G9 Stundentafeln Stellungnahme für NoNo2

Pflicht für alle und teure Kür
Die neuen Stundentafeln G9 in der Anhörungsfassung. Eine Sichtung
Die neuen Stundentafeln G9 sind in der Anhörung. Wir
alle tun in diesen Tagen bestimmt nichts anderes, als
sie gründlich durchzustudieren. Ich hatte Gelegenheit,
mit verschiedenen Kollegen zu sprechen: Mit Dr. Martin Weber aus der Kerncurriculum-Kommission und
mit Gerd Kolkmeyer, Fachberater Braunschweig, einem der Landeskoordinatoren, ebenfalls KCKommission. Auch haben wir in der Fachkonferenz
darüber nachgedacht. Einblicke und vorsichtige Stellungnahme versuche ich hier für Sie zu geben.
von RALF BEIDERWIEDEN
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die Schulorganisation so kompliziert, dass schnell auch
heftige Konsequenzen für die Musik eintreten könnten.
Weiterhin völlig unglücklich ist die Regelung für die Klasse
11 (allerdings: in diesem Erlass gar nicht enthalten), wo
anscheinend je eine Stunde aus zwei Künsten belegt werden muss (aus zwei von drei: Musik, Kunst und Darstellendem Spiel). Wenn es uns nicht gelingt, da sehr bald ein Alternativkonzept vorzuschlagen, wird es sehr schwer in der
Oberstufe.
Ich frage mich manchmal ein bisschen: Haben wir diese Konsequenzen eigentlich für uns wirklich durchdacht, als wir mit
Pauken und Trompeten (auch im VDS, aber nicht nur hier) für
die Rückkehr zur Stundentafel G9 eingetreten sind?
Die Neuerungen
Ganz auffällig, ganz deutlich ist die Kultusministerin dabei,
ein allgemeines einfaches Plichtpäckchen und eine Kür
zu trennen. Motto: Wir bieten für alle eine solide einfache
Grundbildung. Wer Profilierungen einrichten möchte,
kann das tun – muss sie aber selbst aus seinem DispoTopf bezahlen. Das betrifft WP, aber es betrifft auch die
Musikzweige. Damit, das ist vielleicht gar nicht so übel
gedacht, schafft sie zweierlei: Erstens eine Vereinfachung
und Deckelung auch der Ausgaben. Zweitens eine echte
Entlastund der Schüler: Jeder, der WILL, kann nach 30
Wochenstunden mit der Schule fertig sein.
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Die Stundentafeln 1 und 2 werden vertauscht. (Wichtig, man kommt sonst leicht durcheinander.) D. h.:
„Stundentafel 2“ ist jetzt die mit dem WahlpflichtBereich, die „reguläre“, traditionelle ist jetzt „Stundentafel 1“.
Jede Schule KANN auf Beschluss des Schulvorstands
Profilbereiche einrichten. Aber jede Schule MUSS die
einfache, reguläre Stundentafel einrichten.
In BEIDEN (!) Stundentafeln kriegt Musik jetzt 2-2-2(!)1-1-1/1. Also: In den ersten drei Jahren je zwei Stunden, 8-10 einstündig / epochal. In 11 soll je EINE
Stunde Kunst / Musik / Darstellendes Spiel, Auflage
„2 von 3“ enthalten sein (das steht allerdings noch
nicht in DIESEM Erlass).
NEU ist, dass an jedem Gymnasium fortan die Wahlmöglichkeit der regulären Stundentafel (fortan: Stundentafel 1) angeboten werden MUSS. Das betrifft nur
etwa ein Viertel der Niedersächsischen Schulen. An
denen aber sind die Folgen noch gar nicht absehbar:
Einerseits kommen die WP-Stundentafeln dadurch
gehörig ins Gedränge. Wo da Musik enthalten ist, da
trifft es auch die Musik hart. Andererseits: Wo die WPStundentafel dadurch in die Enge kommt und abgeschafft werden sollte, schwappen die bisherigen WPAngebote in den Wahl-/AG-Bereich. Das könnte zu
einer scharfen Konkurrenzsituation führen. Wo aber
beide Stundentafeln nebeneinander her laufen, wird
GesprächsGesprächs-Erfolge
Die ersten Zeichen, wie die neuen Stundentafeln aussehen
sollen, kamen im Juli heraus, auf der Tagung der Implementierer des Kerncurricula Musik und Kunst in Bad Salzdetfurth.
Sofort regte sich heftiger Widerstand. Es gab eine Strategiesitzung mit Vertretern des Faches Kunst, eine Sitzung mit Sven
Stagge im Kultusministerium und ein Gespräch mit Herrn Stein,
ebenfalls im Kultusministerium. Für uns beteiligt waren Wolfgang Volpers und Gerd Kolkmeyer als Landeskoordinatoren,
Frank Münter für die KC-Kommission Sek. II, Rudolf Markfort ,
alle aus der Implementierungs-Tagung, sowie ebenfalls ich
selbst, damals noch im VDS-Landesvorstand. Bei der Strategiesitzung mit den Künstlern im Sprengelmuseum Hannover war
außerdem Felix Goltermann für die Gesamtschulen dabei. Wir
haben in allen Sitzungen intensiv beraten und argumentiert,
und alle Gespräche waren sehr konstruktiv.
