KKVD – aktuell 1 • März 2015 KKVD-aktuell Stadt. Land. Klinik. KKVD-Sozialpreis sucht demografiefeste Wege Krankenhaus-Reform Verbandspositionen zum Bund-Länder-Papier Sterbebegleitung KKVD-Expertengruppe debattiert mit Aschermittwochstreffen Kirchliche Grundordnung: Barmherzigkeit zählt Zeigen Sie mit Ihrer Bewerbung für den 2. KKVD-Sozialpreis, dass Sie den christlichen Auftrag praktisch umsetzen und Ihre Patienten einfallsreich unterstützen! Katholischer Krankenhausverband Deutschlands e.V. KKVD – aktuell 1 • März 2015 Liebe MitgLieder des KKVd, Liebe Leserinnen und Leser, in diesem Heft dreht sich alles um den zweiten KKVd-sozialpreis unter dem titel: „stadt. Land. Klinik. regionale gesundheitsversorgung im Wandel“. seit dem 1. März können sie sich dafür bewerben. Wie können die katholischen Krankenhäuser im demografischen Wandel ihre Verantwortung wahrnehmen und einen wichtigen beitrag zur daseinsvorsorge leisten, gerade um auch in ländlichen regionen eine umfassende gesundheitsversorgung wei- terhin sicherzustellen? dieses thema bewegt – nicht nur den KKVd, sondern auch die bundesregierung. sie setzte zur Vorbereitung der nächsten großen Krankenhausreform eine bund-Länder-Arbeitsgruppe ein, die rahmenbedingungen herausarbeiten sollte, wie sich auch in Zukunft eine gut erreichbare, qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung in deutschland gewährleisten lässt. die Arbeitsgruppe hat geliefert und im dezember 2014 ein vieldiskutiertes eckpunktepapier vorgelegt, das erste Lösungsansätze 1 politik aufzeigt und dessen umsetzung 2015 das krankenhauspolitische Megathema sein wird. Wir als KKVd begleiten diesen reformgesetzgebungsprozess intensiv mit unserer geschäftsstelle in berlin. und mit der Ausschreibung des zweiten KKVd-sozialpreises richten wir den Fokus auf die besonderen Versorgungsleistungen unserer katholischen Kliniken. die Auswirkungen des demografischen Wandels, egal ob auf dem Land oder in der stadt, betreffen alle und fordern Lösungen. der KKVd-sozialpreis soll belegen, dass die katholischen Krankenhäuser für mehr stehen als die sicherung der gesundheitsversorgung. sie sind sehr kreativ und bieten durch innovative Versorgungskonzepte vielerorts Lösungen, die im demografischen Wandel begründete Problemlagen beheben helfen. der Preis will das soziale engagement der katholischen Krankenhäuser honorieren. gleichzeitig können wir in Politik und gesellschaft mit ihren beiträgen dokumentieren, dass die katholischen Häuser auch außerhalb ordnungspolitischer grenzen des gesundheitssystems soziale Verantwortung übernehmen und für einen umfassenden dienst am Menschen außerordentliche innovationskraft entwickeln. Wir freuen uns daher ganz besonders, dass bundesgesundheitsminister Hermann gröhe schirmherr des KKVd-sozialpreises 2015 ist. er wird den Preis am 30. september 2015 bei der KKVd-Fachtagung in berlin überreichen – diesen termin sollten sie sich vormerken. bestimmt gibt es auch an ihrem Krankenhaus oder in ihrem Krankenhausverbund praktische beispiele im sinne der Preisausschreibung. bewerben sie sich! es spielt keine rolle, ob es sich um eine einzelaktion oder ein regelmäßiges Angebot ihres Hauses handelt. Viele Angebote in katholischen Krankenhäusern kommen für eine bewerbung infrage: beispielsweise Hilfsangebote für ältere Menschen, deren Angehörige nicht mehr in der nähe leben, oder besondere Formen des entlass- und Überleitungsmanagements, die Förderung des ehrenamtes oder von selbsthilfegruppen, Frühe Hilfen für junge Familien, Versorgungskonzepte für Kinder und Jugendliche oder etwa die unterstützung von Familien demenzkranker Patient(inn)en ... oder noch ganz andere Vernetzungsaktivitäten und Kooperationen. Zeigen sie mit ihrer bewerbung, dass sie den christlichen Auftrag ernst nehBernadette Rümmelin men, praktisch umsetzen und Geschäftsführerin des KKVD ihre Patienten einfallsreich und E-Mail: [email protected] effizient unterstützen! in unserem Werbefilm unter www.kkvdsozialpreis.de werden exemplarisch zwei Projekte vorgestellt, die auf die Zielgruppe der älteren Menschen zugeschnitten sind. und im vorliegenden KKVd-aktuell wollen wir sie bekanntmachen mit best-Practice-beispielen, die ebenfalls für den KKVd-sozialpreis 2015 infrage kommen: Auf seite 5 lesen sie einen Praxisbericht über die Hamburger „babylotsen“, und auf seite 7 stellen wir ihnen die Arbeit der „Villa Kunterbunt“ in trier vor. Auch in ihrem Haus gibt es bestimmt eine initiative, die besonderes engagement für die regionale gesundheitsversorgung auf dem Land (und in der stadt) aufweist. bewerben sie sich unter www.kkvdsozialpreis.de! Wir freuen uns auf ihre bewerbung und wünschen ihnen viel glück! Politik das Problem der unzureichenden investitionsfinanzierung durch die Länder mit einer auch von den politisch Verantwortlichen bemängelten investitionslücke von bundesweit jährlich drei Milliarden euro wurde nicht angegangen. die CKid befürchten, dass die vielen beschriebenen einzelmaßnahmen ein Ausdünnen der Versorgungsstrukturen zum Ziel haben, ohne dass eine an der demografischen entwicklung orientierte Versorgungsplanung zugrunde gelegt wird, die sich am tatsächlichen bedarf in den regionen ausrichtet. Für die CKid steht die große bedeutung der Pflege für die Qualität der Krankenhausbehandlung außer Frage. deshalb sind Maßnahmen mit dem Ziel, die Personalausstattung in der Pfle- 3 Positionen von KKVD/CKiD zur geplanten Krankenhaus-Reform die bund-Länder-Arbeitsgruppe (bLAg) hat zum ende des letzten Jahres eckpunkte für eine Krankenhausreform 2015 vorgelegt. die erwartungen der Krankenhäuser waren hoch, und die Christlichen Krankenhäuser in deutschland (CKid) – eine initiative von KKVd und deutschem evangelischen Krankenhausverband (deKV) – haben eine erste bewertung vorgenommen. 