Präsenation zum 24.04.2015 Frank Weissenborn

Trainingseinheit zum wohnungswirtschaftlichen
Gedankenaustausch am 24.04.2015 in Berlin
Thema
„Erdrutsch in Sachen Schönheitsreparaturen“
von Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Frank Weißenborn
www.wir-wanderer.de
S. 1
Eingangsfrage an die Fußballfans der
Wohnungswirtschaft:
Was haben ein Fußballspiel der
Bundesliga und ein Rechtsstreit vor
dem BGH gemeinsam?
S. 2
Historische
Einordnung
Gegenüberstellung!
Fußball
1954
1974
1990
2014
vs.
und
Mietrecht
01.01.1900
01.09.2001
01.05.2013
01.06.2015
S. 3
1. Block/Einlaufen:
Wer trägt nach dem gesetzlichen
Leitbild
die
Instandhaltung
und
Instandsetzung des Mietgegenstandes
(und
damit
auch
die
Schönheitsreparaturen)?
S. 4
Lastentragung nach dem Gesetz:
(§ 535 I 2 BGB)
„Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in
einem
zum
vertragsgemäßen
Gebrauch
geeigneten Zustand zu überlassen und sie
während des Mietverhältnisses in diesem Zustand
zu erhalten.“
S. 5
2. Block/Stretching:
Wo
ist
der
Begriff
der
Schönheitsreparaturen
überhaupt
geregelt und was umfassen die
Schönheitsreparaturen?
S. 6
Begriff und Inhalt von Schönheitsreparaturen:
Gesetzlich geregelt in: § 28 IV, 4 II. Berechnungsverordnung
Inhalt/Umfang:
„Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände
und Decken, das Streichen der Fußböden,
Heizkörper einschließlich Heizrohre, der Innentüren
sowie der Fenster und Außentüren von innen.“
S. 7
Nach der herrschenden Ansicht in der Literatur
soll selbst in Wohnraumsachen an die Stelle des
Streichens des Fußbodens nun die Reinigung des
vermieterseits gestellten Teppichs getreten sein.
(vgl. z.B. Erman/Jendrek, zu § 535 BGB, Rn. 94; für Geschäftsräume soll dies nach einem Urteil vom 08.10.2008, XII ZR
15/07, NJW 2009, 510 f. ohnehin gelten!).
S. 8
3. Block/Ballgewöhnung/jeder für sich:
(Ball hochhalten)
Auf welche zwei unterschiedlichen
Möglichkeiten
lässt
sich
die
Verpflichtung zur Durchführung der
Schönheitsreparaturen
von
dem
Vermieter auf den Mieter bewirken?
S. 9
Übertragung der Verpflichtung individualvertraglich:
Eine Individualvereinbarung liegt nur dann vor, wenn der
Vertragsinhalt zwischen den Parteien im Einzelnen
ausgehandelt ist.
Aushandeln bedeutet dabei mehr als das bloße
Verhandeln. Der Verwender muss den Kerngehalt des
Vertragswerkes inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellen
und dem anderen Teil Gestaltungsfreiheit zur Wahrung
eigener Interessen einräumen.
S. 10
Übertragung der Verpflichtung formularvertraglich:
(vgl. §§ 305 ff. BGB, früher: AGBG)
Alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten
Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender)
der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages
stellt.
Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich
gesonderten Bestandteil des Vertrages bilden oder in die
Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen
Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind
und welche Form der Vertrag hat.
S. 11
Merke:
Für die Frage der Wirksamkeit der formularvertraglichen
Übertragung der Verpflichtung der Durchführung der
Schönheitsreparaturen ist es jahrzehntelang nicht
entscheidend darauf angekommen, ob das Mietobjekt zu
Mietbeginn in einem renovierten oder in einem
unrenovierten Zustand an den Mieter übergeben wurde.
So noch grundlegend der BGH im Rechtsentscheid vom 1.
Juli 1987 – VIII ARZ 9/86, BGHZ 101, 253, 264 ff.
