Aus- und Weiterbildung — 15 Südtiroler Wirtschaftszeitung — Nr. 12 | 15 — Freitag, 27. März 2015 Hochschule der Wirtschaft – Das bei den Südtirolern beliebte MCI wird heuer 20 Jahre alt – ein Gespräch mit Rektor Andreas Altmann Raus aus dem Elfenbeinturm Viele Hundert Südtiroler Führungskräfte und Unternehmer haben am MCI bereits studiert, in Vollzeit oder berufsbegleitend. Ist das MCI ein Konkurrent der Freien Universität Bozen? Welche Trends gibt es in der Hochschulbildung? Die SWZ hat mit MCI-Chef Andreas Altmann gesprochen. SWZ: Herr Altmann, vergangenen Freitag fand in Brixen zum elften Mal das Südtiroler Wirtschaftsforum statt, mit dem MCI an vorderster Front in der Organisation. Warum engagiert sich eine Innsbrucker Hochschule so stark für einen Wirtschaftstreff in Südtirol? Andreas Altmann: Das MCI versteht sich als „Unternehmerische Hochschule“ und hat diese Marke auch international geschützt. Wir arbeiten nicht im elfenbeinernen Turm, sondern schlagen Brücken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Wir bekennen uns aktiv zu Leistung, Engagement und Verantwortung. Aus dieser Kombination entsteht Nutzen für alle Beteiligten und den Standort. Das Südtiroler Wirtschaftsforum ist lebendiger Ausdruck dieser Philosophie. besondere für beruf lich besonders exponierte Entscheidungsträger wichtig, welche in den seltensten Fällen über mehrere Jahre hinweg zeitlich stabil planen können. Mit unserem Executive MBA und Executive MSc haben wir im deutschsprachigen Raum Furore gemacht. Beide Studiengänge tragen das begehrte Premiumsiegel der hierfür wichtigsten Akkreditierungsagentur. Das MCI bietet seit Kurzem ja auch Online-Formate. So ist es. Unser Bachelor-Studiengang BWL Online hat alle unsere Erwartungen übertroffen. Wir haben vier Jahre systematische Vorbereitungsarbeit investiert, Experten aus aller Welt ans MCI geholt und nun das qualitätsvollste Blended-Learning-Studium im weiten Umkreis im Angebot. In Vorbereitung ist nun ein global ausgerichtetes Online-MBA-Studium in Zusammenarbeit mit einer renommierten internationalen Partneruniversität. Ein intelligenter Mix von Online-Kursen, Präsenzmodulen und elektronischen Medien verknüpft ortsunabhängiges Studium mit intensiver persönlicher Interaktion zwischen Professoren und Studierenden. Auf die persönliche Interaktion legen wir besonderen Wert. Die Qualität eines solchen Studiums liegt teilweise über der eines herkömmlichen Studiums. Die Nachfrage nach berufsbegleitenden Studiengängen ist stabil. Der Trend geht zu kürzeren, aufeinander abgestimmten Einheiten, die modular kombiniert werden können. nehmer, Führungskräfte und Entscheidungsträger aus der Wirtschaft in Südtirol. Das Wirtschaftsforum 2015 war die internationalste aller bisherigen Veranstaltungen. Die Vortragenden kommen aus ganz Europa. Auch die Teilnehmer und das Medienecho werden zunehmend international. Entspringt das vom MCI gemeinsam mit der SWZ vergebene Stipendium für ein berufsbegleitendes Managementstudium einem ähnlichen Gedanken wie das Engagement für das Südtiroler Wirtschaftsforum? Definitiv. Auch beim Stipendium werden das Konzept der Unternehmerischen Hochschule, die Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, das Bekenntnis zu Leistung und Verantwortung und das Engagement für den Standort sichtbar. Durch das Stipendium 2014 wird dem Südtiroler Jungunternehmer Simon Staff ler modernstes Management-Know-how zuteil. Dieser hat vorher in Mailand ein Studium der Geographie und Umweltwissenschaften absolviert und leitet nun ein Nonfood-Catering-Unternehmen. Auch heuer wird wieder ein Stipendium vergeben. Grast das MCI in Südtirol in Gefilden der Freien Universität Bozen? Das MCI ist inhaltlich und strukturell völlig anders positioniert als etwa eine Universität Bozen. Unser Profil in Lehre, Forschung, Gründung und Services ist besonders wirtschaftsnah, anwendungs-, lösungs- und umsetzungsorientiert. Darüber hinaus sind wir sehr international aufgestellt, obwohl wir mit beiden Beinen in der Region stehen und uns aktiv zur Verantwortung für den Standort bekennen, welcher hoffentlich nicht an der Brennergrenze endet. ®© Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata Foto: Türtscher Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung des Südtiroler Wirtschaftsforums? Sie haben ja den direkten Vergleich mit dem Tiroler Wirtschaftsforum. Das Südtiroler Wirtschaftsforum entwickelt sich Schritt für Schritt zur wichtigsten Veranstaltung für Unter- Wir bekennen uns aktiv zu Leistung, Engagement und Verantwortung: Andreas Altmann, Rektor des MCI. Wie spielen regionaler Auftrag und internationale Ausrichtung zusammen? Die Aktivitäten einer Hochschule dürfen sich nicht auf die Region beschränken. Wo, wenn nicht während eines Studiums, sollen Studierende mit internationalen Themen, Inhalten, Lehrenden, Studierenden, Projekten, Sprachen und Netzwerken in Verbindung gebracht werden? Wo anders als während eines Studiums sollten Menschen auf internationale Herausforderungen vorbereitet und für den internationalen Wettbewerb fit gemacht werden? Das sind wir unseren Studierenden, ihren Arbeitgebern, dem Standort und unserer Gesellschaft schuldig. Vor diesem Hintergrund kann ein Engagement des MCI in der gemeinsamen Europaregion nur positiv gesehen werden. Am MCI studieren traditionell auch zahlreiche Südtiroler. Wie viele sind es derzeit? Von unseren 3.000 Studierenden sind 160 aus Südtirol. Dazu kommen zahlreiche Südtiroler in unseren laufenden Kurzlehrgängen, Seminaren und maßgeschneiderten Firmenprogrammen. Woher kommen die anderen Studierenden? Am MCI sind allein heuer Bewerbungen für ein Studium aus 64 Ländern eingegangen und haben wir Studierende aus 49 Ländern ins Studium aufgenommen. Dazu kommen laufend etwa 300 Gaststudierende aus aller Welt, die ihr Auslandssemester oder -jahr bei uns verbringen oder im Wege eines DoubleDegree-Abkommens bei uns studieren. Unsere Professoren und Dozenten stammen aus 35 Ländern, wir arbeiten mit Universitäten und Unternehmen auf allen Erdteilen zusammen, und unsere Absolventen sind in aller Welt tätig. Lassen sich in der Hochschulbildung Trends erkennen? Gibt es Studienrichtungen, die sich besonderer Beliebtheit erfreuen, und andere, die zurückgedrängt werden? Auch ein Studium unterliegt einem gewissen Lebenszyklus. Vor dem Hintergrund überprüfen wir unser Studienangebot laufend auf inhaltliche Aktualität, akademische Qualität, internationale Standards, Bedarf und Arbeitsmarktrelevanz. Trotz aller Bemühungen um Aktualität und laufende Innovation versuchen wir, uns kurzfristigen Moden aber so weit wie möglich zu entziehen. Wir wollen gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Entwicklung aktiv gestalten und nicht kurzfristigen Erscheinungen nachlaufen. Nimmt die Nachfrage nach berufsbegleitenden Angeboten tendenziell zu oder vielmehr ab, weil die Menschen gerade in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten ihre ganze Energie ihrer beruflichen Aufgabe widmen müssen? Die Nachfrage nach berufsbegleitenden Studiengängen ist erstaunlich stabil. Es verändern sich allerdings die Formate: Der Trend geht zu kürzeren, inhaltlich aufeinander abgestimmten Einheiten, die mit hoher Flexibilität modular zu einem akademischen Abschluss kombiniert werden können. Dies ist ins- • Info Das MCI und Andreas Altmann Andreas Altmann ist seit der Gründung des Managament Center Innsbruck (MCI) vor 20 Jahren dessen Geschäftsführer und seit 2012 auch Rektor. Das MCI wurde 1995 als privatrechtlich organisiertes, aber weitgehend in öffentlichem Eigentum stehendes Hochschulzentrum gegründet. Träger sind unter anderem das Land Tirol, die Stadt Innsbruck, die Wirtschaftskammer Tirol, die Arbeiterkammer Tirol, die Industriellenvereinigung Tirol und die Universität Innsbruck. Daneben wird die Arbeit der Hochschule von einem Förderkreis bestehend aus Unternehmen unterschiedlicher Branchen unterstützt. Lassen Sie uns noch einmal auf die Zusammenarbeit des MCI mit der Wirtschaft zurückkommen. Die Zusammenarbeit ist ungemein vielschichtig. So ist die Wirtschaft bereits in unserer Eigentümerstruktur verankert und wird darüber hinaus konsequent in die Konzeption, Implementierung und laufende Evaluierung unserer Studienprogramme involviert. Viele unserer Dozenten kommen ebenfalls aus Wirtschaft und Consulting. Unsere Vollzeitstudierenden absolvieren vor ihrem Studienabschluss jeweils ein einsemestriges Praktikum in der Wirtschaft, unsere berufsbegleitenden Studierenden kommen aus der Wirtschaft, bringen ihre Erfahrung ins Studium ein und setzen das erworbene Wissen direkt im Unternehmen um. Auch der Übergang vom Studium in den Beruf wird von einem professionellen Career Service unterstützt. Unsere gemeinsamen Forschungsprojekte mit der Wirtschaft umfassen mittlerweile mehrere Millionen Euro. Hieraus sind schon jede Menge neuer Technologien, Produkte und Verfahren entstanden, wurden Innovationen angestoßen, neue Märkte erschlossen und sind auch neu gegründete Unternehmen hervorgegangen. Auch das MCI selbst hält mittlerweile eine Reihe von Patenten und hat Unternehmensgründungen vorangetrieben, an welchen wir eigene Beteiligungen halten. In Ihrem Alumni Club gehen Führungskräfte ein und aus. Am MCI ist praktisch jede Woche ein sogenannter „top shot“ zu Gast und geben sich Präsidenten, Minister, Unternehmer, Vorstände und Spitzen aus Wissenschaft, Sport und Kunst sprichwörtlich die Klinke in die Hand. Internationale Vernetzung, Dialog und Know-how-Transfer sind uns enorm wichtig. Das MCI existiert erst seit knapp 20 Jahren, genießt aber international einen ausgezeichneten Ruf. Welches ist Ihrer Meinung nach das Erfolgsrezept? Es geht im Grunde um die gleichen Tugenden, wie sie für Unternehmen wichtig sind: Fleiß, Mut, Konsequenz, Professionalität, Engagement, Innovation, Durchhaltevermögen und Leidenschaft. Unser Team hat Enormes geleistet, und ich bin auf jeden einzelnen