Im Falle (m)eines Todes…

Im Falle (m)eines Todes….
Kritische Gedanken zur heutigen Begräbniskultur
von Hans-Rudolf Gehrmann, Pfarrer in St. Georg Bocholt (16. März 2015)
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Veränderungen in der Begegnung mit dem Tod und den Toten
In den letzten Jahren merkt man tief greifende Veränderungen: vielfach gehört der
Tod nicht mehr zum normalen Leben, er wird ausgeklammert, verdrängt und tabuisiert. Leiden, Sterben und Beerdigung werden privatisiert (früher haben einem die
Großfamilie und Nachbarschaft geholfen). An den Tod und die Toten möchte man
ungern erinnert werden. Auf Wunsch der Angehörigen regelt der Bestatter alles,
was mit der Beerdigung zu tun hat. Die Gestaltung der Begräbnisliturgie soll „sehr
persönlich“ sein. Der christliche Glaube bei den Verstorbenen und bei den Angehörigen und deren Lebensumfeld schwindet. Die Gestaltung der Friedhöfe durch Wahl
von neuen Beisetzungsformen verändert sich. Die Gärtner bemerken, dass die Bestellung der Kränze zurückgegangen ist. Deshalb gestalten sie die Fläche vor dem
Sarg in der Trauerhalle mit Tüchern auf dem Boden, Kerzenleuchtern, Teelichtern
und Blütenblättern (dies sollte allerdings keine zu großen Ausmaße annehmen!).
Bestattungsgesetz in NRW (1.9.2003)
Neuerungen:
- Sargzwang bei Erdbestattungen aufgehoben, Tuchbestattung jetzt möglich,
wenn die Friedhofsatzung dies vorsieht
- Ausstreuung der Totenasche erlaubt u.U. auch außerhalb eines Friedhofes
(aber nicht im Hausgarten oder auf Fußballfeld)
- Aufbewahrung von Urnen zuhause bleibt nicht gestattet
- Mindestens ein Elternteil muss auf die Möglichkeit der Bestattung von Tot-,
Fehl- oder Frühgeburten hingewiesen werden; keine „Entsorgung als Klinikmüll“, sondern Bestattungspflicht
Neues Bestattungsgesetz NRW (1.10.2014)
Neuerungen:
- Die Bestattungsfrist für Erdbestattung wurde von 8 auf 10 Tage verlängert
und gilt neuerdings auch für Einäscherungen. Verlängerungen sind auf Antrag
möglich.
- Nachweispflicht (innerhalb von 6 Wochen) für Totenasche
- Es bleibt: Die Totenasche muss auf einem Friedhof beigesetzt werden.
- Die Frist für frühestmögliche Erdbestattung wird von 48 auf 24 Stunden heruntergestuft (für Muslime und Juden wichtig).
- Eigene muslimische Friedhöfe sind möglich (verstorbene Muslime brauchen
also nicht mehr ins Heimatland überführt werden)
- Keine Grabsteine ohne Zertifikat aus Ländern mit Kinderarbeit (ab 1.5.2015)
Zunächst etwas Grundsätzliches zur Bedeutung der Auferstehung für uns
Christ(inn)en:
Wäre Christus nicht von den Toten auferstanden…
Der Glaube an die Auferstehung Jesu und die Auferstehung der Menschen ist der
zentrale Glaubensinhalt der christlichen Religion. Der Apostel Paulus schreibt im 1.
