Bericht über das Jahr 2014

Bericht über das Jahr 2014
NEUAUFSTELLUNG DER GfA
Die Gesellschaft für Antiziganismusforschung
(GfA) hat im Jahr 2014 einen bedeutenden Wandel
erlebt. Deshalb möchte der Vorstand den Mitgliedern der GfA, aber auch allen, die an der Arbeit
der Gesellschaft interessiert sind, einen Überblick
über die jüngsten Entwicklungen geben.
Als die Gesellschaft im Jahr 1998 gegründet wurde, war der Begriff „Antiziganismus“ in weiten Teilen der Öffentlichkeit unbekannt. Forschungen
über den gesellschaftlich tief verankerten Antiziganismus hatten in allen Disziplinen der Wissenschaftslandschaft eine randständige Position inne.
Auch die kritische Thematisierung des Phänomens in der Öffentlichkeit oder in der Bildungsarbeit war kaum verbreitet.
Zwar ist die Aufmerksamkeit gegenüber Antiziganismus inzwischen gestiegen, doch nach Auffassung der GfA stehen die bisherigen Forschungsanstrengungen nach wie vor in keinem Verhältnis
zu der gesellschaftlichen Wirkungsmächtigkeit
und Gewalt von Antiziganismus. Als sich am 21.
und 22. Februar 2014 in Berlin Forschende aus verschiedenen Disziplinen auf Einladung von RomnoKher trafen, um über den Stand der Antiziganismusforschung zu diskutieren – darunter mit
Wilhelm Solms, Daniel Strauß und Udo Engbring-Romang drei Vorstandsmitglieder der GfA –,
gewann die Idee Gestalt, die Gesellschaft als eine
Forschungsplattform zu Antiziganismus neu aufzustellen.
Dieses Anliegen stand 2014 im Zentrum der
Die GfA hat in den ersten Jahren ihres Beste- Vorstandstätigkeit. Ziel der GfA ist es, Antizigahens durch Tagungen, deren Ergebnisse zum Teil nismus als ein Querschnittsthema in Forschung
in der Reihe „BEITRÄGE ZUR ANTIZIGANIS- und Lehre zu etablieren, um das Phänomen besser
MUSFORSCHUNG“ publiziert wurden, sowie zu verstehen und Perspektiven für seine Überwindurch Seminare, Vorträge, Aufsätze, Artikel und dung zu eröffnen. Dazu bedarf es einer dauerhafAusstellungen auf die Gefahr des Antiziganismus ten institutionellen Verankerung in der Forhingewiesen und die Notwendigkeit, dieses mehr- schungslandschaft.
heitsgesellschaftliche Phänomen zu analysieren
und zu bekämpfen, klar benannt. Die GfA hat ihre
Um diesen Prozess anzustoßen, will die GfA ihr
Projekte fast ausschließlich durch Mitgliederbei- Profil als Plattform für Forschende verschiedener
träge und private Spenden finanziert. Sie musste Disziplinen, die sich mit Semantiken und Praktibei ihren Anträgen auf öffentliche Zuschüsse ken des Antiziganismus sowie möglichen Gegenmehrfach erfahren, dass diese nur dann Aussicht strategien in historischer und gegenwartsbezogeauf Erfolg hatten, wenn sie von Verbänden der Sin- ner Perspektive befassen, schärfen. Diesem
ti und Roma beantragt wurden – als ob der Anti- Entschluss liegt die Überzeugung zugrunde, dass
ziganismus ein Problem der Minderheit und nicht die enorme Präsenz und Verbreitung des Antizigader Mehrheit wäre.
nismus in Vergangenheit und Gegenwart es gebietet, dass die heutige Gesellschaft antiziganistisches Denken und Handeln erkennt, analysiert
und dezidiert ablehnt.
