Pressespiegel 14_15 vom 04.04. bis 10.04.2015

Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
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Pressespiegel 14/2015
4.4. - 10.4.2015
Kontakt:
Stefan Hügli
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Inhalt
1.
Bündner Tageszeitungen
mit reformierter Brille gelesen
2.
ausgewählte Kolumnen
aus den Bünder Lokal- und Regionalzeitungen
3.
Themen aus überregionalen Zeitungen
NZZ, RP und Zeit
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
1.
Bündner Tageszeitungen
mit reformierter Brille gelesen
2
Bündner Tagblatt vom 4.4.2015, Seite 2.pdf
KLARTEXT
B ü n d n e r Ta g b l a tt
Samstag, 4. April 2015
O S T E R B E T R A C H T U N G Sr. Ingrid Grave (OP) über die Osterbotschaft
Ostern – mit verwundeten Füssen
O
Ostern, das ist Leben! Das ist weg von
hier, aus diesem Tal der Tränen, wo man
sich die Füsse wund gelaufen hat. Das
ist aufstehen, sich erheben, auferstehen. Alles, was als tot erlebt wurde, hinter sich lassen. Oder mitnehmen ins
neue Leben. Aber verwandelt. Das ist
Ostern. Nichts anderes wollen uns die
Ostergeschichten erzählen. Da ist einer,
der sich in den letzten drei Jahren seines jungen Lebens die Füsse wund gelaufen hat, weil er überzeugt war: Das
Elend dieser Welt, das ist nicht alles.
Hinter diesem Leben, das uns Menschen oft so schwer fällt, leuchtet etwas
anderes auf. Dieses Andere, Jenseitige
soll durchleuchten, spürbar werden im
Hier und Jetzt!
Nicht selten ist es uns nur als Jenseitsvertröstung vorgestellt worden, als
jenseitiger Lohn dafür, dass wir in die-
sem Leben die Mühe des Alltags geduldig erlitten und Schicksalsschläge gottergeben hingenommen haben. Das
deckt sich nicht mit der Botschaft Jesu.
Er sagt, es darf und soll uns schon jetzt
– hier auf Erden – gut gehen. Er hat sein
Zuhause verlassen, ist auf die Strasse
gegangen und hat es allen erzählt, die es
nur hören wollten: Das Elend dieser
Welt ist weitgehend die Folge einer
unguten Lebensweise. Das gilt
für mich persönlich wie für
ein gesellschaftliches System. Jesus hat die Menschen
aufgerufen, ihren Lebensstil
zu überdenken und konnte
dabei sehr radikal werden:
Verkaufe alles, was du hast, und
gib es den Armen.
Das heisst nicht – auch für Jesus
nicht – alle müssten das tun. Es heisst
vielmehr: Überdenke, mit welchen Ansprüchen du lebst im Vergleich zu jenen, die ihr Brot in der Mülltonne suchen. Ist das ein Osterthema? Ja, ich
meine schon! Jesus hat sich im wahrsten Sinne des Wortes die Füsse wund
gelaufen im Palästina jener Zeit. Er hat
aufgrund seiner tiefen Verbundenheit
mit dem, der im Jenseits waltet, aus innerster Überzeugung sagen können,
dass dieser Jenseitige Liebe ist. Er
nannte ihn Vater. Aus diesem Gott der
Liebe ist er hervorgegangen, und dieser
Gott hat auch uns ins Dasein gerufen –
aus seiner Liebe heraus. Daher rührt
«Verkaufe alles,
was du hast,
und gib es
den Armen»
unsere Liebesfähigkeit. Wir vergessen
es so oft! Wir vergessen, woher wir
kommen. Wer seine Herkunft vergisst
oder verleugnet, schneidet sich von
seinen Wurzeln ab. Der Wurzelsaft der
Liebe kann nicht mehr in unser Wesen
einfliessen. Das ist der Moment, wo der
Egoismus sich breit zu machen be-
ginnt. Hier setzt Jesus an. Dafür läuft er
sich die Füsse wund, die Menschen daran zu erinnern, woher sie sind. Ihnen
zu sagen, zu verkünden, dass sie befähigt sind, ihr Leben anders zu gestalten,
nämlich aus dem Fluss der Liebe heraus. Wer es schafft, diese Liebe fliessen
zu lassen, dem geht es besser und ganz
sicher auch den Menschen seiner Umgebung. Jesus ist Realist. Er weiss,
Leid und Schmerz werden dadurch nicht aus der Welt geschafft. Aber «angeschlossen» an den Fluss der Liebe
können wir besser damit
umgehen. Mein eigener
Schmerz wird erträglicher,
wenn ein Mitmensch sich mir
mitfühlend und liebevoll zuneigt.
Vielleicht hat dieser Mitmensch sich
die Füsse wund gelaufen, um gerade
jetzt in meiner Nähe zu sein, wo ich ihn
brauche. Seine Nähe hilft mir, mich zu
erheben, mich aufzurichten. Seine Nähe ist für mich wie ein Auferstehen zum
Leben hin. Mein Auferstehen wiederum
beglückt und beflügelt ihn. Er vergisst
seine wehen Füsse. Ein kleines Ostern
für beide, für ihn und für mich.
Und Jesus? Nur wenige Menschen
haben ihn verstanden. Das bedeutete
seinen Tod, seinen physischen Tod. Hier
beginnen die Ostergeschichten. Diejenigen, die mit Jesus gegangen sind bis
zum Kreuz und seine durchbohrten
Füsse gesehen haben, sie erfuhren ihn
in seiner Lebendigkeit am Ostermorgen. Die Wundmale sind noch da, aber
sie bluten nicht mehr. Dieser «Tote» befindet sich im Prozess einer Verwandlung ins Leben. Wo seine verwundeten
Füsse den Erdball liebend berühren, da
grünt es. Ob wir es sehen mitten im
Kriegsgeschrei unserer Tage? Er geht ein
in ein Licht, in das kein Schatten der
Bosheit ihm folgen kann. Denn Liebe erwartet ihn – im gleichen leuchtenden
Rot wie seine Wundmale. Da hinein ist
er auferstanden. Sein Tod wird für uns
zu einer Verheissung. Wagen wir es zu
glauben?
SR. INGRID GRAVE
ist Dominikanerin des
Klosters Ilanz.
M A R I N A L U T Z zu Ostern
Vermutlich wissen wir alle, dass
hinter Ostern mehr steckt als
leckere Schokoladehasen und bunte
Eier, selbst wenn wir weder kirchlich
sozialisiert noch an Religion
interessiert sind. An Ostern feiern
wir Christen die Auferstehung Jesu
Christi. Wir feiern den Sieg des
Lebens über den Tod. Diese Aussage
bleibt ein Mysterium. Ein Geheimnis,
das unserer Ratio widerspricht und
sich nicht in Worte fassen lässt. Doch
gerade weil sich die Aussage von
Ostern mit dem menschlichen Geist
nicht erschliessen lässt, sind Symbole
und Bilder nicht die schlechteste
Variante, uns Menschen an die tiefere
Aussage heranzuführen. Gerne wird
angeführt, dass Meister Lampe als ein
unchristliches Fruchtbarkeitssymbol
im 17. Jahrhundert erstmals im
deutschen Raum in Legenden auftrat.
Auch andere Legenden, die sich um
die Herkunft des Osterhasen ranken,
haben nichts mit der christlichen
Botschaft von Ostern zu tun.
L E S E R B R I E F E Zum Wolf und zum Front National in Frankreich
Entmündigung der
Bevölkerung durch
Umweltverbände
In den Medien kann ich die ungerechtfertigte Kritik an Bundesrätin Leuthard
lesen. Wenn Herr Lienhard schon zum
Angriff auf den Bundesrat pfeift, sollte er
sich zuerst richtig mit der Materie befassen. Seine Behauptungen sind schlichtwegs falsch. Die Naturschutzverbände
spielen mit gezinkten Karten. Es geht ihnen gar nicht um die Tiere sowie Flora
und Faune. Die Umweltverbände WWF,
ProNatura , Pro Wolf und STS sind ein
Bombengeschäft mit Millionenumsätzen. Pro Natura kann sich in der Juraweid locker unter höchst schleierhaften
Umständen 41.5 Hektaren Landwirtschaftland für 3.6 Millionen kaufen . Die
mitbietenden Landwirte wurden einfach ausgetrickst und überboten. In
Mutten ist Pro Natura mit rund 33 Hektaren der grösste Landbesitzer. Wo ist
hier das landwirtschaftliche Bodenrechtsgesetz. Wo sind hier die Grundbuchverantwortlichen? Es ist kein Wunder, dass immer mehr Leute in der
Schweiz von Korruption und Vetternwirtschaft sprechen. Herr Lienhard
schreibt von Trick bei der Bundesrätin.
Die schleierhaften Tricks der Naturschutzverbände stinken bis zum Himmel, weil ihnen zur Durchsetzung ihrer
Ziele alle Mittel recht sind und mit den
Millionensummen von Spendengeldern
locker alles «gekauft» werden kann.
Keiner dieser selbsternannten Tierschützer kann mir einen Nutzen der
Grossraubtiere aufzeigen. Die Wölfe versetzen die Landbevölkerung in Angst
und Schrecken, weil sie im Bündnerland
schon in unseren Dörfern spazieren. Die
Wölfe reissen alle Lebewesen zur Futterversorgung. Die Wölfe sind keineswegs
vom Aussterben bedroht, haben aber in
unserer Zivilisation keinen Platz.
▸ HERMI PLUMP, TAMINS
Frankreich und der
Front National
Der Schreiber dieser Zeilen weilt seit
über zwanzig Jahren immer wieder in
Frankreich, so auch zwischen den zwei
Wahlgängen vom 22. und 29. März und
kann den Beitrag «Angst, dass Frankreich am Front National zerbricht» vom
16. März nicht nachvollziehen. Die beiden Parteien PS (Sozialisten) und UMP
(konservativ) regieren das Land seit 40
Jahren und sind für die heutige Misere
verantwortlich. Der UMP wird angelastet, dass sie die masslosen Forderungen
der Sozialisten wie zum Beispiel die 35
Stundenwoche nach einigem Zögern
immer mitgetragen hat. Daher kommt
auch das Schimpfwort UMPS, also die
bürgerlichen Sozialisten. Aus den Wahlreden von Valls und Sarkozy ergibt sich,
Vergessen wir aber nicht, dass bereits
der Kirchenlehrer Ambrosius (4. Jh.)
den Hasen als Auferstehungssymbol
deutete. Der Ursprung des Brauchs,
die Eier zu färben, ist nicht bekannt.
Als Erklärung dient oft die
Gepflogenheit, während der
Fastenzeit keine Eier zu essen: Um
diese haltbarer zu machen, seien sie
gekocht und zwecks Unterscheidung
der nicht gekochten Eier gefärbt
worden. In der christlichen Theologie
wird aber seit Alters her Bezug auf die
Eiersymbolik genommen: Aus dem
vermeintlich toten Rund bricht
neues Leben hervor. Das Leben
bricht sich durch die harte Schale den
Weg ans Licht. Ob sich nun jemand
lediglich an süssen Häschen und
bunt verzierten Eiern erfreut oder in
ihnen Symbole für die christliche
Frohbotschaft erkennt: Ihnen allen
wünscht das BT-Team von Herzen
frohe und gesegnete Ostern. Die
nächste BT-Ausgabe erscheint am
Dienstag, 7. April. (NOL)
IMPRESSUM
Wo bleibt die Vernunft?
dass es in Frankreich offenbar nur ein
Problem gibt, nämlich den Front National. Die Philosophin Chantal Delsol
schrieb daraufhin im Figaro: «PS und
UMP streiten sich darüber, ob die Engel
männlichen oder weiblichen Geschlechts sind, nur um von den echten
Problemen abzulenken.» Diese heissen
Masseneinwanderung unqualifizierter
Leute aus dem Maghreb und Afrika,
Arbeitslosigkeit, riesige Staatsdefizite,
aggressiver Islam und so weiter. Einzig
der Front National benennt diese Probleme, hat aber ein unausgewogenes und
praxisfernes Parteiprogramm, das ganz
links beginnt mit dem Ausbau des
Staatsdienstes, Erhöhung des Mindestlohnes und auf der rechten Seite endet
mit dem Austritt aus der EU, Schaffung
eines neuen Franc, Stopp der uferlosen
Zuwanderung. Der französische Wähler
steht also vor der Wahl von zwei schlechten Lösungen: Fortsetzung des Lotterbetriebes PS/UMP mit einer jährlichen
Neuverschuldung von mindesten 90
Milliarden Euro bis zum Ende der Präsidentschaft Hollande im Mai 2017, von
Brüssel bereits abgesegnet, oder Wahl
von neuen Amtsträgern aus dem FN für
die 101 Departemente bei gleichzeitiger
Weiterführung der sozialistischen Politik bis Mai 2017. Nein, Frankreich zerbricht keineswegs am FN, sondern an
der Unfähigkeit der Regierung, die echten Probleme anzugehen und zu lösen.
Was in den Leserbriefspalten hin und
wieder über den Wolf allgemein und
über das Rudel im Calanda-Gebiet im
Besondern geschrieben wird, entbehrt
oft jeglicher Sachlichkeit.
Eine der wohltuenden Ausnahmen
ist für mich der Beitrag von Jürg Paul
Müller, der in seinem Internet-Blog
unter anderem geschrieben hat: «… sind
massvolle Eingriffe notwendig, wie der
Abschuss eines einzelnen Wolfes, der
sich fast nur in Siedlungen aufhält. Damit erhöht man die Akzeptanz für die betroffenen Arten bei grossen Teilen der
Bevölkerung und sichert langfristige
ihre Erhaltung.» Am Schluss führt Müller weiter aus: «Fundamentalistische
Haltungen führen nicht weiter. Sie dürfen nicht dazu dienen, sich mit einem interessanten Thema in der Öffentlichkeit
zu profilieren. Gesucht sind verantwortungsvolle Lösungen. Wir Menschen haben die ursprünglichen Lebensräume
der Tierwelt verändert, um das eigene
Überleben zu sichern. Heute sind die
Grundbedürfnisse längst garantiert.
Unsere Ansprüche an Wohnraum, Mobilität und Güter aller Art gehen weit darüber hinaus. Schon darum sollten wir der
freilebenden Tierwelt einen ihr gebührenden Platz einräumen können, Schritt
für Schritt und mit pragmatischen Lösungen.»
▸ HEINZ KLAUS, MORISSEN
▸ HANS SCHMOCKER, CHUR
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
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CHUR
Bündner Tagblatt vom 4.4.2015, Seite 11.pdf
Samstag, 4. April 2015
Insz
Phil
WA S D I E C H U R E R G R A B M Ä L E R E R Z Ä H L E N
Bischof Georg Schmid
von Grüneck 1851-1932
G
▸ H A N S M A RT I N S C H M I D
Georg Schmid von Grüneck stammte aus der Nebenlinie des bekannten Ilanzer Geschlechtes der Schmid
von Grüneck. Dieser erfolgreichen
Familie entstammten ursprünglich
zahlreiche Söldnerführer, Landrichter des Grauen Bundes, hohe Amtsleute in den bündnerischen Untertanenlanden und Gelehrte. Im 16.
Jahrhundert wurde das Geschlecht
von Kaiser Karl V. in den Adelsstand
erhoben und durfte seinem Namen
das «von Grüneck» gemäss dem Namen einer Burgruine in der Nähe
von Ilanz beifügen. In späteren Jahren verzweigte sich aber die Familie
über halb Graubünden, so nach
Sumvitg-Surrein, Duvin, Tiefencastel und Ftan, wobei sich einige Zweige auch in nicht direkter Linie weiterhin mit dem Beinamen «von
Grüneck» schmückten.
So auch der Vater des nachmaligen Bischofs von Chur, der als Major
in der päpstlichen Armee im damaligen Kirchenstaat diente. Geboren
wurde Georg Schmid von Grüneck
allerdings in Sumvitg. Die internationalen Kontakte seines Vaters ermöglichten dem Sohn Georg das
Studium der Theologie in London
beim damals bekannten englischen
Kardinal Henry Edward Manning.
Später setzte Georg Schmid seine
Studien aber am Priesterseminar in
Chur und an der päpstlichen Hochschule in Rom fort, wo er zum
Das Grab des Bischofs Georg Schmid von Grüneck
auf dem Hof in Chur. (FOTO OLIVIA ITEM)
Badusstrasse10 Chur · 081 258 34 34
STADT
Dr. iur. promovierte. Nach Chur
zurückgekehrt,
begann
Georg
Schmid seine kirchliche Karriere,
wurde bischöflicher Kanzler, Generalvikar des Bistums Chur und dann
Regens des Priesterseminars. 1908
erfolgte dann seine Wahl zum Bischof von Chur – ein Amt, das er bis
zu seinem Tode volle 24 Jahre lang
ausübte.
Georg Schmid war eine kraftvolle Gestalt, ein echter Vertreter der
ecclesia militans, der kämpferischen Kirche, der im damals beginnenden «zweiten Bündner Kulturkampf» vehement für die katholische Konfessionsschule und für katholisch geprägte Lehrmittel stritt.
Er war weitgereist und sprachgewandt und unterhielt zahlreiche
persönliche Kontakte in Europa, so
beispielsweise zum österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand,
einem häufigen Gast in St. Moritz,
oder dem deutschen Zentrumspolitiker Matthias Erzberger. Deshalb
war er auch Teilhaber an der letztlich erfolglosen Friedensinitiative
von Papst Benedikt XV. während
des Ersten Weltkriegs 1917.
Georg Schmid von Grüneck war
vielseitig begabt und trat auch als
Textdichter und Komponist hervor,
so 1906 mit der Liedsammlung
«Flurs alpinas», die unter anderen
auch das Lied «Tgalavaina» über die
Schlacht an der Calven enthält, das
bis heute von romanischen Chören
gesungen wird.
Georg Schmid von Grüneck
starb im Mai 1932 und überlebte damit seinen Weihbischof und designierten Nachfolger Anton Gisler
um vier Monate.
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Churer Kinoprogramm 081 252 07 07 · Radio Grischa täglich 15.50 Uhr QUADER - STUDIO - STAD
in 2D (normale Eintrittspreise) Deutsch
Sa 12.00
ab6 J
Kinocenter
Sa 15.00 in 2D (normale Eintri
So 18.30 in 3D (erhöhte Eintri
Deutsch
ab 14 J
Kin
in 3D (erhöhte Eintrittspreise) Deutsch
So 14.00
Kinocenter
Sa 13.30, 18.00
Pressespiegel
Mo 14.30, 19.00
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Sa 15.15
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Nachtrag_Bündner Tagblatt vom 4.4.2015, Seite 32.pdf
BÜNDN
ER LETZTE
Samstag, 4. April 2015
DAMALS IM BT
Drei neue Kirchenglocken für Fürstenau
Drei neue Glocken im Kirchturm von Fürstenau. In einem gelungenen, zugleich fröhlichen und würdigen Festlein wurden
sie am Sonntag, 4. Oktober 1981, von der Bevölkerung begrüsst und aufgenommen.
«Am Freitag, 2. Oktober, wurden die
Glocken in Aarau abgeholt, am
Samstagvormittag auf einem
geschmücken Wagen zur Besichtigung durch Sils, Scharans,
St.Agatha nach Fürstenaubruck
gefahren, von wo sie dann am
Nachmittag die Musikgesellschaften Inner-Domleschg und
viel Volk in festlichem Zug zur
Kirche Fürstenau begleiteten.» So
berichtet das BT am 5. Oktober
1981. Es hätte einen Mangel an
Personen gegeben, die das Läuten
zuverlässig übernehmen konnten,
wurde berichtet. An die Stelle der
beiden alten Glocken sollten drei
automatisch zu betätigende, auf
den Klang der Geläute aus den
Nachbargemeinden abgestimmte
Glocken treten. Die grosse Glocke,
auf B gestimmt, heisst «Glauben»
und trägt die Inschrift: «Land, Land,
Land höre das Wort des Herrn!» Die
mittlere erklingt in Des und heisst
«Hoffnung». Die kleine auf Es
heisst «Liebe». Inschrift: «Singet
dem Herrn ein neues Lied. (TS)
ch-
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Frontalkollision fordert
mehrere Verletzte
RONA Auf der Julierstrasse sind gestern zwei
Autos frontal kollidiert. Vier Personen wurden
verletzt, wie die Kantonspolizei mitteilt. Ein
55-jähriger Autofahrer geriet auf der schneebedeckten Strasse ins Schleudern und auf die
Gegenfahrbahn. Dort kollidierte er frontal mit
einem entgegenkommenden Auto. Der Lenker
des schleudernden Wagens und seine 52-jährige
Beifahrerin wurden eingeklemmt und schwer
verletzt. Die Feuerwehr musste sie mit Brechwerkzeug befreien. Der Lenker wurde ins Spital
Savognin und die Beifahrerin ins Kantonsspital
nach Chur überführt. Der 56-jährige Lenker und
die 53-jährige Beifahrerin des entgegenkommenden Wagens wurden leicht verletzt und ins Spital
Savognin gefahren. Die beiden total beschädigten Autos wurden abgeschleppt. (BT)
DIE FÜNF BESTEN DES BT: OSTERNEST-VERSTECKE
1. Auf einem Baum
Der Klassiker aus Kindheitstagen. Am besten man schickt
einen Onkel, das Osternest vom Baum zu holen.
2. In Nachbars Garten
Ein Osternest-Versteck in Nachbars Garten macht die
Eiersuche zur Schnitzeljagd im ganzen Wohnquartier.
3. Der Milchkasten
Das Gute am Milchkasten ist, dass das Osternest spätestens
bei der nächsten Paketabholung gefunden wird.
4. Im Sandkasten oder unter dem Schnee
Je nach aktueller Wetterlage dieser Tage bietet sich entweder
der Sandkasten oder ein Schneehaufen als Versteck an.
5. Dort, wo man es am schnellsten vergisst
So wird die Nestsuche zum Spass für die ganze Familie. (LUB)
WETTER
Aussichten heute
Temperaturen:
Nachmittag/Morgen früh
Ilanz
10°/5°
Disentis
5°/2°
Landquart
10°/5°
10°/5°
5°/2°
Davos
3°/–1°
Aussichten heute Samstag
Pressespiegel
Die Schweiz liegt zwischen einem
3°/–1°
Zernez
Hoch bei den Britischen
Inseln und
Evangelisch-reformierte
Landeskirche
Graubünden
10°/5°
Thusis
Splügen
Scuol
Chur
Trüber Samstag,
die Schneefallgrenze sinkt
Arosa
3°/–1°
3°/–1°
St. Moritz
3°/–1°
Sta. Maria
einem Tief bei Genua. Eine Warmfront zieht langsam nach Süddeutschland und kommt hier zum
Prognosen für die nächsten Tage
Der Sonntag beginnt mit ausgedehnter Bewölkung. Entlang der
Bergkämme
fällt
wiederholt
Schnee. In den Tälern lässt der
Schneefall nach. Die Wolkendecke
2
Bündner Tagblatt vom 7.4.2015, Seite 2.pdf
KLARTEXT
B ü n d n e r Ta g b l a tt
D i e n s t a g , 7. A p r i l 2 0 1 5
G A S T K O M M E N T A R Mariano Tschuor über die Sexualmoral rechtskonservativer Kreise in der Katholischen Kirche
Nein, Homosexualität ist keine Krankheit
W
Wie krankhaft besessen muss Raymond Burke sein? Besessen von der
Vorstellung, Homosexualität sei des
Teufels. Ja, homosexuell orientierte
Menschen seien «wie Mörder, die nett
tun». Damit nicht genug! Er versteift
sich zur Aussage: «Homosexuelle, wiederverheiratete Christen und Mörder
sind dasselbe.» Spricht so ein Kardinal
der Römisch-katholischen Kirche? Er
tat es. In einem Interview mit der konservativen Internetseite Life Site News
äusserte sich Burke zur Sexualmoral der
Katholischen Kirche. Burke ist der neue
Star der extrem rechtskonservativen
und traditionalistischen Katholiken
weltweit, zu denen auch allerhöchste
Prälaten aus Liechtenstein und der
Schweiz zu zählen sind.
Wer ist dieser Burke? Ein 1948 geborener amerikanischer Geistlicher, der,
bevor er 2008 von Benedikt XVI. zum
Präsidenten des päpstlichen Gerichts-
hofs ernannt und 2010 zum Kardinal
kreiert wurde, Bischof von La Crosse/Wisconsin und Erzbischof von
St. Louis/Missouri war. Dort förderte er
die Messfeiern in der ausserordentlichen Messform des römischen Ritus,
jene lateinische Liturgie, die vor dem
Zweiten Vatikanischen Konzil praktiziert wurde und die Papst Ratzinger
2007 wieder zuliess.
Papst Franziskus entfernte
den umstrittenen Kardinal
nach und nach aus allen
wichtigen Funktionen an
der römischen Kurie: aus der
Kongregation für die Bischöfe sowie aus jener der Heiligsprechungsprozesse. Schliesslich rief der Papst ihn auch als Präsidenten des Gerichtshofs ab und ernannte Burke zum Kardinalpatron des
Malteserordens, ein rein dekorativ-zeremonielles Amt, wo Burke seine Vorlieben für die Cappa magna und das
Hermelin voll ausleben kann. Burke
entwickelte sich zu einem der schärfsten Kritiker von Papst Bergoglio, kritisierte dessen Amtsführung öffentlich
und stellte sich gegen ihn anlässlich der
ausserordentlichen Synode zur Pastoral der Familie im Herbst 2014. Wir
könnten uns damit begnügen, Burke als
einen dieser «Radikal- oder Extremkatholiken» abzutun, der, wie Kardinal
Christoph Schönborn in einem persönlichen Gespräch sagte, «sich in eine
Ecke manövriert hat, die nur noch
Schaden erzeugt». Burke aber reist
wiederverheiratet sind oder ihre Sexualität in gewachsener Freiheit und bewusster Verantwortung leben, mit Mördern.
Burke ist brandgefährlich. Er stigmatisiert und radikalisiert. Wer radikalisiert, ist an Lösungen nicht interessiert. Weil es im Radikalismus nicht
um Auswege, sondern um Positionen,
schliesslich um Ideologien geht. Wie
kann man einem solchen Kirchenmann zu verstehen geben, dass Homosexualität
«Menschliche
keine Krankheit und kein
Triebe machen nicht Übel ist? Wie soll ein solcher Mann verstehen wolvor bischöflichen
len, dass Homosexualität
Pforten Halt»
eine Lebensform zwischen
mündigen Partnern ist und zuerst einmal keine – wie zuweilen
durch alle Kontinente und sammelt sei- vermutet oder fantasiert – exzessiv gene Anhänger, die allein schon die Dis- lebte Sexualpraktik. Homosexualität
kussion über eine pastorale Sexualmo- nur darauf zu reduzieren ist wie, als ob
ral der Katholischen Kirche ablehnen. man ernsthaft behaupten würde, PriesIn den extrem rechtskonservativen Fo- ter seien perverse Pädophile. Das ist
ren, wie etwa «katholisches.info» oder unstatthaft.
kath.net, breitet Burke seine Positionen
Seit der Enzyklika «Humanae Vi– ohne Gegen- oder Widerrede – aus tae» (Über die rechte Ordnung der Weiund vergleicht gläubige Katholikinnen tergabe des menschlichen Lebens),
und Katholiken, die geschieden und volkstümlich auch «Pillenenzyklika»
genannt, von Papst Paul VI. aus dem
Jahre 1968 hat die Katholische Kirche
ihre Autorität in Fragen der Sexualmoral sukzessive verloren.
Vollends bachab gegangen ist die
katholische Sexualmoral, als das Ausmass der sogenannten Missbrauchsskandale von Geistlichen und Ordensschwestern an Schutzbefohlenen bekannt wurde. Wie soll eine Organisation glaubwürdig zum Umgang mit
Sexualität Stellung beziehen können,
wenn in ihren eigenen Reihen nicht nur
Verwerfliches an Kindern passiert, sondern es auch – ganz im Sinne eines
lustvollen Lebens – zu partnerschaftlichen Beziehungen in alle Richtungen
kommt? Ob ganz oben oder ganz unten
in der Hierarchie: Menschliche Sinne
(und Triebe) machen nicht vor bischöflichen Pforten, nicht vor Klostermauern, nicht vor Priesterseminaren und
auch nicht vor Pfarrhäusern Halt.
Burke und seinesgleichen mögen
den ersten Stein werfen. Was, wenn er
sie in ihrem Wahn selbst trifft?
MARIANO TSCHUOR ist Leiter Stabsbereich Märkte und Qualität SRG SSR.
H I N T E R G R U N D Philipp Gian Fontana, SDA, über die geplante Hinrichtung von zwei Australiern in Indonesien
Indonesien weist Berufung australischer Todeskandidaten zurück
Z
Zwei in Indonesien zum Tode verurteilte Australier sind mit einem letzten Versuch gescheitert, ihre bevorstehende
Hinrichtung zu verhindern. Ein Gericht
in Jakarta wies am Montag einen erneuten Berufungsantrag von Andrew
Chan und Myuran Sukumaran zurück.
Präsident Joko Widodo hatte das
Gnadengesuch der beiden zum Tode
verurteilten Drogenhändler ohne Begründung abgelehnt. Die Anwälte der
beiden Männer legten daraufhin Beschwerde ein und forderten eine Be-
gründung der Entscheidung. Die Justiz
wies die Beschwerde im Februar aber
ab. Gegen diese Entscheidung legten
die Anwälte Berufung ein, die nun jedoch ebenfalls vom Richter Ujang Abdullah zurückgewiesen wurde. Er habe
keine Handhabe, den Umgang des Präsidenten mit Gnadengesuchen zu prüfen. Die australische Regierung protestiert seit Wochen gegen die geplante
Hinrichtung. Indonesien argumentiert
wiederum, die strengen Gesetze gegen
Drogenschmuggel müssten mit aller
Härte angewendet werden. Die beiden
Männer waren 2006 zum Tode verurteilt worden. Im Februar wurden sie
aus einem Gefängnis auf der Insel Bali
auf die Hinrichtungsinsel Nusa Kambangan südlich von Java verlegt. Nor-
malerweise bleiben Häftlinge dort nur
wenige Tage, bevor sie vor ein Erschiessungskommando gestellt werden. Die
Anwälte verhinderten die Exekution
aber mit weiteren Anträgen vor Gericht.
Gestern kündigten sie weitere juristische Schritte an, wie australische Medien berichteten. Die Anwälte wollen
gemeinsam mit der indonesischen
Menschenrechtskommission bis vor
das oberste Gericht ziehen. Ihr Argument: Die beiden Verurteilten hätten
sich vollständig gewandelt und bereuten ihre Taten zutiefst. Chan und Sukumaran galten als Anführer der «Bali
Neun»-Gang – neun Australier, die im
April 2005 versucht hatten, 8,3 Kilogramm Heroin von der Ferieninsel Bali
nach Australien zu schmuggeln. An-
«
Die australische
Regierung protestiert
seit Wochen
gegen die geplante
Hinrichtung
»
fänglich stritten sie jede Schuld ab, zeigten aber später Reue. Die Gefängnisverwaltung in Bali bescheinigte ihnen exzellente Führung. Sukumaran habe
Malkurse angeboten, Chan Gottesdienste geleitet und sie hätten einen
hervorragenden Einfluss auf Mitgefangene. Präsident Widodo hat sich aber jede Einmischung in Justizangelegenheiten verbeten. Zur Empörung der Indonesier hatte Australiens Premierminister Tony Abbott die Milliardenhilfe seines Landes für Indonesien nach den
verheerenden Tsunami vor zehn Jahren
ins Gespräch gebracht und eine Begnadigung als angemessene Geste der
Dankbarkeit dargestellt. Die australische Regierung bot auch vergeblich
einen Gefangenenaustausch an.
L E S E R B R I E F E Zum Wolf, zur Erbschaftssteuer und zur Pauschalbesteuerung
Der Wolf und die
sieben Schäflein
Ein Märchen zum Leserbrief von
Beat Deplazes, WWF Graubünden, im BT
vom 25. März 2015.
Es war einmal ein alter Mann. Dieser
wohnte in einem kleinen Bergdorf. Er
war ein Naturfreund und begeisterter Jäger und besass eine kleine Hütte auf der
Alp. Während des Sommers und Herbstes verbrachte er viele schöne Tage in
seiner Hütte. Als er einmal in der Hütte
sass, hörte er ein unbekanntes Geräusch.
Er trat ins Freie und sah ein seltsames
Ding am Himmel. Ein Flugzeug war es
nicht, obwohl es fliegen konnte. Das
Ding flog bis zuhinterst ins Tal. Dort wo
das Gelände steil ansteigt und eine Stufe
bildet, blieb das Ding irgendwie in der
Luft schweben. Der Feldstecher des alten
Mannes war aber nicht für diese grosse
Distanz geschaffen. Nach geraumer Zeit
flog das Ding wieder zum Tal hinaus und
verschwand. Der alte Mann hatte nichts
Genaues gesehen und deshalb sprach er
kein Wort darüber.
Die Tage vergingen. Auf einmal hiess
es, man habe gerissene Schafe auf der
Alp gefunden, sicher das Werk eines
Wolfes. Die Leute im Dorf schüttelten
den Kopf. Einen Wolf hat es seit Menschengedenken bei uns nicht mehr gegeben. Das muss sicher ein grosser Hund
gewesen sein. Wolf? Hund? Doch nach
Wochen wurde erzählt, die italienischen
Wölfe würden langsam wieder in die
Schweiz einwandern. Sie würden durch
das Tessin, vermutlich dann über die
Greina ins Bündner Oberland gelangen.
Wie hat der Wolf diese lange Wanderung
vom Tessin bis ins Bündner Oberland geschafft, ohne ein einziges Schaf in der
Greina oder im Val Sumvitg zu reissen?
Eines Nachts hatte der alte Mann
einen bösen Traum. Er sass vor seiner
Hütte und genoss die letzten Strahlen
der Abendsonne. Plötzliche sah er einen
Wolf auf sich zukommen. Rasch entschlossen griff er zum Gewehr und erschoss den Wolf. Als er diesem später
den Bauch aufschlitzte, hüpften sieben
Schäflein heraus. Und wenn sie nicht gestorben sind, grasen sie heute noch auf
der Alpweide.
▸ PIA THOMA, RUEUN
Erbschaftssteuer
rettet AHV nicht
Zum Leserbrief «Erbschaftssteuer mildert
Konzentration» von Martin A. Liechti,
Maur (ZH), im BT vom 2. April 2015.
Die Erbschaftssteuerinitiative, über die
wir am 14. Juni 2015 abstimmen, soll die
AHV sanieren. Das ist Augenwischerei.
Die Initianten rechnen damit, dass bei
Annahme der Initiative der AHV jährlich
rund zwei Milliarden Franken zufliessen
würden. Der Bundesrat prognostiziert
deutlich weniger. Die strukturellen Pro-
bleme der AHV wie beispielsweise die
steigende Lebenserwartung und weniger Erwerbstätige würden dadurch nicht
gelöst. Die jährlichen Ausgaben der AHV
steigen gemäss Prognose von heute rund
42 Milliarden auf über 60 Milliarden im
Jahr 2030. Deshalb könnten die zusätzlichen Mittel aus der Erbschaftssteuer die
Finanzierungslücke nicht annähernd
schliessen. Bei zusätzlichen Einnahmen
besteht aber die Gefahr, dass das heute
noch vorhandene Zeitfenster für Strukturreformen ungenutzt verstreicht. Die
Erbschaftssteuerinitiative ist die falsche
Lösung für die AHV-Sanierung, aber sie
gefährdet viele KMU-Betriebe. Deshalb
nein zur Initiative.
▸ RETO NICK, IGIS
Warum eine
Erbschaftssteuer?
Die Volksinitiative zur Erbschaftssteuer
betrifft nur Erbschaften über zwei Millionen Franken, bei Familienunternehmen und Bauernbetrieben gelten noch
höhere Freibeträge. Damit wird der allergrösste Teil der Bevölkerung die Erbschaftssteuer nie zu spüren bekommen.
Die Initiative hat aber eine moderate
Wirkung auf eine allzu krasse Ungleichverteilung von Vermögen in unserem
Land. Die finanziellen Mittel dieser
Steuerreform werden zum Stopfen von
drohenden Finanzlöchern bei der AHV
IMPRESSUM
verwendet. Ohne Erbschaftssteuer wird
die AHV in naher Zukunft mit zusätzlichen Steuern, zum Beispiel einer Erhöhung der Mehrwertsteuer, oder einem
Leistungsabbau bei der AHV, saniert
werden müssen. Dies werden dann speziell Personen mit niedrigen Einkommen zu spüren bekommen. Eine nationale Erbschaftssteuer macht deshalb
sehr viel Sinn, da sie nur bei ganz grossen Erbgeschäften anfällt, für welche die
Erbempfänger nichts dazu geleistet haben und trotz Besteuerung von 20 Prozent noch sehr, sehr viel für sich behalten können.
▸ GERTRUD ERNST, SAMEDAN
Pauschalsteuer
Lange hat es gedauert, aber nun ist der
Groschen doch noch gefallen im Kanton
Zug. Endlich hat man zu spüren bekommen, dass die Steuererleichterungen für
die Superreichen doch nicht fruchten. Es
wird noch manchem Kanton und mancher Gemeinden so ergehen. Sobald sie
Veränderungen zu ihrem Nachteil nur
schon hören, schrillen alle Alarmglocken, und sie werden wegziehen. Zurück
bleiben Kantone und Gemeinden mit
hohen Defiziten, welche dann die Einheimischen berappen können (müssen).
Merke: Man kann halt immer noch nur
ernten, was man gesät hat.
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
▸ ARMIN BRÜSCH, THUSIS
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Somedia (Südostschweiz Presse und
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SCHWEIZ
Bündner Tagblatt vom 7.4.2015, Seite 23.pdf
Ostermärsche fordern Solidarität
mit Menschen auf der Flucht
Über 1000 Menschen haben gestern an Ostermärschen der Friedensbewegung in Bern und in der Bodenseeregion
teilgenommen. Sie riefen zu einem Ende von Waffenexporten und zu Solidarität mit allen Menschen auf der Flucht auf.
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In Bern stand der diesjährige Ostermarsch unter dem Motto «Frieden
schafft Raum – dem Frieden Raum
schaffen». Nur staatenübergreifende Regelungen könnten den Frieden
sichern, schreiben die Veranstalter
in ihrer Mitteilung. Deshalb müsse
man das Völkerrecht stärken.
Weltweit befinden sich laut den
Aktivisten 51 Millionen Menschen
auf der Flucht. Viele fliehen demnach vor Gewalt und Kriegen, die
von politischen Machtinteressen
und Profitgier angeheizt werden.
Auch die Schweiz sei daran beteiligt, «Grenzen zu schliessen und
durch Waffenexporte Milliardengewinne zu erzielen». Doch anstatt
den Krieg zu planen, «müssen wir
den Frieden vorbereiten», schreiben die Veranstalter.
Der Aare entlang
Die Kundgebungsteilnehmer hatten sich um 13 Uhr am Zeltplatz
Eichholz versammelt. Sie spazierten dann der Aare entlang in Richtung Innenstadt. Unterwegs schlossen sich dem Zug weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer an. Insgesamt beteiligten sich rund 450
Menschen am Ostermarsch.
Die Schlusskundgebung fand
auf dem Münsterplatz statt, wo Referate gehalten wurden. Verschiedene Organisationen hatten zudem
JUBI
Hunderte Friedensaktivisten beteiligen sich am traditionellen Ostermarsch auf der Kirchenfeldbrücke vor dem
Hintergrund des Bundeshauses am Ostermontag in Bern. (FOTO KEYSTONE)
Stände aufgebaut, um über ihre Anliegen zu informieren.
Der Berner Ostermarsch wird
von zahlreichen Organisationen
und von Kirchen unterstützt. Dazu
gehören etwa die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, die
Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) oder die Erklärung von
Bern. Der Ostermarsch in Bern fand
erstmals 2003 statt, damals als Protest-Aktion gegen die US-Invasion
im Irak. Mehr als 600 Menschen trafen sich gestern auch in Bregenz
zum Internationalen BodenseeFriedensweg. Auf Transparenten
forderten die Aktivisten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz
ein Ende von Waffenexporten und
einen humanen Umgang mit
Flüchtlingen.
Der Ostermarsch stand dieses
Jahr unter dem Eindruck der Konflikte in der Ukraine und Syrien und
fand zum Thema «Krieg ächten Frieden schaffen» statt. Traditionell
richtet sich die Veranstaltung gegen
die Zuliefererbetriebe der Rüs-
tungsindustrie, die um den Bodensee angesiedelt sind.
Die
Kundgebungsteilnehmer
versammelten sich um 11 Uhr am
Bahnhof von Bregenz und wanderten durch die Stadt und dem Bodensee entlang in Richtung Festspielhaus. Unter den Teilnehmern waren
zahlreiche Familien mit Kindern.
Laut den Organisatoren haben
seit der ersten Ausgabe im Jahr
2009 noch nie so viele Menschen
am Internationalen Bodensee-Friedensweg teilgenommen.
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Uvek hält an Tariferhöhung per 2017 fest Neues Spionage-Auswertesystem
– Absage an den VöV
«Achat» für die Armee
BAHN Das Verkehrsdepartement
hält an der Erhöhung der Trassenpreise auf 2017 fest. Der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) hatte die
Tariferhöhung in einem Brief kritisiert und den Bundesrat ersucht,
den Aufschlag um ein oder zwei
Jahre aufzuschieben. Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie
und Kommunikation (Uvek) habe
seine abschlägige Antwort an den
VöV in der ausklingenden Woche
abgeschickt, sagte Sprecher Harald
Hammel. Er bestätigte einen Bericht der «NZZ am Sonntag».
Bestandteil der Fabi-Vorlage
struktur gewesen seien. Der VöV ha- KABELAUFKLÄRUNG Die Schweibe sich für ein Ja eingesetzt und ar- zer Armee investiert in ein neues
gumentiert, dass auch ÖV-Nutzer Spionage-Auswertesystem. Nach
ihren Beitrag an die Finanzierung Angaben des Verteidigungsdeparleisten müssten. Die Trassenpreise tements (VBS) bringt das neue Syswurden per 2013 insgesamt um 200 tem namens «Achat» keinen AusMillionen Franken pro Jahr erhöht – bau. Auch ein Zusammenhang mit
damit setzte der Bundesrat die erste dem neuen Nachrichtendienst-GeStufe der Erhöhung vorzeitig um, setz wird verneint. Mit dem System
wie Hammel ausführte. Auf 2017 «Achat» sollen Daten aus der Funksteht nun die zweite Stufe von jähr- aufklärung aufbereitet und ausgelich 100 Millionen Franken Pressespiegel
an. Diese wertet werden. Es sei teilweise beAnpassung wurde mit der Fabi-Vor- reits in Betrieb, sagte VBS-Sprecher
Evangelisch-reformierte Landeskirche
Graubünden
lage genehmigt.
Renato Kalbermatten. Er bestätigte
Diese Einnahmen seien für die auf Anfrage eine entsprechende
ohnehin unter Druck stehenden In- Meldung des «Sonntags Blick».
frastruktur-Sparten der Unterneh«Achat» ersetze schrittweise
Leistungserbringung». Gemäss VBS
besteht auch kein Zusammenhang
zwischen «Achat» und dem neuen
Nachrichtendienstgesetz.
Dieses
soll es unter anderem ermöglichen,
grenzüberschreitende Signale aus
Internetkabeln zu erfassen. Der Nationalrat hat diese sogenannte Kabelaufklärung bereits gutgeheissen.
Die Architektur des neuen Systems sei so ausgelegt, dass man
künftigen Anforderungen gerecht
werden könne, schreibt das VBS dazu. Die Beschaffung von technischen Infrastrukturen zur Kabelaufklärung werde aber erst erfolgen, nachdem das neue Gesetz in
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T vom 7.4.2015, Seite 24.pdf
D i e n s t a g , 7. A p r i l 2 0 1 5
Zehntausende Christen feiern Ostern
Zehntausende Pilger sind zu den Osterfeiern in Rom und Jerusalem gepilgert. Der Aufruf zum Frieden stand
im Zentrum der Osterbotschaft von Papst Franziskus.
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▸ C L AU D I O D U L I O
Papst Franziskus würdigte den
Atomdeal mit dem Iran, bat um
Schutz für verfolgte Christen und
erinnerte an die Situation im Nahen
Osten. Die Botschaft und der traditionelle Segen «urbi et orbi» am
Sonntag waren der Höhepunkt der
Feiern. Franziskus feierte auf dem
Petersplatz in Rom mit rund 150 000
Gläubigen, die im strömenden Regen mit Schirmen ausharrten, die
Messe zur Auferstehung Christi. Die
Botschaft und den Segen verfolgten
Millionen Menschen in aller Welt im
TV und im Internet.
Der Papst lobte in seiner Botschaft das Atomabkommen mit
dem Iran. Er hoffe, dass die Vereinbarung «ein endgültiger Schritt in
Richtung auf eine sicherere und
brüderlichere Welt» sei. Der 78-Jährige sagte, er sei angesichts der am
Donnerstag erzielten vorläufigen
Übereinkunft «voll Hoffnung».
Papst warnt vor Tatenlosigkeit
Der Papst rief zum Ende von Kriegen und Gewalt in den Krisenregionen der Welt auf und betete für Frieden im Nahen Osten. «Möge zwischen Israelis und Palästinensern
die Kultur der Begegnung wachsen
und der Friedensprozess wieder
Bei strömendem Regen harren die Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom aus. (FOTO KEYSTONE)
aufgenommen werden», sagte er.
Der Pontifex rief die internationale
Staatengemeinschaft dazu auf, angesichts der «immensen menschlichen Tragödien» in den Konfliktländern und vor dem Hintergrund der
vielen Flüchtlinge nicht tatenlos zu
bleiben. Auch in Libyen herrsche
«barbarische Gewalt». In Ländern
wie Nigeria und Sudan seien Menschen auf der Flucht. An die Konfliktparteien im Jemen, im Nahen
Osten sowie in der Ukraine schickte
der Papst seinen Wunsch nach Frieden sowie einen Aufruf zur Versöhnung. Auch in Jerusalem erinnerte
der lateinische Patriarch Fuad Twal
in seiner Osterbotschaft daran, dass
im Nahen Osten täglich «tragische
Ereignisse» passierten. «Als Christen müssen wir im Herzen des Nahen Ostens, der von Kriegen und
Gewalt erschüttert wird, andere
Zeichen der Hoffnung setzen.» Das
Oberhaupt der katholischen Kirche
im Heiligen Land hatte am Sonntag
in der Grabeskirche in Jerusalem
die Messe zur Auferstehung von Jesus Christus gefeiert. Nach christlichem Glauben steht die Grabeskirche am Ort der Kreuzigung und
Wiederauferstehung Jesu. Das israelische Tourismusministerium
rechnete während der Osterwoche
sowie des jüdischen Passahfests mit
rund 130 000 Besuchern.
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Mindestens 35 Tote bei Sturm
in Bangladesch
Kletterunfall im Atlas: Einer von drei
Verunfallten lebend geborgen
UNWETTER Bei heftigen Stürmen
im Nordwesten Bangladeschs sind
mindestens 35 Menschen ums Leben gekommen. Tausende Häuser
wurden bei dem Unwetter in der
Nacht zu Sonntag zerstört, wie Behördenvertreter gestern mitteilten.
Bäume wurden entwurzelt, Strommasten umgeworfen und Reisfelder
beschädigt. Allein im nördlichen
Bezirk Bogra kamen 19 Menschen
durch umstürzende Bäume oder
MAROKKO Bei einer komplizierten
Rettungsaktion für drei spanische
Wanderer in Marokko ist nur einer
lebend geborgen worden. Der
27-jährige Polizeibeamte wurde in
ein Spital gebracht. Die zwei anderen – ein weiterer Polizist und ein
Anwalt – starben. Sie erlagen während des Wartens auf ihre Bergung
ihren Verletzungen, die sie beim Absturz in eine Atlas-Schlucht erlitten
hatten. Der überlebende Wanderer
einstürzende Dächer und Mauern
ums Leben. Hunderte weitere Menschen wurden verletzt. Auch aus
den Bezirken Rajshahi und Kushtia
wurden Todesopfer sowie zahlreiche zerstörte Häuser gemeldet. Im
Frühsommer gibt es regelmässig
heftige Stürme in Bangladesch. Die
als Kalboishakhi bekannten Unwetter gehen dem Monsun voraus, der
gewöhnlich in der ersten Juniwoche beginnt. (SDA)
Schwere Kämpfe
in Aden
Pressespiegel
wies Unterkühlungen und psychischen Stress auf. Die drei Spanier
hatten Höhlen in den Bergen zwischen Marrakesch und Ouarzazate
erkunden wollen. Dabei waren sie
in eine Schlucht abgestürzt und am
Mittwoch als vermisst gemeldet
worden. Nach einer mehrtägigen
Suchaktion wurden sie von der Besatzung eines marokkanischen
Polizeihelikopters auf dem Grund
der Schlucht entdeckt. (SDA)
Die Kämpfe um die südjemenitische Hafenstadt Aden haben eine humanitäre Krise ausgelöst. IKRK-Mitarbeiter sahen
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
gestern nach eigenen Angaben eine «Geisterstadt», in der sich keine Zivilisten zeigten.
Bündner Tagblattwww.buendnertagblatt.ch
vom 8.4.2015, Seite 1.pdf
8. April 2015 CHF 3.30
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Die kriegerischen
Ergeignisse im
Prättigau 1622
GEDENKTAG Am 24. April gedenkt
die Katholische Kirche dem Prättigauer Aufstand im Jahre 1622, als
die Habsburger im Prättigau eine
Gegenreformation
durchsetzen
wollten. Federführend war der Kapuzinerpater Fidelis von Sigmaringen. Innerhalb weniger Tage vertrieben die aufständischen Prättigauer die Besatzungstruppen und
ermordeten in Seewis den ihnen
verhassten Fidelis. Daniel A. Ludwig
– er war Lehrer an der Evangelischen Lehranstalt Schiers und Pfarrer von Schuders – schreibt im
«Prättigauer Freiheitskampf» über
Fidelis: «So fand dieser Mann, der
uns in vielen Stücken gerühmt wird,
nicht bloss als gelehrt und beredt,
sondern auch als fromm und sittenrein und menschenfreundlich, ein
bedauernswertes Ende, weil er eben
doch mitgeholfen hatte beim Versuch, die Reformation im Prättigau
gewaltsam zu unterdrücken. Er
büsste, wie es oft geht, was andere
AG musste gestern die Bilanz deponieren. (ZVG)
haus Flims» stand
or der Schliessung
s Flims Mountain Resort AG hat die Bilanz
as Hotel wird aber dennoch weitergeführt.
det, welche den Betrieb vorerst sichern soll. So kann das Traditionshaus im Mai auch wie geplant in die
Sommersaison starten. Um die Zukunft langfristig gewährleisten zu
können, wird die Suche nach einem
Investor intensiviert.
«Zukunft nicht in Gefahr»
Das «Waldhaus Flims» schrieb
schon seit mehreren Jahren nur
noch dank dem Verkauf von Zweitwohnungen schwarze Zahlen. Die-
ses Geschäftsfeld wurde in letzter
Zeit aber immer weniger rentabel.
Nach einer Neubewertung sämtlicher Anlagen wurde ein Abschreibungsbedarf von 30 Millionen Franken festgestellt. Weil dies neues Aktienkapital in der Höhe von rund 20
Millionen erforderte, wurde ein Kapitalschnitt verunmöglicht.
Die Zukunft des Hotels sei nicht
in Gefahr, hiess es gestern in Flims.
G R A U B Ü N D E N ................. Seite 3
will US-Präsident werden
e republikanische US-Senator Rand Paul hat gestern bei
e (Kentucky) seine Kandidatur für die Wahl 2016 erklärt.
Jeb Bush, der Bruder und Sohn der
Ex-Präsidenten George W. Bush und
George Bush. Bei den Demokraten
steht bisher nur die ehemalige
Aussenministerin, Senatorin und
First Lady Hillary Clinton erkennbar in den Startlöchern. Die Ehefrau
von Ex-Präsident Bill Clinton könnte ihre Kandidatur bereits in den
kommenden Tagen erklären. Es ist
offen, ob sie innerparteiliche Konkurrenz bekommt. (SDA)
W E L T .................. . . . . . . . . . . . Seite 19
te 10
KULTUR Seite 11
SPORT Seite 13
Kandidiert: Rand Paul. (KY)
SCHWEIZ Seite 17
Denkmal für den Pater: Das FidelisBrünneli wurde 1922 errichtet. (ZVG)
mehr als er verschuldet, und litt,
was andere, namentlich Baldiron,
verdient hatten.» Heute erinnert ein
Denkmal in Seewis an die kriegerischen Ereignisse. «Den tapfern und
hochgesinnten Ahnen, die anno
1622 für ihre geistige und leibliche
Freiheit im Vertrauen auf Gott alles
gewagt haben ...» Das Fidelis- Brünneli, das an den Heiligen erinnert,
wurde 1922 erstellt. Seewis dürfte
die einzige Ortschaft in der Schweiz
sein, in der es ein Denkmal für das
Opfer und die Täter gibt. (EW)
G R A U B Ü N D E N ................. Seite 5
Pressespiegel
Seite 24
Evangelisch-reformierteWETTER
Landeskirche
Graubünden
WELT Seite19
RADIO/TV Seite 21
2
Bündner Tagblatt vom 8.4.2015, Seite 2.pdf
KLARTEXT
B ü n d n e r Ta g b l a tt
M i ttwo c h , 8. A p r i l 2 0 1 5
G A S T K O M M E N T A R Eva-Maria Faber über erfahrbar gelingendes Menschsein
Menschliches Leben ist nicht harmlos
B
«Bessere Lieder müssten sie mir singen,
dass ich an ihren Erlöser glauben lerne.
Erlöster müssten mir seine Jünger aussehen» (Friedrich Nietzsche). Wenn ein
Fest wie Ostern, ganz gleich ob christlich oder säkular begangen, sich nicht
in der etwas infantilen Banalität von
Osterhasen erschöpfen soll, lohnt sich
eine Auseinandersetzung mit Nietzsches Christentumskritik, die ja gleichzeitig die Frage aufwirft, in welche Richtung denn «Erlösung» oder erfahrbar
gelingendes Menschsein zu suchen wäre. Nehmen wir an, Nietzsche denke an
Menschen, die mit sich selbst, ihrer
Umgebung, der Welt im Ganzen und
vielleicht sogar mit Gott ins Reine gekommen sind und von denen dadurch
ein gewisser Friede ausstrahlt. In der
Regel steht eine solche «Harmonie» am
Ende eines langen Weges. Denn Men-
schen kämpfen mit ihren Schatten und
tragen manchmal schwer am Leben.
Ambivalente Motive und Antriebsschwäche blockieren den Lebensfluss.
Ängste erschweren die Entscheidung
für Etappenziele. Erlöst zu empfinden
und auszusehen ist vielen Menschen
nicht ohne Weiteres erschwinglich. Die
entscheidende Frage wird sein, wie sie
(wir) damit umgehen und welche
Orientierung ihnen (uns) dafür
gegeben ist.
Nun finden Personen, die
mit den Herausforderungen
des Lebens nicht zurechtkommen, in unserer Gesellschaft glücklicherweise in
vielfältigen Zusammenhängen
Unterstützung und Begleitung.
Was aber befördert im grösseren Ganzen der Gesellschaft und nicht erst in
Notlagen den Weg in erfülltes menschliches Leben? Wie an prekären Lebenssituationen wahrnehmbar wird, hängt
das Gelingen menschlichen Lebens
nicht zuletzt davon ab, ob Menschen
sich an Sinn- und Wertvorstellungen
orientieren und sich für bedeutsame
Ziele entscheiden und einsetzen können. Die liberale Demokratie muss
sich hier selbst beschränken, da sie
sich nicht nur gegenüber Religionen,
sondern gegenüber jeglichen Weltanschauungen neutral verhält und somit
den Bürgern und Bürgerinnen Freiheit
lässt, sich für unterschiedliche Auffas-
sich mit keinem von ihnen. Fatal wäre
es jedoch, wenn dadurch statt der gewünschten Pluralität von Wertsystemen ein Vakuum entstehen würde. Die
Genugtuung über Errungenschaften
der pluralen und liberalen Gesellschaft
sollte nicht verkennen lassen, dass
blosse Liberalität noch nicht die alte
Frage nach gutem Leben beantwortet.
Denn Leben ist nach erfolgter Enttraditionalisierung und Liberalisierung nicht schon als
«Blosse Liberalität
solches harmlos geworden.
beantwortet noch
Gerade in jenen Lebensbereichen, die traditionell mit
nicht die alte Frage
engmaschigen normativen
nach gutem Leben» Vorgaben reglementiert waren – zum Beispiel Partnerschaft, Sterben, Tod –, wird erfahrsungen gelungenen Lebens zu ent- bar, wie sehr Menschen sich und einanscheiden. Zwar verlangt die weltan- der tiefgreifende Verletzungen zufügen
schauliche Neutralität keine völlige Ab- können.
Die traditionellen Rahmenbedinstinenz von Werten, ist doch auch der
liberale Staat zum Beispiel den Perso- gungen konnten dies nicht verhindern,
nenrechten und der Menschenwürde haben es allzu oft nur kaschiert und soverpflichtet. Um aber Wertsystemen gar ermöglicht, was ihren Wegfall beRaum geben zu können, identifiziert er schleunigt hat. Wertfrei sind gerade die
sensiblen Lebenskontexte aber gewiss
nicht. Hier tragen alle Akteure Verantwortung. Der weltanschaulich neutrale
Staat fördert unbeschadet seiner Neutralität ein Bewusstsein für die Bedeutsamkeit von Sinn- und Wertvorstellungen. Andere Akteure müssen versuchen, die von ihnen vertretenen Werte
und Ideale unter den Bedingungen von
Liberalität und Pluralität in den Raum
der Gesellschaft hineinzukommunizieren. Nietzsches Christentumskritik
trifft Kirchen, wenn sie Ideale nur normativ vorstellen und sich nicht hinreichend mit deren Umsetzung in die alltägliche und immer auch gebrochene
Lebenswirklichkeit der Menschen befassen. Auch die Gesellschaft muss sich
aber darum sorgen, wie Individuen, die
nicht auf bestimmte religiöse oder
weltanschauliche Traditionen festgelegt werden, die Frage nach gelingendem Leben hinreichend fundiert angehen können.
EVA-MARIA FABER ist Rektorin der
Theologischen Hochschule Chur (THC).
A R C H I V D E R G E G E N W A R T David Eugster über den Wolkenkratzer als Symbol
Stadt üben
I
In der Schweiz hatten hohe Bauten lange einen schweren Stand – Büro- und
Wohngebäude, die höher als 100 Meter
sind, sind hierzulande rar, man assoziierte sie mit sozialen Problemen, mit zu
viel Dichte, zu viel Stadt. Doch seit 2000
baut man wieder vermehrt in die Höhe.
In den ersten Wolkenkratzern träumte
das Geld, öffentlich, für alle sichtbar. Sie
verdrängten die sieben Weltwunder
aus der Erinnerung. Gleichzeitig waren
Wolkenkratzer ein logisches Resultat
der Verstädterung im 19. Jahrhundert:
Die Bodenpreise in den urbanen Zentren stiegen in die Höhe – wollte man
noch rentabel bauen, musste man den
Platz maximal ausnutzen. In den hohen
Geschäftsgebäuden, wie sie um 1900 in
Chicago und New York in die Höhe
schossen, erwuchs die Regel der
höchstmöglichen Rendite zu
monumentaler Grösse. Insbesondere Manhattan ist eine
Insel, die beinahe ganz auf
dieser maximalen Ausschöpfung von Grund, Boden und Luft aufgebaut ist –
nur da, wo das Fundament aus
unverlässlichem Sand besteht, findet man noch niedrige Bauten.
Doch es gibt noch eine andere, weit
weniger nüchterne Geschichte des
Hochhauses. Der holländische Architekt Rem Koolhaas hat behauptet, dass
insbesondere das weltweit ikonisch gewordene Manhattan nicht aus dem
Geist der Sparsamkeit und der Finanzplanung entstanden ist, sondern aus
dem des städtischen Vergnügens. Die
Skyline von Manhattan sei vor ihrem
sich im Stil der Zeit: Man installierte am
Strand riesige Lampen, die es erlaubten, auch Nachts im Meer zu planschen
– so konnte man sprichwörtlich im
elektrischen Licht baden, das später die Nächte der Grossstadt
ausmachen sollte. Eine wei«Der Hochbau ist
tere Vergnügung waren die
ein Bekenntnis zur
«Zylinder der Liebe»: LangGrossstadt, auch wenn sam drehende Fässer, in die
auf der einen Seite Männer,
sie noch nicht da ist» auf der anderen Seite Frauen
eintreten konnten. Durch das
langsame Rotieren wurde distanBau in einem nahen Laboratorium ge- ziertes Stehen unmöglich – unweigertestet worden: In Coney Island, dem lich fiel man sich in die Arme. In den
Luna-Park an der Atlantikküste New Vergnügungen von Coney Island übte
Yorks. Dort übte man, in einer Gross- man die Grossstadt vor ihrem endgültistadt zu leben, bevor es sie wirklich gab gen Bau ein. Die Kulisse dazu boten ho– umragt von hohen, leuchtenden Bau- he Türme, sie rahmten dieses Stadttraiten. In Coney Island vergnügte man ning ein. Insbesondere einer, der Be-
L E S E R B R I E F E Zu den Kosten für Grossraubtiere, Schwarzarbeit, Erbschaftssteuer und Frieden
Hobby Grossraubtiere
Gemäss den Ausführungen im Jahresbericht 2014 des AJF GR ( Amt für Jagd und Fischerei Graubünden) vom 3. März 2015 haben die Bären und Wölfe allein einen unglaublichen Personalmehraufwand von
237 000 Franken verursacht. Wegen Bären
wurde für Risse ein Betrag von 15 260
Franken ausbezahlt. Weitere Schäden von
500 Franken waren bis Ende 2014 noch
nicht abgerechnet. Für das sogenannte
Monitoring wurde ein Personalmehraufwand von 924 Stunden mit Kosten von
74 000 Franken verursacht.