unserer Mitarbeiter stolz. Interview: Christian Pfeifer Unternehmerverband UVS Schule trifft Unternehmen Bozen/Naturns/Schlanders/Meran – Weiterhin bemüht sich der Unternehmerverband Südtirol (UVS) stark um eine Vernetzung der Schulwelt mit den Unternehmen. Gerade in diesen Tagen fand erstens ein Besuch von Berufs- und Oberschullehrern bei Ivoclar in Naturns statt und treffen zweitens Oberschüler im Rahmen von „Wir (U)unternehmen – Intraprendere insieme – Undertaking together“ Unternehmer. Zwei Dutzend Lehrkräfte aus 13 Südtiroler Ober- und Berufsschulen ließen sich bei Ivoclar Vivadent in Naturns erklären, wie dieses international tätige Unternehmen aktiv mit dem Wandel umgeht. „Es ist weder die stärkste Spezies, die überlebt, noch die intelligenteste. Es ist diejenige, die die höchste Anpassungsfähigkeit und Bereitschaft zur Veränderung hat“, zitierte Managing Director Markus Heinz den Naturforscher Charles Darwin. Das 1923 gegründete familiengeführte Dentalunternehmen mit Hauptsitz in Schaan in Liechtenstein ist heute mit einer umfangreichen Produkt- und Systempalette für Zahnärzte und Zahntechniker weltweit eines der führenden Unternehmen. Am Standort in Naturns sind derzeit 225 Mitarbeiter beschäftigt. Besondere Aufmerksamkeit schenkt Ivoclar neben der ständigen technologischen Entwicklung den Mitarbeitern. Markus Heinz und seine Kollegen Andreas Brucculeri (Abteilungsleiter Personalentwicklung) und Alois Pföstl (Personalleiter) diskutierten mit den Lehrkräften insbesondere darüber, wie das Unternehmen mit den neuen Arbeitsund Lebensgewohnheiten der y-Generation umgeht. In der regen abschließenden Diskussion waren sich Lehrkräfte und Firmenvertreter einig, dass die enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Unternehmen immer wichtiger wird, um gemeinsam für die Jugendlichen die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen, sich fit für die Zukunft zu machen. Genau darauf zielt das Projekt „Begegnung Schule-Unternehmen“ ab, das der Unternehmerverband Südtirol in enger Zusammenarbeit mit den Schulen mittlerweile seit mehreren Jahren organisiert. Im Rahmen dieses Projektes finden in diesen Tagen zwei Veranstaltungen zum Thema „Wir (U)unternehmen - Intraprendere insieme - Undertaking together“ statt. Die erste Veranstaltung ging am Mittwoch im Kulturhaus von Schlanders über die Bühne, die zweite ist für den heutigen Freitagvormittag an der Wirtschaftsfachoberschule „Franz Kafka“ in Meran angesetzt. Ober- und Berufsschüler hörten in Schlanders Impulsreferate von Thomas Moriggl, Geschäftsführer der Moriggl GmbH, und Carmela Amico, Chief Sales and Marketing Officer der Karl Pedross AG, während heute in Meran Massimo Varatto, CEO der Oberalp AG („Missione, visione, passione: essere marca!“), Suzana Jotovic, Head of MPR der Schweitzer Project AG („How I found my way“) und Armin Pixner, geschäftsführender Gesellschafter der Alpi Fenster GmbH („Nicht warten – unternehmen“) über ihre Erfahrungen referieren. Schließlich kam das Thema Ausbildung auch bei einem Kamingespräch zur Sprache, bei dem sich die Gruppe der Jungunternehmer im UVS mit dem Unternehmer Stefan Pan austauschte – weniger der UVS-Präsident Pan stand im Mittelpunkt, sondern vielmehr der Mensch Pan. „Zusammenhänge erkennen, aufzeigen und erklären, das ist unsere Aufgabe und unser gesellschaftspolitischer Auftrag. Wir müssen Vordenker sein und unser unternehmerisches Handeln und Denken in einen gesellschaftspolitischen Rahmen stellen“, sagte Pan, geschäftsführender Gesellschafter der Pan Tiefkühlprodukte GmbH. Denn nur so könne es gelingen, die Gesellschaft insgesamt zu fordern und zu mehr Risikobereitschaft anzuregen. „Fehler machen muss dabei erlaubt sein, sind sie doch eine wertvolle Erfahrung. Sie setzen Energien frei und sind wichtiger Ansporn“, so Pan. Gerade jungen Menschen müsse es zugestanden werden, neue und innovative Wege zu gehen. „Die Zukunft einer Gesellschaft liegt in ihrer Fähigkeit, die Jugend mitzunehmen, ihre Begeisterung zuzulassen“. Pan lud die Gruppe der Jungunternehmer dazu ein, die bereits begonnene Diskussion über ein neues Bildungskonzept für Südtirol fortzuführen. 6 — Südtiroler Wirtschaft Südtiroler Wirtschaftszeitung — Nr. 12 | 15 — Freitag, 27. März 2015 Landeshauptmann Arno Kompatscher mit Karl Pichler, Präsident der Stiftung Sparkasse, die ein wichtiger Partner des Südtiroler Wirtschaftsforums ist Des eigenen Glückes Schmied Fotos: Ingrid Heiss Impressionen – Knapp 350 Teilnehmer beim Süd tiroler Wirtschaftsforum Eine unkonventionelle Politikerin, die beim Publikum gut ankam: EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc mit Moderator Christian Pfeifer Hilf dir selber! Dieses Motto bestimmte das 11. Südtiroler Wirtschaftsforum. Es war ein Treff von Unternehmern, Führungskräften und Entscheidern. Bergmilch-Südtirol-Geschäftsführer Robert Zampieri, Unternehmer Andreas Mumelter, Landtagsabgeordneter Helmuth Renzler, Carmen Seidner vom VKE Versicherer trifft Banker: Assiconsult-CEO Gregor Stimpfl und Richard M. Seebacher, Generaldirektor pro tempore der Südtiroler Sparkasse Illustre Runde: die Unternehmer Christof Oberrauch, Thomas Baumgartner, Alfred Guarriello, Karl Pichler und Benedikt Gramm mit Stiftung-Sparkasse-Direktor Andreas Überbacher Universitätsdirektor Günther Mathà, Sporthilfe-Geschäftsführer Stefan Leitner, VOG-PR-Leiterin Sabine Oberhollenzer, Eneco-Chef Stefano Podini Knapp 350 Teilnehmer erlebten im Forum Brixen ein abwechslungsreiches Programm mit fünf Referenten Brixen – Fünf abwechslungsreiche Referate mit einem Mix aus Lehrreichem und Unterhaltsamem, nützliche Tipps für den Führungsalltag, emotionale Anregungen für die Bewältigung schwieriger Situationen, ein sympathischer Gedankenaustausch auf Augenhöhe mit EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc, schließlich viel Raum für den Gedankenaustausch und die Kontaktpflege: Das waren die Ingredienzien des 11. Südtiroler Wirtschaftsforums am vergangenen Freitagnachmittag im Forum Brixen. Knapp 350 Unternehmer, Führungskräfte, Entscheider und Interessierte aus Nord- und Südtirol waren dem Ruf des Veranstalter-Trios – MCI Management Center Innsbruck, Business Bestseller, Netzwerk der Südtiroler im Ausland Südstern – gefolgt und brauchten nach fünf Stunden Programm ihr Kommen nicht zu bereuen. Stammbesucher sprachen sogar von „einer der gelungensten Auflagen bisher“. Der Stargast war freilich EU-Kommissarin Bulc, die sich einen Tag nach dem offiziellen Start der Arbeiten für den Hauptstollen des Brennerbasistunnels in Innsbruck die Zeit für einen Abstecher nach Brixen nahm. Eingefädelt hatte den hohen Besuch MCI-Rektor Andreas Altmann. Die Politikerin, selbst Unternehmerin, präsentierte sich als EU-Kommissarin zum Anfassen und machte sich beim Dialog mit dem Publikum eifrig Notizen. „Wir müssen die Art, wie wir den Verkehr denken, ändern“, sagte sie. Packend war der Auftritt des Niederländers Joseph Oubelkas, der in Marokko viereinhalb Jahre unschuldig und ohne Beweise im Gefängnis gesessen hat. Seine Botschaft ist eine Lektion sowohl für das Berufs- als auch für das Privatleben: Egal, wie schwierig die Situation ist, mach das Beste aus ihr, anstatt dich selbst zu bemitleiden – sei deines eigenen Glückes Schmied, anstatt auf die Hilfe anderer zu warten. Dieselbe Meinung vertritt der italienische Unternehmer Alberto Zamperla, einer der international führenden Hersteller von Achterbahnen und anderen Attraktionen für Vergnügungsparks. Er predigt Innovationswillen als Erfolgsfaktor. Und er rät jungen Menschen: „Reist, um euren Geist zu öffnen. Tut, was euch gefällt. Habt keine Angst davor, euch die Hände schmutzig zu machen.“ Managerin Dagmar Chlosta, die nach 20 Jahren bei adidas zum Mitbewerber Ander Armour wechselt, unterstrich den menschlichen Aspekt des Führens: „Mitarbeiter wollen ihren Chef als Mensch spüren.“ Sie ist überzeugt: Der Fisch stinkt vom Kopf, wenn Mitarbeiter nicht leisten. Auch ein Südtiroler referierte beim Wirtschaftsforum, wenn auch ein untypischer Südtiroler: Stefan Siegel, Mitglied von Südstern, der in London die international führende Online-Designerplattform „Not Just a Label“ aufgebaut hat und Ausdruck eines neuen Unternehmertyps ist. Der Ausklang des intensiven Nachmittags erfolgte mit Bioprodukten vom Moserhof im Ahrntal und mit Weinen der Kellerei Terlan. Am Ende durften die Veranstalter und ihre Partner (Stiftung Sparkasse, Sparkasse, Marketing Factory, Trentorise, Unternehmerverband, Longogroup, Standortagentur Tirol, Kellerei Terlan, Schweitzer) hoch zufrieden sein. Das nächste Südtiroler Wirtschaftsforum findet am 11. März 2016 statt. Informationen: Mehr Fotos unter www.wirtschaftsforum.it Das Wirtschaftsforum bietet nicht nur Nahrung für den Geist, sondern auch Nahrung für den Gaumen Bruneck trifft Meran: der frischgebackene Generalsekretär der Region mit Claudio Vitalini von den Stadtwerken Meran Organisatoren unter sich: Hubert Rienzner, Thomas Mur und Armin Hilpold von Südstern mit MCI-Rektor Andreas Altmann Beeindruckt von Joseph Oubelkas‘ Geschichte: Dietmar Pfeifer und Hannes Fischnaller, Geschäftsführer und Marketingleiter des FC Südtirol Heimspiel für die Eisacktaler: Der Feldthurner Hotelier Helmut Tauber (Taubers Unterwirt) und der Unternehmensberater Sepp Erlacher (Ifk Consulting) Gedankenaustausch und Kontaktpflege erhalten beim Südtiroler Wirtschaftsforum genügend Raum ®© Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata 2 — Südtiroler Wirtschaft SWZ: EU-Kommissarin Bulc, Sie haben eine europaweit einheitliche, kilometerabhängige Maut für den Straßenverkehr vorgeschlagen, weil die vielen unterschiedlichen Systeme in Europa Ihres Erachtens ein Mobilitätshindernis sind. Das klingt plausibel, aber ist es wirklich realistisch zu glauben, dass sich die Autobahnbetreiber einen solchen politischen Eingriff in ihre Tarifpolitik gefallen lassen? Violeta Bulc: Heute bilden die Mautsysteme in der EU ein