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DER NEUE VORSTAND
Forschungen über und das Entwickeln von Gegenstrategien zu Antiziganismus können nicht
ohne die Perspektiven jener auskommen, die unmittelbar vom Phänomen Antiziganismus betroffen sind. Deshalb sind die Expertisen und Analysen insbesondere von Sinti und Roma, aber auch
von anderen von Antiziganismus Betroffenen von
großem Gewicht. Dabei muss stets bedacht werden, dass wir uns in einem starken strukturellen
Machtgefälle insbesondere zwischen Sinti/Roma
und Nicht-Sinti/-Roma bewegen. Die GfA hat
daher beschlossen, über forschungsethische Standards sowie Forschungsinhalte und Begrifflichkeiten kritisch zu diskutieren, um eine gleichberechtigte und respektvolle Zusammenarbeit von
Wissenschaftler_innen mit und ohne Sinti-/Roma-Hintergrund zu ermöglichen und die Zusammenarbeit mit Selbstorganisationen aus den verschiedenen Communities von Sinti, Roma und
Jenischen zu gewährleisten.
Ausgehend von all diesen Überlegungen, hat
sich eine Gruppe von elf alten und neuen Mitgliedern im Mai 2014 an zahlreiche Forschende
gewandt und sie zu einem Beitritt in die GfA ermuntert. Die Resonanz war überaus erfreulich:
2014 konnten 34 neue Mitglieder begrüßt werden.
Von den zahlreichen Ideen, die wir für die Etablierung der GfA als Forschungsplattform entwickelt haben, ist ein Teil bereits 2014 umgesetzt
worden, anderes wird erst 2015 Gestalt annehmen. Dies alles ist Voraussetzung dafür, dass sich
die GfA als eine Institution etablieren kann, deren Stimme bei forschungsrelevanten, aber auch
bei tagesaktuellen Fragestellungen Gewicht hat.
Wir freuen uns auf die zahlreichen Aktivitäten,
die mit der Neuaufstellung nun von den vielen
Mitgliedern der GfA in Angriff genommen werden. Für Anregungen, Wünsche und Projektideen sind alle Vorstandsmitglieder jederzeit ansprechbar.
Verbunden mit den besten Wünschen für 2015
grüßen im Namen des Vorstands
Wilhelm Solms & Karola Fings
Am 14. Juni 2014 wählte die Mitgliederversammlung in Marburg einen neuen Vorstand. Da
seine Mitglieder in Berlin, Köln, Mannheim, Marburg und Trier leben, ergibt sich damit auch die
Chance, bundesweit stärker präsent zu sein. 2014
hat der neue Vorstand sich jeweils fast vollständig
im Rahmen zweier Sitzungen in Marburg und
Frankfurt am Main getroffen; darüber hinaus gab
es weitere Treffen in jeweils kleineren Kreisen.
Um die Kommunikation für die vielfältigen Aufgaben in Angriff zu nehmen, wurden internetbasierte, kollaborative Strukturen aufgebaut. Die Mitglieder des Vorstandes sind:
Prof. Dr. Wilhelm Solms | Vorsitzender
Wilhelm Solms, geb. 1937, ist Literaturwissenschaftler. Er ist seit der Gründung der GfA im Jahr
1998 erst als stellvertretender Vorsitzender und ab
2002 als Vorsitzender tätig. Er arbeitet seit ihrer
ersten öffentlichen Tagung im Jahr 1991 mit dem
Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher
Sinti und Roma, dessen Kuratorium er angehört,
und mit den Landesverbänden von Baden-Württemberg und Hessen zusammen.
Arbeitsschwerpunkte: Zigeunerbilder in der
Geschichte der deutschen Literatur, politischer,
kirchlicher, wissenschaftlicher und vulgärer Antiziganismus sowie die Erzählkultur der Sinti und
der Roma. „’Kulturloses Volk’? Berichte über ‚Zigeuner’ und Selbstzeugnisse von Sinti und Roma“
(2006) ist eine Sammlung von Vorträgen und Artikeln; in „Zigeunerbilder. Ein dunkles Kapitel der
deutschen Literaturgeschichte. Von der Frühen
Neuzeit bis zur Romantik“ (2009) wird die literarische Tradierung typischer Zigeunerbilder verfolgt.