Für Schäden durch Wölfe an Nutztieren wurden 2050 Franken abgerechnet.
Da die Wölfe vorwiegend das Wild im Calandagebiet rissen, haben sie nicht so viel
Schaden an Nutztieren angerichtet. Demzufolge wurde sogar eine Nachjagd am
Calandagebiet überflüssig. Der Personalmehraufwand für die Wölfe betrug 1936
Stunden, was einem Betrag von 163 000
Franken entspricht.
Hier handelt es sich nur um die separat ausgewiesenen Kosten. Alle weiteren,
verdeckten Kosten für Kameras, Sender,
Nachtsichtgeräte usw., welche in der Gesamtrechnung verschwinden, kann der
aussenstehende Bürger nicht nachvollziehen. Ebenfalls wird man den unsinnigen
Aufwand für Herdenschutz, mit allen
Zweigstellen und seinen Nebenkosten,
nie ehrlich erfahren. Sicher frage ich mich
nicht allein, wie lange der Steuerzahler be-
reit ist, solche riesige Summen kommentarlos zu schlucken.
▸ HERMI PLUMP, TAMINS
Schwarzarbeit
Das Problem der Schwarzarbeit hätte
schon seit Langem effizient bekämpft werden können, hätte man den Sozialpartnern die Hand zu echter Zusammenarbeit
gereicht. Das Problem wurde aber seitens
der Politik und Wirtschaft stets als Einzelfälle abgetan und verharmlost. Nun kann
man es nicht mehr unter den Teppich kehren, denn wenn die Schwarzarbeit 6,9 Prozent ausmacht und eine Schadenssumme
von 45 Milliarden Franken entstanden ist,
dann ist es allerhöchste Zeit, endlich gemeinsam die Auswüchse in aller Deutlichkeit und mit allen Mitteln zu unterbinden.
Es muss endlich Schluss sein mit den Methoden «Eine Hand wäscht die andere»
und dem Prinzip «Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen».
▸ ARMIN BRÜSCH, THUSIS
bürger eine zweite Chance, einzugreifen.
Mit einem Ja zur Erbschaftssteuer werden
übermässige Bezüge zumindest nachträglich korrigiert, sofern diese Grossverdiener ihren Lebensabend in der Schweiz
verbringen.
▸ MARTIN A. LIECHTI, MAUR (ZH)
Ein Vorbild für die Welt?
Die Åland-Inseln zwischen Schweden und
Finnland sind ein wunderbarer Ferienort,
ein Ort auch, um dem Frieden entgegenzusegeln. Die finnischen Åland-Inseln
zwischen Schweden und Finnland sind
nämlich seit dem Krimkrieg, seit 1856, demilitarisiert. Internationale Abkommen
verbieten Finnland, in der Region der
Åland-Inseln irgendwelche feste militärische Einrichtungen zu bauen, Militärflugplätze oder andere für militärische Zwecke dienende Einrichtungen zu unterhalten. In Åland, oder finnisch Ahvenanmaa,
besteht auch keine Militärdienstpflicht
wie in Finnland. Die Åland-Inseln könnten ein Vorbild werden für eine Welt ohne
Militär, ohne Krieg.
2011 wurden 1738 Milliarden US-Dollar
für die Rüstung vergeudet. Das sind 289mal mehr als das Budget des Welternährungsprogramms von sechs Milliarden
US-Dollar. Für das Jahr 2010 wurden
aber nur 3,82 Milliarden US-Dollar gespendet.
acon Tower, erleuchtete alles: Er war
mit über 100 Metern Höhe der Leuchtturm dieser kleinen Übungsstadt. Er
sollte 1930 zum Vorbild des über 300
Meter hohen Chrysler Building werden,
das in Manhattan steht. Koolhaas historische Thesen sind steil, doch sie machen eines deutlich: Wolkenkratzer
entstehen nicht bloss aus ökonomischer Notwendigkeit. Sie waren von
Anfang an auch gewollt gesetzte Zeichen der Grossstadt. Drängte um 1900
die Dichte zum hohen Bauen, so haben
sich die Verhältnisse spätestens heute
verkehrt: Im Wolkenkratzer drückt sich
der Wunsch aus, auch zu den Zentren
der Welt zu gehören. Der Hochbau ist
ein Bekenntnis zur Grossstadt, selbst
wenn die noch gar nicht da ist.
DAVID EUGSTER ist Kulturhistoriker.
IMPRESSUM
Herausgeberin: Somedia (Südostschweiz Presse und Print AG).
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Eine zweite Chance mit Pressespiegel
der Erbschaftssteuer
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Offensichtlich hat die Minder-Initiative
nur Umtriebe aber nicht den erwünschten
Effekt gebracht: Noch immer beziehen
einzelne Konzern-Chefs über zehn Millionen Franken jährlich. Jetzt hat der Stimm-
▸ HEINRICH FREI, ZÜRICH
Bekanntgabe von namhaften Beteiligungen i.S.v. Art. 322 StGB: Südostschweiz Radio AG, Südostschweiz TV AG,
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GRAUBÜNDEN
Bündner Tagblatt vom 8.4.2015, Seite 5.pdf
M i ttwo c h , 8. A p r i l 2 0 1 5
Der Prättigauer Aufstand
Im Jahr 1622 wollten die Habsburger im Prättigau eine gewaltsame Gegenreformation durchsetzen. Federführend war
der Kapuzinerpater Fidelis von Sigmaringen. Doch die Prättigauer wehrten sich am 22. April 1622 mit einem Aufstand.
D
stand. Als dann noch eine grosse
Wallfahrt durchgeführt wurde, kam
es zum Eklat.
▸ E DY WA L S E R
Ein Wink mit dem Zaunpfahl
Der Kapuzinerpater Fidelis von Sigmaringen hatte den Auftrag, die
Prättigauer in den Schoss der Alleinseligmachenden Kirche zurückzuführen. In Anbetracht der Tatsache,
dass das Tal seit Ende 1621 von einer
österreichischen Soldateska besetzt
war, kam es bei diesem Vorhaben
immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen. Am 24. April 1622 war
das tragbare Mass dieser politischen und religiösen Demütigungen überschritten. Es kam zum Prättigauer Aufstand, dem dann der
«sittenreine und menschenfreundliche Pater Fidelis» zum Opfer fiel.
Fidelis war von einer österreichischen Kohorte von Grüsch nach
Seewis begleitet worden. Die Seewiser sollten der Predigt beiwohnen
und sich mit ihrem Namen auf
einem Rodel eintragen lassen. Fidelis gab sich alle Mühe, die Kirchenbesucher zum katholischen Glauben zu bekehren. Als er sie schliesslich fragte, ob sie bereit und willens
seien, seinem wohlmeinenden Rat
zu folgen, antworteten sie: «Nein».
Auf der Kanzel soll er dann seine
Sandalen ausgezogen haben, diese
in die Hand genommen und mit den
Worten «so wahr der Staub von
meinen Sandalen fällt, werdet ihr
wieder katholisch» zusammen geschlagen haben.
In Schiers war in der Zwischenzeit der geplante Aufstand ausgebrochen. Die österreichischen Bewacher hatten sich mit ihren Pulvervorräten in die Kirche zurückgezogen. Dabei kam es zu einer Explosion, sodass das Deckengewölbe
einstürzte, wobei viele Soldaten
den Tod fanden. Die Rauchsäule, die
in Schiers aufstieg, löste in Seewis
den Aufstand aus. Fidelis soll anfänglich versucht haben, die Leute
zu beruhigen. Dann wandte er sich
mit den Soldaten zur Flucht.
Zwei Versionen
Wie Johannes Flury, der ehemalige
Rektor der Pädagogischen Hochschule Graubünden, in seinem 2010
erschienenen Fidelis-Buch festhält,
gibt es zum Tod des Kapuzinerpaters eine protestantische und eine
katholische Version. Nach der protestantischen hätte er sich am Palmsonntag 1622 selber retten können,
wenn er auf den Rat besorgter Seewiser gehört hätte und in der Kirche
geblieben wäre. Stattdessen soll er
Die Seewiser sprachen von einer
«mutwilligen Störung des konfessionellen Friedens», und rieten den
Kapuzinern dringend von der Einrichtung einer Pilgerstätte ab. In
einer Stellungnahme heisst es:
«Zwar beabsichtigen wir keineswegs etwa, irgendwelche Tätlichkeiten gegen die Wallfahrer zu veranlassen, würden vielmehr solche
selber bedauern und verurteilen.
Aber sagen wollen und müssen wir,
wie unser gesamtes Volk das ansieht und aufnimmt.» Die «Übung»
wurde infolge der Proteste abgeblasen, das heimlich gekaufte Heimwesen Saglianes wurde wieder verkauft. Einzig die Wiese unterhalb
der Dorfkirche, auf der Fidelis umgebracht worden war, blieb im Besitz des Kapuzinerordens. Eine Folge war dann die Errichtung des
Denkmals im Juni 1902 in Erinnerung an den Prättigauer Freiheitskampf. Das Fidelis-Brünneli wurde
1922 erstellt.
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Der Kapuzinerpater Fidelis
Im Prättigau predigte der Kapuzinerpater Fidelis in den Kirchen und wollte
die Menschen von der Richtigkeit der katholischen Lehre überzeugen. (ZVG)
die vor der Kirche postierten Truppen zum Kampf angestachelt haben. Nach der katholischen Version
ist der Kapuzinerpater von den aufständischen Seewisern aufgefordert worden, ihren Glauben anzunehmen. Diese Aufforderung lehnte er ab, mit der Folge, dass er unterhalb der Kirche von Bauern erschlagen wurde. Dazu nur noch soviel:
Die Seewiser haben von allen Prättigauer Gemeinden am längsten Romanisch gesprochen und waren am
längsten katholisch geblieben.
Gleich nach seinem tragischen
Tod setzte die Verehrung ein. Schon
im Herbst 1622, in einer Phase der
klaren Übermacht der Österreicher,
wurde das Grab des Kapuzinerpaters geöffnet und sein Körper in
zwei Etappen, Kopf und linke Hand
nach Feldkirch, der Rest des Leichnams nach Chur gebracht. Auf der
Zwischenstation Maienfeld geschah im Oktober 1622 das Wunder,
das sein Märtyrertum gleichsam besiegelte. Als ein Grossbrand das
Städtlein verwüstete, blieb der
Turm mit den Pulvervorräten der
österreichischen Truppen ver-
schont. Der österreichische Kommandant, Graf Sulz, soll Fidelis um
Schutz angerufen haben. Der Kapuzinerpater wurde dann von Papst
Benedikt XIV. im Jahr 1746 heilig gesprochen. In Seewis dürfte man davon kaum Kenntnis genommen haben. Ein Thema wurde es aufgrund
Flurys Recherchen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Als
die Grafschaft Hohenzollern-Sigmaringen 1850 an das mehrheitlich
protestantische Preussen kam, besannen sich die Sigmaringer ihres
Stadtheiligen. Fidelis wurde zur
Leitfigur im Kampf gegen den protestantisch-liberalen Staat. So kam
es, dass der Stadtpfarrer von Sigmaringen 1886 nach Seewis pilgerte
und vorerst die Kanzel kaufte, auf
der Fidelis an jenem verhängnisvollen Palmsonntag zum letzten Mal
gepredigt hatte. Als die Sigmaringer
dann später auf Vermittlung des
Kräuterpfarrers Künzle in Zizers
noch heimlich das Grundstück kaufen, auf dem der Heilige ums Leben
gekommen war, und noch das in der
Nähe gelegene Heimwesen Saglianes erwarben, regte sich Wider-
INSERAT
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Fidelis kam 1577 unter dem Namen
Markus Roy als Sohn des
Sigmaringer Bürgermeisters zur
Welt. Er studierte in Freiburg
Philosophie, weltliches und
kirchliches Recht und erwarb in
allen Disziplinen einen Doktorgrad.
Anschliessend arbeitete er als
Rechtsanwalt und erwarb sich
schnell den Beinamen «Advokat
der Armen». Enttäuscht über
Fehlurteile und die fehlende
Unabhängigkeit des Gerichtswesens gab Roy seine Kanzlei
schon nach knapp zwei Jahren auf.
Er empfing die Priesterweihe und
trat dem Orden der Kapuziner bei.
Nach einem Noviziat war er unter
dem Ordensnamen «Pater Fidelis»
fortan als Prediger und Seelsorger
in Baden, im Vorarlberg, im Elsass
und in Graubünden tätig. Er
widmete sich ganz besonders der
Busse und der Sühne, setzte ganz
auf die Kraft des Gebetes,
verlängerte die Gebetszeiten, betete
auch bei der Arbeit und fastete
streng über Monate hin. Am
24. April 1622 stirbt Fidelis nach den
gewaltsamen Auseinandersetzungen in Seewis. Am 29. Juni 1746 wird
Fidelis von Sigmaringen von Papst
Benedikt XIV. heilig gesprochen.
Fidelis heisst im Lateinischen
«treu» und «zuverlässig». (EW)
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7
ÜBER DIE KANTONSGRENZE GEBLICKT (4)
Im Gedenken an den glarnerischen
Freiheitskampf gegen Habsburg
Die Näfelser Fahrt erwuchs aus einem kirchlichen Gedenk- und Dankestag. 1388 besiegte eine kleine eidgenössische Truppe
das zahlenmässig weit überlegene Habsburger Heer. Seit über 600 Jahren wird dieses Ereignisses mit der Näfelser Fahrt gedacht.
Farbenfroh und prächtig: Seit über 600 Jahren wird die Näfelser Fahrt ununterbrochen gefeiert. An diesem Festtag gedenken die Glarner des wundersamen Sieges über
das zahlenmässig überlegene Habsburger Heer am 9. April 1388. (FOTOS KANTONSMARKETING GLARUS / SAMUEL TRÜMPY)
F
▸ S A B I N E - C L AU D I A N O L D
Für das Haus Habsburg war die Sachlage klar: Die Eidgenossen waren abtrünnig geworden und ein militärischer Vergeltungsschlag war die logische Konsequenz. Die Eidgenossen hatten das
habsburgische Städtchen Weesen nach
der Schlacht bei Sempach am 9. Juli
1386 besetzt. Die Glarner hatten überdies die habsburgische Burg Windegg
zerstört und sich eigene Landessatzungen gegeben. Zwar hatten die habsburgischen Truppen im Februar 1388 Weesen in der sogenannten «Mordnacht
von Weesen» dank der Hilfe aus der Bevölkerung zurückgewonnen, doch die
Verhältnisse waren noch nicht geklärt.
So zogen am 9. April 1388 rund 600
Reiter und 6000 Mann Fussvolk in
Richtung Letzimauer unterhalb Näfels,
um die Eidgenossen zur Räson zu zwingen. Dem Heer gehörten Truppen aus
Winterthur, Schaffhausen, Rapperswil
und weiteren habsburgischen Gebieten
an. Regen, der sich immer wieder mit
Schneetreiben mischte, durchnässte
die Kämpfer – auch die knapp 300 Män-
ner hinter der Mauer, die vom Ansturm
der habsburgischen Streitmacht überrannt wurden. Die Habsburger drangen
plündernd vor, überfielen Näfels, Mollis, Netstal und Glarus. Ein Sturmgeläut
ging durchs ganze Land und rief rund
600 glarnerische Kämpfer zusammen,
zu denen auch einige über den Pragelpass zu Hilfe gekommene Urner und
Schwyzer gehörten. Als sich diese
Streitmacht am Rautiberg versammelt
hatte, wurde sie vom habsburgischen
Heer angegriffen.
Den Glarnern gelang es jedoch, mit
Steinlawinen Panik und Verwirrung bei
den heranstürmenden Reitern zu schaffen. Trotz ihrer Überzahl wurden die
Habsburger in die Flucht geschlagen.
Viele von ihnen fanden im Ried (mooriges Gebiet) den Tod oder ertranken, als
bei ihrer Flucht nach Weesen die Brücke
über den Walensee-Ausfluss zusammenbrach. Für die Eidgenossen war
dieser Sieg ein Wunder.
Nach der Schlacht suchten beide
Parteien den Frieden. Noch vor Ablauf
dieses Friedensabkommens wurde der
Friede verlängert und Habsburg verzichtete auf alle Rechte in den acht alten
Orten. Die Schlacht bei Näfels war somit die letzte der eidgenössischen Freiheitskämpfe gegen Habsburg. Seit jener
denkwürdigen Schlacht und dem un-
Jahrhundertealte Tradition: Der Fahrtsbrief wird während der Näfelser Fahrt
jedes Jahr öffentlich verlesen.
erwarteten Sieg der Eidgenossen über
Habsburg, ist jeder erste Donnerstag im
April ein kantonaler Feiertag, an dem
die Näfelser Fahrt weltlichem Zug
und Prozession nach Näfels zu politischer Festansprache, Predigt und Gedenkgottesdienst durchgeführt wird.
Serie Über die Kantonsgrenze
Fällt die «Fahrt»– wie die Glarner den
Festtag vereinfacht nennen – in die Karwoche, wird sie in der Osterwoche abgehalten.
Der Fahrtsbrief
Im sogenannten Fahrtsbrief, der wenige Jahrzehnte nach dem historischen
Ereignis verfasst wurde, werden Vorgeschichte und Ablauf der Schlacht geschildert. Dieser Fahrtsbrief wird jedes
Jahr anlässlich der Feierlichkeiten verlesen. Einer der Männer, denen diese
Ehre zuteil wird, ist Sepp Schwitter.
Aufgewachsen in Näfels, ist ihm die
«Fahrt» seit frühester Kindheit ver-
traut. «Als Custos des Kirchenschatzes
Glarus begann ich mich für die Prozessionsstatue ‘Fridolin und Ursus’ und
deren Geschichte zu interessieren», erzählt Schwitter. So habe er sich immer
stärker in die Thematik eingearbeitet
und sich intensiv mit der Näfelser Fahrt
und deren Geschichte auseinandergesetzt. «Vermutlich wurde bereits
ein Jahr nach dem Sieg über die Habsburger, im Jahre 1389, die Erinnerung
an die erfolgreiche Schlacht im Land
Glarus gefeiert und der Gefallenen in
einem Gedenkgottesdienst gedacht»,
erklärt er. «Somit wird dieser Tag seit
1389 bei uns ununterbrochen gefeiert –
auch die Helvetik brachte keinen Abbruch.»
Dass es nach der Reformation zu
Unstimmigkeiten rund um den
Gedenktag kam, hatte mit der erwähnten Prozessionsstatue zu tun, weiss
Schwitter.
Diskussionen um Prozessionsstatue
«Die Ausgestaltung mit Prozession, Gedenkgottesdienst und politischer Ansprache entwuchs der kirchlichen Jahrzeitfeier, erzählt er. «Vor der Reformation war die Teilnahme für alle Männer
obligatorisch. Im 17. Jahrhundert kam
es aber zu Spannungen, weil die
Altgläubigen – also die Katholiken – die
Offen für alle: Auch wenn es in der Geschichte der «Fahrt» ab und zu Spannungen gab,
heute wird der Tag wie in den ersten Jahren von allen gemeinsam begangen,
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
neu geschaffene Reliquiarstatue des
Landespatrons mittrugen.» Dies sei für
die Reformierten eine ungeheure
Provokation gewesen, die Fahrt zu
einer «götzedienerischen» Feier verkommen.
Der Ärger über diese Reliquiarstatue war so gross, dass die Reformierten
der «Fahrt» zwischen 1655 und 1835
fern blieben und den Tag in ihrer Kirche
als Danktag begingen. «1835 beschloss
die Landsgemeinde jedoch per Gesetz,
dass die ‘Fahrt’ von Reformierten und
Katholiken wieder gemeinsam gefeiert
werden solle – wie vor der Trennung».
so Schwitter. «Das passte dann aber
dem Bischof von Chur nicht, und es
kam erneut zu erheblichen Spannungen», erzählt Schwitter.
Die Gedenkfeier, an der jeweils
mehrere Hundert Personen teilnehmen, war und ist seit diesem Landsgemeindebeschluss staatlich geregelt. Die
Näfelser Fahrt ist ein kantonaler Feiertag, gefüllt mit weltlichem Zug, frommer Prozession, politischer Ansprache,
christlicher Predigt, heiterer Musik,
dröhnendem Trommelwirbel, lobendem Gesang, festlichem Gedenkgottesdienst sowie fröhlichem Markttreiben
und Beisammensein. «Für mich ist das
Glarnerland und die ‘Fahrt’ wie ein verkleinertes Abbild der Schweiz», erklärt
Schwitter.
«Wir haben im Glarnerland Alpwirtschaft und Industrie, verschiedene
Mundarten und Konfessionen, aber immer wurde ein Weg gefunden, gemeinsam vorwärtszugehen. Auch bei der
‘Fahrt’ wurde trotz aller Unterschiede
und Spannungen ein Weg gefunden,
dass alle dabei sein können.» Die
«Fahrt» sei ein sehr offener Anlass, was
ihn sehr freue, beschreibt Schwitter das
jahrhundertealte Fest. «Jeder und jede
kann mitlaufen.»
In der ganzen Schweiz werden
Volksbräuche gepflegt. Das BT blickt
dieses Jahr über die Kantonsgrenzen
hinaus und berichtet monatlich über
einen Schweizer Brauch und seinen
Hintergrund. Heute erscheint
der vierte Teil.
einem Farbtopf gebadet hat, gleichen sich die vermummten Skifahrer auf sonderbare Art und Weise.
Da gibt es keine Haar- oder Augen-
Bündner Tagblatt vom 10.4.2015, Seite 2.pdf
B R I E F E Zur Ehrung von Luzius Hassler, den Islamischen Staat und «Vorteil Schweiz»
e Verdienste für
ner Chorwesen
el «Zum Abschied ein musikalizurück» im BT vom 7. April 2015.
m Interesse durfte ich den BeChristian Albrecht lesen, dessen
denkwürdige Konzert in Savoge, mit welchem der Chor viril
nen Dirigenten Luzius Hassler
edete. Besondere Freude vere Tatsache zu bereiten, dass mit
nzert dem Dirigenten und sein Verdiensten um das Bündner
n die adäquate Würdigung und
zung zuteil wurde!»
GRAZIOLI, CHUR
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r kontrolliert wen? Wer immer
bt, der IS sei eine technisch
ickelte Horde, hat sich geie lange will Europa noch zuseie Infiltration immer schneller
t. Spätestens jetzt müsste allen
ass sie uns mit unseren eigenen
hlagen wollen und werden. Der
n ist an sich schon ein Pulvererisch), das man nicht aus den
ieren darf. Was der IS ins Rollen
at, ist kaum mehr zu unterbinwir laufen Gefahr, durch die
ng der Medien und Kommuni-
kationsgeräte eine Welle des Kontrollverlustes in unermesslicher Dimension zu erleben. Man weiss, diese schrecken vor
nichts zurück. Denken wir an alle Stromkraftwerke, Atomkraftwerke, Verkehr,
und und … Schweiz, wappne dich, denn
sie werden dich nicht verschonen.
▸ ARMIN BRÜSCH, THUSIS
Richtigstellungen
zu Othmar Caviezel,
Tomils
Zum Artikel «Der Safranbauer, Baumeister
und Legendenschreiber aus Tomils» im BT
vom 16. Januar 2015.
Zu verschiedenen Aussagen im Artikel
wie der angeblichen «Rufmordkampagne», dem «Verhältnis mit einer Kirchgemeindepräsidentin», der Aussage, «seine
Frau sei ihm davongelaufen» sowie «Konkurs seines Baugeschäfts» bedarf es Richtigstellungen.
Othmar Caviezel wurde als Kirchgemeindepräsident von Tomils nicht wiedergewählt, da das Verhältnis mit einer
Kirchgemeindepräsidentin aus der Gegend an der Versammlung öffentlich thematisiert wurde. Es handelte sich also
nicht um eine «Rufmordkampagne», wie
Othmar Caviezel im «Bündner Tagblatt»
darstellte. Er selbst verbreitete daraufhin
im Tal, «seine Frau leide an Depressio-
nen», was aber ärztlich nie bestätigt wurde. Othmar Caviezel verschwand daraufhin plötzlich, niemand kannte seinen Aufenthaltsort. Nach Aufenthalten in
Deutschland in einem Kloster und in
Churwalden, wo er Religionsuntericht
gab, kehrte er nach einem halben Jahr
wieder ins Domleschg zurück. Nicht die
Tomilser Einwohner sind an der Pleite seines Bauunternehmens schuld, noch ist
ihm seine Frau einfach davongelaufen.
Gerecht wäre, wenn er zu seinen Fehlern
stehen könnte.
▸ ROSA SCHWITTER, FÜRSTENAUBRUCK
«Vorteil Schweiz»
Ausgezeichnet, dass jetzt das europapolitische Vakuum hierzulande gefüllt werden soll und Mäzene im neuen Verein
«Vorteil Schweiz» mit Engagement und
viel Geld eingreifen wollen. Eine proeuropäische Kampagne ist dringend nötig.
Hoffentlich weckt sie auch unsere kleinlauten, zögerlichen Politiker. Klar, im Vordergrund steht die Erhaltung der Bilateralen. Aber die Europäische Union ist mehr,
ein Friedensgarant und eine Stimme in
der Weltpolitik. Die Schweiz ist gefordert.
▸ MARTIN A. LIECHTI, MAUR ZH
Leserbriefe sind beim BT willkommen. Mail
an: [email protected]
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
als auf der Skipiste. Denn w
normalen Leben die Kleidung
Menschen und dessen Stellu
der Gesellschaft konstituiert,
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(Stv. Chefredaktor, nw), Luzi Bür
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daktion Surselva, de), Denise Ern
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sort Kultur, jul), Thomas Spinas (
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Die irgendwie geartete Verwertung von in diese
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B Ü N D N Bündner
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KOPF DER WOCHE
Der Hüter der Feldiser Dorfgeschichte
Vor Kurzem feierte Plasch Barandun seinen 90. Geburtstag. Der gebürtige Feldiser hat im Laufe seines Lebens etliche Bücher
herausgegeben, betreibt ein Museum und wünscht sich mehr Bescheidenheit von der Gesellschaft.
P
erklärungen. So präzis, wie es sonst
kaum der Fall ist. Seine wirkliche
Leidenschaft gilt aber der Geschichte. Schnell kommt er auf Rhäzüns zu
sprechen. Jahrelang mussten die
Feldiser einen unwegsamen Pfad
unter die Füsse nehmen, um dort
zur Kirche zu gehen. Auf die Kirche
St. Hippolytus, die nach einem griechischen Heiligen benannt wurde.
Und auf den Krieg zwischen den Österreichern und Napoleon, dessen
Truppen sogar nach Veulden fanden
und brandschatzten. All dieses Wissen schüttelt Barandun sprichwörtlich aus dem Ärmel, erzählt die Ereignisse so, als ob er selbst dabei gewesen wäre.
▸ VIRGINIA RITTER
Plasch Barandun will eigentlich
nicht über sich reden. Was habe er
schon geleistet, fragt er – und stellt
lieber selber Fragen. Von seinen
Gästen könne man vieles lernen, da
sei es wichtig, dass man viele Fragen stelle.
Seit Generationen lebt seine Familie in Veulden, wie Feldis auch genannt wird. Seit Generationen bewirtschaftet sie als Bauern die steilen Hänge und Wiesen. Als es für
den jungen Plasch Barandun an der
Zeit war, einen Beruf zu wählen,
entschied er sich zuerst anders –
und arbeitete, gegen den Wunsch
seiner Eltern, auf dem Postamt. «45
Jahre lang war ich als Postbeamte
tätig», sagt Barandun.
Erinnerung an die Geschichte
Vom Ochsen zur Maschine
Später übernahm Plasch Barandun
den elterlichen Hof, für ihn eine Tätigkeit, der er mit Herz und Seele
nachging. Hautnah habe er damals
die Entwicklung in der Landwirtschaft miterleben können, von dem
Zeitpunkt an, als Pferde die Ochsen
als Zug- und Lasttiere ablösten bis
hin zu dem Moment, als die Maschinen in der Landwirtschaft Einzug
hielten.
Diese Entwicklung, bedauert
Barandun, sei jedoch nicht immer
von Vorteil. «Die heutige Gesellschaft ist eine schnelllebige, eine
Konsumgesellschaft.» Früher sei alles wiederverwendet worden, ein
kaputter Schnürsenkel sei ersetzt
worden, genauso wie eine fehlende
Zinke im Heurechen. «Ich würde
mir wünschen, dass die Leute wie-
Will lieber von der Feldiser Historie sprechen als von sich selbst:
Plasch Barandun, Historiker, Künstler und Buchautor. (FOTO OLIVIA ITEM)
Die Liebe zur Geschichte, zur eigenen Vergangenheit, sie zeigt sich in
all seinen Erzählungen. Und auch in
seinem Museum Sontg Hippolytus.
Aber auch das Museum, mit seinen
zahlreichen Ausstellungstücken sei
nicht sein Verdienst, insistiert Barandun. «Die Dinge waren ja bereits
hier, danken sollte man unseren
Vorfahren, die sie uns hinterlassen
haben.» Trotzdem beeindruckt die
Sorgfalt, mit der Plasch Barandun
die Alltagsgegenstände aus vergangener Zeit in den oberen Stockwerken seines Hauses aufbewahrt. Beeindruckend sind auch die präzisen
Zeichnungen sämtlicher Feldiser
Ställe, die er angefertigt hat. «Jeder
einzelne Stall in Veulden», sagt er
auf Romanisch, seiner Muttersprache. Eine immense Arbeit, die dahinter steckt – Lob will Barandun
dafür keines. Nur etwas wünscht er
sich: «Die Geschichte soll weiterleben. Es ist wichtig, dass die Menschen ihre Vergangenheit kennen.»
der etwas bescheidener leben. Früher war man zwar arm, aber man
war zufrieden mit dem, was man
hatte.» Heute strebten die Menschen nach mehr, immer mehr, und
seien trotzdem nicht glücklich.
Dass Plasch Barandun sein Dorf
am Herzen liegt, ist bereits erkennbar, wenn man in Feldis einfährt.
Wohl jedes Haus trägt seine Schrift.
In seinem langen Leben hat er sich
ein beachtliches Kalligrafie-Wissen
angeeignet. Heute sind nicht nur
die Feldiser Häuser mit seinen Werken verziert, im ganzen Kanton hat
Barandun seine Handschrift hinterlassen. Plasch Barandun: ein Tausendsassa. Zig Bücher hat er geschrieben, nicht nur über die Häuserinschriften, sondern auch über
Flurnamen und über Feldis. Eines
seiner Bücher enthält sämtliche
Flurnamen seines Heimatdorfes –
mit den dazugehörenden Namens-
Landquart
Viel Sonne und frühlingshafte Temperaturen
Museumsbesichtigung auf
Anfrage: 081 655 10 66
WETTER
Aussichten heute
Temperaturen:
Nachmittag/Morgen früh
Ilanz
22°/13°
Disentis
15°/8°
22°/13°
22°/13°
15°/8°
Davos
12°/3°
Aussichten heute Freitag
Pressespiegel
Das wetterbestimmende Hoch14°/3°
Zernez
druckgebiet zieht
langsam gegen
Evangelisch-reformierte
Landeskirche
Graubünden
12°/3°
22°/13°
Thusis
Splügen
Scuol
Chur
Arosa
St. Moritz
12°/3°
14°/3°
Sta. Maria
Osten ab. Zum Wochenende streift
eine schwache Störung die Schweiz.
Sonniges und mildes Frühlingswet-
Prognosen für die nächsten Tage
Am Samstagmorgen zieht eine
schwache Störung über die Schweiz.
Es bleibt in der Südostschweiz weitgehend trocken. Mit wechselnder
Bewölkung herrscht tagsüber meist
| Samstag, 4. April 2015
Südostschweiz vom 4.4.2015,Südostschweiz
Seite 2.pdf
«Die Frau galt
schlicht nicht
als vollwertig»
N
Konservativ-kirchliche Vorstellungen etwa der Rolle der Frau
oder der Homosexualität hätten oft mit mangelndem Bewusstsein
historischer Entwicklungen und kultureller Einflüsse zu tun, sagt
Eva-Maria Faber, Rektorin der Theologischen Hochschule Chur.
e
h/
mit Eva-Maria Faber
sprach Gion-Mattias Durband
Bild Theo Gstöhl
S
m
Strassen
eitag Nerven aus Stahl.
o-Route biete eine gute
war einmal mehr auf
A13 ab Chur Richtung
olizei Graubünden erst
auch Ausweichrouten
uptstrasse durch Do-
rleute befreiten die beimit Brechwerkzeugen.
Lenker und die Beifahn des entgegenkommenAutos wurden leicht
etzt. (so)
dschaftsschutz
en Valser Turm
n allfällige Bewilligunzum Valser Turmprozieht die Stiftung Landftsschutz Schweiz
tliche Schritte in Erwäg. Man erachte das Voren der 7132 AG als
ht bewilligbar», schreibt
ungs-Geschäftsleiter
mund Rodewald in
m Brief an die Gemeinals, der auch an die Megeschickt wurde. Der
ntourismus und im
iellen der Tourismus in
brauche «alles andere
Hochhäuser und unnütürme». Die Stiftung
rde es begrüssen, wenn
Gemeinde den Mut aufgt, zu einem solchen
exzess frühzeitig klar
zu sagen.» ( jfp)
eit gut zwei Jahren ist Papst
Franziskus im Amt. Progressive Kirchenkräfte haben sich
von dem neuen Pontifikat
viel erwartet – und wohl auch
mit rascheren Veränderungen gerechnet. Im Gespräch erklärt Eva-Maria Faber, wieso sich Papst Franziskus zu
konkreten Fragestellungen zurückhält
– und wieso sie das für klug hält.
Frau Faber, mit dem Ende dieses
Frühlingssemesters geben Sie das
Rektorat der Theologischen Hochschule Chur an Nachfolger Christian Cebulj ab. Sieben Jahre zuvor
haben Sie als erste Frau dieses Amt
übernommen. Die Stellung der
Frau in der Katholischen Kirche ist
seit jeher ein Streitpunkt. Wie haben Sie das Thema während Ihrer
theologischen Laufbahn erlebt?
EVA-MARIA FABER: Negative Erfahrungen im Sinne einer Ausgrenzung
habe ich nicht viele gemacht. Allerdings wurde ich erst im Laufe der Zeit
aufmerksamer auf die Frage der Stellung der Frau. So habe ich nie selbst bei
einer Professorin studiert – und hatte
somit auch kein Vorbild mit Blick auf
meine spätere Tätigkeit. An der Universität Freiburg im Breisgau war ich die
erste Frau, die sich in Theologie habilitierte. Da wird es einem schon etwas
unheimlich.
Was hat sich da seit Ihrem Studium
geändert? Oder: Wo steht die Kirche heute in der Frauenfrage?
In akademischen Bereichen sind Frauen nun selbstverständlicher, in anderen weniger. Höhere Leitungsfunktio-
nen in der Kirche setzen die Ordination – die Priester- oder Bischofsweihe
– voraus, die nach katholischem Verständnis Frauen immer noch verwehrt
ist. Auch Papst Franziskus zeigte sich
bekümmert darüber, dass Frauen im
kirchlichen Leben eine grosse Rolle
spielen, jedoch am Rande stehen, sobald es um Verantwortung in leitender
Funktion geht. Dies ist gemäss Franziskus zu ändern. Die Frage ist nur, wie
sich diese Absicht unter den gegebenen Bedingungen realisieren lässt und
aus den schönen Worten Fakten werden.
Wie sind Sie der Frauenrolle als
Theologin begegnet?
Ich bin dem Thema zu Beginn manchmal ausgewichen, weil mich die Beschäftigung damit bedrückt hat. Bei
der Arbeit an einem Artikel über die
Frau in der Theologiegeschichte habe
ich dann untersucht, was Theologen
aus allen Jahrhunderten zum weiblichen Geschlecht schrieben. Und ich erschrak ob dieser – ich will nicht gleich
sagen Verachtung – Minderschätzung
der Frau: Sie wurde schlicht nicht als
vollwertiger Mensch betrachtet. Das
«Wir sind als Kirche
immer kulturell
geprägt worden –
und das muss auch
heute gelten.»
zeigt sich etwa in der Gott-Ebenbildlichkeit der Frau: Wenn die Bibel das
auch nicht so festhält, wird sie doch so
ausgelegt, dass Adam direkt nach dem
Vorbild Gottes geschaffen wurde, währenddessen Eva – aus einer Rippe
Adams geformt – nur in abgeleiteter
Form Gott ebenbildlich ist.
Woher kommt diese Geringschätzung der Frau in der Kirche?
Das sind Auslegungsfragen. Der Bibel
nach hatte Jesus einen für jene Zeit
sehr unbefangenen Umgang mit Frauen. Zudem dürften in frühchristlichen
Zeiten, als man sich in kleinen Kreisen
in Wohnhäusern traf, meist Frauen die
Einladenden gewesen sein. Bei Paulus
ist dann aber zu lesen, Frauen sollten
während des Gottesdienstes schweigen
– wobei man sich fragen kann, ob dies
nicht ein nachträglicher Einschub ist.
Generell spielen kulturelle Einflüsse
eine wichtige Rolle: Wenn die Frauen
in der Gesellschaft keinen Platz haben,
dann wirkt sich das auf das Frauenbild
in der Religion aus.
Nun hat sich das Frauenbild in
unserer Gesellschaft seither aber
weiterentwickelt.
In einer Gesellschaft, in der Frauen zumindest rechtlich gleichgestellt sind,
muss sich die Kirche fragen, wie sich
dies im Geschlechterverhältnis der Kirche niederschlagen soll. Wir sind als
Kirche immer kulturell geprägt worden – und das muss auch heute gelten.
Auch Homosexualität wird in der
heutigen Gesellschaft in einem anderen Licht gesehen als noch vor
100 Jahren. Aber auch hier tut sich
die Kirche schwer. Woher rührt
dies?
Ruchs Rubrik
Ostern mit Oskar
Christian Ruch
fühlt sich
skandinavisch
Ursprungs. Das prognostizierte Osterwetter für uns Mitteleuropäer präsentiert sich allerdings noch garstiger als
für Skandinavier.
Temperaturmässig bewegen wir
uns alle ungefähr auf Polarkreisniveau, aber wenigstens dürfen sich
die Leute in so traurigen Käffern wie
dem ostfinnischen Outokumpukau-
egal ob uns das nun passt oder nicht
– was Tiefdrucksysteme immer wieder eindrucksvoll unter Beweis stellen. Übrigens bin ich heilfroh, dass
der Orkan Niklas und nicht Christoph
hiess. Denn die Schlagzeile «Christoph
hinterlässt eine Spur der Verwüstung» hätte SVP-Anhänger nur unnötig düpiert.
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
orgestern berichtete die Pendler-Postille «20 Minuten», es
Südostschweiz vom 4.4.2015, Seite 24.pdf
24
LEBEN
Südostschweiz | Samstag, 4. April 2015
Spaniens
aussergewöhnliches
Osterfest
Während der «Semana Santa», der Heiligen Woche vor Ostern, treffen sich
in Städten und Dörfern von Andalusien tausende von Menschen, um mit
schweren Heiligenfiguren und viel Musik durch die Gassen zu prozessieren.
S
von Roland P. Poschung
emana Santa: In diesen eindrücklichen
Prozessionen
werden die Bruderschaften
von
Musikgruppen
und
Trommlern begleitet sowie
von den Einheimischen wie auch von
zahlreichen Touristen bestaunt. Die
eindringliche Melodie klingt eintönig,
und doch entsteht eine ehrfürchtige
Stimmung.
chen Treiben zu schauen darf. Zur
Überraschung, zwischendurch werden
dabei feine salzige oder süsse Tapas sowie der typische Osterwein, Bodegas
Jesus Nazareno, im Geschmack erinnert dieser Wein an Sherry gemischt
mit Weisswein, aufgetischt und serviert.
Schnelle Hilfe für Verirrte
Und wenn man sich in den hügeligen
Ortschaften und Gassen verläuft, so
sind bald hilfsbereite Einheimische
zur Seite, die wieder den Anschluss an
die Touristengruppe organisieren: Mit
dem Privatauto zu gewünschten Orten
fahren oder die Verirrten individuell
bis zur Reiseleiterin durch die verwinkelten Gassen begleiten. Man zögert
beim Fehlen von verloren geglaubten
Gästen seitens der Tourismusorganisationen auch nicht die Polizei und den
Zivilschutz aufzubieten, um die vermissten Personen schnell wieder zu
finden. Wir staunen, sind dankbar und
finden die Zuwendungen absolut liebenswürdig.
Nur kein Geld
Trinkgeld zu geben, wäre für diese
wohlwollenden Einheimischen eine
Beleidigung, sie haben es von Herzen
gerne gemacht: «Die Begleitung der
Vermissten zurück zu ihrer Reisegruppe war für uns wie ein Abendspaziergang durch unsere Ortschaft. Und wir
haben dabei nette Leute kennengelernt», sagt das einheimische ältere
Ehepaar lachend. Die Thronfiguren
sind beliebte Fotosujets, wenn aber die
«Semana Santa»-Prozession zu Ende
ist, ist das Fotografieren beispielsweise
bei der heiligen Mutter Maria, bei deren Entkleidung, verboten. Die wichtige, religiöse und ethische Haltung und
die Erinnerung an das prächtige Erscheinungsbild sind dadurch gewährleistet.
Traditionelle Prozessionen
«Im ersten Augenblick wirken die Männer, und übrigens immer mehr auch
Frauen, mit ihren langen Spitzhüten
und Tüchern, die ihr Gesicht bedecken,
unheimlich», meint die Reiseleiterin
Estela Gonzalez. «Sie wirken dabei als
Büsser wie Mitglieder des Ku-KluxKlans. Die Büsser tragen diese Masken
und Hüte seit dem 14. Jahrhundert, damals hatte der Papst öffentliche Selbstzüchtigungen verboten» erklärt Gonzales weiter. Weil es damals in Spanien
jedoch dazugehörte, sich in der Karwoche Schmerzen zuzufügen, zogen die
Büsser die Haube mit dem Gesichtsschutz über, um nicht erkannt zu werden. «Venga! Auf geht’s!» rufen sich die
Männer zu. In Baena spielen über 3500
Trommler an der Hermandad.
Reisetipps
Mit dem Flugzeug: Die
beiden internationalen
Flughäfen von Malaga und
Sevilla werden von den
meisten Fluggesellschaften
direkt angeflogen.
Mit dem Zug: Sehr gut
ausgebaut ist zudem das
Eisenbahnnetz: Der Hochgeschwindigkeitszug AVE
verbindet regelmässig die
Städte Madrid und Sevilla.
Mit dem Auto:
Andalusien besitzt ein gut
ausgebautes Strassennetz
mit Schnellstrassen und
Autobahnen.
Bruderschaften geben Kraft
Bei den Häusern haben sich inzwischen die Touristenscharen im murmelnd lauten Gassengewirr eingereiht.
«Besuche bei den Bruderschaften sind
durch gute Kontakte möglich, dabei erlebt man bei ihnen einen intensiven
Zusammenhalt, wo man sich freudig
vor dem Ereignis umarmt, sich verpflegt, gemeinsam betet und motiviert,
um danach die schwere Last der
Thronfiguren über weite Strecken zu
tragen. Schon in jungen Jahren nehmen Väter ihre Buben mit und führen
sie so Jahr für Jahr in diese Prozessionen und Traditionen ein», sagt Encarnacion Giraldez, die Mitarbeiterin bei
Caminos de Pasion.
Für Spaniens Tourismus bilden die
regionalen Prozessionen einen wichtigen Teil im touristischen Leben und
frühlingshaften Programm. Die wirklich sehr herzliche und unkomplizierte
Gastfreundschaft ermöglicht manchmal auch Besuche in den Häusern von
Einheimischen, wo man vom Balkon
aus dem symbolhaften und besinnli-
Nützliche Links zu
Andalusien:
www.spain.ch
www.andalucia.org/de
www.juntadeandalucia.es
www.turismodepriego.com
Die Karwoche in Andalusien: Eine Woche lang wird in jeder Stadt und in jedem Dorf dem Leiden Christi und der Mutter Gottes mit viel
Bilder Roland P. Poschung
Musik und eindrücklichen Prozessionen gedacht.
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Insider-Tipp:
Brigitte und Roger Schläpfer sind mit ihren Kindern
vor wenigen Jahren von
Wil SG nach Montoro ausgewandert. Ihr gepflegtes
Guesthouse mit Swimmingpool ist der ideale
Ausgangsort um Andalusien und die Prozessionen
während der Karwoche
kennenzulernen. Mehr Informationen dazu unter
www.olivetum-colina.ch.
Südostschweiz | Samstag, 4. April 2015
Es gibt biblische Stellen, die den Eindruck erwecken, als würde Homosexualität schlechthin verurteilt. Bei näherem Hinsehen ist das nicht so gegeben,
wenn der Kontext berücksichtigt wird.
Zum Beispiel die Geschichte zu Sodom: Zwei Engel in Männergestalt sollen in Gottes Auftrag prüfen, ob die
Stadt tatsächlich der Sünde anheimgefallen sei. Als sie von Abrahams Neffe
Lot als Gäste aufgenommen werden,
fordern die Einwohner Sodoms von
Lot die Aushändigung der Gäste, um
mit ihnen sexuell zu verkehren. Diese
Geschichte wurde jahrhundertelang
als eine Verurteilung der Homosexualität gelesen; tatsächlich geht es aber
um die Verletzung des Gastrechts und
Fremdenfeindlichkeit. Interessanterweise ist im Übrigen meist nur von
gleichgeschlechtlicher Liebe zwischen
Männern die Rede. Darin spiegelt sich
die Einstellung wieder, dass bei der
Homosexualität ein Mann die Rolle der
Frau übernehme – und dass das nicht
gehe.
Wegen der angenommenen Ungleichheit der Geschlechter?
Ja. Mann darf doch nicht die Rolle der
Frau übernehmen. Hinzu kommt die
Frage, inwiefern man sich in den verschiedenen Epochen bewusst war, dass
es Menschen mit einer dauerhaft
«Wir Theologen
forschen und
schreiben zwar vor
uns hin, aber wir
haben eigentlich
keine Bedeutung
mehr.»
homosexuellen Veranlagung gibt, es
sich also nicht um Heterosexuelle handelt, die spielerisch homosexuell aktiv
werden. So wurde bei der Verurteilung
homosexueller Handlungen wohl eher
an Heterosexuelle gedacht. Andererseits wurde Homosexualität lange als
Krankheit gesehen. Heute wird auf Kirchenseite eingestanden, dass wir das
Phänomen noch nicht ganz durchschauen. In dieser Hinsicht folgt man
humanwissenschaftlichen Erkenntnissen, denen zufolge es sich nicht um
eine therapierbare Krankheit oder eine
willkürliche Entscheidung handelt,
sondern um eine bleibende Veranlagung.
Und diese Einsicht hat sich in der
Kirche durchgesetzt?
Ja. Aber als Theologen müssen wir auf
die Unstimmigkeit hinweisen, dass
sich die theoretische Einordnung der
Homosexualität geändert hat – aber
immer noch die alte praktische Konsequenz gezogen wird, dass die Ausübung dieser Veranlagung nicht sein
darf. Dass hier auch noch offene
Fragen sind, sehen wir im zivilrechtlichen Bereich wie auch in anderen
Kirchen. Doch mit dem Theologen
und Kardinal Yves Congar gespro-
Südostschweiz vom 4.4.2015, Seite 3.pdf
chen: Man kann Lösungen verurteilen
– nicht aber die Probleme.
Die theologische Debatte findet
statt. Aber inwiefern besteht eine
Wechselwirkung zwischen dieser
theologischen Forschung und der
kirchlichen Position zu einzelnen
Fragen? Wie findet diese statt?
Hier sprechen Sie einen wunden Punkt
an. Noch auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil hatte jeder Bischof einen
theologischen Berater, und es gab offizielle Konzilsberater. Nach dem Konzil
hat die Theologie permanent an Bedeutung verloren. Wir forschen und
schreiben zwar vor uns hin, aber wir
haben eigentlich keine Bedeutung
mehr. Die strukturelle Verbindung zwischen Theologie und Kirchenlehre ist
verkümmert. Es gibt wohl Kommissionen – hierzulande etwa eine theologische Kommission für die Bischofskonferenz. Die Theologie sollte so in kirchenamtliche Texte einfliessen – so die
Absicht. Aber oft fragt man sich im
Nachhinein: Wo sind die Theologen gewesen?
Für Überraschungen sorgte vor
zwei Jahren erst der Rücktritt von
Papst Benedikt XVI. – ein historisches Novum – und die anschliessende Wahl Jorge Bergoglios als
dessen Nachfolger. Eine Wahl, die
unter progressiven Kirchenangehörigen mit vielen Hoffnungen verbunden war. Was macht das neue
Pontifikat für Sie aus?
Es ist ein anderer Stil, eine Abkehr von
Pomp und Äusserlichkeiten, die ich begrüsse. Und was die Reformen angeht:
Wichtig ist nicht, dass ein Papst kommt
und verkündet: «Ich mache alles anders.» Wichtig ist, dass sich die Art, wie
wir in dieser Kirche zu Entscheidungen kommen, verändert. Und da hat
Franziskus durchaus etwas eingeleitet.
Das zeigt sich etwa darin, dass Franziskus den beiden Synoden 2014 und
2015 eine Umfrage unter Gläubigen
ohne kirchliche Ämter vorangehen
liess. Das ist ein neuer Stil. Man möchte echte Beratungsprozesse und nicht
von oben herab entscheiden. Aber wir
kennen es aus der Schweiz: Wenn sich
mehr Menschen an Entscheidungen
beteiligen, dauern die Prozesse länger.
Ich hoffe aber schon, dass er den Mut
hat, diesen Beratungsprozessen auch
konkrete Schritte folgen zu lassen.
Da haben wir nun einen Papst, der
die Kirche öffnen will und eine Debatte wünscht in einer Institution,
die auf eine lange Tradition von
strikter Hierarchie und von oben
gefällten Entscheiden zurückblickt.
Statt Anweisungen zu geben, sagt
das Kirchenoberhaupt nun: Macht
selbst. Und unten macht sich Ratlosigkeit breit.
Genau so ist es. Man ändert seine Gewohnheiten nicht so schnell. Und
unter Amtsträgern hat man sich daran
gewöhnt, das zu tun, was von oben
gesagt wurde – auch mit Blick auf die
eigenen Aufstiegschancen. Eben diesen Karrieregeist hat Franziskus kritisiert. Man hat in der Kirche vergessen,
was freie Rede bedeutet. Und dieser
Papst fordert uns nun auf zu sagen,
«Man hat in der
Kirche vergessen,
was freie Rede
bedeutet. Und dieser
Papst fordert uns
nun auf zu sagen,
was wir denken.»
was wir denken. Und das trägt erstaunliche Früchte, etwa Bischöfe, die plötzlich die freie Rede für sich entdecken.
Anderen gefällt das natürlich weniger.
Parallel dazu scheint der Konservativismus in hiesigen Kirchenkreisen auch in jüngster Zeit im Aufwind zu sein. Oder ist das nur
ein medial vermittelter Eindruck?
Von aussen wird
die strikt traditionelle Seite
wohl stärker
wahrgenommen, als sie
in Wahrheit
ist, weil sie
sich medial
stark
darstellt – und
Medien eine
Vorliebe für
polarisierende Positionen
haben.
Das
grosse Mittelfeld
von Menschen, die
weder radikale Veränderungen noch
strengen Konservatismus suchen, wird aber
kaum wahrgenommen. Zudem
haben die
Kirchen
in unseren Breitenkreisen
enorm
an Einfluss verloren: Die Zahl der
kirchlich praktizierenden Menschen
ist zurückgegangen. Die Christen werden zur Minderheit – und Minderheiten neigen dazu, ihre Identität schärfer
zu profilieren. Das Bild einer Kirche, in
der klar ist, dass wir in der Geschichte
und einer sich verändernden Gesellschaft leben und Positionen immer
wieder neu überprüfen müssen, wird
in diesen Kreisen nicht gern gesehen.
Ein Papst, der nachfragt und Entscheidungsbefugnisse nach unten
weiterreicht, gibt auch Macht aus
der Hand – und schwächt die Stellung Roms in der Kirche. Da ist Widerstand vorprogrammiert.
Dieses Phänomen war bereits während des Zweiten Vatikanischen Konzils zu beobachten: Die grösste Verteidigerin der päpstlichen Vorrangstellung ist die römische Kurie – weil sie
an dieser Macht partizipiert. Andererseits sind nun erstaunliche Entwicklungen zu beobachten. Gewisse Kreise,
die bisher stets Papsttreue bis zum
Letzten beschworen, zeigen sich nun
von einer neuen Seite: etwa der amerikanische Kardinal Leo Burke, der den
ganzen Synodenprozess dezidiert ablehnt und Widerstand in Aussicht stellte, sollte der Papst einen neuen Kurs
einschlagen.
Auch wenn er sich zu vielen umstrittenen Themen äussert:
Klare
Stellungnahmen zu konkreten
Fragen wie dem
Umgang mit
wiederverheirateten
Geschiedenen
und
Homosexuellen in der
Kirche lässt
Franziskus
vermissen.
In der Folge
bemühen
sich Konservative
wie
Progressive, ihn
als einen der
Ihren darzustellen.
REGION
Wenn es um wichtige Fragen geht,
müssen wir uns um eine sorgsame Beratung bemühen. Da finde ich es klug,
dass der Papst sich zurückhält und
nicht von Anfang an eine klare Position bezieht. Wie die Katholische Kirche gestrickt ist, würden sich viele mit
einem «Ja, so denke ich auch» zufriedengeben – an eine wirkliche Debatte
wäre dann nicht mehr zu denken. Dieser Papst will, dass man auch ihn kritisieren kann. Daher ist es müssig, sich
auf die angebliche päpstliche Haltung
zu berufen.
Bei vielen, die sich von Franziskus’
Pontifikat einen raschen Wandel
erwartet haben, ist heute eine gewisse Ernüchterung spürbar.
Gewisse Leute empfinden das als mühsam und finden, jetzt müssten doch
endlich etwa in Sachen Wiederverheiratete konkrete Schritte gemacht werden. Wenn es auch manchen zu langsam gehen mag: Vielleicht ist die Veränderung der Gesprächskultur wichtiger, als dass bei diesem oder jenem
Punkt schnelle Entscheidungen getroffen werden. Aber natürlich müssen irgendwann einmal auch Entscheidungen gefällt werden.
Franziskus will eine Kirche, die zu
den «Rändern» hinausgeht, fordert, den Menschen ins Zentrum zu
stellen. Sind ihm die einzelnen Regeln demgegenüber zweitrangig?
Franziskus lenkt den Blick fortwährend weg von Strukturen und Sätzen
und hin zur Lebenswirklichkeit der
Menschen. Nach meinem Dafürhalten
ist das nicht nur eine Stilfrage, sondern etwas, was das Leben der Kirche
verändern wird. Tatsächlich herrscht
derzeit eine Fixierung auf Sätze, als
könne man den Glauben sauber in bestimmte Formulierungen verpacken.
Nicht, dass dem Papst Regeln unwichtig wären – aber das Leben der Menschen ist ihm viel wichtiger. Und Franziskus weiss, dass das Leben komplizierter ist, als Regeln sein können. Es
geht ihm um die Würde des Menschen,
darum, dass man den Menschen als
Menschen respektieren muss, bevor
Fragen über die Lebensführung gestellt werden.
Eva-Maria Faber …
… wurde 1964 in Osnabrück/Niedersachsen geboren. In den Achtzigerjahren studierte sie katholische Theologie in Münster, Toulouse und Freiburg im Breisgau,
wo sie sich später als erste Frau in
Theologie habilitierte. Ab Mitte
der Neunzigerjahre war Faber als
Dozentin tätig. 2000 folgte die
Berufung als ordentliche Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie an die Theologische Hochschule Chur (THC).
2007 wurde sie als erste Frau zur
Rektorin der THC ernannt. Am
1. August übergibt sie das Amt an
Christian Cebulj. Faber bleibt als
Dozentin an der THC.
Bild Marco Hartmann
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
3
Südostschweiz vom 5.4.2015, Seite 1.pdf
Die Schweiz
wird von
Katholiken
regiert
Eine Auswertung zeigt, wie Kantonsregierungen
konfessionell zusammengesetzt sind
VON OTHMAR VON MATT
W
RDB/Sabine Wunderlin
Abschiedsbrief an seine Frau,
Kinder und Brüder geschrieben,
ese nach seinem Tod entgegenen. «Seid nicht traurig», sei die
haft in dem Brief. > SEITEN 16/17
er es in eine Kantonsregierung schafft, ist
in den allermeisten
Fällen Mitglied einer
Landeskirche: Während in der Bevölkerung nur 64 Prozent
katholisch oder reformiert sind, sind es
in den Kantonsregierungen rund 90 Prozent. Dies zeigt eine Umfrage der
«Schweiz am Sonntag». Daraus geht hervor, welcher Konfession die Regierungsräte angehören. 19 der befragten 26
Kantone haben Angaben gemacht. Demnach sind 63 Regierungsvertreter katholisch, 38 reformiert und nur acht konfessionslos. Auffällig ist die Dominanz
der Katholiken. Selbst wenn man die
Zahlen um jene sieben Kantone hochrechnet, die nicht mitmachten, bleibt
eine deutliche katholische Mehrheit.
Die Auswertung zeigt, dass katholische Kantone nach wie vor von soliden
katholischen Mehrheiten in der Regierung geführt werden. Überraschungen
ie Katastrophe überlebt
m 6. April 1975 eine grosse Lawine
Weiler Acla am Fusse des Lukrpasses zerstörte, war Antonia
or aus Obersaxen im wahrsten
des Wortes mittendrin. Zwischen
ilen gefangen, erlebte sie die
e Nacht ihres Lebens. Es war eine
zwischen Bangen und Hoffen, wie
ute, 40 Jahre danach, erzählt. AnTschuor überlebte die Katastrophe
schwere Verletzungen. Weil ein
tergestürzter Balken aber die
fuhr abgeschnürt hatte, musste
stellen die Kantone Aargau und St. Gallen dar. Der Aargau ist zwar ein religiös
geteilter Kanton, aber in der fünfköpfigen Regierung dominieren die Katholiken mit vier Vertretern. Susanne Hochuli (Grüne) ist konfessionslos. In der St.
Galler Bevölkerung gibt es deutlich
mehr Katholiken als Reformierte, doch
in der siebenköpfigen Regierung stellen
die Reformierten vier Vertreter.
Traditionell reformierte Kantone
wie Bern und Zürich sind in der Regierung nach wie vor reformiert geprägt. In
Bern sitzen mindestens vier Reformierte
im Regierungsrat. Drei Mitglieder wollten nichts sagen. Im Kanton Zürich sind
sechs von sieben Regierungsräten reformiert, Regine Aeppli (SP) ist konfessionslos. Damit bestimmt eine klare reformierte Mehrheit über einen Kanton, der
nur noch eine knappe Mehrheit an Reformierten hat (31 Prozent Reformierte,
28 Prozent Katholiken). Dazu äussert
sich Michel Müller, Kirchenratspräsident der Reformierten Kirche des Kantons Zürich, kritisch.
> SEITEN 2/3
Tritt Britannien
aus der EU aus?
Die kommenden Wahlen in Grossbritannien sind auch eine Vorentscheidung über die Frage, ob das Land in der
EU bleibt. Premierminister David Cameron hat angekündigt, im Fall einer Wiederwahl bis 2017 ein Referendum über
den Ausstieg aus der Union abzuhalten.
Pressespiegel
Und Linke wie Rechte sind inzwischen
der Überzeugung:
Kommt es zur AbEvangelisch-reformierte Landeskirche
Graubünden
stimmung, ist der «Brexit» wahrscheinlicher denn je. (AC)
> SEITEN 10/ 11
70014
MEINUNGEN 15
Südostschweiz vom 5.4.2015, Seite 15.pdf
|
 ORLANDOS WOCHENSCHAU
 KOLUMNE VON ALINE TREDE
Veränderungsfreie
Schweiz
Warum nur hat die Schweiz so Angst vor Ver­
änderung, mehr als jedes andere Land? Warum
bleibt die Veränderung immer kleiner als in
anderen Ländern? Sei das in der Familien­, Sicher­
heits­, oder Aussenpolitik oder in gesellschafts­
politischen Fragen. Die Schweiz ist stabil und
unbeweglich und oft hinkt das Gesetz der Realität
hinterher. Muss politisch wirklich immer nur
geerntet werden, muss immer nur nachvollzogen
werden, was andere schon lange als Realität
kennen? Ich finde, nein. Wir könnten auch mal
vorausschauende Politik machen.
nur? Hat die Hetzkampagne von rechts wirklich
erreicht, dass wir die EU hassen? Es ist mir klar,
dass ein EU­Beitritt nicht mehrheitsfähig ist und
das vielleicht auch nicht so schnell der Fall sein
wird. Indem wir aber die EU verteufeln, bringen
wir die Schweiz kein Schrittchen weiter. Beliebt
ist die EU nur, wenn es ums billige Einkaufen
geht. All jene, die zu Hause und am Stammtisch
rufen: Nicht in die EU, niemals im Ausland ein­
kaufen, Schweiz stärken, Schweizer Produkte
kaufen, Schweiz, Schweiz, Schweiz! Und am Wo­
chenende fahren sie über die Grenze und packen
sich das Auto, welches ja auch importiert ist, voll
mit Billigprodukten aus dem nahen Ausland.
Beispiel Familienpolitik: Es gibt Patchworkfami­
lien, Einkindfamilien, Regenbogenfamilien, kin­
derlose Familien und vieles mehr. Aber das Gesetz Beispiel Umweltpolitik: Wir wissen alle, dass die
Klimaveränderung voranschreitet. Und was tut
kennt praktisch nur die traditionelle Familie.