Flickwerk unterschiedlicher Systeme, die untereinander nicht kompatibel sind. Das macht den grenzüberschreitenden Transport mühsam und teuer, was wiederum der europäischen Wettbewerbsfähigkeit schadet. Die EU-Kommission wird bewerten, wie sie in dieser Angelegenheit am besten vorgeht, und sie wird dabei die Interessen der verschiedenen Akteure berücksichtigen. Südtiroler Wirtschaftszeitung — Nr. 11 | 15 — Freitag, 20. März 2015 Südtiroler Wirtschaftsforum – SWZ-Exklusivinterview mit EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc, die heute nach Brixen kommt Verkehrte Verbote Umwegverkehr wird am wirksamsten durch eine einheitliche EU-Maut unterbunden. Das sektorale Fahrverbot in Tirol ist der falsche Weg. Eine komplette Untertunnelung der südlichen BBT-Zulaufstrecke ist nicht finanzierbar. EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc antwortet auf brennende Fragen. Was sagen Sie zum Vorwurf, dass Ihr Vorschlag nur dazu gedacht sei, den Autofahrern tiefer in die Tasche zu greifen? Ich unterstütze das Verursacherprinzip. Dieses Prinzip stellt eine klare und faire Preisgestaltung für die Straßenbenutzer sicher. Demzufolge sollten saubere und leise Lkws weniger bezahlen, während verschmutzende und laute Lkws mehr bezahlen. Es ist also nicht eine Frage der finanziellen Belastung bzw. Überbelastung der Straßennutzer, sondern die Absicht besteht vielmehr darin, Anreize für eine Reduzierung der Umweltbelastung zu schaffen. Der Brennerbasistunnel ist ein Thema, das in Südtirol intensiv diskutiert wird. Muss der Straßenverkehr parallel teurer gemacht werden, um den Personen- und Warenverkehr auf die Schiene zu zwingen und zu verhindern, dass der BBT ein Milliardengrab wird? Die Verlagerung des Langstreckentransports von der Straße auf die Schiene wird zu einer ökologisch nachhaltigeren Zukunft Europas führen. Die externen Auswirkungen des Frachtverkehrs auf der Straße müssen minimiert werden. Gleichzeitig lässt das geographische Profil der alpinen Regionen keine Schieneninfrastruktur ohne längere Tunnels zu. Der Bau dieser Tunnels erfordert größere Investitionen. Die EU-Kommission unterstützt in Sachen Preisgestaltung gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle, sprich ein System, das über die Deckung der Infrastrukturkosten hinausgeht und auch die externen Kosten internalisiert. Schiene und Straße sollen gleichgestellte Wettbewerber werden, um die erwünschte und notwendige Verkehrsverlagerung in den alpinen Regionen und im Rest Europas zu bewerkstelligen. Wenn die Straßenmaut nur entlang der Brennerstrecke erhöht wird, sucht sich der Verkehr zwangsläufig andere Routen. Und deswegen schwebt Ihnen eine Vereinheitlichung der europäischen Mautsysteme vor, ist das richtig? Tatsächlich können Routenwechsel am wirksamsten mit einem gesamteuropäischen System verhindert werden. Laut EU-Gesetzgebung können Straßen jenseits der transeuropäischen Verkehrsnetze mit einer Mautgebühr belegt werden, vorausgesetzt, die Maut führt nicht zu Diskriminierungen oder zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Transportunternehmen. Was ein europaweit einheitliches Gebührensystem betrifft, ermöglicht die EU-Gesetzgebung den Mitgliedsstaaten die Einhebung von Mautgebühren auf den Güterverkehr – sie verpflichtet sie aber nicht dazu. Es liegt in der Verantwortung der Mitgliedsstaaten, ein Gebührensystem für die Nutzung der Infrastrukturen auf ihrem Hoheitsgebiet einzuführen. So soll es auch bleiben. Die EU-Kommission wird mit allen Alpenländern weiterhin daran arbeiten, ein koordiniertes Vorgehen zur Vermeidung von Umwegverkehr sicherzustellen. Was halten Sie von den Tiroler Plänen für ein sektorales Fahrverbot ab Herbst? Sind solche Maßnahmen zielführend, um den Verkehr – in Erwartung des Brennerbasistunnels – von der Straße auf die Schiene zu zwingen? Wenn ich ehrlich bin, dann bin ich keine Befürworterin von sektoralen Fahrverboten. Tirol hat das Recht und sogar die Pf licht, Maßnahmen für eine Verbesserung der Luftqualität im Inntal zu ergreifen. Bislang werden die EU-Grenzwerte häufig überschritten. Trotzdem, wenn solche Maßnahmen grundlegende Prinzipien der EU berühren, so wie den freien Warenverkehr, dann dürfen sie nicht über das Notwendige zur Erreichung des Ziels – sauberere Luft in Tirol – hinausgehen. Das sektorale Fahrverbot ist eines der am wenigsten effektiven Mittel zur Verbesserung der Luftqualität. Einerseits verbietet es den Transittransport von gewissen Gütern durch Tirol, selbst wenn dieser mit sehr sauberen Fahrzeugen abgewickelt würde. Andererseits erlaubt es den Transport anderer Güter selbst durch sehr verschmutzende Lkws. Darüber hinaus betrifft das Fahrverbot nur den Transitverkehr, während der lokale Verkehr sowie der Verkehr mit Start bzw. Ziel in Tirol ausgenommen bleibt. Studien haben gezeigt, dass konsequent verschärfte Geschwindigkeitslimits viel effektiver zur Verbesserung der Luftqualität beitragen. Abgesehen davon, behindern Tempolimits den freien Warenaustausch nicht. EU-weit kommt in vielen engen Tälern mit ähnlichen Problemen ein Tempolimit von 80 Stundenkilometern für den gesamten Verkehr zur Anwendung. Ich denke, das wäre der bessere Weg zur Reduzierung der Luftverschmutzung im Inntal als die dritte Einführung eines sektoralen Fahrverbots, nachdem ein solches vom Europäischen Gerichtshof bereits zweimal abgelehnt wurde. Info Das ist Violeta Bulc EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc diskutiert am heutigen Freitagnachmittag beim Südtiroler Wirtschaftsforum in Brixen mit Unternehmern und Führungskräften über das Thema Verkehr. Bulc ist eine politische Quereinsteigerin – und eine äußerst vielseitige Frau. Bis 2014 war sie selbstständige Unternehmerin, dann wurde sie zunächst Vizeregierungschefin und Entwicklungsministerin ihres Heimatlandes Slowenien und wenige Wochen später EU-Verkehrskommissarin. Mit nur 18 Jahren stand sie einst in der jugoslawischen Basketball-Nationalmannschaft, nach dem Studium arbeitete sie unter anderem von 1994 bis 1999 in führender Position bei Telekom Slovenia, dann wurde sie Vizepräsidentin des Telekommunikationsproviders Telemach und gründete 2000 ihr eigenes Beratungsunternehmen: Vibacom. 2014 folgte Bulc dem Ruf der Politik. Beim Südtiroler Wirtschaftsforum, das von MCI, Business Bestseller und Südstern veranstaltet wird, treten heute neben EU-Kommissarin Bulc der Achterbahn-Produzent Alberto Zamperla, die langjährige adidas-Managerin Dagmar Chlosta, der Meraner Modepionier Stefan Siegel und der Niederländer Joseph Oubelkas auf, der viereinhalb Jahre lang unschuldig in Marokko inhaftiert war und in dieser Zeit die Kraft des positiven Denkens entdeckte. Das Wirtschaftsforum findet zum 11. Mal statt und ist ein beliebter Treffpunkt von Unternehmern, Führungskräften und Entscheidern. Wird das also auch ein drittes Mal passieren? Letzthin hat der Europäische Gerichtshof klar zum Ausdruck gebracht, dass Tirol zunächst den Beweis erbringen muss, dass Maßnahmen, die sich weniger stark auf den freien Warenverkehr auswirken als ein sektorales Fahrverbot, unwirksam sind, um die Luftverschmutzung im Inntal ausreichend zu reduzieren. Wir vermissen diesen Nachweis bisher, weshalb die EU-Kommission den dritten Versuch zur Einführung eines sektoralen Fahrverbots sehr kritisch betrachtet. Fahrverbote auf der Straße sind der falsche Weg, um die Güter auf die Schiene zu verlagern. Jede Verkehrsverlagerungspolitik sollte auf Anreizen basieren oder auf der Internalisierung von externen Kosten, nicht auf Fahrverboten. Der Brennerbasistunnel bleibt eine Kathedrale in der Wüste, sofern die nördliche und südliche Zulaufstrecke von München bis Innsbruck bzw. von Verona bis Franzensfeste nicht zeitgleich verwirklicht wird. Blicken Sie besorgt auf die Verspätungen bei der Planung der Zulaufstrecken sowohl auf italienischer als auch auf deutscher Seite? Ich pf lichte Ihrer Feststellung vollkommen bei: Der Brennerbasistunnel wird nur mit angemessenen Zulaufstrecken wirkungsvoll. Das ist genau der Grund, warum ein Kernnetz von Verkehrskorridoren definiert wurde: ineinandergreifende Infrastrukturen für Güter und Personen, die über die Ein- und Ausfahrten der Tunnels hinausgehen. Außerdem wird der Brennerbasistunnel einem viel größeren Gebiet einen Aufschwung bescheren als allein dem Tunnelgebiet. Das wird zu mehr Arbeitsplätzen führen, zu mehr Wirtschaftswachstum und zu einer besseren Zukunft für die Nutzer und Bürger. Aus diesen Gründen sollte darauf geachtet werden, dass der notwendige Ausbau der Zulaufstrecken auf italienischer und deutscher Seite zeitgleich gelingt. Meiner Meinung nach sollten Italien und Deutschland ihre Bemühungen für eine Verwirklichung der Zulaufstrecken im Einklang mit der Kapazität des neuen Tunnels maximieren. Unser Koordinator Pat Cox arbeitet mit den relevanten Behörden daran, dass dieses gemeinsame Vorgehen entlang des Skandinavisch-Mediterranen Korridors sichergestellt wird. Die Südtiroler Bevölkerung entlang der südlichen Zulaufstrecke wünscht sich aus Angst vor der Lärmbelastung einen unterirdischen Schienenverlauf. Ist das finanzierbar? Ich weiß, dass der Eisenbahnlärm in Berggebieten ein erhebliches Problem für die Bürger darstellt. Die EU-Kommission ist sich dessen bewusst und hat die Lärmvorbeugung in verschiedenen Maßnahmen berücksichtigt. Beispielsweise wurden Geldmittel für innovative Lösungen zweckgebunden, die den Eisenbahnlärm minimieren, etwa durch die Installation von neuen Bremsen an lauten Waggons und durch die Preisdifferenzierung, sprich durch höhere Preise für laute Züge. Der Bau eines Tunnels ist immer eine Frage von sozioökonomischen Kosten und Vorteilen. Zuverlässige Analysen können exakt definieren, wo ein Tunnel vorteilhafter ist. Solange wir mit begrenzten Budgets auskommen müssen, werden wir nicht imstande sein, das gesamte Verkehrsnetz zu untertunneln. Ich unterstütze den Gedanken, innovative Lösungen für oberirdische Infrastrukturen zu fördern und Tunnels dort zu bauen, wo dies notwendig ist. Interview: Christian Pfeifer Wir wünschen Ihnen interessante Vorträge und gute Gespräche. Südtiroler Wirtschaftsforum 2015 SPONSOR Mehr Bank. Forum Brixen, am 20. März 2015 ®© Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata 8 — Tribüne Südtiroler Wirtschaftszeitung — Nr. 10 | 15 — Freitag, 13. März 2015 Südtiroler Wirtschaftsforum – Der Achterbahn-Produzent Alberto Zamperla über Erfolgsrezepte, den internationalen Wettbewerb und den Standort Italien Sich ständig in Frage stellen Wachsamkeit, mentale Offenheit, Imagepflege: Das sind für den Unternehmer Alberto Zamperla drei grundlegende Qualitäten im internationalen Wettbewerb. Auf die italienische Politik ist Zamperla nicht gut zu sprechen. Er sagt: „Unser Wachstum findet anderswo statt.