Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg HEINRICH POMPEY Was trägt uns? Was nützt den Kindern? Biblische Impulse zur Qualifizierung des Bildungs- und Erziehungsauftrages in katholischen Kindertageseinrichtungen Originalbeitrag erschienen in: Regenbogen: Informationen und Impulse für Kindertageseinrichtungen im Bistum Trier 34 (2004), H. 2, S. 16-18 Forum A 16 Was trägt uns? Was nützt den Kindern? Biblische Impulse zur Qualifizierung des Bildungs- und Erziehungsauftrages in katholischen Kindertageseinrichtungen Prof. Dr. Heinrich Pompey, Uni Freiburg Die biblisch-theologischen Darlegungen dieses Vortrags versuchen auf heutige Herausforderungen einer qualifizierten kirchlichen Kindergartendiakonie eine Antwort zu finden. Warum soll eine Kirchengemeinde eine Kindertagesstätte bzw. einen Kindergarten unterhalten? Als Werkzeug des gelingenden Lebens der Menschen untereinander und mit Gott gehört es folglich zu den Aufgaben der Kirche, die Menschen beziehungsfähig bzw. gemeinschaftsfähig zu machen. So dient der kirchliche Kindergarten als Teilelement der Gemeinde der sozialen Qualifizierung des gesamten Lebensraumes der Menschen. Warum benötigt eine kommunale Gemeinde qualifizierte Kindergärten? Kindergärten sind Elemente, Faktoren, Bausteine der sozialen Qualität eines Lebensraumes. Beziehungskompetenz wird in der Familie, unterstützt durch ent- sprechende qualifizierte Kindertagesstätten, vermittelt. "Wirk"-lichkeiten, sondern stellen eine vermischte Realität dar. Vereinfacht gesagt, das "Was-getan-wird" bestimmen vorrangig Kinderpädagogik, doch das "Wie-es-getan-wird" hängt von unseren humanen Leitvorgaben ab. Wie definiert sich die christlich-sozial geprägte Lebensqualität? Christlich-sozial geprägte Lebensqualität nimmt nicht nur Maß am Menschen, so wie es die Fachwissenschaften z.B. Psychologie, Pädagogik usw. tun, sondern nimmt darüber hinaus Maß an Gott, d.h. an seinen Beziehungsqualitäten. Die humane Emanzipation des Menschen erfährt durch die christlichen Optionen einer Emanzipation eine Verstärkung. Was sind christlich-humane Qualitätsvorgaben, die als "Wie-Elemente" in das QM"'"unar zu integrieren sind? Aus der christlich-biblischen Lebenswissensüberlieferung seien einige Aspekte benannt, die die Beziehungsqualität bestimmen. Wie soll das geschehen? So sind die Qualitätsziele, die wir erreichen möchten, geprägt von den Leitvorgaben Jesu, die über die fachpädagogischen Erfordernissen hinaus, die menschliche Qualität der Organisationsund Handlungsabläufe prägen. Die fachlich-pädagogischen Qualitätsziele und die christlich-humanen Ziele der Kinderpädagogik sind nicht zwei getrennte 1. Kirche kann ihre Sendung nicht anders verstehen als Jesus seine Sendung verstand: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es erfüllt haben!" (Joh 10,10). Ein erfülltes Leben zu haben bedeutet, in Würde, Liebe, Geborgenheit und Sicherheit gefördert zu werden, damit das Leben des Kindes und der Familie gelingt. Für die Kirche in der Nachfolge Jeus ist diese Lebens- feg% 17 Forum A diakonie eine zentrale Bestimmungsgröße, insbesondere in der Entwicklung der Kinder = Lebensdiakonie 2. Jesus operationalisiert dieses Qualitätsziel kurz — als er gefragt wurde, wie denn das ewige Leben zu gewinnen sei: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft und mit ganzer Vernunft". "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (Luk 10,2528). Geschaffen nach dem Bilde Gottes wird der Mensch durch die Entfaltung seiner Liebesfähigkeit Gott immer ähnlicher; denn Gott ist die Liebe (1 Joh 4,78) = Entfaltung einer liebenden Beziehung des Kindes zu Gott, zu den Mitmenschen und zu sich selbst ist Ziel christlicher Lebensdiakonie. 3. "Wie ich Euch geliebt habe, so sollt auch Ihr einander lieben" (Joh 13,34b). So muss die Kirche und jeder Christ sich wie Christus als Caritas Gottes in die Welt inkarnieren. Nicht nur einzelne Lebensbeziehungen sondern Lebensräume der gegenseitigen Annahme und Liebe sind in unseren Gemeinden, Einrichtungen, Diensten und durch unsere Gemeinschaften zu eröffnen, die eine heilende, helfende Ausrichtung haben, d.h. Liebe, Güte u. Menschenfreundlichkeit unseres Gottes kundtuen (Kol. 3,12). Nicht von Liebe reden sondern Liebe tun, das schließt die Eingliederung in eine caritative Koinonia/ Communio/Gemeinschaft (z. B. eines Kindergartens, einer Gemeinde usw.) ein Erzieherinnen wie Kinder sollen sich caritativ von Jesus inspirieren lassen. Kindergärten wie Kindertagesstätten sollten Orte einer Zivilisation der Liebe sein. 4. Aus der Würde und der GottEbenbildlichkeit des Menschen ergibt sich, dass er wie Gott sich selbst bestimmen und damit selbstverantwortlich handeln darf. Er ist nicht Objekt sondern Subjekt des Handelns. Dem entsprechend ist das Kind zu fördern und sind die Eltern zu behandeln, damit sie selbst die Verantwortung für ihr Leben und das der Mitmenschen übernehmen = Verantwortung