SUV, Offroader, Autos mit grossem
Langsam, ganz langsam wurden Scheidungsrecht, die Schweiz?Pressespiegel
CO2­Ausstoss sind weiterhin
Sorgerecht, Vorsorge etc. angepasst. Aber
es gibt
im Trend. Der
CO2­
Evangelisch-reformierte
Landeskirche
Graubünden
noch viel zu tun. Bereits heute gibt es gleichge­
Ausstoss der Autoflotte wird sich dieses Jahr nicht
reduzieren, soweit meine Prognose. Es ist normal,
schlechtliche Paare mit adoptierten Kindern, was
in der Schweiz eigentlich gesetzlich nicht vorgese­ ein Wochenende nach London zum Shopping zu
hen ist. Bereits heute gibt es Kindern mit mehr als jetten, es gehört zum guten Ton in die «Winterfe­
 TWEETS
DER WOCHE
«Hier eine Liste von Frauen,
die mit aufgespritzten
Lippen besser aussehen als
zuvor:»
Goldvreneli (@froumeier)
sucht noch nach passenden
Beispielen.
«Vielleicht lasse ich mir die­
sen Sommer kurze Hosen
tätowieren.»
Soll Petrus doch machen,
was er will. Marc Tetrapak (@
MarcTetrapak) nimmt das
Wetter selbst in die Hand.
«Ist ja klar schneits an
Ostern. Weshalb hätte
sonst einer das Eierfärben
erfinden sollen?»
Peter Peyer (@pptrin) geht
den Ursachen des Wetters
auf den Grund.
«Ohne Twitter und Face­
book, würde man mich
vergessen?»
Während alle über das Wetter reden, treiben C.M.E. Pinky (@Kari_Enna) wichtigere
Fragen um.
Südostschweiz vom 5.4.2015, Seite 15a.pdf
 TWEETS
DER WOCHE
gsfreie
«Hier eine Liste von Frauen,
die mit aufgespritzten
Lippen besser aussehen als
zuvor:»
Goldvreneli (@froumeier)
sucht noch nach passenden
Beispielen.
nur? Hat die Hetzkampagne von rechts wirklich
erreicht, dass wir die EU hassen? Es ist mir klar,
dass ein EU­Beitritt nicht mehrheitsfähig ist und
das vielleicht auch nicht so schnell der Fall sein
wird. Indem wir aber die EU verteufeln, bringen
wir die Schweiz kein Schrittchen weiter. Beliebt
ist die EU nur, wenn es ums billige Einkaufen
geht. All jene, die zu Hause und am Stammtisch
rufen: Nicht in die EU, niemals im Ausland ein­
kaufen, Schweiz stärken, Schweizer Produkte
kaufen, Schweiz, Schweiz, Schweiz! Und am Wo­
chenende fahren sie über die Grenze und packen
sich das Auto, welches ja auch importiert ist, voll
mit Billigprodukten aus dem nahen Ausland.
Beispiel Umweltpolitik: Wir wissen alle, dass die
Klimaveränderung voranschreitet. Und was tut
die Schweiz? SUV, Offroader, Autos mit grossem
CO2­Ausstoss sind weiterhin im Trend. Der CO2­
Ausstoss der Autoflotte wird sich dieses Jahr nicht
reduzieren, soweit meine Prognose. Es ist normal,
ein Wochenende nach London zum Shopping zu
jetten, es gehört zum guten Ton in die «Winterfe­
rien» auf die Seychellen zu fliegen. Eine Auszeit in
Thailand oder Afrika gehört einfach dazu.
Über Umweltpolitik will nicht mehr geredet
werden – bis zur nächsten Katastrophe. Wie bei­
spielsweise die Atom­Katastrophe in Fukushima.
Die war genau vor den Nationalratswahlen 2011.
Damals haben sich über 100 PolitikerInnen, wel­
che heute im Parlament sitzen, für den Atomaus­
stieg bis 2034 ausgesprochen. Wie wir alle wissen,
hatte dieser Antrag in der Wintersession 2014 im
Parlament keine Chance mehr. Das heisst, über
50 Prozent der ParlamentarierInnen halten ihre
Wahlversprechen nicht.
Ist das dem Wahlvolk einfach so egal? Dass das
Parlament der Realität hinterherhinkt und die
PolitikerInnen in der Mehrheit nicht tun, was sie
versprechen? Leider gehen viele progressive junge
Menschen nicht an die Urne. Die Wahlbeteiligung
bei den letzten kantonalen Wahlen vor einer Wo­
che in Luzern sank unter 40 Prozent. Liebe Leute,
geht wählen am 18. Oktober 2015 – und zwar alle!
*Aline Trede ist Umweltwissenschaftlerin ETH und Nationalrätin der Grünen Bern. Sie ist verheiratet, hat ein Kind und wohnt
in Bern.
«Vielleicht lasse ich mir die­
sen Sommer kurze Hosen
tätowieren.»
Soll Petrus doch machen,
was er will. Marc Tetrapak (@
MarcTetrapak) nimmt das
Wetter selbst in die Hand.
«Ist ja klar schneits an
Ostern. Weshalb hätte
sonst einer das Eierfärben
erfinden sollen?»
Peter Peyer (@pptrin) geht
den Ursachen des Wetters
auf den Grund.
«Ohne Twitter und Face­
book, würde man mich
vergessen?»
Während alle über das Wetter reden, treiben C.M.E. Pinky (@Kari_Enna) wichtigere
Fragen um.
«Ich fürchte, nicht ein ein­
ziger unserer Tweets wird
2050 zur Pflichtliteratur an
Universitäten zählen»
Grantscherm (@Grantscheam) über die Vergänglichkeit
aller, wirklich aller Dinge.
«Gott sagt, Tanzen ist
erlaubt»
Provokante These von Dingenskirchen (@hubertsrevier) zum Tanzverbot in der
Karwoche.
«Wenn mir langweilig ist
an Tagen wie heute, mache
ich bei @Migros mit beim
beliebten Spiel 52 Kunden
und ein Metzger»
Markus Felber (@Frechgeist)
über die kleinen Freuden, die
ein Besuch beim Detaillisten
mit sich bringen kann.
«Frohe Ostern euch allen!»
Fromme Wünsche gibt es
selbst von den Toten Hosen
(@dietotenhosen). Punk ist
deswegen aber noch lange
nicht tot. Nur etwas manierlicher.
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
LETZTE MELDUNGEN
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esserstecherei
Pratteln
Südostschweiz
5.4.2015, Seite 2.pdf
2 KIRCHE
UND vom
POLITIK
|
ATTELN BL Bei einer Messercherei sind in der Nacht auf
freitag in Pratteln vier Jugende verletzt worden. Ein mutsslicher Täter konnte im Lauf
Tages festgenommen werden,
die Baselbieter Polizei gestern
teilte. Es handelt sich um
en 19-jährigen Schweizer, der
Kanton Bern wohnhaft ist. Die
einandersetzung ereignete
h zwischen Mitternacht und
hr auf einem Parkplatz an der
nkendörferstrasse. Eine Grupsoll in einem Gartenhaus am
ern gewesen sein, als die zweiGruppe dazustiess. Laut der
zei war es eine Auseinanderzung zwischen einer Schweizer
einer kosovarischen Gruppe.
kam zu Tätlichkeiten, bei deein Messer und Schlaggegennde zum Einsatz kamen. Die
Verletzten im Alter von 14 bis
ahren mussten in Spitalpflege
racht werden. (FB)
nanzvorsteher Monnard
bt dem Druck nach
CHAUX-DE-FONDS Der Finanzister von La Chaux-de-Fonds,
re-André Monnard, ist von seim Amt zurückgetreten. Dies teilte
Staatskanzlei gestern mit. Mond war über einen Monat krankgerieben gewesen. Seinen Rücktritt
ründet Monnard mit seinem Gedheitszustand. Der FDP-Politiker
ht seit Februar in der Kritik, als
Stadt die Rechnung des Jahres
4 mit einem Defizit von fast 12
onen Franken vorlegte. Der Fizvorsteher hatte einen Überuss von 2 Millionen budgetiert
abt. Monnard wird vorgeworfen,
abe die Steuereinnahmen zu
h eingeschätzt. Er selbst sieht
Verantwortung nur teilweise bei
h selbst. Sämtliche Parteien
usive der FDP hatten Monnards
ktritt gefordert. (FB)
ann erschiesst seine
efrau bei Genf
NF Eine Frau ist am Karfreitag im
ton Genf an ihrem Wohnort get worden. Als Tatverdächtiger
genommen wurde ihr Ehemann.
s schreibt die Kantonspolizei
f am Samstag in einer Medienteilung. Der 42-jährige, aus dem
ton Waadt stammende Mann
die Frau am Freitagabend kurz
h 18 Uhr im gemeinsamen Zuse in der Gemeinde Collongeerive erschossen haben. Die
minalpolizei eröffnete eine Unterhung zu dem Vorfall. (FB)
WETTER
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cht und kühl
chselhaft
eunfreundlicher
Mischung aus
ersonntag.
Im Gebiet
ken und sonnigen
rus,
senAlpstein,
prägt denPrättigau
Sonntag.sowie
Mit der
Engadin
Schneefall
möglich.
igen Bise
bleibt es heute
kühl bei
mperaturen
bis
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Grad.............. 44
ss 7 Grad. ................................
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iss Lotto:
14 17 20 30 31
cks-Zahl
2
play-Zahl
1
Gewinne:
Z
Z
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0 à CHF
0 à CHF
9 à CHF
81 à CHF
622 à CHF
2902 à CHF
9205 à CHF
43 289 à CHF
Herr Müller, in der Schweiz gibt es eine
deutliche katholische Übermacht in
den Regierungen. Überrascht Sie das?
Michel Müller: Auf den ersten Blick schon.
kpot 18,1 Mio. Franken
er:
8
0
1
9
9
0 à CHF
4 à CHF
30 à CHF
185 à CHF
1803 à CHF
10 000.00
1000.00
100.00
10.00
o Millions:
29
37
39 49 Sterne 2 / 4
VON OTHMAR VON MATT
E
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Allerdings gibt es viel mehr katholisch
geprägte Kantone als reformiert geprägte und damit auch viel mehr katholisch
geprägte Regierungen. In den bevölkerungsreichsten Kantonen Zürich und
Bern wohnen allein mehr als die Hälfte
aller Reformierten.
Acht Kantone wollten nichts sagen zur
Konfessionsfrage. Was bedeutet das?
Das e
rstaunt mich nicht. Es gibt die
Angst in den Kantonen, die religiöse
Neutralität des Staates könnte verletzt
werden, wenn Regierungsräte ihre Konfession bekannt geben.
Katholische Kantone sind nach wie vor
stark von katholischen Regierungsräten geprägt. Warum hält sich das?
Die katholischen Kantone sind bis heute
Auswandererkanton
e
geblieben. Seit
150 Jahren wandern Zentralschweizer
und Walliser aus wirtschaftlichen Gründen in reformierte Kantone aus. Sie wollen am Wirtschaftsboom partizipieren.
Damit mischen sie diese Kantone stärker durch, als es die katholischen werden. Mit einer Ausnahme.
Genau. Bern ist reformiert geblieben.
Die e inzigen Einwanderer, die es dort in
den letzten Jahren gab, waren eigentlich
Staatsbeamte. Sie führten den Katholizismus in Bern überhaupt erst ein.
Es gibt aber auch einen klassischen
CVP-Kanton, der inzwischen mit 4:3
reformiert regiert ist: St. Gallen.
12 719.35
1000.00
143.80
76.95
24.50
10.40
Mindestens 11 Kantone sind katholisch regiert –
und nur noch 7 Kantone reformiert
Der Zürcher Kirchenratspräsident über Politik und Kirche
Sie sprechen den Kanton Bern an?
GEWINNZAHLEN
Weshalb die Kath
holiken im
«Protestanten haben
Nachwuchsproblem»
St. Gallen war religiös betrachtet immer
ein paritätischer Kanton. Das Land ist
katholisch geprägt, die Stadt und ein
Teil des Toggenburgs reformiert.
Glarus hat 3 reformierte und 2 katholische Regierungsräte.
Das könnte auch umgekehrt sein. Glarus ist geschichtlich betrachtet ein paritätischer Kanton. Genauso wie der Aargau, der klar reformiert und katholisch
beeinflusste Gebiete hat.
Im Aargau sind 4 von 5 Regierungsräten katholisch.
Das ist untypisch. Bei nur fünf Regierungsräten kann es aber natürlich auch
einen statistischen Ausreisser geben.
In Zürich sind von 7 Regierungsräten 6
reformiert, obwohl die Zahl der Katholiken im Kanton fast so gross ist wie
jene der Reformierten. Weshalb?
Michel Müller von der
evangelisch-reformierten
Kirche Zürich.
KEY
Das zeigt: Die angestammten Zürcher
sind in der Kantonsregierung noch viel
stärker vertreten, sozusagen die Ureinwohner. In der Stadt Zürich ist das deutlich anders. Da gab es schon vor Jahren
einen katholischen Stadtpräsidenten.
Man müsste sich diese Entwicklung im
Kanton Zürich einmal selbstkritisch ansehen. Auch die Parteien müssen sich
fragen, wie offen sie für Migranten aus
der Schweiz selbst eigentlich sind.
Zürich wie Bern lieferten die Angaben
nur anonym. Ist das der richtige Weg?
Es wäre einfacher, wenn die Regierungsräte offen und entspannt zu ihrer Religion oder Konfessionslosigkeit stehen
würden. Sonst wecken sie nur einen Verdacht. Religionszugehörigkeit ist aber
nichts Verdächtiges.
Die reformierten Kantone haben praktisch nur katholische Zuwanderung.
Sterben die Reformierten aus?
Schweizer Protestanten und Katholiken
haben beide e in Problem mit der Überalterung. Die Katholiken können aber auf
ein weltweites Reservoir zurückgreifen.
Die Protestanten hingegen haben in der
Tat ein Nachwuchsproblem. Wir sterben
zwar nicht aus, werden aber konstant
weniger.
Was können die Protestanten tun?
Wir müssen die nächsten Jahre nutzen,
uns international stärker zu vernetzen.
Das ist unsere Schwäche. Pfingstchristentum und das Wachstum der christlichen
Bewegungen in China und Korea sind
sehr stark protestantisch beeinflusst. Insgesamt nimmt das protestantische Christentum nicht ab. Es lohnt sich auch, reformierte Werte wie Gleichberechtigung
und Demokratie in die Zukunft zu tragen. Es gibt kaum eine Religion, die so basisdemokratisch und gleichberechtigt organisiert ist, wie es die Protestanten in
der Schweiz, Mittel- und Nordeuropa und
INTERVIEW: OTHMAR VON MATT
England sind.
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s war eine Frage, die in verschiedenen Kantonsregierungen Hektik ausbrechen liess.
Gehören die Regierungsräte
einer Konfession an? Und
wenn ja: welcher? Dies wollte die
«Schweiz am Sonntag» von den 26 Kantonen wissen. Nur wenige antworteten so
transparent und selbstbewusst wie Markus Dörig, Ratsschreiber von Appenzell
Innerrhoden: «Wie von einem katholischen Kanton zu erwarten, sind derzeit
alle sieben Regierungsmitglieder katholischen Glaubens.»
Gleich sieben Kantone geben keine
Informationen zur Konfession ihrer Regierungsmitglieder. Nidwalden erachtet
die Religionszugehörigkeit als «nicht politischen Teil des Regierungsratsamtes».
Als Privatsache der Regierungsräte wird
die Konfession in den Kantonen AR, BL,
BS, GE, OW und VD bezeichnet.
Doch selbst wer Angaben macht, liefert sie teilweise nur anonym. Wie die
Kantone Wallis (vier katholische Regierungsräte, ein konfessionsloser) und Zürich (sechs reformierte Regierungsmitglieder, ein konfessionsloses). Oder der
Kanton Bern: Vier Mitglieder bestätigen
– anonym – evangelisch-reformiert zu
sein. Drei Mitglieder «verzichten auf eine
Teilnahme an der Umfrage», wie Kommunikationschef Christian Kräuchi
schreibt. Sie sagen selbst anonym nichts.
Meist wurde die Umfrage zum Thema auf höchster Stufe. Sie könne nicht
rückmelden, wer in Zürichs Regierung
konfessionslos sei, schrieb Susanne
Sorg-Keller, Leiterin Kommunikation des
Regierungsrates, auf Nachfrage. Die Regierungsräte wünschten, «dass die Antworten summarisch bleiben und nicht
einzelnen Personen zugeordnet werden». Und Obwaldens Landschreiber Stefan Hossli hielt fest: «Der Regierungsrat
wird Ihre Fragen anlässlich der nächsten
Regierungssitzung besprechen.» Er entschied, nichts zu sagen.
Die Auswertung der Umfrage selbst
ergibt das Bild einer deutlich katholisch
regierten Schweiz. 156 Regierungsratssitze gibt es in den 26 Kantonen. Mindestens 63 Regierungsvertreter sind katholisch, nur gerade 38 reformiert. Selbst
wenn man diese Angaben um jene sieben Kantone hochrechnet, die keinerlei
Angaben machen, bleibt die katholische
Mehrheit komfortabel.
Als konfessionslos bezeichnen sich
gemäss Umfrage nur gerade acht Regierungsräte, obwohl die Konfessionslosen inzwischen in den Kantonen Genf,
Neuenburg und Basel-Stadt die grössere
Gruppe bilden als jene jeder anderen
Religionsgemeinschaft. Das zeigt die
Auswertung der Strukturerhebung 2013
des Bundesamts für Statistik (BFS)
zur ständigen Wohnbevölkerung ab
15 Jahren nach Religionszugehörigkeit.
Auch in den Städten Zürich, Genf
und Basel bilden sie 2013 die grösste
Gruppe.
Zu den Konfessionslosen in Schweizer Regierungen gehören Susanne Hochuli (Grüne, AG), Marie Garnier (Grüne,
FR), Marcel Schwerzmann (parteilos/LU),
Manuele Bertoli (SP/TI) und Manuela
Weichelt-Picard (Alternative, Grüne, ZG).
Dazu ein Walliser Staatsrat.
Regine Aeppli (SP) ist gemäss Recherchen das konfessionslose Mitglied der
sonst reformierten Zürcher Regierung.
Und Norman Gobbi (Lega) ist, neben
dem aktuellen Regierungspräsidenten
Bertoli, das zweite konfessionslose Mitglied der Tessiner Regierung, wie er bestätigt. «Ich wurde zwar katholisch getauft», sagt er, «doch ich bezeichne mich
als konfessionslos, habe auch nie Kirchensteuern bezahlt.»
Die Regierungsräte in der Schweiz
haben in Sachen Religion aber noch
mehr zu bieten, zeigen Recherchen. Vor
allem die Regierungsräte aus Basel-Stadt,
die sich an der Umfrage nicht beteiligten. Hans-Peter Wessels (SP) ist Atheist,
wie e r 2012 in der «Basler Zeitung» betonte. Damit ist e
r wohl der einzige
atheistische Regierungsrat der Schweiz.
Und Baschi Dürr (FDP) engagierte sich
zwar in der katholischen Jungwacht
und las als Ministrant in der katholischen Kirche aus der Bibel vor. Der katholischen Kirche gehöre er aber nicht
mehr an, schrieb die «Basler Zeitung» in
einem Porträt über ihn. Und Basels Regierungspräsident Guy Morin (Grüne)
sagt von sich, er spiele jeweils ein «Unser
Vater» und singe dazu, bevor er auf der
Orgel übe. Morin ist Mitglied der evangelisch-reformierten Landeskirche und hat
vor seinem Medizinstudium zwei Semester Theologie studiert. Sogar promovierter Theologe ist der Solothurner Bildungs- und Kulturminister Remo Ankli
(FDP).
BESONDERS SPANNEND präsentiert sich
die Ausgangslage zurzeit im Kanton Zürich. Dort wird sich bei den Wahlen vom
12. April auch zeigen, wie der Regierungsrat nach den Abgängen von Ursula
Gut (FDP) und Aeppli konfessionell zusammengesetzt sein wird. Wahrscheinlich ist, dass ihm wieder ein konfessionsloses Mitglied angehört. Jacqueline Fehr
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
(SP) wie Carmen Walker Späh (FD
konfessionslos, obwohl Fehr aus
reformierten Elternhaus stamm
Steiner (CVP) ist katholisch. Mar
schof (Alternative Liste) ist zwar
lisch getauft, zahlt aber keine K
steuern: «Ich würde mich als Agn
bezeichnen, glaube nicht an Gott
Reformiert ist Nik Gugger
Der Gesamtleiter der reformiert
rikkirche Winterthur erzählt Er
ches. Ab und zu habe er in Pau
Wahlkampfs religiös-spirituelle D
onen mit Regierungsrats-Kandida
führt. «Spirituelle Intelligenz» sei
in der Wirtschaftswelt sehr gefra
der Unternehmensberater. In na
kunft könnte die christliche
diskussion «auch in der Politik
mehr Wert sein», denkt er: «Di
Gebote sind jedenfalls ein guter
scher Leitfaden.»
EINE UNTERSUCHUNG des Statis
Amtes des Kantons Zürich zur E
lung der reformierten und katho
Kirche kam 2012 zu einem für di
mierten alarmierenden Befund
1850 vereinigte die evangelisc
mierte Kirche im Kanton Zürich
Prozent der Bevölkerung auf sich
misch-katholische Kirche verdopp
ren Anteil erst von 1900 bis 1970
auf 37 Prozent. Heute bilden die
ken in der Stadt Zürich die grös
im Kanton Zürich nur knapp die
grösste Religionsgemeinschaft.
Die BFS-Strukturerhebung vo
zeigt, dass heute nur noch gerade
Kantone reformiert geprägt si
(hauchdünn), TG, AR, BL, ZH, SH
(sehr deutlich). Noch 2000 waren
Kantone. Gekippt sind in den let
Jahren BL, NE und VD.
Der Zürcher Bericht zeichn
die Reformierten ein wenig erfre
Bild. «Bei den Reformierten, zu
zent schweizerischer Nationali
der Anteil älterer Menschen
durchschnittlich hoch, jener der
Erwachsenen aber unterdurch
lich», heisst e
s. «Im Schnitt si
Reformierten 45 Jahre alt, drei Jah
als die national bunter gem
Katholiken.»
■ FRAGE DER WOCHE
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SOLLEN REGIERUNGSRÄTE IHRE K
SION ÖFFENTLICH BEKANNT GEBEN
Stimmen Sie ab
www.schweizamsonntag.ch oder
E-Mail: leserbriefe@schweizamsonn
Schweizam
amSonntag,
Sonntag,Nr.
Nr. 14,
92, 5.
Schweiz
5.April
April2015
2015
Südostschweiz vom 5.4.2015, Seite 2.pdf
SILVAN WEGMANN
Es waren besorgte Worte, die Kurt
Koch wählte, als wir ihn vor fünf Jahren zu einem Interview trafen. Der
damalige Bischof von Basel und heutige Kardinal sagte, Religion werde
aus unserer Gesellschaft «abgedrängt», die Schweiz verstehe sich
«nicht als ein besonders christliches
Land». Gar von «Entchristlichung»
sprachen in den letzten Jahren einzelne Kirchenvertreter.
egiert –
osen in SchweiSusanne HochGarnier (Grüne,
n (parteilos/LU),
und Manuela
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aus Basel-Stadt,
nicht beteiligSP) ist Atheist,
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Und Basels ReMorin (Grüne)
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ied der evangekirche und hat
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präsentiert sich
im Kanton Züen Wahlen vom
wie der Regiegen von Ursula
onfessionell zud. Wahrscheinein konfessionsacqueline Fehr
Patrik Müller
ller
ktor
Chefredaktor
Wie christlich
ist die Schweiz?
Kath
holiken immer dominanter werden
dt die grössere
jeder anderen
Das zeigt die
erhebung 2013
Statistik (BFS)
evölkerung ab
szugehörigkeit.
Zürich, Genf
13 die grösste
EDITORIAL
TORIA
AL
KONFESSIONEN IN DER BEVÖLKERUNG UND DER REGIERUNG
REGIERUNG
BEVÖLKERUNG
79,8%
UR
(SP) wie Carmen Walker Späh (FDP) sind
konfessionslos, obwohl Fehr aus einem
reformierten Elternhaus stammt. Silvia
Steiner (CVP) ist katholisch. Markus Bischof (Alternative Liste) ist zwar katholisch getauft, zahlt aber keine Kirchensteuern: «Ich würde mich als Agnostiker
bezeichnen, glaube nicht an Gott.»
Reformiert ist Nik Gugger (EVP).
Der Gesamtleiter der reformierten Fabrikkirche Winterthur erzählt Erstaunliches. Ab und zu habe er in Pausen des
Wahlkampfs religiös-spirituelle Diskussionen mit Regierungsrats-Kandidaten geführt. «Spirituelle Intelligenz» sei zurzeit
in der Wirtschaftswelt sehr gefragt, sagt
der Unternehmensberater. In naher Zukunft könnte die christliche Wertediskussion «auch in der Politik wieder
mehr Wert sein», denkt er: «Die Zehn
Gebote sind jedenfalls ein guter politischer Leitfaden.»
EINE UNTERSUCHUNG des Statistischen
AI
76,4%
74,3%
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OW
74,2%
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ZH
27,7%
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Keine Auskunft.
14,9%
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Keine Auskunft.
Keine Auskunft.
Keine Auskunft.
16,1%
40,1%
37,1%
13,4%
15,4%
17,7%
38,0%
28,6%
7,5%
17,6%
34,7%
BL
9,8%
12,7%
14,7%
23,8%
9,4%
6,1% Keine Auskunft.
20,1%
34,4%
31,2%
VD
14,9%
14,3%
46,7%
13,4%
11,2%
12,9%
Claudio Zali gibt keine
Erklärung ab, weil es sich
um eine Privatsache handelt.
9,5%
14,2%
62,5%
GR
17,2%
10,4%
FR
Keine Auskunft.
9,0%
15,5%
11,9%
SG
12,7%
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10,7%
62,8%
52,9%
8,2%
10,7%
11,7%
SZ
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4,6%
6,0%
6,4% 5,7%
11,7%
8,9%
63,2%
LU
8,6%
11,5%
VS
Amtes des Kantons Zürich zur Entwicklung der reformierten und katholischen
Kirche kam 2012 zu einem für die Reformierten alarmierenden Befund. Noch
1850 vereinigte die evangelisch-reformierte Kirche im Kanton Zürich über 95
Prozent der Bevölkerung auf sich. Die römisch-katholische Kirche verdoppelte ihren Anteil erst von 1900 bis 1970 von 18
auf 37 Prozent. Heute bilden die Katholiken in der Stadt Zürich die grösste und
im Kanton Zürich nur knapp die zweitgrösste Religionsgemeinschaft.
Die BFS-Strukturerhebung von 2013
zeigt, dass heute nur noch gerade sieben
Kantone reformiert geprägt sind: GL
(hauchdünn), TG, AR, BL, ZH, SH und BE
(sehr deutlich). Noch 2000 waren es zehn
Kantone. Gekippt sind in den letzten 13
Jahren BL, NE und VD.
Der Zürcher Bericht zeichnet für
die Reformierten ein wenig erfreuliches
Bild. «Bei den Reformierten, zu 95 Prozent schweizerischer Nationalität, ist
der Anteil älterer Menschen überdurchschnittlich hoch, jener der jungen
Erwachsenen aber unterdurchschnittlich», heisst e
s. «Im Schnitt sind die
Reformierten 45 Jahre alt, drei Jahre älter
als die national bunter gemischten
Katholiken.»
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5,6%
Laurent Kurth ist «nicht
praktizierender» Protestant.
13,6%
22,5%
17,3%
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SOLLEN REGIERUNGSRÄTE IHRE KONFESSION ÖFFENTLICH BEKANNT GEBEN?
BS
Stimmen Sie ab
www.schweizamsonntag.ch oder
E-Mail: [email protected]
BE
18,9%
17,1%
16,3%
Katholisch
45,5%
53,9%
Reformiert
Konfessionslos
Andere
18,5%
16,9%
12,9%
Keine Auskunft.
Im Kanton Bern gaben vier
Regierungsräte ihre Konfession
bekannt, drei nicht.
Recherchen von «Schweiz am Sonntag»
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Gewiss, die Gotteshäuser sind, ausser am heutigen Ostersonntag und
an Weihnachten, meist ziemlich
leer. Aber ist das gleichbedeutend
mit «Entchristlichung»? Zumindest
in einem wichtigen Teil der Gesellschaft, der Politik, sitzen überwiegend Mitglieder der Landeskirchen
an den Schalthebeln der Macht.
Während in der Bevölkerung gesamtschweizerisch 64 Prozent katholisch oder reformiert sind, sind
es in den Kantonsregierungen eindrückliche 90 Prozent. Nun lässt sich
nicht eruieren, ob die Regierungsräte nur ihre Kirchensteuern zahlen
oder ob sie religiös sind. Aber Tatsache ist: In den Exekutiven gibt es nur
vereinzelt Konfessionslose, und Angehörige anderer Religionen sind
keine bekannt.
Die Kirchen verloren insbesondere
nach 1968 in der Schweiz und in anderen westlichen Demokratien an
politischem Einfluss. Die Trennung
von Kirche und Staat ist in einer liberalen Gesellschaft eigentlich eine
Selbstverständlichkeit (hierzulande
aber nur teilweise erfüllt). Doch die
Erosion, so scheint es, wurde in der
jüngeren Vergangenheit zumindest
gestoppt. Ironischerweise ist es auch
der Zeitgeist – also das, was die Kirche gerade nicht verkörpert –, von
dem die Kirchen profitieren: In unserer Gesellschaft herrscht eine konservative Grundstimmung, Traditionen werden wieder wichtiger, das
zeigt auch die Polit-Debatte um Marignano und Morgarten. Hinzu kommen der Vormarsch des Islam in Europa, der vielen Bürgern Angst
macht, und die Gräueltaten des sogenannten Islamischen Staats, die
«unsere christlichen Werte», wie e s
dann auf einmal heisst, bedrohten.
Vielleicht regt sich im Westen gerade ein Gegentrend zur «Entchristlichung». In der aktuellen Ausgabe
des US-Magazins «Newsweek» wird
prognostiziert, im Präsidentschaftswahlkampf 2016 werde der Glaube
der Kandidaten ein grosses Thema
sein. Gestern las man, leicht
verdutzt, in der linksliberalen
«Süddeutschen Zeitung» einen Kommentar des Politikchefs Heribert
Prantl, der fürs Beten plädierte
(«Beten kann heilen und wieder mit
dem Lebenswillen verbinden»). In
unserer Zeitung wurden kürzlich
Zahlen veröffentlich, die zeigen:
Zwar geht die Zahl der kirchlichen
Trauungen seit langem zurück. Aber
bei den Kindern, da geht man auf
Nummer sicher: Die werden wie
eh und je getauft. In diesem Sinn:
Frohe Ostern.
[email protected]
Twitter: @patrik_mueller
Südostschweiz vom 5.4.2015, Seite 43.pdf
Schweiz am Sonntag, Nr. 92, 5. April 2015
LIFESTYLE 43
|
Die Kampfschwimmerin für die Freiheit
Ruth Schäfer ist reformierte Pfarrerin in Scharans. Das Licht der Welt hat sie als Katholikin im
Ruhrpott erblickt. Dazwischen hat sie unter anderem drei indonesische Bücher geschrieben.
Ruth Schäfer nimmt sich
die Freiheit, so zu leben, wie es
ihr passt. Die Kosten für ein
selbstbestimmtes Leben zahlt
sie gern.
An der Theologischen Hochschule
der evangelischen Kirche Kalimantans
(STT GKE) blieb Schäfer eine exotische Figur. «Ich war jahrelang die einzige weisse
Frau an der Universität», gibt sie zu bedenken. Speziell gut gefallen hat ihr der
Eifer der Studentinnen. Diese erkannten
im Studium oft ihre Chance, der Armut
und dem Elend ihrer Herkunft zu entfliehen. «Die Studentinnen lechzten nach
Wissen», erinnert sich Schäfer. Sie hat
Einheimische zu Pfarrerinnen und Pfarrern ausgebildet. Unter anderem mit
einer feministischen Bibelauslegung
brachte sie den begeisterten Studentinnen neue Sichtweisen nahe. Wenn sie davon erzählt, wie sie mit ihrer Ausbildung
zu mehr Offenheit beigetragen hat, wird
klar: Die Missionarin ist stolz.
Entstanden sind in jener Zeit zudem drei Bücher auf Indonesisch. Eines
befasst sich mit dem Scheidungsverbot
Jesu. «Es geht im Buch darum, das Scheidungsverbot der christlichen Kirchen in
Indonesien aufzubrechen, zum Beispiel
bei Gewalt in der Ehe.»
VON MILENA CADERAS
D
as Telefon klingelt. «Mein
Beileid». Ein über 80-jähriges Mitglied der evangelischen Kirchgemeinde Scharans ist gestorben. Die
Tochter informiert Frau Pfarrer über
das Ableben.
Geboren – und als Katholikin getauft – wurde Ruth Schäfer 1966 in Essen. «Damals bei meiner Berufswahl
Anfang der Achtzigerjahre gab es zwei
Berufe, die Frauen nicht offen standen:
Kampfschwimmer bei der Bundeswehr
und Priesterin in der katholischen Kirche», erinnert sie sich in der evangelischen Pfarrwohnung in Scharans.
DASS FRAUEN IN DER KATHOLISCHEN Kir-
che von gewissen Ämtern ausgeschlossen sind: Für Schäfer eine klare Verletzung der Menschenrechte. «Der Vatikan
hat die Europäische Menschenrechtskonvention nicht unterschrieben.» Bei
den Katholiken als Frau habe sie «mit
viel Frustrationstoleranz und Humor»
überlebt. Als «langen Entfremdungsprozess» beschreibt die promovierte Theologin, wie es dazu kam, dass sie 2003 aus
der katholischen Kirche austrat. «Je
mehr man über die Stellung der Frau
weiss, desto schlimmer wird es», verwirft sie die Hände.
SCHEIDEN LASSEN sich indonesische Christen nur in Ausnahmefällen. Das ist aber
nur einer der vielen Unterschiede zu
Schäfers Heimat. Das Westliche gilt als
Unmoralisch. Frauen müssen grundsätzlich in der Obhut eines männlichen Erwachsenen stehen. Wenn der Ehemann
fehlt, springen oft Brüder oder Cousins
ein. In Schäfers Fall war es ein Nachbar,
der meinte, die Rolle des Aufpassers übernehmen zu müssen. Ein Beispiel: Für alleinstehende Frauen schickt es sich nicht,
abends Besuch zu empfangen. «In meinen Augen zeigt, das Beispiel, wie sexualisiert die Gesellschaft dort ist», so Schäfer. Was sie an der vermeintlichen Fürsorge stört: die «latente Gewaltandrohung».
So habe sie mehrfach beobachtet, wie
Frauen wegen unliebsamen Verhalten bestraft wurden.
NACH DEM KIRCHENAUSTRITT blieb sie
konfessions- und orientierungslos zurück. Als Konfessionslose bewarb sie
sich bei der Mission 21. Ein Inserat aus
Afrika zog ihre Aufmerksamkeit auf
sich. Aus der Stelle in Kamerun wurde
nichts. Die Verantwortlichen bei Mission 21 fanden einen Posten in Indonesien passender. Lange musste die junge
Theologin nicht überlegen. «Warum
nicht!» Ihr erster Eindruck von Indonesien? Das feucht-schwüle Wetter, dass
man wie eine heisse Wand die ganze Zeit
vor sich herschiebt – und eine sehr arme
und indigene Kirche. Am Anfang des Indonesien-Aufenthalts standen dreieinhalb Monate Sprachschule. «Indonesisch ist keine sehr schwere Sprache»,
meint die Theologin aus dem Ruhrpott.
Nach dem Sprachaufenthalt reiste sie
nach Banjarmasin, eine Provinzhauptstadt mit rund 600 000 Einwohnern. Etwa 90 Prozent der Einheimischen dort
sind Muslime.
«DIE MEISTEN INDONESIER denken, dass
Angekommen: Pfarrerin Ruth Schäfer ist nach ihrer Zeit in Indonesien auch mit
dem Herzen in Scharans angekommen.
OLIVIA ITEM
alle Weissen reich sind», erzählt Schäfer
heiter. Wer kann, kauft sich ein Auto.
Dass sich Dozentin Schäfer für die kurze
Strecke von ihrer Wohnung bis zur Universität aufs Velo setzte, stiess bei den
Einheimischen auf grosses Unverständnis. Sie als Westlerin müsste sich doch
ein Auto leisten können.
Nicht nur durch das Velofahren
unterschied sich Schäfer von den Einheimischen. Um ihren Haushalt zu organisieren, war die Lehrbeauftragte auf
eine Haushaltshilfe angewiesen. In der
Anfangsphase hätte sie unglaublich viel
Zeit auf Märkten und mit Kochen versäumt. «Ich habe kein junges Mädchen,
sondern eine Frau in meinem Alter an-
gestellt und fair bezahlt.» Viele engagieren billige junge Mädchen vom Land.
IN INDONESIEN SIND UNGEFÄHR zehn Pro-
zent der Bevölkerung Christen. «Meine
eigene, deutsche Missionsgeschichte ist
von grösserer Gewalt geprägt», stellt
Schäfer klar. Der Feldzug des fränkischen Königs Karls des Grossen gegen
das Volk der Sachsen endete mit der
Unterwerfung der Sachsen. Karl dem
Grossen haben sie den Ruf des Sachsenschlächter eingebracht. «Indonesiens
Missionsgeschichte dagegen kennt keine rohe Gewalt», sagt Schäfer.
NACH SECHS JAHREN in Indonesien hätte
Ruth Schäfer auf eine der über 17 000
Inseln, die zu Indonesien gehören, in
eine sehr abgelegene Gegend ziehen sollen. Die Bereitschaft, in ein verlassenes
Gebiet zu ziehen, noch eine lokale Sprache zu lernen, fehlte. «Da bin ich dann
doch zu sehr vom Luxus verwöhnt.»
«
Je mehr man über die
Stellung derFrau weiss,
desto schlimmer wird es.»
RUTH SCHÄFER
Schäfer zog es zurück nach Europa. An
diesem Wendepunkt wandte sie sich
endgültig der evangelischen Kirche zu.
Vor allem eröffnete sich in der
Schweiz eine Möglichkeit, Pfarrerin zu
werden. So landete Schäfer nach einem
Zwischenhalt in Basel 2013 im Domleschg, in Scharans. Im Bergdorf «mit
der schlichten Kirche» fühlte sie sich
nach dem anfänglichen Kulturschock in
Indonesien auf der Stelle fast schon wie
zu Hause. «Auch wenn man sofort hört,
woher ich komme», sagt sie und grinst.
Mindestens theoretisch steht seit
dem Jahr 2000 Frauen auch nichts mehr
im Wege, für die deutsche Marine in
den Krieg zu ziehen ... Bisher gibt es
noch keine Kampfschwimmerin oder
Minentaucherin in der Deutschen Marine. Vor einigen Wochen ist Libby Lane
zur ersten anglikanische Bischöfin gewählt worden. Auch die Hürde des Eignungstests für die deutsche Marine wird
das Weibliche früher oder später nehmen. Derweil schimpft Ruth Schäfer in
ihrer Küche in Scharans: «Das dauert
einfach alles so lange». Und macht sich
derweil an die Vorbereitungen für die
nächste Beerdigung.
 HOROSKOP
WASSERMANN 21.1.–19.2.
Diese Woche ist es wichtig, mehr auf
Ihre Gesundheit zu achten und die Finanzen kritisch zu beobachten. Meiden Sie, gewagte Spekulationen, sie könnten ins
Auge gehen. Partnerschaften und Freundschaften
bekommen am Wochenende eine Frischzellenkur.
Reservieren Sie Zeit für Ihre Lieben!
FISCHE 20.2.–20.3.
Eine Woche, die allen einsatzfreudigen Fischen beruflich und privat
Fortschritte bringen kann. Doch Mitbewerber zu unterschätzen ist gefährlich, denn die
Zeiten werden härter. Manche Projekte laufen
zwar nur zaghaft an, aber mit Intelligenz, Diplomatie und Charme meistern Sie alle Hürden.
WIDDER 21.3.–20.4.
Stress kann aufs Gemüt schlagen.
Sportlich abreagieren, sonst müssen
Ihre Lieben darunter leiden und das
wollen Sie sicher nicht. Nette Gesten können hier
Wunder wirken. Zuviel Arbeit schadet auch der Gesundheit. Weniger heikle Angelegenheiten an bewährte Menschen zu delegieren, entlastet spürbar.
STIER 21.4.–21.5.
Diese Woche haben Sie sehr viel
Kraft, das bringt einen Anstieg Ihrer
Belastbarkeit mit sich und auch die
Möglichkeit, aus Wettbewerben siegreich hervorzugehen. Wenn es im Job oder privat Ärger geben
sollte, so können Sie schnell wieder einlenken und
mit Ihrem Charme für gutes Einvernehmen sorgen.
ZWILLINGE 22.5.–21.6.
Nicht alles läuft diese Woche nach
Plan. Das kann aber auch an einer
Überschätzung einer Idee liegen. Zu
viel Idealismus verzerrt die Wahrnehmung der Fakten. Am Boden bleiben. In der Liebe heiter bis wolkig. Überlegen Sie, was Sie wirklich wollen. Mit
Charme alleine kommen Sie nicht weiter.
KREBS 22.6.–22.7.
Diese Woche könnten manche Krebse in Versuchung kommen, mit den
Früchten in Nachbars Garten zu liebäugeln. Neues scheint verlockender, als Bestehendes. Bei kritischer Betrachtung stellt sich jedoch
viel davon als Illusion heraus, schenken Sie lieber
dem was Sie haben Ihre volle Aufmerksamkeit.
LÖWE 23.7.–23.8.
Anfang der Woche sind Sie möglicherweise emotional unausgeglichen, Ihre Stimmung könnte durchhängen und Sie sind verletzlicher als sonst. Das
könnte Ihre Mitmenschen irritieren und unnötig
Konflikte schaffen. Keine Angst, schon ab Mittwoch pendelt sich Ihr Stimmungsbarometer ein.
JUNGFRAU 24.8.–23.9.
Viele Jungfrauen träumen diese Woche von Liebeshighlights. Dafür müssen Sie allerdings auch selbst einiges
tun. Es ist eine gute Zeit für Romantik und emotionalen Überschwang. Solange Sie dabei nicht den
Boden unter den Füssen verlieren, ist alles in Ordnung.
WAAGE 24.9.–23.10.
Es sollte Sie diese Woche nicht küm-
mern, was andere über Sie erzählen.
Pressespiegel Wenn
man Sie provoziert, dann halten Sie sich mit Abwehrmassnahmen etwas zuEvangelisch-reformierte Landeskirche
rück, vieles kommt ganzGraubünden
anders als gedacht und so
mancher scheinbare Nachteil könnte sich als Vorteil erweisen.
SKORPION 24.10.–22.11.
Diese Woche werden Skorpione von
den Sternen beflügelt. Nichts kann
schnell genug gehen. Auch erotisch
sind Sie nicht zu bremsen. Drosseln
Sie das Tempo, sonst versäumen Sie viele genussvolle Momente. Sonnentage unbedingt zum frische Luft schnappen nutzen!
SCHÜTZE 23.11.–21.12.
Nun können Sie mit innovativen
Ideen Furore machen. Dabei können
Sie recht ungeduldig reagieren, wenn
Ihre Umwelt das Potenzial Ihrer Gedanken nicht
gleich erfasst. Nicht alle sind so flott wie Sie, manche brauchen etwas länger und das ist gut so. Das
Wochenende sollten Sie der Liebe widmen.
STEINBOCK 22.12.–20.1.
Diese Woche könnte eine unerwartete Nachricht für Aufregung sorgen.
Bewahren Sie einen kühlen Kopf.
Denn oft stellt sich heraus, dass es doch nicht so
ist, wie anfänglich befürchtet hatten. Das Liebesleben erhält bei vielen Steinböcken neuen Schwung.
Es fällt leicht, neue Impulse zu setzen.
TUR REGION
mit
mia
Chur tritt
um 20.30 Uhr
Weekly Jazz In
Rhythmia
aus Massimo
Marcel Waldn Widmer
er (Gitarre)
Bass). Ihre
icht laut
rosse Experie. Sie trägt
n Funk- und
ärme des Soul
Südostschweiz | Dienstag, 7. April 2015
Südostschweiz vom 7.4.2015, Seite 14.pdf
Meisterhafte Musik
in misslicher Lage
Mit einer beeindruckenden Darbietung barocker Musik eröffneten die Sopranistin Emma Kirkby
und das Orchester le phénix am Ostersonntag das diesjährige «flimsfestival».
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Trotz gesundheitlichen Problemen: Emma Kirkby überzeugte mit ihrem Auftritt am «flimsfestival».
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von Christian Ruch
ie singt es sich mit
gebrochenem Fuss?
Diese Frage dürften
sich so manche Besucher des Konzerts
gestellt haben, mit dem am Ostersonntag das «flimsfestival» begann.
Denn die renommierte englische Sopranistin Emma Kirkby sass sichtlich
bandagiert vor ihrem Publikum. Ein
falscher Schritt hatte die Sängerin vor
zwei Wochen in diese missliche Lage
geraten lassen, und das schlechte britische Gesundheitssystem hatte es
nicht zustande gebracht, sie in der
Zwischenzeit mit einem Gips zu versehen – für die Konzertbesucher ein
Glück, denn mit Gips hätte Emma
Kirkby nicht fliegen dürfen und den
Auftritt in der reformierten Kirche
Flims Dorf absagen müssen.
Hinzu kam, dass die Künstlerin nur
sitzend singen konnte und das Programm daher etwas umgestellt werden musste. Auch das erwies sich für
das Publikum als glücklicher Umstand, denn das Konzert war nun länger als geplant. Und dieses Konzert
hatte es in sich – denn was Emma
Kirkby und das in Graubünden bestens bekannte Orchester le phénix
präsentierten, war Kunst auf allerhöchstem Niveau. Passend zur an diesem Abend doch noch zum Vorschein
kommenden Sonne eröffnete le phénix den Reigen mit der Ouvertüre zu
«La Sena Festeggiante» von Antonio
Vivaldi.
Mimik und Gestik
Ihr folgten drei Lieder der italienischen Komponistin Barbara Strozzi
(1619–1677), die sich als erster Höhepunkt des Konzerts erwiesen. Emma
Kirkby, von Sam Chapman an der Laute begleitet, interpretierte die Kompositionen mit einer lebhaften Mimik
und Gestik. Das Liebesleid als eines
der Liedthemen wurde durch diese
ausdrucksstarke Emphase des Mitgefühls geradezu greifbar. Besonders eindrücklich war dabei die Modulation
des Klangvolumens, indem die Sopranistin einige Phasen bis fast zur Unhörbarkeit leise und dennoch immer
noch gut verständlich sang. Das Publikum honorierte diese grossartige Leistung mit begeistertem Applaus.
Der Einfall, in eine Suite aus «Abdelazer» von Henry Purcell Lieder des
Komponisten einzustreuen, erwies
sich als eine sehr glückliche Idee, fügten sich die Vokal- und Instrumentalmusik doch sehr organisch zu einem
Ganzen.
Perfekte Harmonie
Ihm folgten Lieder der Brüder William und Henry Lawes, wobei Emma
Kirkby Letzteren als «Vater der englischen Musik» vorstellte, dessen Œuvre
rund 700 oft sehr humorvolle Lieder
umfasst – für die grosse Herzlichkeit
ausstrahlende Sängerin ein mehr als
geeigneter Stoff.
Beim anschliessenden Violinkonzert «Il piacere» op. 8 Nr. 6 von Antonio Vivaldi war es dann ganz am Orchester le phénix, sein Können unter
«Wie singt es sich
mit einem
gebrochenen Fuss?»
Bild Theo Gstöhl
Beweis zu stellen. Einmal mehr präsentierte es sich als Ensemble hervorragender Interpreten für Barockmusik, und auch die Soloviolinistin Olivia
Schenkel wusste zu begeistern.
Die abschliessende Interpretation
von Kompositionen aus dem «Orfeo»
von Giovanni Battista Pergolesi zeigte
dann noch einmal, wie perfekt Emma
Kirkby und die Musik des Orchester le
phénix harmonieren, indem selbst
das Tutti des Ensembles Kirkbys Stimme nichts von ihrem Volumen einbüssen liess.
Lebhafter Applaus
Auch jetzt honorierte das Publikum
das Gehörte mit lebhaftem Beifall und
wurde dafür mit einer sehr eindrucksvollen Interpretation des kurzen
Werkes «Dido’s Lament» von Henry
Purcell belohnt. Die lange Stille nach
dem letzten Ton liess deutlich werden,
wie ergriffen Künstler und Konzertbesucherinnen und -besucher gleichermassen waren.
Umso mehr hätte man den Mitwirkenden und Organisatoren des «flimsfestivals» gewünscht, dass die Kirchenbänke zum Konzert restlos gefüllt
worden wären.
en «konservierten» Liedern der Rumantschia
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
m Donnerstag in Trun seine langjährige Forschungsarbeit zur Volksliedersammlung von Alfons Maissen vor.
Süd
Südostschweiz vom
9.4.2015, Seite 15.pdf
LEBEN
Ratgeber
Der Protest gegen die
Allmacht des Todes
von Georg Schmid
Sektenexperte
E
iner meiner Freunde behauptet, Religion sei
aus purer Angst vor dem Tod geboren. Würden sich die Menschen vor dem Tod nicht
mehr fürchten, so gäbe es auch keine Religion mehr.
Ich bin kein Freund simpler Erklärungen. Wir Menschen tun, was wir tun, zumeist aus verschiedenen
Gründen. Also suche ich gerne auch noch nach anderen Gründen für die ersten religiösen Regungen
des Menschen.
Bedrohte
Meere
Über den Tod hinaus
Die frühesten Zeugnisse für religiöses Empfinden
stammen aus der Neandertalerzeit. In einer Höhle
im Zagrosmassiv im Irak fand man ein Grab eines
Mannes, der vor 60 000 Jahren zusammen mit acht
verschiedenen Blumenarten beerdigt worden war.
(Ihre Pollenkörner hatten sich in der feuchten Erde
erhalten).
Der Tote muss seinerzeit auf einem grünen Bett
von Waldfarn und überhäuft mit bunten Blumen in
seinem Grab gelegen haben, bevor man ihn mit
Erde zudeckte. War es nur Angst vor dem Geheimnis
des Todes, das die Umstehenden dazu bewegte, ihre
Blumen ins Grab zu legen? Oder waren die Blumen
ein letztes Zeichen ihrer Liebe? Sieben von den acht
Blumenarten, mit denen man den Verstorbenen
begrub, sind noch heute im Irak als Heilpflanzen
bekannt. Nun – heilen konnte man den Verstorbenen mit diesen Blumen nicht mehr. Aber ihm Gesundheit und gutes Leben wünschen über diesen
Tod hinaus, das konnte man noch tun.
Die traumhafte Unterwa
unserer Meere ist bedroh
durch die Verschmutzun
immer mehr Plastik. Wa
wissen: Der Grossteil der
stammt von Textilien. SE
Protest gegen den Tod
Religion ist zu einem Teil vielleicht auch Angst vor
dem Tod. Darin mag mein Freund recht haben. Aber
sie ist zu einem grossen Teil sicher auch Protest
gegen den Tod, ein Ja zum Leben gerade dort, wo
ein Leben anscheinend völlig zerfällt.
Dieses Ja zum Leben, dieser religiöse Einspruch
gegen Tod hat sich zum Teil in wilden Formen ausgelebt. Aus Protest gegen den Tod wurden Pyramiden gebaut, Grabinschriften verfasst, Rituale entwickelt, Hügelgräber, Pagoden, Tempel und Kathedralen errichtet und Klöster gestiftet. Die Erkenntnis
der radikalen Vergänglichkeit alles Seienden hat
den Buddha zum meditativen Aufbruch ins für sein
Empfinden einzig Unvergängliche, ins Nirvana angespornt. Auch die Überzeugung, dass Jesus aus
seinem Grab auferstanden ist, ist nicht einfach die
christliche Variante religiöser Todesangst, sondern
der möglichst handfeste christliche Protest gegen
die Allmacht des Todes. Diesem Protest und allen
anderen, die ihm vorausgegangen sind, schliesse ich
mich auch heute noch gerne an, wenn ich vor einem
offenen Grab stehe.
Über die Kanäle der
Südostschweiz (Twitter,
Facebook und Online) sind
Facebook
Südostschweiz
ragos/Keystone
Bleiben SiePressespiegelTwitter
@suedostschweiz
tagsüber auf
Evangelisch-reformierte
dem Laufenden Landeskirche Graubünden
us Flims».
t auf Pistengaudi?»
z.ch/umfragen
a Rumantscha inakzeptabel.
rletzt übergeordnetes Recht.
ntlich Artikel 8 der Bundessung zur Rechtsgleichheit.
ch auf Bundesebene wird das
dsprachenkonzept intensiv
tiert. Wohin die Schweiz in dieage hinsteuert, ist jedoch nicht
bar und wird sich erst nach
Annahme oder Ablehnung
emdspracheninitiative in
ünden zeigen. Graubünden
e sich also mit einer Annahr Initiative erst recht spracholieren und müsste das Spraonzept im Nachhinein gegebells erneut ändern.
r Grosse Rat befindet in der
ession über die Gültigkeit der
dspracheninitiative. Wir sind
eugt, dass er sich seiner
twortung und der Tragweite
Entscheidung bewusst ist.
druvi, Generalsekretär der
mantscha
mdspracheninitiative:
ksrecht respektieren
e Grossrätinnen und Grossräte
en, das Volk erneut um eine
mmung zu berauben. Geht es
hnen, soll die in Form einer
meinen Anregung eingereichte
dspracheninitiative für ungülklärt und der Volksabstimentzogen werden. Geschätzte
rätinnen und Grossräte, eine
nitiative kommt dann zustanenn etwas nicht gut läuft, die
heitsverhältnisse im Parla-
suedostschweiz.ch/blogs
im März überraschend an
Südostschweiz vom 9.4.2015, Seite 16.pdf
ment aber keine Besserung erwarten lassen. Wenn nun aber genau
diese Mehrheit das Volksbegehren
im Keim abwürgt, wird das Initiativrecht wertlos. Nur weil einem
das Anliegen politisch nicht passt,
dürfen Initiativen nicht für ungültig erklärt werden. Wer die demokratischen Werte respektiert,
stimmt für Gültigkeit der Initiative.
Hanspeter Hunger, ehemaliger Schulleiter
und Vater von zwei Kindern, aus Chur
Christlich geprägte Ethik
wird mit Füssen getreten
Ausgabe vom 26. März
Zum Artikel «Bundesrat prüft
Ehe-Alternativen».
Das lässt sich nicht vergleichen,
höre ich sagen. Hier geht es um Bedrohung von Gut, Leib und Leben.
Das Eherecht ist etwas ganz anderes. Ich muss zugeben, dass das leider stimmt; das aber nur, weil unsere christlich geprägte Ethik mit Füssen getreten wird. Unsere Gesetzgeber wollen sich nicht mit christlichen Grundwerten blamieren.
Mittlerweile gibt es immer mehr
Fachleute, die besagen, dass die traditionelle Familie die gesündeste
Basis für die Entwicklung der Kinder ist. Alles andere gefährdet unsere Kinder seelisch, das heisst letztlich auch an Leib und Leben.
Warum tritt unser Gesetzgeber
hier nicht auch ein und gebietet
Einhalt?
Martin Stolz aus Flerden
Das Eherecht muss den aktuellen
Gewohnheiten angepasst werden.
Es geht nicht an, dass der Gesetzgeber die Definition der Ehe festlegt.
Für mich sind solche Aussagen
eine Kapitulation. Liege ich falsch?
Ich denke nicht. Eben erst wurde
uns erklärt, dass die Massnahmen
zur Bekämpfung der Kriminalität
erfolgreich waren. Niemand dachte
nur im Geringsten daran, die Gesetzgebung der zunehmenden Kriminalität anzupassen. Dasselbe im
Bereich der Wirtschaftskriminalität,
bei der Steuerhinterziehung, der
Alkoholproblematik. Auch im Strassenverkehr werden die Raser immer
härter angepackt und nicht das
Gesetz den schnelleren Autos und
rücksichtslosen Fahrern angepasst.
Hotline 0848 299 299
Leserbetreuer
Mario Engi nimmt
von Montag bis Freitag
von 10 bis 12 Uhr Ihre
Informationen, Hinweise und
Anregungen entgegen.
Kontakt
Leserbriefe
suedostschweiz.ch/forum
[email protected]
Leserbild/-reporter
Schicken Sie uns Ihre Schnappschüsse
an [email protected]
oder laden Sie die Fotos auf
suedostschweiz.ch/community hoch.
In der Zeitung veröffentlichte Fotos
werden mit 50 Franken honoriert
(Ausnahme: Wettbewerbsfotos).
serbild: Aus dem Wald auf die grüne Wiese
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
ner meint, es seien gefährliche Zeiten,
man müsse aufpassen. Doch er will,
dass diese verdammte Korruption jetzt
endlich aufhört. Er glaubt, es gehe auch
anders.
Stimmige Anspannung
Das Milieu, in das Chandor in «A Most
Violent Year» eintaucht, ist mithin
nicht das prickelnde der Paten und
Politiker. Und es ist nicht die Kulisse für
ein mafiöses Feuerwerk: Entgegen den
im Titel geweckten Erwartungen wird
hier kaum einmal geschossen, und
wenn, dann auf einen angefahrenen
Hirsch, um ihn zu erlösen; es werden
auch keine gepfefferten Sprüche vom
Stapel gelassen, wiewohl die Nebenrol-
len fast komplett mit vierschrötigen
Kerlen von zweifelhaftem Ruf besetzt
sind. Dafür ist Chandor die Sache zu
ernst.
Wie in seinem Wall-Street-Thriller
«Margin Call» geht es ihm auch hier
um die Strukturen, um die Machenschaften und die Verstrickungen, um
den Filz. Das ist bisweilen durchaus
technisch: etwa in den vielen Gesprächen mit Anwälten und Ermittlern,
Lieferanten und Bankiers, wo bis in die
Filmmitte hinein noch vieles im Vagen
bleibt; und immer dann, wenn Chandor gänzlich auf Musik und andere
gängige Schmiermittel verzichtet. Sprö-
Südostschweiz vom 9.4.2015, Seite 19.pdf
nigt, hinschaut, wegschaut, hochschaltet, zurückschaltet und schliesslich die
angekündigten Mini-Eskalationen endlich zündet – das zeugt von jenem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und
sein Material, das wahre Könner auszeichnet. Und wie er uns immer wieder mit grandiosen Aufnahmen überwältigt – das ist es, was Kino magisch
macht.
Die intensive Suche nach der Frage des Glaubens
In ihrem Projekt «Like a Prayer» geht die Regisseurin Corinne Maier dem Phänomen des Glaubens nach.
Als Projektionsfläche der Frage nach dem Glauben dient das Kloster Sankt Josef im Muotathal.
von Alfred Ziltener
Der Glaube ist in Verruf geraten. In
unserer säkularen Welt scheint er keinen Platz mehr zu haben. Wer sich öffentlich zu seinen religiösen Überzeugungen bekennt, läuft Gefahr belächelt
zu werden. Der IS führt uns vor, wie Religion in sinnlose Brutalität umschlägt,
und auch die Geschichte des Christentums ist von Gewalt geprägt.
Auf der Suche nach dem Glauben
Dem Phänomen des Glaubens geht die
Basler Regisseurin Corinne Maier in
ihrem neuen Projekt «Like a Prayer»
nach, das in der Kaserne Basel erstmals
zu sehen war. Warum glauben Menschen? Wie verändert sie ihr Glaube?
Das sind ihre Fragen.
Sie ist mit ihrer kleinen Crew in die
Innerschweiz gereist, ins Minoritin-
«Wir sind Corinne Maier»: Julia Bihl und
Pressebild
Johannes Dullin auf der Bühne.
nenkloster Sankt Josef zuhinterst im
Muotathal. Sechs Nonnen leben dort:
Sie sind alle nicht mehr jung, die meisten wohnen schon seit Jahrzehnten im
Kloster. Die Theaterleute habe einige
Tage im Kloster gewohnt, sich mit den
Schwestern unterhalten und sich in
Küche und Garten nützlich gemacht.
Gernot Wöltjen hat das in eindrücklichen Videosequenzen festgehalten, die
auf einer grossen Leinwand über der
Spielfläche zu sehen sind. Darunter hat
die Bühnenbildnerin Valerie Hess eine
Wand mit einem schmalen Eingang gestellt, hinter dem man manchmal, wie
hinter Milchglas, vage Bewegungen
ahnt.
Trat Maier in ihren früheren Arbeiten noch selbst auf, so schickt sie nun
in ihrem Namen zwei Performer auf
die Bühne. «Wir sind Corinne Maier»
stellen sich Julia Bihl und Johannes
Dullin vor. Quasi improvisierend, einander ins Wort fallend, erzählen sie
von zwei Hardcore-Gläubigen.
Konzentration auf das Wesentliche
Bihl und Dullin verkörpern demgegenüber Positionen des aufgeklärten Menschen. Bihl ringt um den Glauben,
doch manchmal ist ihr Jesus auch
«richtig peinlich». Trotzdem ist sie
überzeugt, dass Gott ihr Handeln lenkt.
Dullin ist der Agnostiker, der gern auch
mal provoziert. «Zeig mal, wie du betest», fordert er Bihl einmal auf. Maiers
Inszenierung konzentriert sich, ohne
aufgesetzte Theatralik, ganz auf das
Wesentliche. Getragen wird sie ohnehin von den Schwestern von Sankt Josef, die natürlich nur im Video zu sehen sind. Es wäre einfach gewesen, sich
über die frommen Frauen lustig zu
machen, doch Maier lässt ihnen ihre
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Würde und respektiert ihre Überzeugungen. Sie zeigt, wie Dullins kleine
Provokationen an der selbstverständlichen Glaubensgewissheit von Schwester Marie-Luise wirkungslos abgleiten.
