:überdurchschnittliches Ausgangsniveau aber nur moderater Anstieg
II: überdurchschnittliches Ausgangsniveau und starker Anstieg
III: von moderatem Ausgangsniveau überdurchschnittlich stark gestiegen
IV: moderates Niveau und geringer Anstieg
Quellen: Destatis, Deutsche Bank Research
Die Entwicklung der Hebesätze zeigt dabei in Teilen entgegengesetzte Muster
zu den Immobilienpreisen, denn bei letzteren waren es insbesondere Metropolen und wirtschaftsstarke Städte, die stärkeres Wachstum zu verzeichnen hatten. Dabei spiegeln die Preisentwicklungen auch die wachsende Beliebtheit und
den Bedeutungsgewinn bestimmter Zentren wider, denn in der mehrjährigen
Betrachtung hängen Preis- und Einwohnerentwicklung miteinander zusammen.
Für die Entwicklung der Hebesätze gilt dieses Muster so nicht.
Naheliegend ist, dass die Erhöhungen der Sätze – ähnlich wie bei der Grunderwerbsteuer – eher „einnahmengetrieben“ sind. Die Überprüfung dieser These ist
jedoch aus zwei Gründen nicht ganz einfach: zum einen sind Haushaltsdaten
auf der entsprechenden Ebene teils nur lückenhaft verfügbar bzw. weisen Strukturbrüche auf. Zum anderen ist die Erhöhung der Hebesätze zwar ein wichtiges,
aber nicht das einzige Instrument (alternativ bestünde z.B. die Möglichkeit zur
Erhöhung der Gewerbesteuerhebesätze). Zwar lässt sich durchaus argumentieren, dass Erhöhungen der Grundsteuersätze für finanzschwache Kommunen
die relativ gesehen einfachere Alternative darstellen (aufgrund der geringeren
Mobilität des besteuerten Faktors), was auch der bundesweite Trend stützt,
dennoch dürften in die Abwägung im Einzelfall ortsspezifische Faktoren einfließen. Aus polit-ökonomischer Betrachtung dürften hierfür etwa Gewerbestruktur
vor Ort oder Eigentumsquoten eine Rolle spielen.
40
12 | 26. März 2015
Der durchschnittliche Anstieg der Sätze zwischen 2009 und 2013 der Städte im Sample ist in den
Städten mit über 250.000 Einwohnern um rund einen Prozentpunkt geringer, auch die maximalen
Anstiege sind niedriger, wenngleich innerhalb der Gruppen eine hohe Streuung besteht.
Research Briefing
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
Allerdings deuten unsere Ergebnisse an, dass stärker verschuldete Städte hö41
here Sätze haben bzw. diese in den letzten Jahren stärker erhöht haben. Zudem zeigt sich der Einfluss der Länderebene, denn die Unterschiede zwischen
den Bundesländern sind signifikant und erklären damit auch ein Stück weit die
42
Differenzen zwischen den Städten. Auch ist auffällig, dass sich in der Gruppe
derjenigen Städte, die keine Erhöhungen zu verzeichnen hatten, überproportional viele Städte aus Bayern finden – aber kaum Zentren aus NordrheinWestfalen, die für sich genommen einen vergleichsweise großen Teil der Ge43
samtgruppe ausmachen.
Diese „Ländereffekte“, die auch auf Stadtebene sichtbar sind, könnten wiederum den unterschiedlich ausgeprägten fiskalischen Druck und die Auswirkungen
länderspezifischer Konsolidierungsinstrumente widerspiegeln. So haben mittlerweile eine Reihe von Bundesländern kommunale Sanierungsprogramme/
Schutzschirme aufgelegt, die es aber meist zur Bedingung machen, dass die
teilnehmenden Kommunen einen Beitrag zur Haushaltssanierung leisten. Hierfür wiederum bieten sich Erhöhungen der Grundsteuer an, manchmal werden
44
diese sogar zur Auflage gemacht. Den Stadtstaaten wiederum, deren Hebesätze in den letzten Jahren unverändert blieben, könnten sich Erhöhungen der
45
Grunderwerbsteuer als attraktivere Alternative angeboten haben – sowohl vor
dem Hintergrund des aktuellen Marktumfelds (steigende Transaktionsvolumina
und Preise) als auch aus polit-ökonomischen Erwägungen.
