Wie gesund ist die Schichtarbeit?

Presse-Information Nr. 14 / 19.03.2015
DGAUM-Jahrestagung 2015
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Vizepräsident
Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel
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Schriftführer
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Presse-Round-Table
Warum und wozu? Arbeitsmedizin an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und
betriebsärztlicher Praxis
Donnerstag, 19. März 2015, 13.00 - 14.30 Uhr, Seminarraum 14
Wie gesund ist die Schichtarbeit? Neue Studien zu einem
„alten“ Thema
Statement
Prof. Dr. med. Volker Harth, MPH, Hamburg
In Deutschland arbeiteten von knapp 40 Millionen Erwerbstätigen im Jahr 2013
mehr als 1,7 Millionen Frauen und 3,8 Millionen Männer nachts zwischen 23 Uhr
und 6 Uhr morgens. Das entspricht etwa 14 Prozent aller Erwerbstätigen. In
Wechselschicht arbeiteten insgesamt 5,9 Millionen Erwerbstätige, davon waren
über 3 Millionen ständig in Wechselschichten tätig. Durch die Zunahme des Dienstleistungssektors und die Aufhebung des Nachtarbeitsverbots stieg die Anzahl der
erwerbstätigen Frauen in Nachtschicht seit der Wiedervereinigung deutlich an,
wobei mit einer weiteren Zunahme gerechnet wird.
Was bewirkt Nacht- und Schichtarbeit?
Schichtarbeiter, insbesondere Nachtschichtarbeiter, leiden oft unter Schlafstörungen, da ihr Tagesrhythmus weiterhin zu einem großen Teil von so genannten
„Zeitgebern“ wie Tageslicht sowie sozialen und familiären Kontakten bestimmt wird.
Der Schlaf am Tage ist kürzer, störanfälliger, nicht so tief und somit insgesamt
weniger erholsam. Dies kann die Gesundheit des Arbeitnehmers in verschiedener
Hinsicht beeinträchtigen. Schlafstörungen führen auch zu einer Reihe von unspezifischen gesundheitlichen Effekten, zu denen neben Konzentrationsschwäche,
Nervosität und vorzeitiger Ermüdung auch Appetitlosigkeit und Magenbeschwerden
gehören.
Verschiedene epidemiologische Studien geben Hinweise auf eine Beteiligung von
Schichtarbeit an der Entstehung etwa von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes
mellitus und psychischen Störungen. Bei der Beurteilung der Ursachen erhöhter
Gesundheitsrisiken von Schichtarbeitern müssen als wesentliche Einflussgrößen
jedoch auch der soziale Status der Arbeitnehmer und die damit assoziierten Risikofaktoren, d.s. insbesondere Zigarettenrauchen und Übergewicht, sowie die familiäre
Situation berücksichtigt werden. Neben diesen bekannten Problemen wird noch
eine weitere Gesundheitsgefahr diskutiert: der mögliche Zusammenhang zwischen
Schichtarbeit und Krebserkrankungen, insbesondere Brustkrebs. Dieses Thema
rückte in den Fokus, als die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) im
-2-
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Telefon 0234/302-4501 • Fax 302-4505
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Telefon 0241/80 88 880 • Fax 80 82 587
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Telefon 0214/30 65679 • Fax 30 21307
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Jahre 2007 Schichtarbeit, die mit zirkadianen Störungen einhergeht, als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ einstufte. Als wichtigstes Zielorgan
wurde die weibliche Brust angesehen.
Was kann präventiv getan werden?