Daniel Strauß | stellv. Vorsitzender
Daniel Strauß, geb. 1965, ist Immobilienkaufmann und engagiert sich seit 1983 in der Bürgerrechtsarbeit. Bis 1995 war er Vorstandsmitglied
des Verbandes Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Hessen, seitdem ist er Vorsitzender
des gleichnamigen Landesverbandes in Baden-Württemberg. 2013 war er Vertragspartner
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des ersten Staatsvertrages mit Gesetzesstatus,
der mit dem Land Baden-Württemberg geschlossen wurde. Er hat in den 1990er Jahren an der
Konzeption des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg mitgewirkt und ist diesem als Vorstandsmitglied bis heute verbunden. Neben der GfA hat er
weitere Vereine und Stiftungen mit initiiert und
arbeitet dort im Vorstand oder in anderer Funktion mit, so bei der RomnoKher gGmbH oder
der Hildegard Lagrenne Stiftung.
GfA
nationalsozialistische Zigeunerverfolgung in
Köln“ (2005) ist eine Fallstudie zum Genozid an
den Sinti und Roma, die auf breiter empirischer
Basis die Nachkriegsmythen der Täterinnen und
Täter widerlegt. 2012 gab sie mit Ulrich F. Opfermann den Band „Zigeunerverfolgung im Rheinland und in Westfalen 1933-1945. Geschichte,
Aufarbeitung und Erinnerung“ heraus.
Dr. Udo Engbring-Romang | Schatzmeister
Udo Engbring-Romang, geb. 1955, ist Dipl.-Politologe und Historiker mit einer Promotion über
den nichtmarxistischen Sozialismus; seit 2010 ist
er Programmbereichsleiter „Gesellschaft/Politik/
Geschichte“ der vhs Marburg (Teilzeit), seit 1995
freier Mitarbeiter beim Verband Deutscher Sinti und Roma, LV Hessen, seit 2007 externer Koordinator des Lokalen Aktionsplans Darmstadt
gegen Rechtsextremismus mit Schwerpunkt Antiziganismus. Er ist Gründungsmitglied der GfA
und seit ihrem Bestehen als Schriftführer und/
oder Schatzmeister tätig.
Seit 1992 hat er zahlreiche Studien zu Antiziganismus und zur NS-Verfolgung von Sinti und
Roma publiziert. Zu den jüngsten Arbeiten, bei
denen er als Herausgeber, Mitherausgeber oder
Autor mitwirkte, zählen eine Studie zu Antiziganismus in Europa, eine Studie zur aktuellen Bildungssituation deutscher Sinti und Roma sowie
der Ergänzungsbericht zum Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission zum EU-Rahmen für die Nationale Integration der Roma bis 2020 (alle 2012), 2013 folgte
die Herausgabe des Gutachtens „Antiziganismus
Arbeitsschwerpunkte im Themenbereich: Lo– zum Stand der Forschung und der Gegenstratekal- und regionalgeschichtliche Dokumentatiogien“.
nen zur Verfolgungs- und DiskriminierungsgeDr. Karola Fings | stellv. Vorsitzende
schichte der Sinti und Roma in Hessen im 19.
und 20. Jahrhundert, Aufsätze und Vorträge zum
Karola Fings, geb. 1962, ist Historikerin, stell- Antiziganismus, Schwerpunkt „Zigeunerbilder“
vertretende Direktorin des NS-Dokumentati- in der Geschichte. Autor der mobilen Ausstellunonszentrums der Stadt Köln und Lehrbeauftrag- gen „Hornhaut auf der Seele – Die Geschichte
te an der Universität zu Köln. Sie hat ihre der Verfolgung der Sinti und Roma in Hessen“
Dissertation an der Heinrich-Heine-Universität (2004/2007), „Typisch ‚Zigeuner’? AntiziganisDüsseldorf über „Krieg, Gesellschaft und KZ. mus und Lebenswirklichkeiten“ (2008/2013), der
Himmlers SS-Baubrigaden“ geschrieben. Ihre Dauerausstellung „’Zigeunerbilder’ – Entstehung,
Forschungsschwerpunkte sind der Nationalsozi- Wirkung, Folgen“ (2015/16) und der digitalen Ausalismus, seine Vorgeschichte und seine Nachwir- stellung „Verfolgung der Sinti und Roma (im Aufkungen sowie die NS-Verfolgung von Sinti und bau)“ im digitalen Archiv des Hessischen StaatsRoma.
