ROMANISCHES 7. Sinfoniekonzert des Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchesters Solist: Katarzyna Myćka, Marimba Dirigent: Florian Erdl 05.05.2015, Schleswig, 19.30 Uhr, A.P. Møller Skolen 06.05.2015, Flensburg, 19.30 Uhr, Deutsches Haus 07.05.2015, Husum, 20.00 Uhr, NordseeCongressCentrum 08.05.2015, Rendsburg, 19.30 Uhr, Stadttheater Hans Werner Henze Sieben Boleros aus der Oper „Venus und Adonis“ (2000) La irascible (Die Jähzornige) La alabanza (Der Lobpreis) La expectación (Die Erwartung) El pavo real (Der königliche Pfau) La soberbia (Der Hochmut) Dolor (Schmerz) El gran paso de la Reina Arábica (Der große Schritt der arabischen Königin) „Maurice Ravel war Baske und schrieb sehr schöne Wiener Walzer. Mozart war aus dem bayerischen Salzburg und schrieb italienische Arien. Strawinsky war Petersburger und machte norwegische Stimmungsbilder, der weiße Gershwin erfand die schönsten schwarzen Spirituals und so weiter. Schon in der Barockzeit interessierten sich Komponisten aller Länder für Phänomene der spanischen Folklore, die Rhythmen, die harmonischen Vorgänge und die daraus hervorgehende Melodik und auch für die kulturgeschichtlichen Hintergründe, vor denen die magischen Gestalten dieser zeitlosen Musik existieren. Ich komme aus Westfalen, aber meine erste Oper, der Einakter Das Wundertheater, stellt eine wortwörtliche Vertonung eines Intermezzos von Miguel Cervantes El teatro de la maravillas dar. […] Ich bereitete mich also in all diesen Jahren langsam vor auf die heutigen Sieben Boleros, die ganz zitatenfrei meiner Feder entsprungen und in meinen Augen und Ohren ganz und gar spanische Musik sind oder besser: so wie ich mir das Spanische in der Kunst vorstelle. Man möge mir verzeihen. Diese Boleros haben eine Vorgeschichte insofern, dass ihre Eigenschaften schon einmal in einem anderen Kontext und in anderer Instrumentierung ein wenig zum Vorschein gekommen sind, und zwar in meiner Oper Venus und Adonis […]. Abgelöst vom Theater und von den Menschenstimmen, sollen diese Boleros nun als reine Instrumentalmusik gelten und als solche zu verstehen sein, ja, und als Grußbotschaft an ein fernes, wundersam schönes Land, von dem wir Ausländer so wenig wissen, dass wir andauernd davon träumen.“ Hans Werner Henze Kurzinfo – Hans Werner Henze 1. Juli 1926 – 27. Oktober 2012 • einer der bedeutendsten deutschen Komponisten des 20. Jahrhunderts • lebte 59 Jahre in Italien und entwickelte eine eigene, vom italienische Lebensgefühl inspirierte Klangsprache • den Schwerpunkt seines Schaffens bilden Bühnenwerke • in seinem umfangreichen Œuvre finden sich außerdem 10 Sinfonien und Kompositionen fast aller Genres und Besetzungen • engagierte sich auch explizit als politischer Künstler Weiterführende Informationen: http://www.sueddeutsche.de/kultur/zum-tode-von-hans-werner-henze-eingeist-half-meiner-schwachheit-auf-1.1508811 Ney Rosauro Konzert Nr. 2 für Marimba und Orchester (2002) Water Running in High Mountains Reflections and Dreams Walking on Clouds Die Marimba – eine echte Rarität unter den Solisten Eine Marimba als Soloinstrument eines Sinfoniekonzerts? Das ist selbst für geübte Konzertbesucher noch etwas Ungewöhnliches. Kein Wunder: In ihrer jetzigen Form und Größe gibt es die Marimba – dieses an ein Xylophon erinnernde Schlaginstrument mit seinen Klangplatten aus Holz und den darunter befestigten Resonanzrohren – erst seit etwa 20 Jahren. Und doch weist das Instrument eine über tausendjährige Geschichte auf – Vorgänger finden sich in verschiedenen Kulturen Afrikas und der Gamelan-Musik Südostasiens. Marimba Xylophon Vibraphon Wie das Xylophon und das Vibraphon gehört auch die Marimba zur Instrumentengruppe der Stabspiele. Sowohl Marimba als auch Xylophon haben Klangplatten aus Holz. Meistens wird dafür Palisander, ein Tropenholz, verwendet. Die Marimba wird wie das Vibraphon bei solistischem Spiel mit 4 Schlegeln gespielt, hat aber im