Nr.01 /2015 Zeitung für junge Menschen mit Diabetes BESSER VERNETZT MIT DIABETES BLOGS, PORTALE UND APPS Mira Stübing und Bastian Hauck: „Wir sind voll in unserem Element!“ camp fire 01/ 2015 Sommer, Sonne, Wassersport Als wir begonnen haben, diese Ausgabe der Camp fire zu planen, regnete es in Strömen und es war bitterkalt! Nun, da mir die ersten Textentwürfe vorliegen und nur noch mein Editorial fehlt, scheint die Sonne vom Himmel – fast so wie während des Camp D 2014! Nun bin ich sicher, dass wir für diese Ausgabe die richtigen Themen gewählt haben: Sommer, Sonne, Wassersport und natürlich Diabetes. „Diabetestherapie im Wandel der Zeit“ – unter diesem Motto könnte das Interview auf Seite 3 stehen, in dem uns Dr. Ingrid Helmstädter, die selbst Typ 1 Diabetes hat, von ihrem Leben mit Diabetes berichtet. Spannend geht es auch auf den Seiten 4 und 5 zu, wo ihr eine „Tour de Diabetes“ durchs Internet findet. Dort stellt euch Dr. Simone von Sengbusch eine Auswahl von hilfreichen Diabetes-Blogs, Diabetesportalen und DiabetesApps vor. Und weil meist das heiße Badewetter schneller da ist, als man denkt, haben wir unsere beiden „Wasserratten“ Bastian Hauck und Mira Stübing an Bord der Camp fire geholt. Auf den Seiten 6 und 7 geben euch die beiden viele Tipps rund ums Segeln, Schwimmen, Stand-Up-Paddling, Wasserski- und Katamaran fahren. Ich hoffe, es ist für jeden von euch etwas dabei! Camp D ist Europas größtes Zeltcamp für Ju gendliche und junge Erwachsene mit Diabetes im Alter von 16 bis 25 Jahren. Es wurde 2006 von Novo Nordisk ins Leben gerufen, um damit ein Forum für eine Patientengruppe zu schaffen, für die es im Alltag kaum Unterstützungsangebote gibt. Mit Workshops rund um Diabetes und jeder Menge Sport entsteht bei Camp D in einer beson deren Atmosphäre die einzigartige Gelegenheit zum intensiven persönlichen Erfahrungsaustausch. Gerne möchte ich noch – quasi in eigener Sache – ein wichtiges Event in diesem Jahr erwähnen: die Verleihung des COMPRIX 2015 in Berlin, bei dem unsere Camp fire und das Erscheinungsbild zu Camp D 2014 ins Finale gekommen sind! Der COMPRIX ist die bedeutendste Auszeichnung für die Pharma- und Healthcare-Branche in Deutschland und zeichnet kreative Healthcare-Kommunikation aus. Am 8. Mai 2015 findet in Berlin die Preisverleihung statt. Wir halten euch auf dem Laufenden! Beim vierten Camp D im Sommer 2014 engagierte sich Roche Diagnostics Deutschland GmbH als Platinsponsor. Herzliche Grüße und einen schönen Sommer wünscht euch Christina Maruhn 2 Mehr über Camp D erfahrt ihr im Internet unter www.campd.info camp fire 01 / 2015 Freiheit, die ich meine Von „Hafertagen“ zu Insulin-Pen und Insulin-Pumpe Von wegen „Früher war alles besser“. Dr. med. Ingrid Helmstädter hat dazu eine ganz eigene Meinung. Die Diabetologin aus der Nähe von Frankfurt, die auch bei Camp D 2014 dabei war, erkrankte – ebenso wie ihr Vater – bereits in jungen Jahren an Typ 1 Diabe tes. Das Familienleben war bestimmt durch „Hafertage“, Briefwaage in der Küche, sechs Mal pro Tag 2 BE essen. Wer das erlebt hat, ist mehr als nur glücklich über die Entwick lungen der modernen Diabetestherapie. Frau Dr. Helmstädter, wenn Vater und Tochter Typ 1 Diabetes haben – was bedeutet das? Als bei mir 1970 der Typ 1 Diabetes ausbrach, hatte mein Vater bereits ungefähr 29 Jahre Erfahrung mit seinem eigenen Typ 1 Diabetes hinter sich. Die Entbehrungen während des Zweiten Weltkriegs, Kuren u. a. im tschechischen Karlsbad, die schwierigen Nachkriegs jahre in der Rhein-Neckar-Region, wo Insulin zum Schwarzmarktartikel wurde, eine unglaublich fettreiche Diabetesdiät mit dem Ziel, möglichst wenig