Wochenzeitung, Ausgabe: Sinzig, vom: Mittwoch, 15. April 2015

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Blick aktuell - Sinzig Nr. 16/2015
Redaktionsgespräch mit Landrat Dr. Jürgen Pföhler:
„Der Kreis bietet für alle Generationen
eine hohe Wohn- und Lebensqualität“
BLICK aktuell: „Herr Dr. Pföhler, erzählen Sie uns zunächst etwas über
sich, Ihren persönlichen Werdegang, Ihre Familie und Ihre Freizeit.
Wie kann man den Menschen Jürgen Pföhler charakterisieren?“
Landrat Dr. Pföhler: Jeder der mich
kennt weiß, dass ich ein bodenständiger Typ bin, der gerne arbeitet. Ich bin
56 Jahre alt, in Prüm aufgewachsen
und zur Schule gegangen, mittlerweile im Kreis Ahrweiler fest verwurzelt
und seit 15 Jahren mit ganzem Herzen
Landrat. Meine Ehefrau Andrea kommt
ebenfalls aus der Eifel. Unser 16-jähriger Sohn Hendrik geht noch zur Schule. Zu unserer Familie gehören auch
zwei Katzen und ein Hund. Meine Familie steht voll hinter mir, sonst könnte
ich mein Amt mit den vielen Terminen,
häufig auch am Wochenende, so nicht
ausüben. Die wenige gemeinsame Zeit
nutzen wir deshalb umso intensiver.
BLICK aktuell: „Sie wohnen mit Ihrer Familie seit 15 Jahren im Kreis
Ahrweiler. Wie sind Sie hier aufgenommen worden und was gefällt
Ihnen besonders?“
Landrat Dr. Pföhler: Als meine Frau
und ich damals mit unserem Baby von
Bonn nach Ahrweiler umgezogen sind,
hatten wir uns riesig gefreut. Wir wurden herzlich und mit offenen Armen
aufgenommen. Bis heute haben wir
unsere Entscheidung nie bereut. Der
Kreis ist unsere Heimat geworden. Hier
sind unsere Freunde, hier haben wir
endgültig Wurzeln geschlagen.
BLICK aktuell: „Als Chef der Kreisverwaltung hat man ein großes
Unternehmen zu führen. Wo haben
Sie Ihre Führungs- und Verwaltungs-Erfahrungen sammeln können?“
Landrat Dr. Pföhler: Einer großen
Verwaltungsbehörde vorzustehen bedeutet, sich tagtäglich mit komplizierten Verwaltungsentscheidungen und
rechtlichen Regelungen auseinander
setzen zu müssen. Dabei kommt mir
meine langjährige Erfahrung in den
Obersten Bundesbehörden in Bonn
zugute. Ich habe vor meinem Amt als
Landrat in der Grundsatzabteilung des
Bundeswirtschaftsministeriums und in
verschiedenen Leitungsfunktionen im
Ministerium für Forschung und Technologie sowie im Verkehrsministerium gearbeitet. Besonders hilft mir bei meiner
Aufgabenerfüllung meine Ausbildung
als Jurist und Verwaltungsfachmann.
Aber Erfolge in Verwaltung und Politik
sind immer das Ergebnis einer Gemeinschaftsleistung von vielen. Gemeinsam
mit den Kreisgremien, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meiner Verwaltung, unseren Kommunen und Bürgermeistern sowie vielen engagierten
Mitbürgerinnen und Mitbürgern konnte ich in den vergangenen 15 Jahren
viele positive Entwicklungen anstoßen,
mitgestalten und erfolgreich umsetzen.