2 es grüßt sie herzlich ihre bernadette rümmelin KKVD – aktuell 1 • März 2015 politik ge zu verbessern, zu begrüßen. das angekündigte Pflegeförderprogramm, für das in drei Jahren insgesamt 660 Millionen euro bereitgestellt werden sollen, erlaubt allerdings nur die Finanzierung von durchschnittlich zwei zusätzlichen stellen pro Klinik. insofern bleibt dessen Ausgestaltung und nutzen abzuwarten. Für die christlichen Krankenhäuser ist Qualität ein identitätsmerkmal. die Krankenhäuser haben stets betont, dass sie die im Koalitionsvertrag angekündigte Qualitätsoffensive unterstützen. die in den eckpunkten vorgesehene Verknüpfung der Krankenhausplanung mit Qualitätsaspekten ist eine Weiterentwicklung des den Ländern zur Verfügung stehenden Planungsinstrumentariums. der gemeinsame bundesausschuss wird hier einmal mehr vom gesetzgeber beauftragt, bundeseinheitliche Qualitätsindikatoren zur regulierung der Krankenhausplanung zu entwickeln. Positiv zu bewerten ist dabei, dass die Letztentscheidung in der Krankenhausplanung bei den Ländern bleibt. Vergütungsabschläge könnten kontraproduktiv wirken die vorgesehenen Qualitätsabschläge würden dagegen keinen beitrag zur Qualitätsverbesserung leisten, sondern lassen mehr Abrechnungsstreitigkeiten, mehr bürokratie und risiko-selektion befürchten. die CKid mahnen an, dass die Auswirkungen sogenannter „Pay for Performance“-Ansätze (P4P) im stationären Versorgungsbereich wissenschaftlich erst sorgfältig untersucht werden müssen, um die Folgewirkungen für den Krankenhaussektor im speziellen abschätzen zu können. bevor die qualitätsorientierte Vergütung ein fester bestandteil des deutschen gesundheitswesens werden kann, ist es notwendig, dass die behandlungsqualität transparent, sektorenübergreifend und mit geringem Verwaltungsaufwand erfasst und ausgewertet wird. eine generelle Verknüpfung von Qualität und Vergütungsabschlägen lehnen die CKid ab. nach einschätzung der CKid können Qualitätsabschläge zu Anreizen führen, gerade schwer kranke, multimorbide Patienten nicht prioritär zu behandeln. die CKid bekennen sich zu transparenz und sektorenübergreifender Qualitätssicherung. sie fordern deshalb einheitlich definierte und auf basis wissenschaftlicher Methoden validierte Qualitätsvergleiche. die angekündigte Ausweitung der Kontrollen durch den Medizinischen dienst der Krankenkassen (MdK) über alle klinischen Prozesse hinweg, inklusive der dokumentation, schafft allerdings nicht mehr transparenz und bessere Qualität in der Patientenversorgung, sondern vor allem einen immensen, patientenfernen bürokratieaufwand. Fraglich ist, ob diese regelung die Kompetenzen der MdK-Ärzte nicht bei weitem übersteigt und die unangekündigten Kontrollbesuche weniger dem Patienteninteresse, sondern vermehrt Kasseninteressen dienen werden. es bleibt nun abzuwarten, wie die eckpunkte im laufenden Jahr in gesetzliche regelungen gegossen werden. Hierbei werden KKVd und deKV gemeinsam ihre Anliegen und Lösungstv/rü vorschläge einbringen. KKVD – aktuell 1 • März 2015 3 KKVD bringt sich in Diskussion um Sterbebegleitung ein in der über fünfstündigen Orientierungsdebatte – mit sehr persönlichen redebeiträgen von 48 Abgeordneten am 13. november 2014 – ging es inhaltlich um das Verbot der organisierten/ gewerblichen sterbehilfe und um eine mögliche gesetzliche regelung der ärztlichen suizidbeihilfe. Fünf Positionspapiere zu regelungen aktiver sterbehilfe-Möglichkeiten sowie das eckpunktepapier „Zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in deutschland“, das von bundesgesundheitsminister Hermann gröhe und weiteren Koalitionspolitiker(inne)n gemeinsam formuliert wurde, lagen dazu vor. im Fokus der debatten stand unter anderem die starke Verunsicherung der Ärzteschaft – verursacht durch die derzeitige uneinheitlichkeit der berufsordnungen in den einzelnen Landesärztekammern hinsichtlich der praktischen Auslegung des § 16 der (Muster-)berufsordnung (MbO) und die damit einhergehende unklarheit über berufsrechtliche Konsequenzen. darüber hinaus schafft diese uneinheitlichkeit beachtlichen interpretationsspielraum. der Konflikt, der diesen unterschiedlichen umsetzungen des § 16 MbO zugrunde liegt, weist auf das grundlegende dilemma hin: in ihm befinden sich Ärztinnen und Ärzte sowie die behandelnden teams, die einen gangbaren Weg zur begleitung eines Patienten suchen, den sie auch dann nicht alleinlassen möchten, wenn sein Wunsch nach ärztlich assistiertem suizid sämtliche – auch palliativmedizinische – behandlungsangebote überlagert. Jenseits des erfordernisses, eine berufsrechtliche Klärung herbeizuführen, wird seitens der deutschen gesellschaft für Palliativmedizin (dgP) derzeit kein neuregelungsbedarf gesehen, insbesondere nicht im strafrecht. Alle Abgeordneten sprachen sich in der debatte im deutschen bundestag dezidiert für die Verbesserung einer flächendeckenden Hospiz- und Palliativversorgung aus. dafür solle „richtig geld“ in die Hand genommen werden. Mit einem referentenentwurf auf grundlage des gröhe-eckpunktepapiers, der zunächst die Verbesserung der Palliativversorgung regelt, ist im März/April 2015 zu rechnen. in einem zweiten schritt sollen die strafrechtlichen Fragen der beihilfe zum suizid geregelt werden. im KKVd wurde eine expertengruppe zum thema installiert mit dem Ziel, eine Positionierung und empfehlung des KKVd zur palliativmedizinischen und hospizlichen Versorgung sterbender Menschen im katholischen Krankenhaus zu erstellen. ein „Factsheet“ mit begriffsdefinitionen zum thema sterbehilfe sowie einer Übersicht über gesetzliche regelungen in anderen Ländern, stellungnahmen, Pressemeldungen und Handreichungen mit weiterführenden Links wurde bereits erstellt. darüber hinaus gehören Vertreter(innen) des KKVd zwei Arbeitsgruppen beim runden tisch der Charta zur begleitung von schwerstkranken und sterbenden an, um dort die VersorÒ gungsperspektive der Krankenhäuser einzubringen. 