S. 12
4. Block/Aufwärmübung mit dem Ball:
(4 gegen 2 mit einem Ballkontakt)
Was
passiert,
wenn
Schönheitsreparaturen nicht wirksam
auf den Mieter übertragen sind?
S. 13
In diesem Fall trifft den Vermieter die Verpflichtung
zur Durchführung von Schönheitsreparaturen wenn
diese fällig sind (zu letzterem später!).
Bei Beendigung des Mietverhältnisses ist der Mieter
dann lediglich gehalten, den Mietgegenstand
„besenrein“ zu hinterlassen; also „frei von groben
Verschmutzungen“.
S. 14
5. Block/Standards werden trainiert:
(Ecken und Freistöße)
[Thomas Müller bei dem Spiel Deutschland : Algerien, Achtelfinale WM am 01.07.2014, 88. Minute bei 0:0]
Auf
welche
Weise
müssen
Schönheitsreparaturen
ausgeführt
werden (und zwar von wem auch
immer!)?
S. 15
Art / Güte der Ausführung von Schönheitsreparaturen:
Fachgerecht in mittlerer Art und Güte. Die Qualität muss
einen ordentlichen Zustand erreichen. Ob diese
Voraussetzung erfüllt ist, soll auch von der Art des
Mietobjektes abhängen (str.).
Die Ausführung muß nicht durch einen Fachbetrieb
erfolgen.
Jedenfalls darf der Anstrich nicht streifig oder fleckig,
sondern deckend und bündig sein.
S. 16
6. Block/Kopfballtraining:
(Am Galgen und aus der Angriffsbewegung nach Flanke)
Wann
sind
Schönheitsreparaturen
fällig? Was hat es mit den Fristen auf
sich? Muss man Fristen vereinbaren?
Wann sind Fristen starr?
S. 17
Mustermietvertrag des Bundesjustizministeriums des Jahres 1976!
Danach sollen Schönheitsreparaturen in der Regel ….
… in Nassräumen (Küche/Bad/Dusche) alle 3 Jahre,
… in Wohn-, und Schlafzimmern, Fluren, Dielen Toiletten
alle 5 Jahre und
… im Übrigen (Nebenräume) alle 7 Jahre fällig sein.
Fristablauf begründet sog. Beweis des 1. Anscheins + dreht die
Darlegungs-und Beweislast.
Auch ohne Erwähnung als Rechtsgedanke anwendbar!
Bei formularvertraglicher Übertragung unwirksam, wenn starr.
S. 18
Weiter zu Fristenplänen:
Bei formularvertraglicher Übertragung sind Fristenpläne indes
unwirksam, wenn sie starr sind und damit Renovierungspflichten
für Objekte unabhängig von dem konkreten Bedarf fällig stellen.
Dieses Rechtsinstitut und Phänomen starrer Fristenpläne
erkannte der BGH erstmals mit Urteil vom 23. Juni 2004 - VIII
ZR 361/03, NJW 2004, 2586.
S. 19
7. Block/Taktiktraining:
(Die Spieleröffnung und die Abseitsfalle)
Was erfanden die Vermieter (zu ihren
Gunsten), für jene Fälle, in denen die
Schönheitsreparaturen noch nicht (oder
nicht wieder) fällig waren?
S. 20
Die sog. Quotenabgeltungsklausel
(20, 40, 60 und 80 % etc.):
Danach sollte es auch formularvertraglich zulässig
sein, den Mieter anteilig an den Kosten zu beteiligen,
die für eine Renovierung entstehen.
So noch grundlegend der BGH im Rechtsentscheid
vom 6. Juli 1988 – VIII ARZ 1/88, BGHZ 105, 71, 84
ff.; Urteil vom 26. September 2007 – VIII ZR 143/06,
NJW 2007, 3632 Rn. 20.