BLICK aktuell: „Wofür stehen Sie?“
Landrat Dr. Pföhler: Für eine vorausschauende Politik, welche die längerfristigen Entwicklungen des ganzen
Kreises fest im Blick hat. An erster Stelle steht für mich, das „Wir-Gefühl“ zu
stärken. Meine Hauptaufgabe sehe ich
darin, die Menschen, die Städte und
Gemeinden sowie den Kreis weiter
zusammenzuführen. Deshalb muss ein
engagierter Landrat auch bei den Bürgern sein. Vor Ort und im persönlichen
Gespräch lässt sich vieles oft besser regeln. Das ist auch der Grund, warum
ich beispielsweise aktuell an der Seite
der Grafschafter gegen eine Mülldeponie in Leimersdorf kämpfe oder ich
mich im Brohltal dafür stark mache,
dass es auch in Zukunft einen wohnortnahen Bürgerservice in Bauangelegenheiten gibt.
BLICK aktuell: „Sie sind seit über
15 Jahren ständig im Kreis unterwegs und kennen alle Regionen.
Wo steht der Landkreis heute im
Vergleich zu den übrigen Kreisen in
Rheinland-Pfalz?
Landrat Dr. Pföhler: Unser Kreis steht
insgesamt sehr gut da. Dies höre ich
auch immer wieder von meinen Landratskollegen. Mit unserem Schulbauprogramm oder etwa der Ehrenamtsund Vereinsförderung gehören wir zu
den Vorreitern in Rheinland-Pfalz. Bei
der Arbeitslosigkeit liegt der Kreis seit
Jahren deutlich unter Landes- und Bundesdurchschnitt. Selbst im Vergleich zu
Bonn und Rhein-Sieg stehen wir deutlich besser da. Aber die Welt bleibt bekanntlich nicht stehen. Deshalb müssen wir bereits heute Weichen für die
Zukunft stellen. Das Leben in unseren
Dörfern und Städten muss für alle Generationen und Bevölkerungsgruppen
attraktiv bleiben. Besonders liegt mir
dabei am Herzen, dass wir im gesamten Kreisgebiet gleichwertige Lebensverhältnisse haben, insbesondere auch
im ländlichen Raum.
BLICK aktuell: „Der Kreis Ahrweiler
lebt von einer breit aufgestellten
mittelständischen UnternehmensStruktur. Wie sehen Sie den Wirtschaftsstandort Kreis Ahrweiler?
Wie können wir hier im ländlichen
Raum dem Fachkräftemangel entgegentreten?“
Landrat Dr. Pföhler: Der Kreis Ahrweiler ist ein hoch attraktiver Wirtschaftsstandort. Deshalb ist es gelungen, auch international bekannte
Unternehmen wie HARIBO anzusiedeln. Die niedrige Arbeitslosigkeit ist in
erster Linie das Verdienst unserer mittelständischen Betriebe. Wir müssen alles daran setzen, unsere kleineren und
mittleren Unternehmen nach besten
Kräften zu unterstützen. Deshalb ist in
der Kreisverwaltung Wirtschaftsförderung „Chefsache“. Zusammen mit der
IHK, der Handwerkskammer, der Kreishandwerkerschaft und vielen Betrieben
bauen wir eine überregionale Werbeplattform auf, mit der wir gezielt auf
unsere Region und die hervorragenden
Arbeits- und Lebensbedingungen für
Fachkräfte aufmerksam machen. Aber
auch für Existenzgründer und Firmennachfolger bieten wir gezielte Unterstützung an.
BLICK aktuell: „Wie beurteilen Sie
die Infrastruktur bezüglich Straßen
und Internet-Anbindungen? Welche Maßnahmen sind in den kommenden Jahren geplant?“
Landrat Dr. Pföhler: Eine gute Infra-
struktur ist für die positive Weiterentwicklung unseres Flächenkreises unverzichtbar. Das gilt für Straßen und den
ÖPNV gleichermaßen. In unser Kreisstraßennetz haben wir in den vergangenen Jahren rund 25 Millionen Euro
investiert. Auch künftig werden wir
jährlich kräftig investieren müssen, um
unser über 230 Kilometer langes Kreisstraßennetz in einem guten Zustand zu
halten. Gleiches gilt für den ÖPNV mit
dem Schülerverkehr und den Verkehrsverbünden.
Aber natürlich gibt es noch Baustellen.