Auswirkungen steigender Grund- und Grunderwerbsteuer
Angesichts der beobachteten Trends für Grund- und Grunderwerbsteuer in
Deutschland stellt sich die Frage nach den ökonomischen Auswirkungen der
Erhöhungen. Hierbei geht es nicht um eine grundsätzliche Kritik von Grundbzw. Grunderwerbsbesteuerung, sondern deren aktuelle Dynamik sowie mögliche Effekte. Auch muss man zwischen Effekten für Grund- und Grunderwerbsteuer unterscheiden.
Effekte höherer Grunderwerbsteuern
Die Grunderwerbsteuer ist Hauptbestandteil der Transaktionskosten beim Im46
mobilienerwerb in Deutschland und die Höhe der Steuersätze in einigen Bundesländern im europäischen Vergleich inzwischen nicht mehr am unteren Ende.
Höhere Grunderwerbsteuern verteuern zunächst einmal den Immobilienerwerb
für Haushalte – gesamtwirtschaftlich gesehen mit nachteiligen Effekten für Vermögensbildung, -streuung und Altersvorsorge. Dabei ist die Differenz der Sätze
gerade in städtischen Gebieten, wo das Preisniveau angezogen hat, mitunter
nicht unerheblich. Dies trifft insbesondere Käufergruppen mit knapperen Budgets (z.B. junge Familien), die entweder Abstriche bei Objekt oder Lage hinnehmen, stärker kreditfinanzieren oder auf Eigentum verzichten müssten. Insofern stehen die Effekte im Widerspruch zu anderen Maßnahmen, welche die
41
42
43
44
45
46
13 | 26. März 2015
Dies basiert auf einer Paneldatenschätzung (2009-2013) mit fixed effects. Neben dem Schuldenstand pro Kopf als Indikator für Konsolidierungsdruck wurde für Arbeitslosigkeit als ein grober
Proxy für Wirtschaftsstärke der Gemeinde kontrolliert. Die Ergebnisse für Verschuldung sind positiv und statistisch signifikant.
Dies basiert auf einer Regression qualitativer Faktoren auf die Höhe der Hebesätze. S. auch
Baum (2006). An introduction to modern Econometrics using STATA. Stata Press.
An der Gruppe der Städte mit konstanten Hebesätzen 2009-2013 (31) haben Städte in Bayern
einen Anteil von rd. 35% (gesamtes Sample: 13,5%). Städte in NRW machen lediglich 7% in der
Gruppe der konstanten aus bei einem Anteil von 29% in der Gesamtgruppe.
S. Winter, FAZ, Welt (25.02.2015) sowie Immobilienzeitung (14.08.2014).
Berlin hatte die Grunderwerbsteuer seit 2007, 2012 und 2014 erhöht, Bremen 2011 und 2014,
Hamburg zuletzt zum 1.1.2009.
Vgl. BBSR (2006). Internationaler Vergleich von Kosten und Dienstleistungseffizienz bei der
Transaktion von Wohneigentum – Optionen für Deutschland.
Research Briefing
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
Wohneigentumsbildung fördern sollen. Regional ist in ländlichen Regionen, wo
häufiger gekauft als gemietet wird, die Betroffenheit stärker. Gleichzeitig fallen
Transaktionskosten für Käufer mit längerfristigem Fokus weniger stark ins Gewicht.
Höhere Transaktionssteuern können sich grundsätzlich negativ auf die Marktliquidität auswirken und bewirken, dass weniger Transaktionen mit höheren Werten stattfinden. Geringere Marktliquidität kann wiederum dazu führen, dass Eigentümer auch dann in ihren Immobilien verbleiben, wenn diese eigentlich nicht
mehr zur Lebenssituation passen, d.h. die Bestandsnutzung wird ineffizienter.
Auch werden in der Literatur nachteilige Effekte höherer Transaktionskosten auf
die Arbeitskräftemobilität angemahnt. Bei Untersuchungen von Mobilitätseffekten ist jedoch zu beachten, dass Ergebnisse aus anderen Länderkontexten,
etwa USA, mitunter nur eingeschränkt übertragbar sein könnten (etwa aufgrund
der unterschiedlichen Geographie und der Mietmarktstrukturen). Eine Untersuchung für fünf europäische Länder legt nahe, dass Eigentümer tendenziell we47
niger mobil sind. Ländervergleichende Analysen finden Effekte höherer Transaktionskosten auf Mobilität, allerdings sei dieser im Vergleich zu anderen Faktoren eher gering. Speziell für Deutschland scheinen allerdings empirische Effekte
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noch nicht ausreichend untersucht. Gerade hier ist jedoch zu beachten, dass
auch zunehmende Preisunterschiede und regional spezifische Schocks Mobilitätshemmnis sein bzw. mit höheren Transaktionskosten gemeinsam wirken
können. Auch gilt, dass eine gute Arbeitsmarkt- und Immobilienkonjunktur „lockin“-Effekte, die oft erst in Phasen mit Preisabschwüngen sichtbar werden bzw.
verstärkend wirken, ein Stück weit überdeckt.
