Applikationsinformation Viskoelastizität von Hydrogelen Problembeschreibung / Untersuchungsziel In-vitro-Tests mit zweidimensionale Zellkulturen sind nur bedingt aussagekräftig, da die komplexen Zellinteraktionen nur in dreidimensionalem Gewebe ablaufen. Aus diesem Grund wird das Interesse an dreidimensional strukturierbaren Biomaterialien in der Wissenschaft immer größer. beschreiben, da diese Materialien ein frequenzabhängiges, viskoelastisches Verhalten aufweisen. Gerade der physiologische Frequenzbereich möglicher Belastungen (0,1-3 Hz) wird nicht betrachtet. Diese Biomaterialien werden beispielsweise als Gerüststrukturen für Zellwachstum (Scaffolds) eingesetzt (für Tumorforschung, Wirkstoffforschung oder Implantate für den Gewebeersatz). Die Vielfalt der möglichen Anwendungsfelder impliziert unterschiedliche Anforderungen an das Material. Aus diesem Grund ist es notwendig, eine große Bandbreite an Materialeigenschaften gezielt zu generieren und diese exakt zu quantifizieren. Ein Defizit im Forschungsfeld ist, dass die derzeitige Standardmessungen (DIN 53513) das komplexe mechanische Verhalten vieler in den Life Science eingesetzter Materialien unzureichend Abb.1: Dipl.-Ing. Holger Rothe, Institut für Bioprozessund Analysenmesstechnik e.V. Heilbad Heiligenstadt Ziel der Studie Das Ziel der Studie besteht einerseits in dem Nachweis, dass sich die viskoelastischen Parameter eines Lactid-Caprolacton Copolymers gezielt durch die Variation des Vernetzungsgrades steuern lassen. Dabei sollen sich die Veränderungen vor allem im physiologisch relevanten Frequenz- bereich zeigen. Weiterhin soll eine Auswerteroutine erarbeitet werden, die es ermöglicht, aus Relaxationsmessungen an einem polymeren Material ein kontinuierliches Relaxationszeitspektrum abzuleiten, aus welchem für jede beliebige Frequenz viskoelastische Kennwerte extrahierbar sind. Versuchsaufbau / Lösungsansatz Experiment: Messsystem: Das Experiment besteht aus einer dynamischen Kraftmessung (Indentation & Relaxation) und deren Auswertung. Bei dieser Art der Indentationsmessung wird der Probekörper bis max. 0,5 N bzw.20 % der Probenhöhe senkrecht komprimiert. Die Messung der Kraft erfolgt unter gleichbleibender z-Position für 300 s. Dabei wird das Relaxationsverhalten der Proben untersucht. Die Abtastrate beträgt 100 s-1. Im Anschluss werden die Roh-Daten der ModulZeitkurven mit Hilfe evolutiver Algorithmen angefittet und aus den so gewonnenen Daten das Relaxationszeitspektrum abgeleitet. Als Messsystem wurde der BASALT-N2 INDENTER von TETRA mit einem 1N-Kraftsensor genutzt. Eine kreisförmige Platte mit Durchmesser 6 mm ist an diesem befestigt, um über die gesamte Fläche der zylinderförmigen Probekörper mit d = 5,5 mm, l = 6 mm eine Kraft zu applizieren. Untersuchungsobjekt: Das Untersuchungsobjekt ist eine Material-Plattform aus photovernetzbaren Copolymeren, deren Einsatzgebiet in rapid prototyping Verfahren wie der Zwei-Photonen-Polymerisation liegt. Mit letzterer werden aus photosensitiven Precursoren Gerüststrukturen (Scaffolds) für den Einsatz in der 3D-Zellkultur hergestellt. Die hier verwendeten Precursor bestehen aus Mischungen von Lactid und Caprolacton, welche für die Photovernetzung methacryliert wurden (LCM). Beide Komponenten sind biodegradierbar und biokompatibel und werden von der FDA als Medizinprodukte anerkannt. Durch die Variation der Anteile der beiden Grundmaterialien entsteht eine hohe Variabilität des Systems in Bezug auf Benetzung, biologische Abbaurate, Mechanik und biologischer Funktionalität. Neben der Variation der Anteile an Lactid und Caprolacton kann die Mechanik der Polymere wirkungsvoll über den Einbau monofunktioneller