Insulin zu brauchen, Spritzen aus Glas … all dies hatte sein Leben geprägt. Infolgedessen herrschte bei ihm Zucht und Ordnung am Tisch. Und ich wurde entsprechend er zogen. Wie muss man sich das vorstellen? Für meinen Vater war klar, ein Mensch mit Diabetes hat sich möglichst kohlenhydratfrei zu ernähren. Immerhin wurde er 78 Jahre alt und hatte so gut wie keine Folgeerkrankungen, abgesehen von einer Polyneuro pathie und koronaren Herzkrankheit in seinen letzten Lebensjahren. Und so wurde ich dann auch von ihm erzogen! Alles, was es für mich und meinen Vater an Kohlenhydraten zu essen gab, wurde vorher mit der Briefwaage in der Küche akribisch abgewogen. Was stand auf dem Speiseplan? Morgens gab es 60 g Brot, mittags dann 120 g Kar toffeln und abends wieder 60 g Brot. Das weiß ich heute noch auswendig. Mein Vater hielt sich exakt daran und auch bei mir wurde das Zipfelchen vom Brot oder vom Apfel abgeschnitten. Hauptsache, die Grammzahl stimmte! Dazu musste ich morgens und abends ein Mischinsulin spritzen und immer meine 2 BE essen – ohne Wenn und Aber. Wie war es in der Klinik? Nach der Diagnose Typ 1 Diabetes kam ich für ca. 4 bis 5 Wochen in die Klinik. Dort lernte ich dann die berühmt-berüchtigten „Hafertage“ kennen, weil ich eine Ketoazidose hatte. Das hieß morgens Haferschleim mit Wasser, ohne irgendetwas anderes dazu. Mittags „Diabetes ist für mich wie Autofahren: Bei beiden muss man sich an bestimmte Regeln halten, sonst gibt es einen Vollcrash.“ DR. MED. INGRID HELMSTÄDTER, DIABETOLOGIN, HAT TYP 1 DIABETES SEIT IHRER JUGEND gab es trockene Haferfrikadellen, abends dann wieder Haferschleim mit Wasser und als Krönung die Spätmahlzeit so um 22 Uhr. Da brachte die Krankenschwester kalten Haferschleim mit einem Schuss Maggi drauf. Das wurde jeden dritten Tag wiederholt. Außerdem hieß es in der Klinik auch, ich dürfte keinen Sport mehr treiben, weil man davon eine Unterzuckerung bekäme. Entsprechend wurde ich vom Schulsport befreit. Das hat mir überhaupt nicht gefallen und ich habe mich wie ein Rebell gewehrt. Wie haben Sie das geschafft? Mein Protest ging bis zum Kultusministerium. Letztendlich hat meine damalige Sportlehrerin eingewilligt, dass ich am Sportunterricht wieder teilnehmen durfte, aber nur unter der Bedingung, dass meine Mutter während der Sportstunden immer telefonisch erreichbar sei. Auch mit meinem Lieblingssport Rollschuhlaufen konnte ich weitermachen. Zum Schutz vor Unterzuckerungen nahm ich immer eine große Portion selbst gebackenen Diabetikerkuchen mit. Ananas und Bananen waren für mich verboten, aber Kuchen mit Frucht zucker und sauren Früchten wie Pflaumen waren erlaubt. Außerdem trug ich auf Wunsch meines Vaters immer einen Brustbeutel. Der enthielt zwei Stück Traubenzucker und eine Notiz, dass ich Diabetikerin sei. Wie erlebten Sie die großen Veränderungen in der Diabetestherapie? Das ging 1981 beim Blutzuckermessen los, als bei mir erstmals der HBA1c bestimmt wurde. Vorher wusste man nie genau, wo man stand. Die Blutzuckerwerte wurden beim Hausarzt nur einmal pro Monat morgens und mittags bestimmt und entsprechend die Insulindosis geändert – und das galt dann wieder vier Wochen lang. 1982 wurde ich dann in der Klinik in Bad Mergentheim auf die ICT-Therapie umgestellt und erhielt dort mein erstes Blutzuckermessgerät. Ein riesengroßes Teil, das zwar sehr teuer war, mir aber erstmals ermöglichte, mein rigides Essschema zu ändern und dadurch auch endlich an Gewicht abzunehmen. Wie ging es weiter – von wegen Insulin-Pen und -Pumpe? Mitte der Achtziger kamen dann die ersten Insulinpens auf. Da fiel das ganze Gedöns mit den Spritzen weg. Das empfand