32 Blick aktuell - Sinzig Nr. 16/2015 Redaktionsgespräch mit Landrat Dr. Jürgen Pföhler: „Der Kreis bietet für alle Generationen eine hohe Wohn- und Lebensqualität“ BLICK aktuell: „Herr Dr. Pföhler, erzählen Sie uns zunächst etwas über sich, Ihren persönlichen Werdegang, Ihre Familie und Ihre Freizeit. Wie kann man den Menschen Jürgen Pföhler charakterisieren?“ Landrat Dr. Pföhler: Jeder der mich kennt weiß, dass ich ein bodenständiger Typ bin, der gerne arbeitet. Ich bin 56 Jahre alt, in Prüm aufgewachsen und zur Schule gegangen, mittlerweile im Kreis Ahrweiler fest verwurzelt und seit 15 Jahren mit ganzem Herzen Landrat. Meine Ehefrau Andrea kommt ebenfalls aus der Eifel. Unser 16-jähriger Sohn Hendrik geht noch zur Schule. Zu unserer Familie gehören auch zwei Katzen und ein Hund. Meine Familie steht voll hinter mir, sonst könnte ich mein Amt mit den vielen Terminen, häufig auch am Wochenende, so nicht ausüben. Die wenige gemeinsame Zeit nutzen wir deshalb umso intensiver. BLICK aktuell: „Sie wohnen mit Ihrer Familie seit 15 Jahren im Kreis Ahrweiler. Wie sind Sie hier aufgenommen worden und was gefällt Ihnen besonders?“ Landrat Dr. Pföhler: Als meine Frau und ich damals mit unserem Baby von Bonn nach Ahrweiler umgezogen sind, hatten wir uns riesig gefreut. Wir wurden herzlich und mit offenen Armen aufgenommen. Bis heute haben wir unsere Entscheidung nie bereut. Der Kreis ist unsere Heimat geworden. Hier sind unsere Freunde, hier haben wir endgültig Wurzeln geschlagen. BLICK aktuell: „Als Chef der Kreisverwaltung hat man ein großes Unternehmen zu führen. Wo haben Sie Ihre Führungs- und Verwaltungs-Erfahrungen sammeln können?“ Landrat Dr. Pföhler: Einer großen Verwaltungsbehörde vorzustehen bedeutet, sich tagtäglich mit komplizierten Verwaltungsentscheidungen und rechtlichen Regelungen auseinander setzen zu müssen. Dabei kommt mir meine langjährige Erfahrung in den Obersten Bundesbehörden in Bonn zugute. Ich habe vor meinem Amt als Landrat in der Grundsatzabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums und in verschiedenen Leitungsfunktionen im Ministerium für Forschung und Technologie sowie im Verkehrsministerium gearbeitet. Besonders hilft mir bei meiner Aufgabenerfüllung meine Ausbildung als Jurist und Verwaltungsfachmann. Aber Erfolge in Verwaltung und Politik sind immer das Ergebnis einer Gemeinschaftsleistung von vielen. Gemeinsam mit den Kreisgremien, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meiner Verwaltung, unseren Kommunen und Bürgermeistern sowie vielen engagierten Mitbürgerinnen und Mitbürgern konnte ich in den vergangenen 15 Jahren viele positive Entwicklungen anstoßen, mitgestalten und erfolgreich umsetzen. BLICK aktuell: „Wofür stehen Sie?“ Landrat Dr. Pföhler: Für eine vorausschauende Politik, welche die längerfristigen Entwicklungen des ganzen Kreises fest im Blick hat. An erster Stelle steht für mich, das „Wir-Gefühl“ zu stärken. Meine Hauptaufgabe sehe ich darin, die Menschen, die Städte und Gemeinden sowie den Kreis weiter zusammenzuführen. Deshalb muss ein engagierter Landrat auch bei den Bürgern sein. Vor Ort und im persönlichen Gespräch lässt sich vieles oft besser regeln. Das ist auch der Grund, warum ich beispielsweise aktuell an der Seite der Grafschafter gegen eine Mülldeponie in Leimersdorf kämpfe oder ich mich im Brohltal dafür stark mache, dass es auch in Zukunft einen wohnortnahen Bürgerservice in Bauangelegenheiten gibt. BLICK aktuell: „Sie sind seit über 15 Jahren ständig im Kreis unterwegs und kennen alle Regionen. Wo steht der Landkreis heute im Vergleich zu den übrigen Kreisen in Rheinland-Pfalz? Landrat Dr. Pföhler: Unser Kreis steht insgesamt sehr gut da. Dies höre ich auch immer wieder von meinen Landratskollegen. Mit unserem Schulbauprogramm oder etwa der Ehrenamtsund Vereinsförderung gehören wir zu den Vorreitern in Rheinland-Pfalz. Bei der Arbeitslosigkeit liegt der Kreis seit Jahren deutlich unter Landes- und Bundesdurchschnitt. Selbst im Vergleich zu Bonn und Rhein-Sieg stehen wir deutlich besser da. Aber die Welt bleibt bekanntlich nicht stehen. Deshalb müssen wir bereits heute Weichen für die Zukunft stellen. Das Leben in unseren Dörfern und Städten muss für alle Generationen und Bevölkerungsgruppen attraktiv bleiben. Besonders liegt mir dabei am Herzen, dass wir im gesamten Kreisgebiet gleichwertige Lebensverhältnisse haben, insbesondere auch im ländlichen Raum. BLICK aktuell: „Der Kreis Ahrweiler lebt von einer breit aufgestellten mittelständischen UnternehmensStruktur. Wie sehen Sie den Wirtschaftsstandort Kreis Ahrweiler? Wie können wir hier im ländlichen Raum dem Fachkräftemangel entgegentreten?