Landtag von Sachsen-Anhalt Ausschuss für Arbeit und Soziales Domplatz 6-9 39094 Magdeburg Königswinter, den 17.02.2015 Durchwahl: 0 22 44 / 92 53 91 Fax: 0 22 44 /92 53 90 E-Mail: [email protected] Stellungnahme zum Gesetzesentwurf Drs. 6/3040, Entschließungsantrag Drs. 6/3041 und Antrag Drs. 6/3048 Sehr geehrte Damen und Herren, wir danken Ihnen für die Möglichkeit zur Stellungnahme. I. Zum Gesetzesentwurf Drs. 6/3040 a. Artikel 1 Nr. 1 und 2 Diese Vorschläge entsprechen im Kern unseren Forderungen, die wir seit vielen Jahren im Interesse der betroffenen Menschen aufgestellt haben. Die Aufhebung des Sargzwanges ist zu befürworten, da die für die Sargpflicht benannten Gesichtspunkte bei näherer Betrachtung nicht überzeugend sind. Als Argumente für den Sargzwang werden immer wieder angeführt: 1. Die Tradition 2. Die Hygiene 3. Eine vermeintlich bessere Verwesung aufgrund des im Sarg befindlichen Sauerstoffs 4. Die Menschenwürde 5. Die Rücksicht auf das Empfinden Dritter, die mit dem Verstorbenen beruflich oder in sonstiger Weise bei der Bestattung in unmittelbaren Kontakt kommen. Auf die einzelnen Argumente ist jedoch entkräftend zu erwidern: 1 1. Geschichtlich ist es unseres Wissens so, dass der Holzsarg in Europa zwar bereits im 9. Jahrhundert bekannt war, sich jedoch erst Ende des 16. Jahrhunderts durchzusetzen begann. Allerdings konnten sich Sargbestattungen nur reiche Menschen leisten. In Süddeutschland war in manchen Gebieten noch bis ins 19. Jahrhundert eine sarglose Bestattung üblich. Es handelt sich zwar bei der Sargbestattung um eine jahrhundertealte Tradition, noch älter und weiter verbreitet war bis vor gar nicht langer Zeit jedoch die Tradition der sarglosen Bestattung. Auch nach christlichem Verständnis bzw. aus der Bibel lässt sich ein entsprechendes Gebot/eine entsprechende Tradition nicht herleiten, Jesus selbst wurde schließlich laut der Überlieferung nicht in einem Sarg beigesetzt. Es ist anzunehmen, dass u.a. die Hygienevorstellungen zu der weiten Verbreitung der Sargnutzung und später der Sargpflicht geführt haben. 2. Findet die Bestattung später als 24 Stunden nach dem Todesfall statt, können bereits Körperflüssigkeiten freigesetzt werden. Dies wird aus hygienischen und insbesondere auch ästhetischen Gründen für problematisch gehalten (vgl. Stellungnahme des Herrn Dr. Schoenen, S. 2, welche er im Auftrag der Sargindustrie im Gesetzgebungsprozess 2002 in Nordrhein-Westfalen verfasst hatte, abrufbar unter: http://www.postmortal.de/DokuArchiv/Recht/BestG-NRW/BestG-NRW-Stellungnahme-ProfDr-Schoenen-Uniklinik-Bonn.pdf). Deshalb sollten für den Transport im Falle einer Beerdigung nach mehr als 24 Stunden feste, geschlossene Behältnisse verwandt werden (vgl. Schoenen a.a.O.). Hier sei darauf hingewiesen, dass dies kein klassischer Sarg sein muss, insbesondere eignen sich auch Transportsärge, die vom Bestatter wieder verwendet werden können, was zu einer Kostenentlastung der Verbraucher führt. In dem eben genannten Gutachten machte der Sachverständige insbesondere auch klar, dass es aus hygienischer Sicht unerheblich ist, ob der Leichnam im Grab selbst nur in Tücher gehüllt ist oder z.B. in einem Sarg liegt. Damit steht aber fest, dass hygienische Gründe einer sarglosen Bestattung nicht entgegen stehen. Es sollte nur dafür Sorge getragen werden, dass entweder eine sehr zügige Bestattung ermöglicht oder aber beim späteren Transport der Austritt der Körperflüssigkeiten verhindert (durch Kühlung/thanatologische Behandlung) bzw. berücksichtigt wird (mit Hilfe eines dichten Behältnisses/Transportsarges, der auch wiederverwertbar sein kann). 