Ein bitterer Aspekt, dem wir wohl nicht entrinnen werden, ist,
dass durch die Streckung auf G9 die Stundenzahl 5-10 geringer wird, auch in unseren beiden Fächern. Vieles von dem, was
jetzt kommt, kann man kritisch sehen, was jetzt zu kommen
scheint, die 11-Regelung vor allem ist sehr unglücklich, von 810 sind wir von einem kontinuierlichen Musikunterricht meilenweit entfernt, in der traditionellen Stundentafel haben alle
Diskussionen und Appelle nichts gebracht.
Und doch zeigen sich an etlichen Stellen Erfolge unserer Gespräche.
• Die Katastrophe in der alternativen Stundentafel ist geringfügig abgemildert, immerhin noch ein Jahrgang (7) ist
zweistündig, auch in Stundentafel 2. - Letzteres kann man
auch so sehen, dass unsere Diskussionspartner im Kultusministerium unsere große Besorgnis um ein völliges
Abreißen der Kontinuität ernst genommen haben, bei allen
unbefriedigenden Erlass-Elementen.)
• Auffällig: KUNST hat wieder / weiterhin eine Stunde mehr
als Musik. Darüber wundern sich manche Musiker. Aber:
Kunst hatte immer eine Stunde mehr. Während in Musik
die eine Sek.-I-Stunde in die 11 projiziert, verlagert werden
sollte, war ursprünglich in KUNST eine echte KÜRZUNG
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von einer Stunde vorgesehen. Ich selbst habe in den
Diskussionen, auch im Kultusministerium, den
Wunsch der Künstler ausdrücklich unterstützt, dass
dem Fach Kunst diese Real-Kürzung erspart bleibt.
Dass dies tatsächlich so herasgekommen ist, ist nicht
nur ein Beitrag zur Solidarität der künstlerischen Fächer, sondern auch ein weiterer Hinweis, dass unsere
Gesichtspunkte im Kultusministerium, konstruktiv
und argumentativ vorgetragen, wichtig und ernst
genommen wurden. Sehr zweifelhaft, ob das Fach
Kunst so halbwegs ungeschoren davongekommen
wäre, wenn aus dem VDS dieses Signal so nicht gekommen wäre. (Sachlich ist die eine Mehrstunde
Kunst durchaus vertretbar: Sie wird in Musik kompensiert durch die vielfältigen Möglichkeiten einer
Aufbauarbeit über die Pflichtstunden hinaus: All die
AGs, die Musikzweige, die Bläser- und Streicher- und
Musizierklassen usw. usw..)
Nur scheinbar in ganz anderer Sache: Geschichte, so
scheint es, wird auf das Heftigste gekürzt. Umgekehrt
lese ich in einem Interview, dass Wirtschaft-Politik in
der Oberstufe um 3 (!) Stunden erweitert, ausgebaut
wird. Darin steckt durchaus Logik, die auch mit unseren Gesprächen zu tun hat. Wir haben argumentiert:
Viele Inhalte, in der Tat, könnten aus der Geschichte
in den Wirtschaftsunterricht verlagert werden, wenn
jemand findet, dass die Ökonomen das besser machen. Weltwirtschaftskrise, Dreieckshandel, Industrielle Revolution, Dreifelderwirtschaft, Merkantilismus, europäischer Wirtschaftsraum von der Montanunion zur EU. Gut, haben wir argumentiert: aber diese
Verlagerung müssen die B-Fächer UNTER SICH ausmachen, aber nicht zu Lasten der künstlerischen Fächer. Wie es aussieht, sind wir mit dieser Argumentation durchgedrungen, danach sah es zunächst nicht
aus.
Allerdings VORSICHT! Was, wenn der Historikerverband jetzt Sturm läuft? Was, wenn die Direktorenvereinigung ins selbe Horn bläst? Dann könnte es kommen, dass im zweiten Satz doch noch die Künste zusammengestrichen wird, zum Beispiel die scheinbar
wiedergewonnene Kunststunde doch noch verloren
geht. Also: Wachsam sein!
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Wo aber drei Stunden für ein Fach zusätzlich hingestellt
werden, so viel ist mal sicher, wird ein paar anderen Fächern sehr weh getan. Und es ist nicht so ganz schwer zu
erraten, wen das treffen könnte.
Musikzweige in Nöten
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Ich durchblicke noch nicht alle Details, aber aus den
hier genannten Gründen könnte es sein, dass es FÜR
DIE VOLLEN MUSIKZWEIGE GANZ SCHWER WIRD.
Musik soll im Musikzweig vierstündig unterrichtet
werden. Schön. Aber: der Zusatzaufwand an Stunden
muss aus dem Dispo-Topf (AG/Förder- & Differenzierungsmaßnahmen usw.) bestritten werden. Die Kinder haben in der Stundentafel 2 (mit WP) zwei Stunden mehr in 8-10 als in der regulären Stundentafel.
Das wird also durchaus teuer. MUSIK aber soll von 610 (!) vierstündig unterrichtet werden. (WP nur in 8-910 mit 3-4-4 Stunden.) All diese Stunden muss die
Schule aus dem TOPF aufbringen! Das könnte extrem
teuer werden und die Hürde für Musikzweige
unerreichbar in die Höhe schieben. Dadurch wären
die Musikzweige, sehe ich das richtig? existentiell be-
Musikzweige, sehe ich das richtig? existentiell bedroht.
Dazu kommt: Für die Kinder ist nicht – das scheint mir anders zu sein als bisher – eine Marscherleichterung in anderen Fächern vorgesehen. Wenn das knallhart gerechnet
wird, gibt es in Klasse 6 zwei Stunden mehr, in 7 ebenfalls
2, in 8 eine. Nur in 9 und 10 wäre der Musikzweig durch
die regulären WP-Stunden abgedeckt. (Allerdings: auch je
2 Stunden teurer als die reguläre Stundentafel.) Das wären
durch die Mittelstufe 9 Stunden mehr als in der „regulären“ Stundentafel 1. Es wären, zweiter Aspekt, auch 9
Stunden mehr Belastung für die Kinder; dazu kommt ja
noch Instrumentalunterricht, AG usw.. Wird das nicht extrem kritisch? Darüber, finde ich, sollten wir mal reden.
Das betrifft in der Härte, wenn ich richtig sehe, nur die
„VOLLEN MUSIKZWEIGE“. Relativ gleichgültig ist es vermutlich an den Musikzweigen, die ich „HYBRIDE MUSIKZWEIGE“ nenne, also denen, die aus etwa 2 Stunden Regelunterricht und zusätzlicher verpflichtender AG zusammengesetzt sind („hybrid“ nicht im Sinne von „Hybris“,
Anmaßung, sondern im Sinne von „zusammengesetzt“,
wie beim Hybrid-Antrieb). Die AG geht sowieso aus dem
Topf, und nur eine Zusatzstunde muss vielleicht hineingebastelt werden in Jg. 8-10.
Schon jetzt wird sichtbar, dass etliche Schulen ans
Umstrukturieren denken. Das Gymnasium Ganderkesee
wird wohl zum kommenden Schuljahr umsteigen vom
VOLLEN MUSIKZWEIG auf HYBRID-MUSIKZWEIG. Am
Alten Gymnasium Oldenburg, meiner eigenen Schule,
wird, so gehen im Moment die Planungen der
Schulleitung, wohl weg von der jetzigen Stundentafel 1
(mit WP) zur neuen regulären Stundentafel, ohne WP: Die
WP-Konstruktion ist teuer, schulorganisatorisch hoch
kompliziert und sie verlängert die Pflichtstundenzahl
(eben davon aber wollten ja die Eltern wegkommen). Weil
aber ja der Musikzweig in die Profil-Zweig-Lücke
eingeparkt wird, bedeutet das: In gleicher Weise werden
die
unter Druck geraten.
Nur,Musikzweige
dass wir die Konstruktion
richtig verstehen: Wir müssen mal ganz langsam nachrechnen, woher die künftigen
Musikzweige für ihre VIER Wochenstunden Musik von
Jahrgang 6-10 Marscherleichterung erhalten sollen. Werden sie eingeparkt in die Lücke für die Profilklassen und
erhalten ansonsten keine Ermäßigung, heißt das, dass die
Kinder in 6 und 7 je 32 Wochenstunden haben (statt 30),
richtig? In 8 können sie die eine Stunde Musik mit den drei
Profilstunden zusammennehmen und kommen auf 4, ok..
In 9 und 10 könnten sie die vier Stunden Profilunterricht
und die eine Regelstunde nehmen – und hätten dann sogar je eine Stunde über! Dann könnten also durch Verlagerung von Pflichtstunden aus der Unterstufe die Mehrbelastungen zurückgegeben werden. Unterm Strich hätte der
Musikzweig dann zwei Wochenstunden mehr als die normalen Profilklassen.
Woran wir arbeiten müssen
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Vor allem brauchen wir ein gangbares Alternativkonzept
für Klasse 11. Ein solches Alternativkonzept, nach bisherigen Gesprächen, könnte so aussehen, dass wir zum Prinzip des „Alten G9“ zurückkehren, zwei Stunden durchdurchgängig Kunst ODER Musik. Darstellendes Spiel wäre in
der Oberstufe einzubringen und müsste in 11 belegt werden, aber, das wäre das Entscheidende, ÜBER DEN DURST
(könnte also die Belegungs-Verpflichtung Kunst / Musik
nicht ersetzen). Das, dürfen wir argumentieren, müsste
auch im Interesse der Theaterleute sein: Sie können
nicht wollen, dass Leute ins Darstellende Spiel kommen, um etwas anderes abzuwählen; sondern sie
müssen an den Leuten interessiert sein, die dieses
Angebot wirklich wollen.