Sie habe keine Wahl gehabt, antwortet diese auf die Frage, ob sie das Leben
draussen nicht vermisse: Schon als
Kind habe sie die geistliche Berufung
gespürt. Maier zeigt die Nonnen beim
Gebet und Bihl erklärt, dass die Frauen
ihre Aufgabe darin sehen, stellvertretend für alle Menschen zu beten. Dass
sie es sich in ihrem religiösen Idyll einfach machen, wird klar, wenn Schwester Rita erklärt, dass Gott das Gute sei
und das Böse im Menschen. Trotzdem
sind wir berührt, wenn am Schluss die
greise Schwester Scholastika sich verabschiedet mit der Versicherung, dass
die Nonnen für uns beten würden, und
der Bitte auch für sie zu beten.
Die FDP-Fraktion des Grossen Rates hat den St.Moritzer
Grossrat und früheren FDP-Präsidenten Michael Pfäffli
für das Standesvizepräsidium nominiert, wie die Partei
mitteilt. Die Wahl findet in der Augustsession statt. Im
Sommer
201610.4.2015,
könnte Pfäffli dann
Standespräsident
und
Südostschweiz
vom
Seite
2.pdf
damit höchster Bündner für ein Jahr werden. (so)
S-CHANF
Aus dem Pfarrhaus
wird ein Wohnhaus
Am Mittwoch hat die
Gemeindeversammlung
von S-chanf einen Kredit
in der Höhe von 220 000
Franken für die finanzielle
Unterstützung an die Evangelische Kirchgemeinde
S-chanf ohne Zins- und
Rückzahlungsverpflichtung
bewilligt. Der Kredit steht
im Zusammenhang mit
dem Umbau des ehemaligen Pfarrhauses. Die Stimmbürger haben zudem einen
Kredit von 1,7 Millionen
Franken für die Erneuerung
der Infrastruktur des letzten Teilstücks in S-chanf
Somvih genehmigt. ( fh)
THUSIS
Bauland in Compogna
wird verkauft
Die Thusner Gemeindeversammlung hat am Mittwochabend dem Verkauf
einer Baulandparzelle im
Gebiet Compogna zugestimmt. Erwerber der 1844
Quadratmeter grossen
Fläche ist gemäss Gemeindekanzlist Räto Müller die
Churer Allod Immobilien
AG, sie zahlt dafür 900 000
Franken. Auf dem Bauland
können Wohnbauten erstellt werden. ( jfp)
DAVOS
Abwasser kostet
jetzt weniger
In Davos werden rückwirkend per 1.Januar 2015 die
Abwassergebühren gesenkt.
Der Davoser Grosse Landrat
hat diese Tarifreduktion an
seiner gestrigen Sitzung einstimmig bewilligt. Gesamthaft umfasst die Gebührensenkung rund eine halbe
Million Franken pro Jahr.
Zum entsprechenden
Antrag der Exekutive
hatte auch eine Motion des
Grossen Landrats Christian
Stricker (GLP) geführt.
Zugestimmt wurde zudem
einer Teilrevision der Ortsplanung für die Bikestrecke
Chörbschhornhütte zur
Stafel Alp. (béz)
LANTSCH / LENZ
Schulhaus erhält
neues Dachgeschoss
Die Gemeindeversammlung
von Lantsch/Lenz hat am
Mittwoch einen Grundsatzentscheid für Tempo 30
gutgeheissen. Genehmigt
wurde auch ein Kredit von
200 000 Franken für den
Ausbau des Dachgeschosses
im Schulhaus sowie ein
Kredit von 100 000 Franken
für die Postautohaltestelle
Sozas. (so)
DAVOS
Am Jakobshorn wird
eine Person vermisst
In Davos ist am Montag ein
35-jähriger Hotelgast als
vermisst gemeldet worden.
Weil die Polizei sein Handy
abseits der markierten
Pisten am Jakobshorn
geortet hat, muss befürchtet
werden, dass der Mann
in eine Lawine geraten ist.
Gemäss Kantonspolizei
läuft eine Suchaktion. (so)
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
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Alfred Furger, 74, schmunzelt. «Das
Millionen
war ja der offizielle Durchschlag. Aber
eigentlich hatten die Mineure im März
Arbeitsstunden wurden auf den
schon einen Verbindungsgang, die haBaustellen des San-Bernardinoben da einen Streich gespielt.
Es war
Tunnelsvom
bis zur 10.4.2015,
Eröffnung am Seite
Südostschweiz
an einem Abend zur Zeit des Schicht1. Dezember 1976 geleistet.
lungselemente, half aus an den Pumpen, führte Beton. «Es war ein Murks
und ein Krampf», erinnert er sich. «Regulär hat man 66 Stunden in der Woche
gearbeitet, 11-Stunden-Schichten,
2a.pdf
sechs Tage hintereinander. Einmal wa-
Jung und Alt
Alterspflege: Zeit soll kein Geld sein
Luca Tenchio
über neue Ideen
zur Senkung der
Alterspflegekosten
U
nsere demografische Entwicklung mit der stetigen
Zunahme der Lebenserwartung verbunden mit einer tendenziell
tiefen Geburtenrate führt zu einer
immer deutlicheren Zunahme des Anteils der älteren Menschen in unserer
Gesellschaft, wozu wir alle – so Gott
will – auch einmal gehören werden
oder bereits gehören. Diese Entwicklung wird dazu führen, dass wir die
sozialen Systeme – vorab jenes der
AHV – absichern müssen, um bestehen zu können und soziale Verwerfungen zu vermeiden. Wir werden
bald sehen, wie die eidgenössischen
Räte die Botschaft zur Reform der
Altersvorsorge 2020 aufnehmen und
umsetzen werden.
Neben den Reformen der Sozialsysteme gilt es, die immer stärker
steigenden (Betreuungs-)Kosten des
Alters möglichst aufzufangen. Hierzu
gehören neue Formen des Zusammenlebens, aber auch der gegenseitigen Pflege im Alter. Rüstige Rentner sollen in Zukunft – sofern sie mögen und leistungsfähig sind – anderen
betreuungsbedürftigen Rentnern helfen können und dafür sogenannte
Zeitgutschriften erhalten, die sie –
sollten sie selber pflegebedürftig werden – einlösen können. St.Gallen ist
Mitte 2014 mit einem guten Beispiel
vorangegangen, indem von der Stadt,
dem kantonalen Amt für Soziales, den
städtischen Kirchgemeinden, der Pro
Senectute, der Spitex, dem Roten
Kreuz und der Frauenzentrale ein entsprechendes Pilotprojekt über eine
Stiftung als Betreiberin in Angriff genommen worden ist. Erfahrungen im
Kanton Obwalden und Sarnen sind
bereits positiv ausgefallen. Die stetig
steigenden Pflegekosten, über die die
betroffenen Gemeinwesen ächzen,
müssen mit verschiedenen Mitteln
angegangen werden – auch im Kanton Graubünden. Ich bin der Überzeugung, dass bei entsprechend ausgefeilter und steuerbefreiter Ausgestaltung
von Zeitguthaben auch in Graubünden derartige Modelle Zuspruch fänden und die Pflegekosten nicht unmassgeblich positiv nach unten beeinflussen würden. Es bleibt zu hoffen,
dass aus privater Initiative, allenfalls
verbunden mit staatlicher Anschubfinanzierung, auch bei uns Strukturen
entstehen, die den genannten Kostensenkungsbeitrag zur Folge haben und
gleichzeitig jedem Einzelnen die
eigenen Pflegekosten senken. Das
Alter und die damit einhergehenden
Kostenbelastungen bedürfen neben
kluger Anpassung bestehender Sozialwerke neuer, innovativer Ideen, um
den anstehenden Herausforderungen
Herr zu werden.
* Luca Tenchio ist Präsident des Corpus catholicum, Grossrat und Rechtsanwalt in Chur.
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Quotidiana vom 8.4.2015, Seite 12.pdf
12
LEXICON ISTORIC RETIC
MESEMNA, ILS 8 DA AVRIGL 2015
L’uvestgieu en il 19avel e 20avel tschientaner
Istorgia da la diocesa da Cuira, part 2
Dal 1800 al temp preschent
La Dieta confederala dal 1804 aveva renunzià a la secularisaziun da Cuira, decidida en il Recess da la Dieta imperiala, essend che las valurs da facultad
avant maun na tanschevan betg per indemnisar l’uvestgieu ed il chapitel catedral. L’uvestg aveva pers ils dretgs suverans seculars ed ils possess da la diocesa en il Tirol (Fürstenburg e.a.) eran
passads a l’Austria. Sulettamain la Curt
episcopala a Cuira era restada en possess da l’uvestgieu ed aveva mantegnì
ina posiziun speziala fin il 1852. A
l’entschatta dal 19avel tschientaner ha
subì il territori diocesan midaments
considerabels: il 1805 èn passads il Tirol ed il Vorarlberg a la Baviera ch’ha
scumandà il 1807 a l’uvestg d’ademplir
ses duairs en questas regiuns. Il 1808 ha
l’uvestg Karl Rudolf von Buol-Schauenstein renunzià a sias obligaziuns visavi las parts diocesanas oramai bavaraisas (ca. 80 000 catolics), attribuidas il
1809 provisoricamain, il 1816 definitivamain a las diocesas da Brixen e da
Trent, uschia che Cuira cumpigliava,
cun excepziun dal Liechtenstein, mo
pli regiuns svizras. Il 1819 ha la Sedia
apostolica transferì la plipart dals territoris da l’anteriura diocesa da Constanza en Svizra a l’uvestgieu da Cuira. Il
1823 è vegnì fundà l’uvestgieu da Son
Gagl e collià en uniun persunala cun
Cuira. La regiun da Sargans, ch’appartegneva al chantun da Son Gagl, è passada da l’uvestgieu da Cuira a quel da
Son Gagl. Da las regiuns oriundamain
en possess da la diocesa da Constanza è
s’associà il chantun Sviz definitivamain
a Cuira il 1824. Ils chantuns Uri (la Val
d’Ursera fascheva gia part da Cuira),
Sutsilvania, Glaruna e Turitg èn restads
fin oz provisoricamain tar Cuira, Schaffusa fin il 1841 (alura attribuì a Basilea), ils dus chantuns d’Appenzell fin il
1867 (alura a Son Gagl). Il 1867 ha
Com cedì las pravendas da Brüsch e da
Poschiavo a Cuira (incorporadas il
1871), uschia che l’entir chantun Grischun suttasteva uss a Cuira. L’uvestgieu dubel da Cuira e Son Gagl è puspè
vegnì abolì il 1836 sut pressiun da las
duas regenzas chantunalas. Vers la fin
dal 1840 èn il directori diocesan ed il
chantun Grischun vegnids malperina
pervi da las scolas: il 1850 ha il Cussegl
grond fusiunà las duas scolas chantunalas, quella catolica e quella refurmada;
il 1856 è il Seminari episcopal per mats
a Mustér sa schlià suenter sis onns
d’operusitad ed è vegnì substituì tras il
Collegium Maria Hilf Sviz, fundà il
1856 e suttamess a la direcziun suprema da l’uvestgieu da Cuira. Las tractativas cun ils chantuns Sutsilvania ed
Uri en vista a lur integraziun definitiva
en la diocesa da Cuira han durà l’entir
19avel tschientaner. Ellas n’han betg
chattà in consens, essend che la Svizra
Centrala n’ha mai renunzià a l’idea da
fundar in’atgna diocesa e ch’il Grischun
è s’opponì a quella, sa referind a privilegis presumtivs ed al tractament egual
da tut ils stadis diocesans. Ils dus chantuns da la Svizra Centrala èn vegnids
renconuschids pir il 1928 sco parts
egualas, els èn però restads incorporads
vinavant mo provisoricamain a l’uvestgieu da Cuira.
La revoluziun industriala e las restructuraziuns socialas han alura midà
fermamain las relaziuns confessiunalas
dapi la mesadad dal 19avel tschientaner. Il dumber dals catolics domiciliads
en regiuns refurmadas è s’augmentà
considerablamain, cuntrari a quel dals
refurmads en la Svizra Centrala ch’è
creschì mo levamain. Il pli ferm è sa midada la relaziun confessiunala en il
chantun da Turitg: il 1900 faschevan ils
catolics 19%, il 1960 32% da l’entira
populaziun; il 1970 abitavan 59% da
tut ils members da la diocesa da Cuira
– Alpsu – pli u main lung ils cunfins actuals tranter ils chantuns Uri/Grischun
e Glaruna/Grischun – Kerenzerberg –
cunfin tranter Mollis/Näfels e Niederurnen/Bilten – cunfin dal chantun Sviz
– Reichenburg – nord da Benken –
Steinenbach (al nord da Kaltbrunn) –
Churfirsten – Thur ad Alt St. Johann/
Wildhaus – lung il crest – Montlingen
– lung il Rain – nord dal Vorarlberg –
lingia da l’Iller. Il territori da la claustra
da Son Gagl, incorporada a l’uvestgieu
da Constanza probablamain en il
12avel tschientaner, cunfinava cun la
diocesa da Constanza en la planira da
la Linth a Schänis ed a Montlingen. Il
cunfin tranter las diocesas da Constanza e da Cuira furmava gia en il temp
medieval tempriv in cunfin linguistic
tranter l’intschess dals colonisaturs alemannics dal nord e dals welschs, quai
vul dir dals Rumantschs domiciliads al
Lai Rivaun ed en la Val dal Rain Songagliaisa (Hirschensprung). Quest
cunfin ecclesiastic ha pussibilità al rumantsch da surviver en questas regiuns
durant plirs tschientaners. Il cunfin dinamic en il temp medieval è era resultà d’intervenziuns da vart dal duca
d’Alemannia. Suenter il Congress da
Vienna (1815) è la diocesa da Constanza vegnida separada da la provinza ecclesiastica da Magonza-Regensburg e
schliada il 1818. La part svizra è vegnida attribuida a la sedia apostolica ch’ha
suttamess la gronda part da quella a
l’administraziun tras l’uvestgieu da
Cuira, tranter auter en cumpensaziun
per las perditas dal 1816 en la part austriaca da la diocesa. Il 1823 è vegnida
fundada la diocesa dubla da Cuira-Son
Gagl. Il 1836 è la diocesa da Son Gagl
daventada independenta suenter grevs
cumbats politic-ecclesiastics.
in grad academic. La refurmaziun ha
provocà ina gronda perdita d’entradas
ed ina diminuziun dal dumber da canonis residents. Ils statuts, relaschads
dal nunzi Giovanni della Torre il 1598,
han fixà il dumber da canonis residents
(purtaders da las dignitads) a sis, ils ulteriurs 18 commembers dal chapitel
catedral da Cuira betg residents en la
curt episcopala avevan il dretg da participar a l’elecziun da l’uvestg. Il prevost vegniva provedì da la Sontga Sedia, il decan dal chapitel catedral, il
cantor ed il custos vegnivan elegids da
l’uvestg. Ils Artitgels da Glion dal 1524
e 1526 han limità fermamain l’influenza da las dretgiras episcopalas. Il vicari
general era in canoni resident ed occupava savens era la funcziun da l’uffizial
(mo temporarmain en il 16avel tschientaner, senza interrupziun pir a partir
dal 17avel tschientaner). En il Vorarlberg, il Vnuost, il Mesauc, il Surses ed
en Surselva admoniva in vicari il clerus
a la disciplina, infurmava la curia episcopala ed organisava conferenzas pastoralas. Fin il 1941 vegnivan ils uvestgs
elegids dal chapitel catedral e confermads da la Sontga Sedia. Cun Johannes
Vonderach (uvestg dal 1962–90) ha il
papa nominà il 1957 per l’emprima
giada in coadjutor cun dretg da successiun, il 1988 ha el accordà il medem
dretg a Wolfgang Haas (1990–97). La
nominaziun da quel ha provocà il 1998
la separaziun ecclesiastica dal Liechtenstein e da l’uvestgieu da Cuira. Ils canonis exequeschan mo anc funcziuns
spiritualas, oravant tut en l’administraziun sco vicaris generals ed uffizials.
Dapi il Segund Concil vatican han els
pers in pau da lur impurtanza sco cussegliaders dals uvestgs tras autras instituziuns, sco per exempel ils cussegls
dals prers.
Pierre Surchat
Chapitel catedral da Cuira
Il chapitel catedral è la cuminanza corporativa dal clerus d’ina baselgia episcopala (catedrala, dom). Las emprimas menziuns da chapitels catedrals en
ils uvestgieus svizzers ed en la diocesa
da Com – responsabla per parts dal Tessin, la Vuclina e (fin il 1869) la Val
Puschlav – dateschan dal 9avel tschientaner. Lur funcziuns essenzialas eran
l’arranschament solen dals cults divins
en la catedrala, la tscherna da l’uvestg
(savens en concurrenza cun il papa u
cun pussanzas secularas), la cussegliaziun da l’uvestg sco era la participaziun
a l’administraziun ecclesiastica e civila
(a partir dal temp medieval tardiv).
Scola auta da teologia Cuira
Il decret davart ils seminaris, relaschà
dal Concil da Trent ils 15 da fanadur
1563, n’ha l’emprim betg pudì vegnir
concretisà en l’uvestgieu da Cuira. Ils
teologs catolics pudevan – grazia ad
uschenumnadas plazzas libras – studegiar al Collegium Germanicum a Roma, al Collegium Helveticum a Milaun, a Vienna ed a Dillingen (Baviera). L’instituziun d’in seminari da spirituals en il chastè da Rapertg ha fatg
naufragi il 1798 en consequenza dals
scumbigls da guerra helvetics. L’emprim seminari da spirituals da la diocesa da Cuira è vegnì avert il 1800 da
Gottfried Purtscher a Meraun (Tirol
dal Sid). Suenter la serrada sfurzada dal
seminari il 1807, ha cuntinuà l’abazia
premonstratensa da S. Gliezi/Cuira anc
il medem onn cun l’instrucziun da spirituals. La Scola auta da teologia, instituida il 1968 a Cuira e purtada da
l’uvestgieu, ha schlargià il 1974 ils
dretgs graduals per il licenziat ed ha introducì il 1975 la terza via da furmaziun per laics en il servetsch ecclesiastic
en uffizi cumplain; il 1991 è quella vegnida separada dal Seminari da spirituals. L’Institut per il perfecziunament
e la scolaziun supplementara dals catechets, fundà il 1985, ha entant stuì vegnir schlià. Dumber da students
2007/08 47.
Adolf Collenberg
Adolf Collenberg
Svilup territorial da l’uvestgieu da Cuira.
en il chantun da Turitg. Il 1863 han
quatter pravendas catolicas, tranter
quellas Turitg, obtegnì l’approvaziun
da dretg public. Gia il 1873, durant il
Cumbat cultural, è la pravenda catolica da Turitg vegnida cedida als cristiancatolics. Ils catolics romans, numericamain bler pli ferms, han stuì s’organisar a basa dal dretg privat. Suenter il
Cumbat cultural han ins pudì rinforzar
la diaspora turitgaisa cun il sustegn finanzial da la missiun naziunala. Il 1928
dumbrava il chantun da Turitg 41 pravendas catolicas. A l’entschatta dal
20avel tschientaner furmava el in decanat, dividì pli tard en trais decanats che
suttastevan ad in cumissari episcopal.
Suenter lungas tractativas han ins erigì
il 1956 in vicariat general per Turitg.
Pir l’approvaziun da dretg public ha
manà il 1963 a l’egualitad legala da las
duas baselgias naziunalas, quella catolica e quella evangelic-refurmada.
Fin il 1941 èn ils uvestgs (tuts Grischuns) vegnids elegids dal chapitel catedral e confermads da la Sedia apostolica. Johann Vonderach (1962–90)
il 1957 e Wolfgang Haas (1990–98) il
1988 èn stads ils emprims coadjuturs
cun dretg da successiun, tschernids da
la Sontga Sedia. La nominaziun da
l’uvestg Haas ha provocà grondas cuntraversas tranter ils catolics da la diocesa. Il 1998 è il Principadi da Liechtenstein vegnì separà ecclesiasticamain da
Cuira ed è daventà in’archidiocesa;
Haas è vegnì nominà archuvestg da
quella ed è vegnì substituì a Cuira tras
l’uvestg Amédée Grab. Il 1917 han ins
stgaffì definitivamain ils uffizis d’in vicari general e d’in uffiziant. Ultra dal
vicariat general a Turitg (1956) èn vegnids stgaffids il 1970 mintgamai in vicariat general per ils chantuns da la
Svizra Interna respectivamain per il
LIR
Grischun, il Glaruna ed il Principadi
da Liechtenstein.
Il 1800 ha la diocesa da Cuira avert
l’emprim seminari da spirituals a Meraun. Suenter esser vegnì schlià da la regenza bavaraisa il 1807, ha el cuntinuà
anc il medem onn cun l’instrucziun en
l’anteriura abazia premonstratensa da
S. Gliezi a Cuira. La Scola auta da teologia, averta il 1968, ha introducì il
1974 il licenziat ed il 1975 l’instrucziun sin terza via per laics en servetsch
ecclesiastic a temp cumplain (il 1991 è
questa instrucziun vegnida separada da
la scolaziun al seminari). La plipart dal
clerus da Cuira derivava da la Svizra Interna e dal Grischun catolic (oravant
tut da la Surselva). Fin al Segund Concil vatican (1962–65) era la gronda
part dal clerus grischun da lingua rumantscha. Suenter il 1965 han ins laschà translatar tut ils cudeschs liturgics
en ils divers idioms rumantschs. Gia en
il 19avel tschientaner e surtut suenter
il 1970 han ins sentì la mancanza da sacerdots: il 1850 pastorava in spiritual
diocesan 533 olmas, il 1980 1184. La
missiun dals chaputschins, survegliada
da la Congregaziun (romana) da propaganda, è vegnida abolida il 1920.
Singuls missiunaris èn restads activs fin
il 1955. Per mancanza da sacerdots
s’occupan dapi il 1970 pli savens conventuals da las pravendas: paders da las
abazias benedictinas da Nossadunnaun, Engelberg e Mustér dattan era
succurs en la pastoraziun da la diocesa.
Pierre Surchat
Constanza
Diocesa fundada enturn l’onn 600 en
la culegna romana Constantia. Sedia da
l’uvestg da Constanza, supprimida il
1821 e schliada il 1827. Cunfin meridiunal da la diocesa: Grimsel – Scalina
Il chapitel catedral da Cuira en il temp
medieval
Quel è attestà en la diocesa da Cuira dapi il 940. En la confruntaziun cun
l’uvestgieu chattava el savens sustegn
en la Lia da la Chadé. Durant l’epoca
dals uvestgs esters (14avel/15avel
tschientaner) segirava il chapitel catedral ils dretgs da l’uvestgieu. Statuts dateschan dals onns 1273, 1282, 1321
(capitulaziun electorala per la tscherna
da l’uvestg), 1349 e 1414. Dumber da
canonis: 1237 38; 1283 24; 1416 17;
1472 23. Dignitaris: prevost, decan,
scolasticus, cantor (dapi il 1235), custos. A partir da la fin dal 13avel
tschientaner na fascheva l’uvestg betg
pli persunalmain dretgira en cas ecclesiastics, ma numnava in derschader clerical che s’orientava oravant tut al dretg
processual canonic roman (uffizialat).
En il Vnuost lontan occupava l’archiprer l’uffizi dal derschader clerical, en
l’Engiadina, savens inaccessibla, il decan.
Lothar Deplazes
Il chapitel catedral da Cuira en il temp
modern
Premissas per vegnir recepì en il chapitel catedral eran ina derivanza nobla u
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Lexicon Istoric Retic
Il LIR cumpiglia bundant 3100 artitgels (geografics, tematics, artitgels da
famiglias e biografias) davart l’istorgia
grischuna/retica e la Rumantschia.
Editura: Fundaziun Lexicon Istoric
Svizzer; versiun online: www.e-lir.ch;
versiun stampada: www.casanova.ch
u en mintga libraria.
2.
ausgewählte Kolumnen
aus den Lokal- und Regionalzeitungen
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
2
K_Bündner Tagblatt vom 4.4.2015, Seite 2.pdf
KLARTEXT
B ü n d n e r Ta g b l a tt
Samstag, 4. April 2015
O S T E R B E T R A C H T U N G Sr. Ingrid Grave (OP) über die Osterbotschaft
Ostern – mit verwundeten Füssen
O
Ostern, das ist Leben! Das ist weg von
hier, aus diesem Tal der Tränen, wo man
sich die Füsse wund gelaufen hat. Das
ist aufstehen, sich erheben, auferstehen. Alles, was als tot erlebt wurde, hinter sich lassen. Oder mitnehmen ins
neue Leben. Aber verwandelt. Das ist
Ostern. Nichts anderes wollen uns die
Ostergeschichten erzählen. Da ist einer,
der sich in den letzten drei Jahren seines jungen Lebens die Füsse wund gelaufen hat, weil er überzeugt war: Das
Elend dieser Welt, das ist nicht alles.
Hinter diesem Leben, das uns Menschen oft so schwer fällt, leuchtet etwas
anderes auf. Dieses Andere, Jenseitige
soll durchleuchten, spürbar werden im
Hier und Jetzt!
Nicht selten ist es uns nur als Jenseitsvertröstung vorgestellt worden, als
jenseitiger Lohn dafür, dass wir in die-
sem Leben die Mühe des Alltags geduldig erlitten und Schicksalsschläge gottergeben hingenommen haben. Das
deckt sich nicht mit der Botschaft Jesu.
Er sagt, es darf und soll uns schon jetzt
– hier auf Erden – gut gehen. Er hat sein
Zuhause verlassen, ist auf die Strasse
gegangen und hat es allen erzählt, die es
nur hören wollten: Das Elend dieser
Welt ist weitgehend die Folge einer
unguten Lebensweise. Das gilt
für mich persönlich wie für
ein gesellschaftliches System. Jesus hat die Menschen
aufgerufen, ihren Lebensstil
zu überdenken und konnte
dabei sehr radikal werden:
Verkaufe alles, was du hast, und
gib es den Armen.
Das heisst nicht – auch für Jesus
nicht – alle müssten das tun. Es heisst
vielmehr: Überdenke, mit welchen Ansprüchen du lebst im Vergleich zu jenen, die ihr Brot in der Mülltonne suchen. Ist das ein Osterthema? Ja, ich
meine schon! Jesus hat sich im wahrsten Sinne des Wortes die Füsse wund
gelaufen im Palästina jener Zeit. Er hat
aufgrund seiner tiefen Verbundenheit
mit dem, der im Jenseits waltet, aus innerster Überzeugung sagen können,
dass dieser Jenseitige Liebe ist. Er
nannte ihn Vater. Aus diesem Gott der
Liebe ist er hervorgegangen, und dieser
Gott hat auch uns ins Dasein gerufen –
aus seiner Liebe heraus. Daher rührt
«Verkaufe alles,
was du hast,
und gib es
den Armen»
unsere Liebesfähigkeit. Wir vergessen
es so oft! Wir vergessen, woher wir
kommen. Wer seine Herkunft vergisst
oder verleugnet, schneidet sich von
seinen Wurzeln ab. Der Wurzelsaft der
Liebe kann nicht mehr in unser Wesen
einfliessen. Das ist der Moment, wo der
Egoismus sich breit zu machen be-
ginnt. Hier setzt Jesus an. Dafür läuft er
sich die Füsse wund, die Menschen daran zu erinnern, woher sie sind. Ihnen
zu sagen, zu verkünden, dass sie befähigt sind, ihr Leben anders zu gestalten,
nämlich aus dem Fluss der Liebe heraus. Wer es schafft, diese Liebe fliessen
zu lassen, dem geht es besser und ganz
sicher auch den Menschen seiner Umgebung. Jesus ist Realist. Er weiss,
Leid und Schmerz werden dadurch nicht aus der Welt geschafft. Aber «angeschlossen» an den Fluss der Liebe
können wir besser damit
umgehen. Mein eigener
Schmerz wird erträglicher,
wenn ein Mitmensch sich mir
mitfühlend und liebevoll zuneigt.
Vielleicht hat dieser Mitmensch sich
die Füsse wund gelaufen, um gerade
jetzt in meiner Nähe zu sein, wo ich ihn
brauche. Seine Nähe hilft mir, mich zu
erheben, mich aufzurichten. Seine Nähe ist für mich wie ein Auferstehen zum
Leben hin. Mein Auferstehen wiederum
beglückt und beflügelt ihn. Er vergisst
seine wehen Füsse. Ein kleines Ostern
für beide, für ihn und für mich.
Und Jesus? Nur wenige Menschen
haben ihn verstanden. Das bedeutete
seinen Tod, seinen physischen Tod. Hier
beginnen die Ostergeschichten. Diejenigen, die mit Jesus gegangen sind bis
zum Kreuz und seine durchbohrten
Füsse gesehen haben, sie erfuhren ihn
in seiner Lebendigkeit am Ostermorgen. Die Wundmale sind noch da, aber
sie bluten nicht mehr. Dieser «Tote» befindet sich im Prozess einer Verwandlung ins Leben. Wo seine verwundeten
Füsse den Erdball liebend berühren, da
grünt es. Ob wir es sehen mitten im
Kriegsgeschrei unserer Tage? Er geht ein
in ein Licht, in das kein Schatten der
Bosheit ihm folgen kann. Denn Liebe erwartet ihn – im gleichen leuchtenden
Rot wie seine Wundmale. Da hinein ist
er auferstanden. Sein Tod wird für uns
zu einer Verheissung. Wagen wir es zu
glauben?
SR. INGRID GRAVE
ist Dominikanerin des
Klosters Ilanz.
M A R I N A L U T Z zu Ostern
Vermutlich wissen wir alle, dass
hinter Ostern mehr steckt als
leckere Schokoladehasen und bunte
Eier, selbst wenn wir weder kirchlich
sozialisiert noch an Religion
interessiert sind. An Ostern feiern
wir Christen die Auferstehung Jesu
Christi. Wir feiern den Sieg des
Lebens über den Tod. Diese Aussage
bleibt ein Mysterium. Ein Geheimnis,
das unserer Ratio widerspricht und
sich nicht in Worte fassen lässt. Doch
gerade weil sich die Aussage von
Ostern mit dem menschlichen Geist
nicht erschliessen lässt, sind Symbole
und Bilder nicht die schlechteste
Variante, uns Menschen an die tiefere
Aussage heranzuführen. Gerne wird
angeführt, dass Meister Lampe als ein
unchristliches Fruchtbarkeitssymbol
im 17. Jahrhundert erstmals im
deutschen Raum in Legenden auftrat.
Auch andere Legenden, die sich um
die Herkunft des Osterhasen ranken,
haben nichts mit der christlichen
Botschaft von Ostern zu tun.
L E S E R B R I E F E Zum Wolf und zum Front National in Frankreich
Entmündigung der
Bevölkerung durch
Umweltverbände
In den Medien kann ich die ungerechtfertigte Kritik an Bundesrätin Leuthard
lesen. Wenn Herr Lienhard schon zum
Angriff auf den Bundesrat pfeift, sollte er
sich zuerst richtig mit der Materie befassen. Seine Behauptungen sind schlichtwegs falsch. Die Naturschutzverbände
spielen mit gezinkten Karten. Es geht ihnen gar nicht um die Tiere sowie Flora
und Faune. Die Umweltverbände WWF,
ProNatura , Pro Wolf und STS sind ein
Bombengeschäft mit Millionenumsätzen. Pro Natura kann sich in der Juraweid locker unter höchst schleierhaften
Umständen 41.5 Hektaren Landwirtschaftland für 3.6 Millionen kaufen . Die
mitbietenden Landwirte wurden einfach ausgetrickst und überboten. In
Mutten ist Pro Natura mit rund 33 Hektaren der grösste Landbesitzer. Wo ist
hier das landwirtschaftliche Bodenrechtsgesetz. Wo sind hier die Grundbuchverantwortlichen? Es ist kein Wunder, dass immer mehr Leute in der
Schweiz von Korruption und Vetternwirtschaft sprechen. Herr Lienhard
schreibt von Trick bei der Bundesrätin.
Die schleierhaften Tricks der Naturschutzverbände stinken bis zum Himmel, weil ihnen zur Durchsetzung ihrer
Millionensummen von Spendengeldern
locker alles «gekauft» werden kann.
Keiner dieser selbsternannten Tierschützer kann mir einen Nutzen der
Grossraubtiere aufzeigen. Die Wölfe versetzen die Landbevölkerung in Angst
und Schrecken, weil sie im Bündnerland
schon in unseren Dörfern spazieren. Die
Wölfe reissen alle Lebewesen zur Futterversorgung. Die Wölfe sind keineswegs
vom Aussterben bedroht, haben aber in
unserer Zivilisation keinen Platz.
▸ HERMI PLUMP, TAMINS
Frankreich und der
Front National
Der Schreiber dieser Zeilen weilt seit
über zwanzig Jahren immer wieder in
Frankreich, so auch zwischen den zwei
Wahlgängen vom 22. und 29. März und
kann den Beitrag «Angst, dass Frankreich am Front National zerbricht» vom
16. März nicht nachvollziehen. Die beiden Parteien PS (Sozialisten) und UMP
(konservativ) regieren das Land seit 40
Jahren und sind für die heutige Misere
verantwortlich. Der UMP wird angelastet, dass sie die masslosen Forderungen
der Sozialisten wie zum Beispiel die 35
Stundenwoche nach einigem Zögern
immer mitgetragen hat. Daher kommt
auch das Schimpfwort UMPS, also die
bürgerlichen Sozialisten. Aus den Wahl-
dass es in Frankreich offenbar nur ein
Problem gibt, nämlich den Front National. Die Philosophin Chantal Delsol
schrieb daraufhin im Figaro: «PS und
UMP streiten sich darüber, ob die Engel
männlichen oder weiblichen Geschlechts sind, nur um von den echten
Problemen abzulenken.» Diese heissen
Masseneinwanderung unqualifizierter
Leute aus dem Maghreb und Afrika,
Arbeitslosigkeit, riesige Staatsdefizite,
aggressiver Islam und so weiter. Einzig
der Front National benennt diese Probleme, hat aber ein unausgewogenes und
praxisfernes Parteiprogramm, das ganz
links beginnt mit dem Ausbau des
Staatsdienstes, Erhöhung des Mindestlohnes und auf der rechten Seite endet
mit dem Austritt aus der EU, Schaffung
eines neuen Franc, Stopp der uferlosen
Zuwanderung. Der französische Wähler
steht also vor der Wahl von zwei schlechten Lösungen: Fortsetzung des Lotterbetriebes PS/UMP mit einer jährlichen
Neuverschuldung von mindesten 90
Milliarden Euro bis zum Ende der Präsidentschaft Hollande im Mai 2017, von
Brüssel bereits abgesegnet, oder Wahl
von neuen Amtsträgern aus dem FN für
die 101 Departemente bei gleichzeitiger
Weiterführung der sozialistischen Politik bis Mai 2017. Nein, Frankreich zerbricht keineswegs am FN, sondern an
der Unfähigkeit der Regierung, die echten Probleme anzugehen und zu lösen.
Vergessen wir aber nicht, dass bereits
der Kirchenlehrer Ambrosius (4. Jh.)
den Hasen als Auferstehungssymbol
deutete. Der Ursprung des Brauchs,
die Eier zu färben, ist nicht bekannt.
Als Erklärung dient oft die
Gepflogenheit, während der
Fastenzeit keine Eier zu essen: Um
diese haltbarer zu machen, seien sie
gekocht und zwecks Unterscheidung
der nicht gekochten Eier gefärbt
worden. In der christlichen Theologie
wird aber seit Alters her Bezug auf die
Eiersymbolik genommen: Aus dem
vermeintlich toten Rund bricht
neues Leben hervor. Das Leben
bricht sich durch die harte Schale den
Weg ans Licht. Ob sich nun jemand
lediglich an süssen Häschen und
bunt verzierten Eiern erfreut oder in
ihnen Symbole für die christliche
Frohbotschaft erkennt: Ihnen allen
wünscht das BT-Team von Herzen
frohe und gesegnete Ostern. Die
nächste BT-Ausgabe erscheint am
Dienstag, 7. April. (NOL)
IMPRESSUM
Wo bleibt die Vernunft?
Was in den Leserbriefspalten hin und
wieder über den Wolf allgemein und
über das Rudel im Calanda-Gebiet im
Besondern geschrieben wird, entbehrt
oft jeglicher Sachlichkeit.
Eine der wohltuenden Ausnahmen
ist für mich der Beitrag von Jürg Paul
Müller, der in seinem Internet-Blog
unter anderem geschrieben hat: «… sind
massvolle Eingriffe notwendig, wie der
Abschuss eines einzelnen Wolfes, der
sich fast nur in Siedlungen aufhält. Damit erhöht man die Akzeptanz für die betroffenen Arten bei grossen Teilen der
Bevölkerung und sichert langfristige
ihre Erhaltung.» Am Schluss führt Müller weiter aus: «Fundamentalistische
Haltungen führen nicht weiter. Sie dürfen nicht dazu dienen, sich mit einem interessanten Thema in der Öffentlichkeit
zu profilieren. Gesucht sind verantwortungsvolle Lösungen. Wir Menschen haben die ursprünglichen Lebensräume
der Tierwelt verändert, um das eigene
Überleben zu sichern. Heute sind die
Grundbedürfnisse längst garantiert.
Unsere Ansprüche an Wohnraum, Mobilität und Güter aller Art gehen weit darüber hinaus. Schon darum sollten wir der
freilebenden Tierwelt einen ihr gebührenden Platz einräumen können, Schritt
für Schritt und mit pragmatischen Lösungen.»
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Herausgeberin:
Somedia (Südostschweiz Presse und
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(Stv. Chefredaktor, nw).
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Die irgendwie geartete Verwertung von in diesem Titel
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K_DavoserZeitung vom 10.4.2015, Seite 19.pdf
Davoser Zeitung
Klosterser Zeitung
Prättigauer Post
R E G I O N
Freitag, 10. April 2015
19
KIRCHENFENSTER
Ostern geht weiter
Ostern liegt hinter uns. Doch
Ostern ist nicht vorbei, Ostern
geht weiter. Es ist bei allen
christlichen Festen so, sie gehen weiter. Sie rufen die Basisbotschaften des Glaubens
aus. Die Fundamente, auf denen die Kirche und das Lebenshaus des Glaubens errichtet wurden.
Unfassbar
Die Auferstehung des gekreuzigten Jesus von Nazareth ist
mit unserem naturwissenschaftlichen Denken allein
nicht zu fassen.
Sie ist das absolute Wunder
Gottes, mit nichts zu vergleichen. Ohne jede Analogie.
Man spricht in der heutigen
Physik bereits von vielen Dimensionen, die sich im Ganzen der Natur überkreuzen,
durchdringen, umfassen, auch
wenn wir es subjektiv nicht
fühlen, begreifen und wahrnehmen können.
Die Errechnung vieler Dimensionen im Universum zeigt
uns, wie begrenzt und endlich
unser Wissen ist. Sie gehört jedoch nicht zu den befreienden
Glaubenswahrheiten. Sie verweist uns lediglich auf das Unendliche und Ewige – letztlich – das Wirken Gottes.
Gottes Dimension
Doch wenn schon Dimension,
dann ist dieses einzigartige
Wunder, das wir an Ostern feiern, die Dimension Gottes,
des Schöpfers und Erlösers aller Menschen. Er hat seinen
Sohn für unsere Erlösung am
Kreuz sterben lassen und ihn
aus dem Tod erweckt.
Wer an dieses Wunder über allen anderen Wundern glauben
kann, der ist «wahrhaft frei»,
wie Papst Franziskus den
österlich lebenden Christen
nennt. Man darf sich wie in eine Liebe, so auch in diese zentrale Glaubenswahrheit fallen
lassen. Nicht unter Verzicht
auf seine Vernunft, wohl aber
im Wissen darum, dass Gottes
Handeln weit über alle irdische Dimension hinausgeht.
Das Staunen über die möglichen vielen Dimensionen zwischen uns und um uns herum,
mag uns ein wenig nachdenklich machen im Blick auf unsere allzu vielen subjektiven
Zweifel.
Es gibt wirklich mehr, «als
sich unsere Schulweisheit
träumen lässt». Denn das
Handeln Gottes ist grösser
und rettender als alles andere
zwischen Himmel und Erde.
Was an Ostern geschehen ist,
das kann nur Gott allein aus
sich bewirken.
Neue Menschen
«Neue Menschen sein» heisst,
Menschen sein, die wirklich
an «Christus Glaubende» genannt werden, die in einem
«neuen Leben leben» –
«österlich leben». So wird aus
der Gabe Aufgabe. Ostern hat
Konsequenzen.
Österlich leben heisst:
– Die Osterfreude spüren lassen und sie verbreiten in
unsrer oft so pessimistischen
und egoistischen Zeit.
– Ein Mutmacher sein. Andere
aus ihren Grenzen und Lebensängsten herausholen in
ein zuversichtliches Leben.
– Widerstand leisten gegen alle Menschenverachtung und
Ungerechtigkeit in unserem
Lebensumfeld.
«Christen
sind Protestleute gegen die
Kultur des Todes.»
– Die Sonntagskultur wertschätzen. Jede sonntägliche
Eucharistiefeier ist Erinnerung an das umstürzende
Ereignis von Ostern. Es
war eine revolutionäre Entscheidung der frühen Christenheit, dass sie sich vom
Sabbat verabschiedete und
den «ersten Tag» der Wo-
che, also den Sonntag feierte.
– Weitersagen, was uns erfreut
und begeistert. Christen
sind aus dem Wesen des
Glaubens heraus bereits
Menschen für andere. Sie
sind Zeugen für Christus
mitten in der Welt. Der Heilige Geist wird in ihren Worten und Taten präsent.
nes Unrecht. Christen kommen Sonntag für Sonntag
weltweit als Kirche zusammen, weil Menschen den Ruf
Gottes gehört haben und als
getaufte und gefirmte Jesus
Christus bezeugen, der unser
Freund und Bruder und Erlöser ist.
Kirche Jesu
Wenn am kommenden Weissen Sonntag unzählige Kinder
weltweit ihre Erstkommunion
feiern dürfen, dann ist dies
wahrhaft ein Zeichen für
österliches Leben. Das Sakrament der Eucharistie ist sichtbares und wirkmächtiges Zeichen des österlichen Mysteriums. Kommunion ist immer
mystische Vereinigung mit
dem real im Zeichen der verwandelten Gestalten gegenwärtigen
auferstandenen
Herrn. Immer wenn wir das
Sakrament der Eucharistie
empfangen, gehen wir ein in
die Dimension Gottes, die als
österliche Kirche lebt und
fortbesteht im hier und heute.
Ostern geht weiter…
Der auferstandene Herr ist
der, der Menschen zusammenbringt. Es gibt auf Dauer
keine
Gemeinschaft
mit
Christus ohne Gemeinschaft
mit anderen Menschen. Das
gilt seit Ostern endgültig. Und
wer irgendwo in der Welt wegen seines christlichen Glaubens verfolgt und diskriminiert wird und in einem dunklen Gefängnis sitzt, gehört
dennoch zur «communio
sanctorum», der Gemeinschaft der Kirche. So darf man
überall weltweit als Kirche zu
Hause sein. Ein Freundeskreis
kommt durch persönliche
Sympathien zusammen. Ein
Sportverein durch die Initiative Gleichgesinnter. Bürgerinitiativen entstehen durch den
gemeinsamen Widerstand der
Menschen gegen empfunde-
Kommunion
Dekan Kurt B. Susak ist
Kath. Pfarrer von Davos
und den Kirchgemeinden des
Albulatales
Wie viel Schnee liegt Ende des 21. Jh.?
Bis zum Ende des laufenden
Jahrhunderts wird es
wärmer. Das wirkt sich auf
die Schneehöhe aus. Auf
1000 bis 1700 m ü. M. dürfte
sie um rund 85 Prozent
abnehmen.
pd | Bleibt im Winter der
Schnee aus, leidet der Wintertourismus. Winterliches Verkehrschaos oder Lawinentote
erinnern aber immer wieder
daran, dass zuviel Schnee
auch problematisch sein kann.
Zu wissen, mit wie viel
Schnee eine Region rechnen
kann oder wann die Schnee-
decke ausapert, ist daher aus
verschiedensten
Gründen
wichtig – nicht zuletzt interessieren die Veränderungen im
Hinblick auf den Klimawandel.
Was passiert bis 2099?
Im Rahmen einer Doktorarbeit untersuchten Forschende
des WSL-Institut für Schneeund Lawinenforschung in Davos (SLF), wie sich die Klimaerwärmung auf wichtige Grössen der Schneedecke in der
Schweiz auswirken wird, zum
Beispiel die mittlere Schneehöhe, die Anzahl der Tage mit
Schneefall, den Beginn und
das Ende der Schneebedeckung oder den Anteil der
Winter mit durchgehender
Schneedecke. Diese Werte berechneten sie mithilfe von Klimamodellen an elf Stationen
in verschiedenen Klimazonen
und Höhenbereichen der
Schweiz, unter anderem für
die letzten 30 Jahre am Ende
dieses Jahrhunderts: 2070 bis
2099.
Die weisse Pracht
wird deutlich rarer
Die Analyse ergab, dass Stationen zwischen 1000 und 1700
Metern über Meer unabhängig
von ihrer Höhenlage recht
ähnlich reagieren. Die in den
Klimamodellen vorhergesagten höheren Temperaturen
werden sich viel stärker auf
die Schneebedeckung auswirken als die leicht zunehmenden
Niederschlagsmengen.
Die Folge davon: Die mittlere
Schneehöhe dürfte am Ende
des 21. Jahrhunderts in dieser
Höhenzone um rund 85 Prozent abgenommen haben.
Sogar in hohen Lagen (2500
Meter) wird die Niederschlagszunahme die höheren
Temperaturen nur zu einem
kleinen Teil kompensieren. Es
ist deshalb zu erwarten, dass
die mittlere Schneehöhe auf
dieser Höhe um rund 35 Pro-
zent geringer sein wird. Eine
durchgehende Winterschneedecke dürfte nur oberhalb von
rund 2000 Metern erhalten
bleiben, wobei in mittleren
Höhenlagen (1000 bis 1700
Meter) in ungefähr 50 Prozent
aller Winter keine geschlossene Schneedecke mehr erwartet werden kann. Im Schweizer Mittelland wird Ende des
Jahrhunderts gar nur noch an
zwei Tagen pro Jahr Schnee
fallen.
Starke Schwankungen
Die Resultate machen deutlich, dass die winterliche
Schneemenge auch in einem
wärmeren Klima von Jahr zu
Jahr stark schwanken kann.
Jedoch zeigen alle berechneten Schneegrössen bis Ende
des Jahrhunderts eine klare
Abnahme, trotz Unsicherheiten aufgrund der verwendeten
zehn Klimamodelle und der
zukünftigen
KohlendioxidEmmission. Am ausgeprägtesten sind die relativen Abnahmen in tiefen Höhenlagen. Die
Resultate der Modellrechnungen tragen dazu bei, dass Entscheidungsträger bei zukünftigen Investitionen für touristische Infrastrukturen oder
Lawinenschutzmassnahmen
über bessere Grundlagen verfügen.
DANKSAGUNG
Traueranzeigen
HERZLICHEN DANK
für die grosse Anteilnahme beim Abschied von
Verena Giovanoli-Andreoli
4. August 1918 – 22. März 2015
Wir danken Dr. Sven Schulz für die langjährige hausärztliche Begleitung und allen Pflegenden
der Abteilung Seeblick der Hochgebirgsklinik Wolfgang für die liebevolle Betreuung in den letzen
11⁄2 Jahren, allen Verwandten, Freunden und Bekannten für die Begleitung auf ihrem letzten
Weg, Frau Pfarrerin Cornelia Camichel für die einfühlsamen Worte und Mario Giovanoli für die
berührende Flötenmusik an der Abdankungsfeier. Vielen Dank auch für die zahlreichen Beileidskarten, Briefe und Spenden zu Gunsten von Amnesty International, Gruppe Davos.
Davos Platz, im April 2015
Die Trauerfamilie
Trauerzirkulare
Bei uns erhalten Sie Unterstützung und Ratschläge. Wir nehmen uns Zeit für Sie.
Auf unserer Homepage (www.budag.ch/Anzeigenservice/Im Trauerfall) finden Sie zudem unsere Wegleitung
mit nützlichen Adressen, Öffnungszeiten, Hinweisen und Textformulierungen.
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Selbstverständlich platzieren wir die Anzeige auch in weiteren von Ihnen gewünschten Zeitungen.
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte
Landeskirche
Graubünden
Denn wir haben hier keine bleibende
Stadt, sondern die
Trauerzirkulare
zukünftige suchen wir.
Hebräer 13, 14
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K_Quotidiana vom 10.4.2015, Seite 19.pdf
VENDERDI, ILS 10 DA AVRIGL 2015
19
„ PLAID PER LA DUMENGIA
Dil buca veser e tonaton crer
radicalitad e pussonza. Ei
Jesus levaus, lu ei sia nuvia­
umasch ei in dils giu­
1981 ein Elisa e Carli
la da veta nova ed ina veta
vnals che nus entupein
gi in da l’auter tras la
perpetna per tuts carst­
nsort. Cul temps han onn per onn en la liturgia
gauns
era realistica. Muort
ndau sezs famiglias ed dil temps pascal. El ei quel
talas immensas consequen­
gau guder d’esser tatta che para da ver sias diffi­
zas vul Tumasch esser se­
dis. Fetg bugen e savens
cultads cun la nova dalla
omat tier la feglia Lilia­
girs e perquei exprima el
miglia. Segir fuss Elisa levada da Jesus. El sa buc e
aviartamein ses dubis.
von cun nus. Mo il vul buca crer ch’in che fuva
uliu auter. Ils 21 da fe­ morts e satraus viva tutte­
o con pigns vegn Tu­
is ella vegnida prida tut nina puspei; quei survarga
masch quei mument
amein ord questa veta. sia fantasia. El pretenda
che Jesus cumpara avon el.
lisa, ruaussa uss en perquei mussaments vesei­
El
che veva avon fatg tonta
hen Tia e nossa beada vels e palpabels. «Sche jeu
canera
ch’el creigi nuot to­
esus Cristus. Nus lein
vesel
buca
vid
ses
mauns
la
chen
ch’el
vesi buca, da­
l Tutpussent per quei
noda
dallas
guotas
e
sai
bu­
mogna ussa mo aunc viado
u als Tes ed a nus tras
etti forza als tralaschai ca tschentar miu det el liug ils plaids «Miu Signur e
dallas guotas e miu maun
uei cumiau.
miu Diu». Ussa crei el per­
dolein da cor ad els.
en sia costa, creiel jeu buc». quei ch’el vesa e sto laguo­
Elsa Caprez, Trin Quei ei tenor il text ord igl
ter la reproscha dil Segner:
evangeli da dumengia pro­ «Seigies buca nuncartents,
xima (Gn 20, 19–29) sia
mobein cartents!»
recaziun sin igl entusias­
sem dils auters giuvnals
ner
ls dubis da Tumasch ein
speronza,
che raquentan da lur mi­
meinsvart era nos dubis.
en mai
steriusa
sentupada
cun
il
Gie,
era nus fussen magari
mpaus.
magister che seigi levaus da leds sch’il Segner dess
ier il Tedeum)
mort en veta. Il fatg ei me­ mintgaton pli claras enzen­
mia sensaziunals e nuncar­ nas da sia preschientscha,
teivels che Tumasch savess sch’el rispundess pli con­
us cumiau da miu
crer mo sin fundament da
cret sin nossas damondas.
tat, frar e figliol
perdetgas che pretendan da
ver viu el.
o cheu stuein nus se­
fidar dallas perdetgas
ch’igl ei ver che Jesus ei dils evangelis e secuntentar
cun la ductrina dalla basel­
levaus, lu ha quei con­
gia. Denton crer vul dir:
sequenzas per la veta dils
a, el liug nua che
Esser perschuadius dalla
carstgauns. Eis els levaus,
petna.
caussa senza haver mussa­
lu munta quei era che la
ments veseivels e palpabels.
mort ei buca pli nunsur­
ventscheivla, ella piarda sia Ina tala cardientscha pre­
DA SUR GIUSEP VENZIN
T
M
I
S
sora
ochiala a Surrein.
M
tenda Jesus sez sch’el di:
«Beai quels che vesan buc e
creian tuttina.»
E
veramein beai, v.d.
ventireivels, savein nus
esser sche nus vivin e per­
severein cun Cristus ch’ei
levaus da mort en veta.
Pertgei cun el savein nus
pertgei che nus vivin e tgei
ventira che spetga sin nus
suenter questa paupra veta.
E vein nus sco Tumasch era
nos dubis e nossas difficul­
tads da crer, lu savess quei
era esser in’enzenna che
nus vivin buc avunda cun
Cristus e sia nuviala, per­
tgei a quels che vivan propi
seriusamein cun el, a quels
dat el la grazia dalla per­
schuasiun.
B
uca veser e tonaton
crer – quei ei la via dil
cristifideivel, la via che
meina inagada mintga car­
tent dalla fossa a nova veta.
Tumasch, il giuvnal, ei se­
scarpitschaus sin quella via
ed ei curdaus, mo Cristus
ha alzau el en pei, alzau el a
nova e ferma cardientscha.
Cristus aulza era nus en
pei, dat era a nus malgrad
fleivlezias e dubis adina pu­
spei nova forza da crer e
sperar sche nus confessein
cun Tumasch: «Miu Signur
e miu Diu!»
O schei vus caras steilas
El firmament
Pertgei viv’ins sin tiara mo in mument?
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte
Landeskirche
Graubünden
Annunzia
da mort
Nunspitgadamein ha in bien cor calau da batter. Trests e
commuentai, denton engrazieivels stuein nus prender
3.
Themen aus überregionalen Zeitungen
NZZ, RP und Zeit
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Neuö Zürcör Zäitun
der
vom 4.4.2015,
1.pdf
NZZ –NZZ
ZEITUNG
FÜR Seite
DIE SCHWEIZ
5. April 2015 V Nr. 78 V 236. Jg.
llen
Ste
Ka
für
www.nzz.c
gegründet 1780
vor
nz Chinas
Verwandlung und Erneuerung
se» im Fokus
Religionen schärfen den Blick für die Verkehrtheit des Menschen – sie helfen aber auch, Heilung und
Transformation anzustreben. Dabei sollten sie ihre eigenen Ambivalenzen nicht übersehen. Von Niklaus Peter
ner «neuen SeiAsien, Europa
d zu Wasser gePriorität. Peking
ven aussenpolitiwill unter Präsier die dominieielen. Die NachA verfolgen den
orge. Es besteht
le – wie einst die
-Plan – die Voregion zementieedoch zurück.
rnational, Seite 6
ngel
Handels»
versprechen
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Bewegung auf.
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umgestellt werstagnierende Erndessteuer: Der
s, wonach diese
üchsen wie die
mehr, sagt der
ssischen Finanzlard. Vorbei seier teilweise sehr
desaufgaben bei
nabbau.
Schweiz, Seite 9
ederschläge
Wallis stark be-
Die Botschaft des Osterfestes ist mehr als ein «Stirb und
werde!», mehr als die Freude an Vitalität, an der Erfahrung,
dass der Naturzyklus nach der winterlichen Totenstarre wieder in frühlingshaftes Wachstum übergegangen ist, dass Farbenvielfalt, Blütendüfte und Vogelgesänge unsere Sinne erfreuen. Der religiöse Kern dieses Festes ist ein Geheimnis und
ein Ereignis, das nur auf dem Hintergrund eines Gottesglaubens seinen Sinn und seine Kraft entfalten kann. Die Entstehung des Christentums und das schnelle Wachstum seiner
kleinen Zellen und Gemeinden zeugen von der Energie dieser
religiösen Erfahrung, der allerdings starke Erfahrungen und
eindrückliche Wachstumsprozesse in anderen Religionen an
die Seite zu stellen sind. Wie verhalten sich die Erfahrungen
der verschiedenen Religionen zueinander?
Vor über einhundert Jahren hat William James, einer der
bedeutendsten amerikanischen Philosophen und Psychologen, in seinem Buch «Die Vielfalt religiöser Erfahrung» die
verblüffende Pluralität und Unterschiedlichkeit religiöser Zustände, Ideen, Phänomene und Ausdrucksweisen beschrieben. Unvoreingenommen hat er ethnologisches, religionswissenschaftliches, historisches und psychologisches Material
aus der ganzen Welt gesichtet. Und so liest man von Geisterbegegnungen, Heilungszeremonien, Dämonentreiben und
Jenseitsflügen, von wilden, ekstatischen Grenzerfahrungen,
kurzum: Man bekommt die ganze Palette dessen in den Blick,
was es im Bereich des Religiösen so alles gibt. Nicht nur für
Protestanten zwinglianischer Prägung zweifellos eine Horizonterweiterung.
Ein doppelter Blick auf die Realität
Das leitende Interesse des Philosophen James bei seiner Reise
in wunderbare und auch wunderliche Regionen des Geistes
war die Beantwortung der Frage: Gibt es auch etwas Durchgängiges und Verbindendes? Gibt es einen gleichbleibenden
Kern religiöser Erfahrung in dieser verwirrenden Vielfalt?
Die positive Antwort im Schlusskapitel lautet: Zwei Erfahrungen seien es, die innerlich zusammenhingen. Erstens finde
man fast überall ein in religiösen Traditionen gespeichertes
Gefühl von uneasiness, ein Unbehagen im Hinblick auf uns
selbst, die tiefe Ahnung, dass etwas mit uns nicht stimme.
Zweitens aber die Erfahrung: Wenn man mit höheren Mächten in Verbindung trete, könne man von der Verkehrtheit
(wrongness) befreit und geheilt werden.
Mag diese umgreifende Interpretation biografisch geprägt
sein und also mit dem liberal-christlichen Glauben von William James zusammenhängen, Erschliessungskraft besitzt
seine These allemal, dass Religionen mit ihrem doppelten
Erfahrungskern auch einen gewissermassen doppelten Blick
auf die Welt ermöglichen: Eine zutiefst realistische, nüchtern
pessimistische Perspektive aufgrund des beschriebenen Unbehagens an uns selbst – wir sind ambivalente Wesen und verstrickt in ungute Dinge. Aber eben zugleich auch eine hoffnungsvolle Perspektive, dass es Befreiung und Heilung gibt.
Oder andersherum formuliert: Religionen sind auf Transformation, auf Überwindung und Heilung angelegte geistige Traditionen. Ihre in Geschichten, Ritualen, Gebeten, Geboten
und Verheissungen verdichteten Erfahrungen zielen auf Veränderung, auf Verwandlung, auf Erlösung.
INTERNATIONAL
Realistische Selbstwahrnehmung und Transformation, Umdenken und Erneuerung – das jedenfalls sind Stichworte, mit
denen sich die Kerngehalte des christlichen Glaubens beschreiben lassen. Wer die Gleichnisse und die Bergpredigt Jesu
liest, wer die Passionsgeschichte und die Ostertexte kennt,
wird in ihnen die doppelte Perspektive in der Wahrnehmung
der Realität wiedererkennen: Der selbstkritische Blick darauf,
wie wir verstrickt sind in Rücksichtslosigkeiten, Egoismen und
schuldhafte Zusammenhänge. Zugleich ist es jedoch eine mit
dem Gottesglauben verbundene Erfahrung, dass das Böse,
dass die Gewalt und der Tod nicht das letzte Wort haben; dass
Hass sich in Versöhnung verwandeln, dass Unheiles heil werden kann und zerrüttete Gemeinschaften sich neu bilden können, wenn Gottes Geist der Erneuerung wirkt.
Zivilisierungsprozesse
Und wenn es denn stimmt, dass Religionen mit diesem doppelten Blick auf die Welt etwas Wichtiges teilen, so ist es vielleicht genau das, was ihre andauernde Attraktivität ausmacht.
Entgegen allen Prognosen von Grosstheoretikern des 19. und
20. Jahrhunderts sind religiöse Traditionen nicht am Verschwinden und Absterben, sondern zeigen sich, jedenfalls
wenn man den Blick über Europa hinaus weitet, überaus
lebendig. – Aber ist das nicht ein geschöntes Bild der Wirkung
von Religion in der heutigen Welt? Sind nicht fundamentalistische Strömungen innerhalb der grossen Religionen am
Wachsen? Wirken Religionen nicht allzu oft als Brandbeschleuniger in Konflikten?
Religionen selbst sind, wie alles Menschliche, ambivalent.
Gerade das, was sie so attraktiv macht, die Kraft, Menschen
zusammenzubringen, Gemeinschaft, Hoffnung, Perspektiven
für das ganze Leben und darüber hinaus zu stiften, gerade das
macht sie anfällig für Instrumentalisierungen durch politische
Bewegungen und machthungrige Akteure. Deshalb müssen
Religionen das von William James beschriebene Unbehagen
auf sich selbst beziehen lernen. Sie müssen ein Bewusstsein
dafür entwickeln, dass auch etwas mit ihnen selbst nicht stimmen könnte. Das jedenfalls wäre der Ausgangspunkt für Erneuerung und Heilung. Man könnte es auch so formulieren:
Religionen müssen Zivilisierungsprozesse durchlaufen, sie
müssen Institutionen aufbauen, die transparent sind, in denen
Ambivalenzen beobachtet und kontrolliert werden können, in
denen der Machtwille sich nicht hinter dem Heiligen verstecken kann. Sie müssen ein vitales Interesse an selbstkritischen Theologien haben. Deren Aufgabe ist es, den doppelten
Blick auf die Welt und auf das Leben zu pflegen.
Für die Denktraditionen christlicher Theologie ist es der
spannungsvolle Zusammenhang von Karfreitag und Ostern.