Korintherbrief (15, 14): „Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere
Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos.“ Der Lebensweg des Christen endet
nicht im Tod, sondern mündet in der Auferstehung und ins ewige Leben. Dies verleiht dem Leben hier auf Erden Sinn und Hoffnung. In einer Präfation (Dankgesang)
der Begräbnismesse heißt es: „Bedrückt uns auch das Los des sicheren Todes, so
tröstet uns doch die Verheißung der künftigen Unsterblichkeit“. Paulus schreibt,
dass wir trauern dürfen, aber nicht ohne Hoffnung! (vgl. 1 Thess 4, 13). Verschie2
dene Symbole bringen den christlichen Auferstehungsglauben und die Hoffnung auf
ewiges Leben zum Ausdruck: der Kranz (hat keinen Anfang und kein Ende und
bringt so die Unendlichkeit zum Ausdruck), blühende Blumen (weisen auf das „blühende“ neue Leben hin), brennende Kerzen (weisen auf das ewiges Licht hin, das
den Verstorbenen leuchten möge), Weihwasser (Der Herr möge am Verstorbenen
das vollenden, was er in der Taufe begonnen hat) und das Kreuz erinnert uns an
die Erlösung durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi („Im Kreuz ist Heil,
im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung“ , „Das Zeichen unserer Hoffnung, das
Kreuz unseres Herrn Jesus Christus, sei aufgerichtet über deinem Grab.“, „Im Kreuz
unseres Herrn Jesus Christus ist Auferstehung und Heil.“) Die Osterkerze brennt
beim Requiem (=Beerdigungsmesse in der Pfarrkirche) neben dem Altar und in der
Friedhofshalle neben dem Sarg als Ausdruck unseres österlichen Glaubens.
Zu den Veränderungen in der Begegnung mit dem Tod und den Toten nun einige
kritische Anmerkungen:
„No name ist billig“
Die Auslöschung der Erinnerung an einen Verstorbenen galt in der Antike als Strafe
(mars camulus-Stein Rindern).
In Berlin gab es im „Berliner Tagesspiegel“ eine Zeitungsserie mit den Lebensgeschichten von ganz gewöhnlichen Menschen, die als Buch (David Ensikat, Was
bleibt. Nachrufe. Berliner Taschenbuchverlag 2006) herausgegeben wurden. Das
zeigt: Jedes Leben ist einzigartig. Ganz im Sinne von Heinrich Heine: „Unter jedem
Grabstein liegt eine Weltgeschichte“.
Vom Einkaufen her wissen wir, dass sog. no name-Produkte billiger sind als Markenware. Die billigste Form, einen Menschen zu beerdigen, ist die a-nonyme (wörtlich übersetzt: die namenlose) Beisetzung unter der Grasnarbe. In Bocholt sind
nach Absprache mit dem Städtischen Friedhofsamt aber in diesen Situationen eine
Trauerfeier und ein Trauerzug von der Friedhofshalle zum anonymen Grab möglich.
Mit der Anmeldung auf dem Standesamt und durch das Sakrament der Taufe haben
wir Christen einen (meist) einmaligen Namen erhalten. (Einmalig auf jeden Fall
verbunden durch das Datum unserer Geburt.) Dieser Name ist Ausdruck der Individualität und Originalität, der Unverwechselbarkeit eines jeden Menschen vor Gott.
Dieses zeitlebens zu schützen, ist eine wichtige Aufgabe. Es gibt das Wort: „Menschen werden als Originale geboren, viele sterben aber als Kopien.“ Keiner möchte
ein billiger Abklatsch von einer Massenware sein. In den Sakramenten werden wir
bei unserem Namen gerufen. In der Begräbnisliturgie wird der Name des Verstorbenen immer wieder erwähnt. Sein Name steht auch später auf dem Grabstein,
wenn es einen solchen gibt. Im Krieg und danach wurden hingegen Gedenkstätten
errichtet „für den unbekannten Soldaten“, dessen Namen man nicht wusste. Auch
nach dem Beerdigungstag kann namentlich in den Messfeiern der Verstorbenen gedacht werden (z.B. Sechswochenamt, Jahresgedächtnis, Geburtstag, Namenstag,
Allerheiligenfest, Allerseelentag, Messintention an anderen Tagen). Aller Verstorbenen wird aber auch (ohne Namensnennung) in jeder Messfeier und täglich in der
kirchlichen Stundenliturgie gedacht.