archivs Marburg. Seit 2009 Zusammenstellung
von Materialien zum schulischen und außerschuSeit 1990 hat sie hierzu zahlreiche Studien lischen Unterricht mit regionalem Bezug.
veröffentlicht, u.a. über Struktur und Verlauf der
NS-Zigeunerverfolgung und den Charakter des
Genozids, über „Zigeunerlager“ oder zur Verfolgung von Roma im faschistisch besetzten Jugoslawien. Ihr gemeinsam mit Frank Sparing verfasstes Buch „Rassismus, Lager, Völkermord. Die
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PD Dr. Iulia-Karin Patrut | Schriftführerin
Markus End | Beisitzer
Iulia-Karin Patrut, geb. 1975, ist Literaturwissenschaftlerin und als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Privatdozentin an der Universität Trier
tätig, wo sie auch Mitglied im „Forschungszentrum Europa“ ist. Promoviert hat sie über Paul Celan und Herta Müller, ihre 2014 erschienene Habilitationsschrift befasst sich mit der Darstellung
von ‚Zigeunern‘ in Literatur und Wissenschaft vom
18. Jahrhundert bis 1920.
Markus End, geboren 1979, ist Politikwissenschaftler, Doktorand an der TU Berlin und Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim. Seine
Forschungsinteressen liegen im Bereich der theoretischen Auseinandersetzung mit Antiziganismus,
der Möglichkeiten antiziganismuskritischer pädagogischer Arbeit sowie der theoretisch vergleichenden Vorurteilsforschung.
Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen
Analogien und Differenzen zwischen der Darstellung von ‚Zigeunern‘ und Juden und die ‚internen
Fremden‘ im Zeitalter der Nation. Seit 2005 hat sie
zahlreiche Studien vorgelegt, u.a. sieben Sammelbände zur Darstellung und Verfolgung der ‚Zigeuner‘ (z.B. „‚Zigeuner‘ und Nation. Repräsentation –
Inklusion – Exklusion“ 2008 mit Herbert Uerlings
sowie „Fremde Arme – Arme Fremde. ‚Zigeuner‘ in
Literaturen Mittel- und Osteuropas“ 2007). Einschlägige Aufsätze, die die Rolle der ‚Zigeuner‘ als
Grenzfiguren in deutschen Selbstentwürfen untersuchen, erschienen zuletzt in der Zeitschrift Geschichte und Gesellschaft und im Jahrbuch für Antisemitismusforschung.
Prof. Dr. Michael Klein | Beisitzer
Michael Klein, geb. 1941, ist Soziologe, Sozialpädagoge und Psychotherapeut. Vor seiner Emeritierung hatte er eine Professur für Mikrosoziologie und Bildungssoziologie an der Universität
Erfurt inne. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Minderheiten, Randgruppen, Außenseiter, „Soziale
Probleme“ (vor allem: Gewalt).
Zu seinen jüngeren Veröffentlichungen zählen
u.a.: „Gewalt - interdisziplinär“ (2002); „Minderheiten im Umgang mit der Natur“ (2014).
Zusammen mit Kolleg_innen hat er in Berlin
ein Forum zu Antiziganismuskritik ins Leben gerufen und zwei Sammelbände zu Antiziganistischen Zuständen herausgegeben. Im Team mit der
Jugendbildungsstätte Kaubstraße hat er das Methodenhandbuch zum Thema Antiziganismus entwickelt. 2013 erarbeitete er im Auftrag von RomnoKher ein Gutachten Antiziganismus: Zum Stand
der Forschung und der Gegenstrategien; zuletzt
gab das Dokumentations- und Kulturzentrum
Deutscher Sinti und Roma seine Studie zum Thema Antiziganismus in der deutschen Öffentlichkeit heraus, in der er Strategien und Mechanismen
medialer Kommunikation untersuchte.