3 thema 3 Bundesgesundheitsminister unterstützt KKVD-Sozialpreis 2015 „stadt. Land. Klinik. regionale gesundheitsversorgung im Wandel“, lautet die Überschrift des KKVd-sozialpreises 2015. es geht um die Frage, wie die katholischen Krankenhäuser vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ihre Verantwortung wahrnehmen und einen wichtigen beitrag leisten können, um künftig gerade auch in den ländlichen regionen eine umfassende gesundheitsversorgung sicherzustellen. das thema bewegt den KKVd ebenso wie die bundesregierung. erste Lösungsansätze hat das bundesgesundheitsministerium vergangenen dezember in seinem eckpunktepapier zur anstehenden Krankenhausreform vorgestellt. Wir freuen uns daher ganz besonders, dass bundesgesundheitsminister Hermann gröhe schirmherr unseres KKVdsozialpreises 2015 ist. Am 30. september wird er in berlin den Preis an die gewinner-initiative übergeben – im rahmen der KKVd-Fachtagung „stadt. Land. Klinik“ zum thema „regionale gesundheitsversorgung im Wandel“. Signalwirkung auf Politik und Gesellschaft Mit dem demografischen Wandel sind häufig einschnitte in die medizinische oder pflegerische Versorgung insbesondere in ländlichen regionen verbunden. umso mehr sind beispielgebende kreative initiativen gefragt. es gilt, ungewohnte und ungewöhnliche Wege zu beschreiten. Mit der Auslobung des KKVd-sozialpreises 2015 würdigt der Katholische Krankenhausverband deutschlands e. V. (KKVd) das engagement, die Kreativität und die innovations- 4 kraft seiner Mitglieder angesichts des demografischen Wandels. Zugleich bezieht er sich auf die Jahreskampagne 2015 des deutschen Caritasverbandes „stadt – Land – Zukunft. Hilf mit, den Wandel zu gestalten“. die eingereichten Projekte sollen der Politik und der Öffentlichkeit zeigen, dass die katholischen Krankenhäuser Verantwortung übernehmen – auch jenseits ordnungspolitischer grenzen des gesundheitssystems. ihre Vielfalt soll belegen, dass die katholischen Kliniken bei ihrem ganzheitlichen dienst am Menschen enormen einfallsreichtum entwickeln – zum Wohl der Patient(inn)en! Wer kann sich bewerben? Mitmachen können alle katholischen Krankenhäuser und Krankenhausträger sowie Caritasverbände in Kooperation mit katholischen Krankenhäusern in deutschland. bei den bewerbungen können sowohl aktuelle Aktionen (seit mindestens sechs Monaten bestehend) als auch regelmäßige Angebote in einer einrichtung eingereicht werden. Mit kurzen Projektbeschreibungen sowie Fotos, Videos, Flyern oder weiterführenden Hermann Gröhe, Links können sich initiativen, die den Bundesminister für Gesundheit, Schirmherr des demografischen Wandel miteinbezie- KKVD-Sozialpreises 2015. hen, noch bis zum 31. Mai 2015 online auf www.kkvdsozialpreis.de bewerben. es kann beispielsweise um Hilfsangebote für ältere Menschen gehen, deren Angehörige nicht mehr in der nähe leben, um besondere Formen des entlass- und Überleitungsmanagements oder um die Förderung von ehrenamt und selbsthilfegruppen, um Frühe Hilfen für junge Familien, Versorgungskonzepte für Kinder und Jugendliche oder etwa um die unterstützung von Familien demenzkranker Patient(inn)en oder noch ganz andere Vernetzungsaktivitäten und Kooperationen. Bundesregierung/Steffen Kugler im deutschen Caritasverband (dCV) wurde zum 1. Oktober 2014 eine Projektstelle eingerichtet zum thema „bei uns soll keiner alleine sterben“. dort soll neben der begleitung des gesetzgebungsverfahrens in Kooperation mit den Fachverbänden des dCV geprüft werden, wie die Palliativversorgung in den diensten und einrichtungen der Caritas noch weiter verbessert werden kann. gute beispiele wie zum beispiel „spes viva“ in Ostercappeln existieren bereits. Über den Ärztlichen direktor des st. raphael Krankenhauses in Ostercappeln, Professor Winfried Hardinghaus – zugleich Vorsitzender des deutschen Hospiz- und Palliativverbandes – besteht eine wichtige Verbindung, um auf Verbandsebene die Anliegen der katholischen Krankenhäuser einzubringen. Hingewiesen sei auf das symposium am 12. november 2015 in berlin zum thema Palliative Care und Hospiz, zu dem unter anderem der dCV einlädt (mehr informationen per e-Mail: th [email protected] oder telefon: 0761/200-381). Weiterführende Infos Auf der genannten sozialpreis-Website finden sie neben allen erforderlichen informationen auch einen Film zum KKVdsozialpreis 2015 „stadt. Land. Klinik.“ sowohl im Film als auch in dieser Ausgabe von KKVd-aktuell werden best-Practice-beispiele vorgestellt. Bewerben Sie sich mit Ihrem Projekt! gibt es auch bei ihnen eine initiative, die den demografischen Wandel einbezieht? dann bewerben sie sich unter www.kkvdsozialpreis.de oder rufen sie uns an. Wir suchen genau ihr Projekt! ihre Ansprechpartnerin: elisabeth Caruana, tel. 07 61/2 00eca 384, e-Mail: [email protected] KKVD – aktuell 4 • Dezember 2014 thema Good Practice 3 Hamburger Babylotsen: Frühe Hilfen Zum Wohl der Familien: Geburtskliniken kooperieren mit Familienteams, Hebammen und Elternschulen. Hilfe so früh wie möglich Foto: ©Stiftung SeeYou svetlana H. (name geändert) gerät beim Anblick der weißen Kittel in Panik. eine ausgeprägte Krankenhausphobie macht der werdenden Mutter zu schaffen, aber sie braucht dringend professionelle Hilfe: einsetzende Wehen kündigen eine bevorstehende Frühgeburt an – sie ist erst im siebten Monat! nach wenigen tagen lässt sich die junge Frau entgegen ärztlichem rat auf eigenen Wunsch entlassen. nur 24 stunden später tritt der befürchtete notfall ein: die entbindung ist nicht länger aufzuhalten, das kleine Frühchen wird auf die neonatologie verlegt. da die junge Frau keine Krankenversicherung besitzt und mittellos ist, bittet die stationsärztin des Katholischen Marienkrankenhauses in Hamburg die erfahrene sozialpädagogin Carmen Canales um unterstützung. sie ist eine von 17 babylotsinnen der stiftung seeYou Familienorientierte nachsorge Hamburg, die im Auftrag der stadt in allen geburtskliniken Hamburgs frischgebackene eltern beim start ins Familienleben unterstützen. in vielen Fällen reicht ein informatives gespräch, um