66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015

66. Ord. Bundesparteitag
der Freien Demokratischen Partei
15. - 17. Mai 2015
Anträge
zum201B5 PT
ACHTUNG:
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Inhaltsverzeichnis
Leitantrag
L001 Mehr Chancen durch mehr Freiheit: Projekte für eine Republik
der Chancen
Seite
9
Bundesvorstand
Satzungsänderungsanträge
S001 Änderung der Bundessatzung
23
Bundesvorstand
Organisatorisches
001
Erhebung einer Sonderumlage gem. § 10 Abs. 6 Satz 2 und 3
der Finanz- und Beitragsordnung
29
Bundesvorstand
Satzungsänderungsanträge
S002 Änderung der Bundessatzung
31
Bundesvorstand (advokatorisch für AG Parteientwicklung)
S003 Änderung der Bundessatzung
33
Bundesvorstand (advokatorisch für AG Parteientwicklung)
S004 Änderung der Bundessatzung
43
Landesverband Hamburg
S005 Änderung der Bundessatzung
47
Alexandra Bruns (LV Schleswig-Holstein), Alexander Müller (LV Hessen), Ralph Lorenz
(LV Nordrhein-Westfalen), Jacqueline Krüger (LV Brandenburg), Kai Gleißner (LV
Sachsen-Anhalt) und mehr als 250 FDP-Mitglieder
Weltbeste Bildung für jeden
100
Abschaffung des Konzepts „Schreiben wie man spricht“
53
Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie
101
Rechtschreibung nach Regeln ab der 1. Klasse
55
Bundesvorstand Liberale Frauen
102
Erlernen einer lesbaren Schreibschrift
Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie
57
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103
Schulfinanzierung nach der Schülerzahl
59
Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie
104
Das Studium auch sprachlich internationalisieren!
61
Bundesvorstand Liberaler Hochschulgruppen
105
Exzellenzinitiative in der Lehre
63
Bundesvorstand Liberaler Hochschulgruppen
106
Alphaplan gegen Analphabetismus
65
Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie
107
Absolventenbonus
69
Bundesvorstand Liberaler Mittelstand
Vorankommen durch eigene Leistung
200
Impuls für eine neue Gründerzeit
71
Landesverband Bremen
201
Mehr Freiraum für neue Ideen
75
Bundesvorstand Junge Liberale
202
Gründerkultur und Wachstum für digitale Innovationen
79
Bundesfachausschuss Medien, Internet und digitale Agenda
203
Innovationsförderung in KMU
83
Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie
204
Blaues Wachstum – Unser Weg für Deutschland
87
Landesverband Baden-Württemberg
Selbstbestimmt in allen Lebenslagen
300
Die Würde des Menschen in Grenzsituationen des Lebens
93
Kommission Freiheit und Ethik, Landesverband Baden-Württemberg
301
Selbstbestimmt bis zum Lebensende
101
Bundesvorstand Liberale Senioren
302
Die Würde des Menschen ist unantastbar bis zum Lebensende
103
Landesverband Saarland
303
Selbstbestimmung am Ende des Lebens
105
Landesverband Baden-Württemberg
304
Für einen selbstbestimmten und würdevollen Tod – Aktive
Sterbehilfe bei Kindern
107
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Bundesvorstand Junge Liberale
305
Sterbehilfe legalisieren – auch für Minderjährige
109
Landesverband Schleswig-Holstein
306
Selbstbestimmtes Sterben durch assistierten Suizid
111
Landesverband Bayern
307
Die Würde des Menschen ist unantastbar bis zum Lebensende
113
Landesverband Berlin
308
Ausbau der Palliativmedizin
115
Landesverband Schleswig-Holstein
309
Für ein weltoffenes Deutschland. Die Einwanderungs- und
Flüchtlingspolitik der Freien Demokraten.
117
Christian Lindner (LV Nordrhein-Westfalen), Wolfgang Kubicki (LV Schleswig-Holstein),
Katja Suding (LV Hamburg), Christian Dürr (LV Niedersachsen), Florian Rentsch (LV
Hessen), Hans-Ulrich Rülke (LV Baden-Württemberg) und 31 weitere Delegierte
310
Soziale Lage und Integration von Flüchtlingen verbessern
133
Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales
311
Gemeinsam für Deutschland - Liberale Forderungen für eine
menschenwürdige Unterbringung und bedürfnisorientierte
Integration von Zuwanderern und Flüchtlingen
137
Landesverband Schleswig-Holstein
312
Flexible Altersgrenzen für den Ruhestand im Öffentlichen
Dienst
145
Landesverband Schleswig-Holstein
313
Stärkung der berufsständischen Versorgungswerke
147
Landesverband Hessen
314
Vielfalt der Altersversorgungssysteme erhalten,
berufsständische Versorgung stärken, Abgrenzung zur
gesetzlichen Rentenversicherung für freie Berufe gesetzlich
regeln
149
Landesverband Berlin
315
Für eine berufsrechtliche Regelung zur Befreiung von
Syndikusanwälten von der gesetzlichen Rentenversicherung
151
Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz
316
Ganzheitliches Diversity Management in der Arbeitswelt
voranbringen
Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales
153
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317
Pragmatischer Umgang mit Inklusion
157
Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie
318
Ergänzung Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz
163
Landesverband Berlin
319
Ratifizierung der Istanbul-Konvention
165
Bundesvorstand Liberale Frauen
320
Technikoptimismus in einer freiheitlichen
Gesellschaftsordnung - Datenschutz neu denken,
Digitalisierung Raum geben
167
Landesverband Hessen, Wolfgang Greilich (LV Hessen), Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (LV
Hessen), Jascha Hausmann (LV Hessen), Nicola Beer (LV Hessen), Hans-Joachim Otto
(LV Hessen)
321
Recht auf Verschlüsselung
183
Landesverband Bayern
322
Verantwortung der Suchmaschinenbetreiber für den Schutz
der Privatsphäre
185
Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz
323
Berliner Erklärung für Datensparsamkeit
187
Landesverband Berlin, Landesverband Brandenburg
324
Stärkung der Bürgerrechte gegenüber dem Finanzamt
189
Landesverband Hessen
325
Erfassung, Speicherung und Auswertung von Fluggastdaten
191
Landesverband Berlin
326
Fluggastdaten in der EU konsequent schützen - liberale
Prinzipien jederzeit leben – Wahlversprechen einhalten
193
Frank Schäffler (LV Nordrhein-Westfalen), Dr. Burkhard Hirsch (LV NordrheinWestfalen), Carlos A. Gebauer (LV Nordrhein-Westfalen), Alexander Müller (LV Hessen)
und mehr als 250 FDP-Mitglieder
327
Kontrollierte Freigabe von Cannabis
195
Landesverband Bayern, Landesverband Berlin, Landesverband Bremen, Landesverband
Hamburg, Landesverband Niedersachsen, Landesverband Saarland, Bundesverband
Junge Liberale
328
Für mündige Patienten – für freie Arztwahl – für freie Ärzte,
Apotheker und Therapeuten
197
Landesverband Schleswig-Holstein
329
Selbstbestimmt im Betrieb – Liberale Perspektiven für die
betriebliche Mitbestimmung in Deutschland
199
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Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales
Freiheit und Menschenrechte weltweit
400
TTIP als Chance begreifen
203
Kreisverband Lippe, Kreisverband Gütersloh, Kreisverband Bielefeld, Kreisverband
Herford, Kreisverband Paderborn, Autorin: Gudrun Kopp (LV Nordrhein-Westfalen)
401
Mehr Chancen durch mehr Freiheit – Die Transatlantische
Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP
205
Landesverband Baden-Württemberg
402
Europäische Grundrechtepolitik
211
Landesverband Baden-Württemberg
403
Solidarität der Gesellschaft mit den Streitkräften
213
Bezirksverband Oldenburg
Politik, die rechnen kann
500
Für eine grundsätzliche Neugestaltung des deutschen
Rentensystems
215
Landesverband Schleswig-Holstein
501
Renten sichern! – Versicherungsfremde Leistungen
überprüfen und durch Steuern finanzieren.
219
Landesverband Schleswig-Holstein
502
Eine sichere, bezahlbare und vernünftige Energieversorgung
223
Landesverband Hessen
503
Deutschland braucht verlässliche Energie
225
Landesverband Bayern
504
Solidaritätszuschlag muss 2019 auslaufen – Weiterführung ist
eine Steuererhöhung
233
Landesverband Niedersachsen
505
Der Soli muss zum Jahr 2019 auslaufen – die Politik steht hier
bei den Bürgern im Wort
235
Bundesvorstand Liberale Senioren
506
Automatische Anpassung der Einkommensteuergrenzen an
die Inflation zur dauerhaften Beseitigung der Kalten
Progression
Bezirksverband Niederbayern
237
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507
Kein europäischer Länderfinanzausgleich durch die Hintertür!
239
Bezirksverband Niederbayern
508
Krankenhausfinanzierung sichern – Anreize schaffen, damit
die Bundesländer ihren Investitionsverpflichtungen
nachkommen
241
Landesverband Schleswig-Holstein
509
Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – Konzentration
auf den Grundversorgungsauftrag und Reduktion des
Beitrags um mindestens 20 Prozent
245
Bundesvorstand Liberaler Mittelstand
510
Restrukturierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
247
Landesverband Bayern
511
Für eine Anpassung der Umlage für
Modernisierungsmaßnahmen auf Mieten an die Realität der
Finanzmärkte
249
Bezirksverband Altona
512
Zweckbindung der Bundesmittel zur Wohnungsbauförderung
251
Bundesvorstand Liberale Frauen
513
Erbschaftssteuerreform: Familienunternehmen schützen –
Arbeitsplätze erhalten
253
Landesverband Niedersachsen
Ein unkomplizierter Staat
600
Mindestlohn – Rechtssicherheit für Arbeitgeber und
Beschränkung der Aufzeichnungspflichten
257
Bundesvorstand Liberaler Mittelstand
601
NEIN zur staatlichen Pflicht zur Offenlegung der Löhne
259
Bezirksverband Niederbayern
602
Wider den Staat als Akteur in der Wirtschaft
261
Bundesfachausschuss Wirtschaft und Energie
603
Vernunft statt Empörung - Für eine rationale
Strafgesetzgebung
271
Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz
604
Die Liberalen lehnen die Einführung eines
Unternehmensstrafrechtes ab
Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz
273
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605
Rahmenbedingungen für den flächendeckenden Ausbau der
Kommunikationsnetze zur Sicherstellung der
Wettbewerbsfähigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft
277
Landesverband Bayern
606
Netzneutralität mit Zukunft
279
Bundesfachausschuss Medien, Internet und digitale Agenda
607
Moderne Industrie- und Handelskammern sowie
Handwerkskammern
283
Bundesvorstand Liberaler Mittelstand
608
Medienstaatsvertrag
285
Bundesfachausschuss Medien, Internet und digitale Agenda
609
EU-Verordnung EMIR
287
Bundesvorstand Liberaler Mittelstand
610
Entlastung der Immobilienmakler nach dem
Geldwäschegesetz
289
Bundesvorstand Liberaler Mittelstand
611
Chancen und Risiken der Mikro- und Nano-Technologien
293
Bezirksverband Oldenburg
612
Tarifeinheitsgesetz
295
Landesverband Schleswig-Holstein
Weitere Themen
700
Vielfalt der Religionen 500 Jahre nach der Reformation
297
Bezirksverband Mittelbaden
701
Liberal braucht Mut. Auf dem Weg zu einem attraktiven
Manifest.
Landesverband Baden-Württemberg
299
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Antrag L001
Betr.:
Mehr Chancen durch mehr Freiheit: Projekte für eine
Republik der Chancen
Antragsteller: Bundesvorstand
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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I. Willkommen in der Republik der Chancen
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Jeder Mensch kann etwas bewegen – das ist unsere Überzeugung. Viele tragen die Sehnsucht in sich, ihrem Leben eine eigene Richtung zu geben, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen und ihren Traum zu leben. Jeder
Mensch muss eine faire Chance bekommen. Neue Technologien, neue Ungewissheiten und neue Krisen fordern uns dabei heraus: Wir leben in einer Zeit
des beschleunigten Wandels. Für den Umgang mit Globalisierung, Digitalisierung
und der Veränderung unserer Gesellschaft durch Alterung und Einwanderung
gibt es keine fertigen Handbücher. Genau wie viele andere Menschen fragen wir
uns: Was kommt noch? Wie können wir uns und unsere Familien auf die Zukunft vorbereiten? Und wie machen wir den Wandel zu einem Gewinn für uns
alle?
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In der Politik sehen wir viel zu oft, dass das vermeintlich Dringende über das
wirklich Wichtige siegt. Kleinkram überlagert die grundsätzlichen Fragen. Der
Umgang mit den großen Herausforderungen wirkt zögerlich und passiv. Zugleich
wird vieles vorschnell erklärt und eingeordnet. Viele Politiker wollen lieber ängstlich den Status Quo betonieren oder nur symbolisch handeln, als entschlossen
den Wandel zu gestalten und seine Chancen zu nutzen. „German Angst“ statt
„German Mut“ ist das Motto. Das wollen wir ändern. Denn in einer Welt der Veränderung bedeutet Stillstand immer Rückschritt. Wir brauchen einen neuen Blick
auf das, was angepackt werden sollte. Wir leben in einem großartigen Land.
Aber es kann noch besser werden. Deutschland braucht neues Denken – für eine Republik der Chancen.
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Der beste Treibstoff für individuellen und gesellschaftlichen Fortschritt ist: Freiheit! Eine Gesellschaft, die Energie, Wissen und Kreativität aller Menschen befreit, ist bestens für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet. Denn gemeinsam in Freiheit finden wir die besten Antworten auf die Fragen der Zukunft. Mehr
Freiheit führt zu mehr Chancen – für uns alle.
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Wir wollen Menschen zur Freiheit ermutigen und – wo nötig – auch befähigen.
Wir wollen, dass jeder die Fähigkeiten und das Selbstvertrauen erwirbt, um sein
Leben eigenverantwortlich zu führen, dass jeder auf seinem Weg vorankommt,
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selbstbestimmt handeln kann und dass ihm die Politik dabei keine Steine in den
Weg legt. Deshalb wollen wir den Einzelnen groß machen – und nicht den Staat.
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II. Mit der weltbesten Bildung für jeden
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Jeder Mensch soll sich frei entfalten können, er muss von seinen Talenten und
Möglichkeiten profitieren dürfen. Nur ein Mensch, der gelernt hat, seine Welt zu
verstehen, wird darin auch seinen eigenen Weg finden. In der Republik der
Chancen kommt es darauf an, was ein Mensch kann, und nicht, woher er kommt
oder welchen sozialen Status seine Eltern haben. Wir wollen nicht, dass Armut
vererbt und Talente vergeudet werden. Wir wollen, dass jeder Mensch ein Leben lang sein volles Potenzial ausschöpfen kann. Deshalb arbeiten wir dafür, jedem Einzelnen die weltbeste Bildung zu ermöglichen – ein Leben lang.
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Ist das zu ehrgeizig? Wir glauben: nein. Sich heute mit mittelmäßiger Bildung
zufrieden zu geben, das würde morgen auch ein mittelmäßiges Leben bedeuten.
Warum sollten wir nicht schaffen können, was unser Land schon einmal geschafft hat? Deutschland hat in der Welt lange Zeit die Standards für herausragende Bildung und Forschung gesetzt. Bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts
wollen wir daher wieder in allen Bildungsrankings zur Spitzengruppe gehören
und wieder Maßstäbe setzen – das ist unser „Mondfahrtprojekt“.
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Die umfassende Modernisierung des Bildungssystems würde Länder und Kommunen allein überfordern. Die Finanzierung muss daher eine Aufgabe des Gesamtstaats werden. Auch ideologisches Gezänk und bürokratische Reibungsverluste passen nicht mehr in eine Zeit, in der nicht mehr Bremen mit Bayern im
Wettbewerb steht, sondern Deutschland als Ganzes mit Nordamerika und China.
Kindergärten, Schulen und Hochschulen sollen selbständig und professionell geführt werden. Nur wer eigene Entscheidungshoheit bei Organisation, Budget,
Profilbildung und Personal besitzt, übernimmt auch engagiert Verantwortung und
kann für beste Ergebnisse sorgen. Gleichzeitig muss es bundesweit eingehaltene
Bildungsstandards und Abschlüsse geben, die sich am Niveau der besten Bildungseinrichtungen der Welt orientieren.
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Um für Schüler, Eltern und Lehrer für Transparenz zu sorgen, wollen wir Erfolgskriterien für Bildungsinstitutionen entwickeln, die vor allem auf die Lernfortschritte der Kinder und Jugendlichen abstellen. Sie sollen für jede einzelne Bildungseinrichtung öffentlich sein und auch Einfluss auf das Gehalt der Erzieher
und Lehrer haben. Öffentliche Gelder sollen nach dem Prinzip der Bildungsgutscheine auf die verschiedenen Bildungseinrichtungen verteilt werden. So stärken
wir den Einfluss von Eltern und Kindern durch „Kundenmacht“ und es entwickelt
sich ein Qualitätswettbewerb zwischen allen Bildungsinstitutionen.
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Die Mehrheit aller Schulanfänger wird später in Berufen arbeiten, die es heute
noch gar nicht gibt. Was folgt daraus für unser Bildungssystem? Unsere Antwort
lautet: Weltbeste Bildung braucht die modernsten Methoden. Die Digitalisierung
bietet neue Möglichkeiten für hochindividuelles, effizienteres und motivierendes
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Lernen – das ganze Leben lang. Das vernetzte Klassenzimmer ist weder Spielerei noch Zukunftsmusik. Integrierte Konzepte wie „Blended Learning“ verknüpfen
didaktisch sinnvoll traditionellen Unterricht mit modernen Technologien: Hausaufgaben können online gestellt, Unterrichtsmaterialien digital verbreitet werden und
die Schüler, sofern notwendig, per Webcam am Unterricht von zu Hause aus
teilnehmen. Digitale Unterrichtsmaterialien auf dem Tablet können das Gewicht
der Schultasche reduzieren und durch multimediale Ergänzungen Inhalte vertiefen und spannender gestalten. Digitale Übungsaufgaben können sich den individuellen Bedürfnissen der Schüler nach Neigung und individuellen Stärken anpassen. Für diese Technologien brauchen wir neue Ausstattungen, eine Fortentwicklung der Unterrichtsinhalte und entsprechend ausgebildete Lehrer. Unsere Vision
ist das Tablet für jeden Schüler und jeden Studenten in der vernetzten Schule
und Hochschule.
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Wir sind davon überzeugt, dass Deutschland bei kaum einem Bereich so viel
aufzuholen hat wie in der frühkindlichen Bildung. Die Wissenschaft ist sich heute
einig, dass im Alter bis sechs Jahre wesentliche Voraussetzungen für den späteren Bildungserfolg geschaffen werden. Konsequenzen daraus? Keine. In unseren
Kindertagesstätten ist eine Aufbewahrung nach dem Motto „sicher, sauber, satt“
nicht ausreichend. Krippen und Kindergärten müssen qualitätsvolle Bildungseinrichtungen sein. Dazu ist besser ausgebildetes und besser bezahltes Personal
nötig. Wir wollen eine Umgebung, die kleine Kinder neugierig macht und stimuliert, ihre Talente zu entwickeln und aus eigenem Antrieb neue Fähigkeiten auszubilden.
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Weltbeste Bildung braucht weltbeste Lehrer. Daher setzen wir auf ein
„AAA“-Programm für die besten Pädagogen: Anreiz, Auswahl und Ausbildung.
All das muss stimmen, um die richtigen Lehrer zu gewinnen. Anwerbung, Ablauf
der beruflichen Karriere und Bezahlung müssen dazu grundlegend neu geregelt
werden.
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Wir wollen niemandem vorschreiben, welchen Ausbildungsweg er einschlagen
soll. Neugierde und Tatkraft junger Menschen dürfen nicht durch falsche Erwartungen zunichte gemacht werden. Freiwilligendienste, Auslandsaufenthalte und
Praktika sind keine Lücken im Lebenslauf, sondern wertvolle Erfahrungen. Später führt nicht nur ein Hochschulstudium zu wahrem Erfolg. Für viele junge Menschen ist das Erlernen eines Ausbildungsberufes der Weg zu Glück und Selbstverwirklichung. Auch bleibt die duale Ausbildung Grundlage für die wirtschaftliche Stärke unseres Landes.
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III. Vorankommen durch eigene Leistung
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Jeder Mensch will etwas erreichen. Dabei geht es um viel mehr als Geld oder
Karriere. Es sind unsere Ziele, die uns jeden Tag neu motivieren. Wir glauben
an die Energie des Menschen. Sie sorgt dafür, dass Menschen Dinge erfinden,
Häuser bauen, Familien gründen, eine Bürgerinitiative auf die Beine stellen oder
ein Unternehmen errichten. Diese Energie kann eine Gesellschaft nutzen oder
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verschwenden. Eine Gesellschaft kann Menschen motivieren oder ihnen Steine in
den Weg legen. Wir wollen, dass Menschen auf ihrem Weg vorankommen, über
sich hinauswachsen und ihre Ziele erreichen. Und dass sie eine zweite oder dritte Chance erhalten, wenn sie scheitern.
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Menschen, die etwas vorantreiben wollen – sei es in Wirtschaft, Wissenschaft,
Kunst oder Gesellschaft – schlägt heute viel zu häufig Neid, Häme oder Spott
entgegen. Die Politik wird oft zur Bremse, indem sie Menschen, die etwas auf die
Beine stellen wollen, bürokratisiert, abkassiert, bevormundet, bespitzelt – also
klein macht. Wir dagegen wollen, dass Menschen voller Energie ganz groß rauskommen.
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Wer hart arbeitet, neue Ideen sucht oder mutig andere Wege geht, der hat
auch einen Anspruch auf die Früchte seiner Arbeit. Wir stehen zur Leistungsgerechtigkeit. Natürlich müssen starke Schultern einen stärkeren Beitrag für die Finanzierung des Gemeinwohls leisten: Polizei, Gerichte, Straßen, Universitäten,
Schulen und Kindertagesstätten müssen bezahlt werden. In der Politik folgen
heute aber fast alle Parteien dem Gedanken, dass Steuern und Abgaben nicht
mehr der fairen Finanzierung des Notwendigen dienen, sondern der Gleichmacherei: Je mehr man Menschen wegnimmt, die etwas haben, desto gleicher stehen am Ende alle da. Wir halten das für unfair – dem Einzelnen und der ganzen
Gesellschaft gegenüber. Talent, Fleiß, Verantwortung und Risikobereitschaft sollen einen Unterschied begründen dürfen.
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Deutschlands Wohlstand entsteht durch Unternehmertum – Menschen, die ein
Geschäft, ein Start-up, einen Handwerksbetrieb, ein Unternehmen gründen. Diesen Menschen müssen wir es so einfach wie möglich machen. Eine Unternehmensgründung etwa muss so einfach sein, wie sich online ein Buch zu bestellen.
Und wenn eine Gründung erfolgreich gelungen ist, darf sie später als Mittelstand
nicht einfach durch Bürokratie- und Steuerlasten erdrückt werden.
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Leistungsgerechtigkeit und der Schutz des privaten Eigentums gehören zusammen. Denn der Wunsch nach Eigentum ist ein starker und legitimer Anreiz. Wo
die Politik den Respekt vor Eigentum verliert, demotiviert sie Menschen. Weil wir
die Leistung der Menschen respektieren, wollen wir ein Volk von mehr Eigentümern statt mehr Volkseigentum. Wer aber mit Steuern die Hürden erhöht oder
Eigentum mit immer mehr Lasten versieht, der hindert gerade junge Familien
daran, sich etwas aufzubauen, auf das sie für ihr weiteres Leben vertrauen können. Wir fordern ein Umdenken in der Steuerpolitik: Der Staat soll nicht das Maximum an Steuern kassieren, das dem Bürger gerade noch abgenommen werden kann, sondern maßvoll genau so viel, wie er für seine eigentlichen Aufgaben braucht.
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Gründer schaffen Zukunft. Neue Unternehmen mit neuen Ideen stärken den
Wettbewerb um die besten Produkte und die besten Dienstleistungen. Innovation
sorgt für Dynamik in der gesamten Wirtschaft. Das eröffnet Chancen für die
Menschen – von der Verwirklichung der eigenen Ziele bis hin zu zukunftssiche-
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ren Arbeitsplätzen für andere. Ohne neue Ideen kann unser Land langfristig weder seine internationale Wettbewerbsfähigkeit noch seinen Wohlstand halten.
Aber ausgerechnet Deutschland bleibt bei der Gründungskultur erheblich hinter
anderen vergleichbaren Staaten wie den USA, Kanada, Israel oder den Niederlanden zurück. Das müssen wir ändern. Wir wollen wirtschaftliches Grundwissen
schon in der Schule stärken, Bürokratie abbauen, Finanzierungen erleichtern und
treten für eine Kultur der Risikobereitschaft und des Gründergeists ein. Wir Freien Demokraten wissen, dass im Scheitern auch immer eine Chance für etwas
Neues liegt. Wir haben Respekt vor jedem, der einmal öfter aufsteht, als er fällt.
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Wir eröffnen auch denen Perspektiven, die die Chancen der modernen Gesellschaft noch nicht zu persönlichem Vorankommen nutzen konnten. Aufstieg muss
unabhängig von der Herkunft möglich sein und ist es, wenn wir konsequent darauf setzen, Qualifikation zu ermöglichen, Anstrengung zu belohnen und dies
stets mit dem Prinzip der Chance zum Wiederaufstehen verbinden. Dies gilt von
frühkindlichen Angeboten für benachteiligte Kinder über das Nachholen von
Schulabschlüssen und Weiterbildung bis zu fairen Einstiegschancen und notfalls
auch dauerhafter Unterstützung von Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt. Menschen
wieder stark zu machen, verhindert, dass sie dauerhaft abgekoppelt sind, und
gibt ihnen das Selbstvertrauen zurück, das sie für ein erfülltes Leben brauchen.
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Wo neue Unternehmen gegründet werden, wo neue Technologien zum Einsatz
kommen – da verändern sich nicht nur unser Alltag, sondern auch wirtschaftliche
Wertschöpfungsketten. Das ruft jene auf den Plan, die die Gegenwart mit Gesetzen, Protektionismus oder Subventionen konservieren wollen. Politik darf nicht
für Branchen oder gar Unternehmen Partei ergreifen. Wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen zwischen Etablierten und Newcomern, zwischen Mächtigen
und Außenseitern schaffen, damit die Kunden entscheiden können – und sich die
bessere Idee durchsetzt. Solche fairen Spielregeln nennt man Ordnungspolitik sie brauchen wir für die digitalisierte Ökonomie.
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Neben der Digitalisierung werden auch Nanotechnologie, Biotechnologie und
neue Energieträger unser Leben verändern. Wir setzen uns dafür ein, dies als
Chancen zu begreifen. Deutschland muss neue Ideen willkommen heißen – oder
sie gehen woanders hin. Es hat sich in unserer Gesellschaft jedoch eine Haltung
entwickelt, die eine Fremdheit gegenüber Forschung, technologischem Fortschritt
und Anwendungen im industriellen Maßstab kultiviert. Statt Folgen nüchtern abzuschätzen und ggf. Technologie zur Risikobeherrschung einzusetzen, ist es zur
Attitüde geworden, irrationale Ängste zu bedienen. Es gibt in Deutschland eine
politische Rechte, die die Fremdenangst vor Menschen bedient, die neu in unser
Land kommen. Aber es gibt auch eine politische Linke, die eine Fremdenangst
vor Ideen und Technologien bedient, die neu in unserem Land entstehen. Wir
Freien Demokraten treten für die Neugier auf Innovation, die Weltoffenheit und
die Freude am Fortschritt ein.
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Wer für die Freiheit der Menschen eintritt, der weiß: Ohne frische Luft und reines Wasser, ohne intakte Böden und stabiles Klima werden die menschlichen
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Lebenschancen eingeschränkt. Umweltschutz ist daher ein liberales Anliegen.
Ökologisches Bewusstsein darf aber nicht zur Religion werden. Nicht das Predigen von Verzicht, sondern die Entwicklung effizienter Technologien ist es, die
uns unsere Lebensqualität mit weniger Ressourcenverbrauch ermöglicht. Auf diesen Weg können uns auch die Schwellenländer folgen. Wir setzen daher der
Ideologie des Verzichts unser Konzept des „intelligenten Wachstums“ (smart
growth) entgegen – weil Ökologie und Wachstum sich eben nicht ausschließen.
Neue Technologien, neue Verfahren, mehr Forschung und kluge Regeln für die
Märkte sorgen besser für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als
schlechtes Gewissen und überhebliche Moralisierung.
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Neue Ideen, neue Technologien, aber auch Menschen kommen neu zu uns. Einige davon bedürfen unseres Schutzes. Wieder andere wollen sich bei uns ein
besseres Leben erarbeiten. Das ist kein schlechtes Zeichen für eine Gesellschaft, die wegen des demografischen Wandels schrumpft und dadurch mit einem immer größer werdenden Problem des Fachkräftemangels konfrontiert ist.
Im Bereich hochqualifizierter Einwanderung müssen wir sogar noch mehr dafür
tun, dass mehr Menschen ihre Zukunft in Deutschland sehen und aktiv um Talente aus der ganzen Welt werben. Gegen die tumbe Fremdenangst, mit der einige in Deutschland Politik machen, setzen wir unsere klare Auffassung: Wir
wollen Deutschland als Einwanderungsland attraktiver machen. Dazu zählen das
Angebot einer beschleunigten Einbürgerung nach nur vier Jahren bei entsprechenden Voraussetzungen, die grundsätzliche Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft und ein Einwanderungsrecht mit einem vollständigen und klaren
Punktesystem nach kanadischem Vorbild. Außerdem soll Englisch als Zweitsprache in der Verwaltung erprobt werden, um Unternehmensgründungen und die
Anwerbung ausländischer Fachkräfte zu erleichtern. Das Arbeitsverbot für Asylbewerber gehört zudem abgeschafft. Wenn Menschen ihren Unterhalt selber verdienen wollen, sollten sie nicht zum Bezug staatlicher Leistungen gezwungen
werden. Eigene Arbeit bietet die besten Voraussetzungen für erfolgreiche Integration. Zudem gilt: Wer am deutschen Arbeitsmarkt gebraucht wird, sollte hier
bleiben können. Daher muss unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens die
Möglichkeit bestehen, eine Aufenthaltserlaubnis nach den Regeln der Fachkräfte-Einwanderung zu beantragen, sofern jemand nicht illegal eingereist ist. Wer
eine Schul- oder Berufsausbildung begonnen hat, soll für die Dauer der Ausbildung einen verlässlichen Aufenthaltsstatus besitzen.
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IV. Selbstbestimmt in allen Lebenslagen
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Jeder Mensch ist selbst der beste Experte für sein Leben. Deshalb muss er
auch selbst die Entscheidungen über sein eigenes Leben treffen dürfen – statt
dass über ihn entschieden wird. Selbstbestimmung ist die konkreteste Form der
Freiheit. Wir Freien Demokraten stehen für das Prinzip der „Lebenslaufhoheit“
ein. Denn jeder Einzelne trägt die Verantwortung für das eigene Leben, also
muss er auch sein eigenes Leben in Freiheit formen dürfen. Freie Demokraten
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räumen Hindernisse aus dem Weg. Deshalb kämpfen wir für eine barrierefreie
Gesellschaft.
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Die deutsche Politik entfernt sich heute immer öfter vom Prinzip der Selbstbestimmung. Das Leben wird zunehmend durch eine Kultur des Misstrauens beherrscht. An die Stelle von Vertrauen und der Freiheit zur persönlichen Verantwortung treten mehr und mehr Gesetze, Vorschriften und Bürokratie für immer
mehr Lebensbereiche. An die Stelle von Augenmaß und freiwilliger Übereinkunft
tritt immer häufiger der Gesetzesbefehl. Das zieht dann ein ganzes Bündel an
Maßnahmen nach sich, um die Einhaltung zu überwachen und durchzusetzen.
Freie Demokraten sagen: Jede Gesellschaft braucht faire Spielregeln. Dafür setzen wir uns ein. Aber ein Spiel, in dem jeder Zug vorherbestimmt ist, lässt keinen Raum mehr für Freiheit und Selbstbestimmung.
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Zu den wichtigsten Spielregeln zählen für uns die Bürgerrechte – wie sie auch
in den Grundrechten des Grundgesetzes festhalten sind. Sie schützen den Einzelnen und seine Entscheidungen gegenüber dem Staat in den wichtigsten Lebensbereichen. Sie garantieren einen gesellschaftlichen Raum der Freiheit, der
Privatheit, der Individualität und der Vielfalt.
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Wenn jeder Mensch seine eigenen Entscheidungen trifft, dann entsteht eine
Gesellschaft der Vielfalt. In der globalisierten Welt mit mehr Mobilität für mehr
Menschen als jemals zuvor ist Vielfalt die normalste Sache der Welt. Freiheit
und Vielfalt sind Zwillinge. Politische Kräfte, die gegen Vielfalt Ängste schüren,
bekämpfen in Wahrheit die Freiheit. Wir sind davon überzeugt, dass unter dem
Dach unseres Grundgesetzes genug Platz für diese Vielfalt ist, wenn Einigkeit in
einem besteht: Der Respekt vor den Grundrechten, dem Rechtsstaat und seinen
Gesetzen.
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Die Digitalisierung aller Lebensbereiche führt zur explosionsartigen Produktion
personenbezogener Daten. Zudem werden die Technologien immer ausgefeilter,
die aus diesem Meer an Daten Informationen über die Privatsphäre des Menschen ableiten. Wir Freien Demokraten wollen, dass jeder die sich aus der Digitalisierung ergebenden Chancen nutzen kann, ohne seiner informationellen
Selbstbestimmung beraubt zu werden. Deshalb müssen wir Datenschutz neu
denken. Der Staat hat seit jeher die Aufgabe, Leben, Freiheit und Besitztümer
der Menschen zu schützen. In der Welt der Digitalisierung bedeutet dies, dass
jeder Bürger die alleinige Hoheit über seine Daten zurückerhalten muss – gegenüber öffentlichen Stellen und kommerziellen Datensammlern. Statt einer Vielzahl
von Stellen ausgeliefert zu sein, die seine Daten gespeichert haben, soll jeder
Einzelne vollumfänglich bestimmen und kontrollieren können, wer wann und zu
welchem Zweck Zugang zu seinen Daten hat. Wir wollen eine Eigentumsordnung für Daten entwickeln, um deren selbstbestimmte Verwendung zu ermöglichen.
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Selbstbestimmung bedeutet auch, so leben zu können, wie man ist. Für uns
Freie Demokraten sind alle Lebensgemeinschaften gleich wertvoll, in der Men-
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schen nachhaltig füreinander Verantwortung übernehmen. Daher wollen wir, dass
alle Paare die Ehe eingehen können. In einer Welt, in der die Menschen immer
mobiler und älter und die Lebensmodelle vielfältiger werden, gibt es auch neue
Formen von Gemeinschaft jenseits von Verwandtschaft oder Liebesbeziehung.
Zum Beispiel unverheiratete Eltern, die zwar für ihre Kinder gemeinsam Verantwortung übernehmen, aber nicht zwingend füreinander. Oder ältere Menschen,
die sich in Wohngemeinschaften gegenseitige ihre Unabhängigkeit bewahren.
Jeder soll selbst entscheiden können, wer im Alltag, aber auch im Notfall, sein
engster Kreis von Angehörigen ist. Deshalb wollen wir, dass mit einem neuen
Rechtsinstitut der Verantwortungsgemeinschaft auch diesen Formen gegenseitiger Verantwortung der angemessene Schutz des Rechtssystems zu Teil wird.
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Viele junge Mütter oder Väter sehen sich in der „Rushhour des Lebens“ vor die
Alternativentscheidung zwischen Familie oder Karriere gestellt. Wir wollen junge
Familien durch finanzielle Entlastungen, vor allem aber durch intelligente Unterstützungsangebote wie Gleitzeit-Kitas oder einfachere Möglichkeiten für Teilzeitstudium, Teilzeitqualifizierung, Teilzeitarbeit und Teilzeitselbständigkeit und Lebensarbeitszeitkonten unterstützen, damit beides möglich wird.
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Wir fordern einen offenen Umgang mit den Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin. Die Entscheidung über eigene Kinder ist höchstpersönlich und
intim. Der Staat sollte sich hier zurückhalten. Moralisierender Traditionalismus hat
hier keinen Platz. Das Wohl des Kindes hängt von der Liebe seiner Familie ab,
nicht davon, wie es gezeugt wurde. Deshalb sind hier die Entscheidungen der
künftigen Eltern zu respektieren.
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Wer Angst vor existenzieller Not hat, handelt nicht frei. Er agiert wie ein Getriebener oder hält sich am Bestehenden fest. Daher benötigt eine freie Gesellschaft
auch Institutionen, die dem Einzelnen beistehen, um existenzielle Risiken abzusichern. Solche Absicherung kann staatlich sein wie die Sozialversicherungen oder
privat wie die Lebensversicherungen. Sie müssen aber in jedem Fall nachhaltig
wirtschaften. Denn die Menschen können ihnen nur vertrauen, wenn sie dauerhaft und verlässlich agieren. Dazu wollen wir die Sozialversicherungen an das
moderne Erwerbsleben anpassen – etwa mit einem flexiblen Renteneintrittsalter.
Das sorgt für mehr Selbstbestimmung. Es gibt keinen Grund, einem Menschen
vorzuschreiben, wann er in Rente geht: Die Lebenserwartung nimmt zu, und die
Lebensentwürfe unterscheiden sich immer stärker – warum stellen wir jedem
nicht frei, wann er in den Ruhestand gehen möchte? Ganz einfach und nachhaltig finanziert: Wer früher in Rente geht, erhält eine geringere, wer später geht,
eine höhere Rente. Dazu wollen wir auch den gleitenden Übergang in den Ruhestand in Kombination mit einer Teilrente ermöglichen: Wer Teilzeit arbeitet, bekommt dann bei früherem Rentenbeginn den Verdienst nicht mehr von der Rente
abgezogen.
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Eine älter werdende Gesellschaft muss auch nach dem Erwerbsleben auf mehr
Selbstbestimmung setzen. Alte Menschen wollen Erfahrungen weitergeben, am
gesellschaftlichen Leben teilnehmen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten noch et-
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was beruflich oder ehrenamtlich leisten. Dazu wollen wir die zahllosen gesetzlich
angeordneten Altersgrenzen aufheben.
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Barrierefreiheit ist für sie wie für Menschen mit Behinderung eine Grundvoraussetzung für Teilhabe. Auch bei zunehmenden gesundheitlichen Einschränkungen
oder Behinderungen muss Selbstbestimmung die Leitlinie sein: Einerseits können
Assistenz und ambulante Pflege das Leben in der gewohnten häuslichen Umgebung ermöglichen, andererseits sollen auch bei stationärer Pflege Privatsphäre
und Wahlmöglichkeiten so weit wie irgendwie möglich erhalten bleiben. Das Pflegepersonal muss dabei durch den Abbau von Dokumentationspflichten wieder in
die Lage versetzt werden, mehr Zeit für Mitmenschlichkeit und Kommunikation
zu haben.
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Zuwendung und soziale Verantwortung geschieht von Mensch zu Mensch. Viele
Politiker wollen sie jedoch immer mehr in Sozialsysteme abdelegieren. Systeme
bieten aber keine Zuwendung, Leistungsansprüche verschaffen keine menschliche Wärme. Wir ermutigen die Menschen, füreinander Verantwortung zu übernehmen – sei es in Familie, unter Freunden oder in der Nachbarschaft. Diesen
sozialen Kitt kann keine Wohlfahrtsbürokratie der Welt ersetzen.
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Die Wahrung der Menschenwürde ist für Freie Demokraten der Maßstab allen
Handelns – bis zum Lebensende. Wir respektieren in Grenzsituationen den
selbstbestimmten Entschluss eines Menschen, seinem Leben ein Ende zu setzen. Hilfe hierzu – auch ärztliche – darf nicht kriminalisiert werden.
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V. Freiheit und Menschenrechte weltweit
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Je enger die Menschen dieser Welt untereinander vernetzt sind, umso klarer
wird, dass die Verantwortung der Politik für die Freiheit der Menschen nicht an
den eigenen Landesgrenzen endet. Die politische Idee der individuellen Freiheit
steht weltweit unter Druck. Sie wird von religiösem Fundamentalismus und Autoritarismus bedroht. Dagegen müssen wir sie verteidigen! Denn Freie Demokraten
wollen Freiheit und Menschenrechte weltweit.
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Der westliche Wertekanon umfasst Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Marktwirtschaft. Das sind keine Dogmen, sondern die Geschichte lehrt,
dass sie den Menschen Wohlstand, Perspektive und Freiheit ermöglichen. Europa ist aber weder eine Festung, noch eine isolierte Insel. Europa ist mit dem Rest
der Welt durch Globalisierung und Digitalisierung verbunden. Andere Regionen
der Welt entwickeln sich und beanspruchen mehr Verantwortung in der Welt.
Wenn Europa mit seinen Werten die Welt weiter prägen möchte, dann wird das
nur gemeinsam gelingen – mit gemeinsamen Werten, gemeinsamen Märkten und
gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik bis hin zur Vision einer gemeinsamen europäischen Armee.
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Die individuellen Menschenrechte sind für uns Grundlage der internationalen
Politik. Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit steht an erster Stel-
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le. Aber auch politische Rechte wie Presse- und Versammlungsfreiheit sowie die
Gleichberechtigung von Mann und Frau und deren sexuelle Selbstbestimmung
sind für Liberale nicht verhandelbar. Wir werden uns für die Einhaltung dieser
fundamentalen Rechte einsetzen und diejenigen unterstützen, die dafür eintreten.
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Freie Demokraten setzen auf Außenpolitik und internationale Beziehungen, weil
wir in der engen Vernetzung der Staaten untereinander große Chancen auf Frieden und Wohlstand erkennen. Freier Handel führt zu besseren und günstigeren
Produkten für die Verbraucher und eröffnet der exportstarken Volkswirtschaft
Deutschlands neue Absatzmärkte. Für Entwicklungsnationen sind offene Märkte
eine Chance auf Wohlstand, weil sie ihre Kostenvorteile nur dann voll nutzen
können, wenn sie nicht durch protektionistische Handelsbarrieren ausgebremst
werden. Menschen, die miteinander Handel treiben, führen keine Kriege untereinander. Die immer engere Vernetzung der Staaten im Zeitalter der Globalisierung bietet vor allem die Chance, die universelle Geltung der Menschenrechte
und des Anspruchs jedes einzelnen Menschen nach einem Leben in Selbstbestimmung und Würde zu verwirklichen.
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Das Ziel liberaler Außenpolitik ist Frieden – aber in Freiheit. Die Idee des Völkerrechts ist einfach wie bestechend: Wenn alle Staaten ihre Landesgrenzen gegenseitig achten und die elementaren Menschenrechte wahren, dann muss niemand einen Überfall oder Krieg fürchten. Wenn das Völkerrecht gebrochen wird,
sichern uns unsere Streitkräfte militärisch ab. Wir werden für die Einhaltung des
Völkerrechts streiten und uns gleichzeitig mit gut ausgebildeten und ausgerüsteten Streitkräften im Verbund mit unseren NATO-Partnern glaubwürdig gegen
Rechtsbrüche Anderer zur Wehr setzen.
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Freie Demokraten sind Teil der westlichen Wertegemeinschaft. Die Vertiefung
und Stärkung der Beziehungen zu unseren europäischen Partnern in der EU, zu
den USA sowie zu allen Staaten, die sich zu Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Marktwirtschaft bekennen, bildet daher das feste Fundament, von dem aus wir Verständigung mit anders denkenden Ländern anstreben.