Am Kreuz wird mit grösster Härte menschliche Verkehrtheit
offenbar; bei sich, nicht bei anderen sollte man sie suchen. Im
Licht der Osterbotschaft zeigt sich, dass dies nicht die einzige
Realität ist: Erneuerung und Heilung haben immer schon begonnen und können deshalb gefeiert und gelebt werden. Der
ehemalige deutsche Bundespräsident Johannes Rau pflegte
mitunter daran zu erinnern, dass es in der Bibel nicht heisse:
«Seid getrost, es bleibt alles beim Alten», sondern: «Siehe, ich
mache alles neu!»
Niklaus Peter ist Pfarrer am Zürcher Fraumünster
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
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Pilsen
Samstag, 4. April 2015 V Nr. 78
Neuö Zürcör Zäitung
NZZ vom 4.4.2015,
Seite 13.pdf
SCHWEIZ 13
Arbeit an der Heftlade wie anno dazumal: In Mönchaltorf wird das Faksimile des Einsiedler Heilsspiegels gebunden und in Pergament gefasst.
BILDER SIMON TANNER / NZZ
Eine fast perfekte Illusion
Wie eine prächtige Handschrift aus Einsiedeln nach einem halben Jahrtausend zu neuem Leben erwacht
das sich genauso anfühle wie Pergament und beim Blättern genauso töne,
schwärmt Rothacker.
Pergament hat viele Qualitäten; es
hat eine glatte Oberfläche, es ist dauerhaft, Geschriebenes lässt sich leicht
entfernen und wieder überschreiben,
was die Existenz der Palimpseste, also
der überschriebenen alten Texte, erklärt. Für den Druck ist Pergament
allerdings ungeeignet. Die Reproduktion im Rahmen eines Faksimiles erfolgt
deshalb auf Spezialpapier.
Der relativ schmucklose Einband
wiederum wird in echtes Pergament gefasst und später von Hand beschriftet.
Der Buchbinder ist zufrieden mit dem
Resultat. Auf allen Seiten strahlen die
Bilder und funkelt das Gold, das – im
Unterschied zum Original – natürlich
kein echtes Gold ist, aber eine für das
Auge des Betrachters schier perfekte
Kopie davon.
In einem tristen Industriegebiet
erhält eine alte Prachthandschrift den letzten Schliff für ihr
neues Leben. Nach allen Regeln
der Buchbindekunst entstehen
680 Faksimile-Exemplare des
mittelalterlichen Bilderreigens.
Es bleiben Rätsel.
Claudia Wirz
Was hat der österliche Christus mit
einem Walfisch zu tun? Der belesene
mittelalterliche Ritter und das andächtige französische Burgfräulein wussten
es auf jeden Fall. Wer nur moderne Mittelalterfilme zu Rate zieht, dürfte es
trotz allen Fantasy-Elementen schon
schwerer haben, diese Frage zu beantworten. Wer es dennoch wissen will,
wird im Heilsspiegel des Klosters Einsiedeln mit Sicherheit die Antwort finden, und zwar in Text, Gold und Bild,
sozusagen den Spezialeffekten des späten Mittelalters. Allein, eine goldverzierte, rund 560 Jahre alte Handschrift
ist im Unterschied zum MittelalterBlockbuster kein massentaugliches Produkt. Es schlummert gut geschützt vor
den Zeichen der Zeit mit vielen anderen
Kostbarkeiten in der Einsiedler Stiftsbibliothek. Wie es hierherkam und wem
es einst gehörte, ist unbekannt. Zugänglich ist der lichtscheue Band nur einem
äusserst begrenzten Publikum. Nicht
einmal die Mitbrüder könnten es «einfach so» anschauen, sagt Pater Justinus,
der über die reichen Schätze der Stiftsbibliothek wacht. Zu verletzlich und
kostbar ist das prächtige Werk eines unbekannten Meisters.
Rätselhaft
Innovation und Premiere
Wer nun meint, diese Kostbarkeit sei zu
ihrem Schutze auf alle Zeiten weg vom
Fenster, irrt. Clarissa Rothacker gehört
zu den wenigen Privilegierten, die das
Werk in jüngster Zeit in den eigenen
Händen halten durften, sein Gewicht
spüren, den im Vergleich zum Innenleben schlichten Pergament-Einband
beäugen konnten. Dass sie das durfte,
hat seinen guten Grund. Rothacker
arbeitet beim Luzerner Quaternio-Verlag, der auf die Herstellung von Faksimile-Editionen spezialisiert ist. Eine
perfekte Illusion eines ebenso kostbaren wie unerreichbaren Originals herzustellen, das ist sozusagen der Ehrgeiz
des Verlags. Und dafür investiert man
viel Zeit, Aufwand und Innovation. Für
den jungen Verlag ist es die erste Handschrift aus der Schweiz, für das Kloster
Einsiedeln das erste Faksimilierungsprojekt überhaupt. Zwar hat das Kloster viele Handschriften bereits digitalisiert und im Internet für Öffentlichkeit
und Forschung zugänglich gemacht,
aber eine originalgetreue gedruckte Kopie einer Handschrift, die man halten
und in der man blättern kann, ist für das
Kloster Einsiedeln ein Novum.
Bernhard Minder hat sich ein Exemplar gesichert. Noch hat er es nicht
in den Händen. Erst im Frühsommer
wird der Band fertig sein, in echtes Pergament gebunden und in Handarbeit
wie anno dazumal gefertigt. Der Heilsspiegel ist für ihn nicht das erste Fak-
Die Verkündigung an Maria (links) und das alttestamentliche Pendant mit Moses und dem Dornbusch.
simile. Die Fibel der Claude de France
zum Beispiel, ebenfalls im QuaternioVerlag erschienen, steht schon in seiner
Bibliothek.
Für Minder, der Freude an schönen
Büchern hat, ist das Eintauchen in ein
Faksimile wie eine Zeitreise. Was gab es
damals für eine theologische Denkwelt?
Auf welchem Stand war die handwerkliche Kunst? Wie hat der mittelalterliche Mensch ein solches Buch benutzt,
das schon damals unendlich kostbar
war? Wie gross und wie schwer war das
Buch, wie fühlte sich das Pergament an,
und wie tönte es, wenn man in den Seiten blätterte?
Dieses sinnliche Erleben eines alten
Buches kann das Internet mit den vielen
digitalisierten Versionen nicht bieten,
ebenso wenig ist am Bildschirm die
originalgetreue Wiedergabe der Farben
und der Goldtöne möglich. Das gelingt
nur dem spezialisierten Fachmann, der
auch winzigste Farbunterschiede feststellen und korrigieren kann. Und das
gelingt nur mit einem Medium wie Pergament – oder zumindest etwas Ähnlichem. Das Ganze hat natürlich seinen
Preis. Mehrere tausend Franken kostet
ein Faksimile-Exemplar des Einsiedler
Heilsspiegels.
Kunst im Industriegebiet
Die Buchbinderei Burkhardt liegt mitten in der eher tristen Industriezone von
Mönchaltorf hinter dem weitläufigen
Parkplatz eines Discounters. Dass ausgerechnet hier die alte Handwerkskunst
des Buchbindens gepflegt wird, erschliesst sich erst auf den zweiten Blick,
dann aber umso deutlicher. Gekonnt
führt Buchbinder Cyril Mougin die
Nadel mit dem gewachsten Heftfaden
durch die Heftlöcher der gefalzten Bögen. An fünf Bändern aus echtem Per-
QUATERNIO-VERLAG LUZERN
gament macht der Buchbinder die in
der Heftlade zu Lagen zusammengeführten Bögen fest.
Die Bögen, die hier gebunden werden, haben schon einen langen Produktionsprozess hinter sich. Im Kloster
wurden die Originalseiten digital fotografiert. Das Fotografieren sei für das
Buch keine besondere Strapaze gewesen, versichert Pater Justinus. In Graz
wiederum wurden die Bögen gedruckt
und später mit dem Original verglichen
und nötigenfalls korrigiert.
Der bedruckte Träger ist zwar kein
Pergament wie im Original, aber ein
Papier, das diesem Ideal sehr nahe
kommt. Dieses Papier, das bei der Faksimilierung des Heilsspiegels zum ersten Mal zur Anwendung kommt, ist der
ganze Stolz des Quaternio-Verlages.
Endlich sei es gelungen, ein Papier
herzustellen, das mit der typischen Wellung genauso aussehe wie Pergament,
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Wo wir nun eine zwar fast perfekte
Kopie vor Augen haben, bleibt das Original aus über 500 Jahren Distanz doch
fremd und voller Rätsel. Die erste Seite
ist verloren und damit jede mögliche Information über seinen ehemaligen Besitzer. Zwar nährte der Verlag die Hoffnung, der wissenschaftliche Kommentar, der jede Faksimile-Edition begleitet, könnte Licht ins Dunkel bringen,
doch diese Hoffnung hat sich zerschlagen, wie Rothacker sagt. Was bleibt,
sind die Kraft und die Schönheit der Bilder und Verzierungen. Die reichen
architektonischen Details, das Spiel mit
dem Licht, das immer von links kommt,
die Darstellungen der zeitgenössischen
Kleidung, von Ritterrüstungen, des Alltagslebens und des Handwerks – all das
reicht für den modernen Betrachter
weit über die theologische Bedeutung
des Werkes hinaus. Der Heilsspiegel
präsentiert sich als Buchtypus, der im
späten Mittelalter im Umfeld reicher
und aufstrebender Städte entstanden ist
und sich vor allem nördlich der Alpen
etwa in Paris und im boomenden burgundischen Flandern rund um den Hof
Philipps des Guten durchgesetzt hat.
Dem spätmittelalterlichen Leser
führte ein Heilsspiegel das ganze Spektrum von der Erlösung der Menschheit
vor Augen, im Falle der Einsiedler
Ausgabe illuminiert mit einem überaus
bunten Bilderreigen aus 176 Miniaturen. In aller Regel war der Besitzer
eines solchen Heilsspiegels ein Laie,
kein Geistlicher, und der Erschaffer
war ein städtischer Handwerker und
kein Mönch. Kräftiges Rot, leuchtendes
Blau, zarte Grisaille-Zeichnungen prägen die Einsiedler Miniaturen.
Eine davon zeigt – wie könnte es
anders sein – einen «Walfisch». Für den
heutigen Betrachter ist der Heilsspiegel
eine Einladung zum Schwelgen und
zum Revidieren von Klischees über das
«finstere Mittelalter». Dem zeitgenössischen Leser wiederum erklärte der
Heilsspiegel die Erlösung mit Geschichten aus dem Alten Testament. Was den
Propheten im Alten Testament passiert,
kündigt schon den Heiland an: Genauso
wie Jona nach drei Tagen dem Bauch
des Walfischs entsteigt, aufersteht
Christus am dritten Tag aus dem Grab.
NZZ vom 4.4.2015, Seite 16.pdf
16 ZÜRICH UND REGION
Neuö Zürcör Zäitung
Samstag, 4. April 2015 V Nr. 78
«Zwingli war gar kein Zwinglianer!»
Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist will, dass am Reformations-Jubiläum der Funke überspringt
reformierte Kirche hat ein grosses Kapital: das Vertrauen der Leute. Die Zürcher
Bevölkerung hat mit überwältigendem
Mehr Ja gesagt dazu, dass Firmen Kirchensteuern zahlen. Weit über die Kirchenmitglieder hinaus. Das ist ein Vertrauensbeweis, den wir nutzen müssen.
Halbleere Kirchen, weniger
Geld und eine unsichere Identität: Ist die reformierte Kirche
in einer Krise? Nein, sagt Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist.
Als Botschafter des Reformations-Jubiläums will er das Kapital nutzen, das die Kirche hat.
Wie?
Wir müssen den Kern der Botschaft so
vermitteln, dass die Leute sie verstehen.
Wir müssen übersetzen, dolmetschen.
Das ist gute reformierte Tradition. So
wie Zwingli im Chor des Grossmünsters
die Bibel übersetzte, so müssen wir die
zentralen Botschaften vermitteln.
Herr Sigrist, an Ostern werden die Kirchen wieder voll sein. Aber sonst sind sie
meistens halb leer. Warum?
Sie sind auch sonst nicht halb leer!
Kommen Sie an einem ganz normalen
Sonntag oder Werktag in eine Altstadtkirche. Da sehen Sie ganz anderes.
Was sind die zentralen Botschaften? Was
heisst für Sie heute reformiert sein?
Es geht nicht nur um Glaubenssätze, es
geht um Prozesse, um Beteiligung. Für
mich heisst reformiert sein: innovativ
sein, qualitativ sein und nachhaltig sein.
Aber im Ganzen verliert die Kirche Mitglieder, sie hat finanzielle Probleme und
sucht ihre Identität. Sind die Reformierten in einer Krise?
Nein, das glaube ich nicht. Nicht nur die
Kirche hat diese Schwierigkeiten. Die
Menschen wollen sich heute nicht mehr
an Institutionen binden. Deshalb gehen
sie auch der Kirche aus dem Weg. Aber
das Gleiche sehen sie auch bei der
Armee, bei den Parteien . . . überall.
Das klingt sehr abstrakt.
Das ist konkret. Innovativ sein heisst:
den Mut haben, alte Zöpfe abzuschneiden. Zwingli hat die alte Messe abgeschafft und eine neue Liturgie an ihre
Stelle gesetzt. Qualitativ sein heisst: ein
Bewusstsein haben für die Ernsthaftigkeit unseres Auftrags, aber auch für die
Freiheit, die wir beim Umsetzen haben.
Reformiert sein heisst auch Augenmass
haben. Zwingli feierte nach dem
Grundentscheid des Rates 1523 noch
anderthalb Jahre lang die alte Messe,
weil er sich der Obrigkeit fügte. Diese
gebot wegen der politischen Lage und
angesichts der Grösse der Umwälzung
Zurückhaltung. Und nachhaltig sein
heisst: Versöhnung im Umgang mit
Minderheiten. Dass sich die reformierte
Kirche 2004 mit einem Schuldbekenntnis im Grossmünster mit den Täufern
versöhnte ist ein Beispiel dafür.
Vielleicht ist ja auch das Bedürfnis nach
Glauben nicht mehr da?
Im Gegenteil. Ich erlebe laufend anderes. Die Leute wollen keinen verordneten Glauben mehr. Aber es gibt ein
grosses Bedürfnis nach Spiritualität,
nach religiösem Empfinden.
Wo spüren Sie das?
An den Besucherzahlen in den Stadtkirchen zum Beispiel. Die explodierten
regelrecht in den letzten Jahren. Die
Leute kommen wieder zu uns.
Aus religiösen Gründen?
Was heisst das? Die einen kommen, weil
sie ein atmosphärisches, ein ästhetisches
Erlebnis suchen. Sie suchen einen Ort,
an dem sie Ruhe finden, einen Unterbruch vom Alltag. Und die finden sie im
Kirchenraum, das erlebe ich im Grossmünster oft. Das ist eine Art von atheistischer Spiritualität. Damit meine ich:
Religion beginnt nicht erst bei der Dogmatik und ihren Formeln. Es gibt niederschwellige Formen von religiösem
und spirituellem Erleben. Solche Erfahrungen werden gesucht, das nimmt zu,
und das ist auch legitim. Dann gibt es
Leute, die das historische Potenzial der
Kirchen interessiert – Reformierte aus
aller Welt, aber auch Orthodoxe oder
andere Christen. Und dann kommen
Leute, die aus ihrer persönlichen Religiosität heraus ein individuelles oder
kollektives rituelles Erlebnis suchen.
Das sind sehr verschiedene Bedürfnisse.
Kann die Kirche sie befriedigen?
Wir stehen tatsächlich vor ganz neuen
Herausforderungen. Schauen Sie, vor
einigen Wochen wollte ich in der Zwölfbotenkapelle des Grossmünsters eine
ANZEIGE
«Unsere familieninterne
Nachfolge war nur
ohne Erbschaftssteuer
möglich!»
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Magdalena Martullo, Unternehmerin,
Verwaltungsratsdelegierte
EMS-CHEMIE, Domat/Ems GR
Komitee
nein-zur-bundeserbschaftssteuer.ch
Plädiert für den Mut, alte Zöpfe abzuschneiden: Christoph Sigrist.
SIMON TANNER / NZZ
Kerze anzünden für jemanden, den ich
seelsorgerisch betreue. Dort traf ich auf
einen Mann, der gerade seinen Gebetsteppich ausrollte. Ich stellte mich vor.
Er erschrak ein wenig und entschuldigte
Grossmünster, Prediger, St. Peter, alle
Kirchen. Der Kirchenraum ist wie die
Verkörperung des religiösen Empfindens, ein gebauter Text des Glaubens.
Damit müssen wir arbeiten, darauf können wir aufbauen.
«Die reformierte Kirche
hat ein ganz grosses
Kapital: das Vertrauen der
Menschen. Das müssen
wir nutzen.»
Aber das allein trägt eine Kirche nicht.
Daraus kann wieder etwas entstehen.
Und das geschieht bereits. Wir stehen
mitten in einer grossen Umwälzung, davon bin ich überzeugt. Mir macht das
Beispiel Holland Mut. Dort ist man
rund zwanzig Jahre weiter als bei uns. In
den Städten, in Rotterdam, in Amsterdam entstehen neue Kirchgemeinden.
Die kirchlichen Strukturen sind fast zusammengebrochen. Aber jetzt bilden
sich neue Gemeinden und Oasen der
Menschlichkeit: um soziale Brennpunkte und charismatische Menschen herum.
sich, er habe keinen anderen Ort für das
Gebet gefunden. Ich sagte ihm, das sei
kein Problem; die Zwölfbotenkapelle
ist ja der Gebetsraum. Dann beteten wir
nebeneinander, der Muslim und der
Christ. Das ist eine typische Szene für
die heutige religiöse Realität.
Aber die reformierte Kirche kann ja
nicht zu einer Universalkirche werden.
Die Welt verändert sich. Und wir müssen darauf reagieren. Das ist unser Auftrag, besonders als Reformierte. Zwingli
stand vor einer ähnlichen Aufgabe. Auch
er musste einen Schritt nach vorn machen, ohne zu wissen, wohin er führte.
Bei ihm war nicht das Verhältnis der
Menschen zur Institution das Problem.
Aber die Rituale waren leer geworden.
Und er wagte es, etwas Neues an ihre
Stelle zu setzen. Das müssen wir auch
tun. Wir müssen uns an einer neuen
Landkarte der Religionen orientieren.
Und wir müssen Wege finden, Menschen
zu integrieren, die nicht mehr institutionell an die Kirche gebunden sind.
Was ist heute das Neue?
Für mich sind die Kirchenräume
zentral. Die Leute identifizieren sich
heute vielleicht weniger über die Institution Kirche, aber sie identifizieren
sich stark über die Kirchenräume. Und
in Zürich haben wir da ein Potenzial,
das wir nützen können: Fraumünster,
Also ist es auch eine Chance, dass die
reformierte Kirche kleiner wird?
Die reformierte Kirche wird von einer
Staatskirche, die sie einmal war, zu einer
«Die Kirche muss auch
die Menschen integrieren,
die nicht mehr institutionell an die Kirche gebunden sind.»
Kirche, für die sich die Menschen wieder bewusster entscheiden. Das heisst
auch, dass wir je länger, desto mehr aus
einer Minderheitsposition heraus arbeiten müssen. Und wir müssen das Erbe
der reformierten Kirche aus dieser heraus bewahren, im Zusammenspiel mit
den anderen konfessionellen und religiösen Minderheiten.
Das klingt resigniert.
Überhaupt nicht. Aber man darf sich
nicht selber kleinreden. Das machen wir
leider. Dafür gibt es keinen Grund. Die
Wie wird das im Jubiläum umgesetzt?
Das Jubiläum muss Gelegenheit zu Begegnungen bieten, mit den Schwesterkirchen und mit religiösen Minderheiten. Natürlich arbeiten wir die Geschichte auf und die mit der Reformation verbundene Kultur. Wichtig ist
aber vor allem, dass das Jubiläum keine
rein innerkirchliche Angelegenheit
wird. Ich selber plane ein Mysterienspiel zu Zwingli aus Sicht seiner Frau
Anna Reinhart. Der Funke muss überspringen. Wir müssen fiebrig werden.
Fiebrig? Beim sinnenfeindlichen Zwingli?
Stopp mit diesem Klischee! Jetzt sage
ich Ihnen, wer Zwingli wirklich war.
Zwingli war ein sinnenfreudiger, lustvoller Mensch. Ein Beispiel: Als Pfarrer
in Zürich verliebte er sich in Anna Reinhart, die Tochter des «Rössli»-Wirtes.
1522 heirateten sie heimlich. In Zürich,
das damals ein Kaff mit knapp 5000
Einwohnern war! Und nach zwei Jahren
sagte ihm ein Freund, er solle sie jetzt
doch endlich offiziell heiraten, die Sache werde auffällig. Oder: Vor seiner
Wahl ans Grossmünster 1519 musste
Zwingli einem Chorherrn beichten, er
habe in Einsiedeln ein Verhältnis mit
der Tochter eines Coiffeurs gehabt. Es
sei damals einfach durchgegangen mit
ihm, schreibt er. Er war den schönen
Seiten des Lebens gar nicht abgeneigt.
Woher dann der hohe Sockel?
Auf den wurde er erst später gestellt.
Und man bringt ihn kaum mehr herunter. Zwingli war gar kein Zwinglianer!
Er liebte das Leben, die Musik, konnte
sehr gut singen, spielte mehrere Instrumente, unter anderem Hackbrett – er
war ja ein Toggenburger. Zwingli war
ein sehr emotionaler Mensch.
Warum gestaltete denn ausgerechnet er
den Gottesdienst so spartanisch?
Da war er radikal. Er war überzeugt, dass
er die «Festplatte» der Kirche und der
Liturgie auswechseln musste, weil er
glaubte, dass das Virus nur so ausgemerzt werden konnte. Da steht er im
Gegensatz zu Luther. Luther wollte flicken und schrauben. Zwingli wollte
einen Neuanfang. Und das müssen wir
heute auch wieder wagen.
Interview: rib.
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
ZÜRCHER KREATIONEN
Fürs tägliche
Abenteuer
Kinderrucksack von Vermala
Natalie Avanzino V Bei den erwachsenen Stadtnomaden sind sie längst zurück: schlichte Rucksäcke, wie sie früher beim Wandern oder im Militär getragen wurden, gefertigt aus robustem
Canvas mit Verschlüssen und Riemen
aus Leder. Kinder tragen zwar ebenfalls
vermehrt Rucksäcke anstatt Schultheken, diese werden optisch aber von
Figuren aus der poppigen Welt von Walt
Disney oder Marvel-Comics dominiert.
Dem wollten Eliane Buck und Ani
Antunovic abhelfen und kreierten modische Retro-Rucksäcke mit klingenden Namen wie Blue oder Red Mountain. «Es ist unübersehbar, Erinnerungen an Schulreisen in unserer Kindheit
standen dabei Pate», sagt Eliane Buck
schmunzelnd. Ende 2013 hat die Modedesignerin zusammen mit der OnlineJournalistin Ani Antunovic das Label
Vermala gegründet. Die beiden Frauen
kennen sich seit ihrer Jugend im luzernischen Ebikon. Die Freude an der
Bergwelt haben sie sich auch im städtischen Zürich bewahrt, wo die Freundinnen seit bald 20 Jahren wohnen – nun
spiegelt sie sich in ihren Kinderrucksäcken. «Wir wollten ein nachhaltiges
Produkt herstellen, das sowohl den
Kindern als auch den Eltern gefällt», so
die 38-jährige Buck. Produziert werden
die Rucksäcke in Kleinserien in Hongkong. Damit sie für die Kinder spannend bleiben, verkaufen Buck und Antunovic auf ihrer Homepage eine Fülle
an Patches und Pins, die aufgebügelt
oder angesteckt die Modelle individualisieren. Die witzigen Motive sind
von internationalen Illustratoren eigens
für Vermala entworfen worden und lassen sich ganz nach dem Geschmack des
Nachwuchses für jedes Abenteuer neu
kombinieren.
Kinderrucksack Vermala, Bio-Canvas (mit Rindsleder),
Modell in Blau und Rot erhältlich, für 135 Fr. online
zu beziehen unter www.vermala-bag.ch.
Retro für die Kleinsten.
SIMON TANNER / NZZ
Sohn
legt Geständnis ab
fbi. V Im Tötungsdelikt von Pfäffikon
hat der 19-jährige Sohn gestanden, seinen Vater erschossen zu haben. Die
Staatsanwaltschaft hat Antrag auf Untersuchungshaft gestellt. Am Dienstagabend hatte sich der Mann bei der Polizei gemeldet und erklärt, er habe seinen
Vater in der gemeinsamen Wohnung im
zürcherischen Pfäffikon umgebracht. In
der Zwischenzeit hat ihn die Staatsanwaltschaft befragt.
Dabei gestand der junge Mann, seinen Vater erschossen zu haben. Die
Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass
der 19-Jährige vorsätzlich handelte. Er
hatte die Tat gegenüber den Ermittlungsbehörden geschildert. Zum Tathergang und zum Motiv wollte sich der
zuständige Staatsanwalt Markus Oertle
aus ermittlungstaktischen Gründen
nicht äussern. Der Staatsanwalt bezeichnete das Verhältnis zwischen Vater
und Sohn aber als gespannt.
Neuö Zürcör Zäitung
NZZ vom 4.4.2015,
Seite 31.pdf
Samstag, 4. April 2015 V Nr. 78
ROHWAREN 31
Die nicht so heile Welt des «fairen Handels»
Ein Zwitter zwischen einem Sicherheitsnetz für arme Kleinbauern und einer Beruhigungspille für das Gewissen westlicher Konsumenten
Organisationen werden teilweise wenig
effiziente Kleinteiligkeit und Produktionsmethoden wie der Bio-Anbau gefördert. Ausserdem müssen die Kleinbauern-Kooperativen die Kosten der
Zertifizierung tragen. Fair Trade verweist darauf, dass die Produzenten 2013
3,5 Mio. € dafür bezahlt haben, die Prämie in diesem Jahr habe aber insgesamt
mehr als 86 Mio. € betragen. Manche
Kooperativen sind jedoch Mitglied
mehrerer Label-Organisationen.
Die Idee des «fairen Handels»
ist, dass arme Kleinbauern
höhere Preise für ihre Produkte
erhalten sollen. Der Mechanismus wirkt nur bedingt.
Gerald Hosp, London
Was ist ein untrügliches Zeichen dafür,
dass sich Ostern nähert? Hilfswerke
verschicken gehäuft Mitteilungen, in
denen es um Schoggi geht. Die österliche Zeit, in der viele zartschmelzende
Hasen und Nougateier verschlungen
werden, ist besonders dazu geeignet, um
auf die Konsequenzen des Konsumverhaltens hinzuweisen – und um die Spendentätigkeit anzuregen. Dabei ist laut
der Max-Havelaar-Stiftung die Schweiz
mit einem Pro-Kopf-Konsum im Gegenwert von 53 Fr. jährlich bereits FairTrade-Weltmeister. Am Schweizer
Markt sind mehr als 2100 Produkte mit
dem internationalen Fair-Trade-Gütesiegel von Max-Havelaar verfügbar. Daneben gibt es noch weitere Nachhaltigkeits-Zertifikate anderer Anbieter.
Nord-Süd-Abhängigkeiten
Geringe Produktivität mit einer nur
kleinen Preisprämie kann Kleinbauern
in einer Armutsfalle halten. Auch innerhalb der Fair-Trade-Gemeinschaft gibt
es eine Diskussion darüber, wer unterstützt werden soll. So verliess Fair Trade
USA die Dachorganisation Fair Trade
International und beschränkt sich beim
Kaffeeanbau nicht mehr nur auf Kleinbauernorganisationen – mit dem Hinweis, dass auch Wanderarbeiter, die auf
Plantagen arbeiten, bessergestellt werden sollen.
Dieser Schritt rührt am Prinzipiellen: Mithilfe der freiwilligen Standards
sollen die Ärmsten der Armen Zugang
zu den Weltmärkten erhalten. Wenn
ein Überangebot herrscht, haben aber
die Produzenten die Nase vorn, die das
Gut Nachhaltigkeit am günstigsten herstellen können – und dies sind meist
die schon relativ bessergestellten Kaffeebauern. Aus dieser Sicht können
Standards eine zusätzliche Hürde für
den Markteintritt der ärmsten Produzenten sein.
Zudem wird kritisiert, dass ein grosser Teil der Wertschöpfung im Norden,
in den Konsumländern, und nicht im
Süden, in den Produzentenländern, anfällt. Eine Studie der Ökonomen Valkila, Haaparanta und Niemi zeigt, dass
trotz Prämie bei «fairem» Kaffee ein
grösserer Anteil des Verkaufspreises im
Konsumland bleibt als bei «konventionellem» Kaffee. Nachhaltigkeits-Zertifikate können die Nord-Süd-Abhängigkeiten zementieren.
Die Bereitschaft der Konsumenten,
höhere Preise für ein «faires» Produkt
zu zahlen, zeigt aber die Nachfrage nach
glaubwürdigen Labels auf. Die Frage ist,
ob direkte Transfers an die Produzenten
nicht effizienter wären als der Umweg
über die Produktmärkte. In Fortführung der Idee der Sozialprämie ist Bauern vor allem dann geholfen, wenn sie
Managementfähigkeiten erlernen und
Zugang zu Krediten erhalten. Der Abbau von Handelsbarrieren im Norden
wäre ein weiterer Schritt, um die Wertschöpfung im Süden zu vergrössern.
Uneinheitliches Gesamtbild
Die Grundidee des fairen Handels ist,
dass Kleinbauern und Plantagenarbeiter in Entwicklungs- und Schwellenländern ihre Situation aus eigener Kraft
verbessern sollen. Dadurch sollen Armut und Hunger bekämpft werden.
Weitere Ziele sind der umweltschonende Anbau und verbesserte Arbeitsbedingungen. Über die NachhaltigkeitsLabels erhalten vor allem Kleinbauern
einen direkteren Zugang zu den Märkten in den Industrieländern. Zwischenhändler, die auch «Coyotes» genannt
werden, werden ausgeschaltet. Utz Certified, Rainforest Alliance und Fair
Trade sind die drei grossen Gesellschaften, die dafür Standards setzen – mit
unterschiedlichen Ansätzen.
Die Fair-Trade-Organisation geht dabei am weitesten: Im Gegensatz zu den
anderen Standards sieht Fair Trade
einen Mindestpreis für die Produzenten
vor, um sie vor den Preisschwankungen
am Weltmarkt zu schützen (vgl. Grafik).
Zudem wird eine Prämie für Entwicklungsprojekte sowie Investitionen in
Produktivität und Qualität ausbezahlt.
Für den Bio-Anbau gibt es zusätzliche
Zahlungen.
Wenn etwas gut klingt, muss es jedoch nicht bedeuten, dass es auch funktioniert. Der britische Entwicklungsökonom Paul Collier kritisierte in seinem Buch «Die unterste Milliarde» das
Prinzip: «Sie (die Produzenten) bekom-
Nicht immer sind die Vereinbarungen mit einer Fair-Trade-Organisation für die Kleinbauern nur von Vorteil.
men Wohlfahrt, solange sie das anbauen, was sie in der Armut festhält.»
Neben den Wirkungsstudien der Gütesiegel-Organisationen ist in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an ökonomischen Untersuchungen erschienen. Ein Übersichtsartikel im Fachmagazin «Journal of Economic Perspectives» kam jüngst zu einem vorsichtig
positiven, aber sehr uneinheitlichen Gesamtbild. Dabei wird vor allem der Kaf-
feemarkt beleuchtet. Auch die grössten
Kritiker würden dem Fair-Trade-Modell
zugestehen, dass in der Regel die Produzenten einen – wenn auch wenig – höheren Preis bekommen. Zudem erhalten
die Kleinbauern einen besseren Zugang
zu Finanzierungsmöglichkeiten. Mit der
Sozialprämie konnten Investitionen in
die Ausbildung und in die Produktion
getätigt werden. Wenn Kleinbauern zertifiziert werden, heisst dies aber noch
nicht, dass sie ihre ganze Ernte zu einem
höheren Preis verkaufen können. Sie
müssen auch Abnehmer finden, die bereit sind, einen solchen zu zahlen.
Seit je übersteigt das Angebot von
Kaffee nach Regeln des «fairen Handels» die Nachfrage. Die zertifizierten
Bauern produzieren dann aber relativ
teuer, wenn sie nur für einen Teil der
Ernte höhere Preise bekommen. Aufgrund von Vorgaben der Gütesiegel-
Angebot sucht Nachfrage
Es wird fleissig produziert
Anteil an weltweiten Volumina 2012, in %
Schutz gegen einen Preiszerfall am Kaffeemarkt
US-Cents pro Pfund Kaffee
360
1989: Zusammen320
bruch des
280
internationalen
240
Kaffee-Abkommens
200
2011: 30-Jahre-Hoch
Kaffee
Kakao
Palmöl
Tee
Baumwolle
Bananen
Zucker
<1
Soja
160
120
80
40
0
5 10 15
zertifizierte Produktion
2001: 30-Jahre-Tief
0
1990
95
Fairtrade-Preis (Mindestpreis plus Prämie)
2000
05
Marktpreis (New York)
10
5500
270
14
4500
schlechter
A S O N D
J
F M
2500
J A S O N D J
+30
TR/J CRB Commodity TR Index
LMEX Index
+10
Kaffee (+73,00% seit 4 Wochen)
Benzin
+20
3000
250
2800
J
A
S
O
N
D
J
F
M
Der ThomsonReuters Jefferies CRB Index (CRB) setzt sich
aus 19 Rohwaren-Futures zusammen. Energie- und Agrargüter sind mit rund 40% gleich stark vertreten. Rohöl ist
der Einzelwert mit der grössten Gewichtung. Der Vorläufer
CRB war erstmals 1957 berechnet worden.
2600
A M J
J A S O N D J
F M
besser
3200
schlechter als der Gesamtindex
3400
In den vergangenen 4 Monaten (%)
Gasoil
300
Gewinner
in 4 Wochen
in 4 Monaten
aufholende Werte
in 4 Wochen
in 4 Monaten
Bloomberg Commodity TR Index (–1,97% seit 4 Wochen, –2,16% seit 4 Monaten)
F M
Der Standard & Poor's Goldman Sachs Commodity
Index (S&P GS CI) umfasst derzeit 24 Rohwaren-Futures, die nach der Grösse der durchschnittlichen Produktionsmenge der vergangenen fünf Jahre ausgesucht
werden. Der Index ist energielastig.
350
zurückfallende Werte
in 4 Wochen
in 4 Monaten
Index
Verlierer
in 4 Wochen
in 4 Monaten
besser als der Gesamtindex
+40
A M J
Der Bloomberg Commodity TR Index (früher DJ UBS CI)
bildet sich aus 20 verschiedenen Rohwaren-Futures.
Der Anteil eines Rohstoffsektors (Energie, Agrargüter,
Industriemetalle, Edelmetalle, Lebendvieh) darf die
Grenze von 33% nicht übersteigen.
J
40
In den vergangenen 4 Wochen (%)
3500
210
M
35
NZZ-INFOGRAFIK / efl.
240
200
30
Das Vier-Felder-Diagramm illustriert die Performance ausgewählter Rohstoffe und Rohwaren in zwei verschiedenen Zeiträumen im Vergleich zum Rohstoffindex Bloomberg Commodity TR Index. Die vertikale Achse
zeigt die Veränderung in den vergangenen 4 Monaten, die horizontale Achse die Veränderung des vergangenen Monats. Die Rohstoffe und Rohwaren mit der relativ gesehen besten Performance befinden sich in
dem Quadranten rechts oben, diejenigen mit der relativ gesehen schlechtesten Performance links unten. Die
Grösse der Kreise, mit denen die Rohstoffe und Rohwaren dargestellt sind, richtet sich nach der Volatilität
der letzten 30 Tage.
S&P GSCI TR Index
300
J
25
zertifizierte Verkäufe
Relative Gewinner und Verlierer bei Rohstoffen und Rohwaren
Bloomberg Commodity Index TR
A M J
20
In die Kategorie zertifizierte Produktion fallen auch die Labels von
Lebensmittelkonzernen und nicht nur die Labels von Organisationen wie
Fairtrade, UTZ oder Rainforest Alliance.
QUELLEN: JOURNAL OF ECONOMIC PERSPECTIVES, INTERNATIONAL INSTITUTE FOR SUSTAINABLE DEVELOPMENT
Rohstoffindizes
180
CHRIS RATCLIFFE / BLOOMBERG
0
Aluminium
Erdöl
Kupfer
Silber
Heizöl
Zucker
Gold
Palladium
Nickel
–10
Zinn
Kakao
–20
Reis
Mais
Sojaöl
Platin
Orangensaft
Sojabohnen
Zink
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Der London Metal Exchange Index (LMEX) basiert auf den
Preisentwicklungen der sechs Nicht-Edelmetalle Aluminium, Kupfer, Blei, Nickel, Zinn und Zink an der London
Metal Exchange. Die Auswahl berücksichtigt das Produktions- und Handelsvolumen.
Baumwolle
Weizen
Erdgas
–30
–12
Volatilität 30 Tage
–10
–8
–6
–4
–2
0
+2
+4
+6
+8
+10
QUELLE: VWD/CME GROUP/ICE/LME
Schweiz
NZZ am Sonntag 5. April 2015
NZZ vom 5.4.2015, Seite 15.pdf
Ins Zentrum statt zum Pfarrer
Pan
Nac
des
Zürcher Protestanten wollen kirchliche Dienstleistungen zentralisieren
Verkehrsgünstige Seelsorge: Kapelle im Flughafen Zürich. (18. Februar 2013)
Rita Famos
Wer heute einen Seelsorger suche, der gehe nicht in die Kirche,
sondern google im Internet,
sagt die Zürcher Pfarrerin.
sorgezentren verspricht sich Famos auch mehr Fachkompetenz.
Dass Freiwillige die Hausbesuche
übernehmen, bedeutet für die
Pfarrerin keinen Nachteil. «Das ist
heute schon gängige Praxis»,
meint sie. Wichtig sei aber, dass
die Freiwilligen geschult sind und
ihre Kompetenzen kennen. Wenn
SP startet neuen Versuch für
die 35-Stunden-Woche
Die SP nimmt einen neuen Anlauf
für die 35-Stunden-Woche. An
der kommenden Delegiertenversammlung vom 25. April debattieren die Genossen die kürzeren
Arbeitszeiten im Rahmen eines
Schwerpunkts zur Lohngleichheit. Die 35-Stunden-Woche sei
eine Massnahme, um Familie und
Beruf besser zu vereinen. Männer
könnten so mehr Zeit zu Hause
verbringen, Frauen vermehrt arbeiten. Zudem brächten kürzere
Arbeitszeiten einen besseren Ausgleich von bezahlter und unbezahlter Arbeit, schreibt die Geschäftsleitung in der Einladung
zur DV. Dies trage zur Lohngleichheit bei. Freilich ist die Forderung
nach kürzeren Arbeitszeiten nicht
neu. 2002 lehnte das Volk eine
entsprechende Initiative ab. (ald.)
Wortkontrolle
jemand einen Besuch vom Pfarrer
wünsche, dann komme dieser
nach wie vor zu Hause vorbei.
Überzeugt von der Idee der
Seelsorgezentren ist auch Roman
Angst, Pfarrer an der Bahnhofkirche im Zürcher Hauptbahnhof.
«Die Pfarrer haben für vieles Zeit,
nur nicht für Seelsorge», stellt er
fest. Dabei gehöre die Seelsorge
mit der Verkündigung zu den
wichtigsten Angeboten der Kirche. Angst macht die Erfahrung,
dass Ratsuchende lieber an einen
anonymen Ort kommen, als dass
sie zum Ortspfarrer gehen. Auch
die Konfession spiele keine Rolle.
«Die Seelsorgezentren müssen
darum unbedingt ökumenisch
geführt sein», meint er.
Kritisch bis ablehnend werden
die Seelsorgezentren jedoch von
einigen Pfarrkapiteln beurteilt.
Dazu gehört auch der Bezirk Pfäffikon mit Dekan Konrad Müller,
der Pfarrer in Illnau-Effretikon
ist. «Bei Leuten, die mit der Kirchgemeinde verbunden sind, ist der
Ortspfarrer die Bezugsperson»,
ist er überzeugt. Aber auch über
die Kirchgänger hinaus seien
selbst in Agglomerationsgemeinden die Pfarrer mit vielen Personen in Kontakt. Abgesehen davon, dass der seelsorgerliche
Bezug am Wohnort verloren
gehe, würde den Gemeindepfarrern mit den Präsenzdiensten in
den Seelsorgezentren noch mehr
Arbeit aufgebürdet. «Es kann
nicht sein, dass weitere Ressourcen von den Gemeinden abgezogen werden», sagt Müller. Das
Pfarrkapitel Pfäffikon habe sich
daher «mit grosser Mehrheit»
skeptisch zu den Seelsorgezen-
tren geäussert. In städtischen Bezirken stösst die Idee dagegen auf
Zustimmung. Dennoch gibt es
auch dort offene Fragen: «Wir bezweifeln, dass die Zentralisierung
der Seelsorge kostenneutral ist,
wenn nicht in den Gemeinden
Kapazitäten abgebaut werden»,
sagt der Stadtzürcher Dekan Theo
Haupt. Doch dagegen wehren
sich auch die Stadtgemeinden.
In jedem Fall betritt die Zürcher Landeskirche mit den Seelsorgezentren Neuland. Beim
Schweizerischen Evangelischen
Kirchenbund heisst es, eine solche Bündelung der Seelsorge sei
in keiner anderen Landeskirche
geplant. Wie sich der Zürcher Kirchenrat zu den Zentren stellt,
wird im Sommer bekannt, nachdem er die Vernehmlassung ausgewertet hat.
Kampagne unterbrochen
Mit Plakaten hat ein Komitee
von Muslimen im März in
Zürich für den Propheten
Mohammed geworben. Jetzt
fehlt der Gruppe das Geld.
Andreas Schmid
An 30 zentralen Standorten in der
Stadt Zürich haben Passanten bis
Anfang letzte Woche Grossplakate mit Versen des Propheten
Mohammed angetroffen. Etwa im
Hauptbahnhof, am Bellevue oder
am Bahnhof Stadelhofen waren
die Texte zu lesen. Mit der Informationsoffensive will ein «Komitee Muhammad-Kampagne» die
Wahrnehmung des Islams in der
Nachtsch
Osterfeie
gebracht
Zürcher
auf seine
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Der Fina
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letzten
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Bund
für K
PASCAL MORA
Wer Rat sucht, klingelt heute
nicht mehr an der Pfarrhaustür,
und auch die Pfarrer gehen immer weniger auf Hausbesuch. Die
traditionellen Seelsorgeangebote
der Kirche sind immer weniger
gefragt. Dennoch sind es häufig
Krisensituationen, in denen Menschen nach einem religiös-spirituellen Gesprächspartner suchen.
Dies zeigen die Erfahrungen mit
der Zürcher Bahnhofkirche, wo
jährlich über 1500 Menschen ein
Seelsorgegespräch wünschen.
Eine Pfarrkonferenz der reformierten Kirche des Kantons Zürich schlägt nun vor, die Seelsorge
künftig auf Seelsorgezentren zu
konzentrieren. In den Regionen
sollen niederschwellige Kompetenzzentren errichtet werden, die
für Pendler gut erreichbar sind.
Ratsuchende sollen dort nicht
nur einen Pfarrer für ein Gespräch
finden. Vielmehr sollen die Seelsorgezentren eine breite Palette
von spiritueller über soziale bis
hin zu juristischer Beratung
anbieten und mit medizinischtherapeutischen Fachpersonen
zusammenarbeiten. Schliesslich
soll ein Pikettdienst dafür sorgen,
dass rund um die Uhr ein Seelsorger erreicht werden kann. Pfarrer
in der Region sollen diese Pikettdienste wahrnehmen. Die traditionellen Hausbesuche hingegen
sollen vor allem von Freiwilligen
und nicht wie bisher von Pfarrern
übernommen werden.
Pfarrerin Rita Famos, Leiterin
der Abteilung Spezialseelsorge
der Zürcher Landeskirche, begrüsst den Vorschlag: «Wenn heute jemand einen Seelsorger sucht,
dann googelt er und geht nicht ins
Pfarrhaus.» Dazu komme, dass im
Rahmen der geplanten Zusammenlegung von Kirchgemeinden
künftig nicht mehr an jedem Ort
ein Pfarrer wohnt. Von den Seel-
GAËTAN BALLY / KEYSTONE
Seelsorgezentren an leicht
erreichbarer Lage sollen
einen Teil der kirchlichen
Dienste von den Pfarreien
übernehmen. Landpfarrer
warnen vor einer zunehmend
anonymen Kirche.
Matthias Herren
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Mohammed-Plakat am Zürcher Bahnhof Stadelhofen. (31. März 2015)
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Einer
n anzuuder,
ufkorrekt,
u
einten
s.)
NZZ vom 5.4.2015, Seite 19.pdf
Der externe Standpunkt
Auferstehung? Das glaubt natürlich
kein vernünftiger Mensch!
Die Überwindung des Todes durch den Sohn Gottes ist das wichtigste
christliche Fest. Und es ist eine Zumutung für eine rationale und
zunehmend säkulare Gesellschaft, schreibt Christina Aus der Au
D
ie Frauen wieder einmal. Warum
konnten sie auch dieses Grab nicht
in Ruhe lassen? Der war doch tot,
mausetot. Endlich zum Schweigen
gebracht, der Umstürzler. Der die kleinen
Leute zum Aufstehen anstiftete, diejenigen
ohne Stimmrecht dazu ermunterte, das Wort
zu ergreifen und diejenigen ohne Einfluss
dazu, die Welt zu verändern. Endlich Schluss
mit den suggestiven Geschichten, die uns
dazu bringen sollten, die Verhältnisse anders
zu sehen, auf den Kopf zu stellen, neu zu
denken. Nach der turbulenten Zeit, nach den
Unruhen und den umstürzlerischen Aktivitäten lag der Anstifter endlich und endgültig
hinter Stein und Fels. Ein dicke Tür davor,
und dann hätte wieder Frieden sein sollen.
Frieden – wieder so, wie es immer war. Der
Realität ins Auge zu blicken, ist anstrengend
genug. Alles andere ist Schwärmerei und hat
unabsehbare Konsequenzen. Dann könnte es
schlimmer sein als zuvor. Und zwar für alle
schlimmer, auch und gerade für diejenigen
am unteren Ende der Leiter. Deswegen ist es
auch in ihrem Interesse, dass wir nun wieder
zum Status quo zurückkehren. Kapitel abgeschlossen.
Aber diese Frauen! Können sich nicht
damit abfinden, dass die Revolution jetzt zu
Ende ist. Tot und begraben. Müssen da unbedingt nochmals hingehen, am Sonntagmorgen. Was wollen sie denn dort noch herumheulen? Irgendwann ist auch Schluss. Es war
schön, solange es gedauert hat. Aber dann
muss man das Vergangene auch loslassen
können. Träume platzen, so ist das nun mal.
Wir sind doch erwachsene Menschen und
können damit umgehen.
Jetzt also zurück zum Alltag. Wo sind wir
stehengeblieben? Ach ja, bei den Weltproblemen. Krieg überall, Krisen, Machtkämpfe.
Ringen um Finanzen und Kontrolle, Streiten
um Einfluss und Unterstützung, um Hilfeleistungen und Hilfspakete, um CO2-Ausstoss und Rohstoffe. Wir erleben internationale und persönliche Katastrophen. Da
haben wir doch genug zu tun. Ich weiss gar
nicht, wo anfangen. Manchmal, abends vor
dem Einschlafen, erdrückt es mich fast. So
viele Probleme. Und es wird nicht besser –
ganz im Gegenteil! Manchmal scheint es richtig aussichtslos. Da kommen wir millimeterweise voran, und dann passiert etwas, das
uns wieder drei Meter zurückwirft. Es ist
zum Verrücktwerden.
Was hat dieser Umstürzler noch gesagt?
Dass mit ihm das Reich Gottes angebrochen
sei? Da zeigt sich ja wirklich, wie abgedreht
der war! Das Reich Gottes, ausgerechnet! Wo
denn? Etwa in Jemen oder in Syrien? Oder in
der Ukraine? Im Sudan? Oder etwa in Nigeria
oder in Kenya? Ein komischer Gott das, wenn
sein Reich so aussehen soll. Er hat es ja auch
nicht geschafft, sondern wurde aufgehängt,
am Kreuz. Eine ziemlich fiese Todesart. Aber
jetzt ist es auch wirklich vorbei mit ihm.
Ganz sicher, der ist tot.
Auch wenn diese Frauen jetzt Stress
machen. Die waren wohl heute morgen noch
einmal dort. Beim Grab, das sie extra noch
Christina Aus der Au
Christina Aus der Au, 49, hat über Neuro­
wissenschaften und Theologie habilitiert
und arbeitet seit 2010 als theologische
Geschäftsführerin am Zentrum für Kirchen­
entwicklung der Universität Zürich. Sie ist
im Vorstand des Deutschen Evangelischen
Kirchentags und Präsidentin des Kirchen­
tags 2017 in Berlin/Wittenberg.
hatten bewachen lassen. Die Oberen haben
sich schon gedacht, dass seine Anhänger sich
nicht damit abfinden würden. Dabei war es
doch wirklich fertig mit ihm. Toter kann man
gar nicht sein. Und mit ihm begraben wurden
auch seine grossen Reden und Geschichten.
Es ist halt nicht so in dieser Welt, dass die
Friedlichen belohnt werden und die Bescheidenen gewinnen. Wer etwas erreichen will,
muss sich durchsetzen. Muss Macht haben,
stark sein. Alles andere geht unter. Von
wegen andere Wange hinhalten! So machen
die andern mit einem doch, was sie wollen.
Da kannst du gleich auf Verlierer machen.
Wie die Geschichte auch diesmal gezeigt hat.
Tot und begraben und fertig.
Wenn nur diese Frauen nicht wären.
Kamen soeben daher und erzählten irgendetwas Unzusammenhängendes von einer
offenen Türe, einem weggerollten Stein und
einem leeren Grab. Und von einem Gärtner,
der dann gar kein Gärtner gewesen sein soll.
Sondern eben Er. Wieder lebendig.
Das glaubt natürlich kein Mensch – jedenfalls kein vernünftiger Mensch. Tote werden
nicht wieder lebendig. Da muss irgendetwas
anderes passiert sein. Vielleicht sollte ich
doch mal vorbeigehen und nach dem Rechten sehen. Wer weiss, was da noch daraus
werden kann, wenn die das noch weiter
herumerzählen. Und wenn es einige dann
auch noch glauben!
Ich dachte, wir hätten jetzt Ruhe. Wo
kämen wir denn hin, wenn man nicht mehr
darauf vertrauen könnte, dass etwas mit
dem Tod erledigt ist. Dass die Toten tot
bleiben. Und dass die Realität so ist, wie sie
ist, und alles bleibt, wie es war. Tot ist tot,
oben ist oben, und unten ist unten. Es gibt
doch einfach Grenzen! Wenn da die Dinge
erst mal in Bewegung kommen – wer weiss,
wo das noch hinführt. Aber zum Glück
kommen die Dinge nicht von selber in
Bewegung. Dafür brauchte es Menschen,
die das wirklich glaubten, dass da einer von
den Toten wieder auferstanden sei. Aber das
glaubt den Frauen ja sowieso keiner.
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
22
Z
eremonienmeister! Daniel Stri­
cker mag den Ausdruck über­
haupt nicht. Obwohl er selber ei­
ner ist. «Ich nenne mich Zere­
monienleiter oder Zeremoniar.»
Denn das Wort Meister, die Vor­
stellung, von oben herab eine
Zeremonie zu zelebrieren, behagen ihm nicht.
Das klingt zu sehr nach Kirche und Kanzel und
Predigt. Er aber will nur begleiten, nicht im
Zentrum stehen, dorthin gehört das Brautpaar
oder derjenige, der nicht mehr ist, der begra­
ben oder beigesetzt wird.
Daniel Stricker hält Traureden an Hochzei­
ten und Trauerreden an Gräbern. Aber ein
Pfarrer ist er nicht. Mit Gott hat er es nicht so.
Mit Ritualen lange Zeit auch nicht. «Ich habe
Zeremonien gehasst», sagt Stricker. Und zwar
von jenem Augenblick an, als sein bester
Freund beerdigt wurde, vor über 20 Jahren.
Als der Pfarrer erklärte, er würde gerne etwas
über das Leben des Verstorbenen erzählen –
nur gebe es nichts zu sagen, weil der so jung
gestorben sei. Dabei hätte e s jede Menge zu
sagen gegeben, fand Stricker.
Mit 18 trat er aus der Kirche aus und ver­
mied es, wenn möglich, an kirchlichen Zere­
monien teilzunehmen. Er liess sich bei der
Swissair als Luftverkehrsleiter ausbilden, lei­
tete den Kundendienst von Sony, dann betrieb
er eigene Videotheken mit Pizzakurierdienst.
Er hatte gerade seine drei Läden verkauft und
dachte darüber nach, was er sonst noch so ma­
chen könnte im Leben – da wurde e r von ei­
nem Kollegen gefragt, ob er jemanden kenne,
der ausserkirchliche Trauungen durchführe.
Er hat es dann gleich selbst gemacht. Das war
vor fünf Jahren. Heute verdient Daniel Stri­
cker sein Geld, eben, als Zeremonienmeister.
Er ist nicht der Einzige. Überall dort, wo die
Kirche früher omnipräsent war und heute
nicht mehr sehr gefragt ist, hat sich für diese
spezielle Berufsgattung ein neues Feld eröff­
net: wenn Menschen zur Welt kommen, hei­
raten, sterben, wenn sie an Lebenswende­
punkten stehen, die traditionsgemäss nach ei­
nem Ritual verlangen. Vor 20 Jahren liessen
sich in der Schweiz rund 60 Prozent der Braut­
paare in der Kirche trauen. Heute sind es ge­
rade noch 20 Prozent. 55 Prozent der neuge­
borenen Kinder werden nicht mehr kirchlich
getauft. An Abdankungen haben die Pfarrer
zwar immer noch oft das Sagen – 78 Prozent
der Verstorbenen werden in der Schweiz
kirchlich bestattet –, doch auch hier ist die
Tendenz sinkend. So wurden beispielsweise
in der Stadt Zürich vor zehn Jahren knapp 10
Prozent der Verstorbenen ohne Pfarrer beige­
setzt – 2014 waren es 13 Prozent. Bei der
nächsten Generation wird der Anteil wohl
weiter steigen; schon jetzt sind mehr als jeder
Fünfte in der Schweiz konfessionslos.
Ex-Pfarrer, Esoteriker, Schamanen
Das Bedürfnis nach Ritualen ist mit der Ent­
fremdung von der Kirche nicht verschwunden
(siehe Interview). Viele verzichten auf die
Hochzeit in der Kirche, wünschen sich aber
mehr als das formelle Ja auf dem Zivilstands­
amt. Und wenn jemand stirbt, ist ein ritueller
Abschied für die Angehörigen ein wichtiger
Schritt im Trauerprozess. Auch dann, wenn
man nicht oder nicht mehr an einen Gott
glaubt – oder sich nicht länger mit der Institu­
tion Kirche identifizieren kann. Entsprechend
wächst die Nachfrage nach Zeremonienmeis­
tern, nach Personen, die weltliche Rituale
durchführen. Mit der Nachfrage vergrössert
sich auch das Angebot: Mit ein paar Klicks im
Internet findet man mehr oder weniger seriö­
se Ausbildungslehrgänge und eine ganze Pa­
lette von Ritualbegleitern. Da ist vom ehema­
ligen Pfarrer über die Sozialtherapeutin bis
zum Esoteriker und der Schamanin alles zu
buchen; jeder nach seinem Gusto, lautet die
Devise. Und trotzdem: Obwohl alles Denkbare
möglich wäre, finden viele der ausserkirchli­
chen Rituale in ähnlichem Rahmen statt, wie
NZZ vom
5.4.2015, Seite 22.pdf
Hintergrund
Gesellschaft
sie seit Generationen abgehalten werden:
zwar ohne Gott, ohne Kirche, ohne Pfarrer –
aber mit einem Ring, der getauscht wird, mit
dem Vater, der die Braut zum Bräutigam führt,
und mit einem blütenweissen Brautkleid.
Daniel Stricker fährt mit seinem schwarzen
Sportwagen vor. Er besucht ein Brautpaar für
das Vorbereitungsgespräch, Andy und Pas­
cale, beide sind über 40, beide haben schon
Kinder. Und ja, beide haben auch schon eine
kirchliche Heirat hinter sich; sie kannten sich
damals bereits und sind sich sogar gegenseitig
Spalier gestanden. Sie wissen also, wie es geht
– und eben auch, was diesmal anders sein soll.
Andy ist aus der Kirche ausgetreten. Pascale
ist katholisch und dürfte als Geschiedene gar
nicht mehr in der Kirche heiraten. Und der
Gang zum Zivilstandsamt allein hätte beiden
nicht genügt für den für sie grossen Moment.
Darum haben sie Daniel Stricker engagiert.
«Ich möchte einfach eine schöne Trauung
haben, es soll eine Mischung sein aus stilvol­
ler Feier und fröhlichem Fest», sagt Pascale,
die Braut. Sie wird von ihrem Vater zum Altar
geführt werden. Es wird Musik gespielt wer­
den. Es werden Ringe getauscht werden. Alles
fast so wie beim ersten Mal, ausser dass die
Religion keine Rolle spielt. Das Eheverspre­
chen wird das Paar nicht vor Gott ablegen,
sondern sich im Stillen zuflüstern. Worte, die
beide selber auswählen. «Wir halten jedoch an
einem klassischen Ablauf fest, weil wir mit
dieser Tradition aufgewachsen sind», sagt
Andy. «Wenn man alles auf den Kopf stellt,
können die Leute gar nicht mehr folgen.» Pas­
cale fände es respektlos, die Rituale beliebig
abzuändern.
bote, die es heute gibt. «Wir sind einfach da,
um mit unseren Gedanken und Worten einen
besinnlichen Moment zu schaffen, wenn ein
Mensch eine Weichenstellung im Leben zele­
briert.» Personen, die sich an die atheistische
Freidenker­Vereinigung wenden, haben sich
von der Kirche distanziert. «Oft merken sie
beim Todesfall eines Elternteils, dass es für sie
nicht stimmt, jetzt plötzlich die Kirche anzu­
rufen, die in ihrem Leben keine Rolle mehr
spielt», sagt Reta Caspar. Nicht nur die Tradi­
tion, auch die Wahrhaftigkeit sei wichtig.
Zwischen den Generationen besteht laut
Geschäftsführerin Caspar ein markanter Un­
terschied. Die 80­jährigen Mitglieder der Frei­
denker wünschten sich Beisetzungen im engs­
ten Familienkreis, im Gemeinschaftsgrab,
eine stattliche Anzahl gebe den Körper gar für
die Forschung frei, ohne dass eine Zeremonie
stattfinde. «In dieser Generation gibt es Men­
schen, die mit Ritualen gar nichts zu tun
haben wollen», sagt Caspar. «Unter jüngeren
Leuten hingegen gewinnen Rituale wieder an
Bedeutung.» So habe ihr Sohn sie damit über­
rascht, dass er sich verlobt habe – während
NZZ am Sonntag 5. April 2015
seine Eltern gar nie geheiratet hätten. Es
scheint ein Trend zu sein, dass man sich selber
feiern will, man heiratet in Weiss, weil das die
schönsten Bilder gibt, man will sich darstellen
und zelebrieren vor einem grossen Publikum,
als Teil einer Gruppe. «In der allgemeinen Ver­
unsicherung durch den rasanten Wandel, der
in der Welt und der Gesellschaft stattfindet,
macht man sich gewisse Versatzstücke von Ri­
tualen wieder zu eigen und will sich mit einer
Tradition verbunden fühlen», sagt Caspar.
Die Kirchen können von diesem Revival
nicht profitieren. Sie laufen Gefahr, sich ins
Abseits zu manövrieren. Und ihnen erwächst
in ihrem einstigen Monopolgebiet starke Kon­
Ohne Gott, ohne Kirche,
ohne Pfarrer – aber mit
einem Ring, mit einem
blütenweissen Kleid, mit
dem Vater, der die Braut
zum Bräutigam führt.
25 Stunden Aufwand für eine Heirat
«Wie war das, als ihr euch verliebt habt?»,
fragt Daniel Stricker. «Erinnert ihr euch an den
Moment? Und warum habt ihr euch ineinan­
der verliebt? Was liebt ihr am anderen beson­
ders?» Er will alles wissen über ihre Geschich­
te. Pascale und Andy müssen sich zuweilen
vorkommen wie bei einer Einvernahme. «Es
ist persönlicher als dazumal beim Pfarrer»,
sagt Pascale, und das findet sie gut so. Aus
dem, was er zu hören bekommt, wird Stricker
seine Rede stricken. «Anekdoten sind wich­
tig», sagt er. «Damit hast du die Aufmerksam­
keit des Publikums sofort.» Glaubwürdig soll
die Trauung sein, aus dem Leben gegriffen,
auch Schwieriges soll nicht verschwiegen
werden. «Und ich versuche stets, einen feinen
Humor in meine Reden einzustreuen.»
20 bis 25 Stunden Aufwand rechnet Daniel
Stricker für eine Trauung; für das Erst­ und
das Vorbereitungsgespräch, das Schreiben
und schliesslich das Halten der zirka 40 Minu­
ten langen Rede. Insgesamt 50 bis 60 Zeremo­
nien für 1600 bis 2000 Franken führt er pro
Jahr durch. Heute, sagt Stricker, wisse er, dass
eine Zeremonie ein Bedürfnis befriedige, dass
man mit den richtigen Worten einen Tag zum
schönsten Tag im Leben eines Menschen ma­
chen könne. «Ein guter Tag ist es für mich,
wenn die Menschen weinen und lachen und
glücklich sein können, alles in einem.»