3. Es wird immer wieder behauptet, dass der Sarg durch die um den Leichnam geschaf- fene Lufthülle zu einer besseren Verwesung und damit zur Verhinderung von Fettwachsleichen führt. Wahr ist daran zwar, dass grundsätzlich zur Verwesung Sauerstoff benötigt wird. Andererseits wird jedoch genau die gegenteilige Meinung vertreten, nämlich, dass der unmittelbare Kontakt der Erde (und der darin enthaltenen Organismen) mit dem Leichnam eine Verwesung beschleunigt. Wissenschaftlich belegt ist keine der Ansichten (vgl. die Projekt2 studie u.a. mit dem Kooperationspartner Universität Kiel, herausgegeben vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes 2004, S. 30; abrufbar unter https://www.dbu.de/OPAC/ab/DBU-Abschlussbericht-AZ-20314.pdf). Aus den weiteren Ausführungen in der Studie lässt sich entnehmen, dass die Verwesung in zwei bis drei Phasen abläuft, wesentlich für die Verwesung sind insbesondere die Bodenverhältnisse. Unstreitig dürfte darüber hinaus sein, dass Särge auch zu einer Verwesungshemmung führen können; Gerade hochwertige Särge, deren Holz nur langsam vergeht und die den Leichnam luftdicht einschließen, wie z.B. auch lackierte Särge, haben in vielen Fällen die Verwesung erschwert. Wir gehen daher davon aus, dass es insbesondere von den konkreten örtlichen Gegebenheiten und auch der Art des Sarges abhängt, ob die Verwesung besser in einem Leichentuch oder in einem Sarg fortschreitet. In keinem Fall ist jedoch wissenschaftlich belegt, dass die Verwendung von Leichentüchern häufiger zu einer Wachsleichenbildung führen. 4. Wir gehen davon aus, dass es nicht der Menschenwürde widerspricht, eine sarglose Bestattung zuzulassen, jedenfalls dann nicht, wenn es diese dem Willen des Verstorbenen entspricht. „Menschenwürde ist ein Begriff, der durch zweieinhalbtausend Jahre Philosophiegeschichte gegangen ist und in verschiedenen philosophischen Traditionen unterschiedliche Gestalt gewonnen hat. Von Menschenwürde redend, findet man sich sogleich in einer bestimmten philosophischen Tradition wieder“ (Pieroth/Schlink, Grundrechte, 27. Auflage 2011, S. 82). Dabei sind zwei gegenläufige, sich aber auch ergänzende Theorien bedeutsam. Die erste besagt, dass der einzelne selbst bestimmt, was seine Würde ausmacht, die zweite geht eher von einer objektiven Grenze aus. Die erste Theorie ist dort ungenügend, wo der einzelne handlungs- oder willensunfähig und zur Identitätsbildung außerstande ist (vgl. Pieroth/Schlink, a.a.O.). Die Menschenwürde stellt eine Tabugrenze dar. Die Gesellschaft ist sich einig, dass gewisse Weisen des Umgangs der öffentlichen Gewalt mit dem Menschen schlechterdings unerträglich sind. Dies bedeutet, dass eine positive Definition kaum möglich ist, sondern die Frage, was schlechterdings unerträglich ist, anhand des jeweiligen Einzelfalls angesichts des fraglichen Eingriffs beurteilt werden muss. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu – wiederum sehr unbestimmt – mit der sogenannten „Objektformel“ formuliert, dass es der Würde des Menschen widerspricht, ihn „zum bloßen Objekt des Staates“ zu machen (vgl. BVerfG NJW 2004 S. 739). Solange der Bürger selbstbestimmt und frei seinen Willen dahingehend geäußert hat, ohne Sarg bestattet zu werden, wird er nicht zum bloßen Objekt degradiert. Vielmehr wird der Würde des Menschen gerade erst durch die Ermöglichung der willensgemäßen Bestattung Genüge getan. Die Grenze zum Eingriff in die Menschenwürde würde unseres Erachtens erst dann überschritten, wenn der Staat ohne oder gegen den Willen des Verstorbenen z.B. im Rahmen 3 von Ordnungsamtsbestattungen eigenmächtig die Bestattung aus Kostenersparnisgründen ohne Sarg vornimmt. Denn die allgemein üblichen Bestattungsformen sind immer noch die Feuer- und Erdbestattungen im Sarg. Die Verwendung von Leichentüchern aus Kostengründen stellt damit eine Herabwürdigung dar, sofern dies nicht dem Willen des Verstorbenen entspricht. Unserer Ansicht nach wäre dies auch dann noch der Fall, wenn die sarglose Bestattung – ausschließlich – dem Willen der Angehörigen entspräche. 5. Niemand ist gezwungen, an den entsprechenden Bestattungen teilzunehmen. Unse- res Erachtens ist der Wille des Verstorbenen grundsätzlich maßgeblich und vorrangig. Sicherlich existiert auch eine „objektive Grenze“ in dem Empfinden Dritter, die aber in dem bereits diskutierten Kriterium der Menschenwürde zu finden ist. Wenn eine gewisse Tabugrenze überschritten wird, ist die Menschenwürde unserer Ansicht nach auch willensbegrenzend auszulegen. Dies wäre z.B. bei einer tatsächlich gewünschten „Entsorgung“ der Fall. Auch das in der Plenarsitzung vom 16.05.2014 genannte Argument, dass die Aufhebung des Sargzwanges Auswirkungen auf die Ärmsten hätte, insbesondere also entsprechende Ordnungsamtsbestattungen ausgeführt würden oder die Sozialämter nur noch die Kosten für eine solche Bestattung übernähmen, schlägt nicht durch. Denn zulässig ist die sarglose Bestattung nach dem eindeutigen Wortlaut des Vorschlages ja nur, wenn sie dem Willen des Verstorbenen entspricht. Dies können und dürfen auch die öffentlichen Rechtsträger nicht umgehen, sie müssten das Vorliegen des entsprechenden Willens im konkreten Fall nachweisen. Darüber hinaus dürfen ortsübliche Bestattungsgewohnheiten der Bezieher unterer bis mittlerer Einkommen zumindest im Rahmen von § 74 SGB XII nicht unterschritten werden. Bislang noch nicht geäußerte Bedenken könnten daraus resultieren, dass nach dem Gesetzesentwurf der formlose Wille des Verstorbenen ausreichen soll. Daraus könnte sich die befürchtete Missbrauchsgefahr durch Angehörige aus Kostenersparnisgründen ergeben. Dazu sei angemerkt, dass auch ein Wille in einfacher Schriftform einfach zu fälschen ist und es gegen kriminelle Machenschaften keine absolute Sicherheit geben kann. Die meisten Menschen gehen jedoch davon aus, dass ihr formlos geäußerter Bestattungswunsch berücksichtigt werden muss. Das Festschreiben einer Form aus Angst vor wenigen Missbrauchsfällen würde also dazu führen, dass der Wille vieler nicht berücksichtigt werden dürfte. Insbesondere würde dies auch für verstorbene Muslime gelten, für die gerade aufgrund der grundrechtlich zu gewährenden Religionsfreiheit die Ermöglichung der sarglosen Bestattung geboten ist. Zusammengefasst befürworten wir also die im Gesetzesvorschlag angedachte Aufhebung der Sargpflicht. Unseres Erachtens sollte der Gesetzesvorschlag noch einen kleinen Schritt 4 weiter gehen, da ja lediglich von „können […] in Tüchern bestattet werden“ die Rede ist. Dieses „können“ weist auf ein Ermessen hin, welches auch bei Wunsch des Verstorbenen nach der sarglosen Bestattung noch auszuüben ist. Unseres Erachtens sollte das Wort „können“ durch „sollen“ ersetzt werden, welches für Ausnahmefälle immer noch genügend Spielraum