“ SWZ: Herr Zamperla, Ihr Vortrag beim Südtiroler Wirtschaftsforum trägt den Titel „Die Achterbahn des Unternehmerseins“. Die Entwicklung Ihrer Unternehmensgruppe ähnelt aber keineswegs einer Achterbahnfahrt – es geht bei Ihnen anscheinend nur aufwärts. Alberto Zamperla: Das Unternehmerleben ist zweifelsohne eine Achterbahnfahrt mit ständigen Variablen, zumal für international tätige Unternehmen wie das meine. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 kam der US-Markt zum Erliegen, genauso beeinflussen Kriege den Export in wechselnde Regionen der Erde und spielen Währungskurse eine Rolle. Es ist praktisch keine mittel- bis langfristige Planung mehr möglich. Der Unternehmer – besser: das Unternehmen – muss allzeit bereit sein, auf geänderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Das erfordert eine mentale Öffnung. Wie meinen Sie das? Erfolgreich ist, wer sich immerzu in Frage stellt, und nicht, wer sich im Erfolg zufrieden zurücklehnt. Es wird ja viel von Innovation geredet. Dabei entsteht oft der Eindruck, dass nur innovativ ist, wer eine neue Rakete für die Mondfahrt erfindet. Für mich bedeutet Innovationsstreben die Bereitschaft, immer und überall besser zu werden. Das schließt auch die aufmerksame Beobachtung der Mitbewerber ein, selbst jener Mitbewerber, die eigentlich noch gar keine sind, denn es ist gut möglich, dass sie eines Tages den vermeintlichen Rückstand aufgeholt haben und zu ernsten Konkurrenten werden. Verraten Sie mir doch Ihre drei goldenen Regeln, um auf der Achterbahn der globalen Wirtschaft nicht abgeworfen zu werden. Erstens Wachsamkeit, gerade für ein Unternehmen mit einer Exportquote von 95 Prozent, wie wir es sind. Der Rahmen, in dem wir wirtschaften, ändert sich ständig – siehe Ereignisse in Russland, siehe Terrormiliz IS, siehe das Wiedererstarken des Dollars, siehe Rechtsvorschriften wie der Jobs Act, von dem wir sehen werden, was er bringt. Zweitens die bereits erwähnte mentale Öffnung und die Bereitschaft, sich selbst in Frage zu stellen. Drittens Achtsamkeit für das Image des eigenen Unternehmens, denn es gibt auf der Welt viele gute Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen. Wir Italiener vernachlässigen das leider viel zu oft. Lassen Sie uns über Ihren Sektor sprechen. Europa und vor allem Italien stöhnen unter einer anhaltenden Konjunkturschwäche. Naheliegend wäre, dass die Menschen in Krisenzeiten weniger Geld für die Unterhaltung ausgäben und die Vergnügungsindustrie entsprechend litte. Tut sie das? Nein. Die Menschen mögen in Krisenzeiten zwar Überflüssiges streichen, aber ein bisschen Vergnügen gönnen sie sich Wie soll der Staat die Steuerbelastung reduzieren, wenn er das Geld dringend benötigt? Der Staat muss seine Ausgaben massiv kürzen, ganz einfach. Wir brauchen weniger Staat. Dass Arbeit so massiv besteuert wird, ist für mich nicht nachvollziehbar, gerade in Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit ein gravierendes Problem darstellt und der Staat viel Geld für die Arbeitslosenunterstützung aufwenden muss. Ebensowenig kann ich die übermäßige Besteuerung von Überstunden verstehen. Welche Motivation sollte ein Arbeitnehmer haben, in arbeitsintensiven Zeiten Überstunden zu leisten, wenn es sich für ihn finanziell nicht lohnt? Die Arbeitswelt hat sich verändert, und mehr denn je ist die Auftragslage in vielen Unternehmen sehr volatil. Die Politik bleibt hingegen in alten Konzepten verhaftet. Sie stellen der italienischen Politik absolut kein gutes Zeugnis aus. Das kann ich auch nicht. Gefällt Ihnen Matteo Renzi besser als seine Vorgänger? Ich würde mir auch von Matteo Renzi mehr Mut wünschen. Ein Politiker muss sich respektieren machen. Er muss seine Reformideen präsentieren und klarstellen: Wenn diese Ideen keine Mehrheit finden, dann gibt es Neuwahlen. Punkt! Überhaupt gelingt es Italien viel zu wenig, auf der Welt respektiert zu werden. Alberto Zamperla referiert am 20. März beim Wirtschaftsforum in Brixen immer noch. Die Unterhaltung, die wir bieten, ist ja vergleichsweise günstig zu haben. Täuscht also der Eindruck, dass es immer weniger Lunaparks gibt? Das ist wieder ein anderes paar Schuhe. Die fahrenden Lunaparks machen tatsächlich schwere Zeiten durch, weil sie es versäumt haben, sich weiterzuentwickeln. Sie bieten im Grunde keine aufregenden Erlebnisse, keine Neuigkeiten, für die sich ein Besuch lohnen würde. Und sie bieten auch nicht das, was beispielsweise das Oktoberfest in München oder viele Dorffeste so erfolgreich macht, nämlich die Mischung aus Musik, Essen und Attraktionen. Wo liegt derzeit Ihr Hauptmarkt – in Europa oder doch eher außerhalb? Unser wichtigster Absatzmarkt ist derzeit China. Auch der Umsatz in Amerika steigt dank Euro-Schwäche wieder, nachdem er stark gelitten hatte. Genauso liefern wir Anlagen in Länder, von denen man es nicht erwarten würde: Gerade in diesen Tagen verlassen acht Anlagen für einen Vergnügungspark im Irak unsere Produktionshallen. Es war gar nicht so einfach, einen Logistiker für diesen Transportauftrag zu finden. Wie beurteilen Sie den Wirtschaftsstandort Italien? Was muss sich ändern? Vor allem muss sich die Wahrnehmung der Gesellschaft für die Unternehmen ändern. In Italien ist das Image der Unternehmer sehr negativ. Darüber hinaus muss es endlich eine Entbürokratisierung geben, eine Reform, die nichts kostet. Des Weiteren muss die Steuerbelastung – sowohl für die Unternehmen, als auch für die Bürger – sinken, denn nur so kann die Wirtschaft auf den Wachstumspfad zurückgeführt werden. Wenn sich die Wirtschaft nicht erholt, wird der hochgelobte „Jobs Act“ wirkungslos bleiben, abgesehen davon, dass es für mich unverständlich ist, dass die Arbeitsmarktreform zwei Kategorien von Arbeitnehmern schafft, mit unterschiedlichen Sicherheiten, je nachdem, ob sie vor oder nach der Reform eingestellt wurden. Was hält Sie mit Ihrem Unternehmen in Italien? Sie haben ja Niederlassungen in den USA, in Russland, Dubai, China und auf den Philippinen. In Italien halten mich die Fähigkeiten und die Flexibilität meiner Mitarbeiter. Fakt ist aber, dass unser Wachstum anderswo stattfindet. Produzieren Sie ausschließlich in Italien? Wir produzieren in Italien, auf den Philippinen und in der Slowakei. Unser chinesisches Produktionswerk haben wir hingegen geschlossen – erstens, weil es uns dort nicht gelungen ist, die notwendige Qualität zu garantieren, und zweitens, weil die chinesischen Behörden bei ihren Auflagen und Kontrollen mit zweierlei Maß messen, je nachdem, ob es sich um ein ausländisches oder um ein chinesisches Unternehmen handelt. Wir hatten mit der chinesischen Kultur große Schwierigkeiten. Interview: Christian Pfeifer • Info • Info Wirtschaftsforum mit A. Zamperla – und V. Bulc Alberto Zamperla produziert Achterbahnen, Karussells und andere Attraktionen für Vergnügungsparks. Die Exportquote seines Unternehmens beträgt 95 Prozent. 2005 fand Zamperla als erster Italiener Aufnahme in die „Hall of Fame“ der Weltvereinigung der Vergnügungsindustrie IAAPA – neben Kalibern wie Walt Disney. Er ist einer von fünf Referenten beim diesjährigen Südtiroler Wirtschaftsforum am Freitag, 20. März, von 13 bis 20 Uhr im Forum Brixen. Zamperla ist Präsident und Geschäftsführer der „Antonio Zamperla spa“. Das Unternehmen mit Sitz in Altavilla Vicentina (VI) verfügt über Niederlassungen in New Jersey (USA), Moskau, Dubai, China und Philippinen. In der Vergnü- gungsindustrie ist Zamperla international ein Begriff. Das Wirtschaftsforum trägt heuer den Titel „Unternehmersein als Achterbahn – Erfolgsstrategien für Management und Führung“ und verspricht wieder zum Treffpunkt für Unternehmer und Führungskräfte zu werden. Das Programm: Registrierung der Teilnehmer 13 Uhr 14 UhrBegrüßung durch Landeshauptmann Arno Kompatscher und Karl F. Pichler, Präsident der Stiftung Südtiroler Sparkasse 14.10 UhrAlberto Zamperla: Die Achterbahn des Unternehmerseins 14.45 UhrVioleta Bulc: Die vielen Opportunitäten der Verkehrsinnovation 15.45 UhrDagmar Chlosta: Vom Sport zum Lifestyle – Leadership, Strategie & Veränderung in einem Weltunternehmen 16.30 UhrKommunikationspause 17 UhrJoseph Oubelkas: Mission Überleben – Positives Denken als Managementprinzip 18 UhrStefan Siegel: Creative Entrepreneurship – Unternehmen statt unterlassen! 