unsicherheiten zu beseitigen, notwendige Formalien zu klären oder einschlägige Adressen für eltern-Kind-Angebote herauszusuchen. bei rund fünf Prozent der etwa 23.000 geburten in Hamburg besteht jedoch ein ernstzunehmender psychosozialer notstand mit potenzieller Kindeswohlgefährdung. Wie im Fall von svetlana H. Foto: ©Stiftung SeeYou unterstützen junge Familien Um passgenaue und damit nachhaltig wirkende Hilfsangebote vermitteln zu können, lernen die Babylotsen in Gesprächen mit den Müttern deren persönliche Situation und soziales Umfeld kennen. KKVD – aktuell 4 • Dezember 2014 „Wir versuchen, möglichst frühzeitig festzustellen, ob eine Familie Hilfe benötigt“, erläutert babylotsin Canales den Prozess. bei der Anmeldung zur geburt informiert der/die aufnehmende Klinikmitarbeiter(in) die schwangere Frau beziehungsweise die Familie über das Angebot der babylotsen, überreicht den infoFlyer und füllt im gespräch mit der Familie einen standardisierten Fragebogen aus. er erfasst eventuell vorliegende belastungen der Familie wie etwa psychiatrische Vorerkrankungen, ein sehr junges Alter der Mutter, drogenkonsum sowie soziale oder wirtschaftliche Probleme. der bogen bleibt bis zur entbindung in der Akte und wird schließlich um die geburtsdaten ergänzt. ergeben sich bei der Auswertung noch vor oder direkt nach der entbindung Anhaltspunkte für eine psychosoziale belastung, nehmen die babylotsen noch in der Klinik Kontakt auf und bieten ihre freiwillige und kostenlose beratung an. in vielen einfühlsamen gesprächen deckt die babylotsin zusammen mit der Kollegin des Krankenhaus-sozialdienstes in svetlana H.s umfeld komplizierte Familien- und prekäre Wohnverhältnisse auf. so besitzt der ältere bruder des Frühchens keine geburtsurkunde, weil die eltern zwar getrennt leben, aber nicht geschieden sind und die Vaterschaft formal nicht geklärt ist. in der Folge gibt es weder Kindergeld noch einen Kita-Platz, so dass sich der leibliche Vater beider Kinder um die betreuung des erstgeborenen kümmern muss. er kann keine Hilfsjobs mehr annehmen, mit denen er sonst die Familie über Wasser hält. der Verdienst der Mutter entfällt ebenfalls. Zusätzlich drücken 3000 euro schulden für die erste entbindung. unterstützung Ò durch Familie oder Freunde hat das Paar nicht. 5 thema Foto: ©Stiftung SeeYou Bei der wöchentlichen Teambesprechung tauschen sich die Babylotsen über aktuelle Fälle aus. nach der geburt ihres nun zweijährigen sohnes hatte svetlana H. bereits regelmäßig eine elternschule aufgesucht und sich um die Klärung ihrer Angelegenheiten bemüht. doch die unsensible Aussage eines behördenmitarbeiters „Wenn sie kein geld haben, nimmt man ihnen das Kind weg“ hatte die junge Frau so eingeschüchtert, dass sie seither jede weitere Kontaktaufnahme zu Ämtern und anderen institutionen unterließ. seit 2007 die erste babylotsin der stiftung seeYou am Marienkrankenhaus Familien beraten und unterstützt hat, hat das einst als Modell angelegte Projekt eine dreijährige evaluation durch das universitätsklinikum Hamburg durchlaufen. „ich persönlich kenne und schätze das Projekt seit Anfang 2009“, sagt einer, der es wissen muss: Privatdozent dr. Holger Maul ist Chefarzt der Frauenklinik im Marienkrankenhaus. „es ist das meines erachtens beste Konzept, um jeder Familie individuell abgestimmt die richtige starthilfe zu vermitteln. in unserer Klinik sind die babylotsen nicht mehr wegzudenken.“ die Zahl der geburten steigt in Hamburgs größter geburtsklinik seit Jahren kontinuierlich – 2014 kamen 3545 babys hier zur Welt. Konzept ist übertragbar nachweislich führt das Programm zu einer stabileren und früheren inanspruchnahme Früher Hilfen. Familien können früher in unterstützende Hilfesysteme eingebunden werden, der spätere Aufwand für Hilfen zur erziehung wird reduziert.1 „Von Anfang an haben wir das Konzept so angelegt, dass sich das Programm ohne wesentlichen ressourcenaufwand für die geburtshilfe und mit geringem Adaptionsaufwand auf andere Kliniken oder Arztpraxen übertragen lässt“, erläutert dr. sönke siefert, Chefarzt am Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift und 6 geschäftsführer der stiftung seeYou. seither macht das Programm schule. Parallel zur Ausweitung auf ganz Hamburg hat seeYou das Programm babylotse auch in berlin, Wilhelmshaven und Frankfurt am Main an insgesamt 19 standorten etabliert. Vernetzung hilft helfen Voraussetzung für die erfolgreiche Vermittlungstätigkeit der babylotsen zu passgenauen Angeboten ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Mitarbeiter(inne)n der geburtsklinik auf der einen und den Akteuren der Frühen Hilfen auf der anderen seite. eine genaue Kenntnis des sozialraums ist dabei unerlässlich – in Hamburg etwa gibt es fast 400 Angebote für junge Familien. Kooperationsvereinbarungen und ein regelmäßiger Austausch mit den Familienteams, Familienhebammen oder elternschulen bilden die grundlage für klare Aufgabenverteilungen und reibungslose Überleitungen. Ob behördengänge, schuldenregulierung, Wohnungsnot oder medizinische Anschlussprobleme: die babylotsinnen finden das passende Angebot möglichst wohnortnah und bleiben am ball, bis die Familie auf einem guten Weg ist. im Fall des Hamburger Frühchens dauerte das 14 Wochen. Mehr infos: www.seeyou-hamburg.de Friederike Rieg Bundeskoordinatorin Babylotse Stiftung SeeYou Familienorientierte Nachsorge Hamburg E-Mail: [email protected] Anmerkung 1. PAWILS, Silke: Babylotse Hamburg – modellhafte Evaluation der Wirksamkeit eines sozialen Frühwarnsystems. Hamburg, 2010. KKVD – aktuell 1 • März 2015 thema 3 „Villa Kunterbunt“ in Trier Betreuungs- und Nachsorgezentrum für krebs-, chronischund schwer kranke Kinder und ihre Familien in der Region eine schwerwiegende diagnose bei Kindern – etwa Krebs, Mukoviszidose, diabetes, rheuma, Asthma, chronisch entzündliche darmerkrankung oder epilepsie – bedeutet für die betroffene Familie zunächst einen