Bericht Zofinger Tagblatt vom 13. Mai 2015

28 REGION
ZOFINGER TAGBLATT
MITTWOCH, 13. MAI 2015
Zwischen Klassik und Impressionismus
Strengelbach Die weltberühmte Pianistin Miao Huang konzertierte in der Johanneskirche
«Sonatine pour piano» von Ravel. Es
handelt sich um ein dreisätziges Klavierwerk, das in den Jahren 1903 bis
1905 entstanden ist. Hohe Töne sind es
zunächst, die wie kristallklare Tröpfchen in einer Höhle klingen. Mit diesem Werk wird ein ganz neues Kapitel
der Harmonik aufgeschlagen.
VON KLAUS PLAAR
Das Label «Kulturplatz Strengelbach»,
dessen Austragungsort die Johanneskirche der EMK Zofingen in Strengelbach ist, präsentierte ein Klavier-Rezital mit einer Pianistin von Weltruhm:
Die Chinesin Miao Huang, die es gewohnt ist, weltweit in den grossen
Tempeln der klassischen Musik aufzutreten, spielte Werke von Wolfgang
Amadeus Mozart (1756–1791), Frédéric
Chopin (1810–1849), Maurice Ravel
(1875–1937), Alexander Skrjabin (1872–
1915) und Ludwig van Beethoven (1770–
1827). Damit schlug sie einen pianistischen Bogen von der Klassik zum Impressionismus. Die Fachwelt rechnet
Inspiriert von Meeresstimmungen
Das Publikum bedankte
sich mit Standing Ovations
und wurde mit der Zugabe
«Irrlichter» von Franz Liszt
belohnt.
die junge, in Deutschland aufgewachsene Chinesin Miao Huang zur Weltspitze. Dass ein künstlerisch so hochstehendes Konzert sozusagen in der Provinz stattfinden konnte, ist dem Organisator Siegfried P. Stich und der EMK
Zofingen hoch anzurechnen.
Auftakt mit Mozart
Stich konnte Miao Huang, die schon
vor einem Jahr hier gespielt hat, in der
vollbesetzten Johanneskirche begrüssen und meinte mit launigen Worten:
«Shanghai, Berlin, La Paz, Cleveland,
Dresden, Strengelbach. Das passt doch
gut zusammen.» Tatsächlich ist die Pianistin in den grossen Konzertsälen der
Welt zuhause. Zum Auftakt war die «Sonate No. 9 in D-Dur, KV 311» von Mozart
Die weltberühmte Pianistin Miao Huang kündigte ihre Zugabe in perfektem Hochdeutsch an.
zu hören. Mit verkürzten Phrasen, Engführungen und von der rechten Hand
gespielten tremolierenden Sechszehnteln wirkt die Durchführung äusserst
konzertant. Wie dann das Thema von
der rechten Hand nahtlos in die linke
übergeht – und umgekehrt. Grossartig!
Miao Huang spielt keine einzige Note
ab Blatt. Oft hat sie den Blick nach
oben gerichtet, aber nicht zum Schauen, sondern zum Hören. Mühelos meis-
LESERBRIEFE
Unsere Landwirtschaft
muss ökologisch und
nachhaltig arbeiten
Musikalisches
Dankeschön
Das Kinder-Jodelchörli Vordemwald mit Amanda Rüegger am Akkordeon.
Zum Artikel «Wie viele Bauern hören noch
auf?» in der Ausgabe vom 8. Mai
K. JORDI
Vordemwald Das KinderJodelchörli Vordemwald
erfreute die Bewohner
des Pflegeheims Sennhof
mit seinem Gesang.
Die Rosenkavalierinnen hatten auch im
Sennhof alle Hände zu tun. Alle Bewohnerinnen im Pflegeheim Sennhof erhielten aus den Händen der Mädchen
des Kinder-Jodelchörlis Vordemwald
zum Muttertag eine Rose. Die aufgeweckte Schar wartete an verschiedenen
Orten im Sennhof auf und erfreute mit
ihrem frischen und fröhlichen Gesang
alle Bewohnerinnen und Bewohner.
Der sonnenverwöhnte Sonntagmorgen
war ein richtiger Botschafter des Frühlings und auf vielen Gesichtern war ein
zufriedenes Lächeln auszumachen.