Wer sich früher gegen die Kirche entschied,
hatte e s schwerer. Man wurde vor die Wahl ge­
stellt: eine kirchliche Feier oder gar keine Ze­
remonie. Die Ersten, die vor rund 50 Jahren
ausserkirchliche Beerdigungen anboten, wa­
ren freischaffende Theologen; sie führten re­
ligiöse Zeremonien durch, aber ohne offizielle
Kirche im Hintergrund. Sie galten als schwar­
ze Schafe. Auch die Freidenker­Vereinigung
der Schweiz bietet schon lange eine Alterna­
tive zur Kirche an: Ihre Mitglieder halten athe­
istische Rituale ab. Geschäftsführerin Reta
Caspar bildet Ritualbegleiter aus und führt
selber seit 15 Jahren Zeremonien durch: Hoch­
zeiten, Beerdigungen, aber auch Kinderbe­
grüssungs­Feiern oder gar Trennungsrituale,
wenn es eben nicht geklappt hat mit der Ehe.
«Wir bieten kein Spektakel an», sagt Caspar
mit Blick auf die zum Teil kunterbunten Ange­
«Ein guter Tag ist es
für mich, wenn die
Menschen weinen,
lachen und glücklich
sein können, alles in
einem»: Zeremoniar
Daniel Stricker, 44,
bei einer Trauung.
(Tobel TG, 1. 4. 2015)
Geheiratet wird ausserhalb der Kirche, und auch bei einem Todesfall wird nicht immer nach dem Pfarrer gerufen. Di
Ritualen bleibt. Davon profitieren Menschen wie Daniel Stricker, die sich mit Trau- und Trauerreden das Leben ver
DerZeremon
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
23
NZZ vom 5.4.2015, Seite 23.pdf
tuale durchgeführt. «Es ist extrem befreiend,
so zu arbeiten, wie ich heute arbeite – im Ver­
gleich zu meiner Zeit als stellvertretender
Pfarrer», sagt er. «Ich stehe nicht mehr im
Dienst der Kirche, sondern ausschliesslich im
Dienst der Angehörigen und kann etwas ma­
chen, das ihnen und dem Verstorbenen wirk­
lich entspricht.»
Grabrede für zwei Zuhörer
Die meisten Menschen, die Thomas Gröbly
begleitet, haben mit der Kirche als Institution
ein Problem. Manche sind zwar noch Mitglied
der Kirche, wollen aber auf eine Abdankung
durch einen Pfarrer verzichten. 30 bis 50 Pro­
zent wünschen sich auch ein Gebet, etwa 30
Prozent wollen eine rein atheistische Feier.
Für alle aber gelte: «Sie kommen immer wie­
der auf alte Muster zurück, sowohl bei den
Trauungen als auch bei den Beerdigungen.»
Beerdigungen gehen dem Zeremonienleiter
Daniel Stricker länger nach als Trauungen. Da
war zum Beispiel die Feier für einen promi­
nenten Lokalpolitiker, mit 350 Trauergästen.
«Fast alle haben geweint.» Und dann eine
ganz andere Beisetzung: Stricker stand mit
dem Friedhofgärtner und dem Testaments­
vollstrecker, der ihn gebucht hatte, allein an
einem Grab. Oder die Beerdigung eines 23­jäh­
rigen Mannes, gestorben an Krebs. Dessen
Mutter hatte ihren Job gekündigt, um ihn zu
pflegen. Daniel Stricker verzichtete auf das Sa­
lär, weil sie ihn nur in kleinen Raten hätte ab­
bezahlen können. «Im Moment, in dem ich
meine Arbeit mache, bin ich professionell und
lasse die Schicksale nicht zu nahe an mich
herankommen», erzählt er. «Aber langfristig
bleibt da immer etwas hängen, ich bekomme
die Menschen ja auch gern, mit denen ich zu
tun habe.» Manchmal erhalte er allerdings
Einblick in Familien, in denen es nicht nur
friedlich zu und her gehe. Man lerne in seinem
Beruf den Menschen sehr gut kennen. «Bei
den Hochzeiten habe ich interessante Kun­
den; sie beschäftigen sich eingehend damit,
wie sie ihre Heirat und ihr Leben gestalten
wollen», sagt Daniel Stricker. «Und bei den Be­
erdigungen habe ich oft das Gefühl, zu spät zu
kommen – ich hätte den Menschen gerne zu
Lebzeiten kennengelernt.»
GIAN MARCO CASTELBERG
kurrenz. «Plötzlich merkt man: Wenn man
sich die kirchlichen Dienste andernorts kau­
fen kann, dann braucht es die Kirche gar nicht
mehr», sagt Thomas Gröbly, freier Theologe
und Ethiker aus Baden. Auch er hat sich von
der Institution Kirche abgewendet, «weil ich
einfach kein kirchlicher Mensch bin». Auch er
ist heute Ritualbegleiter. Einer mit theologi­
schem Hintergrund, wie die meisten, die die­
se Dienstleistung anbieten: Auf der Liste von
Zeremonienleiter.ch, auf der sich Ritualbe­
gleiter eintragen können, sind Theologen und
ehemalige Pfarrer klar in der Überzahl. Gröbly
führt Beisetzungen und Trauungen durch, re­
ligiöse und weltliche und atheistische. «Ich
bin offen für alles – ausser für Trauungen im
freien Fall und unter Wasser.» Er lacht.
Interessanter und bewegender als Trauun­
gen findet Thomas Gröbly aber Trauerfeiern;
die Gespräche mit den Hinterbliebenen, für
die er sich viel Zeit nimmt, bevor er seine Rede
schreibt. «Man begleitet Menschen in einer
schwierigen Situation – und es stellen sich für
einen selbst existenzielle Fragen.» Einst hat
Gröbly als stellvertretender Pfarrer solche Ri­
Leben ohne Religion
Mit der Kirche werde es rasant bachab gehen, glaubt Autor Naef.
«Rituale können
uns retten»
NZZ am Sonntag: Die Kirche
scheint für Hochzeiten und Beerdigungen weniger gefragt zu sein.
Trotzdem halten viele an den
Ritualen fest. Warum wird nicht
ganz darauf verzichtet?
Adrian Naef: Der rituelle
Übergang in eine neue Lebens­
phase ist ein Urbedürfnis von
uns Menschen. Wir wollen
wissen, wer wir sind und wie wir
heissen. Eltern wollen, dass die
Gemeinschaft anerkennt: Das
hier ist unser Kind. Werden wir
erwachsen, wollen wir zeigen:
Wir haben eine neue Stellung
in der Gemeinschaft. Bei der
Trauung machen zwei Personen
deutlich: Wir gehören jetzt
zusammen. Und letztlich wollen
wir auch nicht einfach begraben
werden wie ein toter Hund. An
diesen Wendepunkten im Leben
sind Rituale für uns wichtig. Es
geht dabei auch darum, von den
anderen wahr­ und ernst genom­
men zu werden.
Auffallend viele privat abgehaltene und unreligiöse Rituale sind
jenen der Kirche sehr ähnlich.
Für Rituale braucht es nicht
wilde, neue Ideen. Man will zwar
auf Gott und Glaube und Schuld
und Sünde verzichten – das
heisst aber nicht, dass man auch
die schönen Teile einer Zeremo­
nie weglassen muss. Jede Reli­
gion ist aus einem Patchwork
Schon die Kelten
trugen Ringe, die
Neandertaler
kannten Rituale
für Begräbnisse.
Die Religion verschwindet, doch das Bedürfnis nach
erdienen. Von Christine Brand
onienmeister
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
vorangegangener Vorstellungen
herausgewachsen. Wir sollten
uns nicht zurückhalten, aus
dem heute Vorhandenen jeweils
das zu übernehmen, was wir
für brauchbar und verständlich
halten.
Sind die neuen Rituale einfach
Ersatz für die kirchlichen Rituale,
die nicht mehr zeitgemäss sind?
Die Kirche ist tatsächlich «aus
der Zeit gefallen». Es ist unglaub­
lich, was in den letzten zwanzig
Jahren passiert ist. Und wir
stehen erst am Anfang einer
Entwicklung; es wird mit der
Kirche rasant bachab gehen. Die
allermeisten Menschen wollen
ihre Rituale nicht mehr in der
Kirche abhalten. Aber es wäre
falsch, von Ersatzritualen zu
sprechen. Es ist viel eher so, dass
es Rituale schon vor den Religio­
nen und Kirchen gab – diese sind
nur auf den Zug aufgesprungen.
Schon die Kelten trugen Ringe,
bereits Neandertaler kannten
Begräbnisrituale.
Neben den grossen pflegen wir im
Alltag auch kleine Rituale. Sind
wir einfach Gewohnheitstiere?
Der Übergang zwischen
Gewohnheiten und Ritualen ist
fliessend. Sicher ist: Alltägliche
Rituale sind sehr wichtig, auch
wenn uns das nicht bewusst ist.
Sie können uns retten, wenn es
uns schlecht geht und alles aus
den Fugen gerät. Wenn wir den
Glauben und die Hoffnung ver­
loren haben, sind alltägliche
Rituale und Strukturen das
Letzte, was uns durch das Leben
trägt. Interview: Christine Brand
Adrian Naef ist Autor und arbeitete früher als konfessionsloser
Religionslehrer. 2014 erschien
«Rituale», sein neues Buch heisst
«Religion ohne Religionen».
NZZ vom 7.4.2015, Seite 14.pdf
MEINUNG & DEBATTE
Dienstag, 7. April 2015 V Nr. 79
19
Neuö Zürcör Zäitung
Dass sich im Gesundheitswesen Schieflagen abzeichnen, ist ein öffentliches Geheimnis, also gar
keines. Diese Schieflagen werden politisch gerne beschwiegen. Dennoch mehren sich die Hinweise auf
fallweise Überbehandlung und Unterbehandlung,
was nichts anderes heisst, als dass wir es mit einer
ungerechten und buchstäblich ungesunden Verteilung eingesetzter Ressourcen zu tun haben. Auch
um die Rationierung, also um das Vorenthalten von
medizinischen Leistungen und um deren gerechte
bzw. solidarische Verteilung im Rahmen notwendiger Begrenzungen, wird immer wieder ein Bogen
gemacht. Und gleichzeitig wachsen die Ansprüche
und die Erwartungen der Patientenschaft und ihrer
Angehörigen.
Ist uns das Mass abhandengekommen? Die Entwicklungen in den medizinischen Wissenschaften, in
der Medizintechnologie und der pharmazeutischen
Industrie haben allesamt einen grenzverlegenden
Charakter. Diese Dynamik ist unvermeidbar und
bildet ein Kennzeichen hochmoderner Gesellschaften. Aber vielleicht haben wir es mittlerweile mit
einer Grenzenlosigkeit zu tun, die uns auf Dauer
nicht bekommen wird.
Zwei Beispiele seien genannt: In der Reproduktionsmedizin und in der Neonatologie haben wir seit
Jahrzehnten mit ständigen Grenzverschiebungen zu
tun. Was noch vor wenigen Jahren undenkbar oder
in moralischer Hinsicht hochproblematisch war,
wird zunächst technologisch «eingeholt», dann
irgendwann zum Alltag und auf diesem Wege
gleichsam moralisch neutralisiert.
Aber auch am Ende des Lebens findet eine ständige Grenzverlegung statt: Das Sterben wird mittels
invasiver Techniken gedehnt, nicht selten unter Inkaufnahme schweren Leidens der betreffenden Personen. «Früher, länger und mehr» lautet offenbar
die Devise. In dieser Entwicklung spielt die «Patientenautonomie» eine eigentümliche Rolle. Sie wird
zunehmend zum Einfallstor für eine Anspruchsmentalität, welche die genannte Grenzverlegung
noch zu dynamisieren vermag. Gleichzeitig ist eine
tiefe Verunsicherung aufseiten der Leistungserbringer hinsichtlich der Frage entstanden, wo und wie
gegebenenfalls eine Grenze gezogen werden sollte.
Ein kurzer Blick in den Werdegang jenes Autonomieparadigmas lohnt sich.
Sie ist uns lieb und teuer geworden – die Patientenautonomie. Seit mindestens vier Jahrzehnten
steht sie im Zentrum der medizinethischen Debatten und wird als wichtige Emanzipationsformel gewürdigt. Der Patient ist mündig geworden und hat
sich – fallweise oder beides zugleich – aus der Vormundschaft einer zum Paternalismus neigenden
Ärzteschaft oder aus seiner passiven Rolle in der
Gesellschaft und der Politik zu befreien gewusst.
Die beiden berühmten amerikanischen Medizinethiker Tom L. Beauchamp und James F. Childress
hatten im Jahre 1977 in ihrem akademischen Bestseller «Principles of Biomedical Ethics» vier ethische Prinzipien unterschieden, die für das Gesund-
Was noch vor wenigen
Jahren undenkbar war,
wird irgendwann zum
Alltag und gleichsam
moralisch neutralisiert.
heitswesen fundamental sind: den Respekt vor der
Autonomie des Patienten («Respect for Autonomy»), die Schadenvermeidung («Nonmaleficence»),
die Verpflichtung zum Patientenwohl («Beneficence) und die Gerechtigkeit («Justice»). Die beiden mittleren Prinzipien gehörten seit je zum moralischen Kanon ärztlichen Verhaltens. Solange die
medizinische Kunst nur eine geringe und oftmals
gar problematische Wirkung erzielte, galt Vorsicht,
also die Schadenvermeidung, als primäre Tugend.
Und indem die Medizin erfolgreicher wurde, war
eine zweite Tugend, die der Hebung des Patientenwohls, gefragt.
Die «Patientenautonomie» kam sehr spät hinzu
und legte eine Erfolgsgeschichte hin, die dazu
führte, dass sie alle Aufmerksamkeit auf sich zog,
andere Wichtigkeiten zu absorbieren schien und
zum Angel der medizinethischen Auseinandersetzungen wurde. Das vierte Prinzip – die «Gerechtigkeit» – konnte eine solche Karriere keineswegs
verzeichnen. Letztere blieb gleichsam das Mauerblümchen der Medizinethik. Und mit ihr wurde der
Solidaritätsgedanke für lange Zeit marginalisiert.
Gerechtigkeits- und Solidarfragen waren zweitrangig geworden. Weshalb? Weil auf sie eine unbequeme Antwort gegeben werden muss, wie Ressourcen angemessen verteilt und medizinische
Interventionen gegebenenfalls begrenzt werden.
Vielleicht sollten wir zunächst zweierlei Dinge
unterscheiden – den Patienten und dessen Autonomie. Demnach lautet die erste Frage: Was ist ein
Patient? Dem lateinischen Ursprung des Begriffs
gemäss ist der Patient ein Ertragender. Er hat seine
Erkrankung nicht frei gewählt, und diese führt im
Patientenautonomie
und ihre Fallstricke
Der Umgang mit Patienten, aber auch deren Selbstverständnis ist heute
von einer Kultur der Freiheitsrechte geprägt. Es fehlen dabei
aber die Kriterien für ein gerechtes und solidarisches
Gesundheitswesen. Gastkommentar von Jean-Pierre Wils
und Ruth Baumann-Hölzle
Einzelfall zu einer gravierenden Einschränkung seiner aktiven Lebensbezüge. Oftmals ist er nämlich
ein Leidender, ein Hadernder, ein Passiv-Gewordener – jedenfalls gemessen an dem, was er als Gesunder kann und konnte. Patienten verlangen nach
einer Zuwendung, sind auf unsere Sorge angewiesen. Für die Dauer ihrer Erkrankung haben sie gewissermassen die Seite gewechselt. Es dürfte fraglos
stimmen, dass die Hinwendung, das offene Ohr und
das Gespräch mit ihnen einen essenziellen Beitrag
zu ihrer Gesundung leisten. Vertrauen heilt.
Was bedeutet Autonomie? So lautet die zweite
Frage. Im Zusammenhang mit ihrem Subjekt – dem
Patienten – kann man auf zwei Merkmale hinweisen: auf die Entscheidungsautonomie und auf
die Autonomie als moralisches Recht. Auf die Entscheidungsautonomie kommen wir zu sprechen, sobald ein Patient seine Zustimmung zu einem Behandlungsplan erteilen muss. Eine solche Entscheidung nennt man bekanntlich eine «informierte Zustimmung». Der Patient ist über den Ablauf und die
Risiken einer Behandlung aufgeklärt worden und
hat zugestimmt. Er hat selber bestimmt.
Das moralische Recht auf Autonomie wiederum
bedeutet, dass Personen ein einklagbares Recht auf
diese Entscheidung haben. Ihre Bestimmung darüber, wie medizinisch zu handeln sei, kann nicht
um- oder übergangen werden. Etwas technischer
ausgedrückt: Autonomie stellt das negative Recht
bzw. das defensive Recht des Patienten dar, dass
Handlungen oder Eingriffe seitens Dritter unterlassen werden müssen – es sei denn, es ist eine Zustimmung erteilt worden.
Das Recht auf Autonomie korrespondiert demnach mit einer Unterlassungspflicht seitens der behandelnden Instanz. Diese Autonomie des Patienten ist ein normatives Prinzip, das unserer Meinung
nach unhintergehbar ist. Seine Geltung darf nicht
hinterfragt werden. Von diesem Prinzip bzw. von
diesem Recht zu unterscheiden sind die tatsächlichen und oftmals beschränkten Autonomiefähigkeiten eines Menschen. Zwar sind Patienten in vielen Situationen urteils- und entscheidungsfähig. Wo
dies aber nicht der Fall ist, wie beispielsweise bei
kleinen Kindern oder bei urteilsunfähigen Erwachsenen, gelten die Stellvertretungsregeln des Kinderund Erwachsenenschutzgesetzes.
Aber woraus besteht nun die anfangs erwähnte
grenzverlegende Dynamik der Patientenautonomie? Auf dem Weg zu einer Überforderung? Diese
Problematik lässt sich am besten nachvollziehen,
wenn wir die Wandlungen der Patientenautonomie
in aller Kürze rekonstruieren.
Seit den 1960er Jahren ist die Formel in aller
Munde. Historisch gesehen war der Nürnberger
Kodex (1947) ihre Geburtsstunde. Im Falle medizinischer Versuche, so heisst es im ersten Punkt dieses
Kodexes, muss bei Patienten oder Probanden die
freiwillige und informierte Zustimmung eingeholt
werden. Dieses Recht auf Selbstbestimmung wurde
in der Deklaration von Helsinki, im Jahre 1964 von
der World Medical Association verabschiedet, übernommen. Aber erst in der modernen Medizinethik,
wie sie Anfang der 1960er Jahre in den USA entstanden war, wurde jenes Prinzip der Einwilligung
in die nicht-experimentelle medizinische Praxis eingeführt. Diese Patientenautonomie ist seitdem ein
ethischer Standard, dessen Geltung – zu Recht – unumstritten ist. Und seit Einführung dieser «informierten Zustimmung» sind Patienten in der Tat aufgeklärter geworden. Autonomie heisst hier Selbstbestimmung: Aufklärung und Zustimmung mittels
Information.
Der nächste Schritt führt uns zum mündigen
Patienten. Dieser Patiententypus kennt seine Interessen, gilt als Partner im Laufe des Behandlungsprozesses und ist in der Lage, Abwägungen hinsichtlich
der Mittel, des Zwecks und des Sinns einer Behandlung anzustellen. Hier soll gleichsam auf Augenhöhe im Sinne des «Shared-Decision-Making» zwischen Ärztin und Patient kommuniziert werden. Es
ist zu fragen, inwiefern dieses Modell die ungleichen
Positionen und das Kompetenzgefälle zwischen den
Parteien berücksichtigt. Autonomie heisst hier
Mündigkeit mittels Kommunikation.
Der dritte Schritt bewegt sich auf den sich optimierenden Patienten zu. Dessen Anspruchsniveau
hat sich nun erheblich gesteigert. Nicht die Behandlung einer Erkrankung steht im Vordergrund, son-
Wir verlieren das Gespür für das Gewicht
unserer Endlichkeit
und für das notwendige
Mass der Solidarität.
dern die Verbesserung der Gesundheit. Dazu benötigt man eine Strategie, in der immer mehr alterstypische Einschränkungen potenziell als Krankheit,
jedenfalls als verbesserungsbedürftig und verbesserungsfähig betrachtet werden. Autonomie heisst
hier Selbstperfektionierung mittels optimierender
Intervention.
Der vierte und letzte Schritt hängt mit dem vorhergehenden unmittelbar zusammen: Jetzt wird der
Patient als Marktteilnehmer entdeckt. Er soll sich
nun als Einkäufer auf dem Gesundheitsmarkt ver-
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
halten. Strategische und rationale Kompetenzen
werden von ihm verlangt. Auch noch als Patient sollten uns die Motive des «homo oeconomicus» nicht
abhandenkommen. Gesundheit wird eine Ware, um
die es sich lohnt zu konkurrieren. Autonomie heisst
hier Rationalisierung mittels Kalkulation. Diese
Skizze nimmt eine gewisse Vereinfachung bewusst
in Kauf.
Die angedeutete Entwicklung ist keineswegs im
Ganzen negativ zu beurteilen. Aber sie ist einseitig.
In ihr droht die wichtigste Perspektive abhandenzukommen – die des Patienten als eines abhängigen,
leidenden, auf die Sorge anderer angewiesenen
Menschen. Und mit ihm droht auch die Solidarität
zu verschwinden. Das ist gemeint, wenn wir von
einem «Fallstrick» der Autonomie sprechen. Diese
könnte zur Selbstüberforderung und Isolierung der
Patienten führen. Der autonome Patient wäre dann
ein einsamer und vernachlässigter Mensch.
Der Umgang mit Patienten, aber auch deren
Selbstverständnis ist heute von einer Kultur der
Freiheitsrechte geprägt. Dabei verwechselt man in
zunehmendem Masse die Wichtigkeit, selber in einigen wichtigen Situationen bestimmen zu dürfen, mit
dem Anspruch, alles selber bestimmen und einfordern zu wollen und zu können.
Wir verlieren zunehmend das Gespür für das Gewicht unserer Endlichkeit und für das notwendige
Mass der Solidarität. Die einseitige Ausrichtung
grosser Bereiche der Medizinethik an der «Autonomie» hat das Anspruchsniveau ins Kraut schiessen
lassen. Im Bewusstsein nicht weniger Patienten
(oder potenzieller Patienten) hat sie sich als eine
Lizenz zum Wünschen entwickelt – nicht selten zu
ihrem eigenen Schaden.
Im Zusammenhang mit dem Erwachsenenschutzgesetz lässt sich diese Entwicklung illustrieren: Im Schweizerischen Zivilgesetzbuch Artikel
377 ist vorgesehen, dass im Falle einer urteilsunfähigen Person, die sich nicht in einer Patientenverfügung geäussert hat, der behandelnde Arzt bzw. die
Ärztin einen Behandlungsplan erstellt, der mit der
vertretungsberechtigten Person umfassend abgeglichen werden muss.
In der «Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches» vom 28. Juni 2006 wird im
Falle einer Entmündigung und der Installierung
einer Beiratschaft eine grössere staatliche Zurückhaltung angemahnt als in der Vergangenheit: Der
durch die Entmündigung hervorgerufene Verlust
der Handlungsfähigkeit sei ein starker Eingriff in
die Persönlichkeitsrechte, weshalb der Staat zu
«Massarbeit» aufgefordert wird, welche das Selbstbestimmungsrecht bzw. die Autonomie der betroffenen Person weitestmöglich wahren sollte.
So weit, so gut. Bei Stellvertreterentscheidungen
in der Medizin führt diese Bestimmung – ungewollt
– zu gravierenden Problemen. Der Therapieplan
liegt in der Verantwortung der Ärzte, und über
Die seitens des Staates
auferlegte «Massarbeit»
hat demnach zur Folge,
dass der Patient tendenziell schutzlos wird.
medizinisch sinnvolle Massnahmen hinaus kann die
Stellvertretung im Prinzip keine Forderungen stellen. Ist die Stellvertretung allerdings nicht mit dem
Therapieplan einverstanden, weil sie ihn als zu geringfügig beurteilt, wird die Erwachsenenschutzbehörde eingeschaltet. Ihre «Massarbeit» hat in
aller Regel eine starke Zurückhaltung zur Folge –
im Zweifelsfall zugunsten der maximalistischen Forderungen der Angehörigen.
Der Ärzteschaft ist die Entscheidungskompetenz im Hinblick auf den Abbruch einer von ihr als
sinnlos empfundenen Behandlung faktisch genommen worden. Niemand will das Risiko eingehen,
wegen fahrlässiger Tötung angeklagt zu werden, zumal die Entscheidungen der Behörde mit Einspruchsfristen belegt sind. Das kann im Einzelfall zu
massiven Überbehandlungen und zu vermeidbarem
Leiden führen.
Die seitens des Staates auferlegte «Massarbeit»
hat demnach zur Folge, dass der Patient tendenziell
schutzlos wird. Weil bei dieser Gesetzeslage oftmals
niemand sich dazu durchringen kann oder will,
Grenzen zu ziehen, werden Behandlungen, gemessen am medizinisch Sinnvollen und am menschlich
Vertretbaren, übergriffig. In anders gelagerten Fällen kann jene «Massarbeit» zu Unterbehandlung
führen.
Offenbar fehlen uns die Kriterien. Ein gerechtes
und solidarisches Gesundheitswesen muss aber
über solche Kriterien verfügen.
........................................................................................................
Jean-Pierre Wils ist Professor für Praktische Philosophie an der Radboud-Universität Nimwegen (NL) und wissenschaftlicher Beirat der Stiftung Dialog Ethik, Zürich; Ruth Baumann-Hölzle ist Theologin und Leiterin des interdisziplinären Instituts für Ethik im Gesundheitswesen der
Stiftung Dialog Ethik, Zürich.
Dienstag, 7. April 2015 V Nr. 79
NZZ vom 7.4.2015, Seite 5.pdf
INTERNATIONAL 5
Neuö Zürcör Zäitung
Die wenigsten kommen nach Lampedusa
Instabile Länder wie Libanon, Pakistan oder Tschad nehmen viel mehr Flüchtlinge auf als Europa
fur-Konflikts im Sudan waren, die in
Tschad Sicherheit suchten, sind es in
der jüngeren Vergangenheit vor allem
auch Staatsbürger aus der Republik
Zentralafrika, dem Südsudan und aus
Nordnigeria.
Die meisten Flüchtlinge gehen
nicht nach Europa, sondern fliehen in eine andere Region ihrer
Heimat oder finden in einem
Nachbarland Unterschlupf. Oft
sind es sehr arme Länder, die
die Hauptlast des Flüchtlingsproblems zu tragen haben.
Rundum Konflikte
David Signer
Oft wird angesichts des Dramas vor
Lampedusa oder angesichts der Asylsuchenden hierzulande gefragt, warum
denn alle diese Fremden ausgerechnet
nach Europa oder in die Schweiz kommen müssten. Warum suchen sie nicht
in den Nachbarländern Schutz? So lautet die kritische oder polemische Frage.
Ein Vergleich von internationalen Zahlen zeigt jedoch in der Tat, dass der weitaus grösste Teil der Flüchtlinge lediglich
in einen andern Teil des Heimatlandes
oder in ein sichereres Gebiet in der
Nähe der Grenze flieht.
Zerreissprobe in Libanon
Laut dem Uno-Flüchtlingshilfswerk
(UNHCR) gab es Mitte 2014 mehr als
51 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene. So viele Menschen waren seit dem
Ende des Zweiten Weltkrieges nie mehr
auf der Flucht. Rund 33 Millionen von
ihnen sind «intern Vertriebene», das
heisst, sie leben immer noch in ihrem
eigenen Land. Fast 17 Millionen sind in
einen anderen Staat geflüchtet. Etwas
mehr als eine Million hat Asyl in einem
anderen Land beantragt. 600 000 von
ihnen haben im letzten Jahr einen Asylantrag in Europa gestellt, 24 000 in der
Schweiz. Von ihnen erhielten 6199 Asyl,
7924 wurden vorläufig angenommen.
Das macht insgesamt über 14 000. Das
ist einerseits die höchste Zahl der letzten paar Jahre. Andererseits: Vergleicht
man die Zahl mit den 51 Millionen
Flüchtlingen, so hat die Schweiz im letzten Jahr 0,0003 Prozent von ihnen aufgenommen. In absoluten Zahlen beherbergt die Schweiz 57 700 Flüchtlinge,
das ist weniger als 1 Prozent der Schweizer Bevölkerung. Verglichen mit der
Last, die die meist armen Nachbarländer von Kriegsnationen tragen müssen, ist das recht wenig.
Weltweit am meisten Flüchtlinge
nimmt laut dem Bericht «UNHCR
Midyear Trends 2014» Pakistan auf (1,6
Millionen), danach folgt Libanon (1,1
Millionen). Das bedeutet, dass im kleinen Land Libanon jeder Vierte ein
Flüchtling ist (vor allem aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Syrien);
Muslime auf der Flucht in der Zentralafrikanischen Republik in Richtung Tschad.
hinzu kommen noch fast eine halbe
Million Palästinenser, die seit Jahrzehnten in Libanon leben. Dies setzt das sowieso schon von religiösen und politischen Spannungen zerrissene Land
enormem Druck aus. Iran beherbergt
980 000 Flüchtlinge, die Türkei 824 000,
Jordanien 736 600, Äthiopien 588 000
und Kenya (mit dem weltgrössten Lager Dadaab, für somalische Flüchtlinge) 537 000.
In relativen Zahlen folgen auf Libanon das ebenfalls an Syrien grenzende
Land Jordanien (mit 11 Prozent Flüchtlingen) und Tschad (mit 3,9 Prozent).
Von den Industrieländern liegt – abgesehen vom winzigen Malta – lediglich
Schweden unter den ersten zehn (mit
1,2 Prozent). Der Anteil der Flüchtlinge an der Schweizer Bevölkerung beträgt 0,7 Prozent.
kerung kann praktisch nur durch Subsistenzlandwirtschaft überleben. Aber die
Wüste breitet sich aus, der Tschadsee
schrumpft, und Wasser wird knapp. Auf
dem Human-Development-Index liegt
der Wüstenstaat auf dem 184. Platz –
das ist der drittletzte. Etwa die Hälfte
der Einwohner sind Analphabeten. Es
gibt gerade einen Arzt auf 23 000 Personen, die Kindersterblichkeit liegt bei 20
Prozent, die Müttersterblichkeit bei 1
Aufgenommene Flüchtlinge
In Millionen
Aufgenommene Flüchtlinge
Prozentualer Anteil an der Landesbevölkerung
Pakistan
1,60
1,10
Libanon
0,98
Iran
0,82
0,74
Jordanien
Der Fall von Tschad ist besonders prekär. Das Land beherbergt 454 000
Flüchtlinge, gehört selbst jedoch zu den
ärmsten der Welt. 80 Prozent der Tschader leben in absoluter Armut, das
heisst, sie müssen mit weniger als 1 Dollar 25 pro Tag auskommen. Die Bevöl-
Prozent. 1966 brach der erste Bürgerkrieg im Land aus, und seither kam
Tschad kaum je zur Ruhe. Erst seit fünf
Jahren herrscht halbwegs Frieden. Das
Land ist mehr als doppelt so gross wie
Frankreich, verfügt aber nur über 11
Millionen Einwohner. Das sind im
Schnitt gerade einmal neun Menschen
pro Quadratkilometer.
Während es lange Zeit in erster
Linie Flüchtlinge im Gefolge des Dar-
Flüchtlinge weltweit
Türkei
Paradebeispiel Tschad
SIEGFRIED MODOLA / REUTERS
0,59
Äthiopien
0,54
Kenya
0,45
Tschad
0,36
Uganda
0,057
Schweiz
0
25
Libanon
Jordanien
Tschad
Djibouti
Südsudan
Malta
Mauretanien
Iran
Kenya
Schweden
Schweiz
0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8
11
3,9
2,5
2,4
2,3
2,2
1,3
1,3
1,2
0,7
0
5
10
15
20
25
NZZ-INFOGRAFIK / efl.
QUELLE: UNHCR
In Zentralafrika kam es 2013 zu einem
Umsturz. Die Banden des neuen Präsidenten Djotodia, die sogenannten Seleka-Rebellen, terrorisierten die Christen des Landes, bis diese ebenfalls zu
den Waffen griffen, sich fortan AntiBalaka nannten und die Muslime verfolgten. Djotodia musste bald schon selber das Feld räumen, aber zur Ruhe gekommen ist das Land trotz der Präsenz
von französischen und afrikanischen
Truppen nicht. Eine Million Menschen,
etwa ein Fünftel der Bevölkerung, ist
auf der Flucht.
Im Südsudan, dem jüngsten Staat des
Kontinents, tobt ein Kampf zwischen
dem Präsidenten Salva Kiir (und seinen
Anhängern vom Volk der Dinka) und
seinem ehemaligen Stellvertreter Riek
Machar (und seinen Nuer-Anhängern).
In Nordnigeria ist der Terror der
jihadistischen Gruppe Boko Haram immer blutiger geworden. Viele Nigerianer versuchten Unterschlupf in Tschad
zu finden. Nun unterstützt das Land
Nigeria im militärischen Kampf gegen
Boko Haram und wird selber zur Zielscheibe von Angriffen.
Schliesslich grenzt auch noch das
zerfallende Libyen an Tschad. Dort
bahnt sich bereits das nächste Flüchtlingsdrama an.
Folgen für innere Stabilität
Die Tatsache, dass ein Land an einen
kriegs- und krisengeschüttelten Nachbarn grenzt, erhöht das Risiko von gewaltsamen Konflikten im Innern enorm.
Durch einen massiven Zustrom von
Flüchtlingen kann diese Gefahr noch
potenziert werden. Das Paradebeispiel
dafür ist Kongo-Kinshasa. Nach dem
Genozid an den Tutsi im Nachbarland
Rwanda im Jahr 1994 flüchteten etwa
eine Million Hutu aus Angst vor Rache
in den Osten von Kongo, bewaffneten
sich dort zum Teil und bedrohten Rwanda, das schliesslich einmarschierte. Eine
totale Destabilisierung der Region war
die Folge, die immer noch nicht ganz
ausgestanden ist.
Es ist eine traurige Ironie der Geschichte, die in den ganzen Migrationsund Asyldebatten oft vergessen geht,
dass gerade die ärmsten und instabilsten
Länder oft die grösste Flüchtlingslast zu
tragen haben.
THE ESSENCE OF BRITAIN
Made in Switzerland by BREITLING
<wm>10CAsNsja1NLU01DU3MDUyNAEA3EFdxw8AAAA=</wm>
<wm>10CFXKMQ6DQAxE0RN55bFnyILLiA6liNJvg6hz_ypAl-JLv3jbVmp-91xfn_VdmjXDHq4Aqwdb71EptkyUZygcWiCKmDz-vJEx0TEuY54WGueQhhiA2nc_fnnMFdNyAAAA</wm>
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
BENTLEY B05
UNITIME
SCHWEIZ
Dienstag, 7. April 2015 V Nr. 79
9
Neuö Zürcör Zäitung
NZZ vom 7.4.2015, Seite 9.pdf
Blick zurück zum letzten Geleit
von General Guisan Seite 10
Vier Zentralschweizer
auf dem Sprung nach Bern
Seite 11
Mit Löwenherz und Tigermut
Kindern das Sterben erklären Seite 12
Die feinen Nadelstiche von Berns
umtriebigstem Störefried Seite 12
Fernziel Familie
Die Öffnung der Ehe für Homosexuelle ist von der Kinderfrage nicht zu trennen
Ob die grünliberale Idee, ohne Umwege direkt auf die Ehe für Homosexuelle hinzusteuern, in den eidgenössischen Räten Erfolg haben wird, muss
sich erst noch weisen.
Eine Nationalratskommission
will Homosexuellen die Ehe erlauben – ohne sich an der Frage,
ob damit auch Adoptionsrecht
und Fortpflanzungsmedizin verbunden sind, die Finger zu verbrennen. Doch das eine hängt
mit dem anderen zusammen.
CVP dafür, FDP dagegen
Katharina Fontana
Das Familienrecht scheint die neue
Spielwiese der Politiker zu sein. Es gibt
derzeit kaum einen Bereich rund um
Partnerschaft, Ehe und Kinder, in dem
nicht über Neuerungen diskutiert wird –
wobei die Vielfalt der Möglichkeiten
mitunter zu etwas widersprüchlichen
Signalen führt. Das zeigt sich etwa beim
Umgang mit homosexuellen Partnerschaften. So hat die Staatspolitische
Kommission des Nationalrates jüngst
eine Vorlage in die Vernehmlassung geschickt, welche die Stellung ausländischer Partner bei der erleichterten Einbürgerung verbessern und sie den ausländischen Ehegatten gleichstellen will.
Gleichzeitig fordert die Rechtskommission des Nationalrates, dass homosexuelle Paare heiraten dürfen. Was nun:
Soll es für homosexuelle Paare bei der
eingetragenen Partnerschaft bleiben,
oder will man ihnen die Ehe öffnen?
Zunehmender Druck
Seit Annahme des Partnerschaftsgesetzes im Jahr 2005, als 58 Prozent der
Stimmenden sich in einer Referendumsabstimmung für die eingetragene Partnerschaft und damit für ein Institut zur
rechtlichen Absicherung gleichgeschlechtlicher Beziehungen aussprachen, ist das Thema der Ehe für homosexuelle Paare nie verschwunden. Bald
nach dem Urnengang wurde bereits
wieder darüber diskutiert, ob die
Gleichstellung homosexueller Paare mit
Ehepaaren im Steuerrecht, im Erbrecht
oder bei der AHV tatsächlich ausreichend sei oder ob nicht eine weitergehende Angleichung an die Ehe bezie-
Ob man auch gleichgeschlechtlichen Paaren die Familiengründung erlauben will, ist umstritten.
hungsweise eine völlige Gleichstellung
anzustreben sei.
Seither wurde das Institut der eingetragenen Partnerschaft schrittweise weiterentwickelt und beispielsweise das
Namensrecht angepasst: Schwule und
Lesben können heute wie Verheiratete
den Familiennamen des Partners annehmen. Werden nun noch die Regeln zur
erleichterten Einbürgerung angeglichen, gibt es zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft – was die Lebensgemeinschaft der beiden Partner
betrifft – nur noch geringe Differenzen
(namentlich im Vermögensrecht, wo
Gütertrennung statt Errungenschaftsbeteiligung gilt). Der grosse und entscheidende Unterschied zwischen Ehe
und eingetragener Partnerschaft liegt
darin, dass Erstere über die Zweierbeziehung hinausreicht und für das Paar
auch das Recht auf Adoption und auf
Zugang zur Fortpflanzungsmedizin umschliesst, Letztere nicht.
Ob die Elternschaft Mann und Frau
vorbehalten bleiben soll oder ob man
auch gleichgeschlechtlichen Paaren die
Familiengründung erlauben will, ist umstritten. Die Grünliberalen, die mit ihrer
parlamentarischen Initiative «Ehe für
alle» das Thema angestossen und in der
nationalrätlichen Rechtskommission einen ersten Erfolg erzielt haben, scheuen
denn auch davor zurück, die Ehe- mit
der Familienfrage zu verknüpfen. So
wird betont, dass der Vorstoss dieses
ALEX HINDS / IMAGEBROKER / OKAPIA
Thema gerade ausklammere. Diese Argumentation ist allerdings wenig glaubhaft. Zum einen machen Schwule und
Lesben kein Geheimnis daraus, dass für
sie die vollständige Gleichstellung samt
Adoptionsrecht und Zugang zur Fortpflanzungsmedizin das Fernziel ist, von
dem sie nicht abrücken werden – Heirat
hin oder her. Zum andern liegt es auf
der Hand, dass, wenn der Staat heterosexuellen und homosexuellen Paaren
neu dasselbe Rechtsinstitut für ihre Verbindung zur Verfügung stellt, sich eine
unterschiedliche Behandlung nur noch
schwer rechtfertigen liesse. Der Druck,
auch homosexuellen Verheirateten das
Recht auf Familiengründung zuzugestehen, würde zweifellos steigen.
Von linker Seite ist ihr Unterstützung
sicher, von der SVP kommt Widerstand.
Die FDP und auch die CVP müssen ihre
Position erst noch finden: Dem Vernehmen nach haben die Freisinnigen den
Vorstoss in der Rechtskommission abgelehnt, die CVP-Vertreter haben ihm
zugestimmt. Als Nächstes wird sich die
ständerätliche Rechtskommission mit
dem Anliegen befassen; erst wenn sie Ja
sagt, kann eine Vorlage ausgearbeitet
werden. Der Bundesrat seinerseits verfolgt beim Umgang mit homosexuellen
Partnerschaften einen pragmatischen
Kurs und will den Anliegen gleichgeschlechtlicher Paare schrittweise entgegenkommen. So hat er kürzlich eine
Gesetzesvorlage zuhanden des Parlaments verabschiedet, die es homosexuellen Paaren erlaubt, das Kind des Partners zu adoptieren; die gemeinschaftliche Adoption soll dagegen weiterhin
Verheirateten vorbehalten bleiben.
Sollte das Parlament die «Ehe für alle»
unterstützen, dürfte sich der Bundesrat
allerdings kaum querstellen.
Ob die «Ehe für alle» Zukunft hat,
hängt aber in erster Linie davon ab, wie
sich Volk und Stände verhalten werden.
Dann nämlich, wenn die CVP-Initiative
zur Heiratsstrafe an die Urne kommt,
welche die Ehe ausdrücklich Mann und
Frau vorbehalten will. Sofern die
Christlichdemokraten, die wegen ihres
Begehrens mit massiver Kritik eingedeckt werden und sich als mittelalterlich
bezeichnen lassen müssen, nicht noch
einknicken und ihr Begehren zurückziehen, wird voraussichtlich nächstes
Jahr darüber abgestimmt. Der Entscheid über die Initiative wird dann zumindest indirekt zeigen, wie die Bevölkerung den familienrechtlichen Sinneswandel beurteilt und ob sie die Zeit für
homosexuelle Elternschaft bereits für
reif erachtet.
Werbung mit immer mehr Verbotsschildern
Auf kommunaler wie eidgenössischer Ebene wird Werbung mit völlig unterschiedlichen Instrumenten eingeschränkt
Ob bei Zigaretten, Alkohol
oder erotischen Darstellungen –
in vielen Bereichen wird
Werbung beschränkt. Nun
zeichnen sich neue Regeln ab.
Davide Scruzzi
Ein Produkt kaufen, sich für eine
Dienstleistung entscheiden, eine Partei
wählen – die Ziele von Werbung sind
stets klar. Schwer überblickbar ist hingegen ihre Regulierung. Das Gesetz
über den unlauteren Wettbewerb verbietet «täuschende» Botschaften oder
unrichtige Herabsetzungen von Konkurrenten. Daneben gibt es aber weitere Leitplanken, etwa zur Vermeidung
von Gesundheitsrisiken und für die
politisch korrekte Darstellung der Geschlechterrollen. In mehreren Bereichen werden die Regeln verschärft.
Branchenlösung bei Krediten
Ein parlamentarischer Vorstoss, der ein
Verbot «aggressiver Werbung» für Konsumkredite forderte, löste eine Revision
des entsprechenden Bundesgesetzes
aus. Dabei setzte sich die Meinung
durch, dass ein staatliches Werbeverbot
die Wirtschaftsfreiheit zu stark einschränkt. Zitiert wurden Gerichtsurteile, wonach ein Zusammenhang zwi-
schen Werbung für Kleinkredite und
Überschuldung zwar bestehe, das staatliche Ziel des Schutzes vor Überschuldung aber auch mit sanfteren Mitteln
erzielt werden könnte. Das vor einigen
Wochen von den eidgenössischen Räten
angenommene Gesetz überlässt es denn
der Branche, allzu verführerische Werbeformen einzudämmen; dem Bundesrat ist es aber erlaubt, bei unbefriedigenden Resultaten dieser privaten Vorkehrungen eigene Regeln zu erlassen.
In den nächsten Monaten werden
der Verband Schweizerischer Kreditbanken und Finanzierungsinstitute und
der Leasingverband mit der 1966 vom
Werbeverband gegründeten Lauterkeitskommission eine Konvention abschliessen. Der Kommission wird es
obliegen, bei Beschwerden von Einzelpersonen oder Firmen einzuschreiten.
Die Regelung ist weit reichend: So sollen Leute unter 25 Jahren nicht ausdrücklich angepeilt werden; entsprechend untersagt wird Werbung in gewissen Freizeiteinrichtungen. Nicht gestattet sind dereinst Begriffe wie «Expresskredite», die auf eine unbedachte
Kreditvergabe hindeuten, oder Werbeblätter mit Banknoten-Sujets.
Für die Lauterkeitskommission sei es
das erste Mal, dass ihre Tätigkeit gesetzlich definiert sei und nicht freiwillig erfolge, erklärt der Anwalt Marc Schwenninger, Sekretär der Kommission. Mit
dem Verweis auf diese akzeptierte Rolle
der Lauterkeitskommission wendet sich
denn der Branchenverband Schweizer
Werbung gegen den Entwurf zum neuen Tabakproduktegesetz, zu dem der
Bundesrat nun eine Botschaft ans Parlament verfasst. Im bundesrätlichen
Vorschlag ist ein vollumfängliches Werbeverbot auf Plakaten, in Printmedien
sowie in elektronischen Medien vorgesehen. Gesundheitsorganisationen fordern zusätzlich ein Werbeverbot in Verkaufsstellen sowie ein Verbot von Sponsoring. Begründet wird dies mit Studien,
laut denen solche Werbeformen gerade
Junge zum Rauchen animierten.
Dazu verweist aber Schwenninger
auf die vom Bund wenig beachtete bestehende Regulierung der Tabakwerbung, die über die heutigen gesetzlichen Bestimmungen rund um die
Warnhinweise auf Zigarettenpackungen hinaus noch eine private Vereinbarung kennt, welche die Lauterkeitskommission überwacht. Da geht es um
Regeln, wonach etwa keine Plakate in
der Nähe von Schulen aufgehängt werden, keine Inserate in Jugendzeitschriften erscheinen sollen oder keine Werbung mit sportlichen Attributen anzureichern ist. Bei der Lauterkeitskommission betrafen 2014 rund 10 Prozent
der Fälle den Bereich Tabak.
Die Aufsicht über die SpirituosenWerbung ist hingegen weitgehend bei
der Eidgenössischen Alkoholverwaltung angesiedelt – und dies wird auch
nach der Revision der Alkoholgesetzgebung so bleiben. Mit dem neuen Gesetz solle die Schnapswerbung dabei
etwas vielfältiger sein dürfen und neben
dem Produkt auch dekorative Elemente zeigen können, etwa Weihnachtsschmuck, sagt Nicolas Rion von der
Alkoholverwaltung.
Sex als städtisches Gebiet
Im Gegensatz zu den Suchtmitteln und
zu den Kleinkrediten hatten Versuche,
sexistische Werbung landesweit gesetzlich zu bremsen, im Bundeshaus bisher
keinen Erfolg. Entsprechend spielt die
Lauterkeitskommission als privatwirtschaftliche Organisation ohne gesetzliche Sanktionsmöglichkeit hier weiterhin eine zentrale Rolle. Die Regelung
der Kommission ist breit. Sie umfasst
die übertriebene Darstellung von Geschlechter-Stereotypen, Akte der Unterwerfung, die Darstellung aufreizender Posen ohne Bezug zum Produkt und
die «unangemessene Darstellung» von
Sexualität. Unter diesen breiten Bannstrahl fällt damit keineswegs nur Werbung mit zu viel Nacktheit. Die Zürcher
Gleichstellungs-Fachstelle bezeichnete
auch ein Shoppingcenter-Plakat als sexistisch, auf dem eine Reihe von Stewardessen Spezialitäten anbieten, unter
dem Motto «Für jeden Geschmack
etwas». Kein Wunder, ist dieser Bereich
bei der Lauterkeitskommission nun mit
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
13,4 Prozent der Fälle nach den Verstössen gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb das zweitwichtigste
Thema. Dieser Anteil steigt im Übrigen
seit Jahren kontinuierlich an. Der Wert
lag noch 2011 bei rund 3 Prozent.
Einige Städte vertrauen aber nicht
nur auf die Rekursmöglichkeit bei der
Lauterkeitskommission, sondern intervenieren bei bestimmten Plakaten sofort, sei es basierend auf eigenen Gesetzestexten oder auf Verträgen mit
Plakatfirmen über die Aushänge auf
öffentlichem Grund. So ist Werbung für
Erotiksalons in Basel verboten, allerdings eben nur bei Plakaten auf öffentlichem Grund.
Die Städte Bern, Basel, St. Gallen,
Luzern, Solothurn, Zürich, Genf und
Lausanne tauschen zudem über den
Städteverband bei umstrittenen Plakaten die Beurteilungen aus, um der
Werbebranche einheitliche Vorgehensweisen zu bieten. Diese Praxis habe sich
nach dem Abstimmungskampf zur Minarett-Initiative mit den von einigen
Städten als diskriminierend beurteilten Plakaten etabliert, erklärt Martin
Tschirren vom Städteverband. Mittlerweile erfasse die gemeinsame Beurteilung der Städte auch Inhalte mit
«anderem Bezug». So seien etwa die
erotischen Plakate der umstrittenen
Stop-Aids-Kampagne des Bundes von
den Städten schliesslich als tolerabel
beurteilt worden, so Tschirren.
Donnerstag, 9. April 2015 V Nr. 81
NZZ vom 9.4.2015,
Seite 13.pdf
Neuö Zürcör Zäitung
SCHWEIZ 13
Willst du mich ein bisschen heiraten?
Die «Ehe light» als Alternative für Menschen, die sich nicht ganz trauen
Wohnung bleiben? Ausserhalb des Konkubinatsvertrags kann beispielsweise
auch in einer letztwilligen Verfügung, in
einer Patientenverfügung oder in einer
Lebensversicherung der unverheiratete
Partner berücksichtigt werden.
Die Beratung und das Aufsetzen
eines Konkubinatsvertrages kosten bei
Marc Peyer je nach Aufwand zwischen
1000 und 3000 Franken. Ihn erreicht
jeden zweiten Tag eine telefonische Anfrage zum Thema Konkubinat, doch nur
ein Teil der Anfragenden komme
schliesslich in eine konkrete Beratung
und lasse einen Konkubinatsvertrag
aufsetzen. Viele Personen würden ihre
Vereinbarung selbst entwerfen, vermutet Peyer. Informationen und Musterverträge gibt es im Internet, diese sind
jedoch nicht sehr detailliert.
Die Durchsetzung dieser gegenseitigen vertraglichen Ansprüche vor Gericht erfolgt über eine Zivilklage. In diesem Verfahren werden abhängig vom
Streitwert teilweise recht hohe Kostenvorschüsse verlangt. Der Zugang zu
erleichterten Familienrechts-Verfahren
bleibt allerdings verwehrt. Wer mittels
Konkubinat eine Kampfscheidung vermeiden wollte, könnte spätestens an
diesem Punkt merken, dass dies ein
Trugschluss war, resümiert Marc Peyer.
In der Schweiz leben mehr
Ledige als Verheiratete. Warum
der vertragslose Zustand Nachteile haben kann und für wen die
«Ehe light» nach französischem
Vorbild infrage kommen könnte.
Nadine Jürgensen
Die Erinnerung an die Kampfscheidung
der Eltern, die Rebellion gegen das
Establishment, die Angst, sich für immer festzulegen – die Gründe, nicht zu
heiraten, sind unterschiedlich. Einige
sagen aus Steuergründen erst Ja, wenn
sie Kinder bekommen. Anderen sind
gemeinsame Kinder schon Beweis genug für ihre Liebe. Manche sind geschieden und wagen keinen zweiten
Versuch. Vielen ist das Institut der Ehe
zu verstaubt und zu religiös geprägt.
Nein, ich will nicht heiraten
Auch wenn es scheint, als sei Heiraten
bei jüngeren Generationen wieder mehr
in Mode, die Zahl der Paare, die den
Bund fürs Leben schliessen, hat in den
letzten Jahrzehnten stetig abgenommen. Fast jede zweite Ehe wird geschieden. Ledige, Geschiedene und Verwitwete sind gegenüber den Verheirateten
in der Überzahl. Waren 1970 in der
Schweiz bloss 3500 Mütter ledig bei der
Geburt ihrer Kinder (total 99 200 Geburten), waren es 2013 schon 15 000
ledige Mütter (total 82 700 Geburten).
Noch bis in die 1970er Jahre war das
Konkubinat verboten, im Kanton Wallis
gar bis 1995. Das als liederlich angesehene Zusammenleben war ein öffentliches Ärgernis, das es «auf Anzeige hin
durch Trennungsbefehl mit Androhung
der Ungehorsamsstrafe» zu beenden
galt. So abwegig und moralisch veraltet
das Verbot des Konkubinats heute anmutet, es hatte zu Beginn des letzten
Jahrhunderts einen berechtigten Grund,
der bis heute wirkt: Das Institut der Ehe
ist als Schutzgemeinschaft ausgestaltet,
damit familiäre Verpflichtungen nicht
umgangen werden können.
Vielleicht, zu welchem Preis?
Paare, die im Konkubinat leben, verzichten auf einen staatlichen Rechtsschutz. Das ist eine freie Entscheidung.
Kommen gemeinsame Kinder zur Welt
oder wird ein Haus gekauft, hat ein
Ja, ein bisschen schon
Um den Heiratsantrag kam lange nicht herum, wer legal als Paar zusammenleben
wollte. Die «wilde Ehe» war bis in die 1970er Jahre verboten.
ARCHIVE PHOTOS / GETTY
Partner den anderen lange gepflegt oder
auf ein Einkommen verzichtet, dann
stellen sich im Fall einer Trennung, beim
Tod oder bei einer schweren Krankheit
plötzlich Fragen, die nicht geregelt sind.
Viele Paare sichern sich deshalb mit
einem Konkubinatsvertrag ab. Oft seien
es die Frauen, die Rat suchten, sagt
Rechtsanwalt Marc Peyer von der
Kanzlei Bürgi Nägeli Rechtsanwälte,
der sich auf solche Verträge spezialisiert
hat. Auch wenn sie jahrelang Kinder betreut und dafür ihren Job aufgegeben
haben, steht ihnen bei einer Trennung
BUNDESGERICHT
Tessiner Steueramnestie
ist verfassungswidrig
Wegweisendes Urteil mit Wirkung auch auf andere Kantone
tö. V Wer sein Schwarzgeld selber bei
den Steuerbehörden deklarierte, sollte
bevorzugt behandelt werden. So hatte
es das Tessinervolk gewollt und sich vor
einem knappen Jahr für die Einführung
einer weitgehenden Steueramnestie
ausgesprochen. Schwarzgeld sollte während zweier Jahre straffrei bei den
Steuerbehörden gemeldet werden können. Für die Nachsteuern an Kanton
und Gemeinden wurde ein grosszügiger
Erlass von 70 Prozent beschlossen. Nur
die direkte Bundessteuer sollte in vollem Umfang bezahlt werden müssen.
Diese kantonalrechtlichen Bestimmungen hat das Bundesgericht nun
kassiert und damit die Beschwerde
unter anderem der SP-Politikerin Pelin
Kandemir Bordoli gutgeheissen. Die
Richter kommen zum Schluss, dass die
Steueramnestie weder mit dem Bundesgesetz über die Harmonisierung der
Kantons- und Gemeindesteuern noch
mit der Bundesverfassung zu vereinbaren ist.
Das Gericht verweist insbesondere
auf ein 2010 in Kraft getretenes Bundesgesetz, welches die straflose Selbstanzeige einer Steuerhinterziehung re-
gelt. Gemäss dessen Bestimmungen
bleibt die erstmalige Selbstanzeige einer Steuerhinterziehung zwar straflos,
aber die ordentliche Nachsteuer samt
Verzugszins ist nach einer Selbstanzeige
in vollem Umfang zu entrichten. Nicht
nur die Bundes-, sondern auch die Kantons- und Gemeindesteuern müssen
laut Bundesgericht also voll bezahlt
werden. Den Kantonen bleibe kein
Spielraum, um auf kantonaler Ebene
weitere Reduktionen einzuräumen.
Die Tessiner Amnestie verletzt gemäss dem Urteil auch die in der Verfassung statuierten Prinzipien der Rechtsund Steuergleichheit. Steuerpflichtige,
welche Einkommen und Vermögen
nicht angegeben hätten, würden durch
die Amnestie eine unzulässige Bevorzugung erfahren gegenüber korrekt deklarierenden Steuerpflichtigen.
Das Urteil wird weitreichende Folgen haben. Verschiedene Kantone wie
Freiburg, die vorgesehen hatten, vergleichbare kantonale Amnestien einzuführen, werden über die Bücher gehen müssen.
oder beim Tod des Partners kaum etwas
zu. – Normalerweise wird in einem
Konkubinatsvertrag zuerst das faktische Zusammenleben auf Papier festgehalten. Beispielsweise, wer wie viel
verdient, wer die Kinder betreut und
wer was an den Unterhalt beisteuert.
Geregelt werden zudem die Eventualitäten einer Trennung: Wer erhält unter
welchen Umständen nachpartnerschaftlichen Unterhalt, einen Vermögensoder Altersvorsorgeausgleich, wer bekommt zu welchen Konditionen das
Haus oder darf in der gemeinsamen
Der zunehmenden Zahl von Paaren, die
nicht heiraten, aber dennoch nicht in
ungeregeltem rechtlichem Zustand leben möchten, könnte in Zukunft ein
neues, staatliches Institut zur Verfügung
stehen. In einem kürzlich vorgestellten
Bericht zur Modernisierung des Familienrechts hat der Bundesrat die Möglichkeit eines neuen Zivilstands für
Konkubinatspaare als prüfenswert bezeichnet, der als «Ehe light» bezeichnet
wird. Vorbild ist der in Frankreich beliebte Pacs (pacte civil de solidarite).
´
Der Pacs ist als zivilrechtlicher Vertrag
ausgestaltet, begründet aber keine familiären Bindungen. Die Franzosen
«pacsen» mit grosser Freude: 41 Prozent
der formalisierten Paarbeziehungen in
Frankreich sind ein Pacs. Das Institut
war ursprünglich für gleichgeschlechtliche Paare gedacht. 2013 wurden über
95 Prozent dieser Verträge zwischen
Mann und Frau geschlossen.
Auch den Paaren hierzulande soll mit
einem schweizerischen «pacte de solidarite»
´ der Alltag rechtlich vereinfacht
werden. Kern des Instituts wäre die
Zusammenleben ohne Mythos
Noch sind die Modalitäten eines staatlichen Konkubinatsvertrags erst skizziert. Das richtige Mass zwischen freiheitlichem Vertrag und staatlichem
Schutz zu finden, dürfte dabei nicht einfach werden. Kritiker wenden überdies
ein, dass der Staat nicht für jede Lebensform ein Institut zu gründen brauche,
und auch die Anerkennung im Ausland
wirft Fragen auf.
Rechtsanwalt Marc Peyer sieht für
den standardisierten Konkubinatsvertrag trotzdem eine Chance. Seiner Erfahrung nach entspricht das neue Institut dem Bedürfnis vieler seiner Klienten nach einer «Entmythisierung» der
Ehe und des partnerschaftlichen Zusammenlebens. Die «Ehe light» wäre
rational, ein Vertrag, der aus freien Stücken geschlossen würde, mit viel Freiraum zur eigenen Gestaltung. Anders
als das Eherecht, das eher einem traditionellen Familienbild entspricht, könnte der «pacte de solidarite»
´ neuen Familienformen entgegenkommen.
Ob der Antrag dereinst «Veux-tu me
pacser?» wie in Frankreich lauten könnte oder «Willst du mich ein bisschen
heiraten?», wird sich zeigen. Jetzt liegt
der Ball, den der Bundesrat gespielt hat,
bei der Politik. Die SP hat bereits einen
Vorstoss in Aussicht gestellt.
Im Zeichen von «Bio»
Die Nachfrage nach biologischen Produkten steigt ungebrochen an
Auch im letzten Jahr hat
Bio Suisse einen Anstieg bei
der Nachfrage nach biologischen
Produkten verzeichnen können.
Der Bio-Trend geht dabei
verschiedene Wege.
gia. Bern V Das Interesse an biologischen Produkten nimmt weiterhin zu,
wie von Bio Suisse am Mittwoch vor den
Medien aufgezeigt worden ist. Im vergangenen Jahr legte der gesamte Biomarkt um 7,5 Prozent zu, auf insgesamt
2,2 Milliarden Franken. Damit wurde
das Spitzenjahr 2013 geschlagen. Der
Bio-Marktanteil liegt nun bei 7,1 Prozent, das sind 0,2 Prozentpunkte mehr
als letztes Jahr. Wichtigstes Segment
bleiben weiterhin die Frischprodukte,
die im gesamten Bio-Warenkorb fast
zwei Drittel ausmachen.
Zunahme der Biobetriebe
Die Grossverteiler Coop und Migros
konnten beim Bio-Sortiment nochmals
zulegen und bestätigten somit ihre Rolle
als Wachstumstreiber. Durch neue Produktelinien hat beispielsweise Migros
dem Markt neue Impulse verliehen.
Aber auch der übrige Detailhandel sowie der Bio-Fachhandel haben ihre Um-
sätze gesteigert. Dabei ist nicht nur die
Käuferzahl konstant gewachsen, der
Einzelne kauft auch häufiger biologisch
ein. Relativ gesehen ist die Deutschschweiz zwar Vorreiterin in Sachen
«Bio», die Entwicklung erfolgt aber in
allen Landesteilen etwa gleich.
Auch auf der Produktionsseite ist der
Trend hin zu «Bio» unübersehbar. Die
Zahl der Biobetriebe ist mittlerweile
auf 6387 angestiegen und nimmt seit
2010 jährlich um 2 Prozent zu – obwohl
die Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Betriebe kontinuierlich rückläufig
ist. Die biologisch bewirtschaftete Nutzfläche hat 2014 um 3000 Hektaren zugenommen und macht mittlerweile 12,3
Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche aus. Davon befindet
sich ein Fünftel in Bergzonen.