Dazu wollen wir als Basis in der EU die Felder stärken, in denen wir nur gemeinsam stark sein und sachgerechte Lösungen finden können: ein gemeinsamer Datenschutz, ein Energiebinnenmarkt ohne Grenzen, konsequente Haushaltsdisziplin und Eurostabilität, eine gemeinsame Flüchtlings- und Einwanderungspolitik
und die abgestimmte Bekämpfung von Extremismus bieten Chancen, wenn wir
zusammen agieren. Zudem wollen wir alle Instrumente der Außen- und Sicherheitspolitik stärken, denn in der Globalisierung ist aktive internationale Politik Voraussetzung für Sicherheit und Wohlstand auch im Inneren.
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Wir wollen die Ursachen von menschenunwürdigen Lebensumständen in weniger entwickelten Ländern bekämpfen und nicht die Symptome. Gesellschaften
werden dabei unterstützt, wirkungsvoll die Selbstbestimmung von Bürgerinnen
und Bürgern in allen Lebenslagen zu verwirklichen und ihnen Chancen auf Bildung, Wohlstand und persönliche Entwicklung zu eröffnen. Menschen in extremen Notlagen zu helfen, auf der ganzen Welt, jederzeit, schnell, professionell,
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umfänglich und bedingungslos, ist eine humanitäre Verpflichtung, die für Freie
Demokraten verbindlich ist.
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VI. Politik, die rechnen kann
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Die Soziale Marktwirtschaft fördert die Kreativität und Motivation ihrer Bürger
besser als jede andere Wirtschaftsordnung. Denn der Wettbewerb wirkt gefährlichen Machtballungen und Verkrustungen in der Wirtschaft entgegen und schützt
uns daher alle vor Machtmissbrauch. Es bietet den Raum für neue Gründungen
und den Mittelstand. Die Soziale Marktwirtschaft schafft Wohlstand für den Einzelnen und für die Gesellschaft. Sie schlägt die Pflöcke in den Boden, an denen
unsere Gesellschaft das soziale Sicherheitsnetz aufspannt. Sie ist daher das sicherste Fundament im Einsatz für Bildung und soziale Absicherung. Wer die Soziale Marktwirtschaft angreift, der greift Wohl und Wohlstand der gesamten Gesellschaft an. Deshalb verteidigen wir diese Wirtschaftsform.
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Nachhaltigkeit ist mehr als Umweltschutz. Genauso wie wir mit den natürlichen
Lebensgrundlagen nachhaltig umgehen müssen, so müssen Staat und Politik
auch nachhaltig wirtschaften. Sonst sorgen sie nur für eines – nämlich Schulden.
Und dass Schulden nicht nur die Staatsfinanzen, sondern gerade auch die Lebenschancen der Bürger eines Staates ruinieren, das hat die europäische
Staatsschuldenkrise gezeigt. Nachhaltig kann daher nur eine Politik sein, die
rechnen kann.
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Wir wollen den Euro als Gemeinschaftswährung erhalten. Deshalb unterstützen
wir Hilfen als Gegenleistung zu marktwirtschaftlichen Reformen. Seit 2010 wurden die Stabilitätsregeln des soliden Wirtschaftens geschärft und neue Institutionen geschaffen. Für das Vertrauen in den Euro und seinen langfristigen Bestand
ist die Achtung des Rechts heute wichtiger als die aktuelle Zahl seiner Mitglieder.
Die Wiederherstellung der finanzpolitischen Eigenständigkeit aller Euro-Mitglieder
ist unser Ziel. Das dauerhafte oder zeitweise Ausscheiden eines Staates darf
nicht tabuisiert werden. Wir setzen uns für ein geordnetes Insolvenzrecht für
Staaten ein.
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Für die Finanzen des Staates soll gelten, was für jeden anderen das normalste
der Welt ist: Gib nicht mehr Geld aus, als Du einnimmst! Ein Staat, der über seine Verhältnisse lebt, vergreift sich am Wohlstand künftiger Generationen. Der
ausgeglichene Haushalt soll nicht nur der rechtliche Grundsatz, sondern auch
schnellstmöglich der tatsächliche Normalfall werden. Dazu ist es nötig, dass die
„Schuldenbremse“ des Grundgesetzes mit automatischen Sanktionen versehen
wird. Denn derzeit verfahren zahlreiche Landesregierungen nach dem Motto:
Stelle einen verfassungswidrigen Haushalt auf, lass die Verfassungsgerichte dies
ruhig ausurteilen und ändere: nichts! Sie tun das, weil die Urteile meist gesprochen werden, wenn das betroffene Haushaltsgesetz längst vollzogen ist. Das
muss sich ändern! Wir schlagen daher vor, dass die Fehlbeträge, die zur Verfassungswidrigkeit eines Haushalts führen, innerhalb einer laufenden Legislaturperiode ausgeglichen werden müssen.
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Bund, Länder und Kommunen sollen durch Schuldenbremsen zur Sparsamkeit
angeleitet werden. Sprich: Sie sollen weniger ausgeben. Nichts fällt der Politik
aber schwerer. Lieber belastet sie Bürger und Unternehmen mit immer höheren
Steuern und Abgaben – sei es direkt wie bei den immer höheren Sozialversicherungsabgaben und dem Solidaritätszuschlag oder versteckt wie bei der kalten
Progression. Zum Schutz der Bürger fordern wir daher eine Steuerbremse im
Grundgesetz. Danach soll es dem Staat verboten sein, über Ertragssteuern wie
die Einkommen- und die Körperschaftsteuer mehr als die Hälfte der Erträge eines Bürgers zu vereinnahmen.
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In der Eurokrise war es kurzfristig notwendig, eine Reihe von Banken zu stabilisieren. Damit sind hohe Risiken für die öffentlichen Haushalte verbunden. Diese
kurzfristig erforderlichen Maßnahmen haben langfristig schädliche Auswirkungen,
vor allem wenn Banken davon ausgehen, dass es sich dabei um den Regelfall
handelt. Daher muss jetzt klar sein, dass sich eine solche Krise mit anschließender staatlicher Stabilisierung nicht wiederholen darf. Deshalb wollen wir im
Grundgesetz verbieten, dass Banken künftig durch den Staat gerettet werden,
um eine Änderung unverantwortlicher Geschäftspolitik zu erreichen.
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Politik, die rechnen kann, kennt die Quelle unseres Wohlstands: den Mittelstand. Hier finden die meisten Menschen ihren Arbeits- und Ausbildungsplatz.
Hier entsteht ein Großteil der Innovationen und der Wertschöpfung. Daher darf
sich Politik nicht nur auf die Großkonzerne konzentrieren, die ihre Belange mit
großen Kommunikationsabteilungen an die Politik herantragen. Wirklich nachhaltige Politik wägt ihre Auswirkungen mit Blick auf ganz normale Betriebe in Familienhand und Mittelstand ab.
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Die größten Risiken für die öffentlichen Finanzen liegen nicht mehr im Steuerhaushalt, sondern in den Sozialversicherungssystemen wie Rente, Krankenkassen und Pflegeversicherung. Sie sind immer noch nicht fit gemacht worden für
den demografischen Wandel. Hier muss die deutsche Politik endlich echte Reformen mit gesamtgesellschaftlichem Nutzen einleiten, statt Klientelpolitik und Trippelschritte zu betreiben. Denn die jungen Menschen von heute haben auch Anspruch auf eine funktionierende Alters-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung
morgen. Als ersten Schritt zu mehr Ehrlichkeit und Nachhaltigkeit wollen wir versicherungsfremde Leistungen aus den Sozialversicherungen vollständig in den
Steuerhaushalt überführen.
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Der Staat greift mit dem Geld seiner Bürger umfangreich und häufig ein, um
wirtschaftliche Prozesse zu verändern. Solche Subventionen können sinnvoll
sein, wenn sie Erneuerungsprozesse beschleunigen, Monopole überwinden oder
zeitliche befristet Anpassungsprozesse flankieren. Häufig genug schaden sie
aber dem Gemeinwohl und dienen als Dauersubventionierung innovationsschwacher Branchen. Deshalb müssen alle Subventionen überprüft und neu verhandelt
werden. Das gilt insbesondere für den Bereich der erneuerbaren Energien. Die
Übersubventionierung der letzten Jahre hat dem Innovationsklima der Branche in
Deutschland massiv geschadet und die Bürger massiv belastet.
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Ein Staat, der von seinen Bürgern Steuern erhebt, schuldet ihnen einen effizienten Umgang mit ihrem Geld. Viele Strukturen in unserem Staat sind aber historisch gewachsen. Doch nicht alles, was Tradition ist, macht heute noch Sinn. Wir
setzen uns daher dafür ein, die Bundesländer, Kreise und Kommunen dort, wo
es sinnvoll und von den Bürgern gewünscht ist, zusammenzulegen, um effizienter mit dem Geld der Steuerzahler zu wirtschaften.
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VII. Ein unkomplizierter Staat
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Wir wollen einen unkomplizierten Staat – von der Gemeinde bis zur Europäischen Union. Das Leben ist schon kompliziert genug. Da braucht niemand einen
Staat, der alles noch schwieriger macht. Der Staat sollte darauf achten, dass jeder Menschen Chancen im Leben bekommt, sich aber ansonsten auf die Formulierung und Durchsetzung fairer Spielregeln beschränken, die jede Gesellschaft
braucht. Mehr macht es nicht besser. Mehr macht den Staat nur komplizierter.
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Politik und Verwaltung produzieren ständig neue Vorschriften. Denn das ist
leichter, als nutzlose Regelungen abzuschaffen. Das immer dichtere Dickicht immer neuer Vorschriften macht das Leben immer komplizierter. Wir fordern deshalb für einen Zeitraum von fünf Jahren ein „one in, two out“, wie es in Großbritannien praktiziert wird: Für jedes neue Gesetz müssen zwei alte gestrichen werden. Unsere Vision ist, dass jedermann im Alltag aus dem Gesetzestext selbst
verstehen kann, was sein Recht ist.
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Die Digitalisierung aller Lebensbereiche führt zu neuen Dienstleistungen und
Produkten, die das Leben der Menschen einfacher und angenehmer machen.
Die Chancen für einen unkomplizierten Staat sind hier gewaltig: Wartezeiten bei
Behördengängen, Papier- und Formularflut, Telefonwarteschleifen – all dies
könnte der Vergangenheit angehören. Denn bis auf wenige Verwaltungsvorgänge, die man unbedingt persönlich erledigen muss (wie etwa die Eheschließung),
lassen sich nahezu alle Verwaltungsangelegenheiten durch Digitalisierung bequem von zu Hause oder unterwegs erledigen. So schnell wie möglich soll jeder
Verwaltungsvorgang vollständig digital erfolgen können. Jedes Formular soll digital signiert werden können. Alle Verwaltungsleistungen sollen unabhängig davon,
ob Bund, Land, Kommune oder eine Sozialversicherung zuständig sind, auf einem zentralen Portal erreichbar sein („one stop shop“). Im Jahr 2030 soll
Deutschland E-Government-Land Nummer eins der Welt sein.
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Egal, ob Stuttgart 21, Startbahn 3 in München oder Südlink. Bei zentralen Infrastrukturprojekten geht es langsam oder gar nicht voran. Dabei ist Deutschland
auf moderne Infrastruktur bei Verkehr, Energie und Daten angewiesen. Wir wollen, dass die entsprechenden Planungsverfahren beschleunigt werden. Das soll
aber nicht zu einem Defizit an demokratischer Legitimation führen. Deshalb sollen zukünftig die Information der Bürger und ggf. ein Bürgerentscheid am Beginn
der Verfahren stehen, damit die sich anschließenden Schritte des Verfahrens beschleunigt werden können. Bei Vorhaben von überregionaler Bedeutung soll das
Parlament einbezogen werden und ggf. Planfeststellung durch Gesetz betreiben.
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Der deutsche Sozialstaat ist unüberschaubar. Das macht ihn kompliziert: für die
Verwaltung, die eine unüberschaubare Zahl verschiedenster Leistungen und Voraussetzungen dieser Leistungen managen, überwachen und zuweisen muss.
Aber vor allem für die betroffenen Menschen, die das Ganze nicht mehr überblicken können und die das Gefühl beschleicht, sie müssten viele Dinge doppelt erledigen und seien einer Zuteilungswillkür ausgeliefert. Das ist teuer und ineffizient. Geld wird für Bürokratie vergeudet, das dann nicht mehr für die Menschen
zur Verfügung steht. Wir wollen Schritt für Schritt möglichst viele geeignete Sozialleistungen zusammenfassen. So wird Verwaltungsaufwand vermindert und
die betroffenen Menschen überblicken besser, wo ihnen der Staat hilft und wo
nicht. Dabei muss vom selbst verdienten Geld auch beim Bezug von Transferleistungen immer so viel beim Bürger verbleiben, dass sich auch für zeitweise
Bedürftige Einsatz lohnt und sie Schritt für Schritt wieder auf eigene Beine kommen können. Unsere Vision nennen wir Bürgergeld.
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Nichts ist so kompliziert wie das deutsche Steuerrecht. Selbst wenn sich hinter
jeder einzelnen Vorschrift eine kleine Gerechtigkeit verbirgt, ergeben sie in der
Summe eine große Ungerechtigkeit. Denn hier blickt niemand mehr durch. Am
Ende profitieren nur noch wenige Großkonzerne mit spezialisierten Steuerabteilungen. Deshalb wollen wir das deutsche Steuersystem Schritt für Schritt radikal
vereinfachen. Den Anfang sollte der ersatzlose Entfall des „Solidaritätszuschlags“ im Jahr 2019 sein – wie es den Bürgern versprochen wurde. Im Bereich der Einkommensteuer könnte am Ende eine „Flat Tax“ stehen: eine Einkommensteuer mit einem Einkommensteuersatz. Damit dieser Satz möglichst
niedrig sein kann, sollen möglichst viele Ausnahmen gestrichen werden. Das ist
ein Gewinn an Freiheit.
562
VIII. Schaffen wir die Republik der Chancen!
563
564
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567
568
Jeder Mensch hat es in der Hand: Veränderung, Chancen, Aufbruch. Unser
Auftrag ist daher klar: Stärken wir den Glauben der Menschen an sich selbst. Wir
glauben an die Kraft und die Energie des Menschen. Wir glauben daran, dass es
immer eine Möglichkeit gibt. Niemals sollen „Ja, aber …“ und Co. die Oberhand
behalten. Wir vertrauen auf die Kraft der Freiheit und machen den Optimismus
zu unserem Antrieb. Deshalb sind wir Freie Demokraten.
Begründung:
Erfolgt mündlich.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 23
Antrag S001
Betr.:
Änderung der Bundessatzung
Antragsteller: Bundesvorstand
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
Die Finanz- und Beitragsordnung (FiBeiO) wird wie folgt geändert:
2
1. § 10 Abs. 6 FiBeiO Sätze 2 und 3 erhalten folgende Fassung:
3
4
5
6
Der Bundesparteitag kann darüber hinaus befristete Sonderumlagen der Gliederungen beschließen. Ein solcher Beschluss bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen gültigen Stimmen, mindestens aber der Mehrheit der zum
Bundesparteitag Stimmberechtigten.
7
2. Der bisherige Satz 2 wird Satz 4.
Begründung:
Zur Finanzierung der Partei sieht das Parteiengesetz u.a. auch die Möglichkeit der
Erhebung von Sonderumlagen vor (vgl. § 27 Abs. 1 PartG). Bisher kennt die Satzung der
FDP in § 10 Abs. 6 der Finanz- und Beitragsordnung nur die Erhebung einer
regelmäßigen Umlage zugunsten des Bundesverbandes.
Zur Finanzierung besonderer Aktivitäten oder Kampagnen der Partei soll nunmehr
satzungsrechtlich die Möglichkeit geschaffen werden – wie dies auch bei anderen
Parteien der Fall ist -, bei Bedarf darüber hinaus zeitlich befristet und der Höhe nach
begrenzt, durch den Bundesparteitag eine Sonderumlage zu beschließen.
Um die finanziellen Lasten für die Gliederungen in überschaubaren und abschätzbaren
Grenzen zu halten, bedarf eine solche Sonderumlage einer Befristung und muss ihrer
Obergrenze nach bestimmt sein. Wegen des über die bisher satzungsmäßig festgelegten
Umlagepflichten hinausgehenden Charakters einer Sonderumlage, kann diese nur mit
einer Mehrheit auf dem Bundesparteitag beschlossen werden, die auch für
Satzungsänderungen erforderlich ist. So ist durch das besondere Verfahren sichergestellt,
dass dieses Instrument nur für solche besonderen Aktivitäten oder Kampagnen zum
Einsatz gelangt, über deren Sinn und Notwendigkeit in breitesten Teilen der Partei
Einhelligkeit besteht.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 24
Änderungsantrag
zu Antrag Nr. S001
66. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei
Berlin, 15. - 17. Mai 2015
Antragstitel: Änderung der Bundessatzung
Status: Angenommen Übernommen Abgelehnt Nicht beraten
Angenommen in geänderter Fassung Zurückgezogen Überwiesen
Teilweise übernommen
Erledigt
Nr. 0001 - Ersetzung
Zeile 3 bis 4
Gliederungen
Antragsteller:
1
Christoph Dammermann (LV Nordrhein-Westfalen)
Landesverbände
Begründung:
Der Antrag des Bundesvorstandes spricht unspezifisch von „Gliederungen“, bei denen
Sonderumlagen erhoben werden sollen. Begründet wird dies (siehe Presseerklärung Dr.
Solms vom 28.3.) mit dem Vermögen der Gliederungen in Höhe von 13,5 Millionen Euro.
Da die Situation in den Landesverbänden, was dieses Vermögen betrifft, sehr
unterschiedlich ist, wird hier vorgeschlagen, dass die Landesverbände in eigener
Verantwortung entscheiden, wie sie die Umlagen ggf. weiterberechnen.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 25
Änderungsantrag
zu Antrag Nr. S001
66. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei
Berlin, 15. - 17. Mai 2015
Antragstitel: Änderung der Bundessatzung
Status: Angenommen Übernommen Abgelehnt Nicht beraten
Angenommen in geänderter Fassung Zurückgezogen Überwiesen
Teilweise übernommen
Erledigt
Nr. 0002 - Füge ein nach
Zeile 6
.
Antragsteller:
1
2
Christoph Dammermann (LV Nordrhein-Westfalen)
Die Landesparteitage können in gleicher Weise beschließen, die Pflichten dieser
befristeten Sonderumlagen, ggf. auch teilweise, auf ihre Gliederungen zu übertragen.
Begründung:
Der Antrag des Bundesvorstandes spricht unspezifisch von „Gliederungen“, bei denen
Sonderumlagen erhoben werden sollen. Begründet wird dies (siehe Presseerklärung Dr.
Solms vom 28.3.) mit dem Vermögen der Gliederungen in Höhe von 13,5 Millionen Euro.
Da die Situation in den Landesverbänden, was dieses Vermögen betrifft, sehr
unterschiedlich ist, wird hier vorgeschlagen, dass die Landesverbände in eigener
Verantwortung entscheiden, wie sie die Umlagen ggf. weiterberechnen.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 26
Änderungsantrag
zu Antrag Nr. S001
66. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei
Berlin, 15. - 17. Mai 2015
Antragstitel: Änderung der Bundessatzung
Status: Angenommen Übernommen Abgelehnt Nicht beraten
Angenommen in geänderter Fassung Zurückgezogen Überwiesen
Teilweise übernommen
Erledigt
Nr. 0003 - Ersetzung
Zeile 7 bis 7
4
Antragsteller:
1
Christoph Dammermann (LV Nordrhein-Westfalen)
5
Begründung:
Diese Änderung ist notwendig, sofern die vorherige Einfügung eines neuen Satzes 4
angenommen wird.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 27
Stellungnahmen des Bundessatzungsausschusses
zu den Satzungsänderungsanträgen zum 66. Ord.
Bundesparteitag der FDP am 15.-17. Mai 2015 in Berlin
Satzungsänderungsantrag S001
Die beantragte Einfügung der Sätze 2 und 3 in den § 10 Abs. 6 der Finanz- und
Beitragsordnung ermöglicht dem Bundesparteitag, zusätzlich zu der Umlage nach
Satz 1, befristete Sonderumlagen zu beschließen.
Der Antrag ist zulässig. Es ist ein Satzungsänderungsantrag, da die Finanz- und
Beitragsordnung Bestandteil der Bundessatzung nach § 28 Abs. 3 der
Bundessatzung ist.
Da für den Beschluss des Bundesparteitags, eine befristete Sonderumlage zu
erheben, ohne nähere Bestimmung die einfache Mehrheit ausreichen würde, ist
die qualifizierte Mehrheit hier ausdrücklich anzuordnen.
Auch für die Sonderumlage gilt § 10 Abs. 3 der Finanz- und Beitragsordnung, da
es sich auch um eine Umlage handelt.
Stellungnahmen des Bundessatzungsausschusses
zu den Änderungsanträgen zu den Satzungsänderungsanträgen
zum 66. Ord. Bundesparteitag der FDP am 15.-17. Mai 2015 in
Berlin
zu Antrag S001 (Änderungsanträge 0001, 0002, 0003):
Stellungnahme zum Änderungsantrag von Christoph Dammermann zum
Antrag S001
Der Antrag ist zulässig. Er ist in der Frist des § 26 Abs. 3 der Bundessatzung
gestellt. Christoph Dammermann ist als Delegierter zum Bundesparteitag gemäß §
12 der Geschäftsordnung zur Bundessatzung antragsberechtigt auch zu
Änderungsanträgen zu gestellten Anträgen zur Änderung der Bundessatzung.
Zum besseren Verständnis werden die vollständigen Fassungen des § 10 Abs. 6
der Finanz- und Beitragsordnung im Folgenden für die geltende Fassung, die
Fassung nach dem Antrag S001 und die Fassung nach dem Änderungsantrag von
Christoph Dammermann dargestellt:
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 28
•
Bisherige Fassung des § 10 Abs. 6 Finanz- und Beitragsordnung:
1. Die beitragserhebenden Gliederungen entrichten an den Bundesverband
pro Monat und Mitglied eine Umlage in Höhe von Euro 2,20.
2. Die notwendigen Verfahrensvorschriften werden vom
Bundesschatzmeister erlassen.
•
Fassung des § 10 Abs. 6 Finanz- und Beitragsordnung nach Antrag S001:
1. Die beitragserhebenden Gliederungen entrichten an den Bundesverband
pro Monat und Mitglied eine Umlage in Höhe von Euro 2,20.
2. Der Bundesparteitag kann darüber hinaus befristete Sonderumlagen der
Gliederungen beschließen.
3. Ein solcher Beschluss bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der
abgegebenen gültigen Stimmen, mindestens aber der Mehrheit der zum
Bundesparteitag Stimmberechtigten.
4. Die notwendigen Verfahrensvorschriften werden vom
Bundesschatzmeister erlassen.
•
Fassung des § 10 Abs. 6 Finanz- und Beitragsordnung nach dem
Änderungsantrag von Christoph Dammermann (0001, 0002, 0003)
1. Die beitragserhebenden Gliederungen entrichten an den Bundesverband
pro Monat und Mitglied eine Umlage in Höhe von Euro 2,20.
2. Der Bundesparteitag kann darüber hinaus befristete Sonderumlagen der
Landesverbände beschließen.
3. Ein solcher Beschluss bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der
abgegebenen gültigen Stimmen, mindestens aber der Mehrheit der zum
Bundesparteitag Stimmberechtigten.
4. Die Landesparteitage können in gleicher Weise beschließen, die
Pflichten dieser befristeten Sonderumlagen, ggf. auch teilweise, auf ihre
Gliederungen zu übertragen.
5. Die notwendigen Verfahrensvorschriften werden vom
Bundesschatzmeister erlassen.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 29
Antrag 001
Betr.:
Erhebung einer Sonderumlage gem. § 10 Abs. 6 Satz 2 und 3
der Finanz- und Beitragsordnung
Antragsteller: Bundesvorstand
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
2
3
Auf der Grundlage von § 10 Abs. 6 Satz 2 und 3 der Finanz- und Beitragsordnung (FiBeiO) erhebt die Bundespartei von den Kreisverbänden (im Landesverband Berlin von den Ortsverbänden) eine befristete Sonderumlage.
4
5
6
Die Umlage beträgt € 25,00 je Mitglied und Jahr für die Jahre 2015, 2016 und
2017. Bezugsgröße für den Gesamtzeitraum der Sonderumlage ist die Mitgliederzahl am 01.01.2015.
7
8
9
Die Sonderumlage ist zweckgebunden für die Finanzierung einer einheitlichen
und permanenten Kampagne, die die Landtags- und Kommunalwahlen in diesen
Jahren umfasst.
10
11
Die Sonderumlage ist fällig zum 30.06. des jeweiligen Jahres, erstmals zum
30.06.2015.
12
13
Die Kreisverbände können ihrerseits die Ortsverbände nach der Maßgabe deren
Vermögens und Beitragsaufkommens heranziehen.
14
15
16
Die Landesvorstände können darüber entscheiden, ob und wie weit die Landesverbände die Sonderumlage ganz oder teilweise für ihre Gliederungen schuldbefreiend übernehmen.
17
18
Die Landesverbände sind gehalten, erforderlichenfalls für einen Finanzausgleich
zwischen ihren nachgeordneten Gliederungen zu sorgen.
19
20
21
Über die sach- und zweckgerechte Verwendung der Mittel aus dieser Sonderumlage unterrichtet der Bundesschatzmeister regelmäßig die Schatzmeisterkonferenz nach § 16 der FiBeiO.
Begründung:
Erfolgt mündlich.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 30
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 31
Antrag S002
Betr.:
Änderung der Bundessatzung
Antragsteller: Bundesvorstand (advokatorisch für AG Parteientwicklung)
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
Ergänze in § 11 Abs. 1 Geschäftsordnung zur Bundessatzung:
2
3
Neue Nummer
reich,“.
4
Ändere die fortlaufende Nummerierung entsprechend.
5
Streiche in §11 Abs. 5: „Bundesfachausschüsse,“.
„2.
Von
jedem
Bundesfachausschuss
in
seinem
Aufgabenbe-
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 32
Stellungnahmen des Bundessatzungsausschusses
zu den Satzungsänderungsanträgen zum 66. Ord.
Bundesparteitag der FDP am 15.-17. Mai 2015 in Berlin
Satzungsänderungsantrag S002
Der Antrag ändert § 11 Abs. 1 und 5 der Geschäftsordnung zur Bundessatzung.
Es handelt sich um einen Satzungsänderungsantrag, da die Geschäftsordnung zur
Bundessatzung Bestandteil der Bundessatzung ist (§ 28 Abs. 3 der
Bundessatzung).
Die Einfügung der neuen Nr. 2 in den Abs. 1 und die Streichung des Wortes
„Bundesfachausschüsse“ im Abs. 5 gibt den Bundesfachausschüssen ein eigenes
und originäres Antragsrecht zum Bundesparteitag.
Das Antragsrecht wird zugleich beschränkt auf den Aufgabenbereich des
jeweiligen Bundesfachausschusses. Die Einhaltung der Beschränkung würde zur
Zulässigkeit des Antrags des Bundesfachausschusses gehören. Dies ist jeweils
durch Auslegung des Fachbereichs und des Antragsinhalts zu prüfen.
Für Kommissionen und Foren verbleibt es bei der bisherigen Regelung in Abs. 5.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 33
Antrag S003
Betr.:
Änderung der Bundessatzung
Antragsteller: Bundesvorstand (advokatorisch für AG Parteientwicklung)
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
2
Die Satzung wird in den nachfolgend aufgeführten Paragraphen wie folgt geändert:
3
Ändere Überschrift von Kapitel 4 in:
4
5
IV. Bewerberaufstellung für die Wahlen zu
scheid, Mitgliederbefragung und Mitgliederbegehren
6
§ 21 Mitgliederentscheid
7
Fasse den Text wie folgt neu:
8
Absatz 1
Volksvertretungen,
Mitgliederent-
9
10
11
Über wichtige politische Fragen, für die der Bundesparteitag zuständig ist und
über die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl kann ein Mitgliederentscheid
durchgeführt werden.
12
Absatz 2
13
Ein Mitgliederentscheid findet nicht statt über:
14
1. die Änderung der Satzung, der Geschäftsordnung, der Beitragsordnung und
15
der Schiedsgerichtsordnung.
16
2. innerparteiliche Wahlen.
17
3. die Aufstellung von Bewerbern für öffentliche Wahlen.
18
19
20
4. den Haushaltsplan des Bundesverbandes, die Beschäftigung von Mitarbeitern
und andere Fragen der inneren Organisation des Bundesverbandes und der Bundesgeschäftsstelle.
21
22
5. Anträge, die bereits in den letzten zwei Jahren Gegenstand eines Mitgliederentscheides waren.
23
Absatz 3
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27
Ein Mitgliederentscheid ist auf Beschluss des Bundesparteitages oder des Bundesvorstandes oder auf Antrag der Vorstände oder Parteitage von fünf Landesverbänden oder hundert Kreisverbänden oder von fünf Prozent der Mitglieder der
FDP durch den Bundesvorstand durchzuführen.
28
Absatz 4
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
Der Bundesvorstand entscheidet über die Art des Abstimmungsverfahrens. Der
Mitgliederentscheid erfolgt entweder durch geheime Briefabstimmung, durch eine
dezentrale Präsenzwahl, durch eine online-basierte Abstimmung oder durch eine
Kombination dieser drei Verfahren. Es muss aber in den Grundsätzen einer geheimen Briefabstimmung gleichstehen. Wird ein Mitgliederentscheid erfolgreich
initiiert, gilt ein Neutralitätsgebot (Gebot der Gleichbehandlung der Antragsteller)
für die Bundesgeschäftsstelle. Das Gebot der Gleichbehandlung gilt auch für den
Bundesvorstand. Das beschränkt nicht das Recht von Mitgliedern des Bundesvorstandes, in die politische Diskussion einzugreifen. Der Bundesvorstand hat
das Recht, zusammen mit der beantragten Formulierung einen Alternativantrag
zur Abstimmung zu stellen. Die Kreisverbände sind gehalten, zum Thema des
jeweiligen Mitgliederentscheids Informationsveranstaltungen durchzuführen. Die
Bundesgeschäftsstelle unterstützt die Antragsteller gemäß der Verfahrensordnung (Abs. 8) im Rahmen der Datenschutzbestimmungen.
43
Absatz 5
44
45
46
47
48
49
Ein Antrag auf Durchführung eines Mitgliederentscheids muss schriftlich bei der
Bundesgeschäftsstelle eingereicht werden. Er muss den zur Entscheidung zu
bringenden Antragstext enthalten. Im Falle eines Antrags von fünf Prozent der
Mitglieder muss der Antrag durch sämtliche Antragsteller eigenhändig unterschrieben sein. Ein Mitgliederentscheid findet nicht mehr statt, wenn ein Bundesparteitag im Sinne des Antrags entscheidet.
50
Absatz 6
51
52
53
54
55
56
57
Ein Antrag im Rahmen des Mitgliederentscheids ist beschlossen, wenn er die
Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten hat. Enthaltungen werden
bei der Berechnung der Mehrheit nicht mitgezählt. Umfasst diese Mehrheit mindestens fünfzehn Prozent der Mitglieder, so ist dessen Ergebnis die politische
Beschlusslage der FDP und steht einer Entscheidung des Bundesparteitages
gleich. Wird dieses Quorum nicht erreicht, wird das Ergebnis lediglich als Mitgliederbefragung gewertet.
58
Absatz 7
59
60
61
62
63
Gegenstand eines Mitgliederentscheids kann auch die Bestimmung von Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl sein. In diesem Fall genügt ein Antrag auf Einleitung des Verfahrens. Daraufhin fordert der Bundesvorstand auf, innerhalb einer von ihm gesetzten Frist von mindestens 28 Tagen Vorschläge einzureichen.
Dem Wahlvorschlag muss die schriftliche Zustimmung der Kandidaten beigefügt
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
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sein. Wahlvorschläge können der Bundesparteitag, der Bundesvorstand, zwei
Landesverbände gemeinsam oder 20 Kreisverbände gemeinsam oder 250 Mitglieder einreichen. Gehen nicht mehr gültige Wahlvorschläge ein, als Positionen
zu besetzen sind, findet kein Mitgliederentscheid statt. Anderenfalls entscheidet
der Bundesvorstand über das anzuwendende Verfahren und leitet unverzüglich
den Mitgliederentscheid ein. Absatz 2 Nr. 2 findet keine Anwendung. Gewählt
ist, wer die meisten gültigen Stimmen und mindestens die Stimmen von fünfzehn
Prozent der Mitglieder erhält. Absatz 6 gilt entsprechend. Erfüllt kein Bewerber
diese Voraussetzungen, entscheidet der Bundesparteitag. Bei Stimmengleichheit
mehrerer Bewerber entscheidet der Bundesparteitag im ersten Wahlgang ausschließlich über die stimmengleichen Bewerber.
75
Absatz 8
76
77
Das weitere Verfahren regelt die durch den Bundesvorstand zu beschließende
Verfahrensordnung
78
Nach § 21 einfügen:
79
§ 21a Mitgliederbefragung
80
Absatz 1
81
82
83
84
Eine Mitgliederbefragung ist auf Beschluss des Bundesparteitags oder des Bundesvorstands oder auf Antrag der Vorstände oder Parteitage von zwei Landesverbänden oder 20 Kreisverbänden oder von 500 Mitgliedern der FDP durch den
Bundesvorstand durchzuführen.
85
Absatz 2
86
Ein Mitgliederbefragung findet nicht statt über:
87
1. innerparteiliche Wahlen.
88
2. die Aufstellung von Bewerbern für öffentliche Wahlen.
89
90
91
3. den Haushaltsplan des Bundesverbands, die Beschäftigung von Mitarbeitern
und andere Fragen der inneren Organisation des Bundesverbandes und der Bundesgeschäftsstelle.
92
Absatz 3
93
94
95
96
97
98
99
Der Bundesvorstand entscheidet über die Art des Abstimmungsverfahrens. Die
Mitgliederbefragung erfolgt entweder durch geheime Briefabstimmung, durch eine
dezentrale Präsenzwahl, durch eine online-basierte Abstimmung oder durch eine
Kombination dieser drei Verfahren. Es muss nicht den Grundsätzen einer geheimen Briefabstimmung entsprechen und kann sich auf alle elektronisch erreichbaren Mitglieder beschränken. Wird eine Mitgliederbefragung erfolgreich initiiert, gilt
ein Neutralitätsgebot (Gebot der Gleichbehandlung der Antragsteller) für die Bun-
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desgeschäftsstelle. Das Gebot der Gleichbehandlung gilt auch für den Bundesvorstand. Das beschränkt nicht das Recht von Mitgliedern des Bundesvorstandes, in die politische Diskussion einzugreifen. Die Bundesgeschäftsstelle unterstützt die Antragsteller gemäß der Verfahrensordnung (Abs. 6) im Rahmen der
Datenschutzbestimmungen.
105
Absatz 4
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107
108
109
Ein Antrag auf Durchführung einer Mitgliederbefragung muss schriftlich bei der
Bundesgeschäftsstelle eingereicht werden. Er muss den Fragetext enthalten. Im
Falle eines Antrags von 500 Mitgliedern muss der Antrag durch sämtliche Antragsteller eigenhändig unterschrieben sein.
110
Absatz 5
111
112
Die Organe der Partei sind in ihrer Willensbildung nicht an das Ergebnis der
Mitgliederbefragung gebunden.
113
Absatz 6
114
115
Das weitere Verfahren regelt die durch den Bundesvorstand zu beschließende
Verfahrensordnung.
116
§ 21b Mitgliederbegehren
117
Absatz 1
118
119
250 Mitglieder der FDP können beantragen, dass der Bundesvorstand eine bestimmte Angelegenheit behandelt (Mitgliederbegehren).
120
Absatz 2
121
Eine Mitgliederbegehren findet nicht statt über:
122
1. innerparteiliche Wahlen.
123
2. die Aufstellung von Bewerbern für öffentliche Wahlen.
124
125
126
3. den Haushaltsplan des Bundesverbands, die Beschäftigung von Mitarbeitern
und andere Fragen der inneren Organisation des Bundesverbandes und der Bundesgeschäftsstelle.
127
Absatz 3
128
129
130
Der Antrag muss schriftlich bei der Bundesgeschäftsstelle eingereicht werden.
Er muss die zu beratende Angelegenheit genau bezeichnen und durch sämtliche
Antragsteller eigenhändig unterschrieben sein.
131
Absatz 4
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Der Bundesvorstand muss spätestens auf seiner dritten Sitzung nach Antragseingang die Angelegenheit durch Abgabe eines begründeten Votums behandeln.
Begründung:
Der Bundesparteitag 2014 hat die AG Parteientwicklung im Rahmen des Beschlusses
„Besser beteiligen heißt stärker werden – Bürgerpartei FDP“ damit beauftragt, das
bestehende Instrument des Mitgliederentscheids auszubauen und weiterzuentwickeln, um
eine stärkere und einfachere Einbindung der Mitglieder in die Entscheidungsfindung der
FDP zu ermöglichen. Konkret soll der Mitgliederentscheid, auch aus den Erfahrungen der
vergangenen Entscheide, einfacher handhabbar, leichter sowie kostengünstiger
durchführbar werden. Zudem soll der Mitgliederentscheid um eine Mitgliederbefragung
und ein Mitgliederbegehren ergänzt werden. Dieses Paket ermöglicht die leichtere und
bessere Beteiligung der Mitglieder an der Entscheidungsfindung der FDP.
Die Änderungen im Detail:
Änderung der Überschrift Kapitel IV:
•
Dient der Nennung der Instrumente Mitgliederbefragung und Mitgliederbegehren
neben dem Mitgliederentscheid in der Überschrift des Kapitels.
Änderung § 21:
•
Abs. 1:
Diese Änderung beschreibt die Sachverhalte, zu denen ein
Mitgliederentscheid durchgeführt werden kann, genauer als der
ursprüngliche Text der Satzung. Er stellt klar, dass auf Bundesebene nur
die Sachverhalte Gegenstand eines Mitgliederentscheides sein können, die
ein Bundesparteitag entscheiden kann, und schließt andere Fälle, wie z.B.
einen Bundesmitgliederentscheid über Landespolitik aus.
Zusätzlich macht der neue Abs. 1 es möglich, dass auch die Wahl des
Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl über einen Mitgliederentscheid
möglich ist, da diese Position keine wahl- oder parteienrechtliche Relevanz
hat und daher einer Wahl durch die Mitglieder nichts entgegensteht.
•
Abs. 2:
Der neue Abs. 2 dient ebenfalls der Klarstellung, was mit einem
Mitgliederentscheid entschieden werden kann und was nicht. Die Ziffern 1
bis 4 ergeben sich unter anderem aus Regelungen des Parteiengesetzes
und der Wahlgesetze. Diese Punkte können nicht Gegenstand eines
Mitgliederentscheids sein. Diese Ziffern dienen lediglich der Klarstellung.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
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Sie sind im Inhalt nicht neu, aber im Gegensatz zur ursprünglichen
Fassung der Satzung nun klar benannt.
Die Wahl des Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl
„innerparteiliche Wahl“ im Sinne des Absatzes 2 Nr. 2.
ist
keine
Inhaltlich neu ist Ziffer 5. Sie legt die Bindungswirkung des Ergebnisses
eines Mitgliederentscheids auf zwei Jahre fest. Das soll verhindern, dass
mehrere Mitgliederentscheide in diesem Zeitraum zum selben Sachverhalt
stattfinden.
Die
Vorschrift
erfüllt
damit
eine
innerparteiliche
Befriedungsfunktion. Das berührt natürlich nicht das Recht, den
Bundesparteitag zu einem Sachverhalt wiederholt anzurufen.
•
Abs. 3:
Dieser Absatz ergänzt die ursprüngliche Fassung der Satzung. Nach der
neuen Version kann neben den bisherigen Berechtigten auch der
Bundesparteitag einen Mitgliederentscheid initiieren.
•
Abs. 4:
Erweitert das technische Verfahren der Stimmabgabe um Präsenz- und
Online-Wahl oder eine Kombination der Verfahren, legt aber die
Anforderungen an den Schutz des Wahlgeheimnisses unverändert hoch.
Zudem verankert der neue Abs. 4 jetzt auch das Neutralitäts- und
Unterstützungsgebot der Bundesgeschäftsstelle in der Satzung und
definiert es.
•
Abs. 5:
Konkretisiert die Form, in der ein Antrag auf Durchführung eines
Mitgliederentscheids eingereicht werden muss.
Darüber hinaus erinnert der Abs. an die satzungsrechtliche Stellung des
Bundesparteitags als höchstes Beschlussgremium der FDP. Sollte ein
Bundesparteitag einen Beschluss im Sinne der Initiatoren eines
Mitgliederentscheides fassen, ist deren Anliegen bereits Beschlusslage der
Bundespartei und ein Mitgliederentscheid damit hinfällig.
•
Abs. 6:
Ändert die Berechnung des notwendigen Quorums für die erfolgreiche
Durchführung eines Mitgliederentscheids und senkt das Quorum.
In der ursprünglichen Version der Satzung wird das notwendige Quorum
für einen erfolgreichen Mitgliederentscheid bei einem Drittel der Mitglieder
festgelegt. Dieses Drittel musste teilgenommen haben, egal welches
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 39
Votum abgegeben wurde. Bei geringerer Teilnahme wurde das Ergebnis
als Mitgliederbefragung und nicht bindend gewertet. In den meisten Fällen
wurde in der Vergangenheit dieses Quorum nicht erreicht und die
Nichtabgabe der Stimme konnte taktisch genutzt werden, um das
Erreichen des Quorums zu verhindern. Daher wird die Berechnung nicht
mehr auf die Gesamtzahl der teilnehmenden Mitglieder gestützt, sondern
auf die Zahl der Mitglieder, die den Mehrheitsantrag unterstützen. Hat ein
Antrag bei einem Mitgliederentscheid eine Mehrheit und besteht diese
Mehrheit aus mindestens fünfzehn Prozent der Mitglieder der FDP, ist
dieser Antrag Beschlusslage der FDP. Hat ein Antrag eine Mehrheit im
Mitgliederentscheid, aber diese Mehrheit besteht aus weniger als fünfzehn
Prozent der Mitglieder der FDP, so ist das Ergebnis als
Mitgliederbefragung zu werten.
•
Abs. 7:
Ergänzt den Mitgliederentscheid um die Möglichkeit, die Spitzenkandidatur
bei einer Bundestagswahl durch einen Mitgliederentscheid zu bestimmen.
Dabei greift ein zweistufiges Verfahren:
Erstens müssen die Voraussetzungen (Antragsberechtigung
etc.) für einen Mitgliederentscheid erfüllt sein.
In einem zweiten Schritt können aus der Partei
Wahlvorschläge eingereicht werden. Für die Einreichung
dieser Vorschläge gilt ein abgesenktes Quorum, um eine
Kandidatenvielfalt zu ermöglichen.
Darüber hinaus definiert dieser Abs. die weiteren Entscheidungsschritte,
falls
das
entsprechende
Quorum
für
einen
erfolgreichen
Mitgliederentscheid nicht erreicht wird.
•
Abs. 8:
In einer ausgeweiteten Verfahrensordnung müssen dann Fragen wie
Wahlordnung, Wahlleiter, Auszählungsmodalitäten etc. geregelt werden.