“ Landrat Dr. Pföhler: Der Kreis Ahrweiler ist ein hoch attraktiver Wirtschaftsstandort. Deshalb ist es gelungen, auch international bekannte Unternehmen wie HARIBO anzusiedeln. Die niedrige Arbeitslosigkeit ist in erster Linie das Verdienst unserer mittelständischen Betriebe. Wir müssen alles daran setzen, unsere kleineren und mittleren Unternehmen nach besten Kräften zu unterstützen. Deshalb ist in der Kreisverwaltung Wirtschaftsförderung „Chefsache“. Zusammen mit der IHK, der Handwerkskammer, der Kreishandwerkerschaft und vielen Betrieben bauen wir eine überregionale Werbeplattform auf, mit der wir gezielt auf unsere Region und die hervorragenden Arbeits- und Lebensbedingungen für Fachkräfte aufmerksam machen. Aber auch für Existenzgründer und Firmennachfolger bieten wir gezielte Unterstützung an. BLICK aktuell: „Wie beurteilen Sie die Infrastruktur bezüglich Straßen und Internet-Anbindungen? Welche Maßnahmen sind in den kommenden Jahren geplant?“ Landrat Dr. Pföhler: Eine gute Infra- struktur ist für die positive Weiterentwicklung unseres Flächenkreises unverzichtbar. Das gilt für Straßen und den ÖPNV gleichermaßen. In unser Kreisstraßennetz haben wir in den vergangenen Jahren rund 25 Millionen Euro investiert. Auch künftig werden wir jährlich kräftig investieren müssen, um unser über 230 Kilometer langes Kreisstraßennetz in einem guten Zustand zu halten. Gleiches gilt für den ÖPNV mit dem Schülerverkehr und den Verkehrsverbünden. Aber natürlich gibt es noch Baustellen. So setze auch ich mich für den Lückenschluss der Eifelautobahn A1 oder die Ortsumgehung B266 Lohrsdorf/ Ahrquerung ein. Der Schienenverkehr an Rhein und Ahr bedarf erheblicher Verbesserungen. Dazu zählen ganz vordringlich barrierefreie Bahnsteige und Bahnhöfe, ein durchgängiger Lärmschutz an der Rheinstrecke und pünktliche Züge. Hier müssen wir über den Zweckverband SPNV-Nord weiter politischen Druck machen. Zur Mobilität und Infrastruktur zählt auch das Internet. Eine gute Netzanbindung ist für alle geradezu existenziell. Es gilt, jetzt die Versorgung mit schnellem Internet in jedem Ort zu gewährleisten. Hier sind wir zusammen mit unseren Kommunen auf einem guten Weg. Wir sind gerade dabei, 42 Ortsgemeinden in den Verbandsgemeinden Adenau und Altenahr mit Glasfaser-Internet zu versorgen. BLICK aktuell: „Wie sehen die KreisFinanzen aus? Haben Sie überhaupt noch finanzielle Spielräume für freiwillige Investitionen?“ Landrat Dr. Pföhler: Unser 170-Millionen-Euro-Kreishaushalt ist ausgeglichen. Das gelingt in diesem Jahr nur sechs von 24 Landkreisen in RheinlandPfalz. Allerdings haben wir nur noch ganz geringe Spielräume für freiwillige Ausgaben. Das bedeutet, dass wir weiter sehr verantwortungsvoll wirtschaften müssen. Dies ist auch ein Gebot der Gerechtigkeit gegenüber den nachfolgenden Generationen. Darüber hinaus brauchen wir dringend weitere finanzielle Entlastungen durch das Land und den Bund. 33 Blick aktuell - Sinzig Nr. 16/2015 BLICK aktuell: „Die Vereine und das Ehrenamt waren Ihnen in der Vergangenheit immer wichtig. Wie kann man in Zeiten leerer Kassen diese Bereiche weiter unterstützen und fördern?“ Landrat Dr. Pföhler: Das ehrenamtliche Engagement von tausenden unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger ist im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar. Sie fördern unsere Orte, das Miteinander und die Gemeinschaft. Dies halte ich besonders mit Blick auf die Jugend- und die Seniorenarbeit für wichtig. Deshalb habe ich bereits zu Beginn meiner Amtszeit die Initiative für die Ehrenamts- und Vereinsförderprogramme ergriffen. Für mich ist klar, dass wir diese Bereiche weiter finanziell unterstützen. Wichtig sind aber auch Informationsangebote für Vereine, Ehrungen oder große Dank-Veranstaltungen für die ehrenamtlich Aktiven. BLICK aktuell: „Sie wollen den Kreis in eine 100 Prozent ErneuerbareEnergie-Region entwickeln. Wie soll das geschehen? Wo können z.B. Windräder im Kreis aufgestellt werden?