Vergleich zum Vibraphon und Xylophon einen größeren Tonumfang. Der Ton entsteht, indem man die chromatisch angeordneten Klangplatten anschlägt. Den charakteristischen Klang erhält die Marimba allerdings erst durch die Resonatoren, die unterhalb der Klangplatten angebracht sind. Sie dienen zwar nur der Verstärkung des Klanges, tun dies aber in einer Weise, dass der Ton erst dadurch seine volle, warme Klangqualität bekommt. Resonatoren Zum Marimbakonzert Ney Rosauros Erste Versuche, die Marimba auch hierzulande einem breiterem Publikum zugänglich zu machen, waren zunächst wenig erfolgreich – zu stark waren die solistischen Streich-, Blas- und Tasteninstrumente in der europäischen Musikgeschichte verankert. Die Wende brachte erst das 20. Jahrhundert, in dem nun auch Schlaginstrumente Solopartien für sich beanspruchten. Das erste Konzert für Marimba schuf der amerikanische Komponist Paul Creston 1940, Darius Milhaud folgte seinem Beispiel sieben Jahre später – und gab damit den Auftakt für die Etablierung der Marimba als Konzertinstrument. An diese Entwicklung knüpfte 2001 auch der brasilianische Komponist und Schlagwerker Ney Rosauro mit seinem zweiten Konzert für Marimba und Orchester an, in dem er die feurigen Rhythmen und Melodien seiner Heimat mit Jazz-Elementen kombiniert. Jedem der drei Sätze gab Rosauro entsprechend seinem musikalischen Charakter einen schlagkräftigen Titel: Der energetische erste Satz Water Running in High Mountains, der formal stark an einen Sonatensatz erinnert, beschreibt nach eigenen Aussagen des Komponisten mit zwei kontrastierenden Themen das Wasser, das sich seinen Weg über die Abhänge der Rocky Mountains bahnt. Der langsame zweite Satz Reflections and Dreams beginnt mit einem musikalischen Zitat Johann Sebastian Bachs, dem sich im Mittelteil ein lebhaftes Fugato entgegenstellt, bevor das ruhige Thema des Anfangs wiederkehrt. Der Schlusssatz Walking on Clouds ist vor allem rhythmisch durch seinen prägnanten Wechsel von 3/4- und 2/4-Takt geprägt. Rosauros zyklischer Formwille zeigt sich, wenn hier vor der ausgedehnten Solo-Kadenz die Fugato-Idee des zweiten Satzes erneut aufgegriffen wird und anschließend Motive des Kopfsatzes erklingen. Mit einer mitreißenden Coda klingt das Konzert leichtfüßig aus. Kurzinfo – Ney Rosauro * 24. Oktober 1952 in Rio de Janeiro • brasilianischer Komponist, Marimbavirtuose und Dirigent • komponierte über 100 Stücke für Percussion und schrieb einige Lehrbücher • 1977 Beginn des Musikstudiums in Brasilien • Master und Doktor in Percussion an der Hochschule für Musik Würzburg und der University of Miami • 1975-87 Schlagwerklehrer an Escola de Musica de Brasilia • 1987-2000 Leiter der Percussion-Abteilung an der Federal University of Santa Maria • 20002009 Direktor der Percussion Studies an der University of Miami Hörbeispiel: Solist: Piotr Baranowski, Orkiestra Symfoniczna PFB. , DirigentMaciej Zółtkowski 1. und 2. Satz: https://youtu.be/MV3HaTrSjsQ 3. Satz: https://youtu.be/lXpcvVl0qg4 Weiterführende Informationen: http://www.neyrosauro.com/ Hugo Wolf Vor- und Zwischenspiele aus der Oper „Der Corregidor“ (1896) Bekannt wurde er als einer der bedeutendsten Liedkomponisten des späten 19. Jahrhunderts, der bei seinen filigranen Vertonungen stets mit feinstem Gespür für seine poetischen Vorlagen zu Werke ging – Hugo Wolf. „Aus tausend Liedern von Hugo Wolf kenne ich lediglich dreihundertvierundvierzig, und die gefallen mir nicht.