ich als super bequem. Bis dato musste ich mir das Insulin nämlich immer mit einer Plastikspritze mit integrierter Nadel spritzen. Und diese Spritze gab es nur alle 14 Tage neu vom Hausarzt. Da die Nadel nicht gewechselt werden konnte, bin ich ganz stolz, dass ich außer einer Delle am linken Oberarm keine weiteren Lipohypertrophien hatte. Mein Vater hat sich zum Wechseln der Spritzstellen mit Hilfe meiner Mutter übrigens auch in den Rücken, den Oberarm und den Po gespritzt. Auch da war er sehr diszipliniert. Ja, und seit sechs Jahren trage ich nun eine Insulin-Pumpe. Auch wenn ich sie nicht wirklich liebe, sind ihre Leistungen hervorragend. Fakt ist: Die Pumpe regelt die Basalrate so gut, dass ich deutlich weniger Unterzuckerungen habe. Weitere Informationen und ein virtueller Rundgang zur Geschichte des Diabetes mellitus findet ihr im Internet unter www.deutsches-diabetes-museum.de Und dagegen haben Sie nicht rebelliert? Nein. Mein Essen stand nie zur Diskussion, und ich habe das akzeptiert, weil ich Angst hatte, noch kränker zu werden. Als 15-Jährige hatte ich heimlich ein Buch über Spätschäden durch Diabetes gelesen. Darin stand, dass Menschen mit Diabetes nach der Diagnose blind werden bzw. nur noch zehn Jahre zu leben haben. Das hat mich sehr betroffen gemacht und ich habe mich lange nicht getraut, mit jemandem darüber zu reden. 1983 Reflolux® (Accu-Chek®) – das erste Blutzuckermessgerät 1985 NovoPen® – der erste Insulin-Pen weltweit revolutionierte für Patienten (Roche). die Insulintherapie (Novo Nordisk). 3 camp fire 01/ 2015 Ins Netz gegangen Diabetes im Internet: Blogs, Portale und Apps „Ich zieh aus!“ – wer kennt diesen Satz wohl nicht ... von sich selbst oder von Freunden? Für junge Menschen mit Typ 1 Diabetes bedeutet dies, neben Möbel, Kisten und Koffer zu packen auch, dass der Diabetes mit umzieht! Für fast alle Fragen des Alltags – natürlich auch rund um Diabetes – gibt es Antworten im Internet. Strand: © fotolia.com, mbefoto Netz: © 123rf.com, rumpelstiltskin Typ 1 Diabetes ist mehr als nur eine chronische Erkran kung. Das Leben mit der Insulintherapie wirkt sich auf viele Lebensbereiche aus. So wird das an sich schon turbulente Leben eines jungen Menschen mit Typ 1 Diabetes mit dem Auszug aus dem Elternhaus in die erste eigene Wohnung oder WG noch komplexer. Denn neben Möbeln, Kisten und Koffern zieht der Diabetes mit um. Alleine leben heißt jetzt nicht nur selbst putzen, einkaufen und kochen, sondern auch sich tagtäglich um seine Diabetestherapie selbst zu kümmern: u. a. gegebenenfalls neue Ärzte zu finden, nachts für eine sichere Blutzuckereinstellung zu sorgen, akute Infek tionskrankheiten selbst zu managen, Vorsorgetermine zu planen, Versicherungsfragen zu regeln. Diesen Prozess der Transition, des „Alleine-leben-Lernens“ kann das Internet sinnvoll unterstützen. www.blood-sugar-lounge.de ... ist ein richtig gut gemachtes Diabetes-Internetportal mit vielen spannenden Themen und guten Berichten: der Vanillejoghurt mit Mandelcrunch gegen Hyper-Hunger und die Tipps zur Hypo-Vorsorge in den unmöglichsten Situationen (z. B. mitten im Bewerbungsgespräch oder im Zug beim Umsteigen). www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de Der Auszug von zu Hause, ein neuer Job in einer an deren Stadt oder ein neuer Studienplatz: Es gibt viele Gründe, warum es notwendig wird, einen neuen Diabetologen oder eine Spezialklink zu finden. Auf der Website der DDG kann man gezielt nach zertifizierten Arztpraxen und Kliniken suchen. Gut auch für auslän dische Menschen mit Diabetes, die eine fremdsprach liche Betreuung benötigen. Sie werden dort fündig. Über zahlreiche