Als grösster Dachverband in der
ökologischen Landwirtschaft hat auch
Bio Suisse 2014 Jahr stark vom Aufschwung profitiert. Nicht nur weil mehr
Betriebe nach den Kriterien von Bio
Suisse arbeiten (sogenannte KnospeBetriebe), sondern auch weil vermehrt
Verarbeitungs- und Handelsbetriebe in
die Wertschöpfungskette eingebunden
werden. Die Nachfrage nach Bioprodukten ist höher als die Angebotspalette, welche zurzeit mit Importen
komplettiert wird. Daneben weist die
Schweiz generell einen tiefen Selbst-
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Urteile 2CÂ1194/2013, 2CÂ645/2014 vom 7. 4. 15
gegenseitige Beistandspflicht und Unterstützung während der Dauer des Vertrags. Enthalten wären nach Vorstellungen des Bundesrats zudem Vorschriften zur gemeinsamen Wohnung
sowie ein gesetzliches Besuchs- und Informationsrecht des Partners in medizinischen Belangen.
Nur freiwillig und nicht Teil des standardisierten Vertrags wären gemäss
dem bundesrätlichen Bericht nachpartnerschaftliche Unterhaltsverpflichtungen, ein gesetzliches Erbrecht, Kinderbelange, das Güterrecht und ein Anspruch auf die berufliche Vorsorge des
Partners. In Frankreich verleiht der
Pacte civil dem Paar hingegen gewisse
Ansprüche im Fall von Krankheit, Mutterschaft oder Tod. Auch Renten- und
Kapitalansprüche im Todesfall sind vorgesehen. Die Franzosen schliessen den
Pacte vor Gericht oder dem Notar. Die
Auflösung erfolgt durch gemeinsame
oder einseitige Erklärung, die dem Partner zugestellt wird. Stirbt oder heiratet
einer der beiden, endet der Pacte von
Gesetzes wegen.
versorgungsgrad von rund 60 Prozent
auf. Daniel Bärtschi, Geschäftsführer
von Bio Suisse, sieht hier deshalb noch
Wachstumspotenzial für Schweizer Biobetriebe.
Bio Suisse versucht dies nicht nur
durch die Erweiterung des eigenen
Netzwerkes, sondern auch durch die
Förderung von Bildung und Forschung
zu erreichen. Die Sensibilisierung der
Bevölkerung für die biologische Landwirtschaft und Nachhaltigkeit ist ein
Kernpunkt des Dachverbandes. Geplant ist deshalb unter anderem auch
die Teilnahme an der Entwicklung von
Lehrmitteln.
Limitierte Ausbildungsplätze
Die meisten Biobauern kommen heute
über den zweiten Bildungsweg zur biologischen Landwirtschaft. Mittlerweile
übersteigt die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen das Angebot in den Biobetrieben. Auch hier sieht Bärtschi noch
Entwicklungsmöglichkeiten. Die kantonale Bildungshoheit sei aber teilweise
hinderlich, da die Kantone die Bio-Verordnung unterschiedlich handhabten,
so dass mancher keinen Zugang zu
eigentlich vorhandenen Stellen erhalte.
Bio Suisse wolle sich dafür einsetzen,
dass Jugendliche künftig ihre Lehre flexibler gestalten könnten.
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Neuö Zürcör Zäitung
NZZ vom 9.4.2015, Seite 16.pdf
Donnerstag, 9. April 2015 V Nr. 81
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Studierende der Hochschule der Künste schmücken reformiertes Gotteshaus in Altstetten mit Bildern und Skulpturen
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Regie-
Die Grosse Kirche in Altstetten
wird bis August zu einem Haus
der jungen Kunst. Ab Freitag
präsentieren Studentinnen und
Studenten der Hochschule der
Künste Arbeiten aus einem Ausbildungsmodul mit dem Thema
«Was kommt in die Kirche?».
Alois Feusi
Was soll in eine Kirche hinein, wie kann
sie zu einem Raum werden, der bewegt?
Diese Frage ist alt, und über die passende Antwort darauf lässt sich trefflich
streiten. 22 Studierende im zweiten
Semester des Studiengangs Art Education – also Kunstvermittlung – der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK)
haben sie auf Anregung der Pfarrerin
Ulrike Müller von der reformierten Kirche Zürich Altstetten in einem siebenwöchigen Kursmodul für sich beantwortet und die grosse Kirche beim Lindenplatz mit ihren Werken geschmückt.
Radierungen und Installationen
Entstanden ist ein faszinierendes Kaleidoskop aus Plastiken, Installationen,
Textilarbeiten und Tiefdruckbildern,
die sich alle mit der Schöpfung als Kernthema, dem Glauben, der biblischen
Geschichte und der Kirche auseinandersetzen. Diesen Freitag findet die
Vernissage statt. Ab 17 Uhr 30 werden
die 18 jungen Frauen und 4 Männer an
Ort und Stelle ihre Arbeiten vorstellen.
Diese werden bis August dort bleiben.
Ausserdem werden an der Vernissage Videoaufnahmen gezeigt, die den
Entwicklungsprozess – oder die Schöpfung – der an der linken Wand des Kirchenschiffs hängenden Radierungen
der 22 Studierenden vom ersten Versuch bis zur Endfassung dokumentieren. «Damit geht ein kleiner Traum von
mir in Erfüllung», erklärt der Dozent
Aldo Mozzini, der für den druckgrafischen Teil des Ausbildungsmoduls mit
dem Titel «Was kommt in die Kirche?»
zuständig war. «Man sieht jeden Bearbeitungsschritt der Druckplatte. Man
glaubt kaum, wie viel die jungen Leute
gearbeitet haben.» Die Vorgabe seien
mindestens 16 Drucke gewesen. Alle
hätten ihre Platte mindestens 30-,
35-mal oder noch öfter überarbeitet.
Gianin Conrad, der für die dreidimensionalen Arbeiten zuständige
zweite Dozent des Moduls, hilft derweil
den jungen Frauen und Männern an
diesem Gründonnerstagmorgen bei der
Suche nach dem passenden Ort und der
idealen Präsentationsform für ihre Arbeiten. Danach werden die Werke wieder weggeräumt oder mit Tüchern verhüllt, damit der Karfreitags- und der
Ostergottesdienst in einer Kirche ohne
Bilder gefeiert werden können. Einzig
Junge Frau stirbt
nach Sturz aus Tram
29-Jährige in Zürich 2 verunfallt
urs. V Eine junge Frau ist am frühen
Mittwochabend ihren Verletzungen erlegen, die sie am Morgen desselben
Ein überraschender Anblick in einem reformierten Gotteshaus: die Allegorisierung einer der sieben Todsünden.
ein in der Mitte des Kirchenschiffs
schwebender filigraner Schwarm von
120 Tauben, mit Kunstharz fixiert und
an feinen Nylonfäden aufgehängt, darf
bleiben; sein Ab- und Wiederaufbau
wäre zu aufwendig.
Adam und Eva im Ei Gottes
Gleichfalls in der Luft über den Kirchenbänken hängt ein riesiges Ei Gottes, aus
dem Adam und Eva in enger Umarmung
ganz und gar gleichberechtigt schlüpfen.
Das Taufbecken wird zum Opferstein
mit drei göttlichen und vier irdischen
Drahtfiguren. Hoch auf der Empore
dräut ein düsterer Eingang zur Unterwelt, ein paar Bankreihen weiter graben
sich die gipsernen Finger der Schöpfung
aus einem Acker aus Blumenerde. Der
Stall von Bethlehem ist eine Spielecke
mit handgenähten Puppen wie einem
knuddeligen Christkind und Adam und
Eva samt Schlange, einem fetten Opferlamm, einem freundlichen Herrgott mit
Rauschebart und einem Heiligen Geist
aus Flattertüchern, Und die Bibel ist ein
grosses Ruhekissen.
Vor dem Altar grüssen auf Stangen
gesteckte Pappmache-Köpfe,
´
die für die
sieben Todsünden stehen. Auf manchen
Stühlen liegen wie zufällig placierte
Fingerzeige und Schwurhände aus Gips.
Dreizehn grelle Tiefzug-Fratzen sind als
multiples «memento mori» über die
Bankreihen verteilt. Es gibt eine an Tin-
guely erinnernde Skulptur aus Fahrradteilen und allerlei weiterem Altmetall,
und in der Truhe mit den Gesangbüchern
liegen derb-sinnliche Fleischklumpen
aus bemaltem Gips und Silikon.
Sie sei beeindruckt, was für tiefgehende Gedanken zum Glauben und
zur Kirche sich die Studierenden gemacht hätten, erklärt Ulrike Müller:
«Das ist faszinierend und bewegend.»
Die Arbeiten sollten den Kirchgängern
Denkimpulse geben und dürften durchaus auch provozieren: «Kunst und Religion sind verwandt im Stellen von
neuen und ungewohnten Fragen.»
Nicht alles ist fix
Tatsächlich ist einiges, was in der Grossen Kirche Altstetten zu sehen ist, gewöhnungsbedürftig und gewiss nicht für
alle Betrachter als Sakralkunst erkennbar. Das führte auch im Pfarramt zu
Diskussionen. Dass die jungen Künstler
freie Hand geniessen sollten, war unbestritten, aber mit ihrem Wunsch, dass
sämtliche Arbeiten bis Mitte August
permanent in der Kirche ausgestellt sein
sollten, stiess Ulrike Müller als Zuständige für Kultur, Spiritualität und Bildung bei ihren beiden Mitpfarrern auf
Widerstand. In manchen Gottesdiensten müsse man ganz besonders auf die
Gefühle der Gläubigen Rücksicht nehmen, erklärt etwa Markus Saxer, einer
der Kollegen Müllers. Die Gesichter der
Innovative Kollaboration
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
60 Startups unter einem Zürcher Dach
deu. V Die Zürcher Innovationszentren
Impact Hub und Colab Zürich haben
sich zum Impact Hub Zürich zusammengeschlossen und beziehen ab Juni
der voneinander gelernt werden kann:
in Weiterbildungen und Veranstaltungen, aber auch im Gespräch beim Kaffee. Laut Mitinitiator Christoph Birk-
CHRISTOPH RUCKSTUHL / NZZ
sieben Todsünden beispielsweise dürfe
man den trauernden Gästen einer Abdankungsfeier keinesfalls zumuten.
Das gemeinsame Projekt seiner
Kirchgemeinde mit der ZHdK findet
Saxer aber grundsätzlich gelungen, und
eine der Skulpturen will er sogar zum
Thema einer Predigt machen. Dies wiederum passt bestens zu Müllers Absicht,
den perfekt renovierten, nüchtern-kühlen und konsequent auf das Wesentliche
reduzierten, bilderlosen Sakralraum mit
Lebensspuren zu füllen und die Menschen in der Kirche zu Gesprächen und
zum Nachdenken zu bewegen.
Das «evangelische Bilderverbot»
sieht die Pfarrerin dabei nicht angekratzt. Bei diesem gehe es nämlich darum, dass nicht eine oder einige wenige
Vorstellungen zu fixen, fest zementierten Bildnissen des Göttlichen würden,
sondern dass viele verschiedene solcher bildlicher Vorstellungen zugelassen blieben. «Die Bibel ist voller
Sprachbilder. Doch wer sich von Gott
und dem Göttlichen ein starres Bild
macht, läuft Gefahr, ihn zu instrumentalisieren, weil er oder sie aufhört, sich
überraschen zu lassen.» Insofern seien
die Arbeiten der jungen Künstler hochwillkommen. «Denn nicht Bildlosigkeit,
sondern eine Vielfalt der Bilder erfüllt
das Bilderverbot», betont die Pfarrerin.
Bis Mitte August kann man sich in der Grossen Kirche
Altstetten selber ein Bild machen. Diese ist täglich von
8 bis 17 Uhr geöffnet. Vernissage ist am 10. April.
IN KÜRZE
.................................................................................
Kandidat für Tourismus-Präsidium
urs. V Guglielmo Brentel, der Vizepräsident von Zürich Tourismus, dürfte zum
Präsidenten aufsteigen: Der Vorstand
schlägt ihn laut Communique´ an der
Generalversammlung im Sommer als
46 FEUILLETON
Neuö Zürcör Zäitung
NZZ vom 9.4.2015, Seite 46.pdf
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Warm, klug und unbestechlich
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Ljudmila Ulitzkajas Essaysammlung «Die Kehrseite des Himmels»
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Ilma Rakusa V Als Verfasserin zahlreicher Erzählungen und Romane – wie «Maschas Glück»
(2007), «Daniel Stein» (2009) oder «Das grüne
Zelt» (2012) – gehört die 1943 geborene Ljudmila
Ulitzkaja zu den bedeutendsten russischen Gegenwartsautorinnen. Mit ihrer Essaysammlung «Die
Kehrseite des Himmels», die vierzig Texte aus zwei
Dezennien versammelt, zeigt sie sich nun von einer
neuen, sehr persönlichen Seite. In autobiografischen Skizzen berichtet sie über ihre jüdischen
Vorfahren, Thora lesende Uhrmacher, fesche
Schauspielerinnen und hochgebildete Leseratten.
Leicht hatten sie es meist nicht. Grossvater Jakow
Ulitzki verbrachte insgesamt sechzehn Jahre in Gefängnissen und Lagern. Ein Teil der Verwandten
kam in Babij Jar um.
Literatur als Gegengift
Ulitzkaja weiss sich vor allem ihrer Grossmutter
Maria Petrowna Ginsburg verbunden, in deren
Bibliothek sie schon früh Gedichtbände von Mandelstam, Achmatowa und Zwetajewa entdeckte
und begriff, dass die Literatur ein Gegengift gegen
die ideologiebestimmte Wirklichkeit sein kann.
Zwar studierte sie zunächst Genetik, doch die Welt
der Worte liess ihr keine Ruhe. Bis sie eines Tages
zur Feder griff. An Vorbildern mangelte es nicht.
Ein Essay beschreibt ihre Bewunderung für Vladimir Nabokovs Roman «Die Gabe» – und nebenbei
für dessen Fähigkeit, seine schriftstellerische und
wissenschaftliche Begabung gleichermassen auszuleben. Stichwort: Schmetterlingskunde.
Ljudmila Ulitzkaja fand ihre literarischen Stoffe in komplexen Familiengeschichten, die das Einzelschicksal vor dem Hintergrund widriger politischer Verhältnisse zeigen. Auch davon erzählen
ihre Essays: vom Widerstand gegen ideologische
Bevormundung, von der Suche nach moralischer
Integrität, von Schuld und Sühne, von Glück und
Ohnmacht. Nur bringt die Autorin sich diesmal
selbst ins Spiel. Wir erfahren von ihren Begegnungen mit Freunden und Fremden, von ihrem Verhältnis zu Mann, Sohn und Enkelkindern, und
detailliert von ihrer metaphysischen Unruhe, die
sie immer wieder Zuflucht bei der Religion suchen
liess. Nicht der jüdischen, sondern der christlichen,
in einer Zeit, als die russisch-orthodoxe Kirche
sich in der Rolle einer Untergrundkirche befand.
Nun, da die Kirche im Begriff ist, «zu einer riesigen vergoldeten Dekoration zu verkommen»,
wählt Ulitzkaja den Alleingang, ohne die Grundregeln des Christentums, dieser «Religion des Unmöglichen», zu leugnen.
In all ihren Essays erweist sich die Autorin als
kluge, warmherzige, einfühlsame und moralisch
unbestechliche Zeitgenossin, die Selbstkritik ebenso beherrscht wie die Entlarvung unhaltbarer politischer Zustände. Ulitzkaja nimmt kein Blatt vor
den Mund, ob sie von ihrer schweren Brustkrebserkrankung oder von Putins Russland spricht. Das
nennt sich im besten Sinne des Wortes schonungslos. Berührt ist man als Leser freilich mehr von den
privaten, fast tagebuchartigen Aufzeichnungen, die
ohne jede Sentimentalität in Abgründe von Angst
und Zweifel blicken lassen, um handkehrum das
Glück eines «moment de grace»
ˆ
zu beschwören.
Nicht zuletzt die Krankheit hat Ulitzkaja Achtsamkeit, Gelassenheit und Dankbarkeit gelehrt
und ihr Gespür für Lügen aller Art geschärft. So
fällt ihr Urteil über Putins Politik – im Essay «Leb
wohl, Europa!» (2014) – gnadenlos aus. Zur Disposition stehe Russlands Zugehörigkeit zur «europäischen Völkerfamilie» und Kultur: «Dreihundert
Jahre haben wir Kulturschaffenden uns aus densel-
Bis 24. Mai im Ha
21. Juni bis 25. O
Museum in New
Making. Thames
Ein Arp-Kub
Die grosse alte Dame der russischen Gegenwartsliteratur – Ljudmila Ulitzkaja.
ben Quellen genährt – es waren auch unser Bach
und unser Dante, unser Beethoven und unser
Shakespeare – und nie die Hoffnung aufgegeben.
Heute können wir russischen Kulturschaffenden,
der kleine Teil von ihnen, zu dem ich gehöre, nur
noch eines sagen: Leb wohl, Europa!»
Eine andere Form von Stärke
Das klingt bitter und resigniert, was so gar nicht zu
Ljudmila Ulitzkajas kämpferischem Temperament
passen will. Aber sie weiss, wovon sie redet. Einmal
mehr ist sie zur Dissidentin geworden, während die
Mehrheit um sie herum Vladimir Putins «starke
Hand» bewundert.
Ulitzkajas Ethos vertritt eine andere Form von
Stärke. Diese hat mit Wahrhaftigkeit, Mitgefühl
und Liebe zu tun. Viele Essays erzählen von Be-
ISOLDE OHLBAUM
gegnungen – mit Obdachlosen, verwahrlosten Kindern, Todkranken, von sozialen Missständen und
den Versuchen, im Kleinen Abhilfe zu schaffen.
Andere Texte reflektieren über das Verhältnis der
Geschlechter, über Lüge und Toleranz, Schlaflosigkeit und «die Kunst des Nichtstuns». Oder über das
Nein-Sagen und die Vorstellung, «wenn Gott eine
Frau wäre». Nicht immer hält Ulitzkaja Antworten
bereit, doch ihre Fragen – die Fragen einer ruhelosen Sucherin – bewegen und regen zum Nachdenken an. Nennen wir «Die Kehrseite des Himmels» ein Buch lebenszugewandter, grundehrlicher Recherche, in dem – zugegeben – leise Desillusion mitschwingt. Oder ist es Altersweisheit?
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Ziel, diesen
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Ljudmila Ulitzkaja: Die Kehrseite des Himmels. Aus dem Russischen
von Ganna-Maria Braungardt. Verlag Carl Hanser, München 2015.
223 S., Fr. 34.90.
Pressespiegel
Bücherfrauen
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Einst waren sie Exotinnen, heute stellen die Frauen die Mehrheit der Beschäftigten in der Buchbranche
Andrea Lüthi V Friederike Helene Ungers Einstieg
in die Buchbranche ist typisch für ihre Zeit. 1805
auf gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche
Ereignisse ein, die das Berufsleben der Frauen be-
sich Eduard von Keyserling, einer der erfolgreichsten Autoren des S.-Fischer-Verlags, über den Ein-
Arp-Museum
9. APRIL 2015
D I E Z E I T No 1 5
GESCHICHTE
»Den schweigen
sie tot!«
Im Alleingang versuchte Georg Elser, Hitler in die Luft zu jagen.
Nun kommt seine Geschichte neu verfilmt ins Kino: Lange Zeit
wäre das hierzulande undenkbar gewesen VON JOHANNES TUCHEL
Fotos (Ausschnitte): Heinrich Hoffmann/Bayerische Staatsbibliothek/bpk (o.); Bernd Schuller/Lucky Bird Pictures
W
enige Wochen vor Kriegs­
ende, am 9. April 1945,
wurde der Schreiner
Georg Elser nach mehr
als fünfjähriger Isola­
tionshaft von der SS auf
Befehl des »Führers« im
Konzentrationslager Dachau erschossen. Er hatte
am 8. November 1939 einen Anschlag auf Hitler
verübt. Doch als die Zeitzünderbombe explodier­
te, die er in einen Pfeiler des Münchner Bürger­
bräukellers genau über dem Rednerpult eingebaut
hatte, war Hitler schon aus dem Raum – ein wenig
früher als geplant. 13 Minuten später, und Elser
hätte »die Welt verändert«, wie es im Untertitel des
Spielfilms von Oliver Hirschbiegel heißt, der jetzt
in allen größeren deutschen Städten angelaufen ist.
Bereits 1989 inszenierte Klaus Maria Brandauer
die Geschichte des mutigen Einzelgängers: Georg
Elser. Einer aus Deutschland – mit sich selbst in der
Hauptrolle, eine überraschend leise, beeindruckende
Arbeit. Nun führte Hirschbiegel Regie: Nach dem
Untergang (2004), einer Chronik der letzten Tage im
Berliner »Führerbunker«, hat er bewährt gekonnt und
effektvoll Hitlers Münchner Beinahe­Untergang in­
szeniert; das Drehbuch schrieb Fred Breinersdorfer
(Sophie Scholl. Die letzten Tage) zusammen mit seiner
Tochter Léonie­Claire.
Der spannende Film richtet sich an ein breites
Publikum; Elsers Tat und seine Motive stehen im
Mittelpunkt – und man könnte meinen, dass die
Geschichte dieses einfachen Mannes, der den Mut
aufbringt, es mit einem Tyrannen aufzunehmen, die
Deutschen schon immer fasziniert hat. Doch das
Gegenteil ist der Fall. Mehr als 40 Jahre dauerte es,
ehe diese nur mit Stauffenbergs Attentat vergleich­
bare Tat überhaupt ins öffentliche Bewusstsein drang,
und weitere 30 Jahre mussten vergehen, bis sie es nun
ins Blockbuster­Kino schaffte.
Undenkbar wäre dieser Film in der unmittelbaren
Nachkriegszeit gewesen, da all jene, die sich der NS­
Diktatur widersetzt hatten, im westlichen Deutsch­
land als »Verräter« galten. Überzeugte Nazis diffa­
mierten – vielfach ungestraft – Widerstandskämpfe­
rinnen und Widerstandskämpfer, und erst 1952,
nach dem Prozess gegen den ehemaligen Wehrmacht­
general Otto Ernst Remer, einen rechtsextremen
Politiker und späteren Holocaust­Leugner, begann
man zaghaft, den Widerstand überhaupt zu »akzep­
tieren« und zu würdigen.
Ein weiteres wichtiges Datum war der 17. Juni
1953, der Volksaufstand in der DDR. Fortan war
es in der Bundesrepublik eher möglich, an den
Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu er­
innern. Doch ebenso, wie der Widerstand die Sa­
che einer kleinen, oft verzweifelten Minderheit
gewesen war, blieb auch die Erinnerung an seine
Helden lange Zeit umstritten und mit zähen Ste­
reotypen behaftet. Erst im Jahr 2004 (!) setzte sich
– einer repräsentativen Befragung der deutschen
Bevölkerung zufolge – eine überwiegend positive
Bewertung des 20. Juli 1944 durch.
Zeit vom 9.4.2015, Seite 16.pdf
D
G
eorg Elser traf das Schweigen be­
sonders. Über ihn, den Attentäter
vom 8. November 1939, hatten die
Nationalsozialisten eine Vielzahl von
Lügen, Gerüchten und Missdeu­
tungen in Umlauf gebracht. Diese blieben noch
lange nach 1945 wirksam, und sie waren weitaus
zäher als die über die Gruppe um Stauffenberg.
So nutzte Propagandachef Joseph Goebbels den
Anschlag Ende 1939 sofort, um in der aufgeheizten
Phase der ersten Kriegsmonate antibritische Parolen
zu verbreiten: Elser sei ein Werkzeug des Geheim­
dienstes gewesen, so tönte er, das Attentat sei »zwei­
fellos in London erdacht« worden. Die Organisation
des Ganzen, fabulierte Goebbels weiter, habe, in eng­
lischem Auftrag, der in Ungnade gefallene Otto
Strasser übernommen, der Führer einer frühen inner­
nationalsozialistischen Oppositionsgruppe, der sich
zum Zeitpunkt des Attentats schon längst nicht mehr
in Deutschland aufhielt.
Um ihre Verschwörungstheorie zu untermauern,
lenkte die NS­Propaganda die Aufmerksamkeit
auf zwei britische Geheimagenten, die am 9. No­
vember 1939 im niederländischen Grenzstädtchen
Venlo vom deutschen Auslandsgeheimdienst ge­
kidnappt worden waren. Die beiden Entführten
wurden kurzerhand zu Hintermännern des
Münchner Anschlags erklärt. Die NS­Führung
plante gegen Elser und die beiden britischen Offi­
ziere einen Schauprozess, der nach dem siegreich
beendeten Krieg geführt werden sollte.
Der gleichfalls beschuldigte Strasser ging von der
Schweiz aus sofort in die Offensive. Er nannte das
Attentat eine Inszenierung des Regimes. Nur so sei
es möglich gewesen, dass Hitler den Anschlag über­
lebt habe. Diese Sicht wurde von vielen ausländischen
Zeitungen übernommen und fand unter der Hand
auch in Deutschland durchaus Zustimmung. Das
Regime habe auf diese Weise den Mythos von Hitlers
Unverwundbarkeit und seiner angeblichen Begüns­
tigung durch die »Vorsehung« zu stärken versucht.
Elser als Handlanger der Engländer oder gar als
willfähriges Instrument der Nazis selbst: Beide Inter­
pretationen begriffen ihn nicht als Handelnden,
sondern als Werkzeug anderer. Dass er autonom
dachte und agierte, war nicht vorstellbar. Und so ver­
wundert es auch nicht, dass die NS­Führung nach
den ersten Verhören, in denen Elser seine Alleintäter­
schaft gestanden hatte, ein weiteres Vernehmerteam
einsetzte, um die »Drahtzieher« doch noch zu finden.
Die aber gab es nicht, es gab nur den zu allem ent­
schlossenen, umsichtig handelnden Georg Elser.
Wie sorgfältig er seine Tat geplant hatte, zeigt
ein Detail unter vielen: Bei seiner Festnahme an
der Schweizer Grenze trug er eine Ansichtskarte
des Bürgerbräukellers, ein Abzeichen des Roten
Frontkämpferbundes, Aufzeichnungen über Rüs­
tungsfertigungen sowie einige Teile des Zeitzün­
ders bei sich. Beweisstücke, mit denen er in der
Schweiz seine Opposition gegen das Regime, mög­
licherweise auch seine Urheberschaft am Münch­
ner Attentat beweisen wollte, um sich vor einer
Auslieferung ins Reich zu schützen – und um zu
verhindern, dass ein anderer in Deutschland der
Tat beschuldigt wurde.
Die Öffentlichkeit erfuhr bis 1945 nichts mehr
über Elser. Auch danach wurden nur die alten Lügen
über ihn verbreitet. Tief verletzt kämpfte seine Mut­
ter Maria (1879 bis 1960) in der Nachkriegszeit um
die Ehre ihres Sohnes und gegen abstruse Legenden,
die selbst bedeutende Historiker über ihn verbreite­
ten. Wichtigtuerisch erzählte auch der bekannte
evangelische Theologe Martin Niemöller die Ge­
rüchte über Georg Elser weiter, die er als Mithäftling
im KZ aufgeschnappt hatte: Er bezeichnete Elser als
»SS­Unterscharführer«, der »1939 das Attentat im
Bürgerbräukeller auf Hitlers persönlichen Befehl
durchzuführen hatte«.
Ein Handwerker mit heldenhaftem Mut: Georg Elser, der im November 1939
das Attentat auf Hitler wagte, bei seiner Vernehmung in Berlin.
Unten: Filmbild mit Christian Friedel in der Rolle des Widerstandskämpfers
er Lagertratsch, den der angesehene
Kirchenmann hartnäckig kolpor­
tierte, fand alsbald seinen Weg in
Memoiren und die wissenschaft­
liche Literatur. Ebenso verhielt es
sich mit den 1950 erschienenen Erinnerungen von
Elsers Mithäftling in Sachsenhausen und Dachau,
dem britischen Geheimdienstmann Sigismund
Payne Best. Dessen Darstellung The Venlo Incident
stellte Elsers Attentat ebenfalls als ein abgekartetes
Spiel der NS­Propaganda dar, nach dem Muster des
Reichstagsbrands 1933 oder des Überfalls auf den
Sender Gleiwitz zu Beginn des Zweiten Weltkriegs.
Bests Buch wimmelt nur so von Fehlern und Unge­
reimtheiten. Dennoch wurde seine Version der Er­
eignisse für Historiker wie Gerhard Ritter, Hans
Rothfels, Alan Bullock oder Gerhard Reitlinger
maßgeblich – schließlich passte sie gut in die gängi­
gen Erklärungsmuster für den Nationalsozialismus.
Die zahlreichen Gerüchte aber hatten noch einen
tieferen Ursprung als nur das Unwissen über den
Hergang der Tat. Der Chef der Reichskriminalpoli­
zei Arthur Nebe, der 1941 an Massenmorden in der
Sowjetunion beteiligt gewesen war, später aber Kon­
takte zu den Männern des 20. Juli pflegte und noch
im März 1945 in Plötzensee hingerichtet wurde,
brachte es gegenüber dem nationalkonservativen
Widerständler Hans Bernd Gisevius auf den Punkt.
16
»Du wirst sehen«, soll Nebe über Elser gesagt haben,
»den Mann machen sie noch hinterher fertig: den
schweigen sie tot [...], der Mann wollte einfach nicht
den Krieg [...]. Gerade deswegen werden deine
feinen Leute nichts von ihm wissen wollen, auch
nicht hinterher [...]. Sie haben übrigens ganz recht
damit; sie handeln völlig instinktsicher. Der paßt
nicht zu ihnen.«
Dies galt sowohl vor als auch nach 1945. Denn
in einer Gesellschaft, die beharrlich die NS­Verbre­
chen leugnete und den Widerstand gegen die Dik­
tatur nur mühsam zu akzeptieren begann, passte der
Einzeltäter und überzeugte Kriegsgegner nicht ins
Bild. Zudem konnte Elser für keine Tradition bean­
sprucht werden: Er wählte kommunistisch, war aber
kein Parteimitglied und folgte auch nicht der Par­
teilinie. Er war Christ, engagierte sich aber nicht in
der Amtskirche. So kann er weder in ein kommunis­
tisches noch in ein konservativ­nationales, noch in
ein christliches oder bürgerlich­liberales Schema des
Kampfes gegen die Diktatur integriert werden.
E
rst Mitte der sechziger Jahre verloren
die Spekulationen und Diffamierungen
an Wirkung: als der Münchner Histori­
ker Lothar Gruchmann Elsers Verhör­
protokolle in den Akten des Reichs­
justizministeriums fand. Sie sind bis heute der
wichtigste Zugang zu Elsers Denken und Handeln.
Und auch wenn sich in ihnen über weite Strecken
die Sprache der Gestapo spiegelt, verdeutlichen sie
doch die Motive und Details der Tat. Zwischen
dem klaren Beweis der Alleintäterschaft, der nun
erbracht war, und einer öffentlichen Anerkennung
verging indes noch eine lange Zeit. Nur sehr lang­
sam setzte sich ein neues Bild durch, ein Bild, das
Elser Handlungsautonomie zugesteht und die Tat
als seine eigene wertet.
Bundeskanzler Helmut Kohl war es, der Georg
Elser 1984 in seiner Berliner Gedenkrede zum 20. Juli
1944 erstmals staatsoffiziell würdigte. Damit war ein
Bewusstseinswandel markiert. Endlich erschienen
nun auch Biografien Elsers, und Brandauer fasste den
Entschluss, seinen Film zu realisieren. Im Februar
1998 schließlich eröffnete die Elser­Gedenkstätte in
Königsbronn, wo er aufgewachsen war. Bewegt
lauschten die Menschen in der überfüllten Turnhal­
le des Dorfes den Worten des Stuttgarter Staatssekre­
tärs Christoph Palmer: »Das Land Baden­Württem­
berg ist stolz auf einen seiner größten Söhne.« Jetzt
waren auch die Königsbronner stolz auf jenen Mann,
für den noch wenige Jahre zuvor die Worte seines
Bruders Leonhard galten: »Man gönnt ihm seine Tat
nicht, dem kleinen Bauernbuben.«
Ein kluges Fazit der langjährigen Mühen zog 2008
der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble bei
der Enthüllung einer Büste Elsers im Berliner Spree­
bogen direkt am Innenministerium: »Wir Deut­
schen«, sagte er, »haben uns mit dem Widerstand
schwergetan. [...] Es fiel nicht leicht, anzuerkennen,
dass es Menschen gab, die ein klareres Urteil und den
Mut hatten, sich dem Hitler­Regime zu widersetzen.
Das gilt schon für Stauffenberg und seine Mitver­
schwörer. Das gilt aber noch viel mehr für Elser, den
schwäbischen Handwerker, der viel früher ein klares
Urteil fasst und einfach handelt. [...] Heute endlich
erinnern wir uns mit Dank an Georg Elser. Er gehört
zu denen, die es uns leichter machen, auf die Ge­
schichte unseres Landes zurück­ und hoffnungsvoll
nach vorne zu blicken.« Bei der Elser­Büste im Spree­
bogen blieb es nicht. Seit 2011 steht in Berlin eine
17 Meter hohe, filigrane, nachts leuchtende Stahl­
skulptur, die Elsers Silhouette nachzeichnet – an der
Wilhelmstraße, mitten im Regierungsbezirk.
Zwei Jahre zuvor bekam endlich auch München,
das von Elser viele Jahrzehnte nichts wissen wollte,
ein kleines Elser­Denkmal in einem Winkel in Schwa­
bing, der tatsächlich Georg­Elser­Platz heißt. Jeder­
mann bekannt aber ist der mutige Schreiner aus
Königsbronn noch immer nicht. Oliver Hirschbiegels
Film hat gute Chancen, daran etwas zu ändern –
sofern er nur halb so gut läuft wie Der Untergang.
Der Autor leitet die Gedenkstätte Deutscher
Widerstand in Berlin (www.gdw­berlin.de)
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1945: Krieg und Frieden
Von der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Januar bis zum Abwurf der Atombomben auf Hiroshima
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33
Titelgeschichte
Das Geheimnis, ein Menschenrecht
E
So sehr die Schweigepflicht zu
verteidigen ist – es gibt
auch Ausnahmen
VON EVELYN FINGER
Fotos: Kniel Synnatzschke/plainpicture [M]; Jiri Hera (r.)
igentlich hätte William Whitaker
sofort aus dem Verkehr gezogen
werden müssen. Aber dann wären
jene 102 Passagiere abgestürzt, die
der Pilot durch ein halsbreche­
risches Flugmanöver vor dem Ab­
sturz bewahrte. Jeder Therapeut
hätte Whitaker als Sicherheitsrisiko eingestuft: Er
trank vor dem Flug, er trank während des Fluges,
er kokste und schlief kaum. Trotzdem rettete er, als
seine Maschine in Turbulenzen geriet, geistes­
gegenwärtig Besatzung und Passagiere.
Whitaker ist ein Held und zugleich der unzu­
verlässigste Pilot der Welt. So spielt ihn der Holly­
woodstar Denzel Washington in dem Film Flight.
Der fiktive Pilot verkörpert ein reales Dilemma:
Ein Mensch mit verborgenen Defiziten oder ge­
heimen Süchten und Krankheiten kann versagen
und etwas fürchterlich Falsches tun. Derselbe
Mensch kann sich aber auch bewähren und als
Einziger das Richtige tun. Wie wollen wir mensch­
liches Handeln vorhersagen?
Jede Forderung nach Aufhebung der Schweige­
pflicht eröffnet die grundsätzliche Debatte über
das Recht auf ein Geheimnis. Bei Ärzten und an­
deren Geheimnisträgern – Geistlichen, Anwälten,
Bankern, Psychiatern – findet der Einzelne Schutz
vor dem Kontroll­ und Strafbedürfnis der Allge­
meinheit. Wir müssen akzeptieren, dass wir uns
mitunter selbst ein Geheimnis sind und nicht ein­
mal vorhersagen können, was wir demnächst tun
– oder anrichten.
Nach dem Absturz der Germanwings­Maschine
treten Sachverständige aus den Kulissen mit allerhand
Vorschlägen zur Herstellung absoluter Sicherheit. Sie
fordern jetzt strengere psychologische Checks für
Piloten und auch die Aufhebung der Schweigepflicht
für behandelnde Ärzte und Therapeuten. Sie wollen
in den staatlich geschützten Vertrauensraum hinein­
horchen und Verdächtige präventiv denunzieren. Sie
hoffen, verborgene Pläne der Menschen früh zu er­
kennen wie einen Tumor.
Diese Hoffnung geht Hand in Hand mit dem
Wunsch der Big­Data­Transparenzgesellschaft nach
totaler Vorhersagbarkeit. Ein Psychoanalytiker­
ehepaar aus München schrieb in einem Leserbrief
an den Spiegel: »Vielleicht liegen die Wurzeln des
Unglücks darin, dass bei der Pilotenausbildung
nur das Kognitive geprüft und das Unbewusste
völlig außer Acht gelassen wird.« Wirklich? Und
wer bitte soll das Unbewusste »prüfen«?
Depressionsforscher halten Depressive nicht
für gemeingefährlich. Im Gegenteil: Depression
könne das Mitgefühl für andere verstärken. Die
Kranken seien keineswegs prädestiniert für den er­
weiterten Suizid. Trotzdem sucht man nun nach
den vielen Ärzten, die der Unglückspilot in seiner
Verzweiflung um Hilfe bat. Man will wissen, was
diese wussten. Als hätte ein Arzt das Geheimnis
des Unglückspiloten, seine Depression, bloß ent­
hüllen müssen, um ihn als potenziellen Mörder zu
enttarnen. Als könnte man aus der Abweichung
von einer medizinischen Norm auf kommende
Untaten schließen. Das ist die Stimmung nach
dem Sturz: ein tränenblinder Aufklärungsfuror,
der Verfehlungen für medizinisch vorhersagbar
hält – und die Schweigepflicht für ein Risiko.
Plötzlich erscheint sie als sinistre Verabredung, in
deren Schutz sich das Allerschlimmste anbahnt.
Wollen wir uns diese Angst zu eigen machen
und nur noch bei geöffneten Türen miteinander
Kein Wort!
Ärzte, Journalisten, Pfarrer,
Anwälte und Banker
verteidigen die Pflicht zu
schweigen S. 34–35
reden? Offenbar hält die Transparenzgesellschaft,
die das Durchsichtige und Helle so liebt, die gern
in Glastürmen lebt und hinter Glastüren arbeitet,
nicht allzu viel vom Menschen. Sie misstraut ihm
und damit sich selbst.
Der Philosoph Manfred Schneider schreibt in
seinem Buch Transparenztraum: »In der Forderung
nach Transparenz haben sich die alten Verspre­
chen von Wissen, Gleichheit, Freiheit, Gerechtig­
keit eine neue Parole gegeben. Sie ist ein politi­
sches Psychopharmakon.« Diese Droge lässt uns
davon träumen, Menschen so gut zu überwachen,
dass sie nichts Böses mehr tun. Ja, es gar nicht
mehr versuchen.
Das ist paranoid. Denn die geschlossene Tür des
Arztes, des Priesters und des Rechtsanwalts dient
gerade nicht dazu, das Böse oder Kranke zu verber­
gen, sondern ihm zu begegnen: im schonungslosen
Gespräch, das bei offener Tür unmöglich wäre – weil
es der Selbsthinterfragung, dem Eingestehen von
Fehlern und manchmal der Reue dient.
Der Jesuit und Schulrektor Klaus Mertes sagt:
»Wahrheit wird nur in Vertrauensräumen ausgespro­
chen.« Deshalb sind Schweigeräume in unserer De­
mokratie gesetzlich geschützt. Die Gesetze sind ein
Schutz auch gegen den totalitären Wahn, wie wir ihn
aus dem Überwachungsstaat kennen. Trotzdem sind
Vertrauensräume nicht sakrosankt. Es gibt auch fal­
sche Schweige­Komments, die den Sinn der
Schweigepflicht pervertieren. Klaus Mertes, der selbst
zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch durch
Priester und Lehrer offenlegte, sagt: »Die Schweige­
pflicht kann benutzt werden, um in ihrem Schutz
Verbrechen zu begehen. Selbst das katholische Beicht­
geheimnis, das absolut und unverletzlich ist, muss
gebrochen werden, wenn es missbraucht wird.«
Das ist provokant. Denn jeder Beichtvater, der
das Beichtgeheimnis bricht, wird automatisch ex­
kommuniziert. Er darf zwar die Absolution ver­
weigern und muss Verbrecher zur Selbstanzeige
ermuntern. Doch was, wenn ein Reuloser die
Beichte zur Reinwaschung nutzt? Dann, sagt Mer­
tes, habe dieser selbst das Geheimnis verletzt. Ihn
an weiteren Untaten zu hindern sei nicht nur mo­
ralische Pflicht, sondern schütze die Institution
des Beichtgeheimnisses. »Die Übertretung der
Schweigepflicht aus zwingenden Gründen ist kei­
ne Infragestellung dieser Pflicht.«
Welche Gründe sind zwingend? In der weltli­
chen Sphäre würde man sagen: wenn das beider­
seitige Vertrauen von einem der Partner verraten
wird. Geheimnisverrat ist geboten, wenn im
Schutz des Geheimnisses Unrecht geschieht.
Trotzdem bleibt der Geheimnisverrat juristisch
strafbar. WikiLeaks und VatiLeaks, Julian Assange
und Edward Snowden haben gezeigt, wie schwer
sich die Öffentlichkeit tut, zwischen Verrätern und
Enthüllern zu unterscheiden. Denn die Schweige­
pflicht bleibt ein ethisches Paradox: Das Schwei­
gen muss gewahrt, manchmal jedoch gebrochen
werden. Den Extremfall des Bruchs kann man ge­
setzlich nicht regeln. Er bleibt eine Gewissensent­
scheidung.
Dazu gehört Mut. Für Johannes zu Eltz, katho­
lischer Stadtdekan in Frankfurt am Main, hat das
falsche Verschweigen immer mit Angst zu tun.
Angst haben und Angst machen. »Zur echten
Schweigepflicht gehört auch Geistesgegenwart.
Zum Beispiel, wenn ein Lebensmüder damit
droht, sich nach der Beichte umzubringen – die
Tür von innen versperren und den Schlüssel ver­
stecken bis Hilfe kommt.« Zu Eltz kennt eine sol­
che Beichtgeschichte und findet sie großartig.
»Die Androhung, etwas Schlimmes zu tun, ist
immer auch die Bitte, es nicht tun zu müssen.«
Deshalb sind Geständnisse und Beichten so wich­
tig: Sie ermöglichen Umkehr.
Hätte der Pilot Andreas L. umkehren können,
bevor er sich und 149 andere tötete? Ja. Aber nicht
aufgrund präventiver Verdächtigungen eines Thera­
peuten. Sondern nur, wenn L. einen Menschen in
seinen Plan eingeweiht hätte, der schweigen darf und
muss. Man hätte dem Piloten einen solchen Beistand
gewünscht, um seine Not, seine Angst, seine destruk­
tiven Fantasien auszusprechen. Dazu wäre Vertrauen
nötig gewesen. Es lässt sich durch Misstrauen nicht
erzwingen. Der evangelische Theologe Wolfgang
Huber sagt: »Im Rechtsstaat geht es nicht ohne Ver­
trauen. Vertrauen ist die von Hoffnung getragene
Erwartung, von denjenigen, auf die man vertraut,
nicht enttäuscht zu werden.«
Denn eine von Misstrauen und Angst be­
herrschte Gesellschaft funktioniert nicht. Das gilt
auch nach Abstürzen. Gegen die Angst aber lässt
sich etwas tun: die Freiheitsräume des Schweigens
verteidigen und professionelle Geheimniswahrer
nicht zur Denunziation verpflichten.
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Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Der Schurke
von gestern
Das lange verteufelte Cholesterin
wird in den USA rehabilitiert
Nur wenige Ernährungsregeln haben über
Jahrzehnte Bestand. Eine davon war: Zu viel
Cholesterin im Essen ist ungesund. Nun
wird dieser Fels des Diätwissens gesprengt.
Wie alle fünf Jahre hat das staatliche
amerikanische Beratergremium für Ernäh­
rungsrichtlinien (DGAC) neue Empfeh­
lungen abgegeben. Und, oh Wunder: Cho­
lesterin ist plötzlich kein Schurke mehr. Es
sei nicht mehr nötig, das mit Nahrungs­
mitteln aufgenommene Cholesterin zu
begrenzen, sagen die Experten.
Das bedeutet aber nicht, dass man den
Cholesterinspiegel im Blut nicht mehr kon­
trollieren muss. Denn schwappt dieser Stoff
zu lange und in zu hoher Konzentration in den
Adern, erhöht dies das Herzinfarkt­ und
Schlaganfallrisiko.
Wie erklärt sich
dieses Paradox? Ganz
einfach: Es ist nicht
das mit der Nahrung
aufgenommene Cho­
lesterin, das den Blut­
spiegel steigen lässt.
Vielmehr produziert
der Körper diesen an
sich lebenswichtigen Fettige Pommes
Stoff aus bestimmten bitte nur in
Nahrungsfetten selbst. Maßen genießen
Deshalb sollte man
zwar auf den Choles­
terinspiegel achten, muss aber nicht zu cho­
lesterinfreien Produkten greifen.
Gleichzeitig nehmen die amerikanischen
Ernährungswächter den nächsten Übeltäter
ins Visier: Zucker. Zum ersten Mal empfehlen
sie, Erwachsene sollten nicht mehr als zehn
Prozent ihrer Kalorien am Tag in Form von
zugesetztem Zucker zu sich nehmen. Doch
am Ende bringt es wenig, auf einzelne Fak­
toren wie Cholesterin oder Zucker zu starren.
Es kommt auf die Mischung an: von allem ein
wenig und nicht zu viel. Dieser Rat klingt zwar
langweilig, ist aber wirkungsvoll. Und er wird
auch die nächste Revision der Ernährungstipps
überstehen.
HARRO ALBRECHT
WISSEN
HALB
Zum Vergessen
Vor Kurzem wurde ein Paper veröffentlicht,
also ein Fachaufsatz. Darin stand: Es würden
zu viele Paper veröffentlicht. Tatsächlich
werden ihm allein in diesem Jahr noch
1 627 397 folgen, grob geschätzt. Und das
führe dazu, schreiben die Autoren, dass Pu­
blikationen nach immer kürzerer Zeit nicht
mehr von anderen Forschern zitiert würden
– einfach wegen Info­Überfluss. Die Arbeit
erlaubt aber auch zwei Schlüsse auf mögliche
tiefer liegende Phänomene. Erstens: Das
Wissen explodiert in einem Maße, dass
Erkenntnisse nach immer kürzerer Zeit ver­
alten. Zweitens: Die Qualität wissenschaft­
licher Arbeiten implodiert in einem Maße,
dass Vergessen oft das Beste ist.
SAM
Zeit vom 9.4.2015, Seite 34.pdf
34 WISSEN
9. APRIL 2015
D I E Z E I T No 15
Die Orte des
Das Vertrauen in den Arzt ist
zentrale Voraussetzung
einer erfolgreichen
Therapie.
Was aber, wenn es
untergraben
wird?
Am Bankschalter
In den vergangenen Jahren ist das Bankgeheimnis ins Wanken geraten.
Doch neugierige Behörden sind längst nicht mehr die größte Gefahr
D
Foto [M]: Your Photo Today
ie Hamburger Kaufleute wollten Sicherheit für ihr Geld, aber sie mussten drängeln, bis die Hansestadt 1619 beschloss,
die Hamburger Bank zu gründen. Die florierte
schnell. Doch natürlich wollte kein Kaufmann,
dass der andere davon erfuhr, wie viel er selbst besaß oder welche Geschäfte er machte. Schutz bot
hier Punkt 6 der Satzung: Da hieß es, allen Mitarbeitern sei es »bei ihrem geleisteten Eyde und
höchster Strafe verboten, Niemandem, was in
Banco passiret und geschrieben wird, zu offenbaren«. Das deutsche Bankgeheimnis war geboren.
Wie ernst das Schweigen über Geldfragen einst
genommen wurde, zeigt eine Vorschrift Friedrichs
des Großen, als dieser 1765 in Preußen die Königliche
Giro- und Lehn-Banco gründete. Darin verbot der
Alte Fritz allen Bürgern »bei Unserer Königlichen
Ungnade«, den Finanzen anderer nachzuforschen;
zugleich durften die Mitarbeiter nichts offenbaren.
»Zu dem Ende sollen sie bey Antretung ihres Amtes
besonders schwören, daß sie alle die Geschäfte, die
sie als Bediente der Banco unter Händen haben
werden, als das größte Geheimniß mit in ihre Grube
nehmen werden.« Vertraulichkeit galt bis in den Tod.
Ob jemand wild spekulierte oder der Geliebten Geld
zukommen ließ: Der Bankier wurde zum Inbegriff
des verschwiegenen Vertrauensmannes. Das nutzte
dem Kunden, der Bank und auch dem Staat: Nur
dort, wo Vertrauliches geheim blieb, ließen sich
Händler, Unternehmer und Reiche nieder.
So sehr Banken auch bis heute mit dem Bankgeheimnis werben – nie wurde es in Deutschland in
einem Gesetz festgehalten, somit »nie so ganz gewürdigt«, wie Thorsten Höche, Chefsyndikus beim
Bundesverband deutscher Banken, mit Bedauern
anmerkt. Das Bankgeheimnis ist eine vertragliche
Zusicherung der Banken gegenüber ihren Kunden.
Der Staat muss es respektieren, doch wenn nötig,
kann er im klar definierten Rahmen Einsicht verlangen. Deshalb dürfen Banker in Zivilverfahren die
Auskunft verweigern, nicht aber in Strafverfahren.
Das Problem: Im Schutz des Bankgeheimnisses
lässt sich mauscheln. Verbrechen braucht Geld, Verbrechen schafft Geld – und wie soll der Staat diesem
Geld auf die Spur kommen? So haben sich Regierun-
gen weltweit immer neue Zugriffsrechte gesichert.
Zunächst ging es gegen die Organisierte Kriminalität,
nach 2001 gegen den Terrorismus und seine Finanziers. Zu guter Letzt gegen die Steuerhinterzieher.
Selbst die Schweiz, wo das Bankgeheimnis gesetzlich
verankert ist und zum nationalen Selbstverständnis
gehört, schließt sich dem automatischen Informationsaustausch an, der ab 2017 eine internationale
Zusammenarbeit der Finanzbehörden ermöglicht.
Um der Strafe zu entgehen, zeigten sich 2014 fast
40 000 deutsche Steuerhinterzieher selbst an. Dies
verhalf einem Verwandten des Bankgeheimnisses zu
neuer Popularität: dem Steuergeheimnis. Es gilt offiziell für Behörden, im Alltag aber auch für Heiko
Hoffmann von der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft.
Der Steuerberater hilft Mandanten seit zwanzig
Jahren bei Selbstanzeigen. Oft erfährt er Dinge, von
denen nicht einmal die Ehefrau weiß. Mandanten
empfängt er in einem abgeschlossenen Bereich seines
Büros, jedes Papier landet im Schredder, der Schreibtisch muss immer leer sein. Auf Hoffmann ist Verlass:
»Bei meinen Fällen waren auch häufig sehr große
Vermögen, sehr prominente Mandanten dabei, doch
kein Fall ist jemals nach außen gedrungen.«
Und das Bankgeheimnis – ist es mausetot, wie
EU-Steuerkommissar Algirdas Šemeta behauptet?
Solche Sätze, findet Syndikus Höche, offenbarten
»ein konservatives Verständnis von Geheimnis«, das
nur den Blick des Staates durchs Schlüsselloch berücksichtige. Dabei gehe es immer stärker um den
Schutz der Bürger vor Dritten. »Wir bezahlen heute
nicht mehr mit Geld, sondern mit unseren Daten«,
sagt Höche. Und gerade Finanzdaten seien sehr relevant, »wenn Sie wissen wollen, was ein Mensch macht
oder machen könnte«. Statt gegen den Staat verteidigen Banken die Daten ihrer Kunden heute vielmehr
gegen Facebook, Google und Apple. Zugleich greifen
gerade unzählige neue Firmen die Banken an, mit
schicken Überweisungs-Apps und digitalen Geldanlagen. Noch sind sie klein, aber sie wachsen schnell.
Was eine ganz neue Frage aufwirft: Stirbt das Bankgeheimnis, wenn die Banken sterben? ARNE STORN
Der Autor ist studierter Volkswirtschaftler und
Redakteur im Wirtschaftsressort der ZEIT
Im Sprechzimmer
In der Psychiatrie
Was Arzt und Patient miteinander besprechen, steht unter besonderem Geheimnisschutz.
Doch hermetisch abgeriegelt ist dieser Raum nicht
Therapeuten von Straftätern müssen beständig abwägen: Was behalten sie
für sich, was berichten sie Behörden und Gerichten?
Ü
ber manche Krankheiten spricht man ungern. Würde eine Diagnose wie Krebs,
Alkoholabhängigkeit oder Depression öffentlich bekannt, der Patient wäre wohl stigmatisiert. Die Indiskretion könnte ihn sogar den Arbeitsplatz kosten. Ohne die ärztliche Schweigepflicht könnte niemand mehr beim Doktor unbefangen über Beschwerden und Probleme sprechen.
Das ärztliche Schweigen ist aus diesem Grund
in der Musterberufsordnung für Ärzte streng geregelt. In Paragraf 9 heißt es: »Ärztinnen und Ärzte haben über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft
als Ärztin oder Arzt anvertraut oder bekannt geworden ist – auch über den Tod der Patientin oder
des Patienten hinaus –, zu schweigen.«
Doch schon der folgende Absatz relativiert: »Die
Ärztinnen und Ärzte sind zur Offenbarung befugt,
soweit sie von der Schweigepflicht entbunden worden
sind oder soweit die Offenbarung zum Schutze eines
höherwertigen Rechtsgutes erforderlich ist.«
Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und
Patient wird also zweitrangig, wenn Dritte gefährdet sind. So müssen laut Infektionsschutzgesetz
Fälle von ansteckenden Krankheiten wie Cholera
namentlich gemeldet werden. Anders ließe sich die
Ausbreitung der gefährlichen Keime nicht verfolgen und stoppen. Die Ansteckungsgefahr durch
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HIV ist deutlich geringer, deshalb genügt eine
anonyme Meldung an die Gesundheitsbehörden.
1999 aber entschied das Oberlandesgericht Frankfurt, dass ein Arzt die bis dahin ahnungslose Gattin eines Aids-Patienten informieren durfte, nach-
dem der Patient erklärt hatte, auch weiterhin
kein Kondom benutzen zu wollen.
Wenn ein Patient im Sprechzimmer mitteilt, dass er andere Menschen körperlich zu
schädigen beabsichtige – infizieren, verletzen
oder gar töten –, muss der behandelnde Arzt
nach Paragraf 34 des Strafgesetzbuches einen
rechtfertigenden Notstand geltend machen,
seine Schweigepflicht brechen und notfalls die
Polizei informieren.
Sollte sein Patient aber lediglich über Suizidgedanken sprechen – Alltag in der psychiatrischen Praxis –, bewegt sich der Arzt in einer
Grauzone. Er muss entscheiden, was überwiegt:
der grundgesetzlich gewährleistete Schutz des
persönlichen Lebens- und Geheimnisbereichs
oder die Gefahr für andere.
Nicht jeder Anflug von Lebensmüdigkeit ist
ein guter Grund für eine Zwangseinweisung zum
Schutz der Mitmenschen. Im Gegenteil: Gewohnte Strukturen in der Arbeit können die Betroffenen stabilisieren. Und umgekehrt kann jemand am Morgen noch halbwegs munter sein
Haus verlassen und dann mit einer Situation
konfrontiert werden, die ihn dazu bringt, aus dem
Fenster zu springen. Die Frage, inwieweit Patienten eine Gefahr darstellen, zwingt Ärzte also
immer wieder, sorgfältig abzuwägen.
Wie viel Restrisiko für die Gesellschaft zumutbar ist und wann übergeordnete Interessen
die Schweigepflicht zunichtemachen, diskutieren Juristen und Ärzte immer wieder. Etwa bei
Kindesmisshandlungen. Hier muss zum Wohl
des Kindes abgewogen werden: Wann muss der
Arzt die Behörden einschalten? »In solchen
Fällen hängt es häufig von der Schwere der Verletzungen ab, wie entschieden wird«, sagt Markus Rothschild, Direktor des Instituts für
Rechtsmedizin der Universität Köln.
Wie aber ist es bei psychischen Erkrankungen,
sollte man für Depressive und Schizophrene, für
Borderliner und Angstgestörte nicht eine
Meldepflicht einführen, ähnlich der des Infektionsschutzgesetzes? »Ohne Schweigepflicht ist
die Psychotherapie tot«, meint der Psychiater
Birger Dulz von der Hamburger Asklepios Klinik
Nord. Und dann müsse sich die Gesellschaft fragen, wie sie mit all den psychisch Angeschlagenen
umgehen wolle, die sich aus Furcht einer Therapie
entzögen und die mit einer Behandlung ein
normales Leben führen könnten.
Allein die Häufigkeit von psychischen Störungen lässt die Einführung einer solchen
Praxis, die einer Aufhebung der Schweigepflicht
gleichkommt, absurd erscheinen. Rund ein
Fünftel der Bevölkerung erleidet im Leben eine
depressive Episode, 15 Prozent der Bevölkerung
haben eine Persönlichkeitsstörung, davon
zeigen 5 Prozent eine Borderline- und 6 Prozent eine narzisstische Störung. Eine Gefahr für
andere stellen die wenigsten von ihnen dar. Es
gibt jährlich rund 10 000 Suizide in Deutschland, aber nur in extrem seltenen Fällen bedrohen solche Menschen damit das Leben anderer
– weit häufiger geht die Gefahr von »gesunden«
Menschen aus.
Gerade im Sprechzimmer gilt: Eine liberale
Demokratie muss eine gewisse Restunsicherheit
ertragen. Doch dieses Risiko, das in der Verantwortung des Arztes liegt, erscheint vielen nun
zu groß. Menschen, die ein Meldegesetz forderten, sagt Dulz, litten oft selbst an einer »inneren
Unstrukturiertheit«, die sie durch rigide äußere
Strukturen festigen müssten. »Mit einem Piloten, der wegen psychischer Probleme – welcher
Art auch immer – in psychotherapeutischer
Behandlung ist«, sagt Dulz, »fliege ich ohne
Probleme. Ist er nicht in Behandlung, steige ich
lieber aus.«
HARRO ALBRECHT
Bevor er Medizinredakteur wurde, hat der
Autor als Arzt praktiziert
N
ehmen wir an, ein Mann will seine Nachbarin vergewaltigen. Das stellt er sich schon
lange vor, aber besonders, seit er wegen eines anderen Gewaltverbrechens eingesperrt ist. Die
Richter haben ihn für schuldunfähig befunden und
in einer forensisch-psychiatrischen Klinik untergebracht. Hier soll er gebessert werden.
Die Therapeuten trainieren mit ihm nun soziales
Verhalten. Der Mann ist nicht dumm. Er weiß, dass
er die Ärzte von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbunden hat – das ist Alltag im Maßregelvollzug. So
sichern sich die Therapeuten ab. Denn anders als ihre
freien Kollegen haben sie nicht nur den Auftrag,
Krankheit zu lindern, sondern auch eine ordnungspolitische Funktion: Sie schützen die Gesellschaft vor
gefährlichen Straftätern.
Unser Mann weiß also, er muss auf der Hut sein.
Alles, was zwischen ihm und dem Therapeuten – in
einem per Gesetz definierten vertraulichen Gespräch
– besprochen wird, ist nicht wirklich vertraulich, es
beeinflusst seine Kriminalprognose. Wenn er jetzt
von seinen Zwangsvorstellungen berichtet, gar eine
Straftat ankündigt, ist der Psychiater verpflichtet, dies
den Richtern der Strafvollstreckungskammer mitzuteilen.Warum also sollte er darüber reden? Und wie
soll umgekehrt einer therapiert werden, wenn er das,
was ihn umtreibt, für sich behält? »Dass da irgendwelche geheimnisvollen Dinge offenbart werden, so
etwas passiert ja in einer vernünftig betriebenen Behandlung nicht«, sagte der forensische Psychiater
Rüdiger Müller-Isberner einmal vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags. Also kein Problem?
Man mag einwenden, dass der Mann ohnehin nie
von seinen Fantasien erzählen würde. In einer vollumfänglichen Vertraulichkeit wäre dies aber immerhin denkbar. In der Realität gibt es die aber nicht –
jedenfalls nicht für Straftäter. Der Psychologe Markus
Feil sieht die Praxis, in der die Aufhebung der Vertraulichkeit zur Bedingung für eine forensische Psychotherapie geworden sei, kritisch. Psychotherapeuten redeten eher mit der Polizei über die Patienten,
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
als zu schweigen. Das mag dem Opferschutz dienen,
doch was ist mit dem Schutz des Patienten? »Für den
forensischen Bereich scheint nicht (mehr) zu gelten,
was Kernstück ärztlicher Berufsethik ist: Vertraulichkeit«, schreibt Feil in Recht und Psychiatrie.
Dieser Konflikt sei in forensischen Psychotherapien zentral. Therapeuten müssten »immer auf den
Aspekt der Gefährlichkeit hören und entscheiden,
ob sie das Mitgeteilte noch in der Behandlung zu
bearbeiten in der Lage sind oder ob sie sich offenbaren müssen«. Das Doppelmandat macht den
Therapeuten in der Forensik zum Diener zweier
Herren. Er muss jedes Mal aufs Neue entscheiden,
wem er sich mehr verpflichtet fühlt. Das kann zur
Zerreißprobe werden, auch wenn in der Praxis krasse Fälle eher selten sind. Meist tauchen Fragen auf
wie: Sag ich dem Bewährungshelfer, dass der Patient
alkoholisiert zur ambulanten Therapie erschien? So
ist es für den Patienten immer eine Lotterie, ob er an
einen unsicheren Therapeuten gerät, der jede Kleinigkeit an die Behörden durchfunkt, oder einen selbstbewussten, der bereit ist, die Intimsphäre zu wahren
und nur wirklich Strafrelevantes weiterzugeben.