“ Landrat Dr. Pföhler: Die Verantwortung für den Schutz unserer Umwelt und natürlichen Lebensgrundlagen liegt bei jedem Einzelnen von uns. Nach meiner Überzeugung kann die Energiewende nicht einseitig von oben angeordnet werden. Sie muss von „unten“ mit den Bürgern aufgebaut und von der Bevölkerung getragen werden. Dabei kommt dem Kreis eine wichtige Rolle zu. Deshalb sind wir auf dem Weg, bis zum Jahr 2030 eine „100 Prozent Erneuerbare-Energie-Region“ zu werden. Beim Energiesparen, dem Nutzen von alternativen Heizformen und der Produktion von regenerativen Energien haben wir gute Fortschritte gemacht. Bilanziell erzeugen wir bereits ein Drittel unseres Strombedarfs mit unseren Photovoltaikanlagen selber. Eine flächendeckende „Verspargelung“ durch Windkraft wird es insbesondere wegen des Naturschutzes unserer wunderschönen Landschaften allerdings nicht geben. Wir haben sicherlich noch einen weiten Weg vor uns. Deshalb ist es wichtig, dass alle Akteure der Energiewende vernetzt werden und der Kreis in einem bundesweiten wissenschaftlichen Modellprojekt aufgezeigt bekommt, wie die Energiewende bei uns konkret umgesetzt werden kann. BLICK aktuell: „Die Menschen in der Eifel machen sich große Sorgen um den Wirtschaftsfaktor Nürburgring für die Region. Nach der Pleite des Rings fehlen jetzt die großen Veranstaltungen, wie das Rock-Festival oder die Formel 1. Wie kann die Region zukünftig vom Nürburgring profitieren?“ Landrat Dr. Pföhler: Der Wegfall von „Rock am Ring“ und der Formel 1 ist erneut ein schwerer Rückschlag. Aber für mich ist kaum vorstellbar, dass es am Nürburgring künftig keine solchen Großveranstaltungen mehr gibt, denn die Voraussetzungen hierfür sind am legendären Ring einmalig und die Begeisterung der Fans ist ungebrochen. Allerdings muss das jahrelange Hickhack beendet werden. Der Nürburgring braucht endlich positive Schlagzeilen und die Region braucht einen verlässlichen Ansprechpartner. BLICK aktuell: „In den vergangenen Jahren hat der Kreis erhebliche Mittel für Schulen und Kindertagesstätten aufgebracht. In welchem Zustand sehen Sie die Bildungsmöglichkeiten für die Jugend im Kreis?“ Landrat Dr. Pföhler: Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Deshalb hat der Kreis seit meinem Amtsantritt rund 180 Millionen Euro in unsere Schulen investiert. Wir können inzwischen sämtliche weiterführenden Schulformen anbieten. Auch bei den Kitas haben wir einen enormen Sprung nach vorne gemacht: Die Zahl der Ganztagsplätze wurde auf sage und schreibe über 1.750 erhöht. Für Kinder unter drei Jahren haben wir mehr als 1.000 neue Plätze errichtet und liegen damit über Landesdurchschnitt. Für mich steht fest, dass wir weiter in un- sere Schulen und eine gute Betreuung der Kinder investieren müssen. Dabei dürfen jedoch die Bedürfnisse unserer älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht zu kurz kommen. Die Generation 60+ ist mit ihrem hohen Wissen und ihrer Lebenserfahrung ein Gewinn für uns alle. BLICK aktuell: „Abschließend die Frage nach Ihren Zukunfts-Visionen für den Landkreis Ahrweiler. Wohin soll oder kann sich der Kreis in den nächsten Jahren unter Ihrer Leitung entwickeln?“ Landrat Dr. Pföhler: Unsere Zukunft zu gestalten ist eine Gemeinschaftsaufgabe, an der alle mitwirken müssen. Meine Vision ist, dass wir im Jahr 2030 die Chancen, die der demografische Wandel bietet, genutzt und die Energiewende geschafft haben. Unsere Infrastruktur ist seniorengerecht und eine wohnortnahe Gesundheits- und Ärzteversorgung auf dem Land gesichert. Der Kreis bietet für alle Generationen weiterhin eine hohe Wohn- und Lebensqualität im Einklang mit der Natur. Hierfür werde ich mich mit all meiner Erfahrung und Kraft einsetzen, damit unsere Heimat auch in Zukunft wirtschaftlich, sozial und ökologisch an der Spitze steht. Wir bedanken uns für das Gespräch! Chef-Redakteur Hermann Krupp im Redaktionsgespräch mit Landrat Dr. Jürgen Pföhler. Foto: C. Fiala
© Copyright 2024 ExpyDoc