Apps bzw. Programme für den PC können Blutzuckerwerte gespeichert, ausgewertet und auf Wunsch zum Arzt verschickt werden. Auch der Austausch unter Gleichgesinnten, das Teilen von Wissen und Erfahrungen, werden vom Internet unterstützt. Auf Blogs, in Foren oder auf Twitter werden Themen wie Leben und Genießen, neue Diabetestechnologien, Führerschein, „ups and downs“, Bewerbungstipps, Sport und Urlaub, aber auch Auszug, Freiheit und Selbstverwirklichung intensiv diskutiert. Das Gute daran ist, dass Betroffene je nach Lust und Laune aktiv mitmachen oder still und anonym die Beiträge lesen können – und vielleicht Fragen stellen, die sie ihrem Arzt oder der Diabetesberaterin nicht stellen würden. www.mein-diabetes-blog.com Schonungslos ehrlich, direkt, aber auch witzig: Das ist der Diabetes-Blog von Ilka und Finn, die beide seit ihrer Kindheit Typ 1 Diabetes haben und Pumpenträger sind. #dedoc TweetChat, Blutzuckerbingo #bzbingo Wer Lust auf einen virtuellen Diabetes-Stammtisch auf Twitter hat, kann sich jeden Mittwoch ab 21.00 Uhr unter #dedoc TweetChat (Deutsche Diabetes Online Community) treffen. Nach dem Chat gibt es dann noch eine Runde Blutzuckerbingo #bzbingo. Mit machen kann jeder – alles, was man dazu benötigt, ist einen Twitter Account. Dedoc.de ist eine Initiative von Bastian Hauck, der bei Camp D 2014 den Stand-UpPaddling-Workshop geleitet hat. www.mein-diabetes-blog.com www.blood-sugar-lounge.de www.between-kompas.de www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de #dedoc TweetChat 4 camp fire 01 / 2015 www.diabetes-und-recht.de Recht haben ist nicht gleich Recht bekommen: Wirklich fachlich fundierte Auskunft zu Rechtsfragen findet ihr hier. www.diabetesde.org, www.diabetikerbund.de Aktuelle Informationen zu allen medizinischen, gesundheitspolitischen und sozialrechtlichen Themen der Zeit halten für euch diese beiden Websites bereit. www.jdrf.org Wenn du dich dafür interessierst, wie sich Menschen mit Diabetes in den USA öffentlich für die Diabetes forschung engagieren, findest du hier viele interessante Informationen. www.kompetenznetz-diabetes-mellitus.net Auf diesem offiziellen Webportal, das vom Bundes ministerium für Bildung und Forschung unterstützt wird, findet ihr die aktuellsten Studien über Diabetes. www.between-kompas.de Kinder, wie schnell die Zeit vergeht! Plötzlich seid ihr junge Erwachsene, wollt ausziehen und euer eigenes Leben führen. Hier findet ihr praktische Tipps rund um das Thema „Transition/alleine leben“. www.jdrf.org TIPPS Datenschutz: Lästig, aber wichtig! Auch in Zeiten von sozialen Netzwerken und all gemeiner Internetpräsenz ist Datenschutz wichtig! Hier ein paar Fragen, von denen es gut wäre, wenn du die Antwort wüsstest: •Wo werden deine Kontaktdaten und medizinischen Daten gespeichert? Auf dem Smartphone / auf dem PC / auf einem Server / in einer Cloud? •Was schreibt der Anbieter über Datenschutz? Hier ist das Nachlesen oder Nachfragen wirklich sinnvoll. Blutzuckerwerte online: wissen, was abgeht •Wenn du gar keine Lust auf die Buchführung deiner Blutzuckerwerte hast, dann überwache deine Einstellung erst mal nur über den Mittelwert, den wirklich nahezu alle Messgeräte ausrechnen. •Ein Mittelwert von 120 –170 mg/dl bei mind. 4 BZ am Tag ist der Zielbereich. •Wenn du mit einem Mittelwert von 280 mg/dl startest und Woche für Woche langsam runterkletterst, ist das ein erster sichtbarer Erfolg. •Aber: Entscheidend ist immer, dass du deine Werte 1-mal pro Woche ausliest und die dar gestellten Werte in Tabellenform, Tortengrafiken oder Mittelwertkurven dir auch irgendwie hel fen, deine Blutzuckerwerte besser zu