AZ Freiamt, vom: Dienstag, 24. März 2015

FREIAMT 25
AARGAUER ZEITUNG
DIENSTAG, 24. MÄRZ 2015
Heinrüti-Rank wird zum Weinrüti-Rank
Widen Unterhalb der Heinrüti-Rank-Terrasse haben die Bauarbeiten für einen neuen Rebberg begonnen
VON HANS RECHSTEINER
Von 1865 bis 1885 zerstörte die gefürchtete Reblaus in Europa so alles, was Rebe hiess. Auch in unserer Region gingen alle Rebhänge kaputt. Erst die Aufpfropfungen von Edelreben auf amerikanisches Holz brachten den Neuanfang. Jetzt wird sogar Widen wieder zur
Weinbaugemeinde. Idealisten bauen an
allerbester Lage einen Rebberg.
Die erst vor sechs Monaten gegründete Genossenschaft Weingarten baut
am Steilhang oberhalb des Strässchens
zur Hinteren Heinrüti 2100 rote und
300 weisse Reben an. Die neue Anlage
ist möglich geworden durch einen
Land- und Pachtabtausch zwischen der
Genossenschaft, die aus zehn Personen
besteht und der Familie Ernst vom Gyrenweiher. Ernst erhält im Gegenzug
auf Gemeindegebiet Bellikon ein flacheres, besser für die Landwirtschaft geeignetes Grundstück. Der am 15. September 2014 gegründeten Genossenschaft steht der Landwirt Ivan Allaz als
Präsident vor. Rita Ferroli hat beim
kantonalen Rebbaukommissär Peter
Rey den Rebbaukurs absolviert. Rey
prüfte das Vorhaben in Widen auch auf
die Tauglichkeit und steht mit Rat zur
Verfügung. Die «Weinrütiränkler» sind
alles Idealisten.
Ein ideal steiler Hang
Vor Tagen hat der schweizweit gefragte Rebbergbauer Ernst Gasser aus
Die Kerngruppe der «Weinrütiränkler» freut sich auf ihren eigenen Wein: Ivan Allaz, Rebbauer Ernst Gasser, Nancy Brunmayr,
Romain Allaz, Beatrice Köchli, Rita Ferroli, von links.
HANS RECHSTEINER
gauer. Die rote Rebsorte (auch Salomé)
ist eine interspezifische Neuzüchtung.
Der berühmte Anton Meier (1929–2012)
von der Rebschule Sternen Würenlingen brachte in den 1970er-Jahren die
Kreuzung der Hybride zustande. Siramé erbringt eher neutrale Rotweine
vor allem für den Verschnitt. Diese Sorte wird bisher in der Schweiz nur von
einem einzigen Produzenten angebaut:
Dani Müller in Grüningen ZH. Beide
Sorten zeigen ideale Merkmale, die sie
für diesen stark besonnten Standort
prädestinieren. Beide sind früh im Jahr
reif, haben eine hohe Pilzresistenz gegen den Echten und Falschen Mehltau
und gegen Botrytis cinerea. Der Johanniter ist eine 1968 gezüchtete ebenso
pilzwiderstandsfähige Weissweinsorte.
Diese Weine sind kräftig, fruchtig und
haben Ähnlichkeiten mit Riesling und
Ruländer. In der Schweiz werden nur
16 Hektaren davon angebaut. Angepflanzt wird der neue Rebberg in Widen Ende April anfangs Mai: 2100 rote
Rebstöcke jetzt, 300 weisse 2016.
Erster Wein in drei Jahren
dem Blauburgunderland Schaffhausen
den künftigen Rebberg umgegraben.
Auf einem Areal von 60 Aren entstehen
56 vertikal gesetzte Rebreihen, auf
Draht gezogen. Eine Querterrassierung
würde eine Baubewilligung verlangen.
Der Hang selber hat Neigungen zwischen 42° an der steilsten Stelle und 25°
vorne an der Mutschellenstrasse. In
diesem Bereich darf ein einfaches Rebhüttli erstellt werden. Aufgrund der
Grösse des ganzen Rebberges sind dafür nur zwölf Quadratmeter erlaubt,
das reicht für die wichtigsten Geräte.
Das Wichtigste sind die angepflanzten Traubensorten. Es sind zwei eher
unbekannte Rotweine: Maréchal Foch,
Siramé und weiss der Johanniter. Maré-
chal Foch wurde zu Beginn des 20.