Precursor, also die Herabsetzung des Vernetzungsgrades gesteuert werden. Eine Steigerung des Anteils monofunktioneller Precursor sollte die Steifigkeit des Polymers senken. TETRA Viskoelastizität von Hydrogelen - Applikationsinformation Abb. 2: Versuchsaufbau BASALT-N2-INDENT mit Proben bifunktionell monofunktionell Abb. 3: Aufbau der Polymerplattform (Untersuchungsobjekt) 2/4 Ergebnisse Im Ergebnis der Auswertung der Relaxationsmessungen wurden frequenzabhängige Speichermoduli und Verlustmoduli unterschiedlicher Polymermischungen im Frequenzbereich 10-6 s-1 bis 106 s-1 erhalten. Dabei konnte gezeigt werden, dass die gewählte Materialplattform ein Relaxationsgebiet besitzt, welches im physiologisch relevanten Bereich liegt. Der Speichermodul weist eine deutliche Dispersionsstufe zwischen 0,1 Hz und 10 Hz auf. Bei niedrigen Frequenzen entspricht der Speichermodul dem relaxierten E-Modul. Da bei hohen Frequenzen das Polymer keine Möglichkeit hat zu relaxieren, entspricht der Speichermodul dem unrelaxierten E-Modul. Der Verlustmodul ist hierbei gleich Null. Polymeren durch den Einsatz von monofunktionellen Precursoren möglich ist. Durch diese Erkenntnisse in Verbindung mit Rapid Prototyping – Verfahren wie der Zwei-Photonen-Polymerisation können strukturell und mechanisch optimierte Designerscaffolds erschaffen werden. Mit steigendem Anteil monofunktioneller Komponenten konnte eine deutliche Herabsenkung der Steifigkeit des Materials erreicht werden. (Abb. 5A) Gleichzeitig steigt der relative Anteil des Verlustmoduls. Das Relaxationsgebiet selbst verschiebt sich mit steigendem Anteil monofunktioneller Precursor nur leicht zu niedrigeren Frequenzen, bleibt jedoch insgesamt im physiologisch relevanten Bereich. (Abb. 5-B). Dies führt dazu, dass eine Ermittlung des Elastizitätsmoduls nach DIN bei allen getesteten Materialmodifikationen grundsätzlich zu höheren Werten führt, (Abb. 5-C) weswegen die hier gewählte Mess- und Auswertestrategie zu bevorzugen ist. Abb. 4: Diagramm von Verlust- und Speichermodul Schlussfolgerung Die eingangs formulierte These, dass durch den Einbau monofunktioneller LCM das viskoelastische Verhalten über mehrere Größenordnungen gezielt eingestellt werden kann, wurde durch die Untersuchungen bestätigt. Bei Erhöhung des Anteils monofunktioneller LCM steigt der viskose Anteil bis zum Verlust der strukturellen Integrität (100% monofunktionell = kein Vernetzer). Die Messwertaufzeichnung und der einstellbare Kraftbereich des BASALT-N2 INDENT eignen sich hervorragend für die systematische Untersuchung des viskoelastischen Verhaltens von Biomaterialien und Hydrogelen. Es konnte somit der Nachweis erbracht werden, dass eine gezielte Variation mechanischer Eigenschaften von photostrukturierbaren Abb. 5: Ergebnisse der Experimente Abb. 6: Scaffold mit untersuchter Polymerplattform, strukturiert durch Zwei-Photonen-Polymerisation TETRA Viskoelastizität von Hydrogelen - Applikationsinformation 3/4 Literatur Rothe, H., Mämpel, J., Mollenhauer, O., Rost, J., Liefeith, K. (2014):Applikative Kraftmessung mit Hilfe des Präzisionstesters BASALT N2. Technische Systeme für die Lebenswissenschaften, 17. Heiligenstädter Kolloquium. Institut für Bioprozessund Analysemesstechnik e.V., Heilbad Heiligenstadt. Lee, J., Cuddihy, M. J., Kotov, N. A. (2008): Threedimensional cell culture matrices: state of the art. Tissue Engineering Part B: Reviews, 14(1), 61-86. Edalat, F., Sheu, I., Manoucheri, S., Khademhosseini, A. (2012): Material strategies for creating artificial cell-instructive niches. Current opinion in biotechnology, 23(5), 820-825. Davis, K. A., Burdick, J. 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