schock: Zwar sind die Heilungschancen infolge des medizinischen Fortschritts in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. gleichwohl wurde nachgewiesen, dass es bei den jungen Patient(inn)en neben den körperlichen störungen auch häufig zu psychischen Problemen und zur gefährdung der sozialen entwicklung kommt. darüber hinaus stellt die erkrankung für die gesamte Familie eine erhebliche belastung dar: der Alltag gerät aus den Fugen. die Familie ist mit einer Vielzahl von Aufgaben, Anforderungen und unterschiedlichen Professionen konfrontiert, die teilweise massiv in die familiäre selbstbestimmung eingreifen. All dies erfordert eine ganzheitliche und individuelle betreuung. dies ist die grundlage der Arbeit der Villa Kunterbunt am trierer Klinikum Mutterhaus der borromäerinnen. oder in den räumen der Villa Kunterbunt. darüber hinaus kommen die Kinder zu den terminen in die Villa Kunterbunt oder werden von den therapeut(inn)en zu Hause ambulant betreut. Viele Angebote für die jungen Patient(inn)en und ihre geschwister werden in gruppentherapie oder in therapeutische Freizeiten integriert. Informationsaustausch und Vernetzung Über regelmäßige teamsitzungen und besprechungen auf den Kinderstationen und in der Villa Kunterbunt findet ein strukturierter patientenbezogener informationsaustausch zwischen den verschiedenen berufsgruppen statt. bei Fallkonferenzen werden Hilfepläne erstellt, um die behandlung und betreuung der Patient(inn)en und ihrer Familien zu planen und zu evaluieren. um informationen auszutauschen und sich mit niedergelassenen therapeut(inn)en zu vernetzen, werden auch externe Kolleg(inn)en eingeladen. darüber hinaus bestehen Verbindungen zu selbsthilfegruppen, Vereinen, ambulanten Kinderpflegediensten, verschiedenen Zentren wie dem „bunten Kreis“ Augsburg sowie zahlreichen unterstützer(inne)n. Für eine hohe Lebensqualität – trotz Krankheit Hohe Versorgungsqualität dank interdisziplinärer Angebote Aktuell werden mehr als 500 Kinder von null bis 18 Jahren mit ihren Familien aus der ganzen region trier, einem Versorgungsgebiet mit rund 500.000 einwohnern, im nachsorgezentrum betreut. ihre Angebote stellt die Villa Kunterbunt in enger Kooperation mit den Abteilungen Kinder- und Jugendmedizin und Kinder- und Jugendchirurgie des Klinikums Mutterhaus sowie in sektorenübergreifender Arbeitsweise bereit. damit wird eine kontinuierliche, qualitativ hochwertige Versorgung sichergestellt. so wird die medizinisch-pflegerische Versorgung ergänzt durch ergotherapie, diätberatung, Physiotherapie, sozialberatung, psychologische beratung und therapie, erlebnispädagogik, tiergestützte therapie oder Heilpädagogik. die Mitarbeiter(innen) des Zentrums betreuen und behandeln Kinder während des stationären Aufenthalts in der Klinik im Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen Geschäftsführer Villa Kunterbunt e. V., Trier E-Mail: [email protected] Redaktionsbeirat: Thomas Hiemenz (th), Titelbild-Montage unter Nutzung eines Motivs von fotolia / DOC RABE Media Heidrun Koop (hk), Birgit Trockel (bt) Redaktion: Thomas Vortkamp (tv) (Geschäftsführer, verantw.), Bernadette Rümmelin (rü) (Gf., verantw.), Angela Tausendpfund (at) (Stv. Gf.), Elisabeth Caruana (eca) (Redakteurin), Klemens Bögner (neue caritas) Redaktionssekretariat: Saskia Waßmer, Tel. 0761/200-352, Fax: 200-609, E-Mail: kkvd-aktuell@ caritas.de Karlstraße 40, 79104 Freiburg Tel. 0761/200-352 Vertrieb: Rupert Weber, Tel. 0761/200-420, Fax: 200-509 KKVD – aktuell 1 • März 2015 Dr. med. Christoph Block Leiter des Nachsorgezentrums Villa Kunterbunt neue caritas KKVD – aktuell Impressum POLITIK PRAXIS FORSCHUNG Ziel ist es, dass die Kinder mit ihren Familien – gerade auch in einer relativ dünn besiedelten region – eine optimale Versorgung erfahren und mit ihren chronischen und schweren erkrankungen, trotz aller einschränkungen, leben lernen und eine hohe Lebensqualität erreichen können. seit der Vereinsgründung der Villa Kunterbunt im Jahr 1998 finanziert sich ihre Arbeit zu mehr als 90 Prozent aus spendenmitteln. Mehr infos: www.villa-kunterbunt-trier.de und www.mutterhaus.de Nachdruck und elektronische Verwendung nur mit schriftlicher Genehmigung. ISSN 2190-4448 Herausgegeben vom Katholischen Krankenhausverband Deutschlands e.V. (KKVD) in Freiburg 7 verband 3 Aschermittwochstreffen 2015: Wie barmherzig ist die Kirche? die stiftung bildung im KKVd ist eine bildungseinrichtung für Mitarbeiter(innen) auf den Management-ebenen in katholischen Krankenhäusern und für den Führungsnachwuchs. seit über 30 Jahren bietet sie Fortbildungen im kaufmännischen, im pflegerischen, im ärztlichen und im bildungsbereich an. die Absolvent(inn)en bilden mittlerweile ein bundesweites netzwerk, das regen Austausch und kollegiale beratung pflegt. Netzwerker tauschen sich zu aktuellen Krankenhausthemen aus Jedes Jahr vom Aschermittwochnachmittag bis zum folgenden Freitagmittag gibt es das inzwischen schon traditionelle Aschermittwochstreffen im Caritas tagungszentrum in Freiburg. das Wiedersehen und die diskussion aktueller Krankenhausleitungs- sowie Krankenhauspolitik-themen und Fachvorträge stehen dabei im Mittelpunkt. rund 50 stipendiat(inn)en nahmen am diesjährigen netzwerktreffen teil. es stand unter der Überschrift „Wie barmherzig ist die Kirche?“. Zwei themenfelder standen dabei im Fokus: die biblische spurensuche rund um die thematik barmherzigkeit und gerechtigkeit sowie praktische Fragen des kirchlichen Arbeitsrechts. Als referenten für die tagung hatte die stiftung bildung Prof. dr. thomas schüller gewonnen. er ist direktor des instituts für Kanonisches recht (Münster) und zugleich Professor für Kirchenrecht und kirchliche rechtsgeschichte an der Katholisch-theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelmsuniversität Münster. Auf biblischer Spurensuche nach Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Zu beginn der tagung stand das christliche barmherzigkeitsund gerechtigkeitsverständnis im Vordergrund. darauf hatte schon der einladungsflyer verwiesen mit der Feststellung, Papst Franziskus habe die barmherzigkeit zum Leitwort seines Pontifikates erkoren. ein satz aus seinem ersten Angelusgebet lautet: „seid barmherzig! barmherzigkeit verändert die Welt.