Jahrhunderts durch den französischen
Züchter Eugène Kuhlmann (1858–1932)
im Elsass gezüchtet und zu Ehren von
Ferdinand Foch benannt. Je nach Ausbau entsteht ein kräftiger Wein mit
leichtem Fox-Ton. In der Schweiz sind
etwa 12,6 Hektaren damit bestockt.
Siramé anderseits ist ein echter Aar-
Für die Kelterung und den Ausbau
haben die «Weinrütiränkler» den richtigen Fachmann gefunden. Es ist Kellermeister Jürg Wetzel in Ennetbaden. Bis
allerdings auf und mit dem neuen
Tropfen angestossen werden kann,
werden nach Lehrbuch drei Jahre mit
viel Arbeit, Hoffen und Bangen ins
Land gehen.
Papsttreue Männer feiern
mit Pauken und Trompeten
Villmergen Die Aargauer Vereinigung der Ex-Schweizergardisten
wird 50 Jahre alt.
VON JÖRG BAUMANN
ZVG
Kantischüler helfen
Dorf in Afrika
Wohlen 23 Schüler der Kanti
erarbeiten im Projektunterricht ein Hilfsprojekt zur Ernährungssicherheit in Malawi.
VON MALTE AEBERLI
Mawuyanazo Zgambo ist ein abgelegenes Dorf im Norden von Malawi.
500 Menschen leben dort. Die Ernte
reicht meist nicht über die Regenzeit
hinweg. So entsteht eine Versorgungslücke von rund 5 Monaten. Die Bewohner sind arm und leiden an Hunger.
Die Schüler der Kanti Wohlen wollen
ihnen helfen: Unter der Leitung von
Russischlehrerin Sylvia Jasseng und in
Zusammenarbeit mit der International
Project Aid erarbeitet die Schülergruppe «Entwicklungszusammenarbeit» ein
Hilfsprojekt: Die Bewohner von Mawuyanazo Zgambo sollen lernen, den
Boden richtig zu bewirtschaften. Zudem sollen Arbeitsmaterialen finanziert
werden, damit weitere Felder beackert
werden können. Der Aspekt der Nachhaltigkeit spiele dabei eine zentrale Rolle, teilen die Schüler mit. Durch den
biologischen Gemüseanbau entstehen
neben einer Nahrungsquelle auch zu-
sätzliche Arbeitsplätze. Ein Teil der Einnahmen könne so in weitere Projekte
investiert werden. So profitiert das gesamte Dorf. Weitere Zuwendungen seien dann nicht mehr notwendig, da das
Projekt dadurch selbsttragend werde.
Viel Arbeit in der Freizeit
Die Planung und Finanzierung des
Vorhabens besteht aus vielen verschiednen Arbeiten, die in der Gruppe
erledigt werden. Für vieles reicht die
Schulzeit allerdings nicht. Deshalb engagieren sich die Jugendlichen auch in
ihrer Freizeit für das Projekt. Finanziert wird das Projekt einerseits durch
Spenden von Privatpersonen, Firmen
und Vereinen und andererseits planen
die Schüler diverse Kleinevents: Dazu
gehören Rosen- und Kuchenverkäufe in
Muri, Villmergen, Wohlen, Bremgarten
und Sins; zusätzlich wird an einem
Frühlingstag an der Kanti grilliert.
Damit die Gelder richtig investiert
werden, stehen die Schüler in regem
Austausch mit einer Kontaktperson vor
Ort. Zudem reist Pietro Tomasini immer wieder nach Malawi, um die Entwicklung des Projekts zu überprüfen.
Das nächste Mal besucht er die Bauern
von Mawuyanazo Zgambo im Juli, um
sie über die Umsetzung zu informieren.
Einzige Frau im Männerbund
«Wir legen uns für das Jubiläum der ExGardisten mächtig ins Zeug. Wir sind seit
mehr als einem Jahr mit den Vorbereitungen für das Fest beschäftigt», sagt die Claudia Keller-Schmidli, Vizepräsidentin der
katholischen Kirchenpflege Villmergen
und unter lauter Männern die einzige Frau
im Organisationskomitee, das die Jubiläumsfeier gestaltet. «Die Vereinigung der
Ex-Gardisten hat mich als erste Frau in ihren Reihen aufgenommen, ohne dass mein
Mann in der Schweizer Garde gedient hat.»
Wie kam es dazu? «Ich schenkte den ExGardisten vor Jahren neue Gurtschnallen,
weil die alten abgenützt waren. Das hat
den Männern so viel Eindruck gemacht,
dass sie mir die Mitgliedschaft anboten.