Eigentümerwechsel gehen oft mit Sanierungen einher, d.h. eine geringere
Marktliquidität kann sich nachteilig auf die Qualität des Baubestands auswirken.
Auch deuten sich hier Widersprüche zu anderen (immobilien)politischen Zielen,
wie z.B. der Sanierung von Gebäudebeständen, an.
Daneben könnte ein weiterer Nachteil hoher Transaktionssteuern darin liegen,
dass sie einen stärkeren Anreiz zu deren Vermeidung oder Reduzierung bieten,
etwa über falsche Wertangaben. Dies wiederum hätte Nachteile für die Markttransparenz und würde eine akkurate Bewertung erschweren.
Als Stabilisierungselement, um Überhitzungstendenzen auf dem Immobilienmarkt entgegenzuwirken, werden Grunderwerbsteuern eher ambivalent beur49
teilt. Zwar können sie Preisvolatilität senken, allerdings seien die tatsächlichen
Effekte hier vergleichsweise gering ausgeprägt. Zudem erweisen sich Grunderwerbsteuern häufig als eher grobes Steuerungsinstrument. Am ehesten erscheint entsprechend ihr Gebrauch für vergleichsweise homogene Märkte sinnvoll. Auch können ihre Wirkungen über die Zeit problematisch sein (Verzerrungen durch Vorzieheffekte oder Verharren auf höherem Niveau, wenn Steuerungswirkung nicht mehr gebraucht würde, Nachteile aber zutage treten).
Eine qualitativ hochwertige Bankenaufsicht hat einen stärker dämpfenden Effekt
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auf Preisvolatilität als Transaktionskosten. Auch erscheint erstere
organisationell und aufgrund von Informationsvorteilen (etwa laufender Beobachtung der Kreditmarktentwicklungen) letztlich besser geeignet, um Finanzmarktstabilität zu gewährleisten. Grundsätzlich bieten sich hier eine Reihe weicher und harter Instrumente (z.B. Kommunikation, höhere Risikogewichte, antizyklische Kapitalpuffer, Begrenzung der Kredithöhe im Verhältnis zum Immobilienwert) und damit bessere Möglichkeiten für zielgenauere und ursachenadäquatere Maßnahmen an. Vor dem aktuellen Hintergrund in Deutschland (Ein47
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S. Barcelo, C. (2006): Housing Tenure and Labour Mobility: A Comparison Across European
Countries. Banco de España Working Paper No.0603.
Vgl. BBSR (2006), RWI (2012) und DIW (2014).
OECD (2011).
S. ibid.
Research Briefing
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
richtung der gemeinsamen Bankenaufsicht und Implementierung neuer Strukturen makroprudentieller Aufsicht) bedeutet der Einsatz dieser Instrumente jedoch
ein Stück weit Neuland.
Effekte höherer Grundsteuern
Erhöhungen der Grundsteuer werden in der neueren finanzwissenschaftlichen
Literatur durchaus als ein Element einer wachstumsfreundlichen Steuerpolitik
gesehen, deren Potentiale mitunter nicht in vollem Umfang ausgeschöpft wur51
den. Auch scheinen die kurzfristigen Effekte auf die Wohnortwahl gering.
Allerdings ist mit der Grundsteuer auf kommunaler Ebene auch die Frage nach
deren Verteilung und der damit verbundenen Leistungen verknüpft. Kurzfristig
können Erhöhungen Mittel zum (fiskalischen) Zweck sein, längerfristig dürften
sie aber nachteilig auf Attraktivität von Gemeinden wirken, wo höheren Sätzen
nicht oder nur in eingeschränktem Maße bessere Leistungen gegenüberstehen.
Nicht zuletzt ist die Rationalität der Grundsteuer in dem Wert kommunaler Leistungen begründet, von denen Eigentümer profitieren – als Nutzer und über
Wertentwicklung. Sinkt allerdings die Attraktivität von Standorten, kann dies
mittelfristig ein Dilemma für finanzschwache Kommunen und deren Bevölkerung
bedeuten (Fixkosten bleiben oder lassen sich nur langsam reduzieren und müssen dann auf die verbleibenden Einwohner umgelegt werden). Insofern sind
laufende Erhöhungen allein keine nachhaltige Lösung kommunaler Finanzierungsprobleme.