“ ein weiteres Wort, diesmal von thomas von Aquin, zitierte der beiratsvorsitzende der stiftung bildung im KKVd, Peter brüssel, bei seiner begrüßungsansprache zum tagungsgeleit: „gerechtigkeit ohne barmherzigkeit ist grausamkeit; barmherzigkeit ohne gerechtigkeit ist die Mutter der Auflösung.“ die spurensuche mit Professor schüller setzte sich fort anhand zahlreicher texte zum thema barmherzigkeit aus dem neuen testament: etwa des gleichnisses vom verlorenen sohn (Lk 15,11–32), der Perikope über Jesus und die ehebrecherin (Joh 8,1–11) oder der bibelstelle über die berufung des Zöllners Matthäus zum Jünger (Mt 9,9–13). 8 Barmherzigkeit authentisch mit Leben erfüllen nach Lektüre und diskussion der Perikopen vertraten die meisten Anwesenden die Meinung, dass es für Christ(inn)en selbstverständlich sein sollte, barmherzig zu leben. sie sollten reue und umkehr als ersten schritt in die richtige richtung sehen, Mitmenschen nach einem scheitern eine zweite Chance geben und sich vor allem stets des eigenen scheiterns bewusst sein (sei dieses nun „groß“ oder „klein“). Kritisch diskutiert wurde, ob gott ein „Alles-erbarmer“ sei und dass nicht reflektiertes, wiederholtes „Vergeben und Vergessen“ eher zum Chaos als zu harmonischer gemeinschaft und – im beruflichen Kontext – effizientem Miteinander führe. einzuhaltende normen, so die einhellige Meinung, haben einen sinn. schwierig sei jedoch, dass diese per se theoretisch abgefasst seien und aus diesen regeln dann im einzelfall konkrete Lösungen abgeleitet werden müssten. barmherzigkeit sei, innerhalb der regeln die beste Lösung für alle betroffenen zu finden. Kirchlicher Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen unter dem titel „barmherzigkeit auf dem Prüfstand: die Kirche und die wiederverheirateten geschiedenen“ ging thomas schüller auf die Lehrmeinung der Kirche ein: indem sie diesen Zustand als schwere sünde bewerte, schließe sie Menschen, die – kirchlich ungültig – in erster ehe geschieden und ein zweites Mal verheiratet sind, von der eucharistie aus. in der Folge könnte ein katholischer Arbeitgeber solchen Mitarbeiter(inne)n kündigen. Professor schüller erläuterte, dass dies in der Praxis häufig – vom einzelfall abhängig – ganz anders gehandhabt werde. er verwies darauf, dass auch zahlreiche theologen wie etwa die früheren bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz saier, Lehmann und Kasper (Hirtenwort 1993) oder sogar Josef ratzinger (1972; spätere Äußerungen lauteten anders) eine andere Vorgehensweise vorgeschlagen hätten. die teilnehmer(innen) des Aschermittwochstreffens kritisierten in der diskussion, die offizielle Lehrmeinung der Kirche werde der tatsächlichen moralischen integrität wiederverheirateter geschiedener nicht gerecht. Angemerkt wurde, dass laisierte Priester trotz ihres (unumkehrbaren) Weihesakraments eine kirchliche ehe führen könnten – im gegensatz zu wiederverheirateten geschiedenen. Als eine konstruktive Praxishilfe empfahl Professor schüller die „Handreichung für die seelsorge zur begleitung von Menschen in trennung, scheidung und nach ziviler Wiederverheiratung in der erzdiözese Freiburg“.1 Für mehr Respekt gegenüber Homosexuellen „,gerechtigkeit wollen wir und respekt und nicht takt und Mitgefühl‘ – Kirche und ihr schwieriger umgang mit Homosexuellen“: so war jener teil der tagung überschrieben, der sich mit dem Verhältnis der katholischen Kirche zu schwulen und Lesben beschäftigte. Professor schüller erläuterte die Lehrmeinung der katholischen Kirche: seit 1975 sei die homosexuelle Veran- KKVD – aktuell 1 • März 2015 verband Foto: eca Mit rheinischem Schwung und Kenntnisreichtum in Theorie und Praxis referierte der gebürtige Kölner Thomas Schüller, Hochschullehrer und Institutsdirektor in Münster, über die Facetten von Barmherzigkeit. Er vermittelte einen Überblick zu wichtigen Fragen des kirchlichen Arbeitsrechts. lagung immerhin keine schwere sünde mehr. Auch heute gelte aber das Ausleben von Homosexualität in der katholischen Kirche als schwere sünde. das oben genannte Zitat bezieht sich auf den katholischen Katechismus von 1997, der die aktuelle Lehrmeinung repräsentiert. die genannten Aussagen befinden sich in den Absätzen 2357–2359. Professor schüller wies darauf hin, dass unter Papst Franziskus erstmals über diese thematik in Wort und schrift reflektiert werde. Kirchliches Arbeitsrecht: Loyalitätsauffassung wird partnerschaftsgesetz mit den Loyalitätsobliegenheiten nach der grundordnung des kirchlichen dienstes im rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“. Professor schüller berichtete von Überlegungen, das Arbeitsrecht der Kirche zu reformieren. unter berücksichtigung der entscheidung des bundesverfassungsgerichtes zum „düsseldorfer Chefarztfall“ wird die grundordnung überarbeitet werden. bis ende April 2015 soll ein Vorschlag vorliegen, der die Loyalitätsobliegenheiten präzisiert sowie deutlicher zwischen pastoralem, leitendem und erzieherischem dienst unterscheidet. überarbeitet die Arbeitseinheit „Wenn barmherzigkeit auf Wirklichkeit trifft: Kirchliches Arbeitsrecht und seine Loyalitäten/Konflikte“ thematisierte im Wesentlichen die kirchenarbeitsrechtlichen regelungen der „grundordnung des kirchlichen dienstes im rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“2. darin haben die bischöfe die grundsätzliche struktur des kirchlichen Arbeitsrechts festgelegt. die „grundordnung“ gibt die rechte und Pflichten der einrichtungen beziehungsweise Arbeitgeber und der Mitarbeiter(innen) durch die zuständige kirchliche Autorität umfassend vor. die grundordnung