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GfA
MAILINGLISTE DER GfA
Seit Dezember 2014 verfügt die Gesellschaft
über eine interne Mailingliste, die der Kommunikation der Mitglieder untereinander dient. Jedes
Mitglied kann durch eine eMail an die Adresse
[email protected] alle anderen Mitglieder kontaktieren. Diese erhalten die Nachrichten entweder direkt oder in einer wöchentlichen Zusammenfassung, je nach persönlicher Vorliebe. Über
diese Liste wird auf Neuerscheinungen, anstehende Konferenzen und andere relevante Informationen hingewiesen. Der Vorstand kommuniziert darüber anstehende Veranstaltungen, Mitglieder
können um Unterstützung oder Informationen
durch ihre Kolleg_innen nachsuchen.
Bei Fragen oder Problemen zur Mailingliste
können sich die Mitglieder der Gesellschaft an
Lee Hielscher ([email protected]) oder Markus End
([email protected]) wenden.
de von dem Historiker Tobias von Borcke geleitet,
der sich als Mitarbeiter der Gedenkstätte intensiv
mit dieser Häftlingsgruppe beschäftigt hat. Etwa
ein Dutzend GfA-Mitglieder haben teilgenommen. Beim gemeinsamen Abendessen konnten
sich die – größtenteils neuen – Mitglieder kennen
lernen und austauschen.
Der Hauptteil des Herbsttreffens fand am
Samstag statt. Trotz bundesweiten Streiks bei der
Deutschen Bahn fanden sich knapp 20 Mitglieder
aus Heidelberg, Marburg, Göttingen, Wien, Duisburg, Berlin, Flensburg, Köln und Münster in den
Räumlichkeiten der Rosa-Luxemburg-Stiftung ein,
die uns dankenswerterweise kostenfrei zur Verfügung gestellt wurden.
Der thematische Schwerpunkt des Vormittags
lag auf der Frage, ob die Vorgänge in Duisburg als
aktueller Kristallisationspunkt des aktuellen Antiziganismus in Deutschland analysiert werden können und müssen. Die Sozialwissenschaftlerin und
Mitarbeiterin im Duisburger Institut für Sprachund Sozialforschung (DISS) Bente Gießelmann
stellte ihre interviewbasierte Analyse antiziganisHERBSTTREFFEN 2014
tischer Alltagsdiskurse in Duisburg-Hochfeld unter dem Titel „Dat macht uns ja auch alle kaputt,
ne?“ vor. Das DISS hat sich in den letzten Jahren
Am 7. und 8. November 2014 fand in Berlin ein intensiv mit dem Thema Antiziganismus insbeHerbsttreffen der Gesellschaft statt. Dieses Tref- sondere in Duisburg beschäftigt und eine eigene
fen war ein erster Auftakt für halbjährlich stattfin- Arbeitsgemeinschaft gebildet. Auch die zweite Redende interne Treffen der GfA-Mitglieder. Auf ferentin Alexandra Graevskaia ist Mitarbeiterin
diesen Treffen soll ein Rahmen geschaffen werden, im DISS. Sie eröffnete einen Überblick über die
der möglichst frei von akademischen Hierarchien Entwicklung der antiziganistischen Debatten in
und Konkurrenzdruck ist. Im Vordergrund sollen Duisburg seit Mitte der 2000er Jahre mit einem
der kollegiale und wissenschaftliche Austausch zu besonderen Fokus auf medialen Darstellungen.
unterschiedlichen Aspekten der Antiziganismusforschung sowie zu aktuellen Fragen und Anliegen
Im Anschluss eröffnete sich eine lebhafte und
der GfA stehen.
teilweise durchaus kontroverse Debatte darüber,
welche Spezifika die Duisburger Vorgänge aufweiDas Treffen in Berlin wurde von den Berliner sen würden, sowohl im Hinblick auf den Ort DuMitgliedern Tobias von Borcke, Markus End, isburg, als auch im Hinblick darauf, ob die DebatAnna Friedrich, Christian Kelch und Benedikt ten nicht allgemeiner als xenophob verstanden
Wolf vorbereitet. Es begann am Freitag den 7. No- werden müssten.