18.45 UhrGeselliger Ausklang mit Buffet Moderation Christian Pfeifer, SWZ Simultanübersetzung vorgesehen Informationen: Anmeldungen unter www.wirtschaftsforum.it, Teilnahmegebühr 240 Euro + MwSt, vergünstigte Konditionen bei Mehrfachanmeldungen von Unternehmen Wir verschenken fünf Freikarten Fünf Freikarten im Gesamtwert von 1.200 Euro plus MwSt für das Südtiroler Wirtschaftsforum verschenkt die SWZ an ihre Leser. Wer am Freitagnachmittag, 20. März, gerne bei dieser Veranstaltung dabei wäre, sollte sich am Montag, 16. März, ab 12 Uhr per E-Mail in der SWZ-Redaktion ([email protected]) melden. Die Absender der ersten fünf E-Mails, die ab Punkt 12 Uhr in der Redaktion eintreffen, dürfen sich über eine Freikarte freuen. E-Mails, die vor 12 Uhr eintreffen, werden nicht berücksichtigt. Ausschlaggebend ist die Zeitangabe und Reihenfolge im E-Mail-Postfach der SWZ. Südtiroler Wirtschaftsforum 2015 Forum Brixen, am 20. März 2015 Jetzt Teilnahmeplatz über den Club Sparkasse sichern. Alle Infos in unseren Filialen. SPONSOR Mehr Bank. ®© Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata Unternehmensführung — 17 Südtiroler Wirtschaftszeitung — Nr. 9 | 15 — Freitag, 6. März 2015 Südtiroler Wirtschaftsforum – Joseph Oubelkas über die Kraft der positiven Gedanken in scheinbar ausweglosen Situationen Hilf dir selber! Der Niederländer Joseph Oubelkas saß viereinhalb Jahre unschuldig in marokkanischer Haft. Heute erzählt der ehemalige IT-Ingenieur, auf was es in schwierigen Situationen ankommt: das Schicksal annehmen und das Beste daraus machen, anstatt in Selbstmitleid zu versinken. SWZ: Herr Oubelkas, erinnern Sie sich an den Moment nach 1.637 Tagen im marokkanischen Gefängnis, als Sie entlassen wurden? Konnten Sie damals fassen, ein freier Mann zu sein? Joseph Oubelkas: Ich werde die vier Wörter, die der Staatsanwalt zu mir sagte, nie vergessen: „Sie dürfen nach Hause.“ Als er diese vier Wörter aussprach, wiederholte ich ungläubig: „Darf ich wirklich nach Hause?“ So viele Menschen hatten mir in den viereinhalb Jahren zuvor so oft versichert, dass dieser Tag kommen würde. Aber als der Tag wirklich da war, konnte ich es erst glauben, als ich meine Mutter sah, die da auf mich wartete, und als ich mit ihr durch das Tor ins Freie schritt und sie zu mir sagte: „Das ist das Tor zur Freiheit, mein Sohn.“ kommen, an dem ich mich wieder nach Marokko aufmache, weil ich das Land meines Vaters liebe – die Kultur, die Menschen, die Landschaft. Ich weiß aber nicht, wann dieser Tag sein wird. Es gibt auch noch viele andere Länder, die ich gerne besuchen würde. Es war passiert, das konnte niemand ändern, und ich musste das Beste aus der Situation im Gefängnis machen. Und dann sind Sie vermutlich ganz schnell nach Hause in die Niederlande gef logen. Um genau zu sein, war ich schon am Tag zuvor von Marokko in das Gefängnis von Amsterdam und dann von dort in das Gefängnis von ’s-Hertogenbosch – ebenfalls in den Niederlanden – verlegt worden. Dort wurde ich zu einem Gespräch mit dem Staatsanwalt geholt, der mich anlächelte und mir eröffnete, dass ich zurück in mein Leben dürfe. In Marokko hat sich niemand bei mir entschuldigt, obwohl wir beweisen konnten, dass die Justiz im Unrecht war. Was hat Ihnen der Staatsanwalt gesagt? Es wäre ja zu einfach zu sagen: „Entschuldigen Sie, Herr Oubelkas, es ist ein Fehler passiert. Vergessen Sie die vergangenen viereinhalb Jahre und gehen Sie heim.“ In den Niederlanden hat sich der Staatsanwalt für den Justizirrtum entschuldigt, mein Vorstrafenregister wurde gelöscht. Die Regierung hat mich sogar eingeladen, vor Polizeikräften und Gefängnispersonal über meine Erfahrungen zu sprechen – das war neben der Anerkennung des Unrechts, das mir widerfahren war, die größte Genugtuung. In Marokko hingegen hat sich niemand bei mir entschuldigt, obwohl wir beweisen konnten, dass ich im Recht und die Justiz im Unrecht war. Die Uhren in Afrikas Justizsystem ticken anders, als wir das in Europa kennen. Sind Sie seit Ihrer Haftentlassung im Sommer 2009 noch einmal nach Marokko zurückgekehrt? Nein, bisher nicht. Es wird der Tag Sich daran aufrichten, was gelingt, anstatt sich davon niederschmettern zu lassen, was nicht gelingt: Joseph Oubelkas kommt am 20. März nach Brixen. • 20. März Moderation Christian Pfeifer, SWZ Simultanübersetzung vorgesehen Ihre Mutter lehrte Ihnen in den Briefen das positive Denken. Reicht Ihr positives Denken heute so weit, dass Sie sagen: „Marokko hat mir mein Leben gestohlen, aber es hat mir ein anderes, bewussteres Leben geschenkt“? Wenn Sie wissen, unschuldig zu sein, und Sie vom Gericht trotzdem zu zehn Jahren Haft verurteilt werden, dann ist der Schuldspruch ein unbeschreiblicher Schlag ins Gesicht. Ich habe natürlich mit meinem Schicksal gehadert. Ich habe mich gefragt, warum das ausgerechnet mir passieren musste. Ich habe Marokko in meinen Gedanken bezichtigt, mir mein Leben gestohlen zu haben. Später habe ich mein Schicksal angenommen. Es war passiert, das konnte niemand ändern, und ich musste das Beste aus der Situation im Gefängnis machen. Die viereinhalb Jahre Haft sind ein Teil von mir, heute betrachte ich sie sogar als eine Bereicherung. Ich möchte sie kein zweites Mal durchleben müssen, aber sie haben mich stärker gemacht, und vielleicht kann ich mit meiner Erfahrung anderen Menschen helfen. Informationen: Anmeldungen unter www.wirtschaftsforum.it, Teilnahmegebühr 240 Euro + MwSt, vergünstigte Konditionen bei Mehrfachanmeldungen von Unternehmen In Ihrem zweiten Buch schreiben Sie, dass reich ist, wer Gesundheit, Liebe und Freiheit hat. Haben Sie nach Ihrer Rückkehr ins normale Leben eine europäische Gesellschaft vor- Südtiroler Wirtschaftsforum Joseph Oubelkas, niederländischer IT-Ingenieur mit marokkanischen Wurzeln, befand sich gerade bei einem Kunden in Marokko, als bewaffnete Polizeikräfte auftauchten. Auf dem Parkplatz der Firma wurden zwei Lastwagen mit 8.000 Kilogramm Drogen sichergestellt. Oubelkas wurde festgenommen, ohne Beweise – das Gefängnis verließ er erst viereinhalb Jahre später. In wechselnden Gefängnissen eingepfercht zwischen anderen Häftlingen, machte der junge Mann das Beste aus der Zeit, anstatt an der Ungerechtigkeit zu zerbrechen. Er lernte, welche Kraft positives Denken in einer scheinbar ausweglosen Situation verleiht. Oubelkas’ Geschichte taugt als Lebenslektion – sowohl für das Privat- als auch für das Berufsleben. Er wird sie beim Südtiroler Wirtschaftsforum am 20. März in Brixen erzählen. Vier Referenten bietet das Wirtschaftsforum auf, das heuer den Titel „Unternehmersein als Achterbahn – Erfolgsstrategien für Management und Führung“ trägt und wieder zum Treffpunkt für Unternehmer und Führungskräfte zu werden verspricht. In Ihrem ersten Buch schreiben Sie, wie sehr Ihnen während der viereinhalbjährigen Haft die ermutigenden Briefe Ihrer Mutter das Überleben erleichtert hätten. Wären Sie ohne die einfühlsamen Durchhalteparolen Ihrer Mutter ein toter Mann? Sicher ist, dass die Geschichte ohne die 400 Briefe meiner Mutter anders ausgegangen wäre. Ich weiß zwar nicht wie, aber sie wäre anders ausgegangen. Ich denke schon, dass ich die Zeit trotzdem überlebt hätte, aber die Zeit wäre zweifelsohne härter gewesen. Die Briefe waren meine Verbindung zur Welt da draußen, und sie waren ermutigende Lichtblicke in diesem dunklen Kapitel meines Lebens. Das Programm: 13 Uhr Registrierung der Teilnehmer 14 Uhr Begrüßung durch Landeshauptmann Arno Kompatscher und Karl F. Pichler, Präsident der Stiftung Südtiroler Sparkasse 14.10 Uhr Alberto Zamperla: Die Ach terbahn des Unternehmerseins 15 Uhr Dagmar Chlosta: Vom Sport zum Lifestyle – Leadership, Strate gie & Veränderung in einem Weltun ternehmen 16 Uhr Kommunikationspause 16.30 Uhr Joseph Oubelkas: Mission Überleben – Positives Denken als Managementprinzip 17:30 Uhr Stefan Siegel: Creative Ent repreneurship – Unternehmen statt unterlassen! 18.30 Uhr Geselliger Ausklang mit Buffet Südtiroler Wirtschaftsforum 2015 Forum Brixen, am 20. März 2015 Jetzt Teilnahmeplatz über den Club Sparkasse sichern. Alle Infos in unseren Filialen. ®© Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata SPONSOR Mehr Bank. gefunden, die zwar materiell reich ist, aber trotzdem unzufrieden und oberflächlich? Mir fällt zweifelsohne stärker auf als zuvor, über welche Belanglosigkeiten wir uns zuweilen ärgern. Trotzdem finde ich, dass unsere Gesellschaft weniger oberf lächlich ist als ihr Ruf. Mehr Menschen, als das nach außen sichtbar wird, machen sich Gedanken über den Sinn ihres Lebens. Wir leben in Europa in einer wundervollen Gesellschaft. Ich merke dies auch an den begeisterten, warmherzigen Reaktionen der Menschen, wenn ich ihnen meine Geschichte erzähle. Sie schütteln also nicht den Kopf über die Lebensweise unserer Hochleistungsgesellschaft? Nein, auf keinen Fall. Unterm Strich sind wir eine offene, warme Gesellschaft. Und ich bin Teil dieser Gesellschaft. Sie leben aber bewusster als vorher, oder? Ich lebe philosophischer, tiefsinniger. Das hat einerseits mit meiner Erfahrung zu tun, andererseits aber auch damit, dass ich ganz einfach um zehn Jahre älter geworden bin. Ich war damals, als dieses unselige Kapitel im Gefängnis begann, ein junger, sorgenloser IT-Unternehmer. Ein 24-Jähriger denkt naturgemäß anders als ein 34-Jähriger. Lassen Sie uns noch einmal über das positive Denken reden. Was können Unternehmer und Manager in schwierigen Situationen von Ihnen und Ihrer Erfahrung lernen? Meine Geschichte lehrt, dass es sich in jeder noch so aussichtslosen Situation lohnt, daran zu glauben, dass das Unmögliche möglich werden kann. Meine Geschichte lehrt auch, dass die Situation hingenommen werden muss, wie sie ist, und dass einfach das Beste daraus zu machen ist, anstatt darüber zu klagen. Positives Denken allein genügt also nicht, um eine schwierige Situation zu meistern. Es muss auch gehandelt werden. Selbstverständlich. Das positive Denken ist nur das unverzichtbare Fundament. Dann geht es darum, sich konkret Gedanken zu machen, wie ich persönlich zur Verbesserung der Situation beitragen kann. Ich muss klare Ziele definieren, die ich erreichen möchte. Ich muss daran glauben, dass ich sie erreichen kann, denn nur wenn ich daran glaube, kann ich sie erreichen. Ich muss mir bewusst sein, dass es schlechte Tage und Rückschläge geben wird, aber ich muss immer wieder aufs Neue aufstehen und weitermachen. Ich muss mich daran aufrichten, was gelingt, anstatt mich davon niederschmettern zu lassen, was nicht gelingt. Ich muss handeln, Sie haben recht. Meine Mutter gab mir in ihren Briefen immer zu verstehen: „Junge, du bist es, der im Gefängnis steckt. Wir können versuchen, dir zu helfen. Aber zuallererst musst du dir selber helfen.