Zwischenzeitlich wurde eine Vielzahl von arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen
für die Gestaltung von Schichtarbeit abgeleitet. Diese Empfehlungen beziehen sich
zumeist auf die organisatorischen Aspekte der Schichtarbeit wie z.B. Schichtlänge
oder die Abfolge von Schichten. Neben diesen Maßnahmen gibt es auch Empfehlungen zur Frage, was der einzelne Schichtarbeitnehmer zusätzlich beitragen kann,
um seine Gesundheit zu erhalten. Bei der Planung eines Schichtsystems sind jedoch
in der Praxis nicht immer alle Empfehlungen zu realisieren. Generell sollte bei der
Schichtplangestaltung versucht werden, die arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen, betriebliche Notwendigkeiten sowie die Präferenzen der Belegschaft
miteinander zu vereinen. Es gibt jedoch Kriterien, die nach dem gegenwärtigen
Kenntnisstand in der Arbeitswissenschaft allgemeine Akzeptanz finden:
- Dauernachtschicht vermeiden
- Vorwärtswechsel (Früh-, Spät-, Nachtdienst), dabei
möglichst wenige hintereinander liegende Nachtschichten (maximal 3)
möglichst wenige hintereinander liegende Frühschichten (maximal 3)
möglichst wenige hintereinander liegende Spätschichten (maximal 3)
Im Rahmen weiterer Präventionsmaßnahmen zur Schichtarbeit werden darüber
hinaus auch Maßnahmen zur Verhältnis- und Verhaltensprävention empfohlen. Zu
den vom Arbeitgeber zu treffenden Maßnahmen im Sinne der Verhältnisprävention
gehören:
- Arbeitsmedizinische Betreuung bei Beschäftigten anbieten und bekannt machen
- Beschäftigte bei der Schichtplangestaltung beteiligen
- Kinderbetreuung zugeschnitten für die Schichtzeiten anbieten
- auch nachts gesunde Mahlzeiten vom Betrieb aus anbieten
- Pausenräume zur Verfügung stellen, damit leichtere Mahlzeiten zubereitet werden
- Betriebssport und Raucherentwöhnung anbieten
Eine neue, noch wenig erforschte und in der Alltagspraxis kaum beachtete Strategie
ist eine stärkere Berücksichtigung des individuellen Chronotyps bei der Gestaltung
von Randbedingungen der Schichtarbeit.
Zu den Maßnahmen, die der Schichtarbeitnehmer selbst ergreifen kann, gehören im
Sinne der Verhaltensprävention:
- sich mit den Problemen der Schichtarbeit auseinandersetzen
- an arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen
- gesunde Ernährung
- angepasstes Schlafverhalten
- angepasste Schlafumgebung
- soziale Kontakte aufrecht erhalten
- Sport
Abschließend kann für die Schichtplangestaltung festgehalten werden, dass eine
Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse und Wünsche der Beschäftigten dazu beitragen
kann, ihre Belastungen durch die Schichtarbeit zu verringern. Von Seiten der
Forschung ist weiterhin der Zusammenhang von Nachtschichtarbeit und deren
gesundheitlichen Auswirkungen im Fokus. Dabei ist neben dem „ExpositionsWirkungs-Zusammenhangs“ zu klären, welche Rolle die mit Nachtschicht potenziell
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assoziierten Faktoren wie Tätigkeitsprofil, Chronotyp, Schlaf, Immunfaktoren,
Ernährung, Freizeitverhalten, Risikobewusstsein und sozioökonomischer Status
dabei spielen.
Gegenwärtig werden große Forschungsanstrengungen unternommen, um die
wissenschaftlichen Grundlagen für eine wirksame Prävention der Bevölkerung zu
legen. Beispielsweise beteiligt sich Professor Volker Harth an der Hamburg City
Health Study am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, in die 50.000 Einwohner
aus Hamburg u.a. auch zu ihrer Arbeits- und Schichtplangestaltung befragt werden.
Darüber hinaus koordiniert er die Leitlinie „Gesundheitliche Aspekte und Gestaltung
von Nacht- und Schichtarbeit“, an der verschiedene wissenschaftliche Fachgesellschaften und Wissenschaftler verschiedener Fachdisziplinen beteiligt sind.
Kontakt:
Prof. Dr. med. Volker Harth, MPH
Direktor, Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM),
Universitätsprofessur für Arbeitsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Seewartenstr. 10, Haus 1,
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Tel.: +49 (0) 40 / 428 37 4301 (Sekretariat), Fax: +49 (0) 40 / 427 31 1393
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