Nach dem Tod hoffen die Christen, dass ihr Name aufgeschrieben ist „im Buch des
Lebens“ (Phil 4,3; Ps 69, 29; Offb 3, 5; 13,8; 17,8; 20, 12.15; 21, 27). Gott hat
uns beim Namen gerufen (Jes 43, 1; Jes 49, 16) und selbst, wenn unsere eigene
Mutter uns vergessen würde: Gott vergisst mich nie (Jes 49, 15). Mit dem Tod gerät für Gott mein Name nicht in Vergessenheit. In einem Liedtext von R. Daffner
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(Gotteslob Nr. 433, 1) heißt es: „Ich will dir danken, weil du meinen Namen kennst,
Gott meines Lebens.“
Im katholischen Gebet- und Gesangsbuch „Gotteslob“ (Ausgabe Bistum Münster Nr.
792, 6) heißt es: „All deiner Heilgen Schar lobpreist dich immerdar. Ihre Namen
stehn geschrieben in dem Buch der Ewigkeit, weil sie sind beständig blieben dir zur
Ehren in der Zeit.“ Und im deutschen Text des Spirituals „Oh when the Saints“
heißt es: „Und wenn das Buch geöffnet wird, dann lass mich auch dabei sein!“ (Die
Mundorgel, Ausgabe 1982, Nr. 87)
In manchen Gemeinden sind im sog. Totenbuch die Namen der Verstorbenen verzeichnet. Für die Toten „aus dem Totenbuch“, die in der betreffenden Kalenderwoche verstorben sind, wird dann im Gottesdienst namentlich gebetet.
Von dieser Einmaligkeit des Menschen, die deutlich wird in der Nennung des
Namens, muss auch jede Begräbnisliturgie geprägt sein.
Mit Respekt sollte in der Begräbnisliturgie das Leben eines einmaligen Menschen in
all seinen Lebensaspekten, den Höhen und Tiefen, dem Schmerzhaften und Geglückten gewürdigt werden. Menschlich und pietätvoll sollte vom Verstorbenen Abschied genommen werden. Die Liturgiefeier darf aber nicht so individuell gestaltet
sein, dass sie ihre eigene Identität verliert: sie muss ein Gottesdienst bleiben!
Anonyme Beerdigungen sind oft ein Ausdruck von fehlenden Beziehungen zu Lebzeiten: Wer erinnert sich nach der Beerdigung noch an total Vereinsamte? Und doch
geht der Priester bei anonymen Beerdigungen mit, wenn er darum gebeten wird. Es
gibt keine Beerdigungen 1., 2. oder 3. Klasse!
Im Rasen in der Reihe liegen
Im Jahr 2005 wurden auf dem Bocholter Friedhof 37,81 % der Verstorbenen in sog.
Rasenreihengräbern beigesetzt. Das sind schlichte Gräber, wo Rasen den sonst
üblichen individuellen Grabschmuck ersetzt, um die Kosten für die Grabpflege niedrig zu halten, und die nach der Beerdigung mit einer Namenstafel (mit Vor- und
Zunamen, Geburtsjahr und Sterbejahr und wenn gewünscht auch mit einem Symbol, z.B. Kreuz oder Rose) bedeckt werden. Die Individualität des Namens und ein
Ort der Trauer werden dadurch zwar ermöglicht, es sind aber nur Einzelgräber
möglich und keine Familiengruften, d.h. Ehepartner können auf dem Rasenreihengrabfeld nicht nebeneinander beerdigt werden. Eine individuelle Grabbepflanzung
und ein persönlich gestaltetes aufrecht stehendes Grabdenkmal sind von der
Bocholter Friedhofsordnung nicht gestattet. Mit dem Rasenreisengrab kauft man die
Grabpflege durch die Städtische Friedhofsgärtnerei für die Dauer der Ruhezeit. Allerdings ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass an der Grabplatte keine Blumen
oder Kerzen aufgestellt werden dürfen. Die Stadt Bocholt als Träger des Friedhofs
räumt diese ab, um die Rasenfläche um die Gräber herum pflegen zu können und
ein einheitliches Bild zu wahren. Ist das Gräberfeld belegt, erscheint es dann so
einheitlich wie ein Ehrenfriedhof mit Kriegsgräbern oder die Gräber von Ordensangehörigen.