“ Ist das Erzählen Ihrer Geschichte eigentlich zu Ihrem Hauptberuf geworden? Derzeit nimmt das meine ganze Zeit in Anspruch, ja. Ich will den Menschen einen Teil von mir geben und sie bestenfalls von meinen Erfahrungen profitieren lassen. Irgendwann wird dieser Lebensabschnitt vielleicht zu Ende sein, und ich kehre in meinen angestammten Beruf als IT-Ingenieur zurück, wer weiß. Ich lasse das auf mich zukommen. Derzeit bin ich jedenfalls ein glücklicher Mensch mit dem, was ich tue. Interview: Christian Pfeifer 2 — Südtiroler Wirtschaft Südtiroler Wirtschaftszeitung — Nr. 8 | 15 — Freitag, 27. Februar 2015 Idee genügt noch lange nicht. Bei einer Firmengründung kommt ziemlich schnell ein „Reality Check“, der weniger mit dem Produkt zu tun hat als vielmehr mit dem Jungunternehmer selbst. Wie unternehmerfreundlich ist der Standort London eigentlich? Jungunternehmer können heute in London unzählige Dienste in Anspruch nehmen. Ich staune darüber, dass es bald mehr Dienstleistungen für Startups gibt als Start-ups. Damit lässt sich offensichtlich gutes Geld verdienen. Es gibt eigene Anwälte für Start-ups, es gibt sogar Partys für Start-ups, und wenn heute in bestimmten Londoner Vierteln Gebäude saniert oder gebaut werden, müssen dort eigene Co-Working-Büros eingerichtet werden, wo Jungunternehmer einen Schreibtisch samt Laptop und Internetanschluss mieten können. Südtiroler Wirtschaftsforum – Gespräch mit Stefan Siegel, gebürtiger Meraner und Gründer der OnlineModeplattform „Not Just a Label“ Ein Traumstandort. Das würde ich nicht sagen. Die Mieten klettern zunehmend in astronomische Höhen. London wird mehr und mehr zum Finanzparkplatz und verliert seinen einstigen Reiz für die Kreativbranche, während sich anderswo Chancen auftun. Die Idee für den Dinosaurier Zum Beispiel? Wir sind derzeit an einem hochinteressanten Projekt in Dubai beteiligt. Dort werden sogenannte Freistädte aus dem Boden gestampft, in denen sich ausländische Unternehmen ansiedeln sollen. Das „Dubai Design District“ beispielsweise, doppelt so groß wie der Mailänder Flughafen Malpensa, ist als KreativFreistadt konzipiert, in die alle bedeutenden Kreativunternehmen der Welt – von der Mode über das Design bis hin zur Kunst – ihren Hauptsitz hinverlegen sollen. Alle Neuansiedlungen sind drei Jahre mietfrei und 20 Jahre steuerfrei. Eine gute Idee reicht nicht, Stehvermögen und die richtige Einstellung sind genauso wichtig: Diesen Ratschlag erteilt Jungunternehmer Stefan Siegel an andere Jungunternehmer. Im SWZ-Interview spricht er über den „Dinosaurier“ Modebranche, über London und Dubai – und über Südtirol. SWZ: Herr Siegel, zuerst auf dem Weg zum Militärpiloten, dann als Model tätig, danach bei den internationalen Beratungs- und Finanzgrößen Ernst&Young, Sal. Oppenheim und Merrill Lynch auf der Gehaltsliste, schließlich der Sprung in die Modebranche: Müssen Sie nicht selbst manchmal über Ihren Werdegang schmunzeln? Stefan Siegel: Ich bin jemand, der gerne alles aufgibt und wieder von Neuem beginnt. Ich langweile mich sehr schnell. Den Ursprung hat diese meine Eigenheit wahrscheinlich in meiner Jugend in Meran, als ich von der deutschen Mittelschule in die italienische Oberschule wechselte, weil ich unbedingt zur Marineschule in Venedig zugelassen werden wollte. Damals wurde ich erstmals aus einer gewohnten Umgebung herausgerissen – und später hat sich das mehrmals wiederholt. Wenn sich heute eine tolle Chance ergäbe, hätte ich kein Problem damit, morgen in eine andere Stadt umzuziehen. Wie schaut es derzeit mit der Langeweile aus? Immerhin sind es bald sieben Jahre, die Sie „Not Just a Label“ widmen. Tatsächlich steht nirgends geschrieben, dass wir ewig in London bleiben. Ihr Drang, ständig zu neuen Ufern aufzubrechen, in Ehren, aber welcher Teufel hat Sie 2008 geritten, als Sie einen sicheren und wahrscheinlich gut bezahlten Job bei Merrill Lynch gegen die unsichere Selbstständigkeit in der Modebranche tauschten? Rückblickend weiß ich, dass ich vielmehr vom unsicheren zum sicheren Ufer gewechselt bin. Zwei Wochen nach meiner Kündigung bei Merrill Lynch ging Lehmann-Brothers pleite. Merrill Lynch wurde von der Bank of America aufgekauft, und viele meiner Arbeitskollegen von früher verloren ihren Job. Klar, damals konnte niemand meine Kündigung nachvollziehen. Aber meine Entscheidung war über Monate hinweg gereift: Ich war 28 und sah mich einfach nicht mit 30 als Banker in London. Das war nicht das Leben, das ich mir vorstellte. Die Modebranche ähnelt einem Haifischbecken, in dem gefressen wird, wer zu langsam oder zu klein ist. Das hat ein Südtiroler einmal festgestellt, der in der Bekleidungsindustrie tätig ist. Stimmen Sie zu? Es gibt zu viele Designer, und es gibt zu viele Kollektionen. Von daher ist die Modebranche sicher ein Haifischbecken, in dem nur die wenigsten überleben können. Gleichzeitig ist die Modebranche ein alter Dinosaurier, der seit 50 Jahren gleich funktioniert und einem Unternehmen wie dem meinen entsprechend große Chancen eröffnet, mit einer neuen Idee die Branche völlig umzukrempeln. Was, glauben Sie, hat der Jungunternehmer Stefan Siegel besser gemacht als viele andere Jungunternehmer, die ebenfalls ihre Leidenschaft zum Beruf machen wollen, aber scheitern? Foto: Eva Neuzilova Und welches ist Ihre Aufgabe bei dem Projekt? Die Stadt muss natürlich gefüllt werden, und „Not Just a Label“ vereint mit seinen 18.000 Designern die Zielgruppe schlechthin. Hatten Sie einfach nur Glück? Ich habe den Eindruck, dass sich viele Jungunternehmer selber im Wege stehen. Sie haben eine gute Idee, aber die Idee macht meistens nur zehn Prozent des Erfolgs aus. Das notwendige Durchhaltevermögen und die richtige Einstellung besitzen hingegen die wenigsten Jungunternehmer. Ich denke, dass es in anderen Branchen exakt gleich ist wie in der Modebranche: Die persönliche Verwirklichung ist gut und recht, gleichzeitig muss eine Idee aber immer mit dem notwendigen Gespür für den Markt umgesetzt werden. Zuweilen müssen persönliche Befindlichkeiten hinter den Erwartungen des Marktes zurückstehen. In Dubai werden sogenannte Freistädte aus dem Boden gestampft. Alle Neuansiedlungen sind drei Jahre mietfrei und 20 Jahre steuerfrei. Zieht es Sie eigentlich noch regelmäßig nach Südtirol? Ich bin passionierter Skitourengeher und Freerider, weshalb ich jedes zweite Wochenende in den Bergen bin – auch in Südtirol, wenn es die Schneeverhältnisse zulassen, was heuer ja nicht unbedingt der Fall ist. Ab und zu besuche ich natürlich auch die Familie in Meran. Auf den Markt hören und Stehvermögen beweisen: Sind das die Ratschläge, die Sie jedem Jungunternehmer mit auf den Weg geben würden? Ja. Plus hunderttausend andere Dinge. Viele Jungunternehmer gehen naiv an die Aufgabe heran. Unternehmersein ist kein Honigschlecken, und eine gute • Info Südtiroler Wirtschaftsforum am 20. März Stefan Siegel, gebürtiger Meraner und heute Modepionier in London, ist einer von vier Referenten beim diesjährigen Südtiroler Wirtschaftsforum am Freitag, 20. März, von 13 bis 20 Uhr im Forum Brixen. Siegel gründete 2008 in London gemeinsam mit seinem Bruder Daniel die Online-Modeplattform „Not Just A Label“, auf der Jungdesigner ihre Kollektionen kostenlos der Welt präsentieren können. Was mit einem Minibudget begann, ist heute die führende Designerplattform weltweit mit rund 18.000 Designern aus 100 Ländern. „Not Just A Label“ beschäftigt 15 Personen. Siegels Werdegang ist ungewöhnlich: Ursprünglich wollte Siegel Militärpilot werden, dann wurde er Model, arbeitete in Zürich, Lon- don und New York in der Beratungsund Finanzbranche (Ernst&Young, Sal. Oppenheim, Merrill Lynch), um schließlich in die Modebranche umzuschwenken. Stefan Siegel ist Mitglied von Südstern, dem Netzwerk für Südtiroler im Ausland. Das Wirtschaftsforum trägt heuer den Titel „Unternehmersein als Achterbahn – Erfolgsstrategien für Management und Führung“ und verspricht wieder zum Treffpunkt für Unternehmer und Führungskräfte zu werden. Das Programm: 13 Uhr Registrierung der Teilnehmer 14 Uhr Begrüßung durch Landeshauptmann Arno Kompatscher und Karl F. Pichler, Präsident der Stiftung Südtiroler Sparkasse 14.10 Uhr Alberto Zamperla: Die Achter- Apropos, wovon lebt Ihr Unternehmen eigentlich, wenn die Jungdesigner ihre Kollektionen kostenlos auf der Online-Modeplattform präsentieren können? Das sind zwei Schienen. Erstens ist da der Online-Shop, für den wir die besten Designer selektieren und 30 Prozent Provision auf alle verkauften Teile nehmen – dem Designer bleiben immer noch 70 Prozent, im Gegensatz zu den fünf bis zehn Prozent, die er bei einem Verkauf über eine Boutique einnimmt. Zweitens fungieren wir als Bindeglied zwischen Jungdesignern sowie Firmen, Regierungen, Organisationen, die mit ebendiesen Jungdesignern etwas machen möchten. Der Auftrag in Dubai ist ein Beispiel, genauso wie die Messe „Origin Passion & Beliefs“ in Vicenza, wo wir Jungdesigner mit Manufakturen zusammenbringen. Wir arbeiten auch mit Firmen wie Ferrari, Swarowski und Zara zusammen. bahn des Unternehmerseins 15 Uhr Dagmar Chlosta: Vom Sport zum Lifestyle – Leadership, Strategie & Veränderung in einem Weltunternehmen 16 UhrKommunikationspause 16.30 Uhr Joseph Oubelkas: Mission Überleben – Positives Denken als Managementprinzip 17:30 Uhr Stefan Siegel: Creative Entrepreneurship – Unternehmen statt unterlassen! 