D O S S I E R • 21 Samstag, 11. April 2015 «Simmentaler sind für uns eine Fleischrasse» Sie heissen Tamina, Yara, Marina oder Goliath. Die Familie Tobler aus Chapelle (FR) kennt jedes ihrer rund 150 Tiere beim Namen. Auf dem Familienbetrieb werden fleischbetonte Simmentaler gezüchtet und vorwiegend als Zuchttiere weiterverkauft. habe bei der Zucht von Simmentalern als Fleischrinderrasse in den letzten Jahren aufgeholt und sich international einen Namen gemacht. Als Hauptproblem bei den Simmentalern sehe er die angepriesene Zweinutzung. «Bei den Simmentalern werden alle Tiere in den gleichen Topf geworfen», erklärt Tobler, «obwohl es bei den Simmentalern eigentlich auch zwei Rassen gibt.» Zumindest sei die Spannweite zwischen den Zweinutzungs- und den Fleischrassentieren immer grösser. Es sei ein Nachteil, dass es keine eindeutig optische und nutzungsbezogene Abgrenzung gäbe. Bei anderen Fleischrassen wie Angus und Limousin werde schon alleine deshalb viel stärker auf die Zucht von reinen Tieren geachtet. ANJA TSCHANNEN «Die Schweizer Züchter können heute mit ihren Simmentalern auf dem internationalen Niveau der Fleischrinder mit den Ausländern mithalten», erzählt Felix Tobler, Simmentaler-Fleischrinderzüchter. Dies sei keine Selbstverständlichkeit, wenn man den Verlauf der Geschichte genauer betrachte. Dazu aber später mehr. Die Familie Tobler ist in der Fleischrinderszene kein unbeschriebenes Blatt. Mit ihren Simmentalern holen sie sich regelmässig die Siegesschleifen nach Hause. Als Familie würden sie die Auftritte an Schauen schätzen, und als Züchter sei es wichtig, sich zu zeigen, ausserdem sei auch der Vergleich mit anderen Betrieben interessant. Jedoch seien Ausstellungen nicht das Wichtigste, es bleibe eine Momentaufnahme des Tieres und eine Bewertung, die von einem einzigen Richter getroffen werde. Für ihn zähle mehr, dass er wisse, welche Qualität er zu Hause im Stall, beziehungsweise auf der Weide habe, erklärt Tobler. Für jeden das Passende Die Herde der Toblers umfasst rund 150 Tiere, davon 50 Mutterkühe. Die weiblichen Kälber werden selber nachgezogen und später als Zuchttiere Grössere Geburtsvitalität Die Familie Tobler nimmt mit ihren Simmentalern erfolgreich an Ausstellungen teil. (Bild: Susanne Meier ) auf andere Produktions- oder Zuchtbetriebe verkauft. Auch die männlichen Tiere werden aufgezogen und bei sehr guter Eignung als Zuchtstiere weiterverkauft. Oder sie werden gemästet und als Swiss Prime Beef vermarktet. «Seit einem Jahr bauen wir die Direktvermarktung intensiv aus», sagt die Tochter und künftige Betriebsleiterin, Rahel Tobler. Sie seien aber ganz klar ein Zucht- und kein Produktionsbetrieb. Und die Zuchtziele sind klar: « Wir wollen fleischbetonte Tiere mit einem guten Charakter und möglichst hornlos.» Die Tiere müssten das Raufutter gut verwerten können, und eine gute Milchleistung müsse vorhanden sein. «Unsere Herde ist nicht homogen, damit wir auf die Kundenwünsche mit unter- schiedlichen Betriebsstrukturen und Bedürfnissen reagieren können», erklärt Tobler «Wir haben auf unserem Betrieb die ganze Palette an fleischbetonten Simmentalern.» Sie möchten ihren Kunden die Tiere anbieten können, welche am besten auf deren Betriebe passen würden. Zuchtstiere zu vermieten Dazu setzen sie auf eine gezielte Anpaarung ihrer Mutterkühe und auf den Einsatz von neuer Genetik. In der Regel besitzen Toblers zwischen 5 und 10 Zuchtstiere. Seit über zehn Jahren vermieten sie ihre Stiere auch an andere Betriebe. «Es sind keine 0815-Stiere, sondern Tiere mit ausgewiesenen Blutlinien und einem gewissen