übrig lässt, aber eindeutig klarmacht, dass es sich um ein gebundenes Ermessen handelt. b. Artikel 1 Nr. 3 Diese Regelung erscheint im Grundsatz angemessen, um eine kurzfristigere Bestattung aus religiösen Gründen zu ermöglichen. Die Formulierung könnte man jedoch dahingehend deuten, dass der den Tod feststellende Arzt mehr unternehmen soll als bei der derzeit vorgeschriebenen Leichenschau. Dies ist unseres Erachtens aber nicht notwendig. Mehr als den Tod – insbesondere mit Hilfe von sicheren Anzeichen des Todes – festzustellen, kann der Arzt nicht. Insofern könnte § 17 Abs. 1 einfach gestrichen werden, denn ohne Todesbescheinigung ist schließlich die Beisetzung ohnehin nicht zulässig (§ 13 Abs. 1BestG). c. Artikel 1 Nr. 4 Diese Vorschrift halten wir in der vorgeschlagenen Form aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.10.2013, Az.: 8 CN 1.12 für rechtswidrig. Denn danach widerspricht es dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Gebot der Klarheit und Bestimmtheit einer Norm, „wenn und soweit sich aus ihr [nicht] mit ausreichender Bestimmbarkeit ermitteln lässt, was von den pflichtigen Personen verlangt wird. Vom Normgeber wird verlangt, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist“. So wurde bezüglich der im dortigen Verfahren zu überprüfenden Norm vom Bundesverwaltungsgericht angenommen, dass es der Gesetzgeber „der Friedhofsverwaltung überlassen [hat] zu überprüfen und zu beurteilen, ob die von den Steinmetzen beigebrachten Nachweise belegen, dass das Grabmal in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt worden ist, und damit die im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Bestimmung entstehenden Probleme unzulässigerweise in den Normvollzug verlagert. Dies könnte den Anforderungen an die Klarheit und Bestimmtheit einer Norm nur gerecht werden, wenn für den Normbetroffenen unschwer erkennbar wäre, welcher Nachweis genügen würde. Daran fehlt es jedoch, da es bislang keine validen Nachweismöglichkeiten gibt. Derzeit können sich die Steinmetzbetriebe nur auf Eigenerklärungen von Herstellern und Lieferanten stützen, die jedoch keinerlei Sicherheit hinsichtlich des Merkmals ,frei von Kinderarbeit‘ garantieren können. Verlässliche Zertifizierungssysteme und Gütesiegel unabhängiger Organi5 sationen sind bisher nicht bekannt (vgl. dazu auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion, BTDrucks 16/12988 S. 5 f.); ob die vorhandenen Zertifikate aussagekräftig sind und auf tatsächlichen Inspektionen in den Herkunftsländern der Grabmale beruhen, ist für die Steinmetze mit zumutbarem Aufwand nicht nachprüfbar. Angesichts dessen bedürfte es einer Bestimmung, welcher Art der geforderte Nachweis zu sein hat und welche Nachweise als ausreichend angesehen werden; gegebenenfalls müsste der Normgeber die Voraussetzungen festlegen, unter denen die Zeugnisse privater Zertifizierungsstellen als ausreichend angesehen werden.“ Zusammengefasst heißt dies unserem Verständnis nach, dass zumindest die Anforderungen, die an entsprechende Zertifikate zu stellen wären, konkret im Gesetz enthalten sein müssen. Das Problem der fehlenden qualifizierten Zertifizierungsstellen versucht derzeit die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen bzw. die Staatskanzlei (Büro „Newtrade“) in den Griff zu bekommen, da sie sich selbst durch ihr mit heißer Nadel gestricktes Gesetz unter Zugzwang gesetzt hat. Es ist noch lange nicht sicher, dass tatsächlich bis zum