Zum Schluss konzertierte das KinderJodelchörli unter der Leitung von
Helen Wagner und Evi Graber vor zahlreichem Publikum im Schlosshof und
tert sie die flinken Läufe. Die «Ballade
Nr. 1 g-Moll op. 23» von Chopin, dem
Romantiker par excellence, ist sein erstes Werk dieser Gattung. Es ist ein einsätziges Werk und gehört zu den
schwierigsten Stücken der StandardKlavierliteratur. Diese Ballade ist eine
Innovation Chopins und kann nicht in
eine andere Form gebracht werden. Eine kurze Unisono-Einleitung endet mit
einem Vorhalt-Akkord, der alle Themen
Am Alphorn: Jenny Hofmann.
auf der grossen Gartenterrasse vom
Schloss-Café. Begleitet wurden die Jodlerinnen von Susanne Rüegger mit der
Querflöte. Eine besondere Note verlieh
der Auftritt von Amanda Rüegger mit
dem Akkordeon. Die junge Jenny Hofmann löste mit ihrem Alphorn grosses
Staunen aus: ein junges Mädchen mit
so viel Puste. Den Nachmittag umrahmte das Schwyzer-Örgeli-Quartett Hölzli
mit ihrem Aufspiel. (PSV)
Der oben genannte Zeitungsartikel zur
Agrarpolitik 2014-17 unterstellt, dass der
Import ägyptischer Kartoffeln in die
Schweiz zu Hunger in Afrika führen
könnte. In einem fast ganzseitigen Artikel mit Interview wird sogar behauptet,
dass die Förderung der Wildblumenwiesen in der Schweiz zu Hunger in Afrika
führt, weil wir Kartoffeln aus Ägypten
einführen. Das Gegenteil ist der Fall.
Wenn afrikanische Kleinbauern ihre
Kartoffeln in die Schweiz exportieren
könnten, würde das doch eher die lokale Wirtschaft aufbauen.
Vor Kurzem analysierten im Bericht
zum Zustand der Biodiversität in der
Schweiz 2014 besorgte Wissenschaftler
Erschreckendes: «Über ein Drittel der
Pflanzen-, Tier- und Pilzarten wurde als
bedroht eingestuft.» In der Schweiz ausgestorben sind 255 Arten. Darunter sind
40% der einheimischen Vogelarten gefährdet, so fand z.B. die letzte Brut des
Rotkopfwürgers 2006 statt. Von einer
breiten Öffentlichkeit fast unbemerkt
wird unsere natürliche Vielfalt immer
ärmer. Was in unserer intensiv genutzten Landwirtschaft trotz ökologischen
Ausgleichszahlungen fehlt, sind Buntbrachen, Wildblumenwiesen und Hochstammbäume. Aber auch Eigenheimbesitzer mit Gärten haben eine grosse Verantwortung und müssten bewusst naturnahe Gärten mit einheimischen
Pflanzen gestalten, die eine reiche Nahrungsquelle für kleine Käfer, Falter,
Schmetterlinge und Bienen schafft.
Anders als im einseitigen Zeitungsbericht zur Agrarpolitik 2014–17 dargestellt
wird, ist es nicht erstrebenswert, dass
unsere Landwirtschaft intensiv (mit viel
Dünger und Pestizideinsatz) produziert.
Die Folge sind ausgeräumte und drainierte Landschaften, Bäche, die Spuren
des grossflächigen Pestizideinsatzes aufweisen und ein Landschaftsbild, das ohne Bäume und Hecken zunehmend
K.P.
der Ballade motivisch bestimmt. Das
kantable erste Thema im wiegenden
6
/4-Takt wird von einem zweiten Thema
abgelöst und erfährt durch die Ausweitung auf die ganze Klaviatur eine grosse
dynamische Steigerung. Wie ein bedrohlicher Sturmwind braut sich das
Thema dramatisch zusammen, um sich
bald aufzulösen in einem friedlichen
Meno mosso. In eine ganz andere, impressionistische Klangwelt führte die
langweilig wird. Unsere Landwirtschaft
muss ökologisch und nachhaltig arbeiten. Es ist verständlich, dass Bauernbetriebe Einnahmenausfälle beklagen,
aber es ist keine Lösung, unsere ohnehin schon stark belastete Umwelt noch
mehr zu schädigen und den Artenverlust nicht zu stoppen.
Was es braucht, sind engagierte Landwirte, die naturnah produzieren und
wir alle, die sich bewusst über die Natur
und den erschreckenden Artenverlust
der vergangenen Jahre informieren, z.B.
auf www.karch.ch. Es braucht auch
Konsumenten, die bereit sind für ökologisch produzierte Lebensmittel den gebührenden Preis zu bezahlen, denn wir
brauchen wieder renaturierte Bäche,
Wildblumenwiesen und Lebensräume
für bedrohte Tier- und Pflanzenarten,
die von unseren Autobahnen, Häusern
und der Intensivlandwirtschaft förmlich
gefressen wurden.
SAMUEL WAGNER, BRITTNAU
Erbschaftssteuer gefährdet
keine Arbeitsplätze,
sondern die Umverteilung
der Vermögen
Zur Analyse von Beat Kirchhofer in der
Ausgabe vom 9. Mai.