vember mit einer Führung durch die Gedenkstätte Sachsenhausen mit dem Schwerpunkt auf der
Verfolgung von Sinti und Roma. Die Führung wur-
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SERVICELEISTUNGEN DER GfA
Nachmittags gab es verschiedene ArbeitsgrupImmer wieder gibt es konkrete Anfragen an die
pen, um den Mitgliedern zu ermöglichen, unter- GfA zu bestimmten Aspekten des Antiziganismus
schiedliche Themen zu diskutieren. In der AG oder auch zu Geschichte und Gegenwart der Sin„Pädagogische Arbeit gegen Antiziganismus“ wur- ti und Roma. Manchmal wird nach Referentinnen
den verschiedene kürzlich erschienene pädagogi- und Referenten gefragt, häufiger gibt es Nachfrasche Materialien analysiert und diskutiert. In der gen nach Materialien, meist zum Unterricht oder
AG zum Stereotyp der „Bettelmafia“ wurde eine zur politischen Bildung, oder nach Referaten. Die
jüngst fertig gestellte Abschlussarbeit von Nikolai Anfragen werden entweder direkt von Udo EngSchreiter vorgestellt und diskutiert, inwiefern das bring-Romang oder ansonsten nach Rundfrage im
Stereotyp antisemitische und antiziganistische Vorstand von einem Vorstandsmitglied beantworElemente vereinige. In einer AG zu „Quantitati- tet. Manchmal ist nur eine Vermittlungstätigkeit
ven Umfragen“ wurden neueste Umfrageergebnis- notwendig, manchmal wird auch eine ausführliche,
se diskutiert und der Frage nachgegangen, welche wissenschaftlich fundierte Antwort erwartet und
Möglichkeiten und welche Grenzen quantitative formuliert.
Umfragen in unserem Arbeitsbereich aufweisen.
Zuletzt wurden in einer Arbeitsgruppe zum TheMittelfristig werden Materialien online gestellt.
ma „Antiziganismus in Deutschland nach 1945“ Ebenfalls mittelfristig sind für Mitglieder beverschiedene methodische Ansätze der Mitglieder stimmte Serviceleistungen in einem geschützten
für historische Untersuchungen in diesem Zeit- Bereich abrufbar.
raum vorgestellt, verglichen und debattiert.
Abschließend gab es noch ein längere Diskussion über die Frage der Zukunft der GfA. Die anwesenden Mitglieder zeigten sich allesamt ausgesprochen motiviert, die Neuaufstellung der
Gesellschaft weiter voranzutreiben. Neben organisatorischen Dingen wurde noch einmal explizit
das Ziel bekräftigt, Forschung in solidarischem
Austausch mit Selbstorganisationen durchzuführen und wo immer es möglich ist, die wissenschaftlichen Perspektiven von Betroffenen von Antiziganismus einzubeziehen. Das Format des
Treffens wurde von den anwesenden Mitgliedern
durchgängig positiv bewertet, mehrfach wurde der
Wunsch geäußert, auch zukünftige Treffen in einem internen und damit kleineren Rahmen durchzuführen.
VORSCHAU 2015
Mitte Mai 2015 findet das thematisch breit gefächerte Frühjahrstreffen der GfA in Marburg an
der Lahn statt. Es ist als wissenschaftliches Kolloquium geplant, bei dem das Kennenlernen und der
wissenschaftliche Dialog im Vordergrund stehen
werden. Besonderen Wert wird auf den Ausbau der
themenbezogenen, fachspezifischen sowie interdisziplinären Vernetzung gelegt, die vor allem im
Rahmen von AGs erfolgen wird. Die Mitglieder
werden über dieses Format und die Beteiligungsmöglichkeiten im Rahmen einer gesonderten
Rundmail informiert. Als Auftakt des Frühjahrstreffens findet ein öffentlicher Abendvortrag mit
Büchertisch statt, zum Programm gehören darüber hinaus eine öffentliche Podiumsveranstaltung
mit weiteren Vorträgen sowie eine Mitgliederversammlung. Alle Mitglieder sind herzlich eingeladen, an dem Treffen teilzunehmen.