verstehen. Diabetes-Tagebuch 2.0 : Apps und Software für Smartphone und PC Eine PDF-Liste zum Downloaden findest du auf www.campd.info/downloads www.diabetes-und-recht.de www.diabetesde.org www.kompetenznetz-diabetes-mellitus.net Dankeschön! Wir bedanken uns ganz herzlich bei Dr. med. Simone von Sengbusch für ihre wertvollen Informationen zum Thema „Diabetes im Internet“. Die Diabetologin und Oberärztin/Fachärztin für Kinderheilkunde betreut seit Beginn (1999) das Modellprojekt www.diabetikerbund.de „Mobile Diabetesschulung Schleswig-Holstein“ (MDSH), das zum Versorgungsangebot der Fachabteilung für Kinderhormonstörungen der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck gehört. Für ihr Engagement in der Versorgung diabeteserkrankter Kinder und Jugendlicher in Schleswig-Holstein wurde Dr. med. Simone von Sengbusch mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. 5 camp fire 01/ 2015 Sehnsu „Im Wasser muss sich der Diabetes hinten anstellen.“ Wer kennt sie nicht, die Sehnsucht nach dem endlos weiten Meer, das einlädt zum Baden, Schwimmen, Schnorcheln, Surfen … und Segeln. Auch die Wassersportler Bastian Hauck und Mira Stübing, die beide 2014 zum ersten Mal bei Camp D dabei waren, teilen die große Leidenschaft für das nasse Element. Sie beweisen, dass man mit Typ 1 Diabetes keine Scheu vor dem Wasser haben muss. Bastian, Wasser und Diabetes – das ist oft ein heikles Thema. Wie siehst du das? Wenn man an Land eine schwere Hypoglykämie bekommt, fällt man maximal hin. Im Wasser sieht das anders aus, sprich, es ist einfach potenziell gefährlicher. Mein Wahlspruch dazu ist: Eine Unterzuckerung auf See darf einfach nicht passieren! Und da mach ich auch keine Ausnahme, ob ich nun eine Stunde beim StandUp-Paddling auf dem Brett stehe oder für drei Tage auf einem Segeltörn bin. Wobei die Maßnahmen oder die Vorbereitungen, die man dazu unternehmen muss, die gleichen sind, wie wenn man leistungssportmäßig Fußball oder Tennis spielt oder läuft. Denn grundsätzlich ist die Anstrengung beim Segeln nicht größer als bei anderen Sportarten auch. „Raus ins Blaue!“ Bastian Hauck hat eine Mission: Er will uns zeigen, dass es sich auch mit Diabetes frei und unabhängig leben lässt. Für seine große Leidenschaft, das Segeln, gab er seinen festen Job als Nahostexperte bei Wie bereitest du dich aufs Segeln vor? Wer an Land gewohnt ist, sicher Sport zu machen, kann das auf dem Wasser genauso. Im Grunde ist es so: Bevor man startet, muss man in einem sicheren Bereich sein. Man muss hoch reingehen, um einen kleinen Puffer zu haben. Auf all meinen Segeltouren auf der Ostsee und auch bei den großen Welttouren lag mein Zielwert nicht bei 100 oder 120, sondern mindestens bei 150, damit ich einen Sicherheitspuffer nach unten habe und erst gar nicht in eine gefährliche Situation komme. Beim Stand-Up-Paddling-Workshop bei Camp D lag die Grenze auch bei 150, wer darunter war, durfte nicht mitmachen. Hast du schon Unterzuckerungen auf See erlebt? Auf meinem ersten Ostseetörn hatte ich zwei- bis dreimal eine Unterzuckerung im 60er-Bereich. Aber das war das Niedrigste, was ich auf See hatte. An Land war ich schon mal deutlich tiefer. Dafür nehme ich auf See – und das ist die Kehrseite der Medaille – auch höhere Wert von über 200 in Kauf. Aber da geht mir die Sicherheit vor, vor allem, wenn die See schon rauer ist und ich eine Sturmwarnung im UKW-Radio höre. Da esse ich lieber noch einen Müsliriegel mehr und spritze eine Einheit Insulin dazu. Dann weiß ich, dass ich in den nächsten drei Stunden hoch genug bin und Ruhe habe. Gibt es noch weitere Vorsichtsmaßnahmen? Wenn man wie ich in meinen ersten beiden Jahren