18.30 Uhr Geselliger Ausklang mit Buffet Moderation Christian Pfeifer, SWZ Simultanübersetzung vorgesehen Informationen: Anmeldungen im Internet unter www.wirtschaftsforum.it; die Teilnahmegebühr beträgt 240 Euro + MwSt – vergünstigte Konditionen bei Mehrfachanmeldungen von Unternehmen Sie sind Mitglied von Südstern, dem Netzwerk der Südtiroler im Ausland. Ist Südstern für Sie mehr ein Netzwerk, das interessante Kontakte ermöglicht, oder mehr eine Klammer zu ihrer ehemaligen Heimat? Südstern ist eine erstklassige Kontaktbörse, und ich hoffe, dass sich das Netzwerk so weiterentwickelt, dass Südtirol davon profitieren kann. Wir Südsterne werden ja standardmäßig gefragt, ob wir uns vorstellen können, irgendwann nach Südtirol zurückzukehren. Vielmehr geht es meines Erachtens darum, wie die Kontakte und die Kompetenzen der Südsterne in aller Welt genutzt werden können, um Südtirols Innovationsfähigkeit zu unterstützen. Sie sind in Meran aufgewachsen, haben in Italien eine Ausbildung genossen, im deutschsprachigen Raum studiert und gearbeitet und sind dann in London sesshaft geworden. In welcher Sprache denken Sie eigentlich? In Englisch. Interview: Christian Pfeifer ®© Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata Unternehmensführung — 15 Südtiroler Wirtschaftszeitung — Nr. 7 | 15 — Freitag, 20. Februar 2015 Ich stimme Ihnen zu. Steve Jobs war eine absolute Ausnahmeerscheinung. Beim ihm trafen ein hohes Maß an Verkaufstalent und Innovationsfähigkeit aufeinander. Er präsentierte den Konsumenten Produkte nach dem Motto: „Das habe ich für dich gemacht – und jetzt liebe es!“ Südtirol ist geprägt von seinen kleinen und kleinsten Unternehmen. Gibt es etwas, was die Kleinen in Sachen Innovationskraft von der großen adidas lernen können? Oder sind das zwei ganz verschiedene Welten? Selbstverständlich muss zwischen Konzernen und Kleinen unterschieden werden. Aber während ein Konzern vielleicht ganz andere finanzielle Möglichkeiten hat, weist ein Mittelständler eine viel schlankere bürokratische Struktur auf. Das bedeutet, dass der Innovationsprozess in einem kleinen, wendigen Unternehmen unter Umständen schneller ablaufen kann als in einem Schlachtschiff. Ich würde also nicht sagen, dass die Kleinen von den Großen lernen können. Es muss einfach das Bewusstsein da sein, dass die Voraussetzungen unterschiedlich sind – mit Vor- und Nachteilen auf beiden Seiten. Prinzipiell gehe ich davon aus, dass jeder Mensch primär sein Bestes geben und sein Potenzial ausschöpfen möchte. Die Managerin Dagmar Chlosta kommt am 20. März nach Brixen Südtiroler Wirtschaftsforum – Managerin Dagmar Chlosta über Mitarbeitermotivation, lebenslanges Wachsen, Innovation und Frauenquoten Die Ideen ernst nehmen Nicht die Marktforschung, sondern das Kreativitätspotenzial der Mitarbeiter macht im Innovationsprozess den Unterschied. Das sagt Dagmar Chlosta, die 20 Jahre als Führungskraft bei adidas hinter sich hat. Im SWZ-Interview verrät sie auch, auf was es bei der Mitarbeiterführung ankommt. SWZ: Frau Chlosta, Sie bekleiden seit 20 Jahren Führungspositionen bei adidas. Wie kann eine Führungskraft Ihrer Meinung nach das gesamte Potenzial aus den Mitarbeitern herauskitzeln? Dagmar Chlosta: Ich habe vier Hauptpunkte zur Maxime meines Führungsstils gemacht: inspirieren, fordern, fördern, vertrauen. Stichwort „inspirieren“. Es ist zunächst unerlässlich für eine Führungskraft, das Ziel aufzuzeigen, das das Unternehmen bzw. das Team erreichen will. Die Kunst dabei ist es, das Ganze so darzustellen, dass die Zielvorgabe die Leidenschaft der Mitarbeiter weckt. Das gelingt nur, wenn den Mitarbeitern vermittelt wird, wie sie konkret als Teil des Ganzen zur Zielerreichung beitragen können. Kommen wir zum Punkt „fordern“. Eine Führungskraft muss die Mitarbeiter machen lassen, ihnen etwas zutrauen, ihnen Aufgaben übertragen, an denen sie wachsen können. Dazu gehört natürlich auch, dass eine Führungskraft akzeptiert, wenn Mitarbeiter einmal einen Fehler machen. Wie sieht für Sie „fördern“ aus? Ich finde es unglaublich wichtig, dass Menschen das ganze Leben lang lernen und niemals stagnieren bzw. einen Job zur Routine werden lassen. Diesen Grundsatz verfolge ich für mich persönlich, aber er sollte meines Erachtens für alle gelten. Mitarbeiter müssen die Möglichkeit haben, sich fortzubilden, Neues dazuzulernen und an ihren Aufgaben zu wachsen, beispielsweise durch Jobrotation im Unternehmen. Bedeutet das, dass Sie Mitarbeiter aktiv dazu auffordern, sich weiterzuentwickeln – oder geben Sie lediglich passiv die Möglichkeit, ®© Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata Sie belohnen sozusagen motivierte, tüchtige Mitarbeiter mit der Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Die Förderung, wie ich sie verstehe, ist durchaus als Wertschätzung zu verstehen, ja. kraft, dass das Potenzial freigegeben wird. Es gibt nicht den typischen Mitarbeiter, das lässt sich nicht pauschalisieren. Prinzipiell gehe ich davon aus, dass jeder Mensch primär sein Bestes geben und sein Potenzial ausschöpfen möchte. Dann kann es – aus verschiedenen Gründen – immer mal wieder vorkommen, dass die Motivation abklingt. In solchen Situationen muss die Führungskraft die Antennen besitzen, um den Motivationsverlust zu erkennen und ihm entgegenzuwirken. Natürlich gelingt das nicht immer. Das hängt vom Produkt ab. Große Unternehmen wie adidas können sich natürlich intensive Marktforschungen leisten. Sie kaufen sich gewissermaßen Daten und analysieren sie. Dabei verfügen sie dann mehr oder weniger über die gleiche Information wie die Mitbewerber. Den Unterschied macht aber das unternehmensinterne Innovationspotenzial, und es muss gelingen, die schlummernde Kreativitätskraft der Mitarbeiter auszuschöpfen. Das setzt natürlich die Bereitschaft der Unternehmensleitung voraus, Ideen der Mitarbeiter wirklich ernst zu nehmen. Welcher Aussage würden Sie eher zustimmen: Erstens, Mitarbeiter gehen grundsätzlich motiviert an eine neue Aufgabe heran, und es liegt an der Führungskraft, wenn die Motivation schwindet. Zweitens, Mitarbeiter behalten große Teile ihres Potenzials zunächst für sich, und es liegt an der Führungs- Innovation ist zu einem Schlagwort geworden, das in aller Munde ist. Was ist Ihres Erachtens diesbezüglich wichtiger: die aufmerksame Beobachtung der Konsumentenbedürfnisse, sprich die Marktforschung, oder die Ideenkraft der eigenen Mitarbeiter, sprich das interne Potenzial? Von daher hat ein Steve Jobs Innovation in Perfektion betrieben, oder? Hätte er sich nur auf Marktforschungen verlassen, hätte er wohl nie das iPhone und schon gar nicht das iPad auf den Markt gebracht. Er hat ein Bedürfnis der Konsumenten nicht nur erkannt, sondern er hat es geschaffen. wenn Mitarbeiter danach fragen? Ich habe immer eine sehr proaktive Vorgehensweise bevorzugt. Im Rahmen von halbjährlich stattfindenden Mitarbeitergesprächen werden auszuschöpfende Potenziale analysiert, spezielle Interessen erörtert und individuelle Entwicklungspläne erstellt. Info Südtiroler Wirtschaftsforum am 20. März Dagmar Chlosta, seit 20 Jahren in verschiedenen Führungspositionen der Weltmarke adidas tätig, ist eine von vier Referenten beim diesjährigen Südtiroler Wirtschaftsforum am Freitag, 20. März, von 13 bis 20 Uhr im Forum Brixen. Bevor Chlosta 1995 zu adidas stieß, arbeitete sie unter anderem für das US-Militär und für den Schreibwarenhersteller Faber-Castell. Seit 2011 leitete sie bei adidas die Business Unit „Accessories“ im Mode- und LifestyleZweig. Ab Mai wechselt sie in die USA zu Mitbewerber Under Armour. Das Wirtschaftsforum trägt heuer den Titel „Unternehmersein als Ach- terbahn – Erfolgsstrategien für Management und Führung“ und verspricht wieder zum Treffpunkt für Unternehmer und Führungskräfte zu werden. Das Programm: 13 Uhr Registrierung der Teilnehmer 14 Uhr Begrüßung durch Landeshauptmann Arno Kompatscher und Karl F. Pichler, Präsident der Stiftung Südtiroler Sparkasse 14.10 Uhr Alberto Zamperla: Die Achterbahn des Unternehmerseins 15 Uhr Dagmar Chlosta: Vom Sport zum Lifestyle – Leadership, Strategie & Veränderung in einem Weltunternehmen 16 Uhr Kommunikationspause 16.30 Uhr Joseph Oubelkas: Mission Überleben – Positives Denken als Managementprinzip 17.30 Uhr Stefan Siegel: Creative Entrepreneurship – Unternehmen statt unterlassen! 18.30 Uhr Geselliger Ausklang mit Buffet Moderation: Christian Pfeifer, SWZ Simultanübersetzung vorgesehen Informationen: Anmeldungen unter www.wirtschaftsforum.it, Teilnahmegebühr 240 Euro + MwSt, 10-Prozent-Frühbucherbonus bis 22. Februar, vergünstigte Konditionen bei MehrfachAnmeldungen von Unternehmen Was kleine Unternehmen gerne von großen Marken wie adidas lernen würden, ist die Markenbildung. Welches sind in Ihren Augen die Zutaten, die ein Unternehmen – egal, ob nun global oder lokal – zu einer Marke werden lassen? Erstens muss klar definiert sein, welche die DNA des Unternehmens ist, für welche Ideen und Gefühle es steht – das ist das A und O. Zweitens ist die Glaubwürdigkeit immens wichtig – nach außen zu den Kunden, aber auch nach innen zu den Mitarbeitern, die sich mit der Marke identifizieren müssen. Drittens muss sich der Kunde in der Marke wiederfinden können. Er muss spüren, dass da jemand versucht, sein Leben schöner, leichter, besser zu machen. Was halten Sie als Frau, die es bei adidas weit nach oben geschafft hat, eigentlich von verpf lichtenden Frauenquoten in Führungsgremien von Unternehmen? Sind sie notwendig oder unsinnig? Ich war einmal eine glühende Verfechterin der Frauenquote. Mittlerweile habe ich mich davon abgewandt, weil die Frauenquote überhaupt nichts bringt, so wie sie vor allem in Deutschland angewandt wird. Die meisten Firmenlenker, natürlich männlich, betrachten die Frauenquote als notwendiges Übel und nicht als Chance. Da werden dann Frauen in den Aufsichtsräten verankert, damit bei der Vorstandsbildung Ruhe herrscht. Wir brauchen – speziell im deutschsprachigen Raum – einen kompletten Kulturwandel, wir brauchen Offenheit für neue Gedankengänge im Managementteam. Erst wenn die Frauenquote nicht als unangenehm und unbequem betrachtet wird, sondern als bereichernd und wirtschaftlich wertvoll für die Unternehmen, macht sie einen Sinn. Traut die Männerwelt den Frauen zu wenig zu? Es ist einfach so, dass die Managementwelt derart männerdominiert ist, dass sich Frauen schwertun, da anzudocken. Es gibt sehr viele fähige Frauen – vielfach sind sie sogar qualifizierter als ihre männlichen Kollegen. Müssen Frauen mehr leisten als Männer, um