“ Sicher, Gustav Mahlers Urteil über die Musik seines ehemaligen Kommilitonen und Mitbewohners Wolf fiel ein wenig bissig aus. Doch auch wenn Mahlers Aussage sowohl quantitativ (Wolf schrieb rund 300 Lieder) als auch qualitativ aus heutiger Sicht verfehlt ist, traf er in einer Hinsicht den Nagel auf den Kopf: Hugo Wolf war ein Meister der Miniatur. Aber keine Regel ohne Ausnahme! Mit seiner einzigen vollendeten Oper Der Corrgidor wagte sich Wolf 1896 auch an die große Form und entpuppte sich dabei als eingefleischter Wagnerianer: „Ohne die Meistersinger wäre Der Corregidor nie entstanden“, kommentierte der Komponist seinen verwobenen und an Leitmotiven reichen Orchestersatz. Schauplatz des lustigen Verwirrspiels nach Pedro de Alarcóns spanischer Novelle „Der Dreispitz“ ist Andalusien zu Beginn des 19. Jahrhunderts. „Der Corregidor Don Eugenio de Zuniga hat es auf Frasquita abgesehen, die bezaubernde Frau des Müllers Lukas. Frasquita und Lukas machen sich über den alten Lüstlings lustig, der wütend Rache schwört. Er begibt sich zum Bürgermeister und läßt seiner Frau ausrichten, daß er heute im Rathaus nächtigen werde. Der Bürgermeister tut ihm den Gefallen, Lukas vorzuladen, und während dieser sich zum Rathaus begibt, macht sich Don Eugenio in aller Ruhe an Frasquita heran. Aber auch diesmal fällt sein Vorhaben regelrecht ins Wasser. Als Frasquita, die sich auch nicht mit der Ernennung ihres Neffen zum Gerichtssekretär bestechen läßt, entrüstet davoneilt, macht er es sich im Bett der Müllersleute gemütlich. Immer noch siegessicher, befiehlt er seinem Diener, Frasquita zurückzuholen. Inzwischen hat Lukas die Verschwörung durchschaut und sich aus dem Rathaus befreit. Zu Hause findet er die Kleider des Corregidors vor dem Schlafzimmer, glaubt, was er sieht, und macht sich auf den Weg, um sich aus Rache an der vermeintlichen Untreue Frasquitas an der Corregidora schadlos zu halten. Don Eugenio, der, in Ermangelung seiner eigenen, gerade in die Kleider des Müllers schlüpft, wird von der zurückkehrenden Frasquita und dem Richter überrascht, die den verschwundenen Lukas in der Mühle suchen. Frasquita ahnt, was Lukas vorhat, und alle eilen zum Haus des Corregidors. Dort liest die Corregidora ihrem Richter die Leviten, und die Müllersleute schließen sich versöhnt in die Arme.“ (Quelle: Boosey and Hawkes) Obwohl die Uraufführung des Corregidors in Mannheim recht erfolgreich war, ist das Werk heute leider auf den Spielplänen der Opernhäuser zu einer wahren Rarität geworden. Für das Konzert hat Florian Erdl Vor- und Zwischenspiele des „Corregidors“ neu zusammengestellt und gibt damit die seltene Gelegenheit, den Opernkomponisten Hugo Wolf kennenzulernen. Kurzinfo – Hugo Wolf 13. März 1860 – 22. Februar 1903 • neben Franz Schubert einer der bedeutendsten Liedkomponisten • lernte vom Vater das Geigen- und Klavierspiel • 1875-77 Unterricht am Wiener Konservatorium, Mitschüler Gustav Mahlers • 1881 Hilfskapellmeister am Salzburger Stadttheater, nach drei Monaten entlassen • ab 1884 Musikkritiker des Wiener Salonblatts • 1887 Veröffentlichung von zwölf Liedern, danach nur noch Tätigkeit als Komponist • ab 1897 Ausbruch der Syphilis, Wolf verbrachte seine letzten Lebensjahre in verschiedenen Nervenheilanstalten Hörbeispiel: Sächsische Staatskapelle unter Karl Elmendorff https://youtu.be/e-iDUbXPyNs Weiterführende Informationen: www.hugowolf.at/ Ottorino Respighi Feste Romane (1929) „Romanisch“ im wahrsten Sinne des Wortes wird es abschließend mit Ottorino Respighis rauschhafter sinfonischer Dichtung Feste Romane, die zusammen mit den Tondichtungen Fontane di Roma und Pini di Roma eine tief empfundene Hommage an die Ewige Stadt bildet. Wie kaum ein anderer Komponist vermochte es Respighi, der im Übrigen gar nicht aus Rom, sondern aus Bologna stammte, darin das Licht und die Atmosphäre Roms mit seinem überaus koloristischen Orchesterstil in Musik zu setzen. Geradezu lebhafte Szenen entstehen vor den Ohren der Zuschauer, wenn er in seinen Feste Romane vier Feste des antiken und christlichen Roms schildert – angefangen vom Gladiatorenkampf im Circus Maximus und der Ankunft der Pilger in Rom, bis hin zum herbstlichen Oktoberfest und der Dreikönigsnacht auf der Piazza Navona. Der Komponist selbst formulierte passend zu den nahtlos ineinander übergehenden Sätzen ein Programm: Circenses. Der Himmel steht dunkel über dem Circus Maximus, aber das Volk ist in Feststimmung: „Ave Nero!