dortigen Stichtag 01.05.2015 entsprechende Zertifizierungsstellen existieren. Unserer Auffassung nach sollte aber vor dem Ergehen einer entsprechenden Regelung auf die Etablierung entsprechender Zertifizierungsstellen und die ersten Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen gewartet werden. Anderenfalls würden die Verbraucher in ihrem Handlungsspielraum unnötig wenn nicht gar rechtswidrig eingeschränkt. An dieser Stelle sei auch auf weitere Probleme hingewiesen: Die Freiheit von Kinderarbeit ist für jeden Schritt in der Produktionskette zu beachten, was insbesondere bei Reimporten sehr schwierig ist. So werden beispielsweise schon heute skandinavische und in Einzelfällen sogar deutsche Steine zur günstigen Bearbeitung nach China verschifft. Außerdem ist Kinderarbeit bei weitem nicht das einzige Problem. So scheinen manche indischen Hersteller das in Deutschland vorhandene Bewusstsein für die Kinderarbeitsproblematik zu berücksichtigen, indem Sie auf Arbeiten durch andere sozial schwache unter unmenschlichen Bedingungen zurückgreifen. Zumindest gibt es Gerüchte, dass nun mehr z.B. die sozial in Indien geächteten Witwen von der Steinindustrie ausgebeutet werden. Damit ist aber der Versuch der Eindämmung von Kinderarbeit nur ein erster Schritt. 6 II. Entschließungsantrag Drucksache 6/3041 a. Zu 1. (Friedhofszwang) Eine Debatte zum Thema Friedhofszwang findet seit geraumer Zeit bundesweit sowohl in der Bevölkerung und den Medien als auch in der Fachbranche des Friedhofs- und Bestattungswesens statt. Seit Jahren versuchen wir in dieser Diskussion, die sich auf die Friedhofspflicht für Urnen/Totenasche konzentriert, auf eine Versachlichung des Themas hinzuwirken und die Wünsche der Menschen zu benennen. Eine in unserem Auftrag vom Institut TNS Emnid im Jahr 2013 durchgeführte repräsentative Umfrage (online nachzulesen unter: http://www.aeternitas.de/inhalt/marktforschung/meldungen/2013_aeternitas_umfrage_friedho fszwang) zeigt, dass rund zwei Drittel der Bevölkerung den Friedhofszwang für Totenasche für veraltet halten. Leider wurde dennoch immer wieder erfolgreich mit Hilfe von Klischees und Mythen für den Erhalt des Friedhofszwangs gekämpft. Im Folgenden wollen wir in Tabellenform die Argumente pro und contra Aufhebung des Friedhofszwangs (für Urnen/Totenasche) kurz zusammenfassen: Contra Pro/ Lösung Kein öffentlicher Zugang bei privaten Bestat- - Man könnte diesen einerseits schon tungsplätzen, es sollte jedem möglich sein gewährleisten, ohne den Friedhofs- den Verstorbenen zu besuchen. zwang beizubehalten, indem z.B. die Bestattung auf Privatgrundstücken von der Ermöglichung von Besuchen durch jedermann abhängig gemacht wird. - Andererseits ist man auch zu Lebzeiten nicht gezwungen, Besuch zu empfangen. So sollte es auch nach dem Tod dem Willen des Verstorbenen vorbehalten bleiben, zu entscheiden, wer ihn ohne Probleme besuchen kann (die Würde des Verstorbenen ergibt sich schließlich insbesondere aus dessen Willen). - Öffentlichen Zugang gibt es bei der Seebestattung schon jetzt nicht. - Dem Willen des Verstorbenen entsprechende Totensorge- und Toten- 7 ehrungsmaßnahmen können notfalls sogar im Zivilprozess erstritten werden. Ein Totensorgeberechtigter (derjenige der vom Verstorbenen dazu bestimmt wurde, ansonsten die nächsten Angehörigen in einer bestimmten Reihenfolge) hat das Recht, dem Willen des Verstorbenen widersprechende Handlungen zu verhindern und dem Willen entsprechende Handhabungen