auf der Ostsee als Einhandsegler alleine in einer kleinen Nussschale unterwegs gewesen ist, weiß man, dass drei Dinge ganz wichtig sind. Man sollte unbedingt genügend messen, auch mal zwischendurch, es müssen genug Not-BEs vorhanden sein und man sollte öfter mal kurz innehalten und in sich hinein hören, ob noch alles in Ordnung ist. Verwendest du eine Insulin-Pumpe? Nein, ich mache es noch ganz klassisch mit einer ICTTherapie, so wie ich es in der ersten Schulung gelernt habe. Ich bin davon auch immer noch sehr überzeugt. Allerdings kombiniere ich das zunehmend öfter mit einem CGM-System – aber ich bin nicht privat versichert und kämpfe deshalb wie viele andere mit der Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenkasse. Deshalb nehme ich das CGM nur in wichtigen Situationen oder wenn ich mal wieder genauer in mich hineinhören möchte. Auf dem Törn habe ich es dabei, nutze es aber auch dort nicht immer. Wenn ich Tagestörns von 20 Meilen bei strahlendem Sonnenschein mache, brauche ich kein CGM. Wenn ich allerdings unter Zeitdruck segle, weil ich z. B. nach Schweden zu einer Regatta möchte, dann nehme ich das CGM. Ich segle ja sehr viel, auch nachts, auch tagelang durch … gerade wenn der TagNacht-Rhythmus durcheinander ist, hilft mir das CGM. Wie sehen deine Not-BEs aus? Abgepackter Traubenzucker funktioniert auf dem Wasser nicht, weil er nicht feucht werden darf. Außerdem lässt er sich mit nassen und dann vielleicht auch noch zitternden Händen schlecht auspacken. Besser eignen sich wasserfeste Glukosegels, z. B. in kleinen Folienbeuteln, die man auch gut in der Badehose verstauen kann. der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik auf, um 2008 alleine zu einem fünfmonatigen Törn auf der Ostsee aufzubrechen. Mit genügend Insulinvorrat im Gepäck ging es über Polen, Kaliningrad und die baltischen Staaten bis nach Russland und Südkarelien, zurück über Finnland und die Åland-Inseln nach Schleswig, seine Heimatstadt. Unterwegs auf den großen Weltmeeren: An Bord einer 17-Meter- Über diesen Segelsommer schrieb er 2010 ein Buch: „Raus ins Yacht segelte Bastian von Neuseeland nach Hamburg, umrundete Blaue! Unter Segeln nach St. Petersburg.“ Kap Hoorn, heuerte auf einem Großsegler an, um durch die Fjorde von Feuerland zu segeln, und unterzog sich auf dem Atlantik der Äquatortaufe. 6 Monate, 15.000 Seemeilen, über 1.000 Blutzucker messungen – und nicht eine einzige Unterzuckerung! 6 camp fire 01 / 2015 ucht Meer „Mir geht es mit Sport besser als ohne!“ Aber wie schläfst du beim Segeln? Immer in 30-Minuten-Abständen. Das ist das Maximum, was man auf See schlafen kann. Ich schlafe dann auch in voller Montur, in Ölzeug, mit Schwimmweste etc. und leg mich unten ins Boot. Dann stelle ich mir die Eieruhr, so ganz klassisch, wie sie jeder in der Küche hat, auf 30 Minuten. Innerhalb von Sekunden bin ich eingeschlafen und irgendwann später rappelt das Ding und ich steh auf, geh nach oben, mach den 360-GradKontrollblick, schaue nach dem Wind und den Wellen, ob Schiffe in der Nähe sind und alles in Ordnung ist – und dann leg ich mich wieder hin, stell die Uhr und schlafe weiter. Natürlich bin ich nach so einer Nacht mit 16 Unterbrechungen nicht so fit, wie wenn ich acht Stunden im Bett durchschlafen konnte, deshalb versuche ich nachmittags dann immer noch drei bis vier Stunden zu schlafen, natürlich wieder mit der Eieruhr. Warum tust du dir so etwas an? Um Strecke zu machen. Man schafft es sonst alleine nicht z. B. bis St. Petersburg – auch wenn der Wind gut ist. Das muss man ausnutzen. Ich bin eben ein Segler und lebe mittlerweile seit sieben Jahren im Sommer komplett auf