“ Die eisernen Tore werden geöffnet und es ertönt ein Choral nebst dem Gebrüll wilder Tiere. Durch die Volksmenge geht ein Zittern: Furchtlos steigt der Gesang der Märtyrer empor, übertönt alles, bevor er im Tumult untergeht. Il Giubileo. Die Pilger schleppen sich betend auf der endlosen Straße hin. Endlich, von der Höhe des Monte Mario, erblicken ihre brennenden Augen und schmachtenden Seelen die heilige Stadt: „Rom! Rom!“ Sie brechen in eine jubelnde Hymne aus, und es antwortet ihnen das Glockengeläute aller Kirchen. L’Ottobrata. Oktoberfest in den rebenumkränzten römischen Kastellen: ferne Jagdrufe, klingelnde Pferdegeschirre, Liebesgesänge. Es zittert ein romantisches Ständchen durch die milde Abendluft. La Befana. Die Dreikönigsnacht auf der Piazza Navona. Ein markantes Trompetensignal übertönt den frenetischen Lärm, auf dessen gellender Brandung von Zeit zu Zeit allerlei Klanggebilde vorüberschaukeln: Bauernlieder, Saltarello-Melodien, Klänge von Drehorgeln aus einer Schaubude, dazu die Stimme eines Ausrufers, das Gegröle Betrunkener und der selbstbewusste Kehrreim, in den das römische Volk seine Seele legt: „Lassàtece passà, semo Romani!“ – „Lasst uns durch, wir sind Römer!“ Kurzinfo – Ottorino Respighi 9. Juli 1879 – 18. April 1936 • einer der wichtigsten Vertreter der italienischen Instrumentalmusik des beginnenden 20. Jahrhunderts • Sohn eines Klavierlehrers • studierte 1891-99 am Liceo musicale in Bologna Violine, Viola und Komposition • wirkte zunächst als Bratschist in Bologna und Sankt Petersburg, wo er bei Nikolai Rimsky-Korsakow Kompositionsunterricht nahm • 1916 Durchbruch als Komponist mit „Fontane di Roma“ • umfangreiche Lehrtätigkeit, und Auftritte als Dirigent und Pianist Hörbeispiel: National Youth Orchestra of Great Britain unter Vasily Petrenko https://youtu.be/9u1oT7QtQp4 Weiterführende Informationen: http://www.amicidirespighi.it/biografia.htm Katarzyna Myćka, die von der Kritik den Beinamen „Die mit den Schlägeln tanzt“ erhielt, gilt als eine der renommiertesten MarimbaVirtuosinnen unserer Zeit. „Höchste Geläufigkeit“, „perfekte Anschlagstechnik“ und eine „traumhafte rhythmische Präzision“ seien charakteristisch für die Musikerin, die auf ihrer Konzertmarimba mit den 60 schmalen Holzplatten und Resonanzrohren aus Metall bis zu sechs Töne gleichzeitig zum Klingen bringt. Nach einer Klavier- und Schlagzeugausbildung entdeckte die Stuttgarterin mit polnischen Wurzeln während des Studiums an den Musikhochschulen Gdansk, Stuttgart und Salzburg die Marimba als ihr „ideales Medium für die musikalische Aussage“. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen bei internationalen Musikwettbewerben folgten: 1995 gewann sie den Publikumspreis bei der „International Percussion Competition Luxembourg für Marimba Solo“, ein Jahr später erhielt sie den ersten Platz bei der „First World Marimba Competition Stuttgart“. Solistisch gastierte Katarzyna Myćka mit renommierten Orchestern wie den Stuttgarter Philharmonikern, den Bochumer und Göttinger Symphonikern, der Polnischen Kammerphilharmonie Sopot, dem Wiener, Prager und Heilbronner Kammerorchester, dem Beijing Symphony Orchestra, der Camerata Israeli, dem RSO Luxemburg sowie diversen polnischen Symphonieorchestern. Auftritte als Solistin bei den wichtigsten Marimba Festivals (Osaka 1998, Linz 2004, Minneapolis 2010) machen Katarzyna Myćka heute zu einer führenden Pionierin ihres noch jungen Instruments. 1999 von der „Polish Percussive Arts Society“ als „Botschafterin der polnischen Schlagzeugkunst“ ausgezeichnet, fördert sie die Popularisierung der Marimba mit Nachdruck. Dazu gehören auch das Engagement für die Ausbildung des Nachwuchses und die Juryteilnahme bei internationalen Wettbewerben, insbesondere aber ihre bereits 2003 gegründete „Internationale Katarzyna Myćka Marimba Akademie“.
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