Hans-Ludwig Kröber, forensischer Psychiater in
Berlin, sieht hingegen »nur wenige Probleme mit der
Schweigepflicht«. Da kein Patient freiwillig im Maßregelvollzug sei und es sich um »eine staatlich angeordnete Zwangstherapie« handle, müsse die Klinik
darüber eben auch berichten. Das könne sogar ein
Vorteil für den Patienten sein, denn so sei die Klinik
besser zu kontrollieren, und das Gericht könne kompetenter entscheiden, »wann Schluss sein kann mit
der Freiheitsentziehung«. Doch eines müsse allen
Therapeuten klar sein: Ȁrzte sind nicht Agenten der
öffentlichen Sicherheit, sie sind allein dem Wohl
ihres Patienten verpflichtet. Der Sicherheitswahn darf
nicht so weit gehen, dass sie vor allem staatliche
Wächter des Wohlverhaltens sind.« DANIEL MÜLLER
Der Autor ist Gerichtsreporter und Redakteur
im Investigativressort der ZEIT
Zeit vom 9.4.2015, Seite 35.pdf
9 . A P R I L 2015
WISSEN 35
D I E Z E I T No 15
Schweigens
Das Beichtgeheimnis soll den
Sünder dazu ermutigen,
sich zu seinen Taten
zu bekennen.
Was aber, wenn es
missbraucht
wird?
Im Beichtstuhl
Die Kirche hat schon im 13. Jahrhundert den Datenschutz eingeführt.
Er war aber nicht nur Fürsorge-, sondern auch Machtinstrument
or ein paar Wochen benahm Papst Franziskus sich wieder einmal ganz und gar unpäpstlich. Er ließ sich dabei beobachten, wie
er zu Beginn des Gottesdienstes im Petersdom in
einen Beichtstuhl schlüpfte. Der Vatikan schickte
die Bilder per Twitter an die Weltgemeinde, und
die fragte sich, was Franziskus seinem Beichtvater
wohl anvertraut haben könnte. Doch die Botschaft
war diese: Selbst der Stellvertreter Christi ist fehlbar und bittet um Vergebung seiner Sünden.
Und die zweite Botschaft: Was hier gesagt
wurde, wird niemals nach draußen gelangen.
Die geistliche Schweigepflicht besteht bereits
seit dem 13. Jahrhundert, als die Wahrung des
Beichtgeheimnisses in das Kirchenrecht aufgenommen wurde. Sie ist sozusagen die älteste
Datenschutzvorschrift in der Rechtsgeschichte
und ursprünglich auch ein Meilenstein in der Geschichte der christlichen Seelsorge.
Dennoch, zur Beichte zu gehen gilt in der Gegenwart selbst unter gläubigen Katholiken nicht
als zeitgemäß. Zudem schrumpfen die Gemeinden
und schwinden die Priesterzahlen. So wird der
Beichtstuhl in vielen Kirchen schon zum diskreten
Abstellraum für Staubsauger und Putzeimer.
Darüber hinaus lebt die Kammer der Diskretion im kollektiven Gedächtnis vor allem als Möbel
der angedrohten Todsünde weiter. So wenigstens
sieht es der englische Kirchenhistoriker und Publizist John Cornwell. Das heilige Sakrament der
Beichte sei zu einem »unheilvollen Machtinstrument« der Kirche geworden, meint Cornwell:
»Der Beichtstuhl hat zahllose Geistliche dazu verführt, ihre Position als Retter vor der Todsünde
auszunutzen und vor allem Kinder seelisch und
sexuell zu missbrauchen.« Cornwell, der am Centre for Advanced Religious and Theological Studies
der Universität Cambridge forscht, begründet seine These so: Gleichzeitig mit der Einführung der
Schweigepflicht wurde es zur Todsünde, nicht regelmäßig zur Beichte zu gehen.
Bei den Protestanten gibt es das Seelsorge- und
Beichtgeheimnis ebenso – aber es ist freiwillig, nicht
mit Zwang und Strafe verbunden und auch nicht
zwingend an einen ordinierten Geistlichen gebunden.
A
Die Beichte abnehmen kann jeder Christ. Für Martin
Luther war sie ein »Schatz«, der ein »fröhliches Gewissen macht«, ein Raum der seelischen Entlastung.
Anders bei den Katholiken: Als die Kirche Anfang
des vergangenen Jahrhunderts den Beichtgang zur
wöchentlichen Pflicht erhob, die auch von Kindern
ab dem siebten Lebensjahr einzuhalten war, wurde
der Beichtstuhl zur »Folterkammer«, in der Kinder
mit dem Höllenfeuer bedroht wurden, obgleich sie
geistig und emotional noch gar nicht in der Lage
waren, zu verstehen, wovon die Rede war.
Der Beichtstuhl ist aber auch ein Schutzraum für
die Täter: Als eindrückliches Beispiel nennt Cornwell
den Fall eines australischen Priesters, der 2003 wegen
Kindesmissbrauch vor Gericht stand und während
der Verhandlung gestand, sich im Laufe von 25 Jahren an 1500 Jungen vergangen zu haben. Jeder der
dreißig Priester, denen er seine Verbrechen gebeichtet
hatte, riet ihm einzig, im Gebet Buße zu tun.
Nun hat Franziskus sich vorgenommen, auch
diese Sünden seiner Institution nicht länger unter
den Teppich zu kehren. Der Papst will das heilige
Sakrament selbst restaurieren. Die Beichte dürfe
»weder Folter noch unangenehmes Verhör sein«, erklärte er kürzlich. Stattdessen müsse es sich »um eine
befreiende und menschliche Begegnung handeln, die
zur Barmherzigkeit erzieht«. Die Beichtväter rief der
Papst dazu auf, die Beichte nicht als einseitiges Geschehen zu betrachten, sondern von der Reue zu
lernen, die ihnen im Beichtstuhl begegne. »Wer die
Beichte abnimmt, muss sich stets fragen, ob er selbst
auch zu einer solchen Umkehr bereit ist, wie derjenige, der bei ihm um Vergebung seiner Sünden bittet.«
Im Zeitalter von Twitter und Facebook befriedigen
viele ihren ganz persönlichen Bekenntnisdrang
mittels Smartphone. Das virtuelle peccavi wird
eine öffentliche Angelegenheit. Genau wie in den
Jahrhunderten vor der Einführung des Beichtgeheimnisses, als die Menschen noch vor versammelter Gemeinde ihre Sünden bekennen mussten.
Bevor ihnen – wenn sie Glück hatten – vom Kollektiv vergeben wurde.
JOHN F. JUNGCLAUSSEN
Foto [M]: Carlos Osorio/The Toronto Star/corbis
V
Der Autor hat soeben John Cornwells Buch
»Die Beichte – eine dunkle Geschichte« rezensiert
Im Gerichtssaal
In der Redaktion
Der Strafverteidiger hat das Recht, auch für Täter, von deren Schuld er weiß, den Freispruch zu erwirken.
Doch es gibt Fälle, in denen selbst ein Verteidiger sein Schweigen brechen darf
Manchmal greifen Journalisten auf Informationen aus anonymen Quellen zurück.
Aus gutem Grund müssen sie nicht preisgeben, von wem sie das Material haben
uch der Verteidiger muss über das, was
ihm im Rahmen eines Mandats anvertraut worden oder (beispielsweise durch
die Lektüre von Akten) bekannt geworden ist,
strengstes Stillschweigen bewahren.
Solange ihn sein Mandant nicht ausdrücklich
von der Verschwiegenheitspflicht entbunden
hat, hat er ein Zeugnisverweigerungsrecht und
darf deshalb – wenn er als Zeuge geladen ist –
nicht durch das Verhängen von Ordnungsgeld
oder durch Beugehaft zur Aussage vor dem
Staatsanwalt oder dem Richter gezwungen werden. Aufzeichnungen über das, was er von seinem Mandanten gehört hat, sind wegen des Beschlagnahmeverbots vor dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden sicher. Seine Gespräche,
seine Telekommunikation und seine gesamte
Korrespondenz mit dem Mandanten dürfen
nicht überwacht werden.
Verletzt der Verteidiger seine Verschwiegenheitspflicht, wird er bestraft, wenn der Mandant
einen Strafantrag stellt. Als Rechtsanwalt droht
ihm deshalb außerdem eine berufsrechtliche
Ahndung durch das Anwaltsgericht. Sogar nach
einem ihm gegenüber abgelegten und für glaubhaft gehaltenen Geständnis des Mandanten
bleibt der Verteidiger berechtigt, die Einstellung
des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts oder einen Freispruch zu erwirken. Seine
Aufgabe bleibt es, für den Mandanten das beste
erreichbare Ergebnis zu erzielen.
Je schwerer der Vorwurf gegen den Mandanten wiegt, desto geringer ist die Bereitschaft der
Öffentlichkeit, für das Schweigen des Verteidigers Verständnis aufzubringen und sich damit
abzufinden, dass mitunter auch ein geständiger
Mörder davonkommt.
Der staatliche Strafanspruch kann zum Beispiel daran scheitern, dass ein mit einem Verwertungsverbot belastetes Mordgeständnis wegen des Widerspruchs der Verteidigung aus dem
Beweisstoff ausgeschieden werden muss. So verhält es sich zum Beispiel, wenn die Polizei ein
Geständnis durch Folterdrohung erpresst oder
durch die Lüge erschlichen hat, der Vernommene werde bloß als Zeuge und nicht als Verdächtiger gehört. Solchermaßen gewonnene Geständnisse dürfen vom Gericht nicht verwertet
werden, auch wenn sie wahr sind. In diesen Fällen haben die Vernehmungsbeamten – naheliegend durch Übereifer oder Ehrgeiz – den Freispruch also selbst herbeigeführt. Dergleichen zu
kompensieren kann nicht die Aufgabe der Verteidiger sein.
Den Konflikt, einem gefährlichen Mandanten zur Freiheit und damit auch zur Gelegenheit
zu verhelfen, neue Taten zu begehen, muss der
Verteidiger aushalten. Hat sich seine Befürchtung auch nach Jahrzehnten nicht erfüllt, gibt es
niemanden, der mit ihm die Erleichterung teilt.
Aber nicht immer wird der Verteidiger, der
die Verschwiegenheitspflicht bricht, bestraft.
Man stelle sich vor, der Verteidiger eines Entführers wüsste, wo sich das noch verschleppte
Entführungsopfer befindet, und es gelingt ihm
nicht, den Mandanten zum Aufgeben zu bewegen. Unter solchen Umständen dürfte er die
Verschwiegenheitspflicht brechen. Verpflichtet
wäre er dazu aber nicht.
Im deutschen Strafprozess gilt die Freiheit
der Beweiswürdigung. Der Richter darf – ohne
die Aufhebung seines Urteils durch das Revisionsgericht fürchten zu müssen – glauben, was
er will, solange es vertretbar ist, solange es auf
einer von ihm in seinem Urteil nachvollziehbar
dargestellten Tatsachengrundlage beruht, und so
lange der Richter nicht selber an den festgestellten Tatsachen zweifelt – selbst wenn die Unschuld des Angeklagten wahrscheinlicher erscheint als seine Schuld. Einem solchen Verfahren sollte sich niemand ohne einen Rechtsbeistand aussetzen. Seiner Aufgabe kann der
Verteidiger aber nur gerecht werden, wenn er
den wahren Sachverhalt kennt.
Wer sich den guten Glauben an die Unschuld
aller seiner Mandanten bewahren will, gleicht
dem Arzt, der kein Blut sehen kann, und sollte
sich vom Verteidigen besser fernhalten: Ohne
genaueste Kenntnis aller relevanten Tatsachen
kann kein Verteidiger dem Beschuldigten raten,
ob er gestehen, bestreiten oder schweigen sollte.
Selbst für einen Unschuldigen kann das
Schweigen nämlich manchmal der sicherste Weg
zum Freispruch sein. Kennt der Verteidiger aber
den wahren Sachverhalt nicht, so wird er auch
mit vermeintlich schlauen Fragen an Belastungszeugen und Sachverständige mehr Schaden als
Nutzen stiften.
Wenn aber der Beschuldigte dem Verteidiger
nichts anvertrauen kann, ohne absolut sicher zu
sein, dass der das Gehörte für sich behält und
nach dem Gesetz unter allen Umständen behalten darf, so wird er sich ihm auch nicht offenbaren. Damit seine Offenheit im Innenverhältnis nicht zur Falle für den Mandanten wird,
bleibt der Verteidiger berechtigt, auch für den
schuldigen Mandanten für den Freispruch zu
kämpfen. Er darf dies nur nicht mit der Lüge
tun, er selbst sei von der Unschuld seines
Mandanten überzeugt. Auf diese Beteuerung zu
verzichten sollte ihm umso leichter fallen, als es
darauf gar nicht ankommt.
Denn verurteilt werden darf ein Angeklagter
ohnehin nur, wenn die den Schuldspruch tragenden Tatsachen auf einem dem Gesetz
entsprechenden Wege Gegenstand der Hauptverhandlung geworden sind.
Gäbe es die Verschwiegenheitspflicht nicht
mehr, so könnte von wirksamer Verteidigung
nicht länger die Rede sein.
JOHANN SCHWENN
Der Autor hatte als Rechtsanwalt und Strafverteidiger schon viele prominente Mandanten
I
n der TV-Serie The West Wing, die im Weißen
Haus spielt, enthüllt der Reporter Greg Brock in
der New York Times eine Sensation: Das Pentagon verfügt über ein militärisch nutzbares Spaceshuttle. Brocks Quelle sitzt mitten im Weißen Haus,
ein hochrangiger Berater des Präsidenten. Als ein
Gericht versucht, den Reporter zur Offenbarung des
Informanten zu zwingen, weigert er sich. Dafür geht
er ins Gefängnis. Greg Brock ist ein Held.
Solche Helden gibt es auch in der Wirklichkeit.
James Risen ist so einer. Der Reporter der New York
Times hat 2006 geheime Informationen über eine
fehlgeschlagene CIA-Operation gegen das iranische
Nuklearprogramm veröffentlicht. Jahrelang versuchten Gerichte, ihn zum Verrat seiner Quelle zu
bewegen. Dem Gefängnis entging Risen nur, weil der
Generalstaatsanwalt frustriert aufgab. Wenn Journalisten sich zwingen ließen, Informanten preiszugeben,
sagt Risen, »erweckte das den Eindruck, sie könnten
zu Ermittlungswerkzeugen der Regierung gemacht
werden. Das würde die Integrität und Unabhängigkeit von Journalisten kompromittieren.«
Journalisten müssen schweigen können. Vor allem, wenn sie mit anonymen Informanten arbeiten.
In Deutschland ist es leichter als anderswo, die Vertraulichkeit zu wahren. Paragraf 53 der Strafprozessordnung gesteht uns ein Zeugnisverweigerungsrecht
zu; Ausnahmen sind Ermittlungen bei schweren
Straftaten wie Landesverrat. Redaktionsräume genießen einen ernst zu nehmenden, wenn auch nicht
vollkommenen Schutz vor Durchsuchungen.
Investigativer Journalismus, das Recherchieren
gegen Widerstände und mit dem Ziel, Missstände
aufzudecken, ist ohne anonyme Quellen fast unmöglich. So arbeiten wir in einem permanenten
Zwiespalt: Während wir für uns das Recht auf
Schweigen in Anspruch nehmen, suchen wir nach
jemandem, der Geheimnisse verrät. Dieser Geheimnisverrat kann sogar eine Straftat sein, und
wir Journalisten machen sie uns zunutze. Warum?
Weil es oft die einzige Möglichkeit ist, eine Wahr-
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
heit zu erfahren, die schwerer wiegt als die Straftat,
die ihre Enthüllung ermöglicht. Er überlege jedes
Mal genau, bevor er ein Geheimnis veröffentliche,
erklärte James Risen. Sei dadurch die Sicherheit
des Landes ernsthaft gefährdet, verzichte er darauf.
Oft habe er allerdings den Eindruck, es gehe der
Regierung weniger um nationale Interessen als
darum, eigenes Versagen zu vertuschen. James
Risen spricht aus Erfahrung. 2004 hat er enthüllt,
dass die US-Regierung Terrorverdächtige mit Waterboarding folterte.
Wir bei der ZEIT haben es mit kleineren Geheimnissen zu tun, trotzdem gilt Risens Gleichung auch
für uns. Wir haben Missstände in der Fleischindustrie
mithilfe anonymer Zuträger aufgedeckt. Wir haben
Einblicke ins Innere des Verfassungsschutzes durch
Insider erhalten. Haben geheime Al-Kaida-Dokumente analysiert, die uns von vertraulichen Quellen
verbotenerweise gezeigt wurden.
Wir Journalisten sehen uns gerne als Aufklärer im
Dienste des Guten. Manchmal sind wir das auch.
Häufig aber sind die Fronten weniger eindeutig, als
uns lieb ist – auch das gehört zur Wahrheit. Es gibt
Informanten, die nur genehme Teile einer Wahrheit
verraten oder darauf bestehen, dass wir in den Artikeln ihre eigenen Missetaten weglassen. Und es gibt
solche, bei denen wir nicht sicher sein können, ob sie
uns vor ihren Karren spannen wollen. Wie würden
Sie damit umgehen, wenn ein Informant, der
anonym bleiben will, Ihnen Beweise für das Fehlverhalten einer Firma überlässt, mit der er konkurriert?
Oder wenn ein Politiker Geheimnisverrat anbietet,
um dem politischen Gegner zu schaden?
Welche Deals und Kompromisse akzeptabel sind,
entscheiden wir im Einzelfall. Eines aber ist klar: Wir
tauschen keine Informationen, nicht mit Privatpersonen und schon gar nicht mit Sicherheitsbehörden.
Wir nehmen nur, wir geben nicht: Das sollte jeder
wissen, der mit uns spricht.
YASSIN MUSHARBASH
Der Autor ist Redakteur im Investigativressort der ZEIT
FEUILLETON
9. A P R I L 201 5
D I E Z E I T No 1 5
Zeit vom 9.4.2015, Seite 43.pdf
Ä
Wahrheit
D
ie erste Begegnung fand im
April 1938 in New York
statt, im Hause von Paul und
Hannah Tillich. Auch Siegfried Kracauer war anwesend.
Es war kein gewöhnliches
Treffen. Eher schon eine von
Walter Benjamin aus Paris diplomatisch vermittelte erste Fühlungnahme hochempfindlicher intellektueller Großmächte. Diese hatten sich bis dahin
misstrauisch beobachtet. Theodor Wiesengrund
Adorno, der über seine Frau Gretel erst in den
zwanziger Jahren die inspirierende Bekanntschaft
mit Benjamin gemacht hatte, war nicht frei von
Eifersucht auf dessen ältere und engere Freundschaft mit Gerhard Scholem, der großen Autorität
in Sachen jüdischer Mystik. Scholem, der seinen
Freund Benjamin in finanzieller Abhängigkeit von
dem im New Yorker Exil noch vergleichsweise
komfortabel überlebenden Institut für Sozialforschung wusste, wollte eigentlich von »diesen Leuten« nichts wissen. Insbesondere Horkheimer
mochte er nicht. Seine erste Meldung an Benjamin
über die Begegnung mit Adorno und seiner Frau ist
nüchtern: »Mit Wiesengrunds war ich einige Male
zusammen, sonst habe ich niemand von der Sekte
intimer gesprochen.«
Bei dieser Ausgangskonstellation ist das Ergebnis
des ersten Kontaktes überraschend. Dem direkten
Briefwechsel mit Adorno entnimmt man Scholems
freundschaftliche Aufgeschlossenheit und ein Interesse an der Fortsetzung des intellektuell anregenden
Gesprächs. Vonseiten Adornos gibt es am 4. Mai
1938 eine ausführliche und enthusiastische Schilderung für den auf Nachricht drängenden Benjamin.
Mit großem Respekt vor dem gelehrten Inhaber der
Schlüsselgewalt zu den hebräischen Quellen beschreibt Adorno die »schnoddrige Grazie« Scholems
und erfasst mit geradezu projektivem Spürsinn das
Thema, das die Melodie des nun beginnenden Briefwechsels bestimmen wird: »Es scheint mir von der
tiefsinnigsten Ironie, daß eben die Konzeption der
Mystik, die er (Scholem) urgiert, sich geschichtsphilosophisch als jene Einwanderung in die Profanität
darstellt, die er an uns für verderblich hält.«
Dass Adorno lange Passagen dieses Berichts über
die erste Begegnung fast drei Jahrzehnte später, zum
70. Geburtstag von Scholem, in der Neuen Zürcher
Zeitung wiederholt, ist dieses Mal nicht seinem Autorennarzissmus zuzuschreiben. Zu Recht erkennt er in
seinem Bericht retrospektiv »den Grundriß der späteren Erfahrung«. Er kann nach fast drei Jahrzehnten
auf den philosophischen Kern einer aufhaltsamen
Annäherung von zwei Intellektuellen zurückblicken,
die von Haus aus nicht füreinander bestimmt waren.
Adorno hatte damals, in New York, die Frage abstrakt
vorweggenommen, die sich als der rote Faden durch
ihre Korrespondenz hindurchziehen wird. Wie den
gemeinsamen Freund Benjamin interessiert die Briefpartner, aus jeweils verschiedener Perspektive, das
Schicksal des Sakralen nach der Aufklärung – ob und
wie es »in die Profanität einwandern« kann.
Das Hellseherische einer solchen Antizipation, die
in einem langsamen Prozess der Annäherung erst
Schritt für Schritt eingeholt wird, möchte man eher
einer körperlosen Intelligenz zuschreiben. Diese Qua-
Zwei große Denker und ihre ungewöhnliche Freundschaft:
Der soeben erschienene Briefwechsel von Theodor W. Adorno
und Gershom Scholem ist eine Sternstunde deutsch-jüdischer
Geistesgeschichte VON JÜRGEN HABERMAS
lität ist für den Menschen Adorno charakteristisch. Kontakt mit den mystischen Unterströmungen der
Entspannt war er nur im engsten Kreise und wirklich drei großen monotheistischen Religionen verloren
frei nur an seinem Schreibtisch. Diese verletzbare Per- gegangen war, eine außeralltägliche, mystisch begabson behielt Zugang zur eigenen Kindheit und war te Person erkennen. Meine Frau und ich erinnern die
gleichzeitig mehr als bloß erwachsen. Sie lebte über- erregte Faszination, die gewisse Andeutungen von Lisa
wach und ängstlich, gleichsam mit schützend vorge- Fittko, der Begleiterin Benjamins beim letzten Marsch
streckter Hand, sowohl diesseits wie jenseits einer über die Pyrenäen, noch in den siebziger Jahren bei
Normalität, an der wir anderen unseren Halt haben. Scholem auslösten. Beharrlich glaubte er an die BotScholem war ein Teil dieser Normalität, auch wenn schaft des vermeintlich ausgearbeiteten Passagener – mit seinen großen abstehenden Ohren – aus ihr Werks, das nun in Benjamins Aktentasche in Portbou
als Person und Gelehrter herausdoch noch aufzufinden sein
würde. Es handelte sich um jeragte. Zur einzigartigen Kombines geschichtsphilosophische
nation aus »Scharfsinn, abgrünWerk über Paris im 19. Jahrdig spekulativem Hang und
hundert, an dem Benjamin
Breite der gelehrten Kenntnis«,
jahrelang gearbeitet hatte.
die Adorno an ihm entdeckt,
Benjamin ist es, der seine
kamen spontane Neugier und
beiden überlebenden Freunde
eine ebenso quicke wie verin einem ergriffenen Auftrag
schmitzte Ironie hinzu. Seine
zusammenschmiedet. Schon
Vorliebe fürs Heterodoxe breitebald ist zwischen ihnen, vor jete Scholem mit trockener Berlider greifbaren Chance, von
ner Chuzpe aus. Ihm selbst lag
»Gesammelten Schriften« die
am »Unfeierlichen« seines HaJürgen Habermas, 85, kannte
bitus – im Gegensatz zu der
beide gut: den Philosophen
Rede. Beide wollen das AndenPrätention, die sich schon in
Theodor W. Adorno (1903–
ken und das Werk eines Autors
1969) und den ReligionswisAdornos artikuliertem Sprachretten, der im Nachkriegssenschaftler Gershom Scholem
deutschland vollständig verduktus auf das Natürlichste aus(1897–1982), der als Gerhard
drückte. Scholem ist von den
gessen war. Dieses Bündnis wird
Scholem in Berlin geboren
beiden die »weltliche« Natur. Er
durch den gemeinsamen Abwurde und seit 1923 in Israel
stand zu anderen Geistern, die
behält auch in Konflikten den
lebte. Habermas wurde 1956
Benjamins Gestirn ebenfalls
Überblick und wird im Februar
Adornos Assistent am Frankumkreisten, erleichtert. Dem
1968 Adorno, als dieser auf die
furter Institut für Sozialforeinen ist beispielsweise Benjaunverdienten Vorwürfe, Benjaschung und sein bedeutendster
mins Beziehung zu Brecht so
mins Nachlass manipuliert zu
Schüler. Seit Anfang der siebsuspekt wie dem anderen. Aus
haben, hilflos reagiert, die
ziger Jahren waren Habermas
ihrer Sicht teilte Benjamin mit
richtigen pragmatischen Ratund seine Frau zudem mit
Brecht vorübergehend ein unschläge geben.
Scholem befreundet.
Der Briefwechsel ist ein weidialektisch-robustes Verständnis
Jetzt erscheint die Korresponteres Dokument einer Sternvon Marxismus, den er »wie
denz von Adorno, dem
eine Pille« geschluckt habe.
stunde deutsch-jüdischer Geiskritischen Theoretiker, und
Adorno gesteht, »Benjamins
tesgeschichte – nach dem HoScholem, dem Erforscher der
Liebe zum Materialismus imlocaust. Die sorgfältigen Komjüdischen Mystik: »›Der liebe
mer für unglücklich gehalten«
mentare des Herausgebers Asaf
Gott wohnt im Detail‹. BriefAngermann aus dem von Jan
zu haben; in der gleichen Sache
wechsel 1939–1969«; hrsg. v.
Philipp Reemtsma geleiteten
hatte Scholem selbst bereits
Asaf Angermann; Suhrkamp,
Adorno-Archiv rufen das verBenjamin »eine intensive Art
Berlin 2015; 548 S., 39,95 €.
zweigte Beziehungsnetz einer
Selbstbetrug« vorgeworfen.
Die 200 Briefe sind ein
Nach dem freundschaftgroßen Generation deutsch-jüeinzigartiges Zeugnis in der
lichen Auftakt jener ersten Bedischer Intellektueller in ErGeschichte des Denkens.
gegnung in New York verlief
innerung – mitsamt den KonImmer wieder kreisen sie um
der Briefwechsel zunächst
kurrenzen und Bosheiten jener
den Freund Walter Benjamin,
kleinen akademisch-literarischen
schleppend. 1942 lässt Adorno
der 1940 auf der Flucht vor
Welt, in der Ernst Bloch und
einen Brief, mit dem ihm Schoden Nazis Selbstmord beging.
Georg Lukács, Martin Buber
lem erwartungsvoll ein engliund Siegfried Kracauer, Helsches Exemplar seines großen
Buches über die Hauptströmuth Plessner, Hannah Arendt
und Herbert Marcuse Tür an Tür wohnten. Erst vier mungen der jüdischen Mystik geschickt hat, sogar
Briefe sind gewechselt, als am 8. Oktober 1940 Ador- drei Jahre lang unbeantwortet. Erst nach mehrfachen
no an Scholem melden muss: »Walter hat sich also Mahnungen entschuldigt er sich mit einer kurzen
getötet, nachdem er schon gerettet war.«
Bemerkung zum allerdings zentralen Kapitel über
Beide Freunde sind an den esoterischen Geist den Mystiker Luria von Safed; er beteuert, das Buch
Benjamins fixiert. Adorno sah in ihm den Inspirator, »immer wieder« gelesen zu haben. In der Weiterfühin dessen Worten die theologisch-materialistischen rung der Korrespondenz ist Scholem der HartnäKeime seiner eigenen negativen Dialektik angelegt ckigere. Aber nur ein Drittel der Briefe stammt aus
waren. Scholem hingegen sah sich eher im Schatten den ersten beiden der insgesamt drei Jahrzehnte
Benjamins. In ihm wollte er, nachdem jeder wirkliche währenden Korrespondenz, die 1969 mit Adornos
Ein guter Freund
43
Mit Live-Streaming-Apps wird die
Gegenwart jetzt noch wirklicher
Kritischer Gesellschaftstheoretiker:
Theodor W. Adorno
Alles andere als ein Atheist:
Gershom Scholem
Attentatsplaner und Pazifist
Zum Todestag des großen
Dietrich Bonhoeffer: eine
Hommage von Heinrich
Bedford-Strohm S. 56
Da sind
wir dabei
Fotos [M]: ullstein (o. l.), akg-images, Isolde Ohlbaum/laif (u.); Abb.: Periscope
Vom
Funken der
Heimat Schrottplatz
Antonia Baums cooler,
herzzerreißender Roman
über die Jugend dreier
Halbwaisen S. 47
unerwartetem Tod endet. Erst als Adorno Suhrkamp
für eine Ausgabe Benjaminscher Schriften gewonnen
hat, nimmt der Briefwechsel Fahrt auf. Denn bei der
Vorbereitung der beiden bräunlichen, 1955 endlich
erscheinenden Bände sind die Adornos auf Scholems
Hilfe angewiesen. Als dann Adorno und Scholem mit
der hartnäckigen Suche nach Benjamins Briefen ihre
editorische Zusammenarbeit – auf den verwehten
Spuren weltweit verstreuter Emigrantenschicksale –
auch formell aufnehmen, gewinnt der briefliche Austausch Tempo und ein eigenes Gewicht.
Adorno und Scholem verstanden sich als Testamentsvollstrecker; tatsächlich waren sie Lobbyisten. Die wieder aufgelegten Bücher, Benjamins
Berliner Kindheit und seine Einbahnstraße, waren
kein Erfolg. Erst mit der Publikation der Schriften
fand der verschollene Autor Aufmerksamkeit. Aber
dazu hatte der Verleger Suhrkamp mit einem alternativen Angebot von C. H. Beck erpresst werden
müssen. Die Briefpartner beobachten ungeduldig
Auflagenhöhe und Absatz und halten sich scharfzüngig über die Rezensionen auf dem Laufenden.
Mit eigenen Interpretationen und Erinnerungen
arbeiten sie an der Konstruktion eines öffentlichen
Bildes von Walter Benjamin, das alsbald die Fantasie einer breiteren Leserschaft beflügelt. Nie ist das
Werk eines Autors im Zuge seiner Rezeption so
unmittelbar mit der umwitterten Lebensgeschichte
und den politischen Umständen seines tragischen
Todes verschmolzen. Am Ende spricht Adorno
von Benjamins »Nimbus« – selbst erstaunt über
den unerwarteten Erfolg.
S
cholem ist der härteste Kritiker der Legende von der »deutsch-jüdischen Symbiose«. Ein öffentlicher Auftritt in der
Bundesrepublik ist für ihn bis 1956 undenkbar. Bei seinem ersten Vortrag bittet
er seinen Frankfurter Gastgeber ausdrücklich darum, mit »Gershom Scholem« und nicht mit dem
vertrauteren deutschen Vornamen angekündigt zu
werden. Aber nach diesem Auftritt gibt er seine Zurückhaltung auf. Auch die gelegentlich berührte
Spannung zwischen Israelis und den in der Diaspora lebenden Juden steht den immer häufigeren Besuchen Scholems nicht mehr im Wege. In der brieflichen Anrede weicht der förmliche »Herr« dem
»lieben Adorno«, während in der freundschaftlich
variierten Grußformel »Ihr alter Scholem« zur Regel
wird. Der Ton wird intimer, am Ende herzlich. Das
Rettungsmotiv »Benjamin« hat gewiss die Dynamik
des Briefwechsels bestimmt. Aber dieser setzt sich
aus eigenem Antrieb fort. Das von Anbeginn mitlaufende Thema verleiht auch unabhängig von
Benjamin diesem Dokument der Zeitgeschichte
philosophische Substanz.
Adorno und Scholem sind an dem möglichen
Wahrheitsgehalt interessiert, den die monotheistischen Überlieferungen unter Bedingungen der
Moderne noch entfalten können. Sie suchen nicht
nach mythischen oder vorsokratischen Ursprüngen.
Der Mythos, den der Logos der großen Weltreligionen überwunden hatte, darf nicht »das letzte Wort
behalten«. Nietzsche ist abwesend, und der SchwefelFortsetzung auf S. 44
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
rgerlich, da passiert Weltgeschichte,
und man kriegt es nicht mit. Kriege
brechen aus, aber man war im Büro,
Regierungen stürzen, während man den Abwasch macht. Die digitale Revolution hätte
man auch fast verschlafen, aber das passiert
einem nicht noch mal. Nie mehr late adopter!
Die Angst, nicht auf dem Laufenden zu sein,
ist so verbreitet, dass sie schon einen Eigennamen hat: Fomo, ein Akronym aus fear of
missing out. Wahrscheinlich erklärt sie auch
die Geschwindigkeit, mit der die Live-Streaming-App Periscope Verbreitung fand, seit
Twitter sie auf den Markt brachte. Man
kann damit Livebilder von allem ins
Netz senden, was einem vor die Handykamera kommt, und
sich ansehen, was andere Leute gerade filmen. Potenziell kann
also jeder überall dabei sein. Fixe Bedeutungsträger waren
sofort auf Sendung:
Nicolas Sarkozy ließ
Wahlkampfauftritte Ein Stück Welt,
übertragen, Jan Böh- live gesehen durch
mermann und ande- die App Periscope
re Medien beteiligten
das Publikum live an
ihren Redaktionssitzungen. Transparenz, die
Schule machen könnte: Tüchtig wirkt, wer
unzimperlich jede neue Verbindung zum
Wähler-Zuschauer-Kunden nutzt.
Websites, auf denen man Livevideos posten konnte, gab es schon vor Periscope, aber
erst die Verbindung der Sende-Funktion mit
einem Social-Media-Account erschließt automatisch ein Publikum: An alle Follower ergeht zwitschernd die Nachricht, dass hier
jetzt etwas zu sehen ist. Diese Idee hatte ein
israelisches Start-up, dessen App Meerkat im
März bejubelt wurde. Twitter hatte gerade
Periscope aufgekauft, verbesserte rasch das
hauseigene Produkt und stach Meerkat aus.
Die Eskalation der Echtzeit-Manie der Sozialen Netzwerke durch Dauer-Liveschalten war
ja längst erwartet worden. Dystopische Romane, etwa Dave Eggers’ Der Circle, beschrieben sie schon als Selbstverständlichkeit.
Am Tag, als Periscope in die App-Stores
kam, explodierte ein Haus in Manhattan.
Eine Gasleitung war angezapft worden, zwei
Männer starben, drei benachbarte Häuser
fingen Feuer. Das wusste man in den ersten
Momenten noch nicht, konnte aber schon
aus verschiedenen Blickwinkeln den Rauch
an der Second Avenue sehen. Passanten hielten mit Periscope drauf. Sofort prophezeiten
Zuschauer, hier zeige sich die Zukunft der
Berichterstattung: Gleich dabei, ohne die
Verzagtheit der alten Medien. Dem folgten
Befürchtungen, Menschen könnten bei der
Livedokumentation aus Versehen Vernunft
und Mitleid fahren lassen. Das ist nicht weit
hergeholt. Der Mann zum Beispiel, der filmte, wie die Attentäter auf die Redaktion von
Charlie Hebdo einen auf dem Boden liegenden Polizisten erschossen, bereute später, das
Video auf Facebook geladen zu haben: Zu
teilen, was er gesehen hatte, sei nach Jahren
des Lebens mit Sozialen Medien ein blöder
Reflex gewesen. Periscope implementiert die
Logik dieses Reflexes: Sofort und ungefiltert
herzeigen, was man vor sich hat.
Gerade weil die Welt so voller Bilder ist,
dass es schwerfällt, an eine kohärente Realität
zu glauben, gibt es offenbar einen Impuls, die
schiere Faktizität des Moments zu sichern.
Als werde durch die Gleichzeitigkeit von
Wirklichkeit, Abbildung und den Reaktionen des Publikums ein Ereignis intensiver
oder noch realer. Live-Streaming-Apps beseitigen nun die technischen Hürden zwischen
diesem Impuls und der Veröffentlichung und
verstärken so das Gravitationsfeld des Augenblicks: »Alles ist interessanter, wenn es gerade
jetzt passiert«, schrieb die Nachrichtenseite
Techcrunch der neuen App ins Poesiealbum.
Bis der nächste Ernstfall ethische Probleme macht, befindet sich die App aber im Experimentierstadium. In den ersten Tagen von
Periscope parodierten viele Menschen Fernsehreporter, indem sie live die Inhalte ihrer
Kühlschränke präsentierten. In der Frühphase von Internet-Features gibt es diese Zeit
des sinnlosen Blödelns, in der man daran erinnert wird, was einmal der Traum des Netzes war: dass Leute auf der ganzen Welt einander in ihrer Gewöhnlichkeit sehen können und sich verstehen, statt sich bloßzustellen oder etwas zu vermarkten. Am lautesten
applaudierten der Veröffentlichung der
neuen Live-Streaming-Apps schon jetzt: die
PR-Agenten.
MARIE SCHMIDT
Zeit vom 9.4.2015, Seite 56.pdf
9. A P R I L 2015
D I E Z E I T No 15
GLAUBEN & ZWEIFELN
56
Dietrich Bonhoeffer
(1906–1945) ist der
weltweit meistgelesene
deutsche Theologe des
20. Jahrhunderts
Wer fromm
ist, muss
politisch sein
Dietrich Bonhoeffer unterstützte die Attentatspläne
gegen Hitler. Dafür wurde der Theologe hingerichtet.
Eine Würdigung des großen evangelischen Pazifisten
zu seinem 70. Todestag VON HEINRICH BEDFORD-STROHM
Illustration: Miriam Migliazzi & Mart Klein für DIE ZEIT; Foto: Felix Schmitt/Agentur Focus
D
ie Theologie war Dietrich
Bonhoeffer nicht in die
Wiege gelegt. Er wurde als
sechstes von acht Kindern
am 4. Februar 1906 in
Breslau geboren und
wuchs in einer großbürgerlichen Familie auf. Kirche und Religion
tauchten im Alltag der Bonhoeffers zwar auf.
Aber – wie Bonhoeffers Freund Eberhard Bethge schreibt –: Das christliche Wesen war in diesem evangelischen Haus »mehr hinter- und untergründig zu spüren«. Das Verhältnis der Familie zum Glauben war freundlich bis distanziert.
»Zu schade für Dich«, befand der Vater, als sein
Sohn vom Entschluss zum Theologiestudium
berichtete. Karl Bonhoeffer, renommierter Professor für Psychiatrie und Neurologie, hatte dabei ein »stilles, unbewegtes Pastorendasein« vor
Augen. Später korrigierte er sich seinem Sohn
gegenüber mit den Worten, er habe sich »gröblich getäuscht«. Das war bitter wahr.
Am 9. April 1945 wurde Dietrich Bonhoeffer wegen Hochverrats in Flossenbürg in der
Oberpfalz hingerichtet. Vorausgegangen war
die Rückkehr aus dem sicheren Exil in New
York nach Deutschland, wo er das Ende der
Nazidiktatur mit herbeiführen wollte. Die Briefe, die er aus der Gefängniszelle in Tegel an
Eberhard Bethge geschrieben hat, sind bewegend, und sie stören in einem bis heute produktiven Sinn: Von der Kirche ist da die Rede,
die nur Kirche sei, wenn sie für andere da sei.
Vom »Blick von unten«, der mit dem christlichen Glauben untrennbar verbunden sei.
Unsere gegenwärtige Kirche, die in der Gefahr steht, sich bürgerlich einzurichten, braucht
solche Impulse. Radikalität und Realismus werden heute in der Regel als Widerspruch gesehen. Bei Bonhoeffer finden sie zusammen.
Wie kam es dazu? Mit Mitte zwanzig – da ist
Bonhoeffer nach Studium in Tübingen, Rom
und Berlin bereits promoviert und habilitiert –
vollzieht sich ein Wandel im Leben des jungen
Akademikers. Eine »Abkehr vom Phraseologischen zum Wirklichen« sei damals erfolgt,
schreibt er 1944 im Rückblick auf diese Zeit.
Schon 1936 hatte er in einem Brief an eine
Freundin notiert: »Dann kam etwas anderes,
etwas, was mein Leben bis heute verändert und
herumgeworfen hat. Ich kam zum ersten Mal
zur Bibel. Ich hatte schon oft gepredigt, ich
hatte schon viel von der Kirche gesehen – und
war noch kein Christ geworden.«
Bonhoeffer entdeckt die Bibel und seine persönliche Frömmigkeit neu, während er über den
Umgang mit dem nationalsozialistischen Staat
nachdenkt. Im Frühjahr 1933 äußert sich der
junge Theologe in großer Klarheit über das Verhältnis von Kirche, Staat und Öffentlichkeit, er
kritisiert den Antisemitismus in einer Weise, die
Geschichte macht. Am 1. April werden jüdische
Geschäfte boykottiert, am 7. April folgt das
Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeam-
Dietrich
Bonhoeffer
Der Suchende
Seinen Zugang zur Kirche
findet er in der Welt. Als
Student stößt Bonhoeffer in
den 20er Jahren in Tübingen,
New York, Rom auf das Thema
Ökumene. Noch lehnen die
Kirchen ein Miteinander der
Konfessionen ab. Zugleich
lernt Bonhoeffer christliche
Pazifisten kennen. Das weckt
seine Kritik an der Staatsnähe
deutscher Kirchen.
Der Entschlossene
Sein Familie kritisiert 1933 die
Machtergreifung Hitlers. Der
junge Dozent erlebt in Berlin,
wie Studenten seine Vorlesung
verlassen, weil er den nationalen
Aufbruch und die Rassepolitik
ablehnt. 1934 spaltet sich die
evangelische Kirche in der
Haltung zu Hitler – er stellt
sich gegen die »Deutschen
Christen«, zur NS-kritischen
»Bekennenden Kirche«.
Der Widerständler
Als ihm 1937 die Lehrerlaubnis
entzogen wird, schließt er sich
dem Widerstand an. 1940
nimmt ihn die militärische
Abwehr des Admirals Canaris
auf. Er hilft, ein Attentat auf
Hitler zu planen. Für die
Spionageabwehr reist er ins
Ausland und lotet über seine
Kirchenkontakte aus, ob die
Alliierten einen Putsch gegen
Hitler honorieren würden.
Der Häftling
1943 wird er verhaftet wegen
»Wehrkraftzersetzung«, 1944
wegen Hochverrats zum Tode
verurteilt. In Haft entwickelt
er seine Theologie, die später
unter dem Titel »Widerstand
und Ergebung« erscheint.
Am 9. April 1945 wird er im
KZ Flossenbürg erhängt.
WOLFGANG THIELMANN
tentums, das die Entfernung von Juden aus öffentlichen Ämtern vorsieht. Kurz danach hält
Bonhoeffer einen Vortrag vor Pfarrern in Berlin,
der später unter dem Titel Die Kirche vor der
Judenfrage erscheint. In diesem Vortrag nennt er
das Unrecht, das den Juden geschieht, bereits
beim Namen. Im Herbst 1940 wird seine Kritik
in die klare Aussage münden: »Eine Verstoßung
der Juden aus dem Abendland muß die Verstoßung Christi nach sich ziehen; denn Jesus
Christus war Jude.«
Wer fromm ist, muss auch politisch sein.
Schon 1933 beschreibt Bonhoeffer drei Formen, in denen die Kirche ihre Verantwortung
gegenüber dem Staat ausüben muss: Sie stelle
»erstens die an den Staat gerichtete Frage nach
dem legitimen Charakter seines Handelns«. Das
heiße »Verantwortlichmachung des Staates«.
Zweitens verrichte sie »den Dienst an den Opfern des Staatshandelns. Die Kirche ist den Opfern jeder Gesellschaftsordnung in unbedingter
Weise verpflichtet, auch wenn sie nicht der
christlichen Gemeinde angehören.« Die dritte
Aufgabe der Kirche bestehe darin, »nicht nur
die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern
dem Rad selbst in die Speichen zu fallen.«
W
er fromm ist, muss auch politisch sein: So wie bei Bonhoeffer lassen sich die Aufgaben
der Kirche gegenüber Staat
und Öffentlichkeit auch heute
zusammenfassen. Die erste von Bonhoeffer genannte Aufgabe verstehen wir heute als Kultur
der Einmischung. Wenn die Kirchen mit Denkschriften in die demokratische Zivilgesellschaft
hineinsprechen, dann geht es genau um das, was
Bonhoeffer als »Verantwortlichmachung des
Staates« bezeichnete. Die zweite Aufgabe, der
diakonische Dienst an den Bedürftigen, bleibt
ohnehin. Dass er heute geleistet wird, zeigt sich,
wenn etwa Gemeinden mit großer öffentlicher
Zustimmung für den Schutz von Flüchtlingen
eintreten. Und die dritte Aufgabe? Was heißt
dem Rad in die Speichen fallen? Für Bonhoeffer
rückte dies zunehmend ins Zentrum seines
Denkens und Handelns. Dass der Imperativ
keineswegs nur in der Diktatur gilt, sondern
auch in demokratischen Gesellschaften eine
Option sein kann, zeigte schon in den frühen
achtziger Jahren die Diskussion um gewaltfreien
zivilen Ungehorsam gegen die Stationierung
von Massenvernichtungswaffen.
Und heute? Wollen wir als Christen ein militärisches Eingreifen im Kampf gegen den Terror des
»Islamischen Staates«? Und wenn ja – ist das friedensethisch legitim? Die evangelische Kirche antwortet: Wer militärisch handelt, macht sich schuldig. Aber auch, wer nichts Wirksames gegen den
Terror tut, lädt Schuld auf sich. Dietrich Bonhoeffer hat uns eingeschärft, solchen schwierigen
ethischen Entscheidungssituationen nicht aus dem
Weg zu gehen. Mit seiner Bereitschaft, an der
Planung des Attentats auf Hitler mitzuwirken, zog
er selbst die praktischen Konsequenzen aus seinen
theologischen Maximen.
Es wäre freilich eine fatale Fehlinterpretation, Bonhoeffer zum bellizistischen Kronzeugen unserer Tage zu machen. Ja, er unterstützte
das Attentat auf Hitler. In seiner Bereitschaft
zur Schuldübernahme, als die Tötung eines
Menschen geplant wurde, blieb er trotzdem
seinem Engagement für die Überwindung aller
Gewalt treu. Dem Rad gewaltfrei in die Speichen zu fallen war für ihn Priorität.
H
ierauf zielte auch sein friedensethisches Engagement in der
internationalen Ökumene. Berühmt geworden sind seine Worte bei der ökumenischen Friedenskonferenz von Fanö 1934: »Wie wird Friede? Wer ruft zum Frieden, dass die Welt es hört,
zu hören gezwungen ist, dass alle Völker darüber
froh werden müssen? Der einzelne Christ kann
das nicht – er kann wohl, wo alle schweigen, die
Stimme erheben und Zeugnis ablegen, aber die
Mächtigen der Welt können wortlos über ihn
hinwegschreiten. Die einzelne Kirche kann auch
wohl zeugen und leiden – ach wenn sie es nur
täte –, aber auch sie wird erdrückt von der Gewalt des Hasses. Nur das eine große ökumenische Konzil der Heiligen Kirche Christi aus
aller Welt kann es so sagen, dass die Welt zähneknirschend das Wort vom Frieden vernehmen
muss und dass die Völker froh werden, weil
diese Kirche Christi ihren Söhnen im Namen
Christi die Waffen aus der Hand nimmt und
ihnen den Krieg verbietet und den Frieden
Christi ausruft über die rasende Welt.«
Heute erheben Christen gemeinsam mit Gläubigen anderer Religionen ihre Stimme für den
Frieden. Ökumenisches Sprechen über Friedensethik wird zur Pflicht, wo Krieg sich ausbreitet.
Finden die Kirchen aber auch in zunehmend säkularen Gesellschaften noch Gehör? Bonhoeffer
jedenfalls wird gehört. So waren seine Schriften in
Südafrika eine wichtige Kraftquelle im Widerstand
gegen das rassistische Apartheidregime. Seine authentische Existenz im Glauben, das christliche
Zeugnis gegen den Nationalsozialismus und
schließlich die Hingabe seines Lebens inspirieren
weltweit all jene, die sich gegen Gewalt und für die
Menschenwürde einsetzen.
Doch Bonhoeffer bleibt nicht nur politisch
interessant. Wie viel Trost inmitten persönlicher
Krisen spendet uns der berühmte Text von den
guten Mächten, in denen wir wunderbar geborgen
sind! Dietrich Bonhoeffer ist der weltweit wohl
meistgelesene deutsche Theologe des 20. Jahrhunderts. Er passt in keine Schublade. Evangelikale sind von seinen Schriften ebenso begeistert
wie Menschen, die sich der politischen Theologie
verpflichtet fühlen. Und Akademiker beschäftigen
sich genauso mit ihm wie Bibelkreise in den Kirchengemeinden.
Bonhoeffers Denken eröffnet uns auch interreligiöse Perspektiven, wenn in Deutschland nun
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
islamische Theologie an öffentlichen Universitäten
Platz findet und der Islam sich dort als eine nach
Frieden rufende Religion profilieren kann. Alle
Religionsgemeinschaften müssen heute auf der
Basis eines klaren theologischen Profils in der Lage
sein, neben der Sprache des Glaubens auch eine
Sprache zu sprechen, die im säkularen Diskurs ihr
Anliegen plausibel macht. In der Theologie Bonhoeffers ist dieser Akt der Vermittlung gewollt.
Doch wir sollten ihn nicht funktional missverstehen. Der Grund für Bonhoeffers Würdigung
des Säkularen ist nicht eine verbesserte Kommunikationsstrategie einer Religion gegenüber religiös
unmusikalischen Menschen. Für Dietrich Bonhoeffer liegt die Ursache tiefer: »Es gibt kein Stück
Welt, und sei es noch so verloren, noch so gottlos,
das nicht in Jesus Christus von Gott angenommen,
mit Gott versöhnt wäre.«
Beeinflusst von der Theologie Karl Barths,
prägt die Christologie Bonhoeffers Wirklichkeitsverständnis. Die Erkenntnis, dass Jesus
Christus das eine Wort Gottes ist, an dem wir
unser ganzes Leben auszurichten haben, und
dass es keine Bereiche gibt, in denen wir anderen Herren zu eigen wären, ist für Bonhoeffer
die entscheidende Wegmarke. Im persönlichen
Leben gelten keine anderen Gesetze als im politischen. Bonhoeffer lehnt das Denken in zwei
Räumen grundsätzlich ab: »Es gibt nicht zwei
Wirklichkeiten, sondern nur eine Wirklichkeit,
und das ist die in Christus offenbar gewordene
Gotteswirklichkeit in der Weltwirklichkeit.«
Deshalb kann christliche Existenz auch nie vom
Aspekt der Öffentlichkeit absehen: »Auf der Flucht
vor der öffentlichen Auseinandersetzung erreicht
dieser und jener die Freistatt einer privaten Tugendhaftigkeit. Er stiehlt nicht, er mordet nicht,
er bricht nicht die Ehe, er tut nach Kräften Gutes.
Aber in seinem freiwilligen Verzicht auf Öffentlichkeit weiß er die erlaubten Grenzen, die ihn vor
dem Konflikt bewahren, genau einzuhalten. So
muss er seine Augen und Ohren verschließen vor
dem Unrecht um ihn herum. Nur auf Kosten eines
Selbstbetrugs kann er seine private Untadeligkeit
vor der Befleckung durch verantwortliches Handeln in der Welt reinerhalten.«
Bonhoeffer lehrt: Wir brauchen ein Fundament klarer ethischer Orientierungen. Sie müssen in authentischer, an Christus orientierter
Frömmigkeit wurzeln. Sie müssen auf öffentliche Verantwortung zielen. Nur so können wir
Christen den Herausforderungen der eigenen
Zeit begegnen. Und zwar zuversichtlich. Mit
den Worten Bonhoeffers kurz vor seiner Inhaftierung: »Mag sein, dass der jüngste Tag morgen
anbricht, dann wollen wir gerne die Arbeit für
eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.«
Heinrich Bedford-Strohm
ist Ratsvorsitzender der
Evangelischen Kirche in
Deutschland
Reformierte Presse vom 10.4.2015, Seite 1.pdf
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Reformierte Presse vom 10.4.2015, Seite 2a.pdf
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Reformierte Presse vom 10.4.2015, Seite 4.pdf
Pressespiegel
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Reformierte Presse vom 10.4.2015, Seite 7.pdf
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Reformierte Presse vom 10.4.2015, Seite 8.pdf
Pressespiegel
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden
Ref.ch online.pdf
WISSEN & GESCHICHTE
«Ilanzer Religionsstreit hatte
Konsequenzen für Berns Reformation»
ref.ch/Interview: Oliver Demont 2. April 2015
(Bild: zVg)
Kirchenhistoriker und Pfarrer Jan-Andrea Bernhard: «Nach der Ilanzer Disputation stand der Bischof von Chur als Verlierer da – die Macht
hatte sich vom Bischof zu den einzelnen Gemeinden verlagert.»
Die Stadt Ilanz im Bündner Oberland darf sich neu – wie auch Genf, Basel oder Zürich –
«Reformationsstadt in Europa» nennen. Im Gespräch erläutert der Kirchenhistoriker
und Pfarrer von Castrisch GR, Jan-Andrea Bernhard, warum die kleine Stadt in der
Surselva zu solch einer Ehre kam – und warum das auch Berns Reformierte
interessieren muss.
Herr Bernhard, Ilanz trägt neu das Label «Reformationsstadt in Europa». Wie kommt die
doch recht unspektakuläre Stadt zu solchen Ehren?
Was in der Stadt Ilanz vor rund 500 Jahren geschah, prägt bis heute den Kanton Graubünden. Aber
auch für die gesamte Reformationsgeschichte der Schweiz hatten die Ereignisse von damals eine
grosse Bedeutung.
Was geschah damals?
Es ist belegt, dass 1525 in rund vierzig Gemeinden Bündens Geistliche den neuen, reformierten
Glauben predigten und gewisse Riten abschafften. Weiter sollen einige sich geweigert haben, dem
Bischof von Chur gewisse Abgaben zu leisten. Aufgrund dieser Entwicklung beschloss dann der
Bundstag des Freistaates der Drei Bünde – der abwechselnd in Chur, Davos und Ilanz tagte – dass,
was der alte und neue Glauben betrifft, klare Regeln gelten sollen. Dazu fand dann im Januar 1526
die Ilanzer Disputation statt, also ein religiöses Streitgespräch.
Es kam zum Streit. Wie lief das ab?
Die Disputation startete bereits mit einem kleinen Skandal. So publizierte der Churer Reformator
Johannes Comander in Absprache mit einigen Brüdern aus der Umgebung bereits im Vorfeld des
Treffens 18 Thesen, welche für grosse Aufregung sorgten. Diese Thesen entsprachen weder der
geltenden Kirchenlehre noch der von der Mehrheit der Geistlichen geübten Praxis.
Warum sorgten diese bereits für solch eine Aufregung?
Die Thesen wurden gedruckt. Ein Dokument, das verteilt und gelesen werden konnte, hatte in der
damaligen Zeit eine gewaltige Sprengkraft. Das ist nicht wie heute, wo solche Papiere oder
Interneteinträge in der Informationsflut kaum mehr Aufsehen erregen. Die ganze Aktion hatte zur
Folge, dass die Vertreter des bischöflichen Hofes von Chur und Abt Theodul Schlegel mit allen
Mitteln versuchten, dieses Thesenpapier zu verhindern. Ihre Argumente: Man könne keine Thesen
verbreiten und disputieren, die er und seine Leute noch gar nicht hätten anschauen können.
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Mit welchem Resultat endete die Ilanzer Disputation?
Es geschah etwas Eigenartiges: Weil man zu Beginn lange um formale Frage stritt, reichte die Zeit
nicht, alle Thesen – darunter auch solche zur Frage der Messfeier oder des Zölibates – zu
besprechen. Am Dienstagabend gingen die Parteien auseinander, ohne alles besprochen zu haben.
Aber beide Parteien werteten die Disputation als ihren Sieg. Bereits ein halbes Jahr später wendete
sich das Blatt allerdings zugunsten der Neugläubigen. Im Juni verfügte der Bundstag die
sogenannten «Ilanzer Artikel». Darin wurden die Rechte der einzelnen Nachbarschaften, also
Gemeinden wie Castrisch, Sevgein oder Duvin gestärkt. So konnten diese neu selber über die Einund Absetzung ihres Pfarrers entscheiden. Am Ende stand der Bischof von Chur als Verlierer da –
die Macht hatte sich vom Bischof zur Gemeinde verlagert.
Was ist denn heute noch spürbar von dieser Auseinandersetzung?
Ohne die Ilanzer Disputation gäbe es in Graubünden wohl kaum die Situation, wie sie sich heute
präsentiert: katholische und reformierte Dörfer nebeneinander, die mehrheitlich in einer friedlichen
Ökumene zusammenleben. Und auch für die Berner Reformierten hat Ilanz seine Bedeutung,
basierte doch die Thesen der Berner Disputation 1528 auf der Grundlage, die Comander für die
Ilanzer Disputation geschaffen hat.
«Letztlich spielt es keine so grosse Rolle für die Ökumene in
Graubünden, welcher Bischof in Chur auf dem Stuhl sitzt.»
Nehmen wir das Beispiel des reformierten Duvin. Ein kleines Dorf im Val Lumnezia mit
damals rund 100 Einwohnern, allesamt katholisch. Wie wurden die reformiert?
Ganz einfach und föderalistisch: Mittels einer Abstimmung im Dorf. Der sogenannte
Toleranzartikel verfügte 1526, dass jeder Mann und jede Frau entscheiden kann, ob er oder sie der
«päpstlichen» oder der «evangelischen», also der neugläubigen Religion angehören wollen.
Die Mehrheit entschied also, Konflikte waren da sicherlich vorprogrammiert.
In gewissen Gemeinden ging das friedlich vonstatten, an anderen Orten kam es zum Streit. Die an
der Abstimmung Unterlegenen durften aber ihren Glauben behalten, auch wenn die Kirche und
Gemeinde fortan als reformiert oder katholisch galten.
Was taten Katholiken, die katholisch bleiben wollten, der Pfarrer nun aber plötzlich
reformiert war?
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Da gab es alles: Familien, die in andere Dörfer umsiedelten, aber auch Familien, die in einem
katholischen Dorf reformiert blieben. Ich kenne mehrere reformierte Familien, die über
Generationen hinweg bis heute sehr gut in katholischen Dörfern leben. Gut hatten es jene, welche
über zwei Kirchen verfügten in einem Dorf: Diese wurden dann je nach Stärke den Konfessionen
abgegeben. Freilich gab es auch Dörfer, wie Sagogn oder Poschiavo, in denen die Uneinigkeit
heftige und lange Auseinandersetzungen zur Folge hatte.
Haben Sie eine Erklärung, warum die Reformation im Bündnerland so gedeihen konnte,
noch bevor es in Bern zur Reformation kam?
Ein Erklärungsansatz ist dieser: Im Kanton Graubünden gab es keine Universität und keine höhere
Schule, deshalb mussten die Studenten und Gelehrten für ihre Ausbildung oder den Diskurs an
andere Orte reisen. So hat auch der Churer Reformator Comander in Basel studiert. Mit diesem
Wissen und Inspiration kehrten die jungen Männer zurück in die Heimat. Das ist übrigens auch
heute noch ein Stück weit so: Die meisten jungen Menschen verlassen für ihre Ausbildung oder
das Studium Graubünden – und so mancher kehrt mit seinen Erfahrungen irgendwann wieder
zurück.
Mit Bischof Vitus Huonder sitzt in Chur ein Bischof, der nicht bekannt ist für ökumenische
Euphorie. Wie erleben Sie als reformierter Pfarrer von Castrisch das konfessionelle
Miteinander?
Die Ökumene funktioniert sehr gut bei uns, keiner würde sie rückgängig machen wollen. Aber ich
bin mir auch bewusst, dass das mit den Pfarrpersonen vor Ort zu tun hat. Und was der Bischof
betrifft: Letztlich spielt es keine so grosse Rolle für die Ökumene, welcher Bischof in Chur auf
dem Stuhl sitzt. Denn das, was vor 500 Jahren in Ilanz ins Rollen kam, kann kein Bischof
rückgängig machen. Die Ökumene ist, zumindest bei uns, tief in den Menschen drin.
Jan-Andrea Bernhard ist reformierter Pfarrer in Castrisch GR und Privatdozent für
Kirchengeschichte an der Universität Zürich. Mit seinen historischen Expertisen war er
massgeblich daran beteiligt, dass Ilanz das Label «Reformationsstadt in Europa» erhielt.
Ilanz, der Reformations-Hotspot in den Bergen
Vor über einem Jahr fusionierte die Stadt Ilanz mit den zwölf umliegenden Gemeinden zur 4800
Einwohnern umfassenden Gemeinde «Ilanz/Glion». Ilanz nennt sich selbst auch «die erste Stadt
am Rhein» – geografisch, nicht historisch. Am 17. März 2015 erhielt Ilanz das Label
«Reformationsstadt in Europa» . Bemüht hatte sich um dieses der Gemeindevorstand von Ilanz
und die Reformierte Landeskirche Graubünden. Verliehen wird die Auszeichnung von der
Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) anlässlich des 2017 stattfindenden 500.
Jubiläums der Reformation.
Website der Gemeinde Ilanz/Glion
Website «Reformationsstädte in Europa»
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