Leistungsniveau», meint Tobler. Als sie 2001 mit der Simmentalerzucht begonnen hätten, sei die Basis der Fleischrinder in der Schweiz sehr klein gewesen oder nicht erhältlich. Es habe lange gedauert, bis die Rasse Simmentaler in der Schweiz auch als Fleischrasse anerkannt worden sei. Und noch heute sei das Thema emotionsgeladen. Die Milchproduzenten seien noch heute teilweise der Ansicht, dass es zu schade sei, ihren Simmentalern ein Kalb anzuhängen und anstatt Milch Fleisch zu produzieren. Deshalb habe man zu dieser Zeit lieber in Angus- und Limousinzucht zur Fleischproduktion investiert. Die Simmentaler seien ausser in ihrem Ursprungsland Schweiz und in Südwesteuropa jedoch auf der ganzen Welt als Fleischrasse etabliert, meint Tobler. «Die Ausländer, vor allem in den nordischen und britischen Ländern, haben in den letzten fünfzig Jahren die Fleischrasse Simmentaler vorangebracht und entwickelt.» Da es in der Schweiz kaum eine erhältliche Zuchtbasis gab, hätten sie ab dem Jahr 2003 die ersten Simmentalerstiere und -kühe für ihren Betrieb aus Deutschland und Dänemark importiert. Es wurde ebenfalls ein Stier aus Schottland mit ursprünglichem Schweizer Pedigree importiert. Zweinutzung als Nachteil Die Importtiere waren hauptsächlich genetisch hornlos.Wer nicht auf fremde Genetik setzt, so beispielsweise bei der Zucht von Edelweisssimmentalern, habe es nicht einfach. Die Schweiz Bei den Simmentalern komme es häufig vor, dass Milchkühe mit zu wenig Leistung als Mutterkühe umgenutzt werden würden. Die Verlockung für Quereinsteiger, ihre Herde mit solch deutlich billigeren Tieren aufzubauen, sei gross, aber schlussendlich oft teurer. Eine gute Simmentaler-Mutterkuh koste wie eine Mutterkuh einer anderen Fleischrasse mindestens 4500 Franken, also deutlich mehr als eine durchschnittliche Milchkuh. Diese «umgenutzten» Simmentaler seien aber stärker auf Milchleistung und weniger auf Fleischansatz gezüchtet. Bereits bei den Kälbern gäbe es sichtbare Unterschiede. Bei Simmentaler Fleischrindern sei die Geburtsvitalität der Kälber viel grösser, «Der Saugreflex und der Instinkt der Kälber, an die Kuh zu gehen, um zu saugen, ist stär● ker.» Mehr Infos: [email protected] Die Fleischrinderzucht gewinnt an Bedeutung Noch vor vierzig Jahren galten Mutterkuhhalter hierzulande als Exoten. Das hat sich geändert: Die Anzahl Mutterkühe hat sich seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Sie machen 14 % der landwirtschaftlichen Produktion aus. tungen delegiert. Diese betreiben die Rassenpromotion. Begehrt als Muttertier ROBERT ALDER Simmental gehört mit über 40 Millionen Stück zu den meist verbreiteten Rinderrassen weltweit. In den frühen Sechzigerjahren erzielten SimmentalMutterkühe in Rassenvergleichsversuchen in den USA ausgezeichnete Fleischleistungsresultate. Seither züchten Rindfleischproduzenten auf allen fünf Kontinenten sehr erfolgreich mit Simmental. Anders als in der Schweiz gilt Simmental fast auf der ganzen Welt als Fleischrasse. Die Zahl der Mutterkühe steigt jedoch in der Schweiz rasant. Ebenso die Rassenvielfalt. Rund 230 000 Tiere sind in der Statistik aktuell gelistet. Die schweizerische Vereinigung Mutterkuh Schweiz zählt mittlerweile 31 Rassen, die sie herdebuchmässig betreut. Mutterkuh Schweiz kümmert sich als Dachorganisation um eine korrekte Datenerfassung sowie um die Tier- und Fleischvermarktung. Zuchtfragen hat sie jedoch an die jeweiligen Rassenvertre- Simmental-Fleischrinder haben in vielen Ländern eine grosse Bedeutung. Sie werden reinrassig wie hier in Irland oder als Basis für Kreuzungen (z. B. Simbrah) gezüchtet. (Bild: ral) In den letzten zehn Jahren hat das Interesse an der Rasse Simmental als Muttertier in der Fleischrinderzucht und -produktion stark zugenommen. Besonders in Produktionsbetrieben erfreuen sich weibliche Remonten aus der Zweinutzung grosser Beliebtheit. Dank der guten Milchleistung ermöglichen diese Kühe eine sehr intensive Kälberaufzucht, sodass schlachtreife Kälber ab einem Alter von fünf Monaten möglich sind (neues Kalbfleischprogramm). Die Zahl der Zuchtbetriebe im engeren Sinne hat deutlich zugenommen. Rund 30 Betrie- M U T T ERKU H SCHW EIZ SIM M EN T AL SU ISSE Mutterkuh Schweiz wurde 1977 von 42 Personen als Schweizerische Vereinigung der Ammen- und Mutterkuhhalter (SVAMH) gegründet. Die Mitgliederzahl nahm stetig zu. 1987 zählte die SVAMH erstmals mehr als 500 Mitglieder, 1991 mehr als 1000 und heute mehr als 5400. Diese halten rund 90 000 Kühe. 2008 erfolgte der Namenswechsel von SVAMH zu Mutterkuh Schweiz. Sie führt das Fleischrinderherdebuch mit 31 Rassen von A wie Angus über S wie Simmental bis Z wie Zebu. Grundlage des Erfolgs waren die starken Markenprogramme Natura-Beef (ab 1980), SwissPrimGourmet (ab 1996) und Natura-Veal (ab 2009) sowie die zuverlässigen Partnerschaften mit Coop, Bell, Traitafina, Manor, Vianco und Viegut. Mutterkuh Schweiz ist bis heute ein Verein, in dem alle Mitglieder an der Vereinsversammlung teilnehmen, Anträge stellen und abstimmen können. Die Geschäftsstelle befindet sich seit 1981 in Brugg. ral Der Rassenklub Simmental Suisse fördert die Rasse Simmental in der schweizerischen Mutterkuhhaltung. Er vertritt die Interessen der Simmental-Züchter innerhalb des Fleischrinderherdebuches von Mutterkuh Schweiz. Weiter fördert er die Produktion und Vermarktung von hochwertigem Rindfleisch und hilft bei der Beschaffung von Zucht- und Nutzvieh. Da sich die Mutterkuhhaltung ab der Jahrtausendwende stark auszubreiten begann, wurde 2001 die Vereinigung gegründet. Dies mit dem Ziel, die Rasse zu fördern und besser im Schweizer Markt zu positionieren. Heute zählt die Organisation etwas mehr als 100 Mitglieder. Die Rasse Simmental hat sich in den vergangenen Jahren etabliert und gehört heute mit Limousin und Angus mit rund 15 000 Tieren zu den Hauptrassen in der schweizerischen Mutterkuhhaltung. In den letzten Jahren wurde stark auf die Hornlosigkeit gesetzt, sodass heute ein grosser Teil der Herden genetisch hornlos ist. ral Simmental-Zucht be mit über 600 Herdebuchtieren bilden mittlerweile den züchterischen Nukleus von Simmental. Die Mehrheit dieser Züchter arbeitet intensiv mit internationaler Simmental-Genetik aus den umliegenden Ländern, um bezüglich Muskulatur möglichst rasch den Anschluss an die französischen Mastrassen zu finden. Einige versuchen jedoch auch gezielt mit inländischer Genetik (bezeichnet als Code 60) ihr Ziel zu erreichen, indem sie aus der Zweinutzungspopulation gezielt die Vererber mit den besten Fleischleistungsmerkmalen selektionieren. Beide Zuchtphilosophien haben nebeneinander Platz. Dies ist die Haltung von Simmental Suisse. Viele Betriebe fahren ohnehin eine Mischstrategie und kombinieren unter dem Begriff «Simmental» oft Schweizer Genetik mit – überwiegend – deutschem FleischFleckvieh. ● N ÄCHST ES DOSSIER Die traditionellen Frühlingsausstellungen BEA/Pferd und Luga stehen vor der Tür. Eine gute Gelegenheit, einmal abzuschalten und sich inspirieren zu lassen. Sie bieten aber auch die Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen. Was es in Bern und Luzern zu sehen gibt, lesen Sie im nächsten Dossier. blu
© Copyright 2025 ExpyDoc