Wer nicht selber die Grabpflege einer Familiengruft leisten kann, kann aber auch
einen Dauergrabpflegevertrag mit einem örtlichen Gärtnerbetrieb abschließen und
muss sich deshalb nicht für ein Rasenreihengrab entscheiden.
Der Preis für die Rasenreihengräber wird in den nächsten zwei Jahren von der Stadt
Bocholt erhöht werden. Die Auswirkungen (wieder mehr total anonyme Beerdigungen als preiswerteste Bestattungsform?) bleiben abzuwarten.
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Im Zeitalter des Internets
Im Internet bieten auswärtige Bestatter ihre Dienste zu niedrigen Festpreisen an.
Auf Grabsteinen gibt es schon QR-Codes, die mit dem Handy eingescannt werden
können, um z.B. auf die Biographie des Verstorbenen mit Fotos hinzuweisen. Im
Internet gibt es virtuelle Gedächtnisorte („Am Computer ein Kerzchen anstecken“).
Wer kümmert sich nach dem Eintritt des Todes um den Internet-Nachlass des Verstorbenen? Gerade auf dem Hintergrund, dass das Internet nicht vergessen kann.
„Asche zu Asche – Staub zu Staub“
Im ersten Buch der Bibel (Gen 1, 19) heißt es: „Im Schweiße deines Angesichts
sollst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Ackerboden; von ihm bist du ja
genommen. Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück.“ Dies Wort ist bekannt durch den Aschermittwoch: „Gedenke Mensch, dass du Staub bist und zum
Staube kehrst du zurück!“
Und im Psalm 103, der oft in der Friedhofshalle gebet wird heißt es u.a.: Gott
„weiß, was wir für Gebilde sind, er denkt daran: Wir sind nur Staub.“
Beim sog. Erdwurf in der katholischen Begräbnisliturgie spricht der Priester am offenen Grab: „Von der Erde bist du genommen, und zur Erde kehrst du zurück. Der
Herr aber wird dich auferwecken.“ (Der Erdwurf ist noch ein Relikt aus der Zeit, als
die Angehörigen und Nachbarn das Grab wieder „zugeschaufelt“ haben.)
Die Feuerbestattung ist in Deutschland im späten 19. Jahrhundert eingeführt worden.
Die evangelische Kirche hat diese Form in den 20er Jahren des 20. Jh. akzeptiert.
Im Jahre 1963 hat die katholische Kirche das Verbot der Feuerbestattung für Katholiken aufgehoben.
Der Name „Friedkirche“ ist inzwischen gesetzlich geschützt und bezeichnet Kirchen,
die zu einem Kolumbarium umgewidmet wurden, in dem die Urnen mit der Asche
Verstorbener aufbewahrt werden (z.B. seit April 2006 die katholische Kirche St.
Konrad in Marl).
Im Jahre 2005 beabsichtigten zwei private Investoren, in Borken ein Krematorium
neu zu bauen, das auf 2000 jährliche Verbrennungen ausgelegt war. Wegen massiver öffentlicher Einsprüche der katholischen Kirchengemeinde („Schutz der Bestattungskultur“) zogen die Investoren ihren Plan zurück.
Auf dem Bocholter Friedhof wurden im Jahr 2005 insgesamt 19 Urnen beigesetzt,
das sind 3,4% von rund 570 Beerdigungen.
Eine Form ist es, dass die Trauerfeier für einen Verstorbenen, der eingeäschert
werden soll, mit dem Sarg in der Friedhofshalle stattfindet. Am Ende der Trauerfeier wird der Sarg in das Auto des Bestatters getragen und zum Krematorium gefahren. Die Urnenbeisetzung findet dann einige Wochen später (im kleinen Kreis ohne
eine weitere Trauerfeier in der Friedhofshalle und meist ohne kirchenamtliche Beteiligung) statt. Die Trauerfeier kann aber auch nach Eintreffen der Urne stattfinden
mit direkt anschließender Beisetzung.