S. 21
Weiter zur sog. Quotenabgeltungsklausel:
Solch‘ ein Fristenplan sollte formularvertraglich selbst
dann noch wirksam sein, wenn er feste und damit
eben starre Fristen aufwies (so noch: BGH Urteil vom
6. Oktober 2004 – VIII ZR 215/03, WuM 2004, 663).
Dies erfuhr alsdann zunächst die Einschränkung,
dass die Klausel formularvertraglich unwirksam sei,
wenn die Regelung eben starr war (so dann Urteil
vom 18. Oktober 2006 - VIII ZR 52/06).
S. 22
8. Block/Elfmeterschießen:
Was änderte sich dann mit den Urteilen
des VIII. Zivilsenats des BGH vom
18.03.2015?
S. 23
… und dann geschah für den Bereich des
Wohnraummietrechts und bei formularmäßiger
Übertragung der Verpflichtungen das:
Hinweisbeschluss des BGH vom 22.01.2014 zu:
VIII ZR 352/12
Urteile des BGH vom 18.03.2015 zu:
VIII ZR 185/14; VIII ZR 242/13; VIII ZR 21/13
S. 24
Die formularvertragliche Übertragung der Verpflichtung
zur Durchführung der Schönheitsreparaturen auf den
Mieter soll nur noch in solchen Konstellationen
zulässig sein, in denen das Mietobjekt bei Mietbeginn
in renoviertem Zustand übergeben wurde.
Dabei
kommt
es
für
die
Abgrenzung
renoviert/unrenoviert letztlich darauf an, ob etwa
vorhandene Gebrauchsspuren so unerheblich sind,
dass die Mieträume im Zeitpunkt der Überlassung den
Gesamteindruck einer renovierten Wohnung
vermitteln; dies hat der Tatrichter unter umfassender
Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu
entscheiden.
S. 25
Aus der Presseerklärung des BGH vom 18.03.2015:
(Bisher) „ …. entsprach es noch der Praxis des
Bundesgerichtshofs, den Anwendungsbereich Allgemeiner
Geschäftsbedingungen unter Rückgriff auf den Grundsatz von
Treu und Glauben (§ 242 BGB) in einer Weise einzuschränken, die
nach heutiger Sichtweise als unzulässige geltungserhaltende
Reduktion einer Klausel auf den gerade noch zulässigen
Inhalt eingestuft würde. Dem damaligen Verständnis lag die
Vorstellung
zugrunde,
dass
der
Mieter
nur
mit
Renovierungsarbeiten für seine eigene Vertragslaufzeit
belastet würde, wenn die "üblichen" Renovierungsfristen im
Falle der Überlassung einer unrenovierten Wohnung an den
Mietbeginn anknüpften“.
S. 26
„Hieran hält der Senat angesichts der weiteren Entwicklung
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den
Maßstäben
der
Inhaltskontrolle
Allgemeiner
Geschäftsbedingungen nicht fest. Insbesondere durch die
ab 2004 einsetzende Rechtsprechung des Senats zum
Erfordernis eines flexiblen Fristenplans (grundlegend Senatsurteil vom 23. Juni 2004 –
VIII ZR 361/03, NJW 2004, 2586 unter II 2)
und durch die Anwendung der
kundenfeindlichsten Auslegung auch im Individualprozess
(dazu Senatsurteil vom 29. Mai 2013 – VIII ZR 285/12, NJW 2013, 2505 Rn. 20 mwN) sind die Maßstäbe der
Inhaltskontrolle
Allgemeiner
Geschäftsbedingungen
erheblich verschärft worden“.
S. 27
„Gemessen daran ist eine Formularklausel, die dem
Mieter einer unrenoviert übergebenen Wohnung die
Schönheitsreparaturen ohne angemessenen Ausgleich
auferlegt, unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Denn eine solche Klausel verpflichtet den Mieter zur
Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters
und führt – jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung
– dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig
renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren
Zustand zurückgeben müsste als er sie selbst vom
Vermieter erhalten hat“.
S. 28
Dazu gilt folgende Beschränkung/Ausnahme:
Die formularvertragliche Übertragung soll bei
einem unrenovierten Objekt nur möglich sein, wenn
ein angemessener Ausgleich gezahlt wird.