meinem Boot. Mein Boot, die Tadorna, ist für mich wie eine Person. Im Winter lebe ich dann auf meiner Werft. Gibt es sonst noch etwas Besonderes? Ja. Als ich mich vor ein paar Jahren auf das Segeln konzentriert habe, habe ich mein Blutzuckermessgerät gewechselt und mir eines ausgesucht, das ich mit nur einer Hand bedienen kann. Das war für mich ganz wichtig, denn an Bord muss ich mich immer mit einer Hand irgendwo festhalten können. #dedoc TweetChat #bzbingo Mira, wie schaut es bei dir im Sport mit Hypos aus? Hypoglykämien sind für mich beim Sport kein Thema – dafür allerdings in meiner Freizeit und morgens. Deshalb gehe ich nie ohne Traubenzucker aus dem Haus und habe zu Hause immer Gummibärchen oder Saft. Die sind für mich das A und O. Woher kommt es, dass du beim Sport so stabil bist? Ich stelle mich mental auf den Sport ein und wenn ich weiß, welche Belastungen mich erwarten, kann ich darauf auch meine Therapie anpassen. Notfalls hab ich ja sonst auch Traubenzucker dabei. Durch den Sport habe ich ein gutes Körpergefühl entwickelt, welches mich auch vor BZ-Entgleisungen warnt, sodass ich rechtzeitig reagieren kann. Dazu muss man aber auch sagen, dass ich Lehramt Sport und Chemie studiere und fit sein muss, um den Anforderungen im Studium gerecht zu werden. Wüsste ich nicht instinktiv, wie hoch mein BZ ist, könnte ich das Studium nicht machen, da wir teilweise für bis zu zehn verschiedene Sportarten in einem Semester trainieren müssen. Vor dem Sportstudium habe ich ein Ingenieurstudium gemacht, wo ich nur am Schreibtisch saß. In der Zeit hatte ich kein Gefühl für meine BZ-Werte und habe häufig mit stark schwankenden und allgemein höheren Werten zu kämpfen gehabt. Mittlerweile weiß ich definitiv, dass es mir mit Sport deutlich besser geht als ohne. Die Insulin-Pumpe kopple ich während des Sports meistens komplett ab und lege sie zwischen den Seminaren wieder an. Hast du bestimmte Methoden, um dich auf den Sport in der Uni einzustellen? Gerade zu Semesterbeginn, wenn noch nicht klar ist, welche Belastungen uns in den verschiedenen Seminaren erwarten, reduziere ich die Basalrate und teilweise auch die Bolusgaben. Auch nehme ich höhere Werte (bis ca. 280 mg/dl) in Kauf, da mir die Teilnahme am Seminar wichtig ist und es noch nicht auf Leistung ankommt. Nach den ersten zwei Wochen weiß ich, wie anstrengend die entsprechenden Seminare werden und kann die Therapie dementsprechend anpassen. Wie sieht es mit dem Sport in den Ferien aus? Wie viele Studenten habe auch ich zwischen den einzelnen Semestern Ferien. Und während dieser Zeit bin ich in der Wintersaison als Skilehrerin in den Alpen unterwegs und in den Sommerferien jobbe ich als Katamaran- und Surflehrerin. So war ich schon in Griechenland, in der Türkei und in Tunesien. Wie funktioniert das mit deinem Diabetes? Eigentlich sehr gut. Im Wassersport wechsel ich auf die ICT, da ich meistens stundenlang auf dem Wasser bin und dann die Basalversorgung lieber über ein Basal insulin abdecke, als dass ich die Pumpe die ganze Zeit am Körper trage. Außerdem bekomme ich so keine Abdrücke von den Pflastern der Katheter in der Sonne, was ich auch gut finde (lach). Der wichtigste Grund für den Wechsel für mich war, dass es immer wieder vorkommen kann, dass ich spontan ins Wasser springen muss, um Schülern zu helfen, und mit der Pumpe einfach die Gefahr besteht, dass ich mit der Pumpe, dem Schlauch oder dem Gurt irgendwo unter Wasser hängen bleiben könnte, was gefährlich werden kann. >> Wenn Mira mal keinen Sport macht oder für die Uni lernt oder als Surflehrerin jobbt, ist ihr großes Hobby die Feuerjonglage. Wie so was ausschaut und was man da macht, könnt ihr euch gut auf youtube anschauen. Mira empfiehlt euch die Performance von Funkenschlag e. V. auf YouTube. 