Vom Winde verweht
In einer westfälischen Kleinstadt beabsichtigt ein evangelischer Großgrundbesitzer
einen Friedwald einzurichten.
Vielen Trauernden ist es hilfreich, einen (oder mehrere) Ort(e) der Erinnerung an
den Verstorbenen zu haben: das kann der leere Sessel sein, ein bestimmter Platz in
der Wohnung, ein aufgestelltes Foto oder auch das Grab des Verstorbenen. Durch
das Pflegen des Grabes, durch das Aufstellen von blühenden Blumen und brennenden Kerzen bin ich in besonderer Weise mit dem Verstorbenen verbunden. Auch
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Eltern, die von einer Fehl- oder Totgeburt betroffen sind, erfahren gerade darin
Trost und Hilfe. Ich kann meine Trauer verorten, mich irgendwo festmachen und
festhalten und häng damit nicht im luftleeren Raum. Die Friedhöfe sind solche Orte
der Erinnerung. Deshalb steht die katholische Kirche sog. Friedwäldern, Baumbestattungen oder Aschestreuwiesen, wo die Asche in der Natur ausgestreut und
„vom Winde verweht wird“, grundsätzlich kritisch bis ablehnend gegenüber.
Das nordrhein-westfälische Bestattungsgesetz vom 1. September 2003 hat auch bei
uns die sog. Friedwälder ermöglicht.
Hat in aller Stille stattgefunden: Stille Beerdigungen trösten nicht
„Wie dein Lebetag – so dein Sterbetag“ könnte man umformulieren in: „Wie dein
Lebetag – so dein Begräbnistag“. Menschen, die im vollen Leben stehen und dann
plötzlich sterben, haben meist eine große Beteiligung bei der Beerdigung. Die Mitfeier der Begräbnisliturgie und das gemeinsame Zu-Grabe-Tragen sind für die
(Über-)Lebenden eine gute Möglichkeit, Abschied nehmen zu können. Allzu oft geht
unmittelbar nach der Beerdigung für die meisten Freunde, Arbeitskollegen und
Nachbarn das „normale“ Leben sofort weiter. Wird erst nach der Beerdigung der
Tod z.B. in der Zeitung veröffentlicht („hat in aller Stille [schon] stattgefunden“),
raubt man vielen die Möglichkeit, persönlich vom Verstorbenen Abschied nehmen
zu können, er gerät allzu schnell in Vergessenheit („aus den Augen – aus dem
Sinn…“). Welcher Verwandte weiß schon alle menschlichen Kontakte, in denen der
Verstorbene gelebt hat? Eine Zeitungsanzeige erreicht in der Regel auch die, die
keinen Totenbrief erhalten haben. Oder will sich die Trauerfamilie finanziell das Kaffeetrinken sparen? Die Bestattungsunternehmen helfen, damit man nicht mit allem,
was vor der Beisetzung geregelt werden muss, überfordert wird.
„Wie dein Lebetag – so dein Begräbnistag“ heißt aber auch, dass wenn jemand jahrelang pflegebedürftig ist, die sozialen Kontakte spürbar abnehmen. Die Schar derer, die dann zur Beerdigung kommen, wird kleiner. Aber ist das ein Grund, die Beerdigung „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ zu halten? Will man auch damit die
Mitarbeiter(innen) des Altenpflegeheimes oder die ehrenamtlichen Helfer(innen) der
Sterbebegleitung (Omega) ausschließen?
Und wenn jemand ganz jung, durch ein Unglück oder Herzinfarkt plötzlich stirbt oder selber seinem Leben ein Ende machte, dann kann eine große Schar derer, die
die Begräbnisliturgie mitfeiern und mit zum Friedhof gehen, den engsten Angehörigen in besonderer Weise den Rücken stärken, sie aufbauen und trösten. Wenn der
Tod den engsten Verwandten und Freunden „die Sprache verschlägt“, können Menschen, die dem Verstorbenen etwas distanzierten gegenüber standen, eher beim
Trauergottesdienst mitsingen und mitbeten. In einer größeren Trauergemeinde, in
der sich die Trauerfamilie gut aufgehoben fühlt, braucht sich keiner seiner Trauer,
Tränen Zweifel und Fragen (“Warum?“) zu schämen. Auch das bloße Dasein beim
Trauergottesdienst und beim Gang zum Grab kann die Wertschätzung gegenüber
dem Verstorbenen und den Angehörigen das „Beileid“, die innere Anteilnahme, die
Sym-pathie (wörtlich: das Mitleid) zum Ausdruck bringen.