Die Leser des Zofinger Tagblattes gehen
vermutlich davon aus, dass zumindest
im redaktionellen Teil der Inhalt möglichst nahe bei der Wahrheit liegt. In der
Analyse der Initiative zur Erbschaftssteuer vom vergangenen Samstag hat
Beat Kirchhofer den Anspruch auf Objektivität und Wahrheit aber krass verletzt. Die Behauptung, die Initiative bedeute die generelle Besteuerung von
Schenkungen ab 20 000 Franken und
treffe somit nicht nur die Reichen, ist
falsch. Er dürfte mit dieser Behauptung
viele Leser verunsichern. Erst wenn die
Schenkungen einer Person insgesamt
über 2 Mio. Franken betragen, greift die
nationale Erbschaftssteuer. Die Grenze
von 20 000 Franken pro Jahr macht
Sinn, damit grosse Vermögen nicht einfach aufs mal verschenkt, statt später
Nach einer Pause erklang die «Sonate
No. 2 in gis-moll, Op. 19» (Sonate-fantaisie) des russischen Komponisten Skrjabin. Das Hauptthema des ersten Satzes
(gis-Moll) ist durch ein kurzes, mit drei
klopfenden Triolenachteln endendes
Motiv geprägt. Das Seitenthema steht in
H-Dur. Ausgeprägt koloristisch-ornamentale Figurationen rücken Teile des
Satzes in die Nähe des Impressionismus. Der zweite Satz ist von durchlaufenden, fliessend-wellenartigen, äusserst raschen Triolen bestimmt. Die
Musik ist von Meeresstimmungen inspiriert (nächtlicher Mondschein und aufgewühlte See).
Zum Abschluss stimmte Miao Huang
die «Sonate No. 23 in f-moll, Op. 57»
von Beethoven an. Das Werk mit dem
Beinamen «Appassionata» (die Leidenschaftliche) gehört zu den bekanntesten Klavierwerken Beethovens und gilt
als Inbegriff expressiver solistischer
Virtuosität. Die Sonate ist ein Höhepunkt im Schaffen Beethovens. Es entstand in den Jahren 1804 und 1805 und
wurde 1807 in Wien veröffentlicht. Romantisch, geradezu mystisch beginnt
die Sonate in tiefen Tönen, aus denen
sich die Melodie entwickelt und mächtig anschwillt. Was für Läufe meisterte
die Pianistin dabei mühelos! Das Publikum bedankte sich mit Standing Ovations und wurde mit der Zugabe «Irrlichter» von Franz Liszt belohnt.
vererbt werden.
Beat Kirchhofer bezieht sich in seinen
polemischen Ausführungen auch stark
auf allfällige Probleme in der Landwirtschaft. Gerade in der Landwirtschaft haben Nachkommen innerhalb der Familie das Recht, den Betrieb zu einem
stark vergünstigten Ertragswert zu erwerben, der um ein Mehrfaches tiefer
liegt als der effektive Verkehrswert. Nur
ganz wenige Landwirtschaftsbetriebe,
wenn überhaupt, sind von der Initiative
betroffen; Und wenn es solche Betriebe
gibt, dürften diese ihr Vermögen eher
aus Baulandverkauf als aus der Landwirtschaft erwirtschaftet haben.
Wenn den Politikern die kleinen und
mittleren Unternehmen tatsächlich am
Herzen liegen, sollen sie sofort eine Initiative zur Änderung des Erbrechts
starten. Die Übernehmer von KMUs
kommen nämlich insbesondere in Bedrängnis, wenn Geschwister ausgekauft
werden müssen, die nicht mehr am Unternehmen beteiligt sind und ans «Eingemachte der Firma» wollen. In allen
übrigen Branchen gibt es den Schutz
der Landwirtschaft nicht. Der junge Garagier muss die Werkstatt zum Verkehrswert kaufen und die Geschwister
auszahlen. Er hat bei Weiterführung des
Unternehmens keinen Schutz auf einen
Übernahmepreis, der sich am möglichen Ertrag orientiert und die Weiterexistenz nicht bedroht. Das dürfte in
vielen Fällen viel existenzbedrohender
sein als die Erbschaftssteuer von 20 %.
Vermutlich aus diesen Gründen und in
weiser Voraussicht brachte beispielsweise der Eigentümer von Victorinox das
Firmenvermögen in eine Stiftung ein,
damit die spätere Aufteilung des Nachlasses unter den Kindern nicht zu Problemen und allenfalls sogar zu einem
Verkauf an die Chinesen führen kann.
Nicht die Erbschaftssteuer gefährdet die
Arbeitsplätze, sondern die Umverteilung des Vermögens zu den Reichen
und die sinkende Kaufkraft der Geringverdiener. Dieser Zusammenhang wird
heute allgemein anerkannt und in vielen Ländern diskutiert.
URS KILCHENMANN,
PRÄSIDENT SP OFTRINGEN