7 Mira Stübing hat Typ 1 Diabetes. Miras Tipps fürs Windsurfen und Schwimmen Die sportbegeisterte Studentin war auch bei Camp D im Sommer 2014 dabei. In der ersten Woche muss ich mein Basal- und mein Bolus insulin stark reduzieren, da sich mein Körper erst mal an die Hitze gewöhnen muss und ich in der Zeit sehr sensibel auf das Insulin reagiere. Auch bewege ich mich am Strand noch mehr als zu Hause, sodass ich darauf reagieren muss. Das empfehle ich übrigens jedem, der in warmen Ländern Urlaub macht. Einerseits ist der Körper viel insulinempfind licher aufgrund der Hitze und andererseits ist man im Urlaub viel aktiver, als wenn man zu Hause die ganze Zeit am Schreibtisch sitzt, d. h. man bewegt sich mehr, geht vielleicht schwimmen, spielt Beachvolleyball oder läuft am Strand entlang. Beim Surfen wird die gesamte Körpermuskulatur dauerhaft bean sprucht, was sehr viel Energie verbraucht. Nicht selten ist man zwei bis drei Stunden auf dem Wasser, ohne sich auch nur einmal hin setzen oder essen zu können. Das muss man vorher einkalkulieren. Deshalb empfehle ich Surfanfängern, auf jeden Fall mit einem hohen Blutzucker reinzugehen, d. h. mit einem Blutzuckerwert von mindestens 200 mg/dl. Prom.-Nr. 701910 Druckerei: PPPP DE/CD/0415/0181 Druck: 04/15 Auflage: 8.500 camp fire 01/ 2015 Ich selbst starte in der ersten Woche im Wassersport auch mit 200 mg/dl. Später, wenn mein Körper sich an die tägliche Belastung von ungefähr zweimal drei bis vier Stunden Katamaran- und Surf unterricht gewöhnt hat, gehe ich runter. Wobei man ganz klar sagen muss, dass ich nicht den ganzen Tag am Stück surfe, sondern die Arbeit meinen Schülern überlasse und teilweise entspannt auf dem Katamaran oder im Motorboot sitze und meine Schüler korrigiere. Was das Essen angeht: Nur zusätzliche Sport-BEs essen, reicht beim Surfen nicht aus! Ich reduziere während der ganzen Zeit mein Basal- und Essensinsulin um bis zu 50 %. Zum Schutz vor einer Hypo trage ich beim Surfen wasserfestes Dextro Sports Liquid Gel oder Liquid Fit bei mir. Wenn ich einen Neopren anzug anhabe, stecke ich mir die Schläuche in den Halsausschnitt vor die Brust oder trage sie direkt am Schienbein. Wenn ich im Bikini unterwegs bin, trage ich eine Gurttasche mit dem Gel um die Hüfte oder befestige sie am Surfbrett (Mast) oder in der Trampolintasche. Ich messe beim Sport ziemlich oft meinen Blutzucker. Vor dem Surfen genauso wie direkt nach dem Surfen. Und dann wieder alle zwei Stunden, bis ich schlafen gehe. Übrigens: Auch beim Schwimmen habe ich meine Notfall-BEs immer bei meinen Handtüchern in der Schwimmhalle dabei … unabhängig, ob ich nun im Meer bin oder im Schwimmbad trainiere. Beim Schwimmtraining an der Uni informiere ich meinen Trainer über meine Diabeteserkrankung. Ich sage ihm auch klipp und klar, dass es vorkommen kann, dass ich zwischendurch mal das Training unterbrechen muss, um etwas zu trinken oder zu essen. IMPRESSUM Herausgeber: Novo Nordisk Pharma GmbH, Brucknerstraße 1, 55127 Mainz; Telefon 06131 903-0; www.novonordisk.de · Redaktion: Christina Maruhn Konzeption, Gestaltung, Text: Döbele Werbeagentur GmbH · Fotografie: Axel Gaube, Mira Stübing, Bastian Hauck, Martin Döbele, Novo Nordisk, Roche Diagnostics · Illustration: Tayo Gross · Druck: pppp Service & Verlag · © 2015 Novo Nordisk Pharma GmbH 8 Changing Diabetes® ist eine eingetragene Marke der Novo Nordisk A/S, Dänemark. Das Camp D -Team wünscht euch einen tollen Sommer 2015. Bis bald …
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