So setze auch ich mich für den Lückenschluss der Eifelautobahn A1 oder
die Ortsumgehung B266 Lohrsdorf/
Ahrquerung ein. Der Schienenverkehr
an Rhein und Ahr bedarf erheblicher
Verbesserungen. Dazu zählen ganz
vordringlich barrierefreie Bahnsteige und Bahnhöfe, ein durchgängiger
Lärmschutz an der Rheinstrecke und
pünktliche Züge. Hier müssen wir über
den Zweckverband SPNV-Nord weiter
politischen Druck machen.
Zur Mobilität und Infrastruktur zählt
auch das Internet. Eine gute Netzanbindung ist für alle geradezu existenziell. Es gilt, jetzt die Versorgung mit
schnellem Internet in jedem Ort zu gewährleisten. Hier sind wir zusammen
mit unseren Kommunen auf einem
guten Weg. Wir sind gerade dabei,
42 Ortsgemeinden in den Verbandsgemeinden Adenau und Altenahr mit
Glasfaser-Internet zu versorgen.
BLICK aktuell: „Wie sehen die KreisFinanzen aus? Haben Sie überhaupt noch finanzielle Spielräume
für freiwillige Investitionen?“
Landrat Dr. Pföhler: Unser 170-Millionen-Euro-Kreishaushalt ist ausgeglichen. Das gelingt in diesem Jahr nur
sechs von 24 Landkreisen in RheinlandPfalz. Allerdings haben wir nur noch
ganz geringe Spielräume für freiwillige Ausgaben. Das bedeutet, dass wir
weiter sehr verantwortungsvoll wirtschaften müssen. Dies ist auch ein Gebot der Gerechtigkeit gegenüber den
nachfolgenden Generationen. Darüber
hinaus brauchen wir dringend weitere finanzielle Entlastungen durch das
Land und den Bund.
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Blick aktuell - Sinzig Nr. 16/2015
BLICK aktuell: „Die Vereine und
das Ehrenamt waren Ihnen in der
Vergangenheit immer wichtig. Wie
kann man in Zeiten leerer Kassen
diese Bereiche weiter unterstützen
und fördern?“
Landrat Dr. Pföhler: Das ehrenamtliche Engagement von tausenden unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger
ist im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar. Sie fördern unsere Orte, das
Miteinander und die Gemeinschaft.
Dies halte ich besonders mit Blick auf
die Jugend- und die Seniorenarbeit für
wichtig. Deshalb habe ich bereits zu
Beginn meiner Amtszeit die Initiative
für die Ehrenamts- und Vereinsförderprogramme ergriffen. Für mich ist klar,
dass wir diese Bereiche weiter finanziell
unterstützen. Wichtig sind aber auch
Informationsangebote für Vereine, Ehrungen oder große Dank-Veranstaltungen für die ehrenamtlich Aktiven.
BLICK aktuell: „Sie wollen den Kreis
in eine 100 Prozent ErneuerbareEnergie-Region entwickeln. Wie
soll das geschehen? Wo können
z.B. Windräder im Kreis aufgestellt
werden?“
Landrat Dr. Pföhler: Die Verantwortung für den Schutz unserer Umwelt
und natürlichen Lebensgrundlagen
liegt bei jedem Einzelnen von uns.
Nach meiner Überzeugung kann die
Energiewende nicht einseitig von oben
angeordnet werden. Sie muss von „unten“ mit den Bürgern aufgebaut und
von der Bevölkerung getragen werden.