durchzusetzen. Strafrechtliche und kriminalistische Erwä- - gungen („Beweisvernichtung“) Nur in ganz besonderen Einzelfällen kann überhaupt noch aus der Asche eine Erkenntnis gewonnen werden (bestimmte Vergiftungen). - Bei der schon jetzt zugelassenen Seebestattung, die jeder wählen darf, besteht dieselbe Problematik. - Es könnten auch einfach speziellere Untersuchungen für diesen Fall vorgeschrieben werden, bevor die Asche herausgegeben wird („Aschenrückstellprobe“). Geschützterer Raum auf dem Friedhof, - sonst Gefahr eines unwürdigen Umgangs: Ja, der praktische Zugriff wird in Einzelfällen einfacher sein, doch ein - Entsorgung Missbrauch ist nur in den allerwe- - „Grachtenaffäre“ (angeblich seien nigsten Fällen zu befürchten. viele Urnen in niederländischen - - Die Grachtenthese ist frei erfunden, Grachten aufgefunden worden) es ist uns bislang nicht der Nachweis Problem bei Verkauf/Verlust des ent- für eine einzige Urne erbracht wor- sprechenden Grundstücks den, die in einer Gracht aufgefunden worden wäre. - Die Angehörigen, die bereit sind, die Asche im eigenen Bereich aufzubewahren, sind sehr häufig diejenigen, denen besonders viel an einem „gu- 8 ten Umgang“ mit den Überresten liegt. - Im Ausland auch kein tatsächliches Problem, im Übrigen bestehen ja weiterhin aus dem Totensorgerecht resultierende zivilrechtliche Ansprüche, mit deren Hilfe grundsätzlich ein Missbrauch verhindert werden kann. - Eine Bebaubarkeit der privaten Begräbnisstätte könnte z.B. mit Hilfe einer Baulast verhindert werden. - Auch heute bekommt man die Urne schon auf einfachem Wege ausgehändigt, notfalls über den Umweg ins Ausland. Erschwerte Trauer - Nicht wissenschaftlich belegbar. - Lediglich eine Bevormundung. - Es ist jedem selbst überlassen, die Urne später doch noch auf Friedhof bzw. anderswo in Entfernung zum endgültigen Abschied beizusetzen, wenn keine Verstreuung gewählt wurde. Rücksicht auf das Empfinden der „Nachbarn“ In anderen Ländern kein Problem; auch in („Scheu vor dem Tode“/„psychische Aus- Deutschland mittlerweile nur noch die Min- strahlungswirkungen“, „Gefühlswelt vieler derheit, die ein etwas ungutes Gefühl hat; Bürger zu respektieren“) und sonstiger damit die Mehrheit (rund 2/3) der Bevölkerung hält in Kontakt kommender Menschen den Friedhofszwang für Totenasche für veraltet. Ein ungutes Gefühl einiger ist aber keine Rechtfertigung in die Grundrechte anderer gravierend einzugreifen. Die Gemeinden müssen außerdem bei der Anlage von Friedhöfen auch keine Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Nachbarn nehmen (vgl. BayVGH 14 N 94.93 v. 11.05.1998; VG Würzburg 2 K 98.1127/ W 2 K 98.1127 v. 10.02.2000 zit. nach Böttcher, 9 Das aktuelle Praxishandbuch des Friedhofsund Bestattungswesens, Kap. 6/6.2.2). Abstandsflächen werden kaum noch (Ausnahme Baden-Württemberg und Sachsen ) für nötig gehalten, dabei besteht mit Trauerfeiern eine weitaus höhere Belastung! Es ist Böttcher zuzustimmen (Kap. 6/6.2.2) was er zur seelischen Belastung unter Bezugnahme auf VG Stuttgart 6 K 2613/08 v. 10.09.2008 und OVG Meck-Vorp. 2 L 360/02 v. 28.03.2007 schreibt: „Derartige subjektive Empfindlichkeitsstörungen sind jedoch durch das auf objektivierbare Kriterien angewiesene Recht nicht fassbar“. Aschefilme auf beliebten Plätzen Schlimmstenfalls müsste an einzelnen Orten die Verstreuung reglementiert werden. Ohnehin muss auf Belange wie Umweltschutz weiterhin Rücksicht genommen werden, ein Recht auf Ausstreuung