§ 21a Mitgliederbefragung:
Die Mitgliederbefragung ergänzt den Mitgliederentscheid um eine wesentlich schnellere,
einfacher zu handhabende und deutlich kostengünstigere Möglichkeit, Mitglieder in die
Entscheidungsfindung einzubinden. Das Ergebnis ist allerdings rechtlich nicht bindend.
•
Abs. 1:
Ergänzt den Mitgliederentscheid um eine Mitgliederbefragung.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
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Senkt das Quorum im Vergleich zum Mitgliederentscheid.
•
Abs. 2:
Listet die Sachverhalte auf, über die keine Mitgliederbefragung möglich ist.
•
Abs. 3:
Definiert die Möglichkeiten der Abstimmung und senkt die Anforderungen
an diese. Die Abstimmung muss in den Grundsätzen einer geheimen
Briefwahl nicht gleichstehen und kann sich auf die elektronisch
erreichbaren Mitglieder beschränken. Durch die große Anzahl an per EMail erreichbaren Mitgliedern (über 60 Prozent) ist das Ergebnis gleichwohl
repräsentativ.
Definiert zudem das Neutralitätsgebot und das Unterstützungsgebot der
Bundesgeschäftsstelle.
•
Abs. 4:
Bestimmt
die
Form
Mitgliederbefragung.
•
des
Antrags
auf
Durchführung
einer
Abs. 5:
Beschreibt die nicht rechtlich bindende Wirkung einer Befragung im
Gegensatz zum Mitgliederentscheid.
•
Abs. 6:
In einer Verfahrensordnung sind die technischen und organisatorischen
Details zu klären.
§ 21b Mitgliederbegehren
Das Mitgliederbegehren ist die Weiterführung der Basisanträge jenseits des
Bundesparteitages. Auch zwischen den Bundesparteitagen sollen Mitglieder die
Möglichkeit haben, Anträge an den Bundesvorstand zu stellen und eine verbindliche
Entscheidung / Antwort zu erhalten.
•
Abs. 1:
Definiert das Quorum
Bundesparteitag.
•
Abs. 2:
äquivalent
zu
den
Basisanträgen
zum
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 41
Stellt auch hier klar, was von Rechts wegen nicht Gegenstand eines
Begehrens sein kann.
•
Abs. 3:
Bestimmt
die
Form
Mitgliederbegehrens.
•
des
Antrags
auf
Durchführung
eines
Abs. 4:
Definiert das Zeitfenster, in dem sich der Bundesvorstand durch Abgabe
eines begründeten Votums mit dem Antrag befassen muss.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 42
Stellungnahmen des Bundessatzungsausschusses
zu den Satzungsänderungsanträgen zum 66. Ord.
Bundesparteitag der FDP am 15.-17. Mai 2015 in Berlin
Satzungsänderungsantrag S003
Der Antrag zur Änderung des § 21 der Bundessatzung beruht auch auf
Vorschlägen des Bundessatzungsausschusses. Soweit der Antrag die
Kapitelüberschrift und die neuen §§ 21 a, 21 b der Bundessatzung betrifft, beruht
der Antrag auf Vorschlägen der AG Parteientwicklung.
Der Bundessatzungsausschuss schließt sich der dem Antrag beigefügten
Begründung an.
Der Bundessatzungsausschuss ist sich bewusst, dass für die § 21 bis § 21 b nach
Maßgabe der zu gewinnenden Erfahrungen auch künftig Änderungsbedarf
bestehen könnte.
Es handelt sich um einen Antrag, der insgesamt abzustimmen ist.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 43
Antrag S004
Betr.:
Änderung der Bundessatzung
Antragsteller: Landesverband Hamburg
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
Hinter § 26 Absatz 6 Satz 1 wird folgender Satz 2 angefügt:
2
3
4
5
Wird der Parteitag eines Landesverbandes als Mitgliedervollversammlung geführt, bedarf es für Satzungsänderungen einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen gültigen Stimmen und mindestens der Stimmen von zehn Prozent der
Mitglieder des Verbandes zum Zeitpunkt der Einladung.
Begründung:
Das Parteiengesetz sieht in § 8 Abs. 1 Satz 1 im Grundsatz die Mitgliederversammlung
als oberstes Organ der Partei und der Gebietsverbände vor. Erst in Satz 2 der
Vorschrift ist geregelt, dass in den überörtlichen Verbänden an die Stelle der
Mitgliederversammlung eine Vertreterversammlung treten kann.
Die Autoren der Bundessatzung haben das System der Vertreterversammlungen zur
Grundlage der innerparteilichen Organisation gemacht. § 13 Abs. 9 der Bundessatzung
sieht aber die Möglichkeit vor, dass Landesparteitage nicht als Delegiertenversammlung,
sondern als Mitgliederversammlungen des Landesverbandes (Mitgliedervollversammlung)
gestaltet werden können. Soweit ein Landesverband von dieser Möglichkeit Gebrauch
machen wollte, steht ihm die bisherige Regelung des § 26 Abs. 1 der Bundessatzung
entgegen. Denn die Regelung in § 26 Abs.1 für Änderungen der Bundessatzung gilt
gemäß § 26 Abs. 6 auch für die Änderungen der Landessatzungen durch
Landesparteitage. Diese Regelung wiederum gehört gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 zu den
grundsätzlichen Bestimmungen der Satzung, die allen Landessatzungen vorgehen.
Bei Einführung einer Landesmitgliederversammlung anstelle einer Delegierten- oder
Vertreterversammlung wären also nach der gegenwärtigen Satzungslage alle Mitglieder
des Landesverbandes stimmberechtigt. Von diesen müssten für eine Satzungsänderung
mindestens die Hälfte teilnehmen. Da aber erfahrungsgemäß zu einer
Landesmitgliederversammlung nur ein Teil der Mitglieder erscheint, wären
Satzungsänderungen in Zukunft praktisch unmöglich.
Die von Hamburg vorgeschlagene Lösung, die erforderliche Mehrheit an die Zahl der
Teilnehmer der Versammlung zu knüpfen, wurde vom Bundessatzungsausschuss als
nicht praktikabel befunden. Stattdessen wurde empfohlen, eine Änderung im o. g. Sinne
vorzunehmen.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 44
Durch die Ergänzung des § 26 Abs. 6 wird die Möglichkeit von Satzungsänderungen bei
Bestehen einer Vollmitgliederversammlung geregelt, sodass die Bundessatzung der
Einführung einer Mitgliedervollversammlung in einem Landesverband nicht mehr
entgegensteht. Auf den Bundesparteitag hat die Regelung keinen Einfluss.
Der bisherige Satz 2 in § 26 Abs. 6 wird Satz 3.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 45
Stellungnahmen des Bundessatzungsausschusses
zu den Satzungsänderungsanträgen zum 66. Ord.
Bundesparteitag der FDP am 15.-17. Mai 2015 in Berlin
Satzungsänderungsantrag S004
§ 26 Abs. 6 der Bundessatzung regelt Änderungen der Landessatzungen. Die
bisherige Fassung passt nicht mehr für den Landesverband Hamburg, da dieser in
zulässiger Weise den Landesparteitag durch die Landesmitgliederversammlung
ersetzt hat.
Die vorgeschlagene Änderung passt die Regelung der neuen Lage in Hamburg
an. Dabei soll der bisherige Satz 2 des Abs. 6 aufrecht bleiben. Redaktionell sollte
„angefügt“ in „eingefügt“ geändert werden.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 46
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 47
Antrag S005
Betr.:
Änderung der Bundessatzung
Antragsteller: Alexandra Bruns (LV Schleswig-Holstein), Alexander Müller
(LV Hessen), Ralph Lorenz (LV Nordrhein-Westfalen),
Jacqueline Krüger (LV Brandenburg), Kai Gleißner (LV
Sachsen-Anhalt) und mehr als 250 FDP-Mitglieder
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
1. Die Bundessatzung wird wie folgt geändert:
2
§ 13 Abs. 1 Satz 1 erhält folgende Fassung:
3
4
5
Grundsätzlich darf jedes Mitglied der Partei am Bundesparteitag teilnehmen und
hat dann ein Rederecht, wenn 30 Parteimitglieder dies unterstützen oder auf Antrag und Beschluss des Parteitages.
6
2. Die Geschäftsordnung zur Bundessatzung wird wie folgt geändert:
7
§ 11 Abs. 1 Nr. 14 erhält folgende Fassung:
8
9
10
von 100 Mitgliedern. Die Antragsteller benennen ein Mitglied zum Vertreter des
Antrages vor dem Bundesparteitag. Dieser Vertreter wird den Antrag auf dem
Bundesparteitag vorstellen und begründen.
Begründung:
Die FDP soll zur modernsten Mitmachpartei in Deutschland werden. Die genannten
Änderungen sind das Mindestmaß an Beteiligung innerhalb einer Mitmachpartei. Wir
Basismitglieder nehmen die Verantwortung, unsere Kompetenz, Kraft und Kreativität in
die FDP einzubringen gerne wahr. Ein Engagement scheint aber besonders dann Erfolg
versprechend, wenn wir gehört werden und mittels Anträgen unsere Arbeit auch vorstellen
dürfen. Generalsekretärin Nicola Beer sagte: „Eine Mitmachpartei lebt vom Mitmachen.“
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 48
Änderungsantrag
zu Antrag Nr. S005
66. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei
Berlin, 15. - 17. Mai 2015
Antragstitel: Änderung der Bundessatzung
Status: Angenommen Übernommen Abgelehnt Nicht beraten
Angenommen in geänderter Fassung Zurückgezogen Überwiesen
Teilweise übernommen
Erledigt
Nr. 0001 - Ersetzung
Zeile 2 bis 5
von "§ 13 Abs. 1 Satz 1 erhält" ... bis "Beschluss des Parteitages."
Antragsteller:
1
2
3
4
5
Christoph Dammermann (LV Nordrhein-Westfalen)
§ 13 (1) Satz 1 behält die Fassung „Grundsätzlich darf jedes Mitglied der Partei am
Bundesparteitag
teilnehmen."
§ 13 (1) Satz 2 wird um einen Punkt 13. ergänzt: „13. alle Parteimitglieder, deren
Rederecht von dreißig Parteimitgliedern unterstützt wird.“
Begründung:
Der eingereichte Antragstext ist rechtlich nicht hinreichend klar und reiht sich nicht in die
Satzungssystematik. Mit dieser Änderung soll das erstrebte Ergebnis (Rederecht bei
Unterstützung durch 30 Parteimitglieder) ermöglicht werden.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 49
Änderungsantrag
zu Antrag Nr. S005
66. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei
Berlin, 15. - 17. Mai 2015
Antragstitel: Änderung der Bundessatzung
Status: Angenommen Übernommen Abgelehnt Nicht beraten
Angenommen in geänderter Fassung Zurückgezogen Überwiesen
Teilweise übernommen
Erledigt
Nr. 0002 - Ersetzung
Zeile 2 bis 5
§ 13 Abs. 1 Satz 1 erhält folgende Fassung: Grundsätzlich darf jedes
Mitglied der Partei am Bundesparteitag teilnehmen und hat dann ein
Rederecht, wenn 30 Parteimitglieder dies unterstützen oder auf Antrag
und Beschluss des Parteitages.
Antragsteller:
1
2
Alexander Müller, Gerhard-Johannes Drexler, Christel HappachKasan, Britta Reimers, Friedrich Bullinger und weitere Delegierte
Im § 13 Absatz (1) soll ein neuer Spiegelstrich Nr. 13 eingeführt werden: 13. die
Mitglieder, die 30 Parteimitglieder als Unterstützer für ein Rederecht nachweisen können.
Begründung:
Diese Formulierung bringt die gleiche Intention noch präziser zum Ausdruck, und heilt
eine möglicherweise unklare Formulierung in §13 Absatz 1 durch eine auch im RahmenKontext eindeutige Formulierung.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 50
Änderungsantrag
zu Antrag Nr. S005
66. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei
Berlin, 15. - 17. Mai 2015
Antragstitel: Änderung der Bundessatzung
Status: Angenommen Übernommen Abgelehnt Nicht beraten
Angenommen in geänderter Fassung Zurückgezogen Überwiesen
Teilweise übernommen
Erledigt
Nr. 0003 - Ersetzung
Zeile 7 bis 10
2. Die Geschäftsordnung zur Bundessatzung wird wie folgt geändert: § 11
Abs. 1 Nr. 14 erhält folgende Fassung: von 100 Mitgliedern. Die
Antragsteller benennen ein Mitglied zum Vertreter des Antrages vor dem
Bundesparteitag. Dieser Vertreter wird den Antrag auf dem
Bundesparteitag vorstellen und begründen.
Antragsteller:
Alexander Müller, Gerhard-Johannes Drexler, Christel HappachKasan, Britta Reimers, Friedrich Bullinger und weitere Delegierte
1
§ 11 Abs. (1):
2
Ersetze unter Spiegelstrich Nr. 14 die Zahl 250 durch die Zahl 100.
Begründung:
Die Änderung der Geschäftsordnung beschränkt sich nun auf die reine Zahl, da eine
Umformulierung des Textes in Spiegelstriches 14 mit der effektiv gleichen Aussage wie in
der Bestandsfassung nicht nötig ist.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 51
Stellungnahmen des Bundessatzungsausschusses
zu den Satzungsänderungsanträgen zum 66. Ord.
Bundesparteitag der FDP am 15.-17. Mai 2015 in Berlin
Satzungsänderungsantrag S 005
Der Bundessatzungsausschuss ist der Ansicht, dass es sich um zwei
verschiedene Anträge handelt, die getrennt abzustimmen sind.
Zu 1.
Der Antrag ist unzulässig, weil sein Inhalt im Widerspruch zu dem folgenden Satz
steht, der nicht geändert werden soll, und deshalb nicht zu praktizieren ist.
Zu 2.
Der Antrag ist zulässig. Redaktionell sollte im Satz 2 das Wort „wird“ durch „darf“
ersetzt werden.
Stellungnahmen des Bundessatzungsausschusses
zu den Änderungsanträgen zu den Satzungsänderungsanträgen
zum 66. Ord. Bundesparteitag der FDP am 15.-17. Mai 2015 in
Berlin
zu Antrag S005 (Änderungsanträge 0001, 0002):
Stellungnahme zu den Änderungsanträgen von Alexander Müller u.a. und
von Christoph Dammermann zu Antrag S005
Zur Änderung des § 13 Abs. 1 Satz 1 der Bundessatzung:
Beide Änderungsanträge lassen den bisherigen § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der
Bundessatzung unverändert. Diese lauten:
Grundsätzlich darf jedes Mitglied der Partei am Bundesparteitag teilnehmen.
Rederecht haben unbeschadet des § 25 (Zulassung von Gästen) nur die
stimmberechtigten Delegierten und
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 52
(1.-12. …)
13.
Alexander Müller u.a.:
die Mitglieder, die 30
Parteimitglieder als
Unterstützer für ein
Rederecht nachweisen
können.
oder
Christoph Dammermann:
alle Parteimitglieder, deren
Rederecht von 30
Parteimitgliedern unterstützt
wird.
Damit wird in beiden Änderungsanträgen das Begehren, dass ein Parteimitglied,
das von 30 Parteimitgliedern unterstützt wird, Rederecht hat, in zulässiger Weise
in den § 13 Abs. 1 der Bundessatzung integriert. Die Anträge sind alternativ zu
behandeln.
zu Antrag S005 (Änderungsantrag 0003):
Stellungnahme zu den Änderungsanträgen von Alexander Müller u.a. zu
Antrag S005
Zur Änderung des § 11 Abs. 1 Nr. 14 der Geschäftsordnung zur Bundessatzung:
Der Änderungsantrag vermeidet unnötige Textänderungen und beschränkt sich
auf die Änderung der Zahl 250 in 100.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 53
Antrag 100
Betr.:
Abschaffung des Konzepts „Schreiben wie man spricht“
Antragsteller: Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung
und Technologie
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
2
3
4
Die FDP setzt sich dafür ein, dass das in vielen Grundschulen nahezu aller Bundesländer verbreitete Konzept „Schreiben wie man spricht“ abgeschafft und
durch eine Methode ersetzt wird, die die korrekte Rechtschreibung an den Anfang des Schreib-Lern-Prozesses setzt.
Begründung:
Viele Lehrer weiterführender Schulen beobachten seit Jahren eine rapide zurückgehende
Fähigkeit von Schülern, Wörter normgerecht zu verschriftlichen. Dieselben
Beobachtungen machen Eltern, Ausbilder in den Betrieben und die Lehrenden an den
Universitäten.
Diese Erfahrungen aus der Praxis werden von einer Untersuchung der Universität Siegen
über die Fehlerhäufigkeit von Grundschülern gestützt: In ihr wird festgestellt, dass
Viertklässlern 1972 auf 100 geschriebene Wörter 7 Fehler, im Jahre 2002 aber bereits 13
Fehler unterliefen. Heute dürften diese Werte noch deutlich höher ausfallen.
Eine wesentliche Ursache hierfür wird in der seit vielen Jahren in Grundschulen aller
Bundesländer sich ausbreitenden Praxis gesehen, Kinder zunächst dazu zu ermutigen, so
zu schreiben, wie sie sprechen (z.B. fata, muta) und auch Eltern davon abzuraten, ihre
Kinder zu korrigieren. Die Schüler eignen sich also (nach der sog. Reichen-Methode)
zunächst eine nicht normgerechte Schreibweise an, die dann in den kommenden Jahren
mühsam zu korrigieren versucht wird.
Dieses Verfahren, jemanden zunächst etwas falsch lernen zu lassen, um ihn dann in
einem zweiten Schritt mühsam zum Umlernen zu bewegen, widerspricht jeglicher
anerkannten Lerntheorie. Es gilt für den Unterricht sogar der Grundsatz, nie etwas
Falsches zu vermitteln (z.B. Tafelanschrieb). Wenn man von den unterschiedlichen
Lerntypen bei Schülerinnen und Schülern ausgeht, so erschwert diese Methode den
Kindern das Lernen. Sogenannten Hörtypen kommt man mit dieser Methode nicht
entgegen, da es nur wenige Wörter gibt, die genauso geschrieben wie gesprochen
werden. Den Lernerfolg derjenigen, die über die optische Wahrnehmung in
Lernprozessen unterstützt werden, konterkariert man offenkundig vollständig. Des
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 54
Weiteren widerspricht diese Methode dem Bestreben der Kinder, Lernerfolge und
Fortschritte erzielen zu wollen.
Diese Vorgehensweise verzögert den Schreib-Lern-Prozess des normgerechten
Schreibens völlig unnötig, demotiviert und unterfordert. Zudem benachteiligt diese
Methode insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen
Elternhäusern.
Weiter gefährdet diese Vorgehensweise auch die Motivation vieler Kinder, die aus dem
Elternhaus eine normgerechte Schreibweise vermittelt bekommen und hindert sie durch
den Aufbau völlig unnötiger künstlicher Lernbarrieren am effizienten Lernen und
Weiterlernen.
Diese Methode des Schriftspracherwerbs ist in keiner Weise wissenschaftlich untersucht,
sie verschwendet kostbare Lernzeit, demotiviert Kinder und Eltern (Verbot der Elternhilfe)
und ist insbesondere nach der Grundschule ein schwerwiegendes Hindernis für den
Erfolg auf weiterführenden Schulen, in Studium und beruflicher Aus- und Weiterbildung.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 55
Antrag 101
Betr.:
Rechtschreibung nach Regeln ab der 1. Klasse
Antragsteller: Bundesvorstand Liberale Frauen
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die FDP setzt sich dafür ein, dass
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3
1. regelgetreues Schreiben ab der 1. Klasse beibehalten bzw. wieder eingeführt
wird.
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2. ein Ländervergleich
bung) durchgeführt wird.
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3. dass eine Studie über die Auswirkungen der Lernmethode "Schreiben nach
Gehör" in Auftrag gegeben wird.
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Alle Bundesländer haben vor ca. zehn Jahren das "Schreiben nach Gehör" im
Anfangsunterricht der Grundschulen eingeführt. Das bedeutet, dass die Kinder in
den ersten zwei, manchmal in den ersten drei Jahren der Grundschule so schreiben dürfen, wie sie es vom Laut der Worte her für richtig halten. Eltern sollen ihre Kinder nicht korrigieren, da sie ansonsten ihre Motivation verlieren würden.
Wenn Drittklässler immer noch schreiben "Ich wil spilen." oder "Du kanst gut net
sein." dann ist das bedenklich.
für
die
Grundschulen,
incl.
Orthographie
(Rechtschrei-
Begründung:
So wurden in Mecklenburg-Vorpommern auf eine Anfrage im Landtag hin die Ergebnisse
der Vergleichsarbeiten der dritten Klassen veröffentlicht. 37 Prozent der Kinder verfehlten
den Mindeststandard der Kultusministerkonferenz in der Rechtschreibung. Die Fähigkeit
von weiteren 26 Prozent lag knapp darüber. Nur gerade ein Drittel beherrschte die
Rechtschreibung passabel.
In weiterführenden Schulen haben etwa ein Drittel der Kinder eine LeseRechtschreibschwäche. Zu überprüfen ist, ob das wirklich eine Krankheit ist oder ob das
nicht mit der entsprechenden Lernmethode "Schreiben nach Gehör" zusammenhängt.
Lernen nach Gehör behindert den individuellen Bildungsfortschritt. So gibt es
Empfehlungen an Eltern, ihren Kindern zu Hause die richtige Rechtschreibung
beizubringen, also das nach zu holen, was Schule versäumt hat.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
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Seite 56
Lernen nach Gehör verstärkt soziale Ungerechtigkeit. Eltern, zumeist die Mütter planen
nachmittags Zeit ein für nachmittägliche Rechtschreibübungen. Kinder von bildungsfernen
Familien oder Migranten sind benachteiligt, weil keiner mit ihnen üben kann. So wird
soziale Ungerechtigkeit fest geklopft und nicht beseitigt.
Um diesem Missstand entgegen zu treten, fordert die FDP:
1. Regelgetreues Schreiben ab der 1. Klasse
2. Einen Ländervergleich für die Grundschulen, incl. Orthographie (Rechtschreibung)
Eine Studie über die Auswirkungen der Lernmethode "Schreiben nach Gehör".
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
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Antrag 102
Betr.:
Erlernen einer lesbaren Schreibschrift
Antragsteller: Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung
und Technologie
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
2
3
Den Schülern ist in der Grundschule von Beginn an eine klar lesbare Schreibschrift zu vermitteln und auf deren Einhaltung zu achten. Orientierung kann die
Lateinische Ausgangsschrift bieten.
Begründung:
Die Einführung der vereinfachten Ausgangsschrift oder Druckschriften in Verbindung mit
der Maßgabe, dass in der Grundschule nicht mehr auf Handschrift, Schreibhaltung und
Federführung (Haltung des Schreibgeräts) geachtet werden solle, hat zu sogenannten
individuellen Handschriften geführt, die häufig nicht einmal mehr von den sie
schreibenden Individuen gelesen werden können.
Der Sinn einer Schrift, nämlich damit anderen etwas mitzuteilen, droht für viele Schüler
(und später dann Erwachsene) damit weitgehend verloren zu gehen.
Diese dann insbesondere bei Jungen zu beobachtenden unleserlichen Handschriften
benachteiligen Schüler in weiterführenden Schulen und darüber hinaus im Berufsleben
erheblich, zumal eine unleserliche Handschrift nicht nur dem Adressaten Probleme
bereitet, sondern die jungen Menschen selbst auch daran hindert, erfolgreich in Beruf und
Studium weiter zu lernen, wenn eigene Aufzeichnungen nicht mehr gelesen und
verstanden werden können.
Zur Erreichung eines gut leserlichen Schriftbildes ist Übung, Hilfe und Korrektur bei der
Schreibtechnik unerlässlich. Die eigentliche Selbstverständlichkeit dieser Anforderung
lässt sich durch den Vergleich mit anderen Sprachen, die sich verstärkt an einem
Schriftbild orientieren und bei denen letztlich bis auf die Neigung eines Striches die
Formgebung
festgelegt
ist,
verdeutlichen.Lesbarkeit,
Chancengleichheit
und
Bildungsqualität können nur dann entstehen, wenn die Vereinfachte Ausgangsschrift und
alle anderen Druckschriften (z.B. Grundschrift) in einigen Buchstaben wieder der
lateinischen Ausgangsschrift angeglichen werden und bei Fließtexten anstatt einer
modifizierten Druck- oder Grundschrift wieder eine Schreibschrift verwendet wird.
Die Einführung und produktive Nutzung eines Tablets kann eine sinnvolle Erweiterung
von Kompetenzen darstellen, allerdings sollte der Einsatz erst nach dem Schreib-Lern-
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Prozess einsetzten und keinesfalls den Eindruck erwecken, die Fingerfertigkeit auf der
Tastatur (Beherrschung des Displays) könne die manuelle Schreibfähigkeit ersetzen.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
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Antrag 103
Betr.:
Schulfinanzierung nach der Schülerzahl
Antragsteller: Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung
und Technologie
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Wir Freien Demokraten fordern für Schülerinnen und Schüler an Schulen in
freier Trägerschaft die Zuweisung derselben Gelder pro Schüler wie für staatliche Schulen des entsprechenden Schultyps: Geld folgt Schüler!
Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Antrag 104
Betr.:
Das Studium auch sprachlich internationalisieren!
Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Hochschulgruppen
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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1. Leitbild: internationales Studium
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Für uns Freie Demokraten ist die internationale Ausrichtung des Studiums ein
Leitbild. Für uns ist die Outgoing-Mobilität von in Deutschland Studierenden
ebenso selbstverständlich wie die Ingoing-Mobilität, d.h. dass im Ausland Studierende einen Studienaufenthalt in Deutschland absolvieren. Unserer Ansicht nach
erweitert eine jede Auslandserfahrung den akademischen wie kulturellen Horizont und fördert Selbstständigkeit, interkulturelle Kompetenz sowie die Chancen
auf dem Arbeitsmarkt, während Studierende gleichzeitig Botschafter im Kleinen
für ihr Land sein können. Wir lehnen zwar verpflichtende Auslandssemester ab –
jeder Studierende soll nach seinen eigenen Bedürfnissen studieren. Aber wir begrüßen alle Maßnahmen, die einen Auslandsaufenthalt – sei es als Praktikum,
Austauschsemester oder grundständiges Studium – fördern, so etwa die verbesserte Anrechenbarkeit von Studienleistungen sowie harmonisierte Semesteranfangszeiten, für die wir uns schon seit langem einsetzen.
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2. Universitäten müssen mit dem internationalen Leitbild Schritt halten
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Die Freien Demokraten sprechen sich aber nicht nur für ein in äußeren Strukturen internationales Studium aus. Vielmehr müssen sich auch hinsichtlich der inneren Strukturen, was Verwaltungsabläufe sowie Curriculumsgestaltung angeht,
die Hochschulen in Deutschland den Bedürfnissen der Studierenden anpassen.
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a) Verwaltungsabläufe
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In manchen Studiengängen fühlt sich niemand in der Verwaltung zuständig für
die Ausstellung eines englischsprachigen „Transcript of Records“ und/oder einer
Rankingbescheinigung und Studierende werden von einem vermeintlichen Ansprechpartner zum nächsten geschickt. Hier muss die Universitätsverwaltung auf
die Bedürfnisse der Studierenden serviceorientiert eingehen. Die International Offices vieler Hochschulen sind chronisch unterbesetzt; es müssen mehr Mittel und
Stellen bereitgestellt werden. Kooperationen mit ausländischen Hochschulen sollten auf Universitäts-, Fakultäts- und Lehrstuhlebene ausgebaut werden. Von ministerieller Seite sind best-practice-Beispiele klar zu kommunizieren.
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b) Unterrichtssprachen
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Außerdem sollen mehr Lehrveranstaltungen in der Forschungssprache oder „Zielsprache“ des vermittelten Fachs angeboten werden. Dabei sprechen wir uns
nicht einseitig für ein größeres Angebot an englischen Lehrveranstaltungen (außerhalb von Sprachkursen) aus, sondern stellen die Bedürfnisse des jeweiligen
Fachs ganz oben an.
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Für uns gibt es aber kein Patentrezept – in manchen Fächern, in denen die Forschungssprache Englisch ist, wären durchaus Grundlagen- und Methodenveranstaltungen auf Englisch bereichernd, während in anderen Fächergruppen dies
nur eingeschränkt gilt.
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Viele englische Fortgeschrittenen-Sprachkurse im Sprachenzentrum neigen auch
bei fachspezifischer Ausrichtung dazu, weitgehend entkoppelt vom Inhalt viel
Wert lediglich auf Lexik und Grammatik zu legen. Wir halten es dagegen für vorzugswürdig, wenn sich die Sprachenzentren auf Fremdsprachen außerhalb Englisch konzentrieren, während Englisch zur selbstverständlichen Unterrichtssprache in Vorlesungen und Übungen avancieren sollte, soweit dies der jeweiligen
Fächerkultur entspricht. Dementsprechend sollen in diesen Fächern Klausuren
und Abschlussarbeiten auf Englisch zum selbstverständlichen Repertoire gehören. Die größere Bedeutung von Englisch als Lehrsprache hat den Sinn und
Zweck, Studierende auf ein internationales Forschungs- und Arbeitsumfeld vorzubereiten sowie eine größere Zugänglichkeit von Studiengängen in Deutschland
durch Bildungsausländer zu gewährleisten, wobei insgesamt Mindestanforderungen an die Beherrschung der deutschen Sprache stets gewahrt bleiben müssen.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 105
Betr.:
Exzellenzinitiative in der Lehre
Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Hochschulgruppen
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Wir Freie Demokraten stehen der bestehenden Exzellenzinitiative für die Forschung positiv gegenüber und sprechen uns für deren Fortführung über das Jahr
2017 hinaus aus.
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Dennoch teilen wir die Kritik, dass die Gelder des Förderprogrammes den Studierenden einer ausgezeichneten Hochschule gar nicht oder nur sehr indirekt zugutekommen.
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Die auf Bundesebene existierende Exzellenzinitiative fördert Forschungsprogramme mit denen sich die Universitäten beworben haben. Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass auch exzellente Lehre gefördert wird. Daher fordern wir eine Exzellenzinitiative für die Lehre, auch um Impulse für eine neue
Lehrkultur zu schaffen.
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Aus unserer Sicht muss diese in zwei Komponenten eingeteilt sein. Einerseits
muss bereits bestehende qualitativ hochwertige Lehre belohnt werden. Andererseits müssen Hochschulen, welche sich mit neuen Konzepten um bessere Lehre
bemühen, gefördert werden.
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Belohnung qualitativ hochwertiger Lehre:
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Wir sind uns einig, dass kein Messwert alleine eine zuverlässige Aussage über
die Qualität der Lehre zulässt. Daher forcieren wir einen Mix aus Parametern,
welche in der Bewertung einer Bewerbung unterschiedlich gewichtet werden sollen.
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Dieser Mix soll aus Evaluationen der aktuellen Studierenden, der Befragung von
Absolventen, des beruflichen Erfolgs der Absolventen sowie der Raumauslastung
und dem Betreuungsverhältnis bestehen.
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Einige dieser Werte (Raumauslastung, Evaluationsergebnisse, Betreuungsrelation) werden bereits erhoben. Bei den anderen Parametern rufen wir alle Beteiligten, von Bundesregierung bis Hochschulverwaltung auf, innovative Konzepte zu
entwickeln.
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Förderung von Konzepten zur Verbesserung der Lehre:
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Um Hochschulen zu besserer Lehre zu motivieren, sprechen wir uns für ein
Programm aus, welches Konzepte der Hochschulen finanziell fördert.
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Hierbei sollen die Hochschulen ihre Konzepte zur Verbesserung der Lehre einbringen. Im Rahmen eines Wettbewerbes entscheidet eine Jury aus Vertretern
des Wissenschaftsrates und dem Centrum für Hochschulentwicklung über die
Konzepte.
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Die Jury soll sich aus nationalen sowie aus internationalen Persönlichkeiten der
Lehre zusammensetzen.
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Exzellenzinitiative langfristig denken:
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Die periodische Förderung ist grundsätzlich ein guter Anreiz, die bestehende
Qualität von Forschung und Lehre an den Universitäten zu halten und neue Konzepte und Erfolge zu prämieren.
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Der Wegfall der Förderung nach fünf Jahren – wie bei der Exzellenzinitiative
zur Förderung der Wissenschaft und der Forschung üblich - stellt eine Universität jedoch vor einige Planungsschwierigkeiten und droht Erreichtes der vergangenen Förderperiode zu vernichten.
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Deshalb soll die Exzellenz einer Universität nach jeweils drei Jahren evaluiert
werden, um ggf. Nachbesserungen am Konzept vornehmen zu können. Die Förderperiode beträgt zehn Jahre.
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Für eine erfolgreiche dauerhafte Implementation einer Exzellenzinitiative Lehre
soll Voraussetzung für eine Bewilligung der Gelder sein, dass Verstetigungszusagen für die Zukunftskonzepte von Seiten des jeweiligen Landes und der jeweiligen Universität vorliegen.
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Sollte der Artikel 91b GG geändert werden, kann auch der Bund für solch eine
Verstetigung eintreten.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 106
Betr.:
Alphaplan gegen Analphabetismus
Antragsteller: Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung
und Technologie
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die Freien Demokraten setzen sich für ein konzertiertes Vorgehen im Kampf gegen den Analphabetismus ein. In diesem Zusammenhang stellen wir folgende
Forderungen:
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•
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•
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•
•
•
Die Entwicklung eines „Alphaplans“ im Sinne eines Masterplans Alphabetisierung für die Bundesrepublik Deutschland. Bund, Länder, Kommunen,
Verbände, Organisationen und die Wirtschaft stehen hier in einer gemeinsamen gesellschaftspolitischen Verantwortung, um die hohe Zahl von 7,5
Millionen funktionalen Analphabeten zu reduzieren.
Die bestehende Qualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung“ zwischen
Bund und Ländern um eine „Alpha-Initiative“ für die Bundesrepublik
Deutschland zu erweitern und so konkrete Schritte in den gemeinsamen
Verabredungen zu verankern, wie funktionaler Analphabetismus frühzeitig
erkannt und von der Kindertagesstätte an begegnet werden kann.
Die Einrichtung eines „Alphabüros“ als Koordinierungsstelle für alle Maßnahmen, die in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, vorzugsweise
angesiedelt bei der KMK.
Das Thema Analphabetismus in Deutschland endlich ins Zentrum der bildungspolitischen Debatte zu stellen. Die KMK muss sich dieser Aufgabe
annehmen und alle Maßnahmen der Bundesländer darstellen, kritisch überprüfen und neu ausrichten.
Im Rahmen der „Initiative zur Stärkung der Exzellenz in der Lehrerausbildung“ ein besonderes Augenmerk auf die Qualifizierung von Lehrerinnen
und Lehrern zum frühzeitigen Erkennen von Symptomen des Analphabetismus zu legen.
Im Rahmen der Lokalen Bildungsbündnisse der Frage der Alphabetisierung einen wichtigen Stellenwert zukommen zu lassen. Nur in der Vernetzung vor Ort zwischen allen schulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen können Maßnahmen frühzeitig greifen.
Eine Kampagne zur Gewinnung von „Alphapaten“, die sich ehrenamtlich
für Alphabetisierung engagieren möchten und die in enger Kooperation mit
den regionalen Wirtschaftsorganisationen stattfinden muss.
Die Einrichtung einer „Alpha-Stiftung“ für die Bundesrepublik Deutschland,
um hier alle Beteiligten zu einem gemeinsamen Engagement zu motivieren
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•
•
und verstärkt innovative Maßnahmen zur Enttabuisierung und zur Förderung auf den Weg zu bringen.
Eine Länder-Folgestudie zur LEO-Level-One Studie, die genau aufschlüsselt, wie die jeweilige Situation in den Bundesländern ist, um so auch deutlich zu machen, welcher unterschiedliche Handlungsbedarf in welchen Ländern notwendig ist.
In diesem Zusammenhang eine umfassende Aufklärungskampagne gerade
auch für die sogenannten „Mitwisser“ zu starten. Jeder muss sensibilisiert
werden wie wichtig es ist, hilfreich zur Seite zu stehen, statt einfach wegzuschauen.
Den funktionalen Analphabetismus im Rahmen des Nationalen Bildungsberichts einen eigenen Schwerpunkt zu geben.
Einen „Alphakongress“ im Jahr 2016 durchzuführen, bei dem die Grundlagen für eine eigene Nationale Alphabetisierungs- und Grundbildungsdekade gelegt werden und internationale Erfahrungen miteinbezogen werden.
Die Weitung der Nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung durch Verbände der Wirtschaft und Gewerkschaften, um so umfassende Grundlagen für arbeitsplatzorientierte Maßnahmen legen zu können.
Der Frage der Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland auch im
politischen Bereich Rechnung zu tragen. Deshalb fordern wir einen „Alphabeauftragten“ der Bundesregierung und in gleicher Weise „Landesbeauftragte“ der Landesregierungen.
Die Öffentlichkeit durch die Medien kontinuierlich über das Themenfeld Alphabetisierung zu informieren, um so zur Entstigmatisierung beizutragen
und zugleich die Betroffenen und ihre Vertrauenspersonen auf bestehende
Hilfsangebote aufmerksam zu machen. Alphabetisierung und Grundbildung
Erwachsener erfordern ein möglichst flächendeckendes und nachfragegerechtes Angebot an Alphabetisierungs- und Grundbildungskursen in Weiterbildungseinrichtungen.
Im Bereich der Prävention von funktionalem Analphabetismus sicherzustellen, dass es frühzeitige Sprachstandsdiagnosen und Förderangebote schon
in den Kindertagesstätten gibt.
Eine enge Verzahnung der Arbeit von „Nationale Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener“ und der „Allianz für Bildung“, damit
keine Maßnahmen parallel stattfinden.
Begründung:
Mit der Veröffentlichung der LEO-Level-One-Studie wurde bekannt, dass es in
Deutschland die erschreckend hohe Zahl von 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten
gibt. Funktionaler Analphabetismus ist in Deutschland also kein Nischen-, kein
Randproblem, sondern mitten in der Gesellschaft verwurzelt. Hier muss eine gewaltige
Kraftanstrengung zur Bekämpfung dieses Problems geleistet werden, der sich die
gesamte Gesellschaft stellen muss.
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Maßnahmen müssen bereits präventiv im frühkindlichen Bereich ansetzen, um
Analphabetismus erfolgreich verhindern zu können. Die Frage der Alphabetisierung und
Grundbildung ist eine Frage von Bildungsgerechtigkeit und Bildungschancen, die wir
Liberalen in den Vordergrund bildungspolitischer Debatte stellen müssen.
Die Freien Demokraten kümmern sich um die Sorgen der Menschen, die nicht richtig
lesen und schreiben können, und setzen diese in konkrete Bildungspolitik um.
Auch die vernünftige Verknüpfung von Maßnahmen aus dem Bereich der
Alphabetisierung mit anderen bildungspolitischen Maßnahmen ist ein wirkungsvolles
Mittel, um die Zahl der Analphabeten einzudämmen.
Eines der größten Hemmnisse beim Kampf gegen den Analphabetismus ist die Angst der
Betroffenen, mit ihrem Problem an die Öffentlichkeit zu gehen und Hilfe in Anspruch zu
nehmen. Daher muss die Gesellschaft noch mehr für dieses Thema sensibilisiert werden.
Nur wenn alle hier an einem Strang ziehen, kann diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe
bewältigt werden.
Die Freien Demokraten setzen sich dafür ein, dass wir ein gesellschaftspolitisches Klima
schaffen müssen, in dem Analphabetismus enttabuisiert und alle gesellschaftlichen
Institutionen dafür sensibilisiert werden.
Es ist keine Schande nicht richtig lesen und schreiben zu können. Es ist aber eine
Schande, wenn wir als Gesellschaft zulassen, dass Menschen dies verbergen, weil sie
sich schämen.
Die Freien Demokraten haben noch in Regierungsverantwortung wichtige Projekte mit auf
den Weg gebracht:
•
•
•
•
•
•
•
•
Das Programm „Lesestart“ mit einer Finanzierung von 20 Millionen Euro, bei dem
in den kommenden acht Jahren 4,5 Millionen Lesestart-Sets verteilt werden.
Die „Offensive Frühe Chance“ für 4.000 Schwerpunkt-Kindertagesstätten.
Das Programm zur arbeitsplatzorientierten Forschung und Entwicklung für
Grundbildung, das mit 20 Millionen Euro ausgestattet wurde.
Die weitere Aktivierung von Mitteln für Alphabetisierung und Grundbildung aus
dem Europäischen Sozialfond in Höhe von 35 Millionen Euro.
Die Förderung von 24 Verbundvorhaben mit über 100 Einzelmaßnahmen mit einer
Gesamtfördersumme von über 30 Millionen Euro.
Die Öffnung der Bildungsprämie für Maßnahmen der Alphabetisierung und
Grundbildung, bei der seit deren Verdreifachung von 150 auf 500 Euro statt 7.000
Prämien im Jahr 2009 inzwischen 180.000 Prämien ausgegeben wurden.
Die Einrichtung der „Nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung
Erwachsener“.
Die Initiative „Lesen und Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt“, die mit fünf
Millionen Euro ausgestattet ist, die die FDP in den Haushaltsberatungen
durchgesetzt hat.
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•
Die Fortführung der Initiative „iChance“.
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Antrag 107
Betr.:
Absolventenbonus
Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Mittelstand
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Wir fordern die Einführung eines bundesfinanzierten Absolventenbonus. Die
Hochschulen sollen direkt einen finanziellen Bonus für jeden erfolgreichen Studienabschluss aus den Bundesmitteln, die im Rahmen des Hochschulpakts 2020
an die Länder fließen, erhalten. Dadurch werden unmittelbare Anreize gesetzt,
Mittel in die Verringerung der Abbrecherquote zu investieren – vor allem durch
eine Verbesserung der Betreuung und der Studienberatung. Nach Auslaufen des
Hochschulpakts ist die Finanzierung des Absolventenbonus durch den Bund zu
verstetigen.
Begründung:
Durch den Hochschulpakt 2020 werden die Bundesländer finanziell dabei unterstützt,
wenn sie Studienplätze schaffen. Für jeden zusätzlichen Studienplatz erhält ein Land
derzeit 13.000 Euro vom Bund. Die östlichen Bundesländer sowie die Stadtstaaten
erhalten Bundesmittel sogar nur dafür, dass sie ihre bestehenden Kapazitäten weiterhin
vorhalten und nicht abbauen.
Bisher setzte der Hochschulpakt Fehlanreize, indem die Gewährung der Bundesmittel
allein von der Aufnahme, nicht hingegen vom erfolgreichen Abschluss eines Studiums
abhing. Ein Land erhält also auch dann den vollen Förderbetrag, wenn der Student sein
Studium abbricht oder in ein anderes Bundesland wechselt. In der dritten Phase des
Hochschulpakts soll diese Fehlsteuerung dadurch behoben werden, dass die Länder ab
2016 zehn Prozent der Bund- und Landesmittel aus dem Pakt für Maßnahmen zur
Senkung des Studienabbruchs einsetzen.
Die Mittel, die vom Bund in den Pakt fließen, sollen zum Teil oder ganz nicht erst an die
Länder, sondern direkt an die Hochschulen in Form eines Absolventenbonus gehen. Dies
würde einen unmittelbaren Anreiz für die Hochschulen setzen, durch eine bessere
Beratung und Betreuung der Studenten Studienabbrüche und -verzögerungen zu
reduzieren. Aufgrund des Wettbewerbs, in dem die Hochschulen auch vor dem
Hintergrund des demographischen Wandels stehen, wird dies nicht zur einer Absenkung
der Anforderungen im Studium, sondern zu einer besseren Qualität der Betreuung führen.