auf der Karriereleiter nach oben zu kommen? Es wird ja viel von der „gläsernen Decke“ gesprochen. Die gibt es auf alle Fälle. Frauen gehen davon aus, dass es genügt, wenn die Leistung passt. Das tut es aber nicht. Männer sind uns beim Schaffen von Netzwerken meilenweit voraus. Noch eine letzte Frage: Im Mai wechseln Sie nach 20 Jahren für adidas zum Mitbewerber Under Armour in die USA. Schon bei adidas bekleideten Sie wechselnde Positionen. Sind Sie jemand, der Angst vor Routine hat? Ich bin jemand, der die Herausforderung sucht. Mir macht es Spaß, Probleme zu lösen, Strategien zu entwickeln und umzusetzen, Mitarbeiter zu führen. Ja, wenn Sie so wollen, ist Routine nicht unbedingt mein Steckenpferd. Interview: Christian Pfeifer 2 — Südtiroler Wirtschaft Südtiroler Wirtschaftszeitung — Nr. 6 | 15 — Freitag, 13. Februar 2015 • Info Foto: Shutterstock Die Referenten des Wirtschaftsforums 11. Südtiroler Wirtschaftsforum, Forum Brixen Unternehmersein als Achterbahn – Erfolgsstrategien für Management und Führung Freitag, 20. März, 13–20 Uhr Das Programm 13 Uhr 14 Uhr 14.10 Uhr 15 Uhr 16 Uhr 16.30 Uhr 17:30 Uhr 18.30 Uhr Registrierung der Teilnehmer Begrüßung durch Landeshauptmann Arno Kompatscher und Karl F. Pichler, Präsident der Stiftung Südtiroler Sparkasse Alberto Zamperla: Die Achterbahn des Unternehmerseins Dagmar Chlosta: Vom Sport zum Lifestyle – Leadership, Strategie & Veränderung in einem Weltunternehmen Kommunikationspause Joseph Oubelkas: Mission Überleben – Positives Denken als Managementprinzip Stefan Siegel: Creative Entrepreneurship – Unternehmen statt unterlassen! Geselliger Ausklang mit Buffet Der Herr der Achterbahnen Alberto Zamperla produziert Achterbahnen, Karussells und andere Attraktionen für Vergnügungsparks. 2005 fand er als erster Italiener Aufnahme in die „Hall of Fame“ der Weltvereinigung der Vergnügungsindustrie IAAPA – neben Kalibern wie Walt Disney. Zamperla ist Präsident und Geschäftsführer der „Antonio Zamperla spa“ mit Sitz in Altavilla Vicentina (VI). Das Unternehmen, gegründet 1966 von Vater Antonio, erzielte 2014 einen Jahresumsatz von 70 Millionen Euro und verfügt über Niederlassungen in New Jersey (USA), Moskau, Dubai, China und Philippinen. Die Exportquote beträgt 96 Prozent. 1972 trat der gelernte Ingenieur als Verkaufsleiter in das väterliche Unternehmen ein. 1976 übersiedelte er nach Nordamerika, um dort ein Verkaufsbüro aufzubauen. Erst 1981 kehrte er nach Italien zurück. Seit 1994 ist Alberto Zamperla Präsident des Unternehmens. In der Vergnügungsindustrie ist Zamperla international ein Begriff. Er ist Direktoriumsmitglied des ApplauseAward-Komitees innerhalb von IAAPA, das alle zwei Jahre den besten Freizeitpark der Welt kürt, und er war unter anderem Präsident der Europavereinigung der Vergnügungsindustrie EAASI und Vizepräsident der italienischen Vereinigung ANCASVI. Der Häftling in Marokko Joseph Oubelkas saß 1.637 Tage oder viereinhalb Jahre unschuldig in Marokko in Haft. In dieser Zeit lernte der Niederländer, welche Kraft positives Denken in einer scheinbar ausweglosen Situation verleiht. Die Geschichte taugt als Lebenslektion – sowohl für das Privat- als auch für das Berufsleben –, und tatsächlich erzählt Obelkas seine unglaubliche Geschichte als Vortragender und Buchautor. Oubelkas wuchs in einem kleinen Dorf namens Raamsdonksveer auf, studierte Informatik und machte sich als IT-Ingenieur selbstständig, er arbeitete als Berater in Holland und in Marokko, dem Heimatland des Vaters. Bis er 24 wurde, führte er ein völlig normales Leben. Dann kam der 23. Dezember 2004. Oubelkas war gerade bei einem marokkanischen Kunden, als bewaffnete Polizeikräfte auftauchten. Auf dem Parkplatz der Firma wurden zwei Lastwagen mit 8.000 Kilogramm Drogen sichergestellt. Oubelkas wurde festgenommen, ohne Beweise – das Gefängnis verließ er erst wieder im Sommer 2009. In wechselnden Gefängnissen eingepfercht zwischen anderen Häftlingen, machte der junge Mann das Beste aus der Zeit, anstatt an der Ungerechtigkeit zu zerbrechen: Er gab Englischunterricht, knüpfte Freundschaften, lernte selbst Marokkanisch. Und er lernte: Der größte Reichtum im Leben sind Gesundheit, Liebe und Freiheit. Die Chefin bei adidas Dagmar Chlosta ist seit 20 Jahren in verschiedenen Führungspositionen der Weltmarke adidas tätig. Bevor sie 1995 zu adidas stieß, arbeitete sie unter anderem drei Jahre lang für das US-Militär in Deutschland und Übersee und zwei Jahre lang für den Schreibwarenhersteller Faber-Castell, wo sie für die Märkte Afrika und Skandinavien zuständig war. Bei adidas hingegen trug sie in den vergangenen 20 Jahren Verantwortung in verschiedensten Bereichen, etwa Entwicklung und Innovation, Einkauf, Produktion, Logistik, Strategiemanagement sowie Projekt- und Prozessmanagement. Sie kreierte und implementierte unter anderem mit ihrem Team die sogenannte „Virtualisation“ – dabei ging es darum, nach dem Vorbild der Auto- und Flugzeugindustrie die 3D-Technologie einzusetzen, um den Produktentwicklungszyklus zu verkürzen und durch effizientere Musterproduktion Geld zu sparen. Großen Wert legt Chlosta im Sinne eines werteorientierten Führungsstils auf Coaching, Mentoring und Mitarbeiter/-innenentwicklung. Chlosta leitete seit 2011 die Business Unit „Accessories“ im Mode- und Lifestyle-Zweig von adidas. Ab Mai wechselt sie in die USA zu Mitbewerber Under Armour. Der Pilot im Modekosmos Stefan Siegel, gebürtiger Meraner, darf als Modepionier bezeichnet werden. Er hat 2008 in London gemeinsam mit seinem Bruder Daniel die Online-Modeplattform „Not Just A Label“ gegründet, auf der Jungdesigner ihre Kollektionen kostenlos der Welt präsentieren können. Was mit einem Minibudget begann, ist heute die führende Designerplattform weltweit mit rund 15.000 Designern aus 100 Ländern. Der Werdegang von Stefan Siegel liest sich recht ungewöhnlich: Zunächst wollte Stefan Siegel Militärpilot werden, und tatsächlich erwarb er an der Marineschule in Venedig den Pilotenschein. Er trug Uniform, doch Mode interessierte ihn schon damals. Dann aber ging er zum Wirtschaftsstudium nach Wien, jobbte nebenbei in Herrenboutiquen und wurde von einem Kunden als Model entdeckt, was ihn auf die Laufstege aller fünf Kontinente brachte. Nach dem Studium arbeitete er für das Beratungsunternehmen Ernst&Young sowie die Privatbank Sal. Oppenheim in Zürich, dann für Merrill Lynch in London und New York. Zwei Wochen vor dem Lehman-Crash stieg er aus der Finanzbranche aus, um seine Online-Modeplattform zu gründen. Stefan Siegel ist Mitglied von Südstern, dem Netzwerk für Südtiroler im Ausland. Moderation Christian Pfeifer, SWZ Simultanübersetzung vorgesehen Informationen: Anmeldungen unter www.wirtschaftsforum.it, Teilnahmegebühr 240 Euro + MwSt, 10-Prozent-Frühbucherbonus bis 22. Februar, vergünstigte Konditionen bei MehrfachAnmeldungen von Unternehmen Südtiroler Wirtschaftsforum 2015 – Treffpunkt für Unternehmer, Führungskräfte und Entscheider am 20. März Auf der Achterbahn Ein Achterbahn-Protagonist, eine Topmanagerin, ein Exhäftling und ein Modepionier sind die Referenten des 11. Südtiroler Wirtschaftsforums am 20. März. Einen Nachmittag lang verwandelt sich das Forum Brixen in eine Bühne für neue Impulse und Kontakte. Brixen – Das Südtiroler Wirtschaftsforum ist zu einer liebgewonnenen Tradition geworden. Und für zahlreiche Unternehmer und Führungskräfte aus Süd- und Nordtirol ist es sogar zu einem Fixtermin geworden, den sie nicht versäumen wollen. Zum einen holen sie sich Anregungen aus den Vorträgen, zum anderen werden Kontakte gepf legt und geknüpft. Es ist diese Mischung aus Informationsplattform, Unterhaltungsbühne und Kontaktbörse, die das Wirtschaftsforum so beliebt macht. Im vergangenen Jahr etwa lauschten rund 300 Teilnehmer im Forum Brixen den Vorträgen des Tiroler Erfolgstrainers Gregor Heiss, der „skateboardfahrenden Nonne“ Teresa Zukic, des Chefredakteurs von Handelsblatt Online Oliver Stock, des Intel-Managers Thomas Osburg und der per Video zugeschalteten israelischen Unternehmerin Nava Swersky Sofer. Heuer versprechen vier andere Cha- rakterköpfe eine Mischung aus Impulsen und Unterhaltung. Auf dieser Seite stellt die SWZ die vier Referenten ausführlich vor. Unmittelbar nach dem Vortrag ist jeweils eine Fragerunde geplant, in der sich das Publikum direkt mit den Referenten austauschen kann – auch dieser direkte „Draht“ zwischen Vortragenden und Zuhörern ist fixer Bestandteil des Wirtschaftsforum-Konzepts. Alles in allem erwartet die Teilnehmer wieder ein informativer und zugleich kurzweiliger Nachmittag. Zwar ist die Zeit von Unternehmern und Führungskräften in der Regel ein knappes Gut, trotzdem werden sich wohl auch heuer mehrere hundert Teilnehmer den (Freitag-)Nachmittag reservieren, um aus dem Arbeitsalltag auszubrechen und sich Anregungen zu holen. Veranstaltet wird das Südtiroler Wirtschaftsforum vom Management Center Innsbruck, von Business Bestseller und – heuer erstmals im Boot – dem Netzwerk der Südtiroler im Ausland „Südstern“. Wichtige Partner sind die Stiftung Südtiroler Sparkasse und die Südtiroler Sparkasse. Die SWZ begleitet das Wirtschaftsforum seit der ersten Auf lage vor über zehn Jahren als Medienpartner. Mit Vorab-Interviews mit den einzelnen Referenten wird die SWZ in den nächsten Wochen noch näher auf die Inhalte des diesjährigen Wirtschaftsforums eingehen. Bei den bisherigen zehn Auf lagen haben Persönlichkeiten wie der ehemalige tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus, Formel-1-Weltmeister Niki Lauda, Mafia-Jäger Leoluca Orlando, Motivationskünstler Christian Bischoff, Hermann Scherer, Michl Friedman, Marco Freiherr von Münchhausen, Anthony Fedrigotti, Susanne Riess-Passer, Riccardo Illy, Alberto Alessi, Dominik Neidhart, Kristian Ghedina, Wolfgang Grupp und Alessandro Hausbrandt referiert. (cp) ®© Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata
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