für das Gelingen von Leben erlernen und praktizieren (d. h. z. B. die Balance zwischen "dem Wohl der gesamten Lebensgemeinschaft' und 'Wohl des einzelnen" zu lernen). Kindertagesstätten sollten Orte einer Zivilisation der Liebe sein. 5. „Die Liebe Christi drängt uns" (2. Kor. 5,14). Paulus macht deutlich: Wenn die Kirche bzw. der einzelne Christ „noch SO viel Geld, ja die ganze Habe Armen geben würde, und hätten aber die Liebe nicht, so nützt dies nichts" (vgl. 1. Kor. 13,3), wenn wir pädagogisch noch so gut wären, hätten aber die Liebe nicht, dann nützt dies nichts im Blick auf ein ganzheitlich gelingendes Leben Die Liebe gibt jeder pädagogischen Methode ihre spezifische Qualität und bestimmt die Effizienz einer pädagogischen Handlung. (d. h. erfasst sein von der Liebe Gottes und aus dieser Liebe handeln). 6. "Denn in Christus Jesus kommt es darauf an, ... den Glauben zu haben, der in der Liebe wirksam ist" (Gal 5,6). Liebe ist gelebter Glaube. Lebensdiakonie heißt auch Glaubensdiakonie und zwar den Glauben an das Gutsein und das Gelingen des Lebens trotz aller Probleme und Schwierigkeiten durch unser konkretes Helfen praktisch zum Ausdruck zu bringen = Trotz allem an das Gutsein des Lebens glauben, in hoffnungslosen Situationen zu hoffen und in lieblosen Lebenslagen liebevoll zu handeln, damit das Lebensurvertrauen nicht zerbricht 7. Die Liebe findet in den Gleichnissen zur Barmherzigkeit ihre konkrete Beschreibung (vgl. den Barmherzigen Samariter, Lk. 10,20-37). Christus sagt: Geht und tut das Gleiche" (ebd.). Barmherzigkeit ist eine besondere Ausdrucksweise des Glaubens und der Liebe. In den Werken der leiblichen und geistigen Barmherzigkeit findet die caritative Diakonie ihren konkreten Ausdruck (z. B. Trauernde trösten, Lästige geduldig er- tr% Forum A - tragen etc. sind christliche Optionen insbesondere auch in der Kinderpädagogik) = Die Werke der Barmherzigkeit beschreiben konkret die wichtigsten Optionen der liebevollen Zuwendung zu den Schwächsten (Didaktisch geht es nicht nur darum, dieses Gleichnis kennenzulernen, sondern in der konkreten Beziehung der Erzieherinnen zu Kindern, zu Kollegen etc. als Beziehungs-Kultur zu entfalten). Nach den Werken der Barmherzigkeit wird am Ende unser Glaube bemessen. „Was ihr dem Geringsten getan habt, habt ihr mir getan" (Mt 25,31-46). An den Früchten wird man uns und wird Christus uns erkennen (Mt 7,16), so Jesus in der Gerichtsrede (Mt 25,31-46). "Darum lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer." (Mt 9,13). Die Liebe ist das Gesicht des Glaubens. Die Kultivierung des Glaubens, d. h. der Gottesliebe, z. B. durch Gottesdienste, ist eine qualifizierende Voraussetzung gelebter Barmherzigkeit, d. h. des Menschen-Dienstes. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Gottesdienst und Nächstendienst. Damit in späteren Lebensjahren die Beziehung zum Nächsten positiv gelebt wird, setzt sie die Kultivierung (Kult) der Gottesbeziehung voraus. 8. "Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig, sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf, sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, läßt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach, sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit, sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand" (1 Kor 13,4-7) = Wie die Werke der Barmherzigkeit konkretisiert die "Magna carta Caritatis" das caritative Erziehen und Helfen. 9. "Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern" (Mt 28,19). Er will allen das Reich Gottes, die Herrschaft der Liebe und des Guten erfahrbar machen, d. h. missionarisch sein, darum kann er sein Helfen und seine Verkündigung nicht eingrenzen = Die Lebenswelt der Menschen caritativ zu verändern und ZU qualifizieren ist auch Aufgabe einer Kindertagesstätte der Kirche. Für diese christliche Qualitätskultur, für die christo-logische Prägung der Kindertagesstätten, i.S. von „fides qua creditur", haben die Träger, die Ge- 18 meinden und ihr Management die Verantwortung. Prof. Heinrich Pompey Literatur: Pompey, H. (Hrsg.), Caritas — Das menschliche Gesicht des Glaubens: Ökumenische und intemationaleAnstöße einer Diakonietheologie, Würzburg 1997. Pompey, H. (Hrsg.), Caritas im Spannungsfeld von Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit, Würzburg 1997 Was trägt uns? Was nützt den Kindern? - diese Fragen lockten rund 8U Teilnehmerinnen und Teilnehirier der FäChtäöung in das Forum A, in dem Prof. Pompey, Lehrstuhlinhaber für Caritaswissenschaft an der Universität Freiburg, biblische Impulse zur Qualifizierung des Bildungsauftrages vorstellte. In einem anregungsreichen Vortrag, der durch viele praktische Beispiele und Alltagsbezüge seine Lebendigkeit erhielt , formationen un edageseinricht Nr. 34. 212004 ji / Abteilung Kindertageseinrichtungen des Caritasverbandes für die Diözese Trier
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