bildet die grundlage jedes Arbeitsvertrages in einer kirchlichen einrichtung. bei Kündigungsvorgängen, die im Falle einer Klage bei staatlichen Arbeitsgerichten verhandelt werden, sind vor allem die in der grundordnung festgelegten Loyalitätsverpflichtungen (Art. 4 grO) und die sanktionen (Art. 5 grO) bei deren Verletzung von bedeutung.3 Außerdem zu beachten ist die im Juli 2002 beschlossene „erklärung des ständigen rates der deutschen bischofskonferenz zur unvereinbarkeit von Lebenspartnerschaften nach dem Lebens- KKVD – aktuell 1 • März 2015 Umfassende Materialsammlung die umfangreiche unterlagensammlung zu den einzelnen themenbereichen – barmherzigkeit, katholische Kirche und wiederverheiratete geschiedene, katholische Kirche und Homosexualität sowie grundordnung, gerichtsurteile und geplante Änderungen der grundordnung – wurden an die teilnehmer(innen) des Aschermittwochstreffens ausgeteilt. darüber hinaus sind die unterlagen im internen geschützten Homepagebereich der stiftung bildung zugänglich. Elisabeth Caruana Referentin für Öffentlichkeitsarbeit im KKVD Anmerkungen 1. Download: www.zdk.de, Suchbegriff: „Handreichung Freiburg“. 2. SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ (Hrsg.): Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse. Bonn, 2., unveränd. Aufl. 2012 (Die deutschen Bischöfe; 95A). 3. Vgl. neue caritas Heft 3/2015 zum Schwerpunktthema Grundordnung und Loyalitätsobliegenheiten. 9 aktuell Gut zu wissen 3 Kommunikation in Krisensituationen Alle katholischen Krankenhäuser – und damit der KKVd – können von Krisen betroffen werden. im Falle einer Krise ist es hilfreich, wenn die Klinik gleich zu beginn den KKVd informiert. so kann schnellstmöglich eine verbandsweite Lösung erarbeitet und den anderen Mitgliedern argumentative unterstützung geboten werden. Für die Kommunikation in solchen „akuten situationen“ hat der Fachausschuss Öffentlichkeitsarbeit des KKVd eine Handreichung entwickelt. sie beschreibt das Zusammenwirken der katholischen Krankenhäuser und des KKVd in Krisen mit überregionaler tragweite, ist also kein Krisenleitfaden für das einzelne Krankenhaus. der Leitfaden dient ausschließlich der internen Verwendung durch Mitglieder. er kann bei bedarf bei der geschäftsstelle unter [email protected] oder 0761/200-352 angefordert werden. Faktensammlungen zu „kritischen Themen“ ergänzend zur Handreichung wurde eine Faktensammlung („Factsheet“) erstellt, die das thema sterbehilfe näher beleuchtet. darin werden Hintergründe und begriffe erläutert. es gibt eine Übersicht über gesetzliche regelungen in anderen Ländern, stellungnahmen, Pressemeldungen und Handreichungen zum thema mit weiterführenden Links. „Factsheets“ zu weiteren themen sind in Arbeit. im Krisenfall sollen diese den KKVd-Mitgliedern intern als schnell verfügbare informationsquellen dienen. gleichzeitig bilden die Faktensammlungen für die katholischen Krankenhäuser vor Ort at eine strategische Leitplanke zur Positionierung. 3 neue caritas und KKVD-aktuell auch als E-Paper Viele Leserinnen und Leser erhalten das KKVD-aktuell als Beilage der Zeitschrift neue caritas. Seit kurzem gibt es die neue caritas auch als EPaper. Wer sein Print-Abo um die digitale Version erweitern oder ganz auf das E-Paper umstellen möchte, erhält künftig auch das KKVD-aktuell in digitaler Form. Mit Hilfe der neue-caritas-App erhalten Sie alle 14 Tage die jüngste Ausgabe der neuen caritas als EPaper. Das digitale Heft erscheint bereits drei Werktage vor der PrintAusgabe. Zudem steht Ihnen ein Heftarchiv mit allen Ausgaben seit 2009 zur Verfügung. Darin können Sie nach Stichworten suchen sowie Lesezeichen, Markierungen, Notizen etc. einfügen. Mehr Informationen und Abonnement: www.caritas.de/neue-caritas/ abonnements 10 KKVD – aktuell 1 • März 2015 aktuell 3 Europas bestes Hospital bei regionen, darunter bestehende oder drohende Mängel in der medizinischen Versorgung und der Pflege. Anhand von beispielen und Modellprojekten stellt die studie aber auch ideen und innovative Konzepte vor: zum beispiel den multifunktionalen dorfladen in Jülich-barmen, wo die einwohner(innen) auch dienstleistungen und eine sozialmedizinische Versorgung in Anspruch nehmen können und zudem wieder einen treffpunkt im Ort haben. unter www.berlin-institut.org, „Publikationen“ finden sie die studie zum Herunterladen und weitere interessante beiträge red zum thema demografischer Wandel. der Händehygiene bei der Jahrestagung der Christlichen Krankenhäuser in deutschland (CKid) im Juni vergangenen Jahres erhielt das st. elisabeth-Hospital beckum für den beitrag „Aktion saubere Hände“ den Pr-Publikumspreis in der Kategorie „sonderpreis – Qualität mit identität“. das KKVd-aktuell 3/2014 zum thema Qualität stellte die Aktion als best-Practice-beispiel vor. die erfolgsgeschichte geht weiter: Jetzt hat das st. elisabethHospital auch beim Wettbewerb „european Hand Hygiene excellence Award 2014“ den ersten Platz belegt. dieser europaweite Wettbewerb hat sich zum Ziel gesetzt, die Krankenhäuser zu ermitteln, in denen das thema Händehygiene besonders gefördert und messbar verbessert wird. Als einziges deutsches Krankenhaus schaffte es das st. elisabeth-Hospital unter die fünf Finalisten und ging schließlich als sieger hervor. red Mehr infos: www.aktion-saubere-hände.de 3 EU fördert Gesundheit „alternder Belegschaften“ Foto: St. Elisabeth-Hospital Beckum Mit dem eu-Programm „gesundheit für Wachstum“ (2014– 2020) sollen die Mitgliedstaaten effizient auf die wirtschaftlichen und demografischen Herausforderungen für ihre gesundheitssysteme reagieren können. ihren bürger(inne)n soll es ermöglichen, länger gesund zu bleiben. „gesundheit für Wachstum“ ist das dritte mehrjährige Aktionsprogramm zur umsetzung der eu-Wirtschaftsstrategie europa 2020. Mehr infos bieten folgende Websites: http://bmg.gv.at (Menü „service“, rubrik „Förderungen“); http://ec.europa.eu/health/programme/policy/index_de.htm www.euroconsults.eu/service/eu-foerdernews/8707-das-neuegesund EuroConsults Hand in Hand wird am Beckumer St. ElisabethHospital am Thema Händedesinfektion gearbeitet, v.l.: Kaufmännischer Direktor Jan Deitmer, Chefarzt Guido H. Boucsein, Hygienefachkraft Ursula Altewischer, Christian Jenke vom Landeszentrum Gesundheit NRW und Bettina Brockmann. 