nahezu überall muss und kann nicht unbedingt gewährt werden. Die strengstmögliche Lösung, die dennoch den Friedhofszwang auflöst, wäre die Zulässigkeit der Aufbewahrung der Asche im Privatbereich einerseits und die Zulässigkeit der Ausstreuung in der Natur an bestimmten Plätzen (vgl. neues Recht in Bremen). Befürchtung, dass weniger Fallzahlen und Der tatsächliche Grund für die Beibehaltung damit finanzielle Unterversorgung der Kom- des Friedhofszwangs aus staatlicher Sicht ist munen wächst. die finanzielle Absicherung der Kommunen bzw. sonstiger Friedhofsträger; rein fiskalische Interessen sind aber keinesfalls geeignet, als verfassungsrechtlich tragfähige Begründung für gravierende Freiheitsbeschränkungen zu dienen, außerdem ist es aufgrund der langen Tradition unwahrscheinlich, dass die Fallzahlen überhaupt erheblich zurückgingen (im Ausland werden auch wei10 terhin die allermeisten Urnen auf Friedhöfen beigesetzt) Wir hoffen, dass sich die Politik an die Spitze der Diskussion stellt und dabei tatsächlich die Wünsche der Bürger in den Mittelpunkt rückt. b. Zu 2. Hier verweisen wir auf unsere Ausführungen zum Gesetzesentwurf Artikel 1 Nr. 4. III. Entschließungsantrag Drucksache 6/3048 Zu 1) Im Wesentlichen kann den Aussagen zugestimmt werden, einem Teil der angesprochenen Probleme wird bereits durch den Gesetzesentwurf abgeholfen. An uns werden sehr selten Ängste oder Sorgen wegen der Feststellung der Todesursache herangetragen. Dazu aber noch im Folgenden. Zu 2) a) In diesem medizinischen Bereich sind wir keine Experten. Um die Forschungsmöglichkeiten zu verbessern, die mit einer ordnungsgemäßen Feststellung der Todesursache einhergehen, und um überhaupt valide Zahlen zu bekommen, inwieweit die befürchtete Dunkelziffer auf Fakten basiert, erscheint es sinnvoll, zumindest in Stichproben bzw. Modellversuchen die Todesfeststellung und eine genauere Untersuchung zu trennen und von besonders qualifiziertem Personal durchführen zu lassen. In diese Richtung ist im vergangenen Jahr auch in Nordrhein-Westfalen das Bestattungsgesetz geändert worden. Flächendeckend erscheint die Zweiteilung mangels Personal und wegen des sehr hohen Finanzierungsaufwandes (noch) nicht angebracht. Die Ärzteschaft beschwert sich seit langem, dass der maximale Betrag von rund 77 € für die einfache Leichenschau nicht ausreicht und berechnet regelmäßig in rechtswidriger Weise Beträge bis zu 200 €. Vor diesem Hintergrund erscheint der in der Plenarsitzung vom 16.05.2014 geschätzte Mehraufwand in Höhe von 12 bis 22 € pro Fall als viel zu niedrig. Eine eventuell von der Verwaltung angeordnete Sektion ist aufgrund des erheblichen Eingriffs in das Totensorgerecht der Angehörigen und die Würde des Verstorbenen nur in seltenen Ausnahmefällen zur Gefahrenabwehr – etwa bei zu erwartenden Epidemien oder Ähnli11 chem – bedenkenswert. Im Übrigen besteht die Möglichkeit, die Menschen zu motivieren, sich freiwillig im Falle des Todes sezieren zu lassen. Ein Zwang vor dem Hintergrund einfacher Forschungszwecke erscheint nicht angemessen. b) Zur Klarstellung sollte die Regelung des § 15 Abs. 2 in eine „Muss-Vorschrift“ geändert werden, da auf Wunsch eines Elternteils eine Bestattung stattzufinden hat und das Recht nicht verwehrt werden darf. Außerdem fehlt eine Hinweispflicht für die Krankenhäuser auf das Bestattungsrecht für Fehlgeborene (unter 500 g Körpergewicht) und Leibesfrüchte aus Schwangerschaftsabbrüchen. Ohne den Hinweis werden viele