Dies war in BGH ZR 185/14 nicht der Fall; dort
waren
bei
Mietbeginn
in
drei
Zimmern
Streicharbeiten erforderlich, so dass die Mieter bei
Nutzungsbeginn eine unrenovierte Wohnung
übernommen hatten. Der ihnen zu Mietbeginn
gewährte Nachlass von lediglich einer halben
Monatsmiete stellte in diesem Fall keinen
angemessenen Ausgleich dar.
S. 29
Die sog. Quotenabgeltungsklausel (für eine anteilige
Kostenbeteiligung des Mieters bei noch nicht fälligen
Schönheitsreparaturen) ist insgesamt unwirksam.
Die zur Unwirksamkeit der Abgeltungsklausel (nach § 307 Abs. 1 Satz
1, 2 BGB) führende - unangemessene Benachteiligung des
Mieters darin liegt, dass der auf ihn entfallende
Kostenanteil nicht verlässlich ermittelt werden kann und
für ihn bei Abschluss des Mietvertrags nicht klar und
verständlich ist, welche Belastung gegebenenfalls auf
ihn zukommt.
Dies gilt unabhängig davon, ob die Wohnung dem
Mieter zu Beginn des Mietverhältnisses renoviert oder
unrenoviert überlassen wurde.
S. 30
Es wird abzuwarten sein, ob sich der für die
Gewerbemiete zuständige XII. Senat dieser
Rechtsprechung
für
Gewerbemietverhältnisse
anschließen wird.
Zur Zeit ist faktisch keine Divergenz in der
Rechtsprechung
zu
dem
Aspekt
der
Schönheitsreparaturen zwischen dem VIII. Zivilsenat
und dem XII. Zivilsenat erkennbar!
S. 31
Demgegenüber
hat
die
Zulässigkeit
der
Übertragung
bei
individualvertraglichen
Vereinbarungen (bisher) keine Einschränkung
erfahren.
Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich
in Ansehung der fortgeltenden Grundsätze der
Privatautonomie
und
der
Vertragsfreiheit
Einschränkungen
der
individualvertraglichen
Zulässigkeit ergeben werden.
S. 32
9. Block/Abschlußspiel:
Wirkt
diese
Änderung
der
Rechtsprechung
auch
auf
zum
18.03.2015
bereits
bestehende
Mietvertäge zurück?
S. 33
Diese Rechtsprechung wird auf alle auch bereits
bestehenden
Mietverträge
zur
Anwendung
gelangen und damit faktisch in die Vergangenheit
wirken; sie gilt damit auch für laufende Prozesse.
Auch wenn es bei Mietvertragsabschluss nicht
vorhersehbar war, dass Jahrzehnte später bestimmte
Klauseln als unwirksam angesehen werden oder sich
bewertende Betrachtungen verändern, so verstößt es
nicht gegen Treu und Glauben, die neue
Rechtsprechungserkenntnisse auch auf Altverträge
zu erstrecken. Es liegt darin auch kein Verstoß gegen
das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot. Wer sich
einer Regelung bedient, die von dem Gesetz
abweicht, trägt die Gefahr.
S. 34
10. Block/
Traineransprache in der Kabine:
Welche formularvertragliche Klausel
empfehlen wir unseren Eigentümern
nun
in
den
abzuschließenden
Mietverträgen?
S. 35
„Der Mieter trägt die Schönheitsreparaturen, soweit
diese dekorative Schäden betreffen, die aus dem
Gebrauch des Mietobjektes herrühren“.
(Diese
Empfehlung
folgt:
SchmidtFutterer/Langenberg, 11. Aufl. 2013, zu § 538 BGB,
Rn. 121).
S. 36
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Die Power Point Präsentation zu dem heutigen
Vortrag übermittele ich Ihnen gern.
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„Save the date“: 04.06.2015, 14 Uhr (LEH)
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S. 37