Um die Verbundenheit mit der Kirchengemeinde zum Ausdruck zu bringen, wird in
den Gemeindemessen bis zum Beerdigungstag für den Verstorbenen namentlich
gebetet und der Zeitpunkt der Beerdigung bekannt gegeben.
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Das letzte Geleit
Der Weg zum Grab sollte während des Läutens des Totenglöckchens die Möglichkeit
zur Besinnung bieten. Deshalb ist es sinnvoll, in der Trauerhalle ausdrücklich zur
Stille und zum Schweigen auf dem Weg bis zum Grab einzuladen oder den Rosenkranz oder eine Litanei (vor-) zu beten. Angeregte Unterhaltungen sind unangemessen.
„Von Beileidsbekundungen bitten wir abzusehen…“
Was wäre, wenn man diesen Wunsch der Angehörigen ernst nehmen würde? Dann
würde niemand seine Anteilnahme und sein Beileid ausdrücken dürfen. Gemeint ist
wohl, dass man nicht am Grab die Reihe der Angehörigen abschreiten soll. Aber ich
finde diese Form sehr menschlich. Es erscheint mir angemessener am Grab persönlich zu kondolieren (zu dürfen) als ein paar Zeilen zu schreiben und mit der Post zu
schicken. Einen Trauerbesuch bei den engsten Angehörigen werden wohl nur die
wenigsten machen. Und am Grab reicht oft ein stiller Händedruck. Ich respektiere
den Wunsch der Angehörigen, mache aber als Priester, der die Begräbnisliturgie
leitet, einen Hausbesuch und gehe ganz bewusst zum Friedensgruß in der Beerdigungsmesse zu allen Angehörigen, die in der ersten Kirchenbank sitzen.
„An dich hat er geglaubt und auf dich hat er gehofft“
- so heißt es in einem Tagesgebet der Beerdigungsmesse. Und in einem anderen:
„Allmächtiger Gott und Vater, wir glauben und bekennen, dass dein Sohn für uns
gestorben und auferstanden ist. Im Glauben an dieses Geheimnis ist unser Bruder
(unsere Schwester) N. von uns gegangen.“ Beim Trauergespräch mit den Angehörigen ist die Frage zu klären, wie eng der Verstorbene tatsächlich mit dem christlichen Glauben und der Kirche verbunden war. In der Begräbnisliturgie soll nichts
beschönigt oder verklärt, aber auch niemand beschuldigt werden. Nachher sollte es
nicht heißen: „Hätte der Priester den Verstorbenen selber gekannt, dann hätte er
nicht so von ihm geredet!“
Ein Leben aus dem Glauben und die Hoffnung auf Auferstehung sollten auch in der
Gestaltung der Todesanzeige (Kreuz, Bibelvers) und des Totenbildchens, das auf
dem Weg zum Grab verteilt und oft noch in die Danksagungskarten eingelegt wird,
deutlich werden. Das Totenbildchen sollte ausdrücklich auch zum Gebet für den
Verstorbenen einladen. Auf dem Sarg sollte ein Kreuz angebracht und ein Kreuz auf
dem Weg zum Grab vorangetragen werden. Manchmal wird an beidem gespart…
Auch der Glaube und die Kirchenverbundenheit der Angehörigen sollte im Trauergespräch angesprochen werden. Traurig wäre es, wenn erst im Trauergottesdienst im
kleinen Kreis festgestellt wird, dass keiner so recht antworten und mitsingen kann.
Es ist traurig, wenn ein Mensch sang- und klanglos beerdigt wird. Es macht Sinn,
gegen den Tod anzusingen!