GfA
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Für November 2015 ist die Tagung der GfA zum
Thema „Politischer Antiziganismus und Antiziganismus als Mittel der Politik“ geplant. Die Veranstaltung, die zum 20. Jahrestag des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz und zur
Förderung der Minderheit der Sinti und Roma
stattfindet, versteht sich als Forum für Expertinnen und Experten zu aktuellen politischen Entscheidungen (von der EU bis hin zur Lokalpolitik),
zu parlamentarischen und in den Medien geführten Debatten, von der Genese diskriminierender
Entscheidungen bis hin zu den Konsequenzen für
die Minderheit der Sinti und Roma. Die Mitglieder werden über das Programm gesondert informiert.
Ab Mitte 2015 wird sich die GfA auf einer neuen Homepage präsentieren, die in absehbarer Zeit
auch in einer englischen Version online gehen soll.
Damit verbunden ist auch eine Neubearbeitung
des Logos der GfA. Mit beiden Aufgaben wurde
die Agentur gegenfeuer aus Berlin beauftragt, die
bereits die grafische Gestaltung verschiedener Publikationen aus diesem Themenbereich durchgeführt hat. Nach zwei Treffen des Vorstands mit der
Agentur wurde der Auftrag für die Erstellung der
neuen Homepage erteilt, die neue Seite soll voraussichtlich im Sommer 2015 online gehen. Ziel ist
es, dass die Seite übersichtlicher und klarer strukturiert und leichter zu bedienen und damit aktueller sein wird.
Der Vorstand wird vermehrt Positionspapiere
zu Grundsatzfragen, Begriffsdebatten und punktuell auch zu tagespolitischen Themen erarbeiten,
die zur größeren Sichtbarkeit der GfA beitragen
sollen. Die Mitglieder werden vorab über diese
Positionspapiere informiert und erhalten die Gelegenheit, dazu Stellung zu beziehen, bevor sie auf
der Homepage veröffentlicht werden.
Die Mitglieder sind herzlich dazu eingeladen,
sich mit Ideen und Initiativen an den Vorstand zu
wenden - von Veranstaltungen beispielsweise zu
Gedenktagen, zum Internationalen Tag der Sinti
und Roma oder zum Jahrestag der Mahnmaleröffnung bis hin zu geplanten Forschungsanträgen.
Der Vorstand bemüht sich um Unterstützung solcher Initiativen und stellt gerne Kontakt zwischen
Mitgliedern mit verwandten Forschungsinteressen her.
KOOPERATION MIT AMARO DROM e.V.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend hat am 1. Juli 2014 das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ bekannt gemacht.
Zum ersten Mal sollte hierbei auch das Themenfeld Antiziganismus bearbeitet werden. Konkret
wurden im Herbst fünf Modellprojekte ausgeschrieben. Da für die Interessenbekundung nur
wenig Zeit blieb und der Schwerpunkt bei der politischen Bildung mit jungen Menschen liegen
sollte, nahm die Gesellschaft Abstand von einer
eigenen Bewerbung.
Stattdessen formulierte die GfA eine Absichtserklärung zur inhaltlichen Kooperation mit Amaro Drom e.V. (Berlin) und deren Projekt „Dikhen
Amen! Seht uns! - Empowerment und Sensibilisierung gegen Antiziganismus aus Sicht junger Roma
und Sinti“. Die Kooperation beinhaltet, dass die
GfA sich am Fachbeirat des Projektes beteiligen
und mit ihrer Expertise zum erfolgreichen Verlauf
des Projektes beitragen wird.
Insgesamt waren beim Ministerium vierzig (!)
Projekte eingereicht worden. Letztendlich wurden im Bereich „Antiziganismus“ erfreulicherweise acht statt der geplanten fünf Modellprojekte
berücksichtigt, darunter auch das von Amaro
Drom. Gespräche über die konkrete Zusammenarbeit werden in den nächsten Wochen geführt.
Die Gesellschaft für Antiziganismusforschung e.V. ist gemäß Schreiben
des Finanzamtes Marburg StNr. 31 250 5602 5 –P/K2 vom 18.02.2013
als gemeinnützig im Bereich „Wissenschaft“ anerkannt.