Der stetige Anstieg der Hebesätze im Langzeitvergleich wiederum ist auch ein
Stück weit Ausgleich für die veralteten Einheitswerte. Eine Reform der Grundsteuersystematik und der verwendeten Bewertungsmethoden wird bereits seit
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geraumer Zeit diskutiert, steht aber weiterhin aus. Der Bundesfinanzhof hatte
bereits vor Jahren die Verwendung der veralteten Einheitswerte (Basis 1964 für
West- und 1935 für Ostdeutschland) kritisiert und die Notwendigkeit von Neu53
bewertungen angemahnt.
Insgesamt spiegeln die Entwicklungen der Grund- und Grunderwerbsteuer in
Deutschland in den letzten Jahren Konsolidierungsdruck auf föderaler und
kommunaler Ebene, die Verflechtung föderaler Finanzbeziehungen und die
spezifische Ausgestaltung institutioneller Anreizmechanismen sowie die rege
Immobilienkonjunktur wider. Da sowohl hinsichtlich der Marktlage als auch des
fiskalischen Konsolidierungsdrucks wenig kurzfristige Änderungen zu erwarten
sind, dürfte auch das Thema (steigende) Immobilienbesteuerung absehbar auf
der Tagesordnung bleiben. Mit zunehmender steuerlicher Belastung von Immobilien verdienen jedoch mögliche Nebenwirkungen und systematische Reformüberlegungen stärkere Beachtung.
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Vgl. u. a. Europäische Kommission und Bahl (2008).
S. u.a. Färber, Salm, Hengstwerth (2014). Grundsteuerreform in Deutschland: Eine unendliche
Geschichte? Wirtschaftsdienst (Oktober 2014).
Vgl. Urteil Bundesfinanzhof (2010) sowie Bundesfinanzhof AZ: II R16/13 „Bundesfinanzhof legt
die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vor“.
Research Briefing
Einheit in Vielfalt? Immobilienbesteuerung in Europa und Deutschland
Schlussbemerkungen
Gemeinsam zeigen der europäische Vergleich im ersten Teil und die Beobachtungen für Deutschland zwei Dinge deutlich:
1. Die Unterschiede in Europa bei der Immobilienbesteuerung sind beträchtlich, dies betrifft sowohl Instrumente wie steuerliche Abzugsmöglichkeiten
als auch die Grund- und Grunderwerbsteuern.
2. „Local context matters“ – d.h. selbst bei ähnlicher Motivation (Einnahmengenerierung) ist die Ausgestaltung von Immobiliensteuern sehr spezifisch,
und ihre Wirkungsweise kann in Abhängigkeit vom nationalen (bzw. lokalen)
Kontext ebenfalls sehr unterschiedlich ausfallen. Neben Marktbedingungen
spielen hierbei auch die Aufteilung von Kompetenzen auf substaatlicher
Ebene sowie bestehende Transfermechanismen eine wichtige Rolle.
Entsprechend lassen sich pauschale Reformempfehlungen nur bedingt ableiten.
Ob und inwieweit stärker auf Immobilienbesteuerung zur Haushaltskonsolidierung gesetzt werden sollte, kann nur im Zusammenhang mit der Besteuerung
anderer Faktoren beurteilt werden. Wenn über Immobiliensteuern Mehreinnahmen generiert werden sollen, gilt es zu berücksichtigen, dass die Steuersätze
nicht die einzige Stellschraube darstellen (daneben etwa Besteuerungsgrundlage und bestehende Ausnahmen, die zugrunde gelegten Werte bzw. deren Aktualität, Erfassung und Steuerbefolgung). Je nach Situation vor Ort können Probleme hier sehr unterschiedlich gelagert sein und entsprechend andere Lösungsansätze gewählt werden. Transparente und vergleichbare Wertermittlungsverfahren sind dabei nicht nur für die Besteuerung von Immobilien bedeutsam, sondern auch für die Vergleichbarkeit von Vermögen und die Beobachtung
der Immobilienmärkte in Europa.
Patricia Wruuck (+49(69)910-31832, [email protected])
Frank Zipfel (+49(69)910-31890, [email protected])
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Internet/E-Mail: ISSN 2193-5955
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