Wenn kaum einer aus der Trauergemeinde mitsingen kann, sollte man auf mehrere
Instrumentalstücke zurückgreifen. Dies lässt auch den Gebrauch eines CD-Players
in der Friedhofshalle sinnvoll erscheinen, wenn kein Organist zur Verfügung steht.
Dabei sollte es aber nicht um die Lieblingsmusik des Verstorbenen oder dessen Angehörigen gehen, sondern um geistliche Instrumentalmusik oder Vokalstücke mit
ausdrücklich christlichem Inhalt, denn die Musik soll trösten und möglichst ein Ausdruck des Auferstehungsglaubens sein. Dies ist rechtzeitig vorher mit dem Priester,
Diakon oder Pastoralreferenten abzusprechen, der die Begräbnisliturgie leitet und
nicht mit dem Bestatter. Gleiches gilt für die Frage, ob in der Pfarrkirche eine eigenes Seelenamt unmittelbar vor oder nach der Beerdigung gefeiert werden oder ob
am nächsten Samstagabend in der Gemeindemesse des Verstorbenen namentlich
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gedacht werden soll. Die Zahl der Beerdigungen mit eigener Totenmesse in der
Pfarrkirche nimmt in Bocholt ab.
Für Trauerfeiern und Beerdigungen von aus der Kirche Ausgetretenen gelten besondere Regelungen.
Scheiden tut weh
Der Tod eines lieben Menschen ist ein schmerzvoller Verlust. Wünschenswert wäre
es, wenn der Trauernde auch in den Wochen nach der Beerdigung von Angehörigen, Nachbarn, Freunden und Gemeindemitgliedern begleitet würde. In der biblischen Emmausgeschichte (Lk 24) begegnet uns Jesus als Trauerbegleiter. „Trauernde trösten“ und „Tote begraben“ sind „Werke der Barmherzigkeit“.
Auch die Gemeinschaft, die eine Kirchengemeinde bei ihren „normalen“ Angeboten
bietet, kann für Trauernde hilfreich sein.
In einigen Kirchengemeinden gibt es Gesprächskreise für Trauernde und auch Beratungsstellen und Bildungseinrichtungen (in Bocholt z.B. die Familienbildungsstätte
am Ostwall) bieten Unterstützung und Begleitung an, z.B. für Eltern und Familienangehörige, die um ihr totes neugeborenes Kind trauern (sog. verwaiste Eltern).
„…der als nächster…“: Memento mori! Im Falle meines eigenen Todes
In der katholischen Beerdigungsliturgie wird am Grab für den gebetet, „für den aus
unserer Mitte, der als erster dem Verstorbenen vor das Angesicht Gottes folgen
wird.“ Und im Ave Maria heißt es: „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes.“ Vielfach wird der Tod tabuisiert, als
käme er nicht vor. Aber der Tod gehört zum Leben dazu! Zu jedem Leben. Auch zu
meinem. Deshalb macht es Sinn, sich mit den Fragen meines Sterbens und die Gestaltung der eigenen Beerdigung zu beschäftigen und dies mit den engsten Angehörigen zu kommunizieren oder durch einen Vorsorgevertrag beim Bestatter festzulegen: „Heute schon an morgen denken!“ In diesen Zusammenhang gehören auch
die Regelungen einer Patientenverfügung, eines Organspendeausweises, einer möglichen Obduktion, einer privaten Sterbegeldversicherung und die Erteilung von
Vollmachten. Und es sollte klar sein, wo solche Schriftstücke hinterlegt sind. Wenn
vieles vorher geregelt ist, entlastet dies die Angehörigen ungemein.
Wie ist das mit meinem Nachlass im Internet? (z.B. Passwörter)
Hab ich selber ein Testament gemacht? Wer weiß darum, wo ich es hinterlegt habe?
Heute schon gelebt?
Dass Leiden und Sterben zum Leben dazu gehören, sollten uns dazu veranlassen,
Tag für Tag bewusst zu (er-)leben.
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