Diese habe ich gerne angenommen.»
«Wir sind seit mehr
als einem Jahr mit
den Vorbereitungen
beschäftigt.»
Claudia Keller die Frau im OK
Krönungsmesse wird aufgeführt
Der Villmerger Kirchenmusiker Stephan
Kreutz wartet mit einer Orgelkomposition
auf, die er in die Form einer Fanfare umgeschrieben hat. Der verstärkte Cäcilienchor
Villmergen führt zusammen mit einem Orchester und Solisten die Krönungsmesse
von Wolfgang Amadeus Mozart auf. Delegationen der Schweizer Garde wird man in
der Pfarrkirche in grösserer Zahl antreffen.
Sie kommen mit der Zentralfahne nach Villmergen und versehen den Verstelldienst,
der in der Garde eine lange Tradition hat.
Alle Besucher des Gottesdienstes sind nachher zum Apéro eingeladen. Die geladenen
Gäste stärken sich bei einem italienischen
Mittagessen, das von einem mit den Gardefarben Blau, Gold und Rot und kleinen Hellebarden geschmückten Dessert gekrönt
wird. Im Kochteam ist Urs Keller dabei.
«Mein Ehemann», verrät Claudia KellerSchmidli. «Er ist von Beruf Koch.»
«Ich gehörte vor
fünfzig Jahren zu
den Gründern der
Vereinigung.»
Josef Fischer Ex-Gardist
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Die Bauern in Mawuyanazo Zgambo erhalten Entwicklungshilfe aus Wohlen
Die Kirchenglocken läuten in Villmergen am
Sonntag, 31. Mai, besonders laut. Denn in
Villmergen feiert die Aargauer Vereinigung
der ehemaligen päpstlichen Schweizer Gardisten den 50. Geburtstag. «Ich freue mich
besonders auf diesen Tag», sagt der Ex-Gardist und ehemalige Gemeindepolizist Josef
Fischer (90) aus Wohlen. «Ich gehörte vor
fünfzig Jahren zu den Gründern unserer Vereinigung. Die erste Versammlung fand im
Restaurant Bären in Wohlen statt.»
Die Gästeschar am Jubiläumsfest ist
handverlesen: Kein Regierungsrat ist dabei, dafür der emeritierte Weihbischof und
Ehrendomherr Martin Gächter, der mit
den Ex-Gardisten, ihren Ehefrauen und
weiteren geistlichen und weltlichen Gästen
das Pontifikalamt feiern wird. Das Seelsorgeteam aus Villmergen wird neben Vertretern der Landeskirche, der Kirchenpflege
und dem Gemeinderat mit Pfarrer Paul
Schuler und dem Jugendseelsorger und Vikar Hanspeter Menz vertreten sein. Dazu
gesellt sich Pfarrer Daniel Bühlmann aus
Oberbürgen, der seine Sporen in Villmergen als Pastoralassistent abverdient hat.
ERINNERUNG
Ein Boswiler begegnete Papst Pius XII.
D
as Jubiläumsfest weckt in Josef
Fischer, einem Boswiler, schöne, alte Erinnerungen. «Ich
diente von 1947 bis Ende 1949 unter
Papst Pius XII. und dem Kommandanten Heinrich Pfyffer von Altishofen in
der Schweizer Garde», erzählt er. «Das
war eine schöne Zeit. Einmal durfte
ich mit dem Papst sogar ein Gespräch
führen. Er fragte mich nach den Lateranverträgen, die zur Gründung des
Vatikanstaates führten. Ich wusste
darüber bestens Bescheid.» Der ExGardist Alois Baeriswyl (1899–1985)
brachte Fischer dazu, in die Garde einzutreten. Baeriswyl wohnte damals
wie Fischer in Boswil und war Schulhausabwart. Von der Schweizer Garde
aus gelangte Fischer zum Schweizer
Zoll und schliesslich nach Wohlen zur
Gemeindepolizei, wo er als erster Polizist ein eigenes Dienstauto und ein
Funkgerät ausgehändigt erhielt. Der
Ex-Gardist ist ein ausgezeichneter Kenner von Rom. Sollte er einmal nicht
mehr weiter wissen, was nicht vorkommen dürfte, dann würde ihm ein
alter Baedeker-Reiseführer aus dem
Jahr 1933 weiterhelfen. Mit seinen Gardistenkollegen, unter denen Fischer
der älteste ist, hält er regelmässigen
Kontakt. Die Zeit in Rom hat bei ihm
tiefe Spuren hinterlassen. (BA)