Eltern nicht von ihrem Bestattungsrecht erfahren und später bereuen, die Bestattung nicht veranlasst zu haben. In den Krankenhäusern muss natürlich entsprechende Aufklärungsarbeit unternommen werden. Alle Initiativen, die darauf hinwirken, kostengünstige und kostenlose „Sternengrabfelder“ entstehen zu lassen, begrüßen wir. Es sollte klarstellend auch eine Beisetzung für diejenigen „Sternenkinder“ verlangt werden, bei denen die Eltern keine eigene Bestattung veranlassen, damit es eben nicht zu einer Entsorgung über den Klinikmüll kommen kann. c) Diesen Forderungen wird im Gesetzesentwurf der Grünen unseres Erachtens in einem angemessenen Maß Rechnung getragen. Es ist natürlich auch begrüßenswert, wenn einzelne Friedhofsträger eigene, noch weitergehende Initiativen ergreifen, um den muslimischen Mitbürgern die Integration über den Tod hinaus zu erleichtern. d) Dies befürworten wir (siehe Tabelle oben). e) Zu § 17 BestG: Die Bestattungsfrist (zur Einäscherung und Sargbestattung) ist mit 10 Tagen noch recht kurz bemessen, zumindest könnten die Sonn- und Feiertage aus der Fristberechnung ausdrücklich herausgenommen werden. Die Frist zur Beisetzung der Urnen/Totenasche sollte wie z.B. in Sachsen und Thüringen auf 6 Monate verlängert werden. Dies käme neben den Angehörigen auch den Ordnungsbehörden entgegen, die in der Kürze der Zeit die Angehörigen häufig sicherlich nicht ermitteln können. 12 Zu § 22 BestG: Es ist bedenkenswert, die Mindestruhezeit für Totenasche zu verkürzen. Grundsätzlich richtet sich die Ruhezeit nach der Verwesungszeit. Mit der Einäscherung ist der Leichnam jedoch bereits vergangen. In Bayern gibt es einzelne Friedhöfe, auf denen die Ruhezeit für Urnen lediglich 7 Jahre beträgt. Die Untergrenze sollte danach bemessen werden, wie lange man davon ausgeht, dass die postmortale Würde des Verstorbenen eine gewisse Ruhe erfordert. Eine kürzere Ruhezeit ermöglicht sowohl den Angehörigen als auch den Friedhöfen mehr Flexibilität. f) Die gibt es bereits, wenn es unseres Erachtens auch bedenkenswert erscheint, in diese Richtung mehr Raum für Privatisierungen zu geben. Schon jetzt ist eine Verwaltungshelferschaft und damit auch eine gewisse Art der Partnerschaft zwischen dem Friedhofsträger und Privaten möglich. g) Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetz sind bereits nach dem Gesetz (§ 14 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 10 Abs. 2 S. 1 BestG) Bestattungspflichtige. Es wird daher davon ausgegangen, dass beabsichtigt ist, auch einfache Lebensgefährten mit zu verpflichten. Aus Verbrauchersicht ist dies eine zweischneidige Angelegenheit. Einerseits wird der Lebensgefährte damit, obwohl er sich gerade gegen eine rechtliche Bindung durch die Eheschließung entschieden hat, in eine unter Umständen mit Kosten verbundene rechtliche Verpflichtung gezwungen. Andererseits hat der Lebensgefährte dadurch in prekären Lebensverhältnissen so häufig erst die Möglichkeit, nach § 74 SGB XII die Kostenerstattung zu erlangen. Unserer Auffassung nach sollte der Lebensgefährte daher hinter den näheren Verwandten genannt werden. Dann wird dem Gedanken ausreichend Rechnung getragen, dass grundsätzlich die nahen Angehörigen vor der Allgemeinheit verpflichtet sind, für die Bestattung zu sorgen und deren Kosten zu tragen. Mit freundlichen Grüßen Aeternitas e.V. Torsten Schmitt Christoph Keldenich - Rechtsreferent - - 1. Vorsitzender 13
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