3 Studie zum demografischen Wandel im ländlichen Raum das berlin-institut für bevölkerung und entwicklung hat die studie „Von Hürden und Helden. Wie sich das Leben auf dem Land neu erfinden lässt“ herausgegeben. die Publikation beleuchtet die wachsenden Versorgungsprobleme in ländlichen KKVD – aktuell 1 • März 2015 3 Gut vernetzt für ältere Patienten Zum 1. Fachsymposium des noch jungen geriatrischen Versorgungsverbundes Westfalen kamen ende Januar in dortmund rund 130 Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte, Vertreter(innen) von sozialdiensten und geschäftsführer(innen) aus Westfalen zusammen, um ihre erfahrungen auszutauschen. Angesichts der höheren Lebenserwartung steigt der bedarf an altersmedizinischer betreuung. Weil ältere Menschen häufig sehr komplex erkrankt sind, benötigen sie eine spezielle medizinische Versorgung. dabei kommt eine gute Vernetzung zwischen niedergelassenem Arzt, Krankenhaus, rehabilitationseinrichtung, Pflegedienst, ambulantem therapieangebot bis hin zum sanitätshaus dem Patienten zugute. um einen beitrag zu einer qualitativ hochwertigen und sektorenübergreifenden Versorgung älterer Patient(inn)en zu leisten, hat die Klinik für geriatrie des st. Marien-Hospitals Hamm gemeinsam mit den einrichtungen der dreifaltigkeits-Hospital ggmbH Lippstadt und der Katholischen st.-Johannes-gesellschaft dortmund den geriatrischen Versorgungsverbund Westfalen gegründet. im Juni werden sich die Akteure des Verbunds zu erfahrungs-Workshops treffen. Aus der lokalen betrachtung heraus soll die inhaltliche gestaltung einer strukturierten 11 aktuell Zusammenarbeit weiterentwickelt werden. die gründung von lokalen runden tischen ist in Planung. unter www.geriatrie-westfalen.de finden sie neben weiteren informationen die aktuelle Mitgliederliste des Verbundes. die erarbeiteten Lösungsansätze werden dann am 22. september 2015 auf dem nächsten demografiegipfel der bundesreBM gierung vorgestellt. 3 Bundesregierung will Demografie- 3 PEO-Rahmenvertrag: Sonder- politik weiterentwickeln Wohlstand und Lebensqualität für die Menschen aller generationen sichern – so lautet das zentrale Ziel der grundsätze zur Weiterentwicklung der demografiepolitik, die bundesinnenminister thomas de Maizière vorgelegt und die das Kabinett im Januar beschlossen hat. in einem dialogprozess gemeinsam mit Vertreter(inne)n der Länder und Kommunen, der sozialpartner und Verbände, der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft soll die demografiestrategie weiterentwickelt werden. konditionen für kirchliche Häuser das institut für Qualitätsmessung und evaluation (iQMe) gmbH bietet kirchlichen Krankenhäusern bei der durchführung von Patientenbefragungen erneut günstige Konditionen. durch die Fortschreibung der rahmenvereinbarung mit den Krankenhausverbänden KKVd und deKV geht das Projekt Patientenbefragung mit PeO® in die nächste runde. der PeOFragebogen (Patients’ expert Opinion) findet bereits in zahlreichen kirchlichen Häusern Anwendung. red Mehr infos: www.iqme.de, Menüpunkt „Aktuelles“. NACHGEDACHT Birgit Zander Evangelische Pfarrerin und Krankenhausseelsorgerin im Ruhestand E-Mail: birgit. [email protected] Mit Petrus am Ufer des galiläischen Meeres Während einer Reise durch das Heilige Land erfuhr ich ein unvergesslich intensives Nacherleben der biblischen Geschichten – ihrer Orte und Akteure –, das ich Ihnen hier passend zur Osterzeit schildern möchte: Wir Reisenden waren am See Genezareth angekommen. Wegen seiner Größe wird er auch das galiläische Meer genannt. Eingebettet zwischen Hügeln und Bergen kann dieser See idyllisch im Sonnenschein schimmern. Ein anderes Mal werden Wellen darübergepeitscht, und Stürme wühlen das Wasser auf. Wir hatten das Glück, einen wunderschönen Nachmittag mit Sonnenschein dort zu verbringen. Zunächst stärkten wir uns am Peterfisch, der frisch aus dem See stammte. Danach sind wir mit einem Boot auf dem See gefahren. Wir konnten uns Jesus und seinen Jüngern nahe fühlen. Einige von ihnen waren Fischer. Wer erinnert sich nicht an Petrus, der seine Netze auswarf: zuerst nach den Fischen, später nach den Menschen. Petrus, der in Jesus den Messias erkannt hat. Petrus, auf dessen Felsen Jesus seine Kirche bauen wollte. Petrus wollte immer für ihn einstehen – auch unter den größten Schwierigkeiten. Er 12 hat dennoch bei der Verhaftung Jesu jämmerlich versagt: Bis der Hahn krähte, hat er ihn dreimal verleugnet. Und doch hat der Auferstandene gerade diesen Petrus erwählt, um seine Kirche auf ihn zu bauen. Er ist ihm erschienen, als der Auferstandene, am See Genezareth. Dreimal hat er Petrus gefragt, ob er ihn liebhätte. Petrus wurde schon traurig, weil Jesus ihm eindringlich wieder und wieder dieselbe Frage stellte. Und Jesus berief seinen Jünger von neuem: „Weide meine Lämmer.“ Das heißt: „Lebe in meiner Nachfolge. Gib Gottes Wort weiter. Lass die Menschen teilhaben an der Botschaft von der Auferstehung – an der Botschaft von Ostern.“ Petrus, der Fischer vom See Genezareth. An ihn haben wir uns erinnert. Sein Lebenswerk ist weitergegangen. Vom See Genezareth bis hinein in alle Welt. Damit die Menschen erfahren, was Jesus für uns getan hat – in der Einheit mit dem himmlischen Vater. Er hat sein Volk Israel geführt. Er wird auch über uns schützend die Hand halten. Das ist der Glaube, der uns in den biblischen Schriften verkündigt wird. Im Heiligen Land, diesseits und jenseits des Jordans, durften wir das auf besonders intensive Weise wieder erfahren. Ihre Birgit Zander KKVD – aktuell 1 • März 2015
© Copyright 2024 ExpyDoc