Dabei kommt dem Kreis eine wichtige Rolle zu. Deshalb sind wir auf dem
Weg, bis zum Jahr 2030 eine „100
Prozent Erneuerbare-Energie-Region“
zu werden. Beim Energiesparen, dem
Nutzen von alternativen Heizformen
und der Produktion von regenerativen
Energien haben wir gute Fortschritte
gemacht. Bilanziell erzeugen wir bereits ein Drittel unseres Strombedarfs
mit unseren Photovoltaikanlagen selber. Eine flächendeckende „Verspargelung“ durch Windkraft wird es insbesondere wegen des Naturschutzes
unserer wunderschönen Landschaften
allerdings nicht geben. Wir haben sicherlich noch einen weiten Weg vor
uns. Deshalb ist es wichtig, dass alle
Akteure der Energiewende vernetzt
werden und der Kreis in einem bundesweiten wissenschaftlichen Modellprojekt aufgezeigt bekommt, wie die
Energiewende bei uns konkret umgesetzt werden kann.
BLICK aktuell: „Die Menschen in der
Eifel machen sich große Sorgen um
den Wirtschaftsfaktor Nürburgring
für die Region. Nach der Pleite des
Rings fehlen jetzt die großen Veranstaltungen, wie das Rock-Festival oder die Formel 1. Wie kann die
Region zukünftig vom Nürburgring
profitieren?“
Landrat Dr. Pföhler: Der Wegfall von
„Rock am Ring“ und der Formel 1 ist
erneut ein schwerer Rückschlag. Aber
für mich ist kaum vorstellbar, dass es
am Nürburgring künftig keine solchen
Großveranstaltungen mehr gibt, denn
die Voraussetzungen hierfür sind am
legendären Ring einmalig und die Begeisterung der Fans ist ungebrochen.
Allerdings muss das jahrelange Hickhack beendet werden. Der Nürburgring braucht endlich positive Schlagzeilen und die Region braucht einen
verlässlichen Ansprechpartner.
BLICK aktuell: „In den vergangenen Jahren hat der Kreis erhebliche Mittel für Schulen und Kindertagesstätten aufgebracht. In
welchem Zustand sehen Sie die Bildungsmöglichkeiten für die Jugend
im Kreis?“
Landrat Dr. Pföhler: Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Deshalb hat der Kreis seit meinem Amtsantritt rund 180 Millionen Euro in
unsere Schulen investiert. Wir können
inzwischen sämtliche weiterführenden
Schulformen anbieten. Auch bei den
Kitas haben wir einen enormen Sprung
nach vorne gemacht: Die Zahl der
Ganztagsplätze wurde auf sage und
schreibe über 1.750 erhöht. Für Kinder
unter drei Jahren haben wir mehr als
1.000 neue Plätze errichtet und liegen
damit über Landesdurchschnitt. Für
mich steht fest, dass wir weiter in un-
sere Schulen und eine gute Betreuung
der Kinder investieren müssen.
Dabei dürfen jedoch die Bedürfnisse
unserer älteren Mitbürgerinnen und
Mitbürger nicht zu kurz kommen. Die
Generation 60+ ist mit ihrem hohen
Wissen und ihrer Lebenserfahrung ein
Gewinn für uns alle.
BLICK aktuell: „Abschließend die
Frage nach Ihren Zukunfts-Visionen
für den Landkreis Ahrweiler. Wohin
soll oder kann sich der Kreis in den
nächsten Jahren unter Ihrer Leitung entwickeln?“
Landrat Dr. Pföhler: Unsere Zukunft
zu gestalten ist eine Gemeinschaftsaufgabe, an der alle mitwirken müssen.
Meine Vision ist, dass wir im Jahr 2030
die Chancen, die der demografische
Wandel bietet, genutzt und die Energiewende geschafft haben. Unsere Infrastruktur ist seniorengerecht und eine
wohnortnahe Gesundheits- und Ärzteversorgung auf dem Land gesichert.
Der Kreis bietet für alle Generationen
weiterhin eine hohe Wohn- und Lebensqualität im Einklang mit der Natur.
Hierfür werde ich mich mit all meiner
Erfahrung und Kraft einsetzen, damit
unsere Heimat auch in Zukunft wirtschaftlich, sozial und ökologisch an der
Spitze steht.
Wir bedanken uns
für das Gespräch!
Chef-Redakteur Hermann Krupp im Redaktionsgespräch mit Landrat Dr. Jürgen Pföhler.
Foto: C. Fiala