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Antrag 200
Betr.:
Impuls für eine neue Gründerzeit
Antragsteller: Landesverband Bremen
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Damit Deutschland eine Zukunft hat, brauchen wir eine neue Gründerzeit. Gründerinnen und Gründer schaffen Zukunft. Sie schaffen Arbeitsplätze für sich
selbst und andere. Neue Unternehmen mit neuen Ideen stärken den Wettbewerb
um die besten Produkte und die besten Dienstleistungen. Sie sorgen für ein vielfältiges Angebot und Fortschritt. Innovation sorgt für Dynamik in der gesamten
Wirtschaft. Das eröffnet Chancen für die Menschen – von der Verwirklichung der
eigenen Ziele bis hin zu zukunftssicheren Arbeitsplätzen für sich und andere.
Ohne neue Ideen und Unternehmen kann unser Land langfristig weder seine internationale Wettbewerbsfähigkeit noch seinen Wohlstand halten. Doch ausgerechnet Deutschland bleibt bei der Gründungskultur erheblich hinter anderen vergleichbaren Staaten wie den USA, Kanada, Israel oder den Niederlanden zurück.
Deshalb brauchen wir eine neue Gründerkultur! Mutige Menschen, die für ihre
Ideen brennen, müssen unterstützt und nicht gebremst werden. Die Gesellschaft
muss sie ermutigen, mit ihren Ideen den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen.
Das wollen wir Freien Demokraten ändern, indem wir wirtschaftliches Grundwissen schon in der Schule stärken, guten Werkunterricht etablieren, Bürokratie abbauen und die Finanzierung erleichtern. Wir Freien Demokraten stehen dabei
auch für eine „Kultur der zweiten Chance“, die Gründerinnen und Gründern die
Angst vor einem möglichen Scheitern nimmt. Wir wollen hin zu einer Kultur, die
Leistungen von Unternehmerinnen und Unternehmern anerkennt und nicht neidet.
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Das wollen wir konkret:
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Gründen zum Thema in Schule und Hochschule machen:
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•
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•
•
Thema Selbständigkeit und Unternehmertum in Lehrplänen verankern.
bessere Kooperationsmöglichkeiten von Schulen mit Unternehmen, Unternehmern, Handwerkern, Gewerbetreibenden und Kammer vor Ort.
verlässliche und zukunftsfähige Finanzierung der deutschen Hochschulen.
zusätzliche Lehrstühle für Entrepreneurship an deutschen Hochschulen.
Gezielte Unterstützung von Gründungen aus Hochschulen heraus.
Erleichterung nebenberuflicher Gründungen durch besseren Zugang zu
Förderprogrammen. Dies ist v.a. für den Einstieg von Frauen neben der
Familienarbeit eine große Chance, so können tragfähige Selbständigkeiten
entstehen. Ergänzend muss ein besserer Übergang geschaffen werden
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zwischen der beitragsfreien Familienversicherung und der Einstufung
dem Mindestbeitrag in der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung.
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Bürokratieabbau:
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Entlastung:
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•
•
•
•
•
•
mit
Unternehmensgründungen müssen so einfach werden, wie das Mieten eines Mietwagens.
„One-Stop-Shops“ für Unternehmensgründer.
Bürokratiefreies erstes Jahr für Existenzgründer, so dass zu Beginn der
Gründungsphase die Anmeldung des Gewerbescheines ausreicht.
Anhebung der Grenzen bei Buchführungs- und ähnlichen Pflichten für junge und kleine Unternehmen.
Mehr Transparenz und einfachere Regelungen für Gründer bezüglich Versicherungspflichten in der deutschen Sozialversicherung.
Aussetzung der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge und Rückkehr
auf die Fälligkeit am 10. des Folgemonats.
Mehr Rechtssicherheit bei der Befreiung von Sozialbeiträgen für die Geschäftsführer von Start-Ups, so dass Teamgründungen nicht weiter gegenüber Einzelgründungen benachteiligt werden.
Verbindliche Auskünfte im Steuerrecht durch die Finanzverwaltung, so
dass Planungs- und Rechtssicherheit für Gründer besteht.
Abschaffung der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungspflicht für Existenzgründer.
Anhebung des Schwellenwertes der IST-Besteuerung von bisher 500.000
Euro auf eine Million Euro zur Vermeidung von Liquiditätsproblemen für die
ersten drei Jahre nach der Gründung, so dass Steuern erst dann fällig werden, wenn die erbrachte Leistung tatsächlich bezahlt wurde.
die Verkürzung der steuerlichen Aufbewahrungsfristen. Eine Halbierung
von zehn auf fünf Jahre ist realistisch und noch immer mehr als genügend
für eine effiziente und moderne Steuerverwaltung.
In den ersten fünf Jahren wollen wir Existenzgründer von der Pflicht zur
Kammermitgliedschaft befreien.
Öffnung bestehender Förderprogramme für Existenzgründer, insbesondere
auch für Nichtakademiker.
Entkopplung des Gründerzuschusses von Arbeitslosigkeit. Die Vergabe
findet dann nicht mehr durch die Bundesagentur für Arbeit statt, sondern
beispielsweise durch die KfW.
Venture-Capital-Gesetz.
Beseitigung der steuerlichen Benachteiligung von Eigenkapital gegenüber
Fremdkapital.
Sofortige steuerliche Absetzbarkeit von Wagniskapital-Investitionen privater Geldgeber.
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•
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Gründungsfreundliches politisches Klima:
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•
•
•
•
Beibehaltung der Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen von unter zehn Prozent, wenn diese in neue Start-Ups investiert
werden.
Verbesserte steuerliche Anrechnung von Verlusten beim Erwerb von Unternehmensanteilen durch neue Gesellschafter.
Ein Klima der zweiten und dritten Chance. Scheitern darf kein Stigma sein
– Erfolg kein Grund für Neid. Nur so kommt echter Pioniergeist in unserem
Land auf.
Ein klares Bekenntnis der Politik zur Technologieoffenheit und Innovationsfreude Deutschlands.
Verbesserte Möglichkeiten auch unter 18 Jahren ein Unternehmen gründen zu können. Denn gute Ideen können nicht immer so lange warten.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 201
Betr.:
Mehr Freiraum für neue Ideen
Antragsteller: Bundesvorstand Junge Liberale
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die Freien Demokraten wollen Deutschland zum Gründerland Nummer 1 in Europa machen. Wir sind davon überzeugt, dass die Menschen hier voller Ideen
und Träume stecken, die sie verwirklichen möchten. Wir möchten ihnen deshalb
helfen Deutschland voranzubringen und fortschrittlicher zu machen, anstatt sie
durch unnötige Bürokratie und eine gründerfeindliche Stimmung zu behindern.
6
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Wir haben Respekt vor Menschen, die sich an das Abenteuer Selbstständigkeit
heranwagen und wollen sie folgendermaßen fördern:
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1. Gründermentalität
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Wir möchten gleiche Startchancen für alle, die in ihrem Leben potentiell einmal
ein Unternehmen gründen. Deshalb soll bereits früh in der Bildungslaufbahn die
Neugier geweckt werden, eigene Ideen zu entwickeln und auszubauen. Grundlagen unternehmerischen Denkens sollen bereits in der Schule sowohl im klassischen Unterricht als auch in Projekten und Planspielen vermittelt werden. Auch
in der Hochschule sollen für Studenten sämtlicher Fachrichtungen Angebote zum
Thema Gründung wie zum Beispiel Gründer-Projektwochen, Gründungszentren
und Beratungsstellen zur Selbstverständlichkeit werden. Auch sollten gründungswilligen Studenten Urlaubssemester für ihre Gründung anerkannt werden.
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2. Kultur der zweiten Chance
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Scheitern darf kein Stigma sein, sondern muss als Lernprozess und Unternehmensrisiko begriffen werden. Diese Kultur sollte gerade jungen Menschen vermittelt werden, die oft aus Angst vor einem möglichen Versagen gute Ideen nicht
umsetzen.
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Nach einem Scheitern muss jeder das Recht auf eine zweite Chance haben.
Hierfür ist ein Insolvenzrecht erforderlich, das einen ausgewogenen Ausgleich
zwischen den Interessen von Gläubigern und Schuldnern schafft. Wir sprechen
uns in diesem Zusammenhang für eine Annäherung der Insolvenzkriterien für
Gründer auf europäischer Ebene aus.
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3. Finanzierung von Gründungen
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In Deutschland steht Gründern klassischerweise zwar Fremdkapital (z.B. über
die KfW) aber viel zu selten das dringend benötigte Eigenkapital zur Verfügung,
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um Ideen umzusetzen, die Anlaufzeit benötigen. Auch für den entscheidenden
Wachstumsschritt vom kleinen Start-Up hin zum erfolgreichen mittelständischem
Unternehmen braucht ein Unternehmen frisches Kapital, weil die Aufnahme von
Darlehen das junge Unternehmen über die Gebühr belasten und das Wachstum
hemmen würde.
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Wir setzen uns deshalb für Anreize ein, die mehr Investitionen von Eigenkapital
in junge, aufstrebende Unternehmen ermöglichen. Denkbar wären dazu auch besondere Anreizmodelle für über Crowdinvesting zusammengetragene Investitionssummen.
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Ein besonderes Anliegen ist uns die Zurverfügungstellung von Kapital und Stipendien für Nicht-Akademiker. Als Ansprechpartner sollen dabei insbesondere
sogenannte Business Angels, erfahrene Gründer mit eigenem Kapital, eingebunden werden. Diese können nicht nur durch ihre Erfahrung die Erfolgsaussichten
von Start-Ups meist gut einschätzen, sondern unterstützen gerade in der Anfangszeit auch durch Mentoring.
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4. Lasten durch Bürokratie verringern
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Start-Ups sind Geschäftsideen, die von der schnellen und unkomplizierten Umsetzung leben. Lange bürokratische Prozesse bei Unternehmensgründungen und
Kapitalbeschaffung binden nicht nur unnötig Ressourcen, sondern bremsen die
Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Start-Up-Unternehmen
erheblich. Dem gilt es entgegenzuwirken. So müssen zum Beispiel gerade bei
Vergabe von öffentlichen Fördermitteln die Anforderungen angeglichen werden,
damit der Verwaltungsaufwand für Gründer möglichst gering bleibt und nicht für
jeden Einzelantrag ein neuer Businessplan geschrieben werden muss.
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5. Märkte öffnen
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Vielversprechende Geschäftsmodelle dürfen nicht an überregulierten Märkten
scheitern. So hat zum Beispiel die Abschaffung des Fernbusmonopols sowohl
neuen Unternehmen eine Chance gegeben als auch mehr Möglichkeiten für Verbraucher geschaffen.
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Deshalb fordern wir unter anderem die Liberalisierung des verkrusteten Taximarktes. Künftig soll jeder mit Fahrerlaubnis, belastbarem polizeilichen Führungszeugnis und einer Versicherung für Insassen einen Personenbeförderungsschein
erhalten. Vorschriften zu Eigenschaften und Optik der Fahrzeuge, zum Beispiel
die Farbe oder die Türenanzahl betreffend, sollen auf das Nötigste reduziert werden. Vor Ort sollen alle Einschränkungen, beispielsweise bei der Standplatzwahl,
entfallen. Schließlich müssen auch die Preise im marktwirtschaftlichen Wettbewerb selbst festgelegt werden können. Vermittlungsservices zwischen Fahrern
und Fahrgästen auf Provisionsbasis müssen als völlig normale Dienstleistungsunternehmen akzeptiert und behandelt werden.
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Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Antrag 202
Betr.:
Gründerkultur und Wachstum für digitale Innovationen
Antragsteller: Bundesfachausschuss Medien, Internet und digitale Agenda
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Herausforderung:
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Der deutschen Wirtschaft mangelt es erheblich an Wachstumskapital, um im digitalen Zeitalter den Anschluss an die erfolgreichen Startup-Ecosysteme wie beispielsweise im Silicon Valley oder Tel Aviv nicht zu verpassen. In den USA flossen 2012 26,5 Milliarden Euro und damit 0,17 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in junge Unternehmen. Dagegen betrug der Anteil von investiertem Risikokapital hierzulande im Jahre 2012 gerade 0,021 Prozent des BIP, also ein
Achtel im Verhältnis zu den USA. In absoluten Zahlen entspricht das sogar einem Dreißigstel dessen, was in den USA investiert wird. Dies ist zwar auch der
unterschiedlichen Größe beider Staaten geschuldet, berücksichtigt man jedoch,
dass Deutschland in manchen Branchen auf den weltweit vordersten Plätzen
liegt, besteht hier offensichtlich Aufholbedarf.
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Regelungsziele:
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Erforderlich ist neben notwendigen regulatorischen Erleichterungen für zeitgemäße Finanzierungsmethoden, wie dem Crowd-Funding, insbesondere die Finanzierung von erwachsenen Startup-Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell mindestens in Deutschland bereits erfolgreich bewiesen haben und nun international expandieren möchten. Dabei handelt es sich um jene vorbörsliche Finanzierungsstufe, die darüber entscheidet, ob aus einem Startup ein großes mittelständisches
Unternehmen oder sogar mehr entsteht. Fehlende Wachstumsfinanzierung ist
gleichzeitig ein Hemmnis für die Frühphasenfinanzierung, kann im Zweifel sogar
zum Scheitern einer Unternehmensgründung führen. Nach der gestiegenen
Gründungsdynamik der letzten Jahre droht das deutsche Startup-Ecosystem erheblich ins Stocken zu geraten.
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Dies hat jedoch auch zu tun mit einer wieder verstärkten negativen Haltung
verteilungsorientierter Politikseiten gegenüber Risikobereitschaft und einer funktionierenden Gründerkultur. Zu dieser gehört auch überhaupt erst das Unternehmen eines Versuchs, möglicherweise verbunden mit der Erfahrung des Scheiterns. Es ist dieses Sammeln von Erfahrungen, das neben besseren Finanzierungsmöglichkeiten in anderen Ländern wie den USA dazu führt, dass langsam
eine Gründer- und Unternehmergeneration heranwächst, die immer bessere und
für das BIP relevantere Unternehmen zum Erfolg führt. Nur eine in der Öffent-
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lichkeit positiv besetzte Gründungskultur, in der das Scheitern nicht als Stigma
des Verlierers, sondern als besondere Qualifikation für die nächste Aufgabe gilt,
wird Deutschland in der digitalen Welt nach vorne bringen.
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Liberale Position:
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1. Finanzierungsoptionen ermöglichen
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Deutschland benötigt ein eigenständiges und international wettbewerbsfähiges
Regelwerk für den gesamten Bereich des privaten Beteiligungskapitals. Die Umsetzung der AIFMD (EU Richtlinie zur Regulierung des Private Equity und Venture Capital Marktes) ist eine Chance, um ein solches Regelwerk zu schaffen.
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Des Weiteren sollten auch Pensionskassen als Finanzierungsquelle für Startups
erwogen werden. Da die Investitionen in Startups sehr langfristig sind, eignen
sich gerade Pensionskassen dazu, angesparte Gelder auf eine volkswirtschaftlich
sehr sinnvolle Art und Weise in junge innovative Unternehmen zu investieren.
Beginnen sollte die Öffnung der Pensionskassen für Wagniskapital zunächst mit
einem kleinen Prozentsatz der Anlagesumme, um die Mündelsicherheit nicht zu
gefährden. Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung bietet der Zukunftsfonds
Schweiz für die konkrete Ausgestaltung dieser Finanzierungsquelle ein gutes
Beispiel. Hier wird der zur Wagniskapitalfinanzierung verwendete Teil eines Pensionsfonds mit der Zeit graduell erhöht, so dass ein damit verbundenes Risiko
für die Anleger auf diese Weise stark begrenzt werden kann.
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Die Einführung einer bundesweiten Garantiefazilität für institutionelle Investoren
würde mit einer Teilübernahme des Verlustes dazu beitragen, das Risiko für den
einzelnen Anleger eines VC-Fonds zu minimieren. Dadurch würde diese Anlageklasse auch für kleine Anleger erheblich an Attraktivität gewinnen.
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2. Über Steuern Investitionen in Startups steuern
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Eine dauerhafte Erhaltung des § 8b KStG ist für mehr Rechtssicherheit und
Planbarkeit dringend notwendig. Die zu restriktive Regelung zur Nutzung des
Verlustvortrags bei Beteiligungen gerade an Startups muss gelockert werden. Die
grundsätzliche Umsatzsteuerpflicht von Management-Fees stellt eine in Europa
einmalige Diskriminierung des Standorts für deutsche Fonds dar. Auch sollen
wertmindernde Klauseln bei der Ermittlung des Unternehmenswertes berücksichtigt
werden.
Liquidationspräferenzen,
Verwässerungsschutz,
Mitspracherechte
von Investoren etc. haben, ceteris paribus, einen wertmindernden Effekt. Dies
muss auch vom Finanzamt bei der Unternehmensbewertung berücksichtigt werden.
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Eine Vorbildfunktion könnte hierbei das „Enterprise Investment Scheme“ in
Großbritannien haben, wodurch zahlreiche steuerliche Anreize geschaffen werden, die zu Investitionen in Startups motivieren sollen.
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3. Vervollständigung der Finanzierungskette durch Einführung eines Börsensegments für Startups
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Gleichzeitig müssen über ein Börsensegment für Startups diskutieren. Die Warschauer Börse zeigt mit 88 Börsengängen im Jahr 2012 an ihrem Handelsplatz
„New Connect“, wie ein Neuer Markt 2.0 funktionieren kann. Ohne die Möglichkeit des Börsengangs für Startups fehlt ein entscheidendes Glied in der Finanzierungskette mit der fatalen Folge, dass sich die wachstumsstärksten Technologiegründungen für andere Börsenplätze entscheiden oder zum Unternehmensverkauf gezwungen werden.
Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Antrag 203
Betr.:
Innovationsförderung in KMU
Antragsteller: Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung
und Technologie
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Ausgangssituation Innovationsprozess in KMU in Deutschland und anwendungsorientierte Forschung:
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Die Situation in vielen kleinen und mittleren Unternehmen ist: Es gibt ein seit
langer Zeit etabliertes Produktportfolio und wenig Veränderung im Angebot. Der
Konkurrenzdruck im Markt nimmt aber u.a. durch Globalisierung zu, die Margen
sinken, besonders bei etablierten Produkten. Die Notwendigkeit, den technologischen Vorsprung zu halten, wird immer größer.
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Grundlegende Neuentwicklungen dauern jedoch sehr lange von Marktanalyse
über Entwicklung, Anpassung an spezifische Kundenwünsche, Markteinführung
in der Serie. Solche aufwendigen Entwicklungen sind für viele Unternehmen im
sog. „Tagesgeschäft“ kaum zu leisten. Die Finanzierung von reinen Entwicklungsabteilungen, die mit langfristiger Perspektive ausschließlich entwickeln, wird immer schwieriger für viele Unternehmen.
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Gerade neue Produkte mit großer Innovationshöhe und Abstand zum etablierten
Portfolio der Wettbewerber werden für hiesige KMU aber immer wichtiger, da besonders diese die hohen Margen bringen, die nötig sind, um hohe Kosten für
Personal, Infrastruktur und schließlich auch Steuern in Deutschland abzudecken.
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Konsequenz:
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Wir wollen kleine und mittlere Unternehmen im Innovationsprozess unterstützen
und dabei den ganzen Weg von der Produktentwicklung bis zur Anmeldung von
Schutzrechten und der Markteinführung der Produkte betrachten.
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In einigen Bundesländern gibt es in diesem Zusammenhang bereits erfolgreiche
Modelle, wie zum Beispiel die Bereitstellung von Innovationsgutscheinen. Wir fordern eine deutschlandweite Einführung solcher Erfolgsmodelle sowie insbesondere die flächendeckende Umsetzung der unten beschriebenen Maßnahmen.
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Aufgrund der Nähe der KMU zu den Landesregierungen kommt den Ländern eine besondere Bedeutung zu, den Innovationsprozess positiv zu begleiten. Es gilt
auf der regionalen Ebene alle wichtigen Akteure, wie Universitäten/Fachhochschulen, Kammern und Verbände mit den KMU über Cluster- und Netzwerke zu-
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sammen zu bringen bzw. vorhandene Strukturen kritisch zu analysieren und ggf.
neu zu justieren.
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Konkrete Maßnahmen:
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· Schaffung/Stärkung von Innovationsverantwortlichen in den Wirtschaftsministerien auf einer hohen hierarchischen Ebene. Die Innovationsverantwortlichen müssen sich umfassend und nachhaltig dem Thema Innovation „draußen“ in den Unternehmen widmen und müssen an echten Erfolgen wie Neuentwicklungen und
Umsatzsteigerungen in den betreuten Unternehmen, Messeauftritte, Bekanntheitsgrad der Unternehmen, Zahl der angemeldeten Patente usw. gemessen
werden.
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· Stärkung des Wissens um die Bedeutung von Patenten in KMU und Steigerung der Bereitschaft, Patente für Neuentwicklungen anzumelden. Dabei kommt
insbesondere den Kammern und Verbänden eine Schlüsselrolle zu.
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o Unterstützung der Unternehmen durch eine praxisorientierte Beratung entlang
des gesamten Produktentwicklungsprozesses, die keine Hemmschwellen bei den
potentiellen Nutzern erzeugt.
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o Patentberatungsstellen in räumlicher Nähe mit Personen, die den Entwickler
im kleinen Unternehmen verstehen.
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o Schulung zu Patenten: Grundlagen,
zung zu Wettbewerbern, usw.
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o Praktische Unterstützung bei der Anmeldung der Patente.
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o „Patent Angels“ in Analogie zu Business Angels.
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o Ziel der Betreuung soll sein, die „Patentquote“ in den kleinen Unternehmen zu
erhöhen. Im Vergleich zu größeren Unternehmen, in denen Patente meist eine
wichtige strategische Rolle spielen, wird dieses Thema in kleinen Unternehmen
oft vernachlässigt – nicht zuletzt durch fehlendes Wissen.
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· Förderung von Messeteilnahmen. Messeauftritte sind mühsam und kostspielig
und werden daher von kleinen Unternehmen eher wenig wahrgenommen. Messen sind aber ein Mittel, um langfristige Sichtbarkeit des Unternehmens und seiner Marken zu schaffen.
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· Stärkung von Innovationsnetzwerken bzw. -clustern auf Länderebene und/oder
länderübergreifend. Diese können sich nach Anlaufzeiten auch selbst finanzieren.
Dabei sollten die Kammern und Verbände eine starke Rolle einnehmen und insbesondere den Wissenstransfer zwischen Unternehmen fördern.
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· Deutschlandweite Einführung von durch die Länder bereitgestellten Innovationsgutscheinen, wie dies heute bereits zum Beispiel in Baden-Württemberg und
Bayern der Fall ist.
Chancen,
Risiken,
Strategien,
Abgren-
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· Stärkung von Innovations- und Transferstrukturen an Hochschulen.
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o Für KMU ist es im Hinblick auf Innovationen sehr attraktiv und sinnvoll, auf
vorhandene Forschungsinfrastruktur und Know-How von Dritten, wie z.B. Universitäten oder Fachhochschulen zurückzugreifen.
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o An vielen Hochschulen, insbesondere an forschungsorientierten Fachhochschulen, sind die Kapazitäten der Professoren heute zum großen Teil durch Lehre und Verwaltungsaufgaben gebunden. Eine Stärkung des Mittelbaus erlaubt es
den Professoren, sich stärker auf ihre Kernkompetenz Forschung zu konzentrieren und setzt somit wichtige, bisher ungenutzte Potenziale frei.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 204
Betr.:
Blaues Wachstum – Unser Weg für Deutschland
Antragsteller: Landesverband Baden-Württemberg
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Deutschland ist Wirtschaftsmotor in Europa. Unsere Wirtschaftskraft entsteht,
weil Menschen erfolgreich Waren und Dienstleistungen entwickeln und herstellen.
Es ist das Ergebnis unzähliger Einzelentscheidungen, die täglich getroffen werden. Leistungsbereitschaft, Kreativität, Innovationskraft und der Fortschrittswille
von Arbeitnehmern und Unternehmern sind die Grundlage für jenen wirtschaftlichen Erfolg, der zu diesem Wachstum führt. Aufgabe der Politik ist es, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit aus individuellen Anstrengungen
wirtschaftlicher Erfolg entstehen kann. Wirtschaftswachstum ist für Liberale kein
Selbstzweck, aber eine entscheidende Grundlage unseres Wohlstandes. Es unter Berücksichtigung der Anforderungen von Nachhaltigkeit zu ermöglichen, es
ist darum ein Grundprinzip liberaler Politik. Diesen Anforderungen trägt die Soziale Marktwirtschaft Rechnung, für die Liberale immer gekämpft haben.
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Dieses Wachstum darf nie seine eigenen Grundlagen gefährden oder nur einzelnen Generationen zugänglich sein. Es ist ein Gebot der Generationengerechtigkeit, dass heutiges Handeln nicht die Entwicklungschancen zukünftiger Generationen mindert. Deswegen fordert die FDP eine Politik der Langfristigkeit ein,
die politisches und wirtschaftliches Handeln an einem umfassenden Nachhaltigkeitsverständnis ausrichtet. Dabei müssen die wirtschaftlichen – inklusive der finanziellen, gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen des heutigen Handelns für zukünftige Generationen berücksichtigt werden.
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Die häufige Verengung auf rein ökologische Aspekte hat der Nachhaltigkeit einen Bärendienst erwiesen. Wer die wirtschaftliche bzw. finanzielle und soziale
Dimension von Nachhaltigkeit aus dem Blick verliert, gefährdet damit letztendlich
auch die Grundlage für eine Politik der ökologischen Nachhaltigkeit. Würde die
Politik beispielsweise zulassen, dass die Bezahlbarkeit von Energie zur sozialen
Frage des Jahrhunderts wird, dann verspielt sie am Ende die Akzeptanz für den
ökologischen Aspekt der Nachhaltigkeit.
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Wir wollen darum eine ganzheitliche und systemisch strukturierte Nachhaltigkeitspolitik. Unser Anspruch ist, es in Zusammenhängen und Wechselwirkungen
zu denken. Nachteile können sich so als Vorteile erweisen, und die Abfälle eines
Produkts sind möglicherweise die Ressourcen für ein anderes Gut. Erst dieses
ganzheitliche Nachhaltigkeitsverständnis ermöglicht es uns, den anstehenden
Herausforderungen tatsächlich gerecht zu werden. Aufbauend darauf wird ein
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nachhaltiges, systemisch intelligentes und verantwortungsbewusstes Wachstum
erzielt. Ein solches Wachstum, welches diesen echten Nachhaltigkeitskriterien
verpflichtet ist, nennen wir „blaues Wachstum“.
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Die Herausforderungen, denen das Blaue Wachstum gegenübersteht, sind vielfältig.
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Besonders die ökologischen
Wesentlichen parallel zur der
etwa 2,5 Milliarden Menschen
Bis 2050 wird die Zahl der
schätzt.
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Die steigende Zahl der Weltbevölkerung spiegelt sich im Gebrauch- und Verbrauch der Umweltgüter wieder. Am präsentesten ist die Diskussion über die
Grenzen der Umweltbelastung im Beispiel des Klimawandels. Aber auch andere
Güter, wie das ökologische Gleichgewicht der Weltmeere, stehen kurz vor der
Überlastung durch den Menschen.
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Wir wissen, dass sich die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen
nicht allein national lösen lassen.
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Die FDP bekennt sich jedoch als politische Kraft in einer der wirtschaftlich und
technologisch stärksten Länder der Welt zu der Vorbildfunktion, die unsere Land
im Bereich der Nachhaltigkeit innerhalb der Weltgemeinschaft einnimmt und einnehmen kann.
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Die Frage, die aktuell diskutiert werden muss ist, wie Deutschland seiner Vorbildfunktion gerecht werden kann.
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Anschaulich kann dies am Bereich der Energiewirtschaft betrachtet werden.
Dem Einfluss Deutschlands auf das Weltklima sind naturgemäß zunächst enge
Grenzen gesetzt. Ein signifikanter Beitrag zum Klimaschutz kann deshalb nur die
Schaffung einer wirtschaftlich sinnvollen Energiewende sein, die aufgrund günstiger Energiekosten weltweit zur Nachahmung einlädt. Für einen sinnvollen Beitrag
zur Energiewende müssen dabei die natürlichen und regional verschiedenen
Stärken und Schwächen betrachtet werden. Für Deutschland sehen wir diesen
sinnvollen Beitrag im Bereich der Innovation und Hochtechnologie. Darüber hinaus kann Deutschland verstärkt eine Vorbildrolle bei der effizienten Anwendung
von Strom wie auch Wärmeenergie einnehmen. Energieeffizienz ist ausdrücklich
Teil des blauen Wachstums.
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Die Deutschen machen nur etwa 1 Prozent der Weltbevölkerung aus, nutzen
2,3 Prozent der Flächen und verursachen rund 2 Prozent der klimaschädlichen
Emissionen als Beispiel einer Umweltnutzung. Eine nationale Verzichtspolitik wird
damit keine direkte Wirkung auf die globalen Herausforderungen haben.
Herausforderungen der Nachhaltigkeit steigen im
Anzahl der Weltbevölkerung. Während 1950 noch
auf der Erde lebten, sind es heute 7,2 Milliarden.
Weltbevölkerung auf 9,3 Milliarden Menschen ge-
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Aufgrund der steigenden Zahl der Weltbevölkerung ist ein Wachstumsprozess
im Bereich der Ernährung, des Wohnens, der Gesundheitsfürsorge, Mobilität und
Bildung unausweichlich, wenn wir eine humanitäre Katastrophe vermeiden wollen. Gleichwohl gilt es, dieses Wachstum nachhaltig zu gestalten. Mit den heutigen technischen Mitteln scheint dieses nicht ohne Überlastung bspw. der Atmosphäre mit klimaschädlichen Emissionen möglich.
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Eine Formel, die Belastungsgrenzen der Umwelt mit einem begrenzten Wachstum gleichsetzt, unterschätzt jedoch die Innovationskraft des Menschen. Die Entwicklungsgeschichte zeigt, dass Menschen mit Innovationen, mit Kreativität und
Fortschrittswillen immer wieder in der Lage waren, scheinbar vorhandene Grenzen des Machbaren zu verschieben, Produkte zu verbessern und Innovationen
zu entwickeln, die die Welt zum Besseren verändert haben. Wir Liberale zweifeln nicht daran, dass Menschen auch in Zukunft über sich hinaus wachsen und
diese Herausforderungen annehmen.
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Das lässt sich anhand vieler positiver Beispiele unterstreichen, bei denen Menschen Bedrohungen erkannt und durch geeignete Maßnahmen reagiert haben.
So beginnt sich zum Beispiel die Ozonschicht wieder zu erholen, weil die schädlichen FCKW durch andere Substanzen substituiert werden konnten. Saurer Regen, bodennahes Ozon und weitere schädliche Auswirkungen von Emissionen
aus dem Verkehrs- und Kraftwerkspark konnten durch die Entwicklung neuer Reinigungs- und zum Teil hoch spezifischer Katalysatorsysteme aktiv bekämpft werden. Und auch der Schutz unserer Böden und Gewässer wurden zum Beispiel
durch den Einsatz neuer Düngemittel- und Düngemethoden sowie den Verzicht
auf schädliche Chemikalien verbessert.
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Auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland unterscheiden
sich elementar von denen anderer Länder auf der Welt. So wird unsere Bevölkerungszahl bis ins Jahr 2060 deutlich zurückgehen, es wird doppelt so viel ältere
Menschen geben als Junge. Global gesehen wird die Bevölkerung steigen, die
jungen Menschen auf der Welt werden das politische Handeln dominieren. Wie
diese, meist ärmeren Menschen, denken, was sie erreichen wollen, wie sie leben
und nach welchen gesellschaftlichen Normen sie handeln, ist für uns meist nur
schwer oder gar nicht nachvollziehbar. An vielen außenpolitischen Beispielen der
jüngsten Vergangenheit zeigt sich, dass sich unsere ethischen Ansprüche auch
nicht ohne weiteres auf andere Länder übertragen lassen.
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So kam auch die Enquetekommission des Deutschen Bundestags „Wachstum,
Wohlstand und Lebensqualität“ 2013 zu dem Schluss, dass die Wirkung der
Vorreiterrolle Deutschlands zunächst noch wissenschaftlich erforscht werden
muss. Gleichwohl müssen die ökologischen Herausforderungen des Bevölkerungswachstums rasch angegangen werden.
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Unser politischer Ansatz des Blauen Wachstums zielt in die Richtung, dass
Ökologisches Handeln für alle Menschen attraktiv werden muss, indem es alle
Aspekte der Nachhaltigkeit –auch die ökonomischen und sozialen umfasst.
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Der Erfindergeist, welcher bisher geglaubte Grenzen überwunden hat, muss
auch die künftigen Herausforderungen angehen können. Dies setzt voraus, dass
die bei uns entwickelten Produkte, Anlagen und Verfahren auf den Weltmärkten
bestehen können und zur Anwendung kommen. Nur wenn alle drei Säulen der
Nachhaltigkeit eingehalten werden, sie Vorteile für die Menschen auch in den sozialen und ökonomischen Bereichen bringen und gleichzeitig eine positive ökologische Wirkung haben, werden die jungen Menschen in anderen Ländern unser
modernen Produkte anwenden. Blaues Wachstum bedeutet, dass die global
wachsende Bevölkerung mit neuen Techniken ökologische Grenzen überwindet
um allen Menschen ein angemessenes Leben zu ermöglichen.
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Die FDP will für ein blaues Wachstum folgendes umsetzen:
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Förderung
der
Forschungslandschaft
ohne
ideologische
Scheuklappen.
Beispielsweise auch Grüne Gentechnik (Goldener Reis als soziale Verantwortung) und Kernfusion.
Eine steuerliche Absetzbarkeit der Ausgaben für Forschung und Entwicklung der Unternehmen, um hier Investitionen zu erleichtern.
Weiterer Ausbau internationaler Kooperationen im Bereich Innovationen
zur gegenseitigen Befruchtung.
Ideologiefreie Schule und das Vertrauen in Wirtschaft und Technik stärken.
Leistungsbereitschaft fördern und vorleben.
Festhalten an der Meisterpflicht als Grundlage der guten Stellung des
Handwerks in Deutschland.
Punktesystem für eine gerechte Zuwanderung von Hochqualifizierten und
Fachkräften.
Beendigung der Subventionen für die Windkraft. Diese Anstrengungen
und Investitionen sind in Energieeffizienz besser angelegt.
Oligopole in der Energiewirtschaft sind aus ordoliberaler Sicht als kritisch
anzusehen. Ein funktionierender Markt mit vielen Wettbewerbern ermöglicht
Innovation und sorgt für neue dezentrale Möglichkeiten der Energieversorgung.
E-Mobilität ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern stellt einen gewaltigen
Wachstumsmarkt dar, der auf geeignete politische Rahmenbedingungen
treffen muss.
Das nach wie vor gewaltige Potenzial bei der energetischen Gebäudesanierung muss konsequent genutzt werden.
Der Einsatz von Mikro-BHKW und der Einsatz von Nah- und Fernwärmenetzen sind weiterhin zu fördern. Einen Anschlusszwang lehnen wir aber
ab.
Energieeffizienzprogramme öffentlicher Förderbanken fortführen und vereinfachen.
Energieeffizienzforschung und Innovation stärken, etwa zur intelligenten
Speicherung und Lastverschiebung.
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•
•
Dezentrale Netze und, wo nötig, Stromtrassen innerhalb Deutschlands und
in das europäische Ausland zügig ausbauen, um den vielen neuen Standorten der Energieerzeugung besser Rechnung zu tragen, den Wettbewerb
der Anbieter zu fördern und die Versorgungssicherheit zu erhalten. Die
Planwirtschaft des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beenden und ein marktwirtschaftliches Strommarktdesign etablieren.
Einen aus Gründen der Versorgungssicherheit möglicherweise erforderlichen Vergütungsmechanismus für die Bereitstellung gesicherter Kraftwerksleistung ebenfalls nach marktwirtschaftlichen Prinzipien gestalten. Kein planwirtschaftlicher und zentralistischer Kapazitätsmarkt!
Das Setzen wirtschaftlicher Anreize ist sinnvoller als der Aufbau gesetzlicher Pflichten und deren bürokratische Kontrolle. Starre Pflichtanteile an erneuerbarer Energien etwa bei der Wärmeversorgung als Sanierungsbremsen beseitigen.
Erdgas- und Wasserstoffmobilität weiter fördern, keine einseitige Festlegung auf stromspeicherbasierte Elektromobilität.
Steuerliche Absetzbarkeit der Energetischen Sanierung endlich umsetzen.
Den EU-Emmissionshandel auf europäischer und globaler Ebene erweitern, z.B. durch Einbindung außereuropäischer Drittstaaten, und die erlaubte Emissionsmenge ab 2020 mit ambitionierten Zielen reduzieren.
Rechtliche Möglichkeiten institutioneller Anleger zur Investition in Hightech-Unternehmen zum Beispiel im Biotechnologie- und Medizintechnikbereich eröffnen, um Kapital für risikobehaftete, langwierige Entwicklungen zu
mobilisieren.
Telematikausbau inklusive „Intelligenter Straße“ fördern.
Intermodaler Güterverkehr ausbauen.
Intelligente Ampelschaltungen helfen den Verkehrsfluss zu verbessern.
Keine europäische Industriepolitik im Verkehrsbereich durch die Hintertür
der Umweltgesetzgebung zulassen, diese treibt nur die Produktion in unregulierte Staaten.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 300
Betr.:
Die Würde des Menschen in Grenzsituationen des Lebens
Antragsteller: Kommission Freiheit und Ethik, Landesverband BadenWürttemberg
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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I) Leitgedanken
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3
Gerade in Grenzsituationen des Lebens muss sich die Mitmenschlichkeit in einer
Gesellschaft bewähren.
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In solchen
Hilfe.
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Die Wahrung der Menschenwürde ist für Liberale der Maßstab allen Handelns.
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Die Würde des Menschen umfasst das Recht, über sich selbst zu bestimmen.
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Das Selbstbestimmungsrecht gilt auch dann,
mehr selbst ausdrücken und durchsetzen kann.
Grenzsituationen
bedürfen
Menschen
besonderer
wenn
man
Zuwendung
seinen
Willen
und
nicht
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Mit Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht hat unsere Rechtsordnung Mittel
bereitgestellt, auch in solchem Falle das Selbstbestimmungsrecht zu wahren.
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Niemand darf sich anmaßen, sich über den Willen des Patienten und sein
Selbstbestimmungsrecht hinwegzusetzen.
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Das gilt auch für den selbstbestimmten Entschluss eines Menschen, seinem Leben ein Ende zu setzen und dabei Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hilfe – auch
ärztliche – zum Suizid darf nicht kriminalisiert werden.
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Liberale wissen, dass gerade in Grenzsituationen des Lebens nicht alles durch
gesetzliche Normen geregelt werden kann und muss.
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Unsere Gesellschaft hat die Pflicht, durch Förderung von Palliativmedizin und
Hospizen die Lage des leidenden Menschen so erträglich wie möglich zu machen.
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Vor allem anderen aber bedarf Menschenwürde bis zum Lebensende der persönlichen Zuwendung.
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Jeder Einzelne steht deshalb in der Verantwortung für eine menschliche Gesellschaft.
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II) Politische Forderungen
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1. Selbstbestimmung und Würde bei Pflegebedürftigkeit und im Alter
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- Die Würde des Menschen und sein Recht auf Selbstbestimmung sind unantastbar. Sie zu achten, zu schützen und zu fördern ist die Aufgabe nicht nur des
Staates, sondern auch der professionellen Pflege sowie der bürgerschaftlichen
und der familiären Gemeinschaft.
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- Die Ausbildung des Pflegepersonals muss auf einen besseren Standard angehoben werden; dieser ist fortlaufend an neue medizinische, rechtliche und soziale Erkenntnisse anzupassen.
35
- Die Entlohnung des Pflegepersonals muss angemessen und attraktiv werden.
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- Die Anzahl der Betreuten pro Pfleger darf ein festzulegendes Verhältnis nicht
überschreiten, das persönlich zugewandte Pflege ermöglicht.
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- Für die Betreuung Pflegebedürftiger und alter Menschen muss unsere Gesellschaft die erforderlichen Mittel bereitstellen. Gegebenenfalls sind Prioritäten in
den Haushalten neu festzulegen und die Struktur staatlicher Leistungen anzupassen.
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- Die meisten älteren Menschen wollen ihren Lebensabend zuhause verbringen.
Ambulante Pflege muss daher staatlich ebenso gefördert werden wie die stationäre Pflege. Nur so kann das Selbstbestimmungsrecht der Pflegebedürftigen gewahrt werden.
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- Die Qualitätsstandards von Pflegeheimen sind zu aktualisieren und ihre Überprüfung ist sicherzustellen; die angestrebte Qualität hat sich unter anderem an
fol-genden Kriterien zu orientieren:
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•
•
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- Auf eine Behandlung nach diesen Standards hat der Bürger einen einklagbaren Anspruch.
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- Das Entgeltsystem der Pflege ist zu überprüfen und Fehlanreize und -steuerungen sind zu beseitigen. Es darf nicht sein, dass Koma-Patienten deshalb besonders häufig und lange auch gegen ihren Willen gepflegt werden, weil sie für
Heimbetreiber besonders „rentabel“ sind.
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- Für Konflikte, die sich aus unterschiedlichen religiösen oder kulturellen Wertvorstellungen von Betreuten wie des Pflegepersonals ergeben, sind innerhalb der
rechtlichen Rahmenbedingungen geeignete Konzepte zu entwickeln.
weitgehende Befähigung des Betreuten zur Autonomie,
striktes Übermaßverbot der eingesetzten Mittel (immer das mildeste),
würdevolle Behandlung gerade auch des völlig Hilfebedürftigen.
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- In Pflegeheimen sollen, wie bereits in Krankenhäusern, Ethik-Komitees gebildet werden, die juristische und medizinische Beratung bieten und in schwieri-gen
Fällen Entscheidungshilfen anbieten. Es gilt, das Spannungsverhältnis zwischen
Fürsorgepflicht und -anspruch einerseits, der Verhältnismäßigkeit der Mittel und
der möglichst großen Selbstbestimmung und Würde andererseits auszubalancieren.
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- Die Etablierung eines Heimarztes ist zu testen und bei Bewährung einzuführen. Das Recht des Einzelnen auf freie Arztwahl darf durch die Etablierung eines
Heimarztes nicht eingeschränkt werden.
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2. Selbstbestimmung über medizinische Behandlung und Pflege
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- Der freie Wille des Betroffenen ist als Ausfluss der Menschenwürde (Artikel 1
GG) maßgebend. Sein tatsächlicher oder mutmaßlicher Wille allein bestimmt Art
und Weise einer medizinischen Behandlung. Dieser Wille des Betroffenen steht
über der Meinung anderer Personen, auch der des Arztes. Die Rechtslage zur
Fortsetzung oder zur Beendigung einer Behandlung ist eindeutig (§ 1901a BGB
sowie Grundsatzurteil des BGH vom 25.06.2010). Die FDP lehnt eine Änderung
dieser Rechtslage ab.
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- Allerdings ist diese Rechtslage noch nicht allen Beteiligten (Ärzten, Pflegepersonal, Verantwortlichen in Pflegeheimen, Richtern etc.) hinreichend geläufig, so
dass es zahlreiche Unterschiede in der Anwendungspraxis gibt. Daher muss
hierzu eine systematische und flächendeckende Aufklärung erfolgen.
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- Die Grundversorgung von Menschen in Grenzsituationen des Lebens, die Linderung von Schmerzen, von Atemnot und das Bemühen, ihnen Ängste zu nehmen insbesondere bei schweren und tödlichen Krankheiten, muss endlich gewährleistet werden. Die FDP setzt sich deshalb nachdrücklich dafür ein, flächendeckende Angebote der Palliativmedizin und von Hospizen sicherzustellen. Auch
sind höhere Mittel für Forschung und Lehre bereitzustellen, um die Qualifikation
von Fachärzten, Pflegepersonen und Sterbebegleitern weiter zu verbessern.
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3. Selbstbestimmung über die Beendigung des eigenen Lebens
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- Der freie und ernsthafte Wunsch eines Menschen nach Beendigung des eigenen Lebens ist zu respektieren. Der Suizid ist keine strafbare Handlung, mithin
darf die Beihilfe dazu ebenfalls nicht strafbar sein.
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- Der Entschluss zum Suizid darf nicht durch sozialen oder ökonomischen Druck
Dritter verursacht werden. Deshalb bedarf es geeigneter Unterstützung durch
fachkundige Beratung, Betreuung und Zuwendung.
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- Die FDP wendet sich gegen alle Versuche, diese Art der Sterbehilfe zu kriminalisieren. Die gegenwärtige Rechtslage bedarf keiner Änderung.
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- Das ärztliche Standesrecht kann dazu führen, dass Ärzte, die im Rahmen unserer Rechtsordnung Sterbehilfe leisten, in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht
sind. Es ist mit unserem Rechtsverständnis unvereinbar, dass Standesregeln fundamental andere Wertungen vorschreiben als der Gesetzgeber. Daher ist hier
rechtliche Klarheit für die Ärzte herzustellen.
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- Nach geltendem Recht ist niemand, auch nicht der Arzt, verpflichtet, Beihilfe
zur Selbsttötung gegen seine Gewissensüberzeugung zu leisten. Auch hieran
darf sich nichts ändern.
Begründung:
Die liberale Gesellschaft schützt die Würde ihrer Mitglieder, gerade auch, wenn diese sich
selbst nicht mehr schützen können. Daher ist die Würde besonders auch im Alter oder bei
Pflegebedürftigkeit zu achten. Dies gilt um so mehr, wenn die Fähigkeiten zur
Selbstbestimmung schwinden oder gänzlich fehlen. Die Pflegeheime, aber auch die
häusliche Pflege, sind kein schutzloser, rechtsfreier Raum. Gerade wegen der
verringerten oder fehlenden Eigenständigkeit der Betroffenen ist dort ihre Würde in
besonderer Weise zu sichern und ihr Recht auf Selbstbestimmung zu achten.
Der Umgang einer Gesellschaft mit ihren pflegebedürftigen Mitgliedern ist ein
zivilisatorischer Gradmesser. Er ist Ausdruck dafür, wie ernst ihr die Unantastbarkeit der
Würde des Menschen ist. Gerade wenn die Möglichkeiten, selbst über sein Leben zu
bestimmen, eingeschränkt oder nicht mehr vorhanden sind, sind zuverlässige
gesellschaftliche Strukturen und Mechanismen erforderlich, um die Würde der Betroffenen
zu gewährleisten.
Daher haben alle Maßnahmen der Unterbringung und Behandlung pflegebedürftiger
Menschen dem Grundsatz des Übermaßverbots zu folgen: nur das jeweils mildeste Mittel,
also dasjenige, welches am wenigsten den Betroffenen in seiner Selbstbestimmung und
Würde einschränkt, ist zu wählen. Soweit wie möglich sind dem Einzelnen die
Möglichkeiten der Selbstbestimmung zu belassen, auch wenn er pflegebedürftig ist.
Pflegebedürftigkeit und Selbstbestimmung schließen sich nicht aus, sondern sind graduell
und dynamisch in gleitendem Übergang miteinander verbunden. Daher sind grob
geschnitzte Behandlungsschemata abzulehnen zugunsten einer einzelfallbezogenen,
fürsorglichen und persönlichen Zuwendung.
Die liberale Gesellschaft respektiert und schützt die Würde und Selbstbestimmung gerade
auch bei schweren Krankheiten, die mit großen psychischen und physischen Leiden
einhergehen. Daher ist jeder Einzelne in seiner ganz spezifischen Lage menschenwürdig
zu behandeln; die grundlegende Versorgung – Linderung von Schmerzen und Atemnot,
Hilfestellung gegen Ängste sowie Befreiung von dem Gefühl von Hunger und Durst – ist
sicherzustellen. Dies ist seit langem als ärztliche Pflicht anerkannt. Der Respekt vor einem
selbstbestimmten Leben bedeutet, dass der freie Wille Vorrang hat vor den Möglichkeiten
einer künstlichen Lebensverlängerung. Die mittlerweile geltende Rechtslage ist
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hinreichend geeignet, diese Grundsätze durchzusetzen. Eine Änderung ist daher nicht nur
nicht erforderlich, sondern entschieden abzulehnen.
Die an der Würde des Menschen orientierte Gesellschaft respektiert auch den Willen zu
einem selbstbestimmten Lebensende. Dies heißt nicht, dass jedem geäußerten
Suizidwunsch nachzukommen wäre. Derartige Begehren entspringen häufig schweren
psychischen Störungen oder sind oft einfach ein Hilferuf nach Zuwendung, nach
Begleitung und Unterstützung oder nach der Vergewisserung, noch selbstbestimmt
handeln zu können. Die Verantwortung einer liberalen Gesellschaft verlangt, dass
Menschen mit dem freien Willen, aus dem Leben zu scheiden, fachkundige Beratung,
Betreuung
und
Zuwendung
erhalten.
Alles
andere
wäre
zynisch
und
menschenverachtend.
Das Recht auf Selbstbestimmung – gerade auch am Ende des Lebens und in besonderen
Grenzsituationen – bildet den Kern menschlicher Freiheit und Würde. Die Möglichkeit,
über sein eigenes Leben zu bestimmen und sich gegen ein Weiterleben zu entscheiden,
muss erhalten bleiben. Ihre Einschränkung und Erschwerung entspringen der
anmaßenden Einstellung, wonach Politiker, religiöse Führer oder einige privilegierte
Fachleute dem Einzelnen vorschreiben dürften, dass und wie er sein Leben weiterzuführen und ggf. sein Leiden zu ertragen habe. Es gibt das Recht auf, aber keinen
Zwang zum Leben.
Die Hilfeleistung zur Umsetzung eines frei und bewusst gefassten Entschlusses zum
Suizid muss weiterhin für alle straflos bleiben. Dies muss gerade auch für Ärzte gelten.
Sie dürfen nicht durch ein Standesrecht, das sich über die ethischen Grundlagen unserer
Rechtsordnung hinwegsetzt, gegängelt und in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht
werden. Dies bedeutet keineswegs, dass der einzelne Arzt zu einer Hilfeleistung zum
Suizid
verpflichtet
wäre.
Auch
seine
Selbstbestimmung
und
seine
Gewissensentscheidung sind zu respektieren.
Die Rechtslage in Deutschland stellt sich zur Zeit folgendermaßen dar:
1) Die aktive direkte Sterbehilfe, also die absichtliche und aktive Herbeiführung des
Todes – auch auf Verlangen des Betroffenen – ist verboten (§ 216 StGB *s. Anhang).
2) Die Beihilfe zum Freitod (assistierter Suizid), z.B. durch Beschaffung eines tödlichen
Mittels – ist erlaubt, wenn der Betroffene das Mittel selbst einsetzt. Für Ärzte ist diese
Beihilfe standesrechtlich in manchen Bundesländern untersagt.
3) Die indirekte aktive Sterbehilfe (das Begleiten des Sterbens), z.B. Linderung durch
Schmerzmittel, bei der eine Lebensverkürzung in Kauf genommen wird, ist erlaubt, wenn
eine entsprechende Patientenverfügung vorliegt.
4) Die indirekte passive Sterbehilfe (das Zulassen des Sterbens), z.B. durch Verzicht auf
lebensverlängernde Maßnahmen wie Sonden zur künstlichen Ernährung oder
Beatmungsgeräte, ist erlaubt, wenn eine entsprechende Patientenverfügung vorliegt.
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Das klare Auseinanderhalten dieser vier unterschiedlichen Sachverhalte in der
öffentlichen Diskussion ist unverzichtbar.
Anhang:
BGB § 1901 a Patientenverfügung:
„(1) 1 Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit
schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht
unmittelbar
bevorstehende
Untersuchungen
seines
Gesundheitszustands,
Heilbehandlungen
oder
ärztliche
Eingriffe
einwilligt
oder
sie
untersagt
(Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebensund Behandlungssituation zutreffen.
2 Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu
verschaffen.
3 Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.
(2) 1 Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer
Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der
Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten
festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme
nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt.
2 Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln.
3 Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen,
ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des
Betreuten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung des
Betreuten.“
BGH Urteil vom 25. Juni 2010 - 2 StR 454/09 Sterbehilfe:
„1. Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen
medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) ist gerechtfertigt, wenn dies dem
tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht (§ 1901a BGB) und dazu
dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu
lassen.
2. Ein Behandlungsabbruch kann sowohl durch Unterlassen als auch durch aktives Tun
vorgenommen werden.
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3. Gezielte Eingriffe in das Leben eines Menschen, die nicht in einem Zusammenhang mit
dem Abbruch einer medizinischen Behandlung stehen, sind einer Rechtfertigung durch
Einwilligung nicht zugänglich.“
StGB § 216 Tötung auf Verlangen:
„(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur
Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren
zu erkennen.
(2) Der Versuch ist strafbar.“
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Antrag 301
Betr.:
Selbstbestimmt bis zum Lebensende
Antragsteller: Bundesvorstand Liberale Senioren
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ Artikel 1 GG. Selbstbestimmung ist
der Kern der Menschenwürde - Selbstbestimmung im Leben wie angesichts des
Todes. Die Freien Demokraten wenden sich gegen jeden Versuch, das Recht
auf Selbstbestimmung mit den Mitteln des Strafrechts einzuschränken. Der Suizid
ist straffrei. Deshalb darf auch die Beihilfe zum Suizid nicht bestraft werden. Das
ist die geltende Rechtslage. Neuerdings gibt es Bestrebungen, die Beihilfe zum
Freitod unter Strafe zu stellen, gegebenenfalls durch einen neuen § 217 StGB.
Die FDP lehnt eine Verschärfung der geltenden Rechtslage entschieden ab.
Begründung:
Obwohl der Deutsche Bundestag im Jahre 2009 eine mit grossem Ernst geführte Debatte
über die Reichweite von Patientenverfügungen mit einer gesetzlichen Regelung
beendete, die von einer grossen Mehrheit des Hauses bei freier, nur dem eigenen
Gewissen verpflichteter Abstimmung getragen wurde, wird nun von Teilen der CDU/CSU
versucht, den gefundenen Kompromiss auf dem Umweg über Änderungen des
Strafrechts wieder auszuhebeln. Die FDP wendet sich entschieden gegen die
Wiedergeburt eines staatsfürsorglichen Paternalismus, gegen jeden Versuch, das
Strafrecht zur Regelung von Grenzsituationen des Lebens gegen den Willen der
Betroffenen einzusetzen.
Anders als in der von einigen vorgeschlagenen Formulierungen eines neuen § 217 im
Strafgesetzbuch, nach der die Beihilfe zum Freitod nur für Angehörige straflos sein soll,
forderten kürzlich vier namhafte Medizinwissenschaftler (Borasio et. al.), dass die Beihilfe
zum Freitod auf jeden Fall auch für Ärzte straflos bleiben muss. In der Begründung wird
darauf hingewiesen, dass das professionsrechtliche Verbot von Sterbehilfe berufsethisch
nicht haltbar ist.
Selbstverständlich kann es keinen Anspruch eines Patienten auf Sterbehilfe geben. Eine
Beihilfe zur Selbsttötung kann nur freiwillig sein. Die Gefahr einer Manipulation des
Patienten, z. B. Ausübung von sozialem Druck, kann durch entsprechende Barrieren
ausgeschlossen werden, durch Vorkehrungen wie sie u. a. in der Schweiz oder im USBundesstaat Oregon getroffen sind.
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Statt den leidenden Menschen vorzuschreiben, ob und wie sie ihr Leben weiterführen,
sollen Palliativmedizin und Hospize endlich umfassend ausgebaut werden. Das wird seit
langem gefordert, ist aber bisher nur unzureichend geschehen. Dazu gehört die
Bereitstellung höherer Mittel für Forschung und Lehre, eine höhere fachliche Qualifikation
und eine entsprechende Honorierung für Fachärzte, Pflegepersonen und Sterbebegleiter.
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Antrag 302
Betr.:
Die Würde des Menschen ist unantastbar bis zum
Lebensende
Antragsteller: Landesverband Saarland
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
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3
Die FDP wendet sich gegen jeden Versuch, das Recht auf Selbstbestimmung
mit den Mitteln des Strafrechts einzuschränken. Die Beihilfe zur Selbsttötung ist
straffrei, weil der leidende Mensch seinem Leben selbst ein Ende setzt.
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Durch die geplante Formulierung eines neuen § 217 StGB soll nun der assistierte Suizid unter Strafe gestellt werden. Dieses Gesetzesvorhaben ist entschieden
abzulehnen. Es gibt keine Veranlassung, die bestehende Rechtslage zu verschärfen, zumal die zivilrechtliche Verbindlichkeit von Patientenverfügungen sich
im Grundsatz bewährt hat.
Begründung:
Obwohl der Deutsche Bundestag im Jahre 2009 eine mit großem Ernst geführte Debatte
über die Reichweite von Patientenverfügungen mit einer gesetzlichen Regelung
beendete, die von einer großen Mehrheit des Hauses bei freier, nur dem Gewissen
verpflichteter Abstimmung getragen wurde, wird nun von Teilen der CDU/CSU versucht,
den gefundenen Kompromiss mit Hilfe von Änderungen im Strafrecht zu unterlaufen.
Das Strafrecht ist nicht das geeignete Mittel, Grenzsituationen des Lebens zu regeln.
Entgegen der vorgesehenen Formulierung des neuen § 217 StGB forderten kürzlich vier
namhafte Medizinwissenschaftler (Borasio et.al.), dass die Beihilfe zum Freitod nicht nur
für Angehörige, sondern auch für Ärzte straflos bleiben muss. In der Begründung wird
darauf hingewiesen, dass auch ein standesrechtliches Verbot einer ärztlichen Sterbehilfe
berufsethisch nicht vertretbar sei. Die Verantwortung des behandelnden Arztes für seinen
Patienten beschränke sich nicht auf die Erhaltung des Lebens, sie bestehe auch in der
verantwortlichen Begleitung seines Sterbens und im Respekt vor dem Willen des
Patienten.
Selbstverständlich kann es keinen Anspruch auf Sterbehilfe geben, das gebiete schon
das Selbstbestimmungsrecht der anderen, auch des Arztes. Eine solche Hilfe kann nur
freiwillig sein. Wenn die Gefahr einer Manipulation von Patienten angesprochen wird,
beziehungsweise die Ausübung von sozialem Druck, ist auf entsprechende Barrieren in
Ländern hinzuweisen, die ausführliche Bestimmungen zur Sterbehilfe erlassen haben,
z.B. der Bundesstaat Oregon in den USA. So ist darauf zu achten, dass der Arzt nur Hilfe
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gewährt, wenn er 1.) aufgrund einer Untersuchung zur Überzeugung gelangt ist, dass der
Patient nur noch eine begrenzte Lebenserwartung besitzt, wenn er 2.) den Patienten
umfassend über seinen Gesundheitszustand, mögliche Formen der Suizidhilfe und
palliative Möglichkeiten aufgeklärt hat, wenn 3.) ein zweiter Arzt hinzugezogen wird, und
wenn 4.) der Patient freiwillig und ausdrücklich diese Hilfe verlangt. Schließlich ist vor
einer moralischen Abwertung europäischer Nachbarländer zu warnen, in denen die
Bürgerinnen und Bürger mit großer Mehrheit die Zulässigkeit von Organisationen für
Sterbehilfe beschlossen haben, wie z.B. die Schweiz.
Statt den leidenden Menschen vorzuschreiben, ob und wie sie ihr Leben weiterführen, soll
die Palliativmedizin umfassend ausgebaut werden, mit flächendeckender und
bedarfsgerechter, stationärer und ambulanter Versorgung.
Es bedarf auch der Bereitstellung höherer Mittel für Forschung und Lehre, höherer
fachlicher Qualifikation und entsprechender Honorierung von Fachärzten, Pflegepersonen
und Sterbebegleitern. Auch der Ausbau von Hospizen ist stärker zu fördern.
Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass es Menschen gibt, die trotz optimaler
Palliativbetreuung ihren Todeszeitpunkt selber bestimmen wollen. Ihnen zu helfen, darf
keinesfalls unter Strafe gestellt werden.
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Antrag 303
Betr.:
Selbstbestimmung am Ende des Lebens
Antragsteller: Landesverband Baden-Württemberg
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
2
Zur Frage der Selbstbestimmung am Ende des Lebens ist die Haltung der FDP
wie folgt:
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4
1) Entsprechend der geltenden Rechtslage soll auch in Zukunft die Beihilfe zum
Suizid in allen Fällen straffrei bleiben.
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2) Der Arzt darf bei schwerer Erkrankung ohne Heilungschancen nach ausführlicher Beratung beim Suizid assistieren; dies ist gegebenenfalls im BGB zu verankern.
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Die FDP fordert zum Thema „Selbstbestimmung am Ende des Lebens“ eine
ausführliche Debatte in Politik und Gesellschaft. Die Bundestagsdebatte am 13.
November 2014 war ein würdiger Anfang; das Thema muss jedoch in der Öffentlichkeit weiter vertieft werden.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 304
Betr.:
Für einen selbstbestimmten und würdevollen Tod – Aktive
Sterbehilfe bei Kindern
Antragsteller: Bundesvorstand Junge Liberale
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
2
3
Die Freien Demokraten sprechen sich für die Möglichkeit der aktiven Sterbehilfe
auch bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren aus. Das jüngst in Belgien
verabschiedete Gesetz soll auch für Deutschland diskutiert werden.
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Die schlussendliche Entscheidung über die Inanspruchnahme der Sterbehilfe
soll, nach zwei Mündigkeitsgutachten durch zwei unabhängig urteilende Kinderpsychologen, letztendlich beim Kind alleine liegen. Bei Uneinigkeit der Gutachten,
ist die Mündigkeit nicht gegeben. Die Erziehungsberechtigten, der behandelnde
Arzt sowie ein weiterer ärztlicher Kollege sollen verpflichtend hinzugezogen werden. Die Koordination des Verfahrens soll durch einen der Kinderpsychologen mit
entsprechender Zusatzqualifikation erfolgen. Die Erkrankung muss nach jetzigem
Stand der Medizin unheilbar und mit unzumutbarem Leid verbunden sein.
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Bei einer jeden Erkrankung sollten stets zuerst die Möglichkeiten der Palliativmedizin ausgereizt werden. Die Freien Demokraten sprechen sich für eine weitergehende Förderung der Palliativmedizin, insbesondere für Kinder und Jugendliche, aus.
Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Seite 109
Antrag 305
Betr.:
Sterbehilfe legalisieren – auch für Minderjährige
Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
2
Die FDP fordert die Erlaubnis der aktiven, passiven sowie indirekten Sterbehilfe
und die Schaffung einer eindeutigen rechtlichen Grundlage zu dieser Thematik.
3
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5
Aus unserer Sicht ist es unabdingbar, dass jeder Mensch nicht nur das Recht
zur Gestaltung des eigenen Lebens hat, sondern auch das des eigenen Sterbens
haben muss.
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In vielen anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden, Belgien oder
der Schweiz ist dieses Recht der Betroffenen gesetzlich verankert. Das deutsche
Strafgesetzbuch hat für diesen Fall hingegen noch keine ausdrückliche Regelung
getroffen.
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Dies muss unter folgenden konkreten Richtlinien nachgeholt werden:
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1. Krankheitsbild:
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- Die Person erleidet als Folge eines Unfalls oder einer Erkrankung anhaltendes
unerträgliches Leiden, macht eine anhaltende und unerträgliche Notlage geltend,
oder leidet unter einer unheilbaren degenerativen und tödlichen Krankheit und
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- Die Person ist der Auffassung, dass sie sich auf Grund der Beeinträchtigung
ihrer Würde und ihrer Lebensqualität in einer Lage befindet, in der sie ihre Existenz nicht fortsetzen möchte.
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2. Willenserklärung:
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- Der Wunsch zur Sterbehilfe muss, wenn die betroffene Person physisch nicht
in der Lage ist ihren Willen zu bekunden, im Vorwege durch eine Patientenverfügung festgelegt worden sein. Liegt keine vor, reichen Aussagen von Angehörigen zur Willensbekundung nicht aus.
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- Die Willensbekundung zur Sterbehilfe muss notariell beglaubigt werden.
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- Die Freiwilligkeit zum Zeitpunkt der Willenserklärung muss eindeutig feststehen und selbstverantwortlich getroffen worden sein.
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3. Rechtliches:
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- Bevor dem Wunsch nach Sterbehilfe stattgegeben wird, muss in jedem Fall
ein zweifach geprüftes fachärztliches Gutachten, welches eindeutig belegt, dass
die betroffene Person unheilbar krank ist, vorliegen. Des Weiteren ist schriftlich
dokumentiert nachzuweisen, dass die betroffene Person fachärztlich umfassend
und verständlich über ihren Gesundheitszustand sowie über alternative Möglichkeiten, insbesondere der Palliativmedizin, informiert wurde.
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- Der Tod der Person darf nur in Anwesenheit eines weiteren Arztes herbeigeführt werden.
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- Ärzte und Pflegepersonal dürfen zur Ausführung der Sterbehilfe nicht verpflichtet werden.
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- Jeder Fall aktiver Sterbehilfe ist einer Kontrollkommission vorzulegen und eingehend dahingehend zu prüfen, ob die rechtliche Vorgabe eingehalten wurde.
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- Das Leiden Betroffener kennt leider auch keine Altersgrenze. Wir fordern daher die aktive, passive und indirekte Sterbehilfe – unter folgenden zusätzlichen
Bedingungen auch auf Minderjährige auszuweiten:
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- Es bedarf in jedem Fall eines Antrages der Eltern bzw. des gesetzlichen Vertreters.
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- Es bedarf in jedem Fall eines fachärztlichen Gutachtens, welches eindeutig
belegt, dass die betroffenen Patienten unheilbar krank sind und unter starken
Schmerzen leiden, die nicht durch Medikamente zu lindern sind.
Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Antrag 306
Betr.:
Selbstbestimmtes Sterben durch assistierten Suizid
Antragsteller: Landesverband Bayern
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die FDP fordert, dass die Hilfestellung zur Realisierung eines frei und selbstbestimmt gefassten Entschlusses zum Freitod weiterhin für alle straffrei bleiben
muss. Dabei muss das Recht des einzelnen Menschen selbstbestimmt auch über
das Ende seines Lebens zu entscheiden, im Mittelpunkt stehen.
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Natürlich darf kein Arzt oder sonstiger Angehöriger der Heilberufe dazu gezwungen werden, lebensbeendende Maßnahmen vorzunehmen. Wenn Ärzte aber
dem eindeutigen, nachhaltigen Willen von Patienten nachkommen, ihnen beim
Sterben zu helfen, soll dies straflos sein. Die Beihilfe zum Freitod soll auch weiterhin straffrei bleiben. Ein helfender Arzt muss den Nachweis erbringen, dass er
den Patienten ausführlich über Möglichkeiten der Palliativmedizin und, soweit der
Wunsch zu sterben eher einen sozialen Hintergrund hat, über Beratung durch
geeignete Einrichtungen wie die großen Sozialverbände oder die deutsche Hospizgesellschaft informiert hat.
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Die FDP spricht sich für einen deutlichen Ausbau der ambulanten und stationären palliativmedizinischen und Hospizversorgung aus, damit Menschen – primär
psychosozial betreut – in angemessener Umgebung dem bevorstehenden Tod
entgegen gehen können.
Begründung:
Keine Begründung.
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Seite 112
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Seite 113
Antrag 307
Betr.:
Die Würde des Menschen ist unantastbar bis zum
Lebensende
Antragsteller: Landesverband Berlin
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
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3
4
Die FDP fordert, dass die Hilfestellung zur Realisierung eines frei und selbstbestimmt gefassten Entschlusses zum Freitod weiterhin für alle straffrei bleiben
muss. Dabei muss das Recht des einzelnen Menschen selbstbestimmt auch über
das Ende seines Lebens zu entscheiden, im Mittelpunkt stehen.
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Natürlich darf kein Arzt oder sonstiger Angehöriger der Heilberufe dazu gezwungen werden, lebensbeendende Maßnahmen vorzunehmen. Wenn Ärzte aber
dem eindeutigen, nachhaltigen Willen von Patienten nachkommen, ihnen beim
Sterben zu helfen, soll dies straflos sein. Die Beihilfe zum Freitod soll auch weiterhin straffrei bleiben. Ein helfender Arzt muss den Nachweis erbringen, dass er
den Patienten ausführlich über Möglichkeiten der Palliativmedizin und, soweit der
Wunsch zu sterben eher einen sozialen Hintergrund hat, über Beratung durch
geeignete Einrichtungen wie die großen Sozialverbände oder die deutsche Hospizgesellschaft informiert hat. Diese Regelung soll für alle Bundesländer gleichermaßen gelten.
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Die FDP spricht sich für einen deutlichen Ausbau der ambulanten und stationären palliativmedizinischen und Hospizversorgung aus, damit Menschen – primär
psychosozial betreut – in angemessener Umgebung dem bevorstehenden Tod
entgegen gehen können.
Begründung:
Keine Begründung.
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Seite 114
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Seite 115
Antrag 308
Betr.:
Ausbau der Palliativmedizin
Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Um den Herausforderungen des demographischen Wandels, der unter anderem
zu einer Zunahme schwerer Erkrankungen in höherem Lebensalter führt zu begegnen, setzt sich die FDP für einen bedarfsangepassten Ausbau der Palliativmedizin im ambulanten-, stationären- und im Hospizbereich ein.
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Parallel hierzu sind eine Anpassung der Ausbildungskapazitäten beteiligter Berufsgruppen und eine breite und umfassende Aufklärung über die Aufgaben und
Möglichkeiten der Palliativmedizin erforderlich.
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An Krankenhäusern und unabhängigen Pflegeeinrichtungen soll die Zahl der
Pflege- und Versorgungsplätze für die Leiden in der letzten Lebensphase deutlich ausgebaut werden, um jedem Menschen in größtmöglichem Maße dabei zu
unterstützen, auch in der Lebensphase ohne Aussicht auf Heilung seiner Leiden
menschenwürdig und selbstbestimmt zu leben. Die Finanzierung dieser Leistungen aus Pflegekassen und Krankenkassen muss darüber hinaus ausgebaut werden.
Begründung:
Die Möglichkeiten der heutigen Medizin, das Lebensende hinauszuschieben sind vielfältig
und werden ggf. gemäß einer vorliegenden Patientenverfügung angewandt oder
eingeschränkt. Situationen, in denen ihr Einsatz keine Verbesserung der Gesundheit
mehr ermöglicht, oder der Patient deren Anwendung an sich aus unterschiedlichsten
Gründen ablehnt, sollen den Menschen nicht in einem unwürdigen Siechtum überlassen.
Je nach Lebenssituation soll die Palliativmedizin den Patienten in dieser Phase psychisch
und medikamentös unterstützen und falls erforderlich die notwendigen Pflegeleistungen in
einer absehbar begrenzten Lebensphase bereitstellen. Die akuten Leidenserscheinungen,
vor allem die Schmerzen, sollen in dieser Phase so weit wie möglich unterdrückt werden.
Körperlich und geistig ist ein Lebensumfeld anzustreben, dass es dem Menschen erspart,
aus Verzweifelung über seine Leiden sein Lebensende herbeizusehnen.
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Antrag 309
Betr.:
Für ein weltoffenes Deutschland. Die Einwanderungs- und
Flüchtlingspolitik der Freien Demokraten.
Antragsteller: Christian Lindner (LV Nordrhein-Westfalen), Wolfgang
Kubicki (LV Schleswig-Holstein), Katja Suding (LV Hamburg),
Christian Dürr (LV Niedersachsen), Florian Rentsch (LV
Hessen), Hans-Ulrich Rülke (LV Baden-Württemberg) und 31
weitere Delegierte
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Von den knapp 81 Millionen Menschen in Deutschland haben inzwischen rund 16
Millionen ausländische Wurzeln. Allein im Jahr 2014 sind schätzungsweise weit
über 1,2 Millionen Menschen zu uns gekommen – um hier Arbeit zu finden, zum
Studieren oder als Flüchtlinge. In dieser Entwicklung sehen wir Freien Demokraten keine Bedrohung, sondern eine Chance. Wir wollen weltweit aktiv um
Menschen werben, deren Tatkraft Deutschland stärken kann. Zugleich fühlen wir
uns humanitär verpflichtet, Menschen, die vor Unrecht und Gewalt fliehen müssen, bei uns eine menschenwürdige Zuflucht zu gewähren. Die Gründe, nach
Deutschland zu kommen, sind vielfältig. Umso wichtiger ist es, endlich Regeln
zu schaffen, die eine klare Richtschnur sind – sowohl für unsere Aufnahmegesellschaft als auch für all diejenigen, die nach Deutschland einwandern.
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Wir Freie Demokraten verwehren uns mit aller Entschiedenheit gegen Versuche,
Ressentiments und pauschale Vorverurteilungen gegen Einwanderer und Flüchtlinge in unsere Gesellschaft zu tragen. Um ein Bild einer vermeintlichen Überfremdung zu zeichnen, werden insbesondere immer wieder die beiden Rechtskreise Einwanderung und Asyl unzulässig vermengt, die grundsätzlich zu
trennen sind. Wer berechtigterweise um Asyl ersucht, der leidet an politischer
Verfolgung, er wird aus religiösen, weltanschaulichen oder ethnischen Gründen
bedroht. Wer hingegen als Einwanderer zu uns kommt, der möchte seine Fähigkeiten einsetzen, um in einem fremden Land Erfolg zu haben, zu Wohlstand zu
kommen und dort sein persönliches Glück zu finden. Aus diesem Grund müssen
die Maßstäbe, Anforderungen und Regeln zwischen Asyl und Einwanderung klar
voneinander abgegrenzt werden.
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Beide Bereiche eint jedoch, dass Menschen ihre Heimat verlassen, um in
Deutschland zeit-weise oder längerfristig ihr Leben verbringen zu können. Es ist
daher notwendig, Brücken zwischen den bürokratischen Systemen Asyl und
Einwanderung zu schlagen: Wer als Flüchtling kommt, kann auch die Anforderungen zur Einwanderung erfüllen [1]. Dies ist vor allem dann relevant, wenn das
zugehörige Asylverfahren mangels Asylgründen aussichtslos ist. Auch ist es da-
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mit möglich, Flüchtlingen, die hinreichend qualifiziert sind und dementsprechend
die Voraussetzungen zur Einwanderung erfüllen, eine dauerhafte Bleibeperspektive zu eröffnen. Regelmäßig sollte daher überprüft werden, ob ein (vermeintlicher) Flüchtling die Voraussetzungen zur Einwanderung erfüllt, um den Übergang zwischen den Systemen substantiell zu erleichtern. Wir wollen damit auch
qualifizierten Flüchtlingen Bleibeperspektiven eröffnen.
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Einheimische – ob mit oder ohne Migrationsgeschichte – und Einwanderer bilden zusammen unsere offene Bürgergesellschaft, in der niemand seine kulturellen Wurzeln aufgeben muss. Die offene Bürgergesellschaft erhält ihre Vielfalt
gerade durch den Austausch zwischen verschiedenen Ansichten und Lebensentwürfen auf der Basis gegenseitiger Toleranz. Gerade deshalb sind aber gemeinsame Regeln, gegenseitiger Respekt und Bereitschaft zu Teilhabe unabdingbar für das Miteinander.
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Wo Menschen unterschiedlicher kultureller, sozialer und religiöser Prägung zusammenleben, wird es immer auch Spannungen und Konflikte geben. Dieser
Herausforderung stellen wir uns; denn wir halten es für falsch, aus gut gemeinter
Absicht Probleme zu ignorieren. Denjenigen aber, die Pauschalurteile verbreiten,
Ressentiments schüren oder Ängste politisch instrumentalisieren, werden wir uns
als Liberale stets mit ganzer Kraft entgegenstellen. Toleranz, Offenheit, eine
Kultur des Miteinanders – das sind für uns grundlegende Werte. In der modernen Welt sind sie zugleich unverzichtbare Standortfaktoren.
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I. Deutschland braucht ein Einwanderungsgesetz!
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Eckpunkte einer neuen Einwanderungspolitik
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Wir Freien Demokraten schauen nicht zuerst darauf, woher jemand kommt. Für
uns zählt, was er oder sie erreichen will. Wir begreifen es als Chance für uns
alle, wenn Menschen in unser Land einwandern und hier zu Bürgern werden.
Wer Teil unserer offenen Bürgergesellschaft sein will, etwas erreichen möchte
und die Werte unseres Grundgesetzes akzeptiert, den heißen wir willkommen.
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In den letzten Jahrzehnten hat sich Deutschland zu einem Einwanderungsland
entwickelt. Die aktuell hohen Einwandererzahlen dürfen kein Anlass zum Ausruhen sein. Noch 2008 und 2009 verließen mehr Menschen Deutschland, als zu
uns kamen; im Schnitt der letzten Jahre wanderten viel zu wenige ein. Außerdem kamen über dreiviertel der Einwanderer aus Europa, so dass ein Ende
des gegenwärtigen Zustroms absehbar ist: Der Kontinent altert insgesamt und irgendwann wird sich die Wirtschaft in den Krisenstaaten erholen – dann werden
viele dieser Menschen in ihre Heimatländer zurückkehren. Wir müssen unseren
Blick deshalb auf Einwanderung aus Staaten außerhalb der EU richten und den
klugen Köpfen aus aller Welt den roten Teppich ausrollen. Wir wollen unser Land
zu einem Magneten machen für gut qualifizierte und integrationsbereite Einwanderer aus aller Welt, die den persönlichen Aufstieg für sich und ihre Famili-
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en suchen und dabei einen Beitrag zu Wohlstand und Wachstum unserer Gesellschaft leisten wollen.
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Weltoffenheit und Einwanderung sind in unserem eigenen nationalen Interesse. Sinkende Geburtenzahlen und steigende Lebenserwartung lassen die deutsche Gesellschaft schrumpfen und altern. Dieser demographische Wandel wird
dazu führen, dass die Zahl der Deutschen im erwerbsfähigen Alter im Jahr
2050 um bis zu 15 Millionen geringer ist als heute. Erforderlich wäre eine Nettoeinwanderung von über 200.000 Personen pro Jahr. Die Anfänge des drohenden Fachkräftemangels spüren wir bereits: 2014 standen in 139 von 615 Berufsgruppen nicht genügend Fachkräfte zur Verfügung. Selbst wenn es gelingt, die
Erwerbstätigkeit von Frauen, Älteren, Menschen mit Behinderungen und gering
Qualifizierten deutlich zu erhöhen, wird sich dieser Trend ohne Einwanderung
nicht stoppen lassen.
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Nur mit mehr gesteuerter Einwanderung können wir verhindern, dass sich das
Wachstum abschwächt und unser aller Wohlstand in Gefahr gerät; denn weniger
Fachkräfte führen zum Wegfall weiterer Arbeitsplätze – weil Unternehmen ihre
Wettbewerbsposition einbüßen oder Standorte ins Ausland verlagern. Mit mehr
ausländischen Fachkräften können dagegen zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, weil durch sie die Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit unserer
Wirtschaft insgesamt wächst.
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Mit qualifizierten Einwanderern als zusätzlichen Beitragszahlern kann es außerdem gelingen, unsere Sozialsysteme zu stabilisieren – insbesondere die Rente. Mit ihren Steuern leisten sie schließlich auch einen Beitrag zur Entlastung
der öffentlichen Haushalte. Aber nicht nur für Unternehmen und die öffentliche
Hand ist gezielte Einwanderung von Nutzen. Auch Hochschulen, Forschungsund Kultureinrichtungen profitieren von kreativen Köpfen und neuen Ideen. Richtig organisiert und unter internationalen Regeln nützt Migration auch den Herkunftsstaaten.
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Wir Freien Demokraten setzen deshalb auf eine aktive und gezielte Einwanderungspolitik. Einwanderung muss vorausschauend und klug gesteuert werden.
Dazu setzen wir auf ein Punktesystem, das sowohl die Integrationsfähigkeit der
Einwanderer als auch die Erfordernisse des deutschen Arbeitsmarktes berücksichtigt.
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Bei der Liberalisierung des Einwanderungsrechts hat die FDP in Regierungsverantwortung bereits einiges erreicht: Bei der Einführung der Blauen Karte (Blue
Card) haben wir die EU-Vorgaben großzügig umgesetzt, um die Einwanderung
von Hochqualifizierten zu erleichtern; insbesondere die erforderlichen Mindestverdienstgrenzen wurden signifikant gesenkt. Auch für Unternehmensgründer, Auszubildende und Studenten aus Drittstaaten gab es Erleichterungen. Mit der Neufassung der Beschäftigungsverordnung wurde der deutsche Arbeitsmarkt zudem
erstmals auch für Fachkräfte ohne akademischen Abschluss geöffnet.
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Besonders stolz sind wir Freien Demokraten auf das sogenannte „Jobseeker-Visum“ (Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche für qualifizierte Fachkräfte, § 18c Aufenthaltsgesetz). Es erlaubt erstmals die Einwanderung zur Arbeitssuche; sechs Monate darf sich der Inhaber hierzu nun in Deutschland aufhalten. Zuvor war ein vorliegender Arbeitsvertrag Zuzugsvoraussetzung. Mit dem
Jobseeker-Visum ist uns der Einstieg in ein Punktesystem gelungen.
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Von den Vorteilen des Punktesystems sind wir überzeugt: Langfristige, demographisch bedingte Lücken auf dem Arbeitsmarkt können geschlossen werden. Kleine
und mittlere Unternehmen kommen leichter an ausländische Fachkräfte; denn sie können sich die Bewerber im Inland suchen und sind nicht länger auf Vermittlungsdienste angewiesen. Hinzu kommt der Werbeeffekt: Die Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für Fachkräfte aus Drittstaaten ist in vielen
kleinen Schritten verlaufen, die im Einzelnen von vielen kaum wahrgenommen
wurden. Die Schaffung eines Punktesystems kann dagegen große Symbolkraft
entfalten.
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Wir Freie Demokraten bekennen uns zu den Chancen, die sich Deutschland
durch die Einwanderung eröffnet, und wir stellen uns der Verantwortung, die Einwanderungspolitik zum Wohle unseres Landes zu gestalten. Vor diesem Hintergrund wollen wir
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· das Einwanderungsrecht zu einem vollständigen Punktesystem ausbauen.
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Mit dem Jobseeker-Visum hat die FDP in Regierungsverantwortung den Einstieg
in ein Punktesystem geschafft. Deshalb ist dieser Aufenthaltstitel Ausgangspunkt
unserer Pläne zur Reform des Einwanderungsrechts. Wir wollen das Jobseeker-Visum zu einem vollständigen und klaren Punktesystem weiterentwickeln, das
Einwanderung nach klaren Kriterien wie Bildungsgrad, Alter und Fachkräftebedarf
steuert. Blue Card und Beschäftigungsverordnung bleiben daneben bestehen.
Wer bereits einen Arbeitsvertrag in der Tasche hat, kann weiterhin auch auf diesem Weg einwandern. Mit dieser Kombination von angebots- und nachfrageorientierten Elementen schaffen wir ein Einwanderungsrecht, das international auf
der Höhe der Zeit ist. Deshalb wollen wir
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das Jobseeker-Visum reformieren und auf ein Jahr verlängern. Die
Einwanderung soll nach Kriterien wie Bildungsgrad, Sprachkenntnis, Alter
und Fachkräftebedarf am Arbeitsmarkt flexibel gesteuert werden. Zudem
muss mehr Zeit für die Arbeitsplatzsuche bleiben; für Menschen, die aus
anderen Kulturkreisen oder gar weit entfernten Teilen der Welt zu uns
kommen, sind sechs Monate zu knapp bemessen.
während der Suchphase eine zeitlich befristete Erwerbstätigkeit ermöglichen. Einwanderer müssen bereits vor der Einreise die Mittel für ihren Lebensunterhalt nachweisen. Das soll künftig nur für die ersten sechs
Monate des verlängerten Jobseeker-Visums gelten. Danach soll der Nach-
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weis auch durch in Deutschland erarbeitetes Einkommen erbracht werden
können. So senken wir eine schwer zu überwindende Einwanderungshürde
und verhindern gleichzeitig den Bezug von Sozialleistungen durch Jobseeker.
das Jobseeker-Visum für qualifizierte Fachkräfte aus nichtakademischen Berufen sowie potenzielle Azubis öffnen. In vielen Engpassberufen fehlen Facharbeiter, Handwerker, andere beruflich Qualifizierte und
Auszubildende; auch sie sollen im Rahmen eines Punktesystems nach
Deutschland einwandern können.
die Liste der Mangelberufe im Bereich der dualen Ausbildung erweitern ,umz.B.dieBeschäftigung von Einwanderern in der Gastronomiebranche zu erleichtern.
die Visumvergabe entbürokratisieren und beschleunigen. Die Beteiligung verschiedener Stellen und die Verwendung von Papierformularen führen zu unnötigen Verzögerungen. Zudem sind die bearbeitenden Behörden, wie z.B. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, personell in die
Lage zu versetzen, Anträge schneller zu bearbeiten. Der Antrag auf eine
Blue Card soll bereits im Ausland an der deutschen Botschaft gestellt werden können – sofern ein Arbeitsvertrag vorliegt. Der Umweg über ein Visum kann dann in diesem Fall komplett entfallen.
die Gehaltsgrenzen bei der Blue Card weiter senken. Hier brauchen wir
für alle Berufe ein realistisches Maß, das sich an den berufsspezifischen
Gehältern orientiert. Denkbar ist auch eine Staffelung abhängig von Erfahrung oder deutschen Sprachkenntnissen.
die Blue Card auch denjenigen gewähren, die eine dem Hochschul-/Fachhochschulabschluss vergleichbare Qualifikation haben und dies durch eine
mindestens dreijährige Berufserfahrung nachweisen können.
die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausbildung analog der Bedingungen zum Aufenthalt zum Studium für die anschließende Berufssuche von einem Jahr auf 18 Monate nach dem Abschluss der Ausbildung
verlängern.
mit
einem
Einwanderungsgesetzbuch
für
Übersichtlichkeit
sorgen.
Nach den Reformetappen der letzten 15 Jahre sind die Regelungen des
deutschen Einwanderungsrechts komplex und auf zahlreiche Gesetze und
Verordnungen verstreut. Gerade kleinen und mittleren Unternehmen bereitet das Probleme, die wir beseitigen wollen.
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· die schnelle Anerkennung von Bildungsabschlüssen verbessern.
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Bis im Ausland erworbene Abschlüsse anerkannt sind, vergeht immer noch zu
viel Zeit. Der 2012 unter Mitwirkung der FDP auf Bundesebene geschaffene
Rechtsanspruch auf Anerkennungsprüfung war zwar eine Pioniertat, doch liegt
noch Vieles im Argen: Ämter sind überlastet und die deutsche Amtssprache
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bleibt eine Hürde. Die Folge ist, dass immer noch viele Eingewanderte weit unter
ihrem eigentlichen Qualifikationsniveau arbeiten. Deshalb wollen wir
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· für das Einwanderungsland Deutschland weltweit werben.
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Die Liberalisierung des deutschen Einwanderungsrechts geschah in vielen Einzelschritten über einen langen Zeitraum. Auch wenn die Entwicklung unter der
Regierungsverantwortung der FDP einen entscheidenden Schub bekam, ist die
positive Signalwirkung – gerade auf Menschen außerhalb Europas – ausgeblieben. Deshalb wollen wir
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· den Erwerb der deutschen Sprache fördern und fordern.
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die Verwaltungspraxis bei der Anerkennung deutlich beschleunigen.
Hierzu ist neben einem Personalaufbau auch die Schaffung von Erstanlaufpunkten nötig, die umfassende Hilfestellung leisten.
den Eingewanderten einen Rechtsanspruch auf eine vorherige Beratung einräumen, in der ihnen der Weg zur Anerkennung ihres Abschlusses konkret aufgezeigt wird.
die bundesweite Vergleichbarkeit von ausländischen Abschlüssen sicherstellen. Gerade bei den nicht „verkammerten“ Berufen besteht hier auf
Seiten der Bundesländer großer Nachholbedarf.
die Kapazitäten für Nachqualifizierungen ausweiten, damit auch diejenigen eine Chance auf Anerkennung haben, deren Abschluss noch nicht
vollumfänglich mit einem in Deutschland erworbenen vergleichbar ist.
eine einwanderungspolitische Gesamtstrategie erarbeiten. Dazu müssen alle Beteiligten – Bundesregierung, Bundesagentur für Arbeit, Universitäten,
Unternehmen,
Auslandsvertretungen,
Konsulate,
Außenhandelskammern, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge usw. – unter enger Beteiligung der Länder und der Kommunalen Spitzenverbände – ein gemeinsames Konzept erarbeiten.
in diesem Zusammenhang eine Anwerbestrategie entwickeln, die in sich
schlüssig und nachfrageorientiert ist sowie besonders benötigte Fachkräfte
gezielt anspricht.
allgemeine Werbemaßnahmen intensivieren – etwa im Rahmen der Initiative „Make it in Germany“. Die Informationsangebote müssen gut vernetzt sein und nicht nur auf Englisch, sondern auch in weiteren Fremdsprachen zur Verfügung stehen.
die Möglichkeiten der Einwanderung auch nach „innen“ bekannt machen.
Gerade das neue Instrument des Jobseeker-Visums ist bei den Unternehmen noch weitgehend unbekannt.
eine intensivere Zusammenarbeit mit Kultur- und Sprachinstituten im
Ausland, um für eine Einwanderung in unser Land zu werben.
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Die deutsche Sprache zu beherrschen, ist der Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg und einem gesellschaftlichen Miteinander. Das Angebot an Deutschkursen ist
daher auszubauen. Gerade für Kinder und junge Einwanderer sind Deutschkenntnisse entscheidend dafür, ob ihnen der Bildungsaufstieg in Deutschland gelingt. Aber auch für ältere Menschen ist das Beherrschen der deutschen Sprache
der Schlüssel zu einer gelungenen Integration in unsere Gesellschaft. Deshalb
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· Ausländerämter und Visavergabestellen zu Service- und
Willkommenszentren umbauen.
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Ausländerämter und Visavergabestellen der Botschaften müssen zu Aushängeschildern für die Gewinnung kluger Köpfe werden. Gleichzeitig sollten die Ausländerbehörden in Deutschland sich als Pfadfinder bzw. Service- und Integrationsbehörden für ausländische Fachkräfte verstehen. Hier wollen wir die Menschen, die dauerhaft zu uns kommen wollen, willkommen heißen und über alle
ihre Möglichkeiten, Rechte und Pflichten am besten schon im Herkunftsland aufklären. Deshalb wollen wir
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Integrationskurse zielgruppenspezifischer ausrichten und bei entsprechendem Bedarf verpflichtende Deutschkurse einführen. Eine stärkere
Gewichtung
nach
Bildungsstand
und
bereits
vorhandenem
deutschen
Sprachniveau kann hier zu schnelleren Erfolgen führen.
die Deutschförderung für Fachkräfte sowie die Mittel für Integrationskurse ausweiten. Es muss zudem mehr Angebote für berufsspezifische
Deutschkurse geben.
Vorbereitungskurse auf das Leben in Deutschland bereits im Heimatland
durchführen, um Anlaufschwierigkeiten möglichst gering zu halten.
für jedes Kind Sprachstandstests und – bei entsprechendem Bedarf –
verpflichtende Sprachförderung einführen. So wollen wir beispielsweise
rechtzeitig vor der Einschulung sicherstellen, dass auch Kinder von Einwanderern befähigt sind, sich schulisch zu entwickeln.
die kombinierte Sprachförderung von Eltern und Kindern fördern. Diese
kann ein wichtiges ergänzendes Angebot der nachholenden Integration
sein.
die offiziellen Beratungsmöglichkeiten zu allen Aspekten der Lebensentscheidung „Migration“ für Einwanderungsinteressenten ausbauen.
umfassende Beratung „aus einer Hand“ anbieten („One-Stop-Agency“).
Eine solche zentrale Anlaufstelle mit Bündelungsfunktion erleichtert den
Neustart in Deutschland.
das in einigen Städten erfolgreich praktizierte System von Integrationslotsen, die Einwanderer in den ersten Wochen auf Wunsch begleiten, weiter
ausbauen.
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· Deutschland für Einwanderer noch attraktiver machen.
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Unser Problem ist nicht, dass zu viele unqualifizierte Zuwanderer zu uns kommen, sondern dass viele qualifizierte Einwanderer – aber auch Deutsche – unser
Land wie-der verlassen. Damit mehr Menschen nach Deutschland einwandern, müssen sie die Erwartung haben, dass sie hier willkommen sind und
optimale Bedingungen für ihr neues Leben vorfinden. Damit die Eingewanderten
auch dauerhaft hier bleiben, müssen sie die Chance auf ein zufriedenes Leben
haben. Die rechtlichen Rahmenbedingungen einwanderungsfreundlich zu gestalten, ist dabei nur ein erster Schritt. Wir müssen die Menschen, die zu uns kommen, auch annehmen. Deshalb wollen wir
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die Personalausstattung der Ausländerbehörden verbessern. Gerade
in größeren Städten mit einem hohen Ausländeranteil sind lange Wartezeiten an der Tagesordnung.
das Umdenken in den Ämtern fördern. Das deutsche Recht war lange
Zeit auf Abwehr und Abschottung ausgerichtet. Die Liberalisierungen der
letzten Jahre bestimmen leider noch nicht überall das Verwaltungshandeln.
Die Erkenntnisse des auf wenige Städte beschränkten Modellprojekts „Ausländerbehörden – Willkommensbehörden“ müssen flächendeckend durch
konkrete Maßnahmen umgesetzt werden.
dazu den Anteil von Arbeitnehmern mit Einwanderungsgeschichte im
Öffentlichen Dienst erhöhen und so die interkulturelle Öffnung der Verwaltung erreichen.
verpflichtende Weiterbildungskurse zur interkulturellen Kompetenz für
den öffentlichen Dienst mit Publikumsverkehr einführen und diese Kenntnisse schon in der Grundausbildung vermitteln.
sicherstellen, dass in den für Einwanderung relevanten Bereichen eine
Verständigung in englischer Sprache möglich ist und umfassende Informationsbroschüren in weiteren Sprachen – möglichst in den verbreitetsten Muttersprachen der Einwanderer – anbieten. Informationsbroschüren
sollten in einfacher Sprache verfasst sein und u.a. Regelwerk, Ansprechpartner, Rechte und Pflichten benennen.
die viel zitierte „Willkommenskultur“ mit Leben erfüllen. Dies erfordert
von jedem Einzelnen die Bereitschaft, sich offen zu zeigen für Neuankömmlinge aus dem Ausland – in Betrieb, Schule, Verein oder Nachbarschaft.
ausländerfeindlichen Protesten entschieden entgegentreten. Wir wollen
zeigen, dass Deutschlands generelle Offenheit für Einwanderer nicht zur
Diskussion steht. Einwanderungs- und Integrationsdebatten müssen fundiert, differenziert und lösungsorientiert geführt werden.
Deutschland eine Spitzenstellung im weltweiten Standortwettbewerb sichern. Das geltende Einwanderungsrecht ist dabei nur eine Voraussetzung
von vielen. Entscheidend sind das positive Image eines Landes, die Stärke
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seiner Wirtschaft, eine überschaubare Steuerlast und die Durchlässigkeit
seines Bildungssystems.
den Hochschulen mehr Mittel zur Betreuung ausländischer Studierender zur Verfügung stellen, insbesondere zur Unterstützung bei der Wohnungssuche und der Vermittlung sozialer Kontakte in der Anfangszeit und
zur Vermittlung in Arbeit in der Endphase des Studiums.
die Bedingungen zur Erlangung der Niederlassungserlaubnis für alle
Einwanderergruppen
vereinheitlichen.
Die
Niederlassungserlaubnis,
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das Recht, dauerhaft in Deutschland bleiben zu dürfen, sollte nicht von
den Rechtsgrundlagen der Einwanderung (Blue Card, Jobseeker-Visum,
Asyl, etc.) abhängen, sondern vom Ausmaß der vollzogenen Integration in
die deutsche Gesellschaft. Die Vereinheitlichung sollte auf Grundlage der
für Einwanderer günstigsten derzeit geltenden Regelungen – die der Blue
Card – erfolgen: Die Niederlassungserlaubnis erhält, wer sich seit zwei Jahren mit Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufgehalten und in diesen zwei
Jahren die Bedingungen des heutigen § 9 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz erfüllt
hat: Sicherung des Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen durch feste und regelmäßige Einkünfte, ausreichender
Wohnraum, Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen über die Dauer
von zwei Jahren, ausreichende deutsche Sprachkenntnisse und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie der Lebensverhältnisse in Deutschland. Seinem Aufenthalt dürfen zudem keine Gründe der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung entgegenstehen. Von dieser Vereinheitlichung nicht betroffen ist die Möglichkeit, nach § 19 Aufenthaltsgesetz
Hochqualifizierten – also z. B. Wissenschaftlern mit besonderen fachlichen
Kenntnissen – eine sofortige Niederlassungserlaubnis zur Erwerbstätigkeit
zu erteilen.
gut Integrierten eine beschleunigte Einbürgerung nach vier Jahren ermöglichen. Die Aussicht auf die deutsche Staatsbürgerschaft kann die Integration und Identifikation mit unserem Land fördern. Sie kann ein Anreiz
sein, sich sprachlich und beruflich rasch zu integrieren.
Mehrfachstaatsbürgerschaften grundsätzlich zulassen. Viele Einwanderer sind von mehreren Kulturen geprägt und fühlen sich diesen zugehörig.
Niemand sollte gezwungen sein, sich zwischen dem Land seiner Vorfahren
und dem Land seines Lebensmittelpunktes zu entscheiden.
für
Drittstaatsangehörige
das
Ausländerwahlrecht
auf
kommunaler
Ebene einführen. Wenn jemand seinen Lebensmittelpunkt bereits seit
fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland hat, soll er auch die Chance erhalten, sein Lebensumfeld mitzugestalten.
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II. Zuflucht in Deutschland
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Mehr als 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht vor Krieg und
scher Verfolgung – so viele wie nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg.
von ihnen suchen Zuflucht in Deutschland: 2014 gab es bundesweit
200.000 Asylanträge – nach 127.000 im Jahr 2013. Zuletzt kamen vor 20
ren so viele Flüchtlinge zu uns.
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Für Politik und Verwaltung, soziale Einrichtungen, Kirchen und nicht zuletzt für
die vielen ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürger bedeutet das gewaltige
Herausforderungen: Das Aufnahmeverfahren muss trotz des Massenansturms
zügig organisiert sowie die Flüchtlinge menschenwürdig untergebracht und in die
Gesellschaft eingegliedert werden. Gerade Städte und Gemeinden sind dabei zusehends überfordert und bedürfen der Unterstützung durch die Länder und den
Bund.
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Wir wollen einen solidarischen Beitrag dafür leisten, dass Deutschland und Europa in der Welt ein sicherer Zufluchtsort für politisch Verfolgte ist. Deswegen
setzen wir uns für eine bundes- und europaweite menschenwürdige Regelung
des Grundrechts auf Asyl und einen Europäischen Verteilungsschlüssel für
Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge – ähnlich dem Königsteiner-Schlüssel
in Deutschland – ein.
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Dabei wollen wir die Chancen zur Teilhabe bieten und alle Anstrengungen unternehmen, Menschen zur Integration zu befähigen. Die Fähigkeit zur Integration hängt in vielen Fällen immer noch von Faktoren ab – Familie, Bildungsweg,
soziales Umfeld – die der Einzelne nur schwer beeinflussen kann und die im ungünstigen Fall den Zugang in die Gesellschaft erheblich erschweren.
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Vor diesem Hintergrund wollen wir
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· das Asylverfahren beschleunigen und bürokratische Hürden abbauen
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Wer in Deutschland einen Antrag auf Asyl stellt, muss teilweise bis zu 20 Monate auf einen Bescheid warten. Während dieses Verfahrens finden Asylbewerber nur begrenzt Zugang zum Arbeitsmarkt, da ihr Aufenthaltsstatus nicht geklärt
ist und daher von einem Anstellungsverhältnis häufig abgesehen wird. Dies widerspricht nicht nur dem Bestreben, Flüchtlinge schnellstmöglich zu integrieren,
sondern sorgt auch für eine Perspektivlosigkeit der Betroffenen. Deshalb wollen
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eine Beschleunigung des Asylverfahrens herbeiführen. Ziel ist dabei der
Abschluss des Verfahrens innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung.
Personen, deren Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde und bei denen
kein sonstiges Abschiebehemmnis vorliegt, müssen Deutschland zeitnah
wieder verlassen. Dies entspricht dem Gedanken, die vorhandenen Ressourcen auf die Flüchtlinge zu konzentrieren, deren Asylverfahren positiv
beschieden wurde oder deren Verfahren noch läuft.
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· frühzeitige Bildungsmöglichkeiten für Flüchtlinge anbieten
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Bildung, insbesondere der Erwerb unserer Sprache, bildet einen zentralen Aspekt zur Integration von Flüchtlingen. Im Mittelpunkt stehen dabei Kinder und Jugendliche. Bereits im frühkindlichen Bereich braucht es praxisnah vermittelte
Sprachförderung. Aber auch Erwachsenen muss durch frühzeitige Bildungsangebote bei der Integration in unsere Gesellschaft geholfen werden. Deshalb wollen
wir
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das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge personell aufstocken,
um die Voraussetzungen für eine schnellere Bearbeitung von Asylanträgen
zu schaffen.
eine frühzeitige und umfassende Information der Antragsteller über ihre Chancen und Pflichten in mehreren Fremdsprachen. Englisch soll daher als ergänzende Verkehrs- und Arbeitssprache in den für Flüchtlinge
relevanten Bereichen der öffentlichen Verwaltung etabliert werden.
Flüchtlinge, die in ihre Heimat zurückkehren möchten, mit einem stimmigen Konzept
auf ihre Rückkehr vorbereiten.
allen Flüchtlingen von Beginn an das Erlernen der deutschen Sprache ermöglichen und entsprechend verpflichtende, kostenlose Sprach- und Integrationskurse flächendeckend und in ausreichender Zahl zur Verfügung stellen. Eventuell anfallende Fahrtkosten zu den Bildungsstätten müssen übernommen werden.
die Förderung von Kindern mit Sprachdefiziten mittels Sprachlernklassen verbessern. Die notwendige Zahl der Schülerinnen und Schüler zu Errichtung von Sprachlernklassen ist dabei möglichst gering zu halten. Nur so
kann garantiert werden, dass jedes Kind und jeder Jugendliche die optimale Förderung erhält.
die Kapazitäten für Sprachförderung auch außerhalb von Sprachlernklassen erhöhen. Dies gewährleistet, dass Kinder und Jugendliche die optimale Betreuung und Förderung erhalten und Sprachförderkonzepte ausgeweitet werden.
den Zusammenschluss mehrerer Grundschulen ermöglichen, um gemeinsam Sprachlernklassen einrichten zu können. So können Lehrerstunden optimal eingesetzt und auftretende Probleme gemeinsam gelöst
werden.
den Einbezug der gesamten Familiebei Bildungsmaßnahmen. Grundlage einer gelungenen Willkommenskultur ist die Integration der ganzen Familie. Eltern bzw. Familien sollen in den Unterricht und in außerunterrichtliche Aktivitäten eingebunden werden.
Erzieherinnen und Erzieher bereits in ihrer Ausbildung auf Deutsch als
Fremd- bzw. Zweitsprache vorbereiten.
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· eine Einwanderungsperspektive für qualifizierte Flüchtlinge
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Wer am deutschen Arbeitsmarkt gebraucht wird, sollte hier bleiben können –
auch wenn er als Flüchtling zu uns kommt. Für Gutqualifizierte und Integrationswillige soll daher während des Asylverfahrens nach Maßgabe der Einwanderungskriterien die Möglichkeit bestehen, einen dauerhaften Aufenthaltstitel zu erlangen. Deshalb wollen wir
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einen unkomplizierten Wechsel zwischen den Rechtskreisen Asyl und Einwanderung. Flüchtlinge sollen bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen als Einwanderer behandelt werden können. Beim Wechsel der Rechtskreise
werden Flüchtlinge weder besser noch schlechter gestellt als Bewerber aus dem
Ausland. Um ein Umgehen der Einreisebestimmungen für Einwanderer über das
Asylrecht zu vermeiden, sind alle Bedingungen des jeweiligen Aufenthaltszweckes auch von Flüchtlingen zu erfüllen. Hierzu ist die Erstaufnahme mit einer
standardisierten Qualifikationsabfrage zu verbinden.
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· die Eingliederung in die Berufstätigkeit beschleunigen
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In Zeiten von demographischem Wandel, Fachkräftemangel und sinkender Arbeitslosigkeit gibt es keine Gründe, Flüchtlinge vom Arbeitsmarkt fernzuhalten.
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist jedoch nicht nur eine wirtschafts- und sozialpolitisch relevante Frage. Die Teilnahme am Erwerbsleben und die materielle
Selbstständigkeit sind für uns Freie Demokraten fundamentale Bestandteile
eines Lebens in Würde. Wir empfinden es daher als völlig unverständlich, warum so vielen Flüchtlingen, die sich legal in Deutschland aufhalten, der Zugang
zum Arbeitsmarkt erschwert und de facto verwehrt wird. Deshalb wollen wir
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in der Lehramtsausbildung gezielt die Vermittlung von Sprachförderung
näher bringen. Alle Lehrerinnen und Lehrer sollen in der Ausbildung auf
Deutsch als Fremd- bzw. Zweitsprache vorbereitet werden.
Flüchtlingen die Möglichkeit geben, die für Einwanderer im Rahmen des
reformierten Jobseeker-Visums geltenden Angebote zu nutzen – aus
dem laufenden Asylverfahren heraus.
die Bewerbung des Jobseeker-Visums in den Herkunftsländern verstärken und bereits vor Ort dahingehend kanalisieren.
die Möglichkeit für Flüchtlinge schaffen, sich auch aus dem laufenden
Asylverfahren heraus für eine Blue-Card zu bewerben.
ein standardisiertes Prüfungsverfahren zur Abfrage von Fachwissen
einzuführen, um die Kompetenzen von solchen Flüchtlingen erfassen zu
können, welche ohne vergleichbare Qualifikationsnachweise einreisen.
Integration nicht nur fördern, sondern auch fordern. Eine Perspektive
auf den Wechsel der Rechtskreise und somit auf Einwanderung kann nur
erhalten, wer sich an Recht und Gesetz hält, sich integrationsbereit zeigt
und alle Einwanderungskriterien erfüllt.
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· Unterkunft und Betreuung verbessern
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Flüchtlinge werden oft über einen längeren Zeitraum in zentralen Aufnahmelagern untergebracht. Nicht selten führt dies zu sozialen und psychischen Extremsituationen, die nur schwer durch den Nutzen der zentralen Unterbringung zu
rechtfertigen sind. Deshalb wollen wir
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die schnellstmögliche Arbeitsmarktintegration für Flüchtlinge und Geduldete. Wir wollen Flüchtlinge nicht länger dazu zwingen, auf den Wohlfahrtsstaat angewiesen zu sein. Denn: Wer dazu in der Lage ist, sollte
auch für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen können und dürfen.
ein Abschiebeverbot für Flüchtlinge in Ausbildung und eine Aufenthaltserlaubnis bis zum Abschluss der Lehre innerhalb von drei Jahren plus
18 Monate Bleiberecht für die Arbeitssuche. Die Betroffenen sollen so ermutigt werden, bereits vor Ablauf des Asylverfahrens für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen und sich fortzubilden. Unternehmer erhalten so
auch bei langwierigen Asylverfahren mehr Planungssicherheit und Anreize,
Flüchtlinge auszubilden.
Flüchtlingen aus Ländern mit einer hohen Quote bei der Anerkennung von
Asylberechtigte proaktiv Ausbildungs- oder Studienplätze vermitteln, um
sie für Mangelberufe zu qualifizieren.
Flüchtlingen die Annahme von Jobs in der Zeit- und Leiharbeit von Beginn an ermöglichen, um somit ein erhebliches Hindernis beim Zugang
zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt abzubauen.
die Residenzpflicht abschaffen und eine länderübergreifende Suche
nach Beschäftigung ermöglichen. Sie schränkt die Bewegungsfreiheit
von Flüchtlingen maßgeblich ein und stellt ein Hindernis bei der Suche
nach Beschäftigung dar.
möglichst schnell eine Verkürzung des Asylverfahrens anstreben, um eine dezentrale
Unterbringung
von
Flüchtlingen
zu
ermöglichen.
Kommunen
sollen u.a. im Rahmen von Best-Practice-Beispielen sowie durch frühzeitige
Information über Neuzuweisungen unterstützt werden, um so frühzeitig und
eigenverantwortlich die Unterbringung vorbereiten zu können.
die zentrale Unterbringung in Landeseinrichtungen auf die ersten drei
Monate begrenzen. Dieser Zeitraum ist aber zur Registrierung, Beratung
und Bearbeitung der Asylanträge sinnvoll. Flüchtlinge aus Herkunftsländern
mit geringer Anerkennungsquote sollten bis zum Abschluss des Verfahrens
in den zentralen Landeseinrichtungen verbleiben und nur bei positivem Bescheid auf die Kommunen verteilt werden. Flüchtlinge aus Herkunftsländern
mit sehr hoher Anerkennungsquote, z. B. Syrien, können frühzeitig den
Kommunen zugeteilt werden.
den Kommunen mehr Spielraum bei der Planung der Unterbringung
von Flüchtlingen bieten. Kommunen müssen die Möglichkeit erhalten, sich
für Formen der dezentralen Unterbringung zu entscheiden.
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· Gemeinsame Anstrengungen fördern und fordern
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Wir Freien Demokraten erkennen die gewaltigen Herausforderungen, die der
steigende Flüchtlingsstrom nach Europa mit sich bringt. Es wird nicht ausreichen,
wenn sich allein die Politik diesen Herausforderungen stellt. Integrationsbereitschaft und eine Willkommenskultur müssen von der gesamten Gesellschaft gelebt werden. Auch reicht es nicht aus, in der Flüchtlingspolitik im nationalstaatlichen Denken zu verharren. Deshalb wollen wir
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eine ausgewogene Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Kommunen
sowie eine Verbesserung der Wohnraumvermittlung gewährleisten, z.B.
durch Internetportale, in denen auch Privatpersonen Wohnungen anbieten
können. Die Unterbringung in Gewerbegebieten, im Wald oder ähnlichen
Orten sollte vermieden werden.
die besondere Betreuung von jungen Flüchtlingen bis 25 Jahre in
Form einer assistierten Ausbildung ermöglichen. Diese sollen unterstützt
und frühzeitig über Berufsausbildung und -möglichkeiten informiert werden.
eine gezielte Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen durch die Jugendhilfe als auch durch Vorklassen zur Berufsintegration
im Rahmen einer Berufsausbildung gewährleisten.
bei entsprechendem Bedarf eine Betreuung und Beschulung für Flüchtlinge bis zum 25. Lebensjahr ermöglichen. Hierfür muss möglichst schnell
und nicht erst ab Mitte 2016 auch Schülern ab 18 Jahren die Möglichkeit
eröffnet werden, Bafög in Anspruch zu nehmen und einen Schulabschluss
zu machen. Es darf nicht sein, dass Schüler mit ihrem 18. Geburtstag ihren
Lebensunterhalt durch den Bezug von Arbeitslosengeld II bestreiten müssen und deswegen von der Schule abgehen müssen.
Flüchtlingen in jedem Bundesland eine Krankenkarte nach Bremer Modell zur Verfügung stellen, um sicherzustellen, dass Flüchtlinge Zugang zu
angemessener Krankenversorgung haben und bürokratischen Aufwand bei
den Kommunen zu vermeiden. Ein vollständiger Impfschutz ist bereits in
den Landeseinrichtungen zu gewährleisten.
eine größere Aufnahmebereitschaft in ganz Europa sowie eine faire
Verteilung der Flüchtlinge. Die Europäische Union braucht mehr Solidarität unter den Mitgliedstaaten bei der Verteilung von Flüchtlingen. Ziel sollte
– angelehnt an den Königsteiner Schlüssel – ein Mehrfaktorenmodell sein,
das zu einer fairen Lastenteilung führt und folgende Aspekte berücksichtigt: Die Anzahl der aufzunehmenden Flüchtlinge soll nach Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft, Arbeitslosigkeit und Größe des Landes festgelegt
werden. Bei der Zuteilung der Flüchtlinge sollen Familienanbindung und
Sprachkenntnisse der Flüchtlinge berücksichtigt werden, sofern die Aufnahmequoten des jeweiligen Landes noch nicht erschöpft sind. Bis zur Etablierung eines solchen Systems ist ein europäischer Ausgleichsfonds zur Unterstützung von Mitgliedsstaaten mit einer hohen Aufnahmequote einzurichten.
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[1] Unter Flüchtlingen verstehen wir hier alle diejenigen, die ein Asylverfahren
durchlaufen oder durchlaufen haben. Kontingentflüchtlinge bzw. Resettlementflüchtlinge, die im Rahmen internationaler Aufnahmeprogramme nach Deutschland kommen, sind mitumfasst, soweit die Problemlage mit der erstgenannten
Gruppe vergleichbar ist.
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den Kommunen erheblich mehr Unterstützung bei der Aufnahme von
Flüchtlingen zukommen lassen. Die fachliche Hilfe vor Ort, Angebote wie
Sprachkurse und andere Projekte sollen unbürokratisch über einen Förderfonds unterstützend mitfinanziert werden.
die K ostenübernahme für die Flüchtlingsversorgung durch die staatliche Ebene, die über die Aufnahme entscheidet, durchsetzen. Der Bund
hat die Kosten für das geregelte Asylverfahren und gesonderte Bundeskontingente vollständig zu übernehmen. Die Länder haben Kosten für Flüchtlinge aus Landeskontingenten zu tragen.
das bürgerschaftliche Engagement weiter stärken und bewerben. Ehrenamtliche Helfer sind bereits jetzt eine unverzichtbare Stütze und Säule
in der Flüchtlingsbetreuung. Projekte zur Unterstützung ihrer Integrationshilfe sollen besonders gefördert werden. Wünschenswert wäre, dass sich
mehr Einwanderer in ehrenamtlichen Organisationen und Vereinen engagieren und diese verstärkt um diese Bevölkerungsgruppe werben.
Projekte entwickeln und fördern, bei denen Ehrenamtliche Patenschaften
für Familien mit Migrationshintergrund übernehmen und sie bei ihrer Integration unterstützen. Diese Begleitung kann vor allem für jugendliche
Einwanderer auf ihrem Weg des Übergangs von der Schule zum Beruf hilfreich sein.
einen Fonds einrichten, der mit einem Anerkennungsbeitrag die Arbeit
der Ehrenamtlichen unbürokratisch unterstützt, um dieses Engagement zu
erhalten und möglichst noch zu verstärken.
eine stärkere Vernetzung von Schülerinnen und Schülern sowohl mit
als auch ohne Migrationshintergrund. Dazu könnten innerhalb von Schulen,
insbesondere der Sprachlernklassen, aber auch zwischen unterschiedlichen
Schulen mit unterschiedlichem Bildungsniveau Patenschaften entstehen. Im
Rahmen dieser Patenschaften soll es Aktionen geben, bei denen die Kinder und Jugendliche mehr von der jeweils anderen Kultur lernen und fremde Gebräuche etc. als selbstverständlich wahrnehmen.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 310
Betr.:
Soziale Lage und Integration von Flüchtlingen verbessern
Antragsteller: Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Das Recht auf Asyl ist elementarer Bestandteil unseres Grundgesetzes und daher für Liberale nicht verhandelbar. Die Aufnahme von Flüchtlingen muss sich
vom ersten Satz unserer Verfassung leiten lassen: die Würde des Menschen ist
unantastbar.
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Gerade die Zahl der Bürgerkriegsflüchtlinge hat sich massiv erhöht. Angesichts
dramatischer bewaffneter Auseinandersetzungen suchen nicht erst seit Herbst
2014 Menschen aus vielen Ländern Schutz in Deutschland oder der EU. Die Lage hat sich bereits in den letzten Jahren kontinuierlich zugespitzt. Erstaufnahme-Einrichtungen laufen schon seit Jahren oberhalb ihrer eigentlichen Aufnahmekapazität.
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Angesichts unzureichender Erstaufnahme-Einrichtungen sind die Kommunen gezwungen, Notaufnahmen in Möbelhallen, Bürogebäuden oder Schwimmbädern
zu errichten. In den Asylunterkünften gibt es zudem eine hohe Zahl von sogenannten Fehlbelegern: Das sind anerkannte Flüchtlinge oder solche, die eine
Auszugsgenehmigung aus gesundheitlichen Gründen haben, aber keine Wohnung finden, die vom Sozialamt finanziert werden kann.
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Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ist sowohl für die Flüchtlinge,
als auch für die Nachbarschaft schwierig. Die Erfahrung aus vielen Bundesländern zeigt, dass Nachbarn einer Flüchtlingsfamilie gern helfen. Aber hunderte
auf engem Raum – das überfordert teilweise die Nachbarschaft. Auch ehrenamtliche Helfer plädieren daher gegen zentrale Unterbringung, obwohl für diese eine
gemeinschaftliche Unterbringung der Flüchtlinge Wege erspart und so manches
Hilfsangebot leichter organisierbar macht.
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Derzeit wächst in vielen Städten und Gemeinden die Hilfsbereitschaft der Menschen gegenüber Bürgerkriegsflüchtlingen. Flüchtlingsräte beraten die Ehrenamtlichen und Kirchengemeinden bieten Unterstützung an. Eine solche Willkommenskultur begrüßen die Freien Demokraten. Notwendig sind aber auch die richtigen politischen Rahmenbedingungen. Die Bundes-Gesetzgebung wird in den
einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich ausgelegt. Daher ist es für Flüchtlinge keineswegs egal, wo sie den Verlauf ihres Verfahrens abwarten müssen.
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Viele Flüchtlinge könnten ein Teil der Lösung unseres demographischen Problems sein. Die Wirtschaft hat das bereits erkannt. So fordert das Handwerk,
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dass besonders junge Leute schnell anerkannt werden, Deutsch lernen können
und einen Ausbildungsplatz annehmen dürfen. Die Berufsschulen berichten, dass
die jugendlichen Flüchtlinge, die anfangs in Klassen mit anderen „Problemfällen“
beschult werden, diese aufgrund ihrer hohen Motivation oft schnell überholen.
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Zahlreiche der erwachsenen Flüchtlinge verfügen über eine gute Ausbildung,
deren Anerkennung aber häufig zu lange dauert bzw. für die passende Nachqualifizierungsangebote fehlen. Das Know-how der Flüchtlinge, deren Erfahrungen und deren oft überraschend vielfältigen Sprachkenntnisse sind für den Wirtschaftsstandort Deutschland ein wertvolles Potenzial und sollten besser und
schneller genutzt werden, als das bisher der Fall ist.
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Aus Sicht der Freien Demokraten sind folgende Punkte von besonderer Bedeutung hinsichtlich der sozialen Lage und Integration der Flüchtlinge:
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1. Bereits heute ist die dezentrale Unterbringung nach der Erstaufnahme in einigen Bundesländern Realität: individuelle Wohnungen statt Gemeinschaftsunterkünfte – das befürworten die Freien Demokraten. Leider lassen das nicht alle
Bundesländer zu. Wir fordern daher die Länder auf, den Kommunen in ganz
Deutschland freie Hand für dezentralen Lösungen zur Unterbringung von Flüchtlingen zu geben. Das gilt in besonderem Maße für dauerhaft Geduldete mit Abschiebungshindernissen. Gerade in Bayern muss die Situation geändert werden,
dass diese nicht in Sozialwohnungen einziehen dürfen. Nur wo dezentrale Unterbringungen nicht realisierbar sind, sollte befristet auf Gemeinschaftsunterkünfte
zurückgegriffen werden können.
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2. Kommunen sollte es in begrenztem Umfang durch freiwillige interkommunale
Vereinbarung ermöglicht werden, die Unterbringung von Flüchtlingen gegen Kostenausgleich an benachbarte Kommunen zu übertragen. Die Anmietung von
Wohnungen für Flüchtlingen sollte dadurch erleichtert werden, dass die Kaution
von der Kommune gestellt werden kann, sofern dies im entsprechenden Bundesland noch nicht der Praxis entspricht.
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3. Die notwendigen Kosten der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen
sind den Kommunen von den Ländern vollständig zu erstatten. Dies ist bisher
nicht in allen Bundesländern der Fall.
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4. Das Arbeitsverbot für Asylbewerber gehört abgeschafft. Wer seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaften kann, soll nicht zum Bezug staatlicher Leistungen
gezwungen werden. Die Arbeitserlaubnis ist daher nach einer sehr kurzen Wartefrist von zwei Monaten zu erteilen.
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5. Schlüssel zur Integration ist und bleibt die Sprache. Hier muss die Organisation von jeweils passenden Sprachkursen – auch durch Volkshochschulen oder
private Träger - viel schneller erfolgen: nur so ist schneller und nachhaltiger Erfolg in der Schule oder am Arbeitsmarkt möglich. Das erfordert höhere Budgets
auf Bundesebene, die auch eine bessere Bezahlung der Lehrkräfte berücksichti-
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gen. Zugleich sind Sprachkurse für Erziehende in der Zeit einzurichten, in der
Kinder betreut oder beschult werden. Für Sprachkurse, die nicht über den Bund
finanziert werden können, sollten gezielt private Stiftungsmittel und Sponsoren
eingeworben werden.
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6. Hilfen zur Integration müssen nicht viel kosten: ein Wörterbuch zum Willkommen, eine Info-Broschüre zu kommunaler Infrastruktur und potenziellen Ansprechpartnern in den Herkunftssprachen, ggf. Gutscheine für Kultureinrichtungen – all das unterstützt Integration in der Praxis.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 311
Betr.:
Gemeinsam für Deutschland - Liberale Forderungen für eine
menschenwürdige Unterbringung und bedürfnisorientierte
Integration von Zuwanderern und Flüchtlingen
Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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In den letzten Jahren sind die Zahlen der Zuwanderer und insbesondere der
Flüchtlinge vor Bürgerkriegen in Nordafrika, dem Nahen und Mittleren Osten signifikant angestiegen. Diese Entwicklung stellt unsere Gesellschaft vor große
Herausforderungen.
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Auf Europa- und Bundesebene müssen deshalb verschiedene Lösungsstrategien entwickelt werden, die den besonderen Umständen Rechnung tragen. In einigen Bundesländern und insbesondere in den Kommunen müssen diese Probleme mit und nahe am Bürger gelöst werden. Nur so können Ghettoisierung,
Fremdenhass sowie Menschenunwürdigkeit vermieden und bedürfnisorientierte
Integration gewährleistet werden.
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Deshalb fordert die FDP:
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Faire Verteilung von Zuwanderern und Flüchtlingen in Europa
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Derzeit gilt für ankommende Asylsuchende die in Europa vereinbarte Dublin-III-Verordnung der Europäischen Union, der sich durch Vertrag die
Nicht-EU-Staaten Norwegen, Island und die Schweiz angeschlossen haben. Diese besagt, dass der Mitgliedsstaat, in dem zuerst ein Asylantrag gestellt wurde,
zuständig ist und auch bis zum Abschluss des Verfahrens bleibt. Dies stellt insbesondere die am Rand Europas liegenden Länder (z.B. Italien, Malta und Spanien) vor große Herausforderungen, da in der Regel dort ein Asylantrag gestellt
wird, wo zuerst europäischer Boden betreten wird. Um genau diese Länder zu
entlasten und insgesamt eine faire Verteilung auf die Staaten zu gewährleisten,
muss ein Schlüssel für Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge vereinbart werden. Der Schlüssel sieht eine Verteilung auf die Mitgliedstaaten je nach Bevölkerungsstärke und Wirtschaftskraft vor. Er soll darüber hinaus auch familiäre Bindungen in die einzelne Staaten sowie Sprachkenntnisse der Asylsuchenden berücksichtigen, um eine schnellere Integration zu ermöglichen.
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Den einzelnen Staaten muss es freistehen, über den für sie errechneten Aufnahmeanteil weitere Asylsuchende aufnehmen zu können.
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Bis zur Schaffung eines fairen Verteilerschlüssels sollte auf europäischer Ebene
ein Fond eingerichtet werden, der dazu dient, dass Staaten dann einen finanziellen Ausgleich bekommen können, wenn sie mehr Schutzsuchende aufnehmen,
als die für sie jeweilige errechnete Landesquote. Hierdurch sollen die Sozialsysteme der einzelnen Staaten vor Überbeanspruchung weitgehend geschützt und
die Bereitschaft zur einvernehmlichen Lastenteilung unter den Staaten gefördert
werden, damit die europäische Verantwortung gemeinsam gelebt wird.
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Förderung der Zuwanderung von Fachkräften
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Die Arbeitsmigration hat für Deutschland an Bedeutung gewonnen, da in vielen
Bereichen das Angebot an einheimischen Fachkräften zur Deckung des Bedarfs
nicht mehr ausreicht. Um den Bedarf an Fachkräften aus dem mittleren und höheren Qualifikationsbereich zu decken, ist eine Anwerbung geeigneter Personen
aus dem Ausland notwendig.
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Deutschland gehört zwar zu den OECD-Ländern mit den geringsten Hürden für
die Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte, dennoch belegt es bei den Zuwanderungsraten einen der letzten Plätze innerhalb der OECD. Ein Grund hierfür
ist, dass gute Deutschkenntnisse in vielen Unternehmen als wichtigstes Einstellungskriterium gelten. Deshalb soll der Deutschunterricht in den wichtigsten Herkunftsländern potenzieller Arbeitsmigranten gefördert sowie in Zusammenarbeit
mit den Arbeitgebern gezielt berufsspezifische Sprachkurse angeboten werden.
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Außerdem muss die Werbung der deutschen Hochschulen und damit der Wettbewerb um internationale Studenten verstärkt werden, da diese die größten
Chancen auf einen Arbeitsplatz in Deutschland haben, weil sie über einen nationalen Hochschulabschluss und zudem über gute Deutschkenntnisse verfügen.
Analog zur Regelung für Studenten, die für ein Studium nach Deutschland kommen, sollen auch Auszubildende aus Drittstaaten, die eine Lehre in Deutschland
absolvieren wollen, einen Aufenthaltstitel erhalten.
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Darüber hinaus muss Arbeitsmigration unter klar definierten Voraussetzungen
grundsätzlich erlaubt werden. Hierfür ist ein Punktesystem zur Auswahl von geeigneten Zuwanderern einzuführen. Dieses System soll nicht das ohnehin schon
komplexe Einwanderungssystem komplizieren und ersetzen, sondern sich an den
vorhandenen Auswahl- und Zuwanderungskriterien orientieren. Ein geringer Bildungsabschluss kann so beispielsweise durch bessere Sprachkenntnisse ausgeglichen werden. Sobald eine bestimmte Mindestpunktzahl erreicht wurde, ist dem
Antrag stattzugeben.
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Asylbewerbern sollen zudem die rechtlichen Möglichkeiten eingeräumt werden,
sich auch in bereits laufenden Asylverfahren für andere Aufenthaltstitel, wie beispielsweise die Blue Card, bewerben zu können. Mit dieser Forderung soll insbesondere den Kriegsflüchtlingen, die aufgrund ihrer Flucht keine Möglichkeit auf eine qualifizierte Zuwanderung hatten, die Möglichkeit eröffnet werden, dem deutschen Arbeitsmarkt leichter und schneller zur Verfügung zu stehen. Unter ande-
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rem deshalb muss das System zur Anerkennung
schlüsse weiter erleichtert und beschleunigt werden.
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Keine Beschränkung zum Arbeitsmarktzugang
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Mitte September 2014 hat der Bundesrat eine Änderung beim Arbeitsmarktzugangsrecht beschlossen. Für Menschen im Asylverfahren, die eine Aufenthaltsgestattung haben und für Menschen mit Duldung, besteht in den ersten drei Monaten ein grundsätzliches Arbeitsverbot. Anschließend, bis zum 15. Monat des
Aufenthalts, dürfen diese Personen nur nach einer vorherigen Vorrangprüfung
durch die Arbeitsagentur eine Beschäftigung aufnehmen.
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Damit Asylbewerber den Lebensunterhalt für sich und ihre Angehörigen
schnellstmöglich selbst sichern können und nicht dazu gezwungen werden, staatliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, ist das Arbeitsverbot für Asylbewerber
sowie die Vorrangprüfung abzuschaffen. Durch diese Änderungen werden zudem die Chancen auf schnellere Integration des Arbeitenden sowie auf die Erteilung eines gesicherten Aufenthaltstitels erhöht.
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Jene Migranten, die teilweise bereits seit Jahrzehnten in Deutschland leben und
die durch den Wegfall einer Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung - beispielsweise durch das Erreichen des 18. Lebensjahres ihres (jüngsten) Kindes - abgeschoben werden sollen, darf, sofern sie gegen eine etwaige Anordnung noch gerichtlich vorgehen können, die Arbeitserlaubnis erst mit Abschluss des Verfahrens durch ein rechtskräftiges Urteil entzogen werden. Bis dahin dürfen sie ihren
Lebensunterhalt durch Teilnahme am Arbeitsmarkt weiterhin selbstständig sichern, um nicht einem weiteren Ausweisungsgrund durch Inanspruchnahme von
öffentlichen Leistungen ausgesetzt zu sein.
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Ebenso sollen Asylbewerber, deren Asylantrag abgelehnt wird, eine Rückführung aber nicht vollzogen werden kann, weiterhin die Teilnahme am Arbeitsmarkt
gewährt werden.
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Durch diese Regelungen soll auch eine Sicherheit für den Arbeitgeber entstehen, der bei drohender Abschiebung und durch Entzug der Arbeitserlaubnis mit
einer fortdauernden Beschäftigung seines Arbeitnehmers rechnen kann.
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Ausweitung des Bleiberechtes
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Auf die Einführung des stichtagsunabhängigen Bleiberechtes für Jugendliche
und Heranwachsende in § 25 a AufenthG, welches die FDP geschaffen hat und
von dem auch deren Eltern profitieren können, muss endlich in Abstimmung mit
den Ländern eine generelle stichtagsunabhängige Lösung für die vielen tausend
Betroffenen folgen, die bereits seit Jahren in Deutschland leben, und hier auch
absehbar bleiben werden.
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Sofern eine Aufhebung der Duldung nicht absehbar ist, ist von Kettenduldungen
abzusehen, da diese nicht selten zu enormen psychischen Belastungen der Betroffenen führen.
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Vollständige Bewegungsfreiheit in Deutschland
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Nach Inkrafttreten der vom Bundesrat im September 2014 beschlossenen Gesetzesänderung dürfen Asylsuchende und Geduldete weiterhin nicht frei über ihre Wohnsitzwahl entscheiden, können sich jedoch nach vier Monaten Aufenthalt
in Deutschland frei bewegen. Es gibt jedoch Ausnahmegründe von der Erweiterung des Aufenthaltsbereichs auf das Bundesgebiet, die faktisch dafür sorgen,
dass die sogenannte Residenzpflicht (räumliche Beschränkung von Asylbewerbern und Geduldeten, die ein Verlassen des zugewiesenen Aufenthaltsbereichs
verbietet und innerhalb Europas nur in Deutschland gilt) auch über die Viermonatsregelung hinaus bestehen bleibt. Die vorgesehenen Ausnahmegründe sind
daher abzulehnen. Ein umfassendes Recht auf Bewegungsfreiheit durch die vollständige Abschaffung der Residenzpflicht ist zu schaffen.
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Sicherstellung von finanzieller Unterstützung durch den Bund für die Kommunen
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Die Länder und insbesondere die Kommunen sind mit der Unterbringungsverpflichtung und den damit einhergehenden finanziellen Belastungen an ihren
Grenzen angekommen. Die verstärkte Aufnahme von Flüchtlingen ist auch aufgrund der in der Vergangenheit stark schwankenden Fallzahlen für Länder und
Kommunen mit ihren statischen Einnahmestrukturen nur schwer finanzierbar.
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Da es sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen grundsätzlich um ein außenpolitisches Phänomen und eine gesamtdeutsche Herausforderung, also auch eine innenpolitische Aufgabe des Bundes handelt, ist im Zuge einer grundsätzlichen
Überarbeitung der Finanzierung der Bund mit mindestens 50% an den Kosten
für die bisherigen Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (Unterhalt, Unterbringung) und zusätzlich notwendigen Integrationsleistungen (Sprache, Betreuung und Beratung) zu beteiligen. Eine Novellierung des AsylbLG ist daher dringend geboten, damit es den besonderen Bedürfnissen von Migranten in Hinblick
auf Integrationsunterstützung Rechnung trägt und diese unterstützenden Angebote in das Regelleistungssystem aufnimmt. Ansonsten ist es im Wesentlichen
den Prinzipien des SGB II und SGB XII anzugleichen. Insbesondere das Sachleistungsprinzip soll nur noch in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen.
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In den Ländern sind die unterstützenden Angebote, solange diese nicht durch
eine AsylbLG-Reform verbindlich gemacht worden sind, durch eine verlässliche
Kostenbeteiligung von 70% durch das jeweilige Land und 30% der Kommunen
analog zur bisherigen Finanzierungsverantwortung im AsylbLG zu finanzieren.
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Einbindung der Menschen vor Ort
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Das Zusammenleben in einer offenen Gesellschaft setzt das Bemühen um Gemeinsamkeiten, um Toleranz und Akzeptanz bei allen Beteiligten voraus.
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Es ist sicherzustellen, dass bei der Planung von neuen Unterkünften frühzeitig
Anwohner vor Ort eingebunden und angehört werden. Ängste (beispielsweise
Vermüllung, extreme Lautstärke, vermehrte Straftaten, Ghettoisierung, etc.) dürfen nicht unausgesprochen bleiben und eine Auseinandersetzung mit diesen
muss erfolgen. Handlungs- und Integrationskonzepte sollten gemeinsam mit politischen Mandatsträgern, Vertretern der Verwaltung, Polizei sowie engagierten (z.B.
sozialen und kirchlichen) Institutionen und Bürgern vor Ort erarbeitet werden. Nur
so kann eine Akzeptanz rechtzeitig sichergestellt und können freiwillige Integrationshilfen für die Neuankömmlinge seitens der Menschen vor Ort garantiert werden.
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Darüber hinaus ist das Ehrenamt im Bereich der Integrationshilfen (beispielsweise Sprachkurse, Sport- und Freizeitbeschäftigungen, Hausaufgabenhilfe, Kinderbetreuung, Berufsberatung, Begleitung bei Behördengängen) zu stärken. Anfallende Kosten (z.B. Fahrtkosten, Papier, Stifte, Eintrittsgelder zu Ausflugszielen)
sollen nach vorheriger Genehmigung ersetzt werden können. Zudem soll die
Möglichkeit der Ehrenamtsausübung verstärkt beworben werden.
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Menschenwürdige, bedarfsgerechte und integrative Unterbringung
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In einigen Bundesländern werden die Flüchtlinge und Asylbewerber inzwischen
nach wenigen Tagen an die Städte und Kreise verteilt, ohne die notwendigen
Vorarbeiten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die
Landesämter für Ausländerangelegenheiten vorgenommen zu haben.
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Deshalb sind die rechtlichen Möglichkeiten seitens der Länder zu nutzen und
Flüchtlinge bis zu sechs Wochen (spätestens aber nach drei Monaten) in einer
Erstaufnahmeeinrichtung zu betreuen und zu beraten, um einen guten Start in
die Gesellschaft zu ermöglichen. In diesem Zeitraum sollen auch angemessene
Unterbringungsmöglichkeiten vor Ort gefunden, der Transfer in die Kommune organisiert, wesentliche Schritte der ausländerrechtlichen Behandlung vollzogen
und Folgeunterstützung sichergestellt werden. Dabei ist auch in Erstaufnahmeeinrichtungen die sachliche und personelle Ausstattung so vorzunehmen, dass
vor allem die humanitären Bedürfnisse der Flüchtlinge beachtet werden. Dazu
zählt nicht nur eine menschenwürdige Unterbringung, sondern auch eine erste
Orientierung in Deutschland, das Kennenlernen von Rechten und Pflichten sowie
eine medizinische bzw. psychologische Betreuung in Hinblick auf die Fluchtereignisse.
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Erstaufnahmeeinrichtungen
und
kommunale
Gemeinschaftsunterkünfte
sind
räumlich zu trennen. Es ist eine Verteilung auf und innerhalb der Gemeinschaftswohnunterkünfte nach Zielgruppen (Familien, Jungerwachsene U25, Senioren,
traumatisierte Kriegsflüchtlinge) und Bedürfnissen der Menschen zu erwirken so-
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wie das Unterkunftsangebot und die Angebote von Freiwilligen entsprechend koordiniert anzupassen.
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Die dezentrale Unterbringung in den Kommunen ist ebenfalls in Hinblick auf
humanitäre und soziale Belange der Flüchtlinge auszurichten. Dabei soll die dezentrale Unterbringung im Alltag der Bürger erfolgen. Unterbringung in Sammelunterkünften, Containern, Wohnschiffen oder in Gewerbegebieten lehnt die FDP
deshalb als Dauerlösungen ab, vielmehr sind kleinteilige und damit sozialverträglichere Unterkünfte zu schaffen. Die Anbindung an den ÖPNV sowie nahe gelegene medizinische, schulische und sonstige Einrichtungen des täglichen Lebens
sind sicherzustellen, um eine gesellschaftliche Isolation zu vermeiden und die Integration zu fördern.
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Weiter sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um privaten Vermietern die Bereitstellung von Wohnraum zu erleichtern, z.B. durch ein entsprechendes Internetportal, auf das u.a. die Kommunen zugreifen können. Das Internetprotal kann
auch dazu dienen, dass den Migranten eine schnellere Vermittlung in private und
selbstständig finanzierte Wohnungen erleichtert wird.
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Um Vorkommnissen wie jüngst den Übergriffen von Sicherheitspersonal auf Untergebrachte in Nordrhein-Westfalen vorzubeugen und ein geregeltes, diskriminierungsfreies und geschütztes Zusammenleben in den Unterkünften sicherzustellen, ist in den Ländern ein „Heim-TÜV“ nach dem Vorbild aus Sachsen für
Gemeinschaftsunterkünfte für Asylsuchende zu entwickelt, der es erlaubt, die
Unterbringungsbedingungen transparent zu erfassen und sie darüber langfristig
zu verbessern. Mit dem „Heim-TÜV“ können nicht nur verbesserungswürdige Zustände gekennzeichnet werden, er identifiziert auch gute und nachahmenswerte
Beispiele. Dabei ist die Perspektive des „Heim-TÜV“ die einer lernenden Organisation: Handlungsbedarf zeigen, die vorhandenen Stärken ansprechen und konstruktive Verbesserungen vorschlagen. Die einzelnen Unterkünfte werden mit einem Ampelsystem bewertet, das transparent und nachvollziehbar Handlungsbedarf oder angemessene Zustände kennzeichnet. Darüber hinaus soll der Bund
einheitliche Standards für die Unterbringung festlegen.
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Integrationsförderung durch Bildung
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Integration ist unmöglich ohne gemeinsame Sprache und die Akzeptanz der republikanischen Werte unserer Verfassung. Deshalb müssen Integrationskurse als
zentrales Element weiter gestärkt und die Teilnahme auch auf Geduldete und
Asylbewerber ausgedehnt werden.
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Informationsschriften sind in den relevanten Sprachen (arabisch, kurdisch, ukrainisch, Farsi, etc.) herauszubringen. Unter anderem sind in diesen die Rechte und
Pflichten in Deutschland vereinfacht dazustellen und wichtige Anlaufstellen
(Standorte, Ansprechpersonen, Öffnungszeiten, Dolmetscherdienste) zu benennen, damit Migranten sich in Deutschland schneller zurecht finden.
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Sprache ist der Schlüssel zur Bildung, zum Erfolg und zu gesellschaftlicher Integration. Sprachstandtests sind für alle Kinder im Alter von vier Jahren Voraussetzung dafür, dass alle die gleichen Chancen haben. Bei Bedarf sind eine gezielte Sprachförderung vor der Schule sowie darüber hinausgehende unterrichtsbegleitende Sprachprogramme notwendig. Eltern sollen verstärkt aufgeklärt und
befähigt werden, ihre Kinder zu unterstützen. Programme zur kombinierten
Sprachförderung von Eltern und Kindern zeigen vorbildliche Erfolge. Auch sind
Angebote für Kinder oftmals der beste Anknüpfungspunkt zur nachholenden Integrationsförderung für Eltern.
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Außerdem ist im Schulunterricht sowie in den Integrationskursen verstärkt zu
vermitteln, dass in Deutschland unterschiedliche Glaubensrichtungen toleriert
werden, sofern diese in das Wertesystem des Grundgesetzes eingebettet sind.
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Nachhaltige Integration
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Derzeit besteht in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Einbürgerung nach acht Jahren gewöhnlichen und rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland. Es ist eine Möglichkeit zur beschleunigten Einbürgerung
nach vier Jahren einzuführen. Zudem ist eine doppelte Staatsbürgerschaft grundsätzlich zuzulassen und damit eine komplette Abschaffung der Optionspflicht herbeizuführen.
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Wer Teil unserer Gesellschaft ist, das gesellschaftliche und kulturelle Leben
prägt, gleichermaßen Steuern zahlt und gleichermaßen von demokratischen Entscheidungen betroffen ist, muss auch an der wichtigsten Form der politischen
Partizipation – den Wahlen – teilnehmen können. Folglich und nach Vorbild vieler anderer europäischer Länder ist das kommunale Ausländerwahlrecht auf Drittstaatsangehörige auszuweiten und EU-Bürgern ein Landtagswahlrecht einzuräumen. Diese Änderungen tragen vor allem dem zusammenwachsenden Europa
sowie dem sich wandelnden Gesellschaftsbild in Deutschland Rechnung, zudem
dient es darüber hinaus der Integration vor Ort.
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Diskriminierung beenden, Potentiale nutzen!
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Es muß sich darüber hinaus aktiv für die bessere Akzeptanz und Integration
von Deutschen, die aus Russland, Polen und anderen Staaten Osteuropas nach
Deutschland ausgesiedelt sind, eingesetzt werden. Es ist unerträglich, dass sich
diese Gruppe mit Ausgrenzung und Diskriminierung konfrontiert sieht und Landes- und Bundesregierung dagegen nichts unternehmen.
Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Seite 145
Antrag 312
Betr.:
Flexible Altersgrenzen für den Ruhestand im Öffentlichen
Dienst
Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die FDP-Fraktionen in den Landtagen werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass im Rahmen des geltenden Rechts Angestellten und Beamten der Länder ermöglicht wird, den Übergang in den Ruhestand auf Antrag hinauszuschieben, soweit keine Bedenken gegen die weitere Dienstfähigkeit bestehen.
Begründung:
Der demographische Wandel führt dazu, dass die seit Jahrzehnten bestehenden
Altersgrenzen für den Übergang in das Rentenalter oder den Ruhestand nicht mehr
durchgängig dem Wunsch der Bediensteten entsprechen. Soweit beantragt wird, die
bisherige Tätigkeit nach Erreichen der aktuellen Altersgrenzen weiter auszuüben, liegt es
auch im Interesse des Landes, die Lebenserfahrung und das erlangte Wissen der
Bediensteten weiter zu nutzen. Vor allem in technischen Berufen und im Sozialbereich
lähmt der Bedarf an Fachkräften bereits jetzt zunehmend die Leistungsfähigkeit der
Verwaltung. Außerdem wird der Landeshaushalt durch teilweise Einsparung von
Ruhestandsbezügen entlastet. Bei verlängerter Lebensarbeitszeit führt der spätere
Ruhestand zudem zur Minderung der Kosten für die Anwerbung oder Ausbildung von
Nachwuchskräften.
Anmerkung: Für Angestellte sind in Tarifverträgen feste Altersgrenzen vorgegeben, so
dass in diesen Fällen Honorarverträge geschlossen werden müssten.
Weitere Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Seite 147
Antrag 313
Betr.:
Stärkung der berufsständischen Versorgungswerke
Antragsteller: Landesverband Hessen
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die Freien Demokraten fordern eine Stärkung der berufsständischen Versorgungswerke als wichtigen Teil des Systems der Altersversorgung. Vor diesem
Hintergrund fordert die FDP eine Änderung des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. SGB VI dahingehend, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht bei der Deutschen
Rentenversicherung bereits dann zu erteilen ist, wenn der Antragsteller eine Sicherung seiner Altersversorgung durch die Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk nachweisen kann.
Begründung:
Gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI werden von der Versicherungspflicht befreit
Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit,
wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten, oder auf Gesetz beruhenden
Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und zugleich kraft
gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Aufgrund des
Wortlautes dieser Vorschrift hat das Bundessozialgericht durch Urteil vom 03.04.2014 (B
5 RE 3/14 R) entschieden, dass Syndikusanwälte keine Befreiung von der gesetzlichen
Rentenversicherung
erhalten.
Ausgangspunkt
der
Argumentation
des
Bundessozialgerichts ist, dass bei Syndikusanwälten die Mitgliedschaft in einer
berufsständischen
Kammer,
und
damit
auch
in
einer
berufsständischen
Versorgungseinrichtung, nicht wegen ihrer Tätigkeit erfolgt, sondern lediglich Folge der
Zulassung als Rechtsanwalt ist. Diese Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts liegt
im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschrift auch auf der Hand. Da das Ergebnis, nämlich
eine Versicherung der Syndikusanwälte bei der gesetzlichen Rentenversicherung, aber
nicht sachgerecht ist, ist eine Änderung des Gesetzes notwendig, zumal von der
Entscheidung sämtliche freien Berufe betroffen sind. Bleibt es bei der derzeitigen
Rechtslage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, so
werden die berufsständischen Versorgungswerke in ihrem Bestand substantiell
geschwächt. Dies führt zu einer Beeinträchtigung der Perspektiven in der
Altersversorgung der freien Berufe. Die berufsständischen Versorgungswerke haben
gezeigt, dass sie in erheblichem Maße leistungsfähiger sind, als die staatliche
Zwangsversicherung. Zudem sind die Syndikusanwälte in ihrer Tradition von je her
Bestandteil der Rechtsanwaltschaft.
Weitere Begründung erfolgt mündlich.
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Antrag 314
Betr.:
Vielfalt der Altersversorgungssysteme erhalten,
berufsständische Versorgung stärken, Abgrenzung zur
gesetzlichen Rentenversicherung für freie Berufe gesetzlich
regeln
Antragsteller: Landesverband Berlin
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die Freien Demokraten sprechen sich dafür aus, die durch verschiedene Urteile
des Bundessozialgerichts (BSG) entstandene Unsicherheit bei verschiedenen
freien Berufen zu beseitigen, ob sie zukünftig noch ihren angestammten berufsständischen Altersversorgungswerken angehören können oder gegen ihren Willen in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden. Dies soll durch eine
gesetzliche Klarstellung zugunsten der berufsständischen Versorgung geregelt
werden, die zugleich dauerhaft und zuverlässig die sogenannte "Friedenslinie"
zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischen Versorgungswerken bestimmt. Die Freien Demokraten stehen grundsätzlich für die Stärkung
der Eigenverantwortung bei den Lebensrisiken und der Altersvorsorge. Deshalb
begrüßt die FDP die Schaffung weiterer berufsständischer Versorgungswerke für
weitere Berufsgruppen. Berufsständige Altersvorsorgesysteme sind ein Beitrag
zur Eigenverantwortung in der Altersvorsorge. Die heutige Regelung führt langfristig zur Aushöhlung der berufsständischen Versorgungswerke.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 315
Betr.:
Für eine berufsrechtliche Regelung zur Befreiung von
Syndikusanwälten von der gesetzlichen Rentenversicherung
Antragsteller: Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und
Verbraucherschutz
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die Freien Demokraten sprechen sich für eine berufsrechtliche Regelung zur
Befreiung von Syndikusanwälten von der gesetzlichen Rentenversicherung aus.
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Das Bundessozialgericht hat mit seinen Urteilen vom 3. April 2014 festgestellt,
dass – unabhängig von der konkret ausgeübten Beschäftigung - bei einem
nicht-anwaltlichen Arbeitgeber Syndikusanwälte für diese Tätigkeit nicht mehr
von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden können. Damit wurde
die langjährige, über die Jahre wechselnde Verwaltungspraxis zur möglichen Befreiung von der Rentenversicherung, die von der Deutschen Rentenversicherung
und den Rechtsanwaltskammern entwickelt und jeweils verändert wurde mit einem Federstrich zur „Makulatur“ erklärt und der Boden entzogen. Gegen die Urteile wurde von den Klägern Verfassungsbeschwerde erhoben. Vertrauensschutz
auf der Grundlage früherer Verwaltungspraxis und -duldung für heute nicht in die
gesetzliche Rentenversicherung einzahlende Syndikusanwälte wurde zwar grundsätzlich gewährt, der genaue Umfang des Vertrauensschutzes ist jedoch nach
wie vor rechtlich ungeklärt. Vertreter der Regierungsparteien haben sich bereits
für eine Neuregelung im Sinne der Syndikusanwälte ausgesprochen, das BMJV
hat ein Eckpunktepapier für eine berufsrechtliche Neuregelung vorgestellt. Die
Deutsche Rentenversicherung setzt die Urteile in ihrer Verwaltungspraxis gleichwohl bereits um, wobei Vertrauensschutz nur in höchst eingeschränkter Form
eingeräumt wird. Die Urteile haben auch Auswirkungen auf angestellte Anwälte
in Rechtsanwaltskanzleien, da auch sie tatsächlich nicht weisungsfrei tätig sind.
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1. Die Freien Demokraten sprechen sich für eine berufsrechtliche Regelung für
die Tätigkeit angestellter Rechtsanwälte aus, mit der festgelegt wird, dass auch
ein Syndikus anwaltliche Tätigkeit ausübt und grundsätzlich für seine Altersversorgung von der Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien ist. Sie
unterstützen insoweit grundsätzlich das Eckpunktepapier des BMJV zur Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte.
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2. Dabei sprechen sich die Freien Demokraten für die folgenden Eckpunkte einer Neuregelung aus:
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Es ist zu regeln,
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- dass der Rechtsanwalt den Rechtsanwaltsberuf als Angestellter eines anderen
Rechtsanwalts, eines Angehörigen eines sozietätsfähigen Berufes oder eine Berufsausübungsgemeinschaft ausüben darf.
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- dass die anwaltliche Tätigkeit des Syndikusanwalts zulässig ist und mit der
Pflichtmitgliedschaft in der Kammer verbunden sein soll.
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- dass sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf die Tätigkeit als Syndikusanwalt
beschränken kann. Die anwaltliche Tätigkeit des Syndikusanwaltes umfasst die
Beratung und Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, wobei für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen des Syndikus-Anstellungsverhältnisses ein gerichtliches Vertretungsverbot gelten soll.
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3. Die Deutsche Rentenversicherung wird aufgefordert, im Hinblick auf die diskutierten Bestrebungen zur Neuregelung des Berufs- und Sozialrechtes für Syndikusanwälte derzeit von negativen Bescheiden gegenüber Syndikusanwälten auf
der Grundlage ihrer „Informationen zur Umsetzung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 03.04.2014 zum Befreiungsrecht von Syndikusanwälten
und dem einzuräumenden Vertrauensschutz“ vom 12.12.2014 abzusehen und
sich ein „Moratorium“ für entsprechende Entscheidungen aufzuerlegen.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 316
Betr.:
Ganzheitliches Diversity Management in der Arbeitswelt
voranbringen
Antragsteller: Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Im Jahr 2013 ist die FDP als erste Partei der „Charta der Vielfalt“ beigetreten.
Dieses Bündnis aus privaten und öffentlichen Arbeitgebern verpflichtet seine Mitglieder auf ein Diversity Management in der eigenen Organisation. Es ist auch
politischer und gesellschaftlicher Auftrag, das Thema voranzutreiben.
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Diversity Management ist zunächst ein unternehmerisches Konzept, das auf eine Kultur der Wertschätzung und des Respekts vor der Unterschiedlichkeit der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzt. Es bekämpft systematisch offene Diskriminierung und macht unbewusste Hemmnisse bewusst. So schafft es gleiche Chancen für Aufstieg durch Leistung – unabhängig von Geschlecht, Alter, ethnischer
Herkunft, Behinderung, sexueller Orientierung, Religion oder Weltanschauung.
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Die Freien Demokraten befürworten ein ganzheitliches Diversity Management in
der Arbeitswelt. Es entspricht dem liberalen Verständnis des verantwortlichen Unternehmertums und steigert so die Akzeptanz der Sozialen Marktwirtschaft. Dieser Ansatz ist für uns eine sinnvolle Alternative zu Quoten und anderen Formen
bürokratischer Antidiskriminierungspolitik.
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Zugleich ist er angesichts der empirisch vorhandenen wirtschaftlichen Vorteile
auch Teil einer ökonomischen Modernisierungsstrategie. Diversity Management
fördert Selbstbestimmung und Chancengleichheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Vielfältige Teams in einem offenen Arbeitsumfeld und einer offenen Unternehmenskultur bilden zugleich eine Säule für wirtschaftlichen Erfolg. So werden Talente genutzt, Vertrauen gebildet und Ängste vor Nachteilen am Arbeitsplatz genommen. Vielfalt im Unternehmen – etwa durch bewusst gemischte
Teams – fördert Kreativität und bringt die Sicht unterschiedlicher Kundenzielgruppen ein.
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Dies ist auch volkswirtschaftlich relevant. Ökonomische Studien aus den USA
zeigen, dass diejenigen städtischen Regionen besonders erfolgreich sind, in denen die Gesellschaft ein hohes Maß an Toleranz zeigt, da sich kreative Köpfe zu
diesen Regionen und Kulturen besonders hingezogen fühlen.
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Best Practices verbreiten, Kompetenz vermitteln
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Aufgabe des Staates ist es nicht, Diversity Management über Regulierung zu
verordnen. Vielmehr geht es um politische Moderation und um die Rolle des
Staates als Arbeitgeber im öffentlichen Dienst.
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Wirtschaft, sozialer und öffentlicher Sektor sollen über Instrumente und den wirtschaftlichen Nutzen ganzheitlichen Diversity Managements informiert werden.
Best Practice Dialoge zu initiieren und zu unterstützen, ist vor allem Aufgabe des
Bundeswirtschafts- und des Bundesarbeitsministeriums, nicht wie bisher nur des
Bundesfamilienministeriums.
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Wir wollen, dass das Thema „Vielfalt in der Arbeitswelt“ im Blick auf moderne
Unternehmenskultur in der beruflichen Bildung verankert wird und dass im Fortbildungswesen der Wirtschaft Schulungsangebote aufgenommen werden.
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Im Rahmen unseres Dialogs mit der Wirtschaft empfehlen wir Freie Demokraten
den Kammern, Unternehmensverbänden und Gewerkschaften, über die Vorteile
eines ganzheitlichen Diversity Managements aufzuklären und als Botschafter zu
fungieren. Wir regen an, das Thema zum Gegenstand betrieblicher Vereinbarungen zu machen.
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Konzepte für den Mittelstand entwickeln
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Best Practices als Vorbild zu vermitteln, hat eine zentrale Bedeutung. Daher ist
es von hoher Bedeutung, einfache und kostengünstige Diversity-Konzepte für
den Mittelstand zu entwickeln. Wir ermuntern Unternehmen und ihre Verbände,
aber auch die Wissenschaft, hier tätig zu werden. Solche Vorhaben sollten auch
von den zuständigen Ministerien gefördert werden.
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Ganzheitliches Diversity Management: Alle Dimensionen von Diversity gleichberechtigt einbeziehen
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Die unterschiedlichen Dimensionen von Vielfalt (u.a. Geschlecht, Alter, ethnische Herkunft, Behinderung, Religion/Weltanschauung, sexuelle Orientierung)
werden heute höchst ungleichgewichtig von Unternehmen und Behörden in ihre
Diversity Strategien einbezogen. Insbesondere Dimensionen, die man den Menschen nicht sofort ansieht, also Religion und sexuelle Orientierung, bleiben häufig unbeachtet. Strategien privater und öffentlicher Unternehmen sollten daher so
ausgestaltet sein, dass sie gerade diese Dimensionen explizit berücksichtigen.
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Ganzheitliches Diversity Management im öffentlichen Dienst
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Ganzheitliches Diversity Management in der Arbeitswelt ist nicht nur auf die Privatwirtschaft beschränkt sondern schließt Behörden, Gerichte, öffentliche Verwaltungen, Stiftungen, Vereine und Körperschaften genauso mit ein. Der öffentliche
Dienst muss mit gutem Beispiel vorangehen. Strukturen der Frauen- und Behindertenbeauftragten sollten in einen breiteren Ansatz von ganzheitlichem Diversity
Management umgestaltet werden. Dabei ist es erforderlich, alle Dimensionen von
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Vielfalt auch gesondert anzusprechen, denn ansonsten gehen berechtigte Anliegen von Minderheiten unter.
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Ganzheitliches Diversity Management fördern, Bürokratie senken
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Ganzheitliches Diversity Management würde einen Schub erhalten, wenn funktionierende Management-Systeme an anderer Stelle bürokratische Anforderungen an Unternehmen senken würden. Hier wollen wir den Dialog über machbare
Wege suchen.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 317
Betr.:
Pragmatischer Umgang mit Inklusion
Antragsteller: Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung
und Technologie
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Wir Freien Demokraten fordern eine pragmatische Auseinandersetzung mit der
Inklusionsthematik. Für uns ist Inklusion kein Selbstzweck, sondern muss stets
dem Wohle des Menschen untergeordnet werden. Gleichzeitig erkennen wir die
enormen Vorteile für Individuum und Gesellschaft, die sich aus einem inklusiven
Zusammenleben ergeben. In diesem Zusammenhang setzen wir uns für folgende Rahmensetzung ein:
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Forderung 1: Keine Strukturdebatte führen – Kindeswohl beachten
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Für Freie Demokraten gilt der Grundsatz: inklusive Regelbeschulung vor Sonderbeschulung. Die FDP spricht sich dafür aus, dass behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam aufwachsen. Integrative Kindertagesstätten erfreuen
sich bei Eltern und Kindern großer Beliebtheit. Oftmals sind es sogar die Eltern
von nicht-behinderten Kindern, die ihr Kind gern in eine integrative Kindertageseinrichtung schicken, weil sie um den besseren Personalschlüssel sowie therapeutisches Know-how wissen und sich für ihr Kind den Erwerb höherer Sozialkompetenz erhoffen. Mit dem ersten Schultag hat das gemeinsame Großwerden
vielfach ein Ende. Und beim Wechsel auf die weiterführende Schule zeigt sich,
dass ein Kind mit Behinderung nur dann seine Laufbahn an einer Regelschule
fortsetzen kann, wenn sich Lehrer/Lehrerinnen und Eltern dafür stark machen.
Die Wege trennen sich und diese Trennung erschwert, miteinander zu leben.
Sonderwelten für Menschen mit Behinderung sind die Konsequenz.
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Mittlerweile ist leider zu beobachten, dass die Diskussion um die Umsetzung der
UN- BRK an Schärfe zugenommen hat. Eine Strukturdebatte, die auf die Abschaffung der Förderschulen abzielt, versteht gemeinsame Beschulung als
Zwang und geht an den derzeitigen Realitäten vorbei. Zu beobachten ist, dass
z.B. die Zahl der Förderschüler/-innen eher zu- als abnimmt, insbesondere wenn
man Schülerinnen und Schüler mit emotional-sozialem Förderbedarf und Schülerinnen und Schüler mit Lernbehinderungen betrachtet. Für Freie Demokraten
steht das Wohl jedes einzelnen Kindes im Vordergrund. Daran hat sich die Wahl
zwischen Regel- und Förderschule zu orientieren. Deshalb sehen wir auch für
die Zukunft eine Notwendigkeit für den Fortbestand von Förderschulen. Besonders gut profitieren Schülerinnen und Schüler mit den Förderbedarfen Lernen
und emotional-soziale Entwicklung vom gemeinsamen Unterricht, sofern die Rah-
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menbedingungen erfüllt sind. Dazu gehören z.B. kleinere Klassen, qualifiziertes
Personal und die für das jeweilige Kind benötigte Förderung.
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Forderung 2: Personelle und finanzielle Ressourcen dürfen bei der Implementierung eines inklusiven Bildungssystems nicht aus den Augen verloren
werden.
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Unsere Schulen stehen vor zahlreichen Herausforderungen. Schulen sollen
heute Wissen und Werte vermitteln, in Grenzfällen defizitäre Erziehungsleistungen kompensieren und die Betreuung im Ganztagsbetrieb absichern. Die Zahl
der Schülerinnen und Schüler mit emotional-sozialem Förderbedarf steigt an. Zugleich wird die Forderung erhoben, Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichsten Behinderungsformen in Regelschulen zu unterrichten. Weder von ihrer
sächlichen noch baulichen und vor allem personellen Ausstattung her sind die
meisten Schulen in der Lage, gemeinsamen Unterricht für alle anzubieten. Der
flächendeckende Umbau von Schulgebäuden hin zu mehr Barrierefreiheit ist von
den Kommunen angesichts der schwierigen Finanzlage kaum zu realisieren. Barrierefreie Schwerpunktschulen bieten daher realistische Möglichkeiten.
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Bisher vermittelt auch die Lehrerausbildung keine umfassenden Kompetenzen
für den gemeinsamen Unterricht. In Förderschulen hingegen arbeitet pädagogisches und therapeutisches Personal, das durch seine spezielle heil- und sonderpädagogische Ausbildung besondere Kompetenzen in der Betreuung und Ausbildung von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung erworben hat, Hand in
Hand. Ein guter Unterricht zeichnet sich durch eine hohe Qualität an Didaktik, Erziehung und individueller Förderung aus. Wenn Regelschulen den Förderschulen
in nichts nachstehen, kann Inklusion besser gelingen.
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Wichtige Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen gemeinsamen Unterricht
sind kleinere Klassengrößen und das Zwei-Pädagogen-System. Verschiedene
Modelle haben sich bei der Zusammenstellung der Klassen bewährt.
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Je nach Förderbedarf und Anzahl der Schüler/Schülerinnen empfiehlt sich ein
Unterstützungsteam, welches sich aus Lehrerinnen/Lehrern, Sonder-/Heilpädagoginnen/-pädagogen und Assistentinnen/Assistenten zusammensetzt. Eine stärkere Kooperation der pädagogischen Disziplinen (Team-Teaching) ist notwendig. Die
unterschiedlichen Kompetenzbereiche müssen so aufeinander abgestimmt sein,
dass die Verantwortung für alle Schülerinnen/Schüler gewährleistet ist. Mit der
Spezialkompetenz der Sonderschullehrerinnen/-lehrer und dem Know-how der
Regelschullehrer erweitert sich das Methodenrepertoire. Die unterschiedliche Besoldung von Sonder- und Regelschullehrerinnen/-lehrern darf nicht dazu führen,
dass der Inklusionsprozess behindert wird.
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Forderung 3: Miteinander über das Kindeswohl entscheiden
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Die Regelschule soll für jedes Kind erste Anlaufstelle sein. Stellt sich sonderpädagogischer Förderbedarf heraus, sind Eltern und Lehrpersonal gemeinsam
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aufgefordert, eine für das Kind optimale Schule zu finden. Behinderungsformen
und umfangreicher Förderbedarf sind die Kriterien für die Entscheidung. Kinder
mit Wahrnehmungsstörungen, mit motorischen Auffälligkeiten und/oder mit Entwicklungsschwierigkeiten im emotional-sozialen Bereich müssen so früh wie
möglich spezifische Förderung erhalten. Sinnvoll ist ein präventives Vorgehen,
welches dem sonderpädagogischen Förderbedarf vorbeugen kann.
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Frühfördereinrichtungen und pädiatrische Zentren spielen eine wichtige Rolle.
Nicht aus den Augen verloren werden soll die Möglichkeit einer Rückschulung.
Hier müssen Regel- und Förderschule besser zusammenarbeiten, um die Rückschulungsquote zu erhöhen. Die Durchlässigkeit muss gewährt werden.
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Hörgeschädigte Kinder können an der Förderschule oftmals besser gefördert
werden, da dort die Gebärdenkultur stärker verankert ist. Außerdem wollen Gehörlose häufig mit anderen Gehörlosen gemeinsam lernen. Gebärdendolmetscher
machen den Unterricht aber auch an Regelschulen für gehörlose Schülerinnen
und Schüler möglich. Inklusion darf kein Zwang sein. Viele Eltern von Kindern
mit Behinderungen entscheiden sich bewusst für spezialisierte Schulen, um ihrem Kind eine bestmögliche Beschulung zu ermöglichen. Eltern sollen ein Wahlrecht haben! Das setzt voraus, dass sich die Bildungseinrichtungen in ihrem Angebot unterscheiden. Immer komplexere Störungsbilder sind zu verzeichnen. Sowohl Lehrerinnen und Lehrer als auch Schülerinnen und Schüler sollen vom gemeinsamen Lernen profitieren und nicht überfordert werden.
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Forderung 4: Eine inklusive Schule als langfristiges Ziel planen
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Voraussetzung dafür, dass so viele Schülerinnen und Schüler mit Behinderung
wie möglich die Regelschule besuchen können, ist, dass die Kompetenzen der
Heil- und Sonderpädagogik und der Integrationspädagogik/inklusiven Pädagogik
in die Lehrerausbildung mit einfließen. Schulgebäude müssen barrierefrei gestaltet werden. Dies braucht Zeit. Deshalb ist es sinnvoll, einen Zeitraum von zehn
bis 15 Jahren vorzusehen, um das Ziel eines inklusiven Schulsystems zu realisieren. Dabei kommt es auf das „Wie“ zur Erreichung dieses Ziels an. Ein Stufenplan zur Erreichung dieses Ziels ist sinnvoll. Förderschulen können sich zu
Regelschulen öffnen. Pädagoginnen und Pädagogen von Förderschulen können
an Regelschulen flexibel eingesetzt werden. Das fordert ihnen ein hohes Maß an
Flexibilität ab. Sie arbeiten als „Handlungsreisende in Sachen Inklusion“. Diese
beiden Möglichkeiten zeigen, dass umfangreiche Umwandlungsprozesse notwendig sind, die Zeit brauchen, damit eine inklusive Schule für möglichst alle zu einem Erfolgsmodell wird. Auf diesem Weg hin zur Realisierung eines inklusiven
Bildungssystems sollen Schulträgern und Schulen erhebliche Entscheidungskompetenzen eingeräumt werden. Inklusionspläne dürfen nicht zum Sparmodell werden. Bei allen Bemühungen um gute Bildung sollte nicht vergessen werden,
dass Behinderung nicht wegdiskutiert werden kann.
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Freie Demokraten wenden sich entschieden dagegen, dass die UN-BRK dafür
herhalten soll, Förderschulen zu schließen und alle Kinder gemeinsam zu unter-
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richten. Das ist aus dem Übereinkommen nicht herauszulesen. Inklusion darf
nicht als Einfallstor für die Einheitsschule missbraucht werden. Schule eignet
sich nicht als Experimentierfeld, weil hier fehlgeschlagene Versuchsanordnungen
fatale Folgen für Menschen und ihre Zukunftsgestaltung haben. Deshalb ist Augenmaß und Sinn für die Realitäten von Nöten. Wir wollen, dass so viele Kinder
wie möglich die Regelschule besuchen können. Vom gemeinsamen Lernen sollen alle Kinder unabhängig von ihren Voraussetzungen profitieren.
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Forderung 5: Gemeinsames Lernen soll Grundlage für gemeinsames Arbeiten werden.
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Das gemeinsame Lernen von Menschen mit und ohne Behinderung ist eine
wichtige Vorbereitung auf das Arbeitsleben. Bisher erreichen nur wenige Schülerinnen und Schüler an Förderschulen einen Schulabschluss. Der Übergang von
Schule und Beruf funktioniert nur unzureichend. Auf die Förderschulzeit folgen
häufig weitere Maßnahmen zur Qualifizierung. Viele Menschen mit Behinderung
wollen arbeiten. Sie wollen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und sie sind
motivierte und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn gemeinsames
Lernen selbstverständlicher wird, sind auch die Voraussetzungen für gemeinsames Arbeiten besser. Deshalb ist ein inklusives Bildungssystem bedeutsam für
einen Arbeitsmarkt, der auch Menschen mit Handicap Chancen gibt.
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Im Hinblick auf den Fachkräftebedarf ist es unerlässlich, junge Menschen zu
qualifizieren. Immer noch ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die in
Deutschland die Schule ohne Abschluss verlassen viel zu hoch. Vor allem Schüler/Schülerinnen der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen erreichen
selten einen Hauptschulabschluss (ca. 77 Prozent). Deutlich bessere Chancen
auf einen Hauptschulabschluss haben Schüler/Schülerinnen mit Lernbehinderung
an einer gut ausgestatteten Regelschule.
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An Berufsschulen ist Inklusion ebenfalls voranzutreiben. Auf die Bedürfnisse
von z.B. Menschen mit dem sonderpädagogischen Förderbedarf „Lernen“ sollte
stärker Rücksicht genommen werden, damit eine Berufstätigkeit auf dem ersten
Arbeitsmarkt erreicht werden kann. Eine voll sozialversicherunspflichtigeTätigkeit
auf dem ersten Arbeitsmarkt bringt auch eine Entlastung der Sozialkassen mit
sich.
Begründung:
Deutschland hat 2009 das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember
2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderung (BRK) ratifiziert.
In Artikel 24 (1) heißt es: „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit
Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der
Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein
integratives[1] Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen(2). Bei der
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Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass Menschen mit
Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem
ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von
Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom
Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden.“
Schulische Bildung in Deutschland fällt aufgrund der vom Grundgesetz garantierten
Kultushoheit in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. In der bildungspolitischen
Debatte ist eine Entwicklung zu beobachten, mehr bundeseinheitliche Standards zu
erreichen.
Bundeseinheitliche Grundsätze und Standards bei der Beschulung von Kindern mit
Behinderung sind sinnvoll und eine Voraussetzung dafür, die Teilhabe am Arbeitsleben
von Menschen mit Behinderung zu verbessern. Wenn mehr Menschen mit und ohne
Behinderung gemeinsam zur Schule gehen, wird auch ein Miteinander im Arbeitsleben
einfacher.
Es geht nicht allein darum, nationales Recht an eine UN-Konvention anzupassen. Es geht
darum, ein verändertes Verständnis gegenüber Menschen mit Behinderung zu entwickeln.
Das ist nicht allein Aufgabe des Gesetzgebers. Ein gesamtgesellschaftlicher Prozess ist
notwendig.
Der Begriff Inklusion markiert einen Paradigmenwechsel: Während noch bis in die 70er
Jahre des letzten Jahrhunderts hinein Behinderung als persönliches und funktionales
Defizit verstanden wurde, kennzeichnet das in der UN-Behindertenrechtskonvention (UNBRK) verwendete Schlagwort „Inklusion“ ein Umdenken. Danach hat sich nicht der
Mensch mit Behinderung an die Gesellschaft anzupassen, sondern die Gesellschaft stellt
Voraussetzungen her, die Behinderung für einen Menschen nicht zur Benachteiligung
werden lässt. Das hat zur Konsequenz, dass Sonderwelten und Sonderbehandlungen von
Menschen mit Behinderungen durch eine umfassende und selbstverständliche Teilhabe
ersetzt werden. Eine inklusive Gesellschaft wird in ihrer Gesamtheit davon profitieren,
wenn Unterstützung und Defizitausgleich z.B. direkt beim Menschen ansetzen und nicht
an Spezialinstitutionen gebunden sind. Ein inklusives Bildungssystem ist behutsam zu
entwickeln, da übergestülpte Veränderungen Gegenreaktionen auslösen und ein
selbstverständliches Miteinander von behinderten und nicht behinderten Menschen
beeinträchtigen könnten.
[1] In der deutschen Übersetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wurde der
englische Begriff „inclusive“ mit „integrativ“ übersetzt. Die englische Fassung, in der ein
„inclusive education system“ gefordert wird, ist völkerrechtlich bindend. Anzuwenden ist
daher der Begriff „inklusiv“.
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Antrag 318
Betr.:
Ergänzung Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz
Antragsteller: Landesverband Berlin
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die gesetzliche Fassung soll lauten:
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(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Ethnie, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, sexuellen Identität, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
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Die Landtagsfraktionen werden aufgefordert, in den jeweiligen Bundesländern initiativ zu werden.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 319
Betr.:
Ratifizierung der Istanbul-Konvention
Antragsteller: Bundesvorstand Liberale Frauen
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die Bundesregierung muss baldmöglichst die Istanbul-Konvention ratifizieren.
Begründung:
Das Übereinkommen schreibt vor, dass die Gleichstellung der Geschlechter in den
Verfassungen und Rechtssystemen der Unterzeichnerstaaten verankert sein muss und
sämtliche diskriminierenden Vorschriften abzuschaffen sind. Außerdem sollen
Hilfsangebote für Frauen verbessert und die Menschen über Bildungsangebote für das
Problem sensibilisiert werden.
Rund 25 Prozent der Frauen im Alter von 16-85 Jahren haben mindestens einmal in
Ihrem Leben körperliche und/ oder sexuelle Gewalt durch Beziehungspartnerinnen und
Beziehungspartner erlebt. Dies zeigte die Studie "Lebenssituation, Sicherheit und
Gesundheit von Frauen in Deutschland" aus dem Jahr 2004. Zu vergleichbaren
Ergebnissen für Deutschland kommt auch die im Jahr 2014 erschienene, repräsentative
Studie der Europäischen Grundrechtagentur zum Ausmaß von Gewalt gegen Frauen in
Europa.
Unterzeichnet wurde die Konvention am 11. Mai 2011 von dreizehn Mitgliedsstaaten des
Europarates in Istanbul. Ihre Einhaltung soll von einer Expertenkommission überwacht
werden, die Eiluntersuchungen vor Ort durchführen kann. Nach einer Ratifikation, die
noch aussteht wäre sie die zweite Konvention zum Schutz von Frauen gegen Gewalt mit
rechtlich bindender Wirkung. Das Übereinkommen wurde (Stand: August 2014) von 37
Staaten unterzeichnet und 14 ratifiziert, wodurch es am 1. August 2014 in Kraft trat. Unter
den ratifizierenden Staaten befanden sich Albanien, Andorra, Bosnien und Herzegowina,
Dänemark, Frankreich, Italien, Malta, Montenegro, Österreich, Portugal, Serbien,
Spanien, Schweden und Türkei. Deutschland hat den Vertrag am 11. Mai 2011
unterzeichnet, bisher aber noch nicht ratifiziert. Es ist eine Schande und ein
Armutszeugnis für die Bundesrepublik Deutschland, dass die Ratifizierung der Istanbul
Konvention bis zum heutigen Tage nicht erfolgt ist.
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Antrag 320
Betr.:
Technikoptimismus in einer freiheitlichen
Gesellschaftsordnung - Datenschutz neu denken,
Digitalisierung Raum geben
Antragsteller: Landesverband Hessen, Wolfgang Greilich (LV Hessen), Dr.
h.c. Jörg-Uwe Hahn (LV Hessen), Jascha Hausmann (LV
Hessen), Nicola Beer (LV Hessen), Hans-Joachim Otto (LV
Hessen)
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Präambel: Daten und technischen Fortschritt als Diener und
Chance des Bürgers verstehen
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Die digitale Revolution hat die Welt verändert. Die digitale Entwicklung übertrifft
in Auswirkungen und Geschwindigkeit alle bisher dagewesenen technischen Fortschritte. Neue Möglichkeiten der digitalen Kommunikation prägen den Alltag des
Menschen sowohl im privaten wie im gesellschaftlichen Bereich. Die wirtschaftlichen Beziehungen und die Betätigung der Bürgerinnen und Bürger werden
grundlegend umgestaltet. Nicht zuletzt ändert sich das Verhältnis zwischen Staat
und Bürger. In diesen Zeiten, in denen sich die Digitalisierung der Gesellschaftauf
einem Vormarsch befindet, der weder umkehrbar ist noch aufgehalten werden sollte, müssen auch der Datenschutz und dessen Instrumente mit der Zeit
gehen.
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In einer funktionierenden digitalisierten Gesellschaft, in der jeder Einzelne den
für die Verbesserung seiner Lebensqualität größtmöglichen Nutzen aus den bestehenden technischen Möglichkeiten ziehen kann, müssen personenbezogene Daten
als persönliches Eigentum des Bürgers verstanden werden, der demgemäß die alleinige Hoheit über seine Daten hat. Dies ist Ausfluss der aus dem
Gedanken der Selbstbestimmung folgenden Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, wie es spätestens seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes in Form des Grundrechts auf informationelle
Selbstbestimmung anerkannt ist[1]. Zur Gewährleistung der Hoheit des Bürgers
über seine Daten ist absolute Transparenz dahingehend erforderlich, wer wann
und warum auf Daten zugreift. Soweit der Bürger nicht selbst entscheidet, wem
er Zugriffsrechte einräumt, muss er die Kontrolle darüber behalten, welche staatlichen oder privaten Stellen auf seine Daten zugreifen, sie verwenden und ob
dabei die rechtlich bestimmten Rahmenbedingungen eingehalten wurden. Nur
diese Transparenz gewährleistet, dass letztlich Verstöße gegen rechtliche Be-
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stimmungen gegebenenfalls strafrechtlich, vor allem aber durch den einzelnen
Bürger selbst geahndet werden können.
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Über dieses Eigentum und die damit verbundene Verfügungsgewalt der Bürgerinnen und Bürger über ihre persönlichen Daten hinaus besteht jedoch ein weitergehender, unveräußerlicher Kern des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung, der sich als allgemeines Persönlichkeitsrecht ebenso aus dem Freiheitsgrundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 und der Garantie der Menschenwürde in
Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes ergibt. Dieser Kern der informationellen
Selbstbestimmung greift unweigerlich über den Warenwert von Daten hinaus. Ein
vollständiger Verzicht auf die Selbstbestimmung bezüglich der Verwendung
höchstpersönlicher Daten, der die Nutzung umfassend in die Entscheidungsgewalt eines Dritten stellt, ist für uns Freie Demokraten daher denklogisch ausgeschlossen[2]. Der Staat hat in einer digitalisierten Gesellschaft zu gewährleisten,
dass dieser unveräußerliche Kernbereich des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung von niemandem zur Disposition gestellt werden kann und ein effektiver Schutz vor Nutzung persönlicher Daten gegen den Willen des Bürgers erfolgt. Staatliche Aufgabe ist es demnach, Gewähr dafür zu leisten, dass einerseits die technischen Voraussetzungen für eine sichere Kommunikationsstruktur sowie die technischen Grundlagen geschaffen werden und andererseits
selbst die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie den Rechtschutz so zu organisieren, dass die Freiheitsrechte der Bürger nicht auf der Strecke bleiben.
Denn jeder Bürger muss in einem freiheitlich-demokratischen Staat den technischen Fortschritt für sich nutzbar machen und sich gleichzeitig gegen jeden
Missbrauch erfolgreich zur Wehr setzen können.
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Die großen Chancen, sich die modernen Technologien gerade im Sinne größtmöglicher individueller Freiheit, Kreativität und Selbstverwirklichung nutzbar zu
machen, werden - im Gegensatz zu anderen Ländern - in Deutschland noch
nicht ausreichend genutzt. Grund sind einerseits Ängste vieler Menschen vor der
Schaffung eines „gläsernen Bürgers“: Bereits heute werden eine Vielzahl von
vermeintlich harmlosen Einzeldaten erfasst. Die stetige Fortentwicklung von „big
data“ und die weitere Verbreitung des „Internets der Dinge“ werden dazu führen,
dass die isoliert betrachtet bedeutungslosen Datensätze im Kontext mit anderen
Daten immer detailliertere Rückschlüsse auf Nutzerverhalten zulassen und dadurch zunehmend wertvoller für Dritte werden. Auf diese Entwicklung bietet der
Datenschutz noch keine befriedigenden Antworten. Parallel dazu ist ein massives
staatliches Versagen zu beklagen: Weder hat es der Staat in Deutschland vermocht, die Hoheit seiner Bürger über ihre Daten zu gewährleisten und vor dem
Zugriff Unbefugter wie der NSA oder auch privat organisierter Datenkraken wie
Facebook, Google usw. effektiv zu schützen, noch hat er die notwendige sichere
Dateninfrastruktur geschaffen, um Vertrauen der Nutzer zu gewinnen und damit
den Weg in eine moderne und freiheitliche Kommunikationsgesellschaft zu bereiten.
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Statt ob dieser Entwicklungen zu resignieren, wollen wir Freie Demokraten den
in Deutschland vorherrschenden generellen Skeptizismus durch eine grundsätzlich optimistische und realistische Herangehensweise ersetzen. Es bestehen
mannigfaltige Möglichkeiten, die Lebenswelt der Menschen erheblich zu verbessern und komfortabler zu gestalten: Mit den Mitteln der Technik kann die Sicherheit, etwa im Bereich der Verkehrslenkung, erhöht werden; die Effizienz
staatlichen Handelns kann, ohne dass dadurch Freiheitsrechte der Bürger beschnitten werden, exponentiell gesteigert werden; im Gesundheitswesen besteht
die Möglichkeit erheblicher Qualitätsverbesserung bei gleichzeitiger Bekämpfung
der Kostenexplosion; Unternehmen, gerade auch solche des Mittelstands und
klassischer Branchen, können innovative Geschäftsmodelle entwickeln und über
neue Wege Umsätze generieren, nicht nur regional, oft auch weltweit. Dies setzt
die angestrebte optimistische Einstellung zu technischen Möglichkeiten und die
Neuorientierung der Diskussion an dem Ziel der Nutzbarmachung des technischen Fortschritts ebenso voraus wie die Auflösung des Schismas aus Bürgerrechtsschutz und Fortschrittsorientierung. Erforderlich ist ein klares Bekenntnis
zu Fortschritt und Technik unter gleichzeitiger Wahrung der Freiheitsrechtejedes
Einzelnen.
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Die Freien Demokraten treten deshalb ein für eine liberale Politik, welche die
technische Revolution dem Menschen Untertan macht und dabei die Möglichkeiten nutzt, die neue Technologien bieten. Wir bekennen uns zu der Erkenntnis,
dass neue Technologien auch neue Freiheiten schaffen. Insofern erstarren wir
nicht in Resignation angesichts der Tatsache, dass technische Veränderungsprozesse sowieso nicht aufgehalten werden können. Vielmehr bekennen wir uns
zur konsequenten Weiterentwicklung und Nutzung der neuen Technologien, gerade zur Schaffung neuer Freiheiten für jeden Einzelnen.
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Das ist die Freiheit, die wir meinen.
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A. Bestandsaufnahme - Digitalisierungs-Entwicklungsland
Deutschland
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Gerade im Vergleich zu Ländern des Baltikums, Skandinaviens oder Fernost
hinkt Deutschland bei der Nutzung von Chancen der Digitalisierung, der Schaffung der notwendigen Infrastruktur und der Entwicklung eines modernen rechtlichen Rahmens hinterher.
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Die amtierende Bundesregierung hat hierauf mit ihrer „Digitalen Agenda
2014-2017“[3] reagiert, die zwar einige richtige Absichtserklärungen beinhaltet,
jedoch keine echten Visionen enthält. Das Ziel, eine „ Vorreiterrolle bei der
Durchdringung und Nutzung digitaler Dienste einzunehmen“, ist unterstützenswert, kann aber mit dieser Politik der kleinen Schritte der Großen Koalition nicht
erreicht werden. Die stattfindende und dringend gebotene Auseinandersetzung
mit der digitalen Revolution wird mit der Bundesregierung und den sie tragenden
Fraktionen nicht gelingen. Die Freien Demokraten positionieren sich im Spektrum
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des politischen Diskurses stets als technologieoffene und fortschrittsgewandte
Partei. Dort jedoch, wo durch Einsatz technischer Mittel in unverhältnismäßiger
Weise durch den deutschen Staat (wie bei der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung), ausländische Mächte (Stichwort Geheimdienstaffäre um NSA und GCHQ)
oder durch Private (bspw. die widerrechtliche Nutzung von Big Data) in das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Bürger eingegriffen worden ist,
hat die FDP stets klar Position bezogen. Die bisherige Verhinderung der Einführung einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ist Ergebnis dessen und stellt einen großen Erfolg für die Bürgerrechte in unserem Land
dar.
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Auf die Fortentwicklung der Digitalisierung in Deutschland haben jedoch insbesondere die Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre, das dem Themenkomplex Digitalisierung immanente Spannungsverhältnis mit dem hohen Gut des
Schutzes persönlicher Daten sowie das massive Versagen der staatlichen Stellen
im Umgang mit den Attacken ausländischer Geheimdienste auf die Integrität des
Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung dazu geführt, dass auch die FDP
die Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung zeitweise aus dem Fokus verloren hat. Auch wir Freie Demokraten haben Risiken zu stark betont und die
neuen Freiheiten, die aus der Digitalisierung entstehen, vernachlässigt.
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Diesem deutschen Zeitgeist geschuldet hat unser Land die Möglichkeiten, welche den Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen des technischen Fortschrittes
mehr Komfort und Lebensqualität gebracht, die Verwaltung entlastet und entbürokratisiert sowie einen Quantensprung in der Schulbildung ermöglicht hätten, bislang weitestgehend verschlafen und droht mit dem vorherrschenden Phlegmatismus gar, den Anschluss gänzlich zu verlieren.
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B. Technischen Fortschritt als Chance begreifen – Möglichkeiten der Digitalisierung für die Bürger nutzbar machen
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Freie Demokraten begreifen die Digitalisierung nicht in erster Linie als Risiko,
sondern als Chance. Denn die Möglichkeiten durch eine echte, gelebte digitale
Agenda sind für Bürger und Unternehmen, aber auch zur Effizienzsteigerung
staatlicher Institutionen, schier endlos, wie sich anhand eines exemplarischen
Überblicks quer durch alle Bereiche des täglichen Lebens skizzieren lässt:
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Die kommenden Generationen wachsen in eine zunehmend technisierte
und digitalisierte Gesellschaft hinein, die in Deutschland für den weit überwiegenden Teil junger Menschen derzeit an der Schultüre endet. Während
zu Hause der Umgang mit Computer, Smartphone und Tablet spielerisch
erlernt wird und selbstverständlich ist, bestimmen in den staatlichen Bildungseinrichtungen weiterhin Bücherstapel und Kreidetafeln das Bild. Dabei
sind die Möglichkeiten interaktiven Lernens oder der Komfortgewinn, wenn
beispielsweise statt Büchern Tablet-PCs Anwendung finden, immens. Das
vernetzte, digitale Klassenzimmer
ist längst keine Science Fiction mehr.
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Hausaufgaben können online gestellt, Noten und Mitteilungen an die Eltern
von den Lehrkräften digital übermittelt und die Darreichungsform für Lerninhalte verbessert sowie die Unterrichtsorganisation für Lehrerinnen und Lehrer massiv erleichtert werden. Eine weitestgehende Entbürokratisierung der
Bildungseinrichtung Schule ist durch die Digitalisierung in greifbare Nähe
gerückt. Gleichzeitig kann eine Qualitätssteigerung in der Wissens- und
Kompetenzvermittlung erreicht werden. Das Schulbuch 2.0 hat einen digitalen Mehrwert: Digital aufbereitete Unterrichtsmaterialien könnten nicht nur
das Gewicht des Schulranzen reduzieren, sondern durch die Ergänzung mit
weiterführenden Film- oder Tondokumenten sowie Links Inhalte vertiefen
und spannender gestalten. Per Webcam können interessante Gesprächspartner oder externe Experten, von den Austauschschülern der Partnerschule bis zu Praktikern aus Beruf und Wissenschaft, am Unterricht von
überall auf der Welt aus teilnehmen. Klar ist jedoch auch, dass die digitalen Angebote nur eine Ergänzung des Handwerkszeuges kompetenter Pädagogen sein können.
Im Bereich der Ausbildung und des Studiums liegen weitere Potentiale:
Die Einführung (dualer) Studiengänge für die digitale Wirtschaft sowie die
Schaffung von E-Entrepreneurship-Lehrstühlen bieten Chancen in neuen
Geschäftsfeldern und treiben diese Entwicklung selbst qualitätsvoll voran.
Gerade für den Mittelstand bieten sich so Partner sowohl für das benötigte
Fachpersonal als auch für die Weiterentwicklung der eigenen Geschäftsmodelle.
Während in der Bundesrepublik die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, die zum 01. Januar 2015 verpflichtend erfolgt ist, heftig
umstritten war und ist, bleibt die geplante elektronische Patientenakte in
Deutschland bis auf weiteres Zukunftsmusik. Dabei könnte der eigenverantwortliche Patient längst Realität sein. Wir Freie Demokraten stellen uns vor,
dass der Patient bald die volle Kontrolle über seine gesamten Gesundheitsdaten selbst ausüben kann. Der Bürger entscheidet über seine persönlichen Datenschutzeinstellungen und damit darüber, wer Zugriff auf seine
Daten hat, wer diese wann und in welchem Umfang einsehen kann. Nur er
selbst kann die eigenen medizinischen Daten jederzeit und vollständig einsehen. Befunde, Röntgenbilder und Untersuchungsergebnisse gehören in
diesem System alleine den Patienten, nicht dem jeweils behandelnden
Arzt. Alle Gesundheitsdaten müssen zentral auf einem Server von allen
behandelnden Ärzten bereitgestellt und dürfen nur dort gespeichert werden. Der Bürger soll darüber hinaus - wenn er die grundsätzliche Freigabe
zur Akteneinsicht an behandelnde Ärzte und Pflegepersonal erteilt hat - im
Gegensatz zur klassischen Krankenakte auch Kontrolle darüber haben, wer
tatsächlich in seine Gesundheitsdaten Einsicht genommen hat: Jeder
Log-In in das System und jeder Abruf von Daten ist nur mit persönlicher
Identifikation der abfragenden Person, sei es ärztliches Personal, die Krankenschwester, der Pfleger oder wer auch immer, möglich und wird für den
Betroffenen mit einem Klick auf seiner persönlichen Übersichtseite sichtbar.
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Dadurch wird der Missbrauch von Daten einfach nachvollziehbar und kann
sofort zivilrechtliche oder strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Überflüssige Mehrfachuntersuchungen, die gezielt über das Einholen einer
„Zweiten Meinung“ hinausgehen und die unnötige Wiederholung teurer Diagnosemethoden durch Ärzte werden in diesem System nahezu vollständig
obsolet. Dies entlastet die Patienten, aber auch das System, von Kosten.
Unterschiedliche Datensätze aus verschiedenen Arztpraxen, die nicht kompatibel sind und umformatiert werden müssen, gehören durch die standardisierte Datenerfassung der Vergangenheit an. Alle Gesundheitsdaten werden so von Geburt an zentral geführt und können im Notfall schnell abgerufen werden - gegebenenfalls sogar schon digital im Krankenwagen. Vorerkrankungen oder Allergien werden so schneller erkannt – denn wenige
Sekunden können Leben retten. Und auch die Qualität der Behandlung
lässt sich steigern:
E-Health-Systeme ermöglichen zum Beispiel, Patientendaten weltweit von den besten Ärzten auswerten zu lassen, um eine
zweite Meinung zu erhalten. Operationen können unter Verwendung von
3D-Visualisierung der zu operierenden Körperteile oder Organe von Teams
vorgenommen werden, die ortsunabhängig je nach Lage des Falles und
der Hinzuziehung von spezieller Expertise zusammengestellt werden. Spezielle Computerprogramme können etwa Röntgenbilder weit exakter auf
Krankheitsanzeichen analysieren als das menschliche Auge. Dies zeigt: Die
nur zögerlich umgesetzten digitalen Funktionen der elektronischen Gesundheitskarte sind nur winzige Schritte gegenüber den Möglichkeiten der digitalen Patientenakte und der umfassenden Nutzung von E-Health-Systemen.
Bei alldem ist für uns Freie Demokraten klar, dass diese Daten nicht dem
Zugriff der Krankenversicherungen ausgesetzt sein dürfen. Deshalb ist
es unzulässig, dass Versicherungen Befunde und Gesundheitsdaten, die
auf die Lebensgestaltung der Patienten Rückschlüsse zulassen oder gar
ein umfassendes Bild von der Veranlagung und den Krankheitsrisiken ergeben, für sich nutzbar machen, um daran ihre Tarifgestaltung auszurichten.
Das viel bemühte „e-Government“ steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Dabei sind digitale Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung nicht nur ein Komfortgewinn für jeden einzelnen Bürger und ein echter, im internationalen Vergleich zunehmend entscheidender, Standortfaktor
für Unternehmen. Unser Ziel ist es, dass alle Behördengänge wie An- oder
Ummeldungen von Kraftfahrzeugen, Gründungen von Vereinen, Wohnortwechsel usw. online erledigt werden können. Hierzu gehört ausdrücklich
auch eine vorausgefüllte Steuererklärung, die von den Bürgern nur ob ihrer
Vollständigkeit überprüft werden muss. Ausnahme bilden hierbei lediglich
höchstpersönliche Rechtgeschäfte wie die Eheschließung.
Durch die umfassende Nutzung digitaler Signaturen, die in Deutschland
derzeit vor allem für die Dokumentenübermittlung im Rechtsverkehr mittels
elektronischer Signaturen eingesetzt werden, können nicht nur Formulare
unterzeichnet, sondern auch digitale Verträge zwischen Privaten rechtsverbindlich geschlossen werden. Dies kann auch in geschlossenen Nutzer-
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kreisen organisiert werden, wie es bereits bei der Anwalts- und Justizkommunikation durch Anwendungen wie „X-Notar“ oder dem elektronischen
Gerichtspostfach möglich ist. Behördengänge bis hin zu Firmen- und Gesellschaftsgründungen können so in Minuten von zu Hause, dem Konferenztisch oder von unterwegs aus erledigt werden. Langfristiges Ziel sollte
es sein, die bestehenden Bemühungen um die Einführung einer internationalen elektronischen Signatur soweit voranzutreiben, dass die Verbindlichkeit im Rechtsverkehr allgemein anerkannt ist. Als nächsten logischen
Schritt wollen die Freien Demokraten eine umfassende europäische Harmonisierung des Rechtsrahmens erreichen, die durch die Vorgaben der bestehenden Signaturrichtlinie noch immer nicht gibt.
Mittelfristiges Ziel muss es sein, den digitalen Informationszugang in
Deutschland zu revolutionieren: Sämtliche Informationen, die bei staatlichen
Stellen auf Grund gesetzlicher Ansprüche abgerufen werden können, sollten auch digital abrufbar sein. Dies ist nicht nur eine massive Erleichterung
für diejenigen, die um Auskunft ersuchen, sondern auch für die Verwaltung.
Durch die digitale Nutzbarmachung ohnehin öffentlicher Daten, von Behördenakten und Datenbanken wie die Eintragungen im Grundbuchamt, Melderegisterauskünfte, aber auch die umfassende Bereitstellung öffentlicher
Dokumente, wie derzeit beispielsweise im Rahmen des GovData-Portals
des Bundes[4] bereits begonnen, werden viele Behördengänge und damit
verbundener Verwaltungsaufwand obsolet. Das bestehende Nebeneinander
hunderter Informationsportale, die Gemeinden, Kreise, Länder- und Bundesbehörden parallel betreiben und das weder kosteneffizient noch benutzerfreundlich ist, kann damit der Vergangenheit angehören.
Die Freien Demokraten sprechen sich zudem für die Einführung einese-Voting
Systems
aus.
Als
zusätzliche
Möglichkeit
neben
der
„klassischen“ Stimmabgabe im Wahllokal oder per Brief sollen auch die Online-Abstimmung bei Abstimmungen oder Bürgerentscheiden sowie die Initiierung von Petitionen möglich werden. Auf diese Weise ergeben sich auch
völlig neue, einfachere Möglichkeiten der kommunalen Bürgerbeteiligung,
auch etwa im Bereich von Bürgerhaushalten. Bürger sollen von überall auf
der Welt und jederzeit ihre demokratischen Rechte wahrnehmen können.
Unter strenger Wahrung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben zur elektronischen Stimmabgabe[5] können wir uns grundsätzlich auch die Einführung von Online-Wahlen auf Landes- und Bundesebene vorstellen, wenn
diese technisch umsetzbar sind.
Das derzeit in der Umsetzungsphase befindliche europäische eCall-System oder die sogenannte „Car-to-X-Communication“ bieten für den Verkehr ein großes Maß an Sicherheitsgewinn. Entscheidend ist auch hier,
dass der Bürger Herr darüber bleibt, ob das System Daten erfasst und
übermittelt, welche Daten aufgezeichnet werden und wer auf diese zugreifen kann. Aus diesem Grund muss das System einfach und vollständig
durch den jeweiligen Fahrer des Fahrzeugs zu jeder Zeit abschaltbar sein.
Ein Zugriff von Versicherungen, Behörden oder anderen Institutionen auf
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die Benutzerdaten, aus denen sich ein vollständiges Bewegungs- und Persönlichkeitsprofil konstruieren ließe, muss ausgeschlossen bleiben.
Wenn die Polizei künftig für die Überprüfung eines Fahrzeuges dieses
nicht mehr zwingend stoppen muss, sondern durch die technische Ausstattung der Einsatzfahrzeuge beispielsweise mit Tablets digital die wichtigsten
Informationen wie Fahrzeugdaten, Strafregister des Halters etc. abrufen
kann, können Verkehrskontrollen auf die Sachverhalte beschränkt werden, die sonstige Gründe wie das Fahrverhalten oder die Fahrtüchtigkeit
des Fahrers betreffen. Dies effektiviert die Polizeiarbeit erheblich und stellt
dabei sogar einen geringeren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar, als
das zwangsweise Anhalten des Fahrzeugs. Wenn jeder digitale Abruf von
Halterdaten eine digitale Spur in einer Logdatei des Halters hinterlässt,
weiß dieser, wann, wo und von wem er überprüft worden ist und kann bei
Missbrauch rechtliche Konsequenzen einleiten.
Die Entwicklung selbstfahrender Fahrzeuge wird in naher Zukunft eine
weitere Individualisierung von Mobilität mit sich bringen. Wo heute staatliche Verwaltungen noch über Personenförderungsgenehmigungen wachen,
wird zukünftig nicht einmal mehr ein Führerschein benötigt, um sich im
selbstfahrenden Fahrzeug bequem von A nach B transportieren zu lassen und zwar zum gewünschten Zeitpunkt von Haustür zu Haustür. Damit können die immensen Kosten des Personennahverkehrs drastisch reduziert
und die Nutzerfreundlichkeit erheblich gesteigert werden - gefahren wird
nur noch, wenn und wo tatsächliche Nachfrage besteht. Dies ist völlig flexibel abrufbar, sowohl im Hinblick auf Zeitpunkt und Ort als auch Größe
des benötigten Fahrzeuges. Ländliche Regionen sind ebenso effektiv anschließbar wie städtische Bereiche. Unnötiger Verkehr oft nahezu leerer
Busse und Bahnen wird reduziert. Die Telematikverbindung mit der aktuellen Verkehrslage ermöglicht zudem die passgenaue Lenkung von Verkehren, dies vermeidet Stau und bringt Personen wie Fracht schneller ans Ziel.
Die begrenzt vorhandene Infrastruktur wird dergestalt effizienter genutzt.
All diejenigen digitalen Dienstleistungen privatrechtlicher wie öffentlicher
Natur und Informationszugangsrechte, die nicht den Kernbereich staatsbürgerlicher Rechte wie das Wahlrecht betreffen, sollen im Rahmen einer „ digitalen Einwohnerschaft“ nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern mit deutscher Staatsbürgerschaft, sondern allen Personen zur Verfügung stehen,
die am Rechtsverkehr teilnehmen wollen. So könnte beispielsweise auch
die Gründung von Gesellschaften, der Abschluss von Verträgen nach deutschem Recht und der Behördenkontakt von Ausländern ermöglicht und damit die Attraktivität des Standortes Deutschland weiter gesteigert werden.
Diese Möglichkeiten stellen nur einen Bruchteil dessen dar, was in anderen Ländern bereits Realität ist und auch in Deutschland mit dem Willen, fortschrittsfreundlich und technologieoffen Lösungen für Konflikt- und Grenzbereiche zu
entwickeln, möglich wäre. Letztlich bietet die Digitalisierung enorme Chancen für
mehr individuelle Freiheit, mannigfaltige Möglichkeiten für die Effizienzsteigerung
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staatlichen Handelns und zur Entwicklung des Staates hin zu einem Dienstleister
für die Bürgerinnen und Bürger.
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C. Technische, datenschutzrechtliche und infrastrukturelle
Rahmenbedingungen für Digitalisierung schaffen - Meine Daten gehören mir!
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Mit der Erkenntnis, dass die Digitalisierung eine Fülle von Verbesserungen an
Freiheit und Komfort, an Lebensqualität und an Sicherheit für die Bürger bietet,
hat der Staat besonders sorgfältig das zu besorgen, was seine vordringliche
Aufgabe ist: Einerseits die tatsächlichen und technischen Rahmenbedingungen
zu schaffen, damit jedermann an der Entwicklung teilhaben kann, und anderseits
den rechtlichen Rahmen zu gestalten, um den Nutzer vor Missbrauch zu schützen und etwaige Rechtsverletzungen effektiv verfolgen und gegebenenfalls ahnden zu können.
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1. Technischen Grundstein für Digitalisierung legen: Ein Bürgerportal
für alle Anwendungen
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Die Nutzung der digitalen Dienstleistungen des Staates sowie die Kontrolle der
anfallenden Daten oder das Abrufen staatlicher Informationen erfordert einen
möglichst einfachen, intuitiven und zentralen Zugang, der allen Bürgern gleichermaßen zur Verfügung stehen muss. Hierzu ist ein Online-Bürgerportal zu
schaffen, von dem aus der Nutzer auf alle digitalen Dienstleistungen zentral zugreifen kann – hier kann er seine persönlichen Daten verwalten, Anträge stellen,
Steuererklärungen abgeben und Datenschutzeinstellungen, wie etwa die Zugriffsberechtigung von Ärzten auf Gesundheitsdaten, vornehmen. Die Daten des privaten sowie öffentlichen Bereichs bleiben dabei dezentral auf voneinander unabhängigen Servern mit jeweils spezifischen Zugangsberechtigungen der entsprechenden öffentlichen Stelle oder der Verwaltungseinheit gespeichert.
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Durch die Möglichkeit, auch private digitale Dienstleistungen in das System
zu integrieren – wie beispielsweise Online-Banking-Accounts, Verkehrsdienstleistungen wie Bahn- oder Flugtickets oder Einkaufsportale – werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass eine höhere Legitimationskontrolle bei Rechtsgeschäften aller Art bezüglich des Nutzers erfolgt und diese dabei sicherer gegenüber Ausspähung von Zugangsdaten werden. Darüber hinaus kann das Erstellen
und Merken unzähliger Passworte, Benutzernamen und Zugangsdaten der Vergangenheit angehören. E-Payment- und e-Commerce-Angebote gewinnen so erheblich an Sicherheit und Komfort.
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Unabdingbar bei systematischer Nutzung höchstpersönlicher Daten in einem
derart umfangreichen Maße ist, das die Sicherheit des Server-Systems stets
auf dem absolut neuesten Stand der Technik sein muss. Insbesondere zentral
gespeicherte Gesundheitsdaten aller Bürgerinnen und Bürger, Zugangsdaten zu
Bereichen der Finanzdienstleistung oder dem Online-Shopping bieten eine reiz-
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volle Angriffsfläche für kriminelle Betätigung. Daher ist es staatliche Aufgabe von
höchster Priorität, die digitale Infrastruktur effektiv zu schützen. Dies schließt vor
allem aus, dass sensible Daten durch diejenigen, welche die technische Infrastruktur bereitstellen, außerhalb der physischen Zugriffsmöglichkeit des deutschen Staates auf Servern im Ausland gespeichert werden. Die entsprechende
Infrastruktur ist durch Unternehmen in Deutschland in Kooperation mit den für die
Sicherheit der Kommunikationsstruktur zuständigen staatlichen Stellen unter denselben sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen zu schaffen, wie dies beispielsweise für die Goldreserven der Bundesbank gilt. Die Weiterentwicklung von
Verschlüsselungstechnologien, der Sicherheit von Speichersystemen und von
qualifizierten Zugriffs- und Berechtigungslogiken muss hierzu stärker vorangetrieben werden.
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Die ungleich größere Gefahr für die Datensicherheit geht jedoch zweifelsohne
von Cyberangriffen bei der Datenübertragung aus. Wir Freie Demokraten geben uns nicht der Illusion hin, dass es hierbei aus technischer Sicht eine hundertprozentige Daten und IT-Sicherheit geben kann. Insbesondere bei der Kommunikationssicherheit sind eine obligatorische Nutzung der bestehenden Verschlüsselungstechnologien und deren technische Fortentwicklung wichtige Bausteine, um zumindest technisch niederschwelligen kriminellen Angriffen wirksam
zu begegnen. Dazu können bei cloud-Systemen Server mit Verschlüsselungstechnologie zwischengeschaltet (sogenannte „Omni-cloud-Lösungen“) und generell komplexe Systeme mit kryptographischen Protokollen eingesetzt und fortentwickelt werden, um die Datensicherheit bei der Übertragung zu erhöhen.
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Durch die Ausschöpfung aller zur Verfügung stehender technischer Mittel, die
Stärkung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI)
sowie den Ausbau der Förderung von Spitzenforschung im Bereich der IT-Sicherheit, wie beispielsweise in dem europaweit führenden Fraunhofer Institute for Secure Information Technology (SIT) in Darmstadt, kann erreicht werden, dass ein
erfolgreicher Angriff auf die IT-Infrastruktur auf Grund des enormen personellen
wie finanziellen Aufwandes sowohl für Unternehmen, kriminelle Organisationen
als auch für ausländische Mächte schon rein wirtschaftlich unmöglich bzw. politisch nicht mehr darstellbar ist. Die Nutzbarmachung der Möglichkeiten einer digitalisierten Gesellschaft für die Bürgerinnen und Bürger ist es wert, die hiermit
verbundenen, notwendigen finanziellen Mehraufwendungen zu tätigen, um den
Schutz höchstpersönlicher Daten in diesem unabdingbar hohen Maße zu gewährleisten.
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2. Zugang sicher und nutzerfreundlich gestalten: Eine Karte als
Schlüssel zur digitalen Welt
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In Anlehnung an das erfolgreiche estnische Modell[6] zur Schaffung des bestmöglichen Datenschutzes bei der Digitalisierung der Gesellschaft ist ein weiterer
wesentlicher Grundbaustein die Ausweitung der elektronischen Funktionen des
deutschen Personalausweises (nPA)[7]. Dieser wird zu einer ID-Karte fortentwi-
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ckelt, die nicht nur der Identifikation, sondern generell als Zugangsmittel zu dem
zentralen digitalen Bürgerportal dient. Die technischen Voraussetzungen sind
durch den elektronischen Personalausweis im Wesentlichen bereits vorhanden;
die Umsetzung über viele Einzellösungen ist jedoch weder bürgerfreundlich noch
werden die Möglichkeiten auch nur im Entferntesten ausgeschöpft. Insbesondere
sind – abgesehen von der Authentifizierung bei einigen Versicherungen oder wenigen Banken sowie überschaubaren Behördengängen – bislang keine weitergehenden elektronischen Dienste im Rechtsverkehr möglich.
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Die neue ID-Karte dient nicht nur der Identifikation bei Zugriff auf eigene oder
von Seiten des Staates zur Verfügung gestellteDaten über das Bürgerportal, von
dem aus der Bürger auf die Server der einzelnen Behörden, Dienstleister oder
anderer öffentlicher Stellen zugreifen kann, sondern soll auch dann erforderlich
sein, wenn ein Bediensteter, Beamter oder Arzt im Rahmen seiner Berufsausübung oder dienstlichen Tätigkeit auf fremdeDaten, bezüglich derer er eine Zugriffsberechtigung hat, tatsächlich zugreift. Denn Voraussetzung für eine umfassende Herrschaft des Bürgers über seine eigenen Daten sowie die Datensicherheit ist ein System, in dem der Zugriff auf persönliche Informationen nicht ohne
die Identifikation des Zugreifenden durch den Betroffenen möglich ist.
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Das bedeutet beispielsweise: Ein Arzt kann sich die für ihn freigeschalteten Patientendaten zwar jederzeit und von überall anschauen, jedoch nur, sofern er sich
mit seiner persönlichen ID-Karte in dem System anmeldet. Jeder Datenzugriff eines berechtigten Dritten wird zudem mit einem für den Betroffenen nachvollziehbaren Registereintrag (Logdatei) hinterlegt. Somit weiß der Bürger nicht nur, dass
auf seine Daten zugegriffen worden ist, sondern auch wann und von wem. Ungerechtfertigte und damit widerrechtliche Zugriffe auf sensible Patienteninformationen, wie im tragischen Fall der Studentin Tugce Albayrak oder auf persönliche
Steuerdaten, wie sie beispielsweise im Fall Uli Hoeneß möglich waren, weil eine
Vielzahl von Personen unkontrollierten Zugriff auf die Datenbanken hatten, wären
in diesem System jedem Täter individuell und mit einem äußerst hohen Maß an
Wahrscheinlichkeit nachweisbar.
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Dies birgt auch erhebliche Verbesserungen der eigenen Kontrolle des Bürgers
bezüglich materiell ungerechtfertigter Datenzugriffe in Bereichen, in denen er gegenüber formell berechtigten Personengruppen derzeit keine Schutzmöglichkeiten
hat: Bei einer Einsichtnahme in das Grundbuch durch einen formell Berechtigten,
der tatsächlich jedoch kein nachweisbares berechtigtes Interesse vorweisen
kann, würde künftig im Gegensatz zu heute der Abruf für jeden Eigentümer abrufbar protokolliert. Während die Entdeckung von Missbräuchen derzeit noch oft
vom Zufall abhängt, hätte es der Eigentümer hier selbst in der Hand, zu kontrollieren, wer wann auf seine Grundbuchdaten zugreift und gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten.
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Um die Sicherheit der ID-Karte zu gewährleisten, sollte der Zugriff auf die Daten des Bürgerportals neben dem physischen Besitz der ID-Karte, die mit einer
einzigartigen Signatur versehen ist, auch ein individuell durch den Nutzer erstell-
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tes Passwort, ergänzt durch ein systemseitig erstelltes Passwort, voraussetzen.
So wird sichergestellt, dass nur der berechtigte Nutzer die ID-Karte auch benutzen kann. Auf der ID-Card selbst werden indes keine persönlichen Daten gespeichert; sie fungiert – im Zusammenwirken mit den beiden persönlichen PIN
sowie einer Signatur – lediglich als Schlüssel für die Funktionen. Der Diebstahl
einer ID-Card hätte für den Dieb ohne die Kenntnis über beide persönliche Passwörter keinen Nutzen.
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Dieses ID-Kartensystem bietet auch erheblich mehr Datensicherheit, wie sich
ebenfalls besonders gut am Beispiel des Gesundheitswesens zeigen lässt: Statt
- wie bislang in Deutschland bei der elektronischen Gesundheitskarte vorgesehen - die sensiblen Informationen wie Vorerkrankungen, Bereitschaft zur Organspende oder Medikamenteneinnahme auf der Karte selbst zu speichern, wären
diese nur in dem Datenportal, dafür jederzeit, abrufbar und dennoch sicherer gegen unberechtigte Zugriffe.
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Ein echter Gewinn an Komfort für Arzt und Patient besteht durch die Einführung
eines digitalen Rezeptes, welches zukünftig bei bekannter Diagnose digital auf
den Account im Bürgerportal geladen und mit der ID-Karte in der Apotheke eingelöst werden könnte. Ein persönlicher Kontakt mit dem Arzt wäre in diesen Fällen nicht mehr erforderlich.
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Neben der ID-Karte wäre es zudem möglich, den Zugriff unabhängig von Lesegerät und der Karte über das Mobiltelefon in Kombination mit einer speziellen
SIM-Karte, welche die Eigenschaften einer Authentifizierung wie eine ID-Karte
hat, für die mobile Identifikation freizuschalten. Damit können auch mobile Bezahlsysteme per Handy integriert und in dem System genutzt werden.
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3. Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen setzen: Symbiose von
Digitalisierung und Datenschutz erfordert durchsetzungsfähiges Recht
und klare Regeln
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Ein modernes System, welches die Möglichkeiten der Digitalisierung für Bürger
weitestmöglich nutzbar machen will und die Datenerhebung unter klaren Regeln
zulässt, dem Bürger hierbei jedoch maximale Kontrolle über seine Daten zugestehen will, erfordert eine Anpassung des Rechtsrahmens in Deutschland.
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Zum Ersten müssen hierfür die Stärkung des institutionellen Datenschutzesund die
Angleichung
des
Rechtsrahmens
für
den
institutionellen
Datenschutz
zwischen Bund und Ländern erfolgen. Durch die letzte Änderung im Bundesdatenschutzgesetz im Dezember 2014 hat die Datenschutzbeauftragte auf Bundesebene mehr Unabhängigkeit erhalten. Insbesondere die hierbei erfolgte Einrichtung einer Obersten Bundesbehörde der Bundesbeauftragten für Datenschutz ist
für uns Freie Demokraten ein gleichermaßen richtiger wie überfälliger Schritt. In
Hessen beispielsweise liegen darüber hinaus seit 1. Juli 2011 der private sowie
der öffentliche Datenschutz in der Hand des Datenschutzbeauftragten, der direkt
vom Landesparlament gewählt wird und in der Wahrnehmung seiner Aufgaben
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unabhängig ist. Der Bundesdatenschutzbeauftragte soll künftig analog zu der
hessischen Regelung sowohl den öffentlichen als auch den privaten Bereich im
bundesunmittelbaren Kompetenzbereich umfassend in Funktion einer eigenständigen Datenaufsichtsbehörde prüfen. Die Landesdatenschutzbeauftragten sollen
in diesem System als eigenständige Datenschutzbehörden der Länder erhalten
bleiben und auch weiterhin die Aufgaben des Datenschutzes in eigener Kompetenz wahrnehmen.
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Die Freien Demokraten befürworten zum Zweiten einen weiteren Ausbau der
Kompetenzen der Datenschutzbeauftragten: Künftig soll es der Datenaufsicht
sowohl auf Landes- wie auf Bundesebene möglich sein, mit eigenen Verwaltungsvorschriften, Hinweisen, Verwaltungsakten und Erlassen das exekutive Datenschutzrecht im Rahmen des jeweiligen Kompetenzbereiches fortzuentwickeln.
Die Anpassung der untergesetzlichen Regelungen an die jeweiligen Rechtskreise
kann so bereichsspezifisch und flexibel erfolgen. In ihrer weiter verselbständigten
Position prüfen die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern unter Zuhilfenahme der unabhängigen Datenschutzbehörden alle Vorkommnisse, die ihnen
von Seiten privater Nutzer, öffentlicher Stellen oder Unternehmen zugetragen
werden, angefangen von Phishing-Versuchen über Datenmissbrauch, bis hin zu
Verstößen gegen sämtliches Sekundärrecht. Neben der anlassbezogenen Einzelfallprüfung ergänzt ein umfassendes Monitoring, das durch Algorithmen und an
Hand von Auffälligkeiten (bspw. ungewöhnliche Uhrzeiten massenhafter Datenabfragen) Unregelmäßigkeiten überprüft, die Kontrolle des Datenschutzes.
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Zum Dritten ist die Unabhängigkeit der obersten Datenschutzbehörden für
eine effektive Kontrolle unerlässlich. Die Bestimmung der Datenschutzbeauftragten sollte daher über eine öffentliche Ausschreibung erfolgen, an deren Ende der
Bundestag unter Mitwirkung der Bundesregierung und Beteiligung des Bundesrates bzw. das jeweilige Landesparlament unter Mitwirkung der Landesregierung
den geeignetsten Kandidaten auswählt und der für eine feste Amtszeit von mindestens acht Jahren gewählt wird. Sowohl die Auswahl des Kandidaten als auch
ein etwaiges Entlassungsverfahren sind auf Antrag durch das Bundesverfassungsgericht bzw. die Verfassungsgerichtsbarkeit der Länder zu überprüfen. Daneben sind selbstverständlich die notwendigen finanziellen und personellen
Grundlagen, um eine Unabhängigkeit des Datenschutzes auch praktisch zu gewährleisten, zu schaffen.
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Zuletzt muss eine Ausweitung der Sanktionsmittel bei Missbräuchen erfolgen. Neben der Möglichkeit, zivilrechtliche Konsequenzen bei ungerechtfertigtem
Abruf, Verwendung oder Weitergabe von Daten seitens der Judikative zu ziehen, bedeutet dies auch eine Anpassung der strafrechtlichen Konsequenzen. Der
missbräuchliche Umgang mit Daten soll damit – je nach Schwere des Eingriffs in
die Privatsphäre des Betroffenen – harte Folgen für den Täter nach sich ziehen.
Im Bereich des Arbeitsrechts bedeutet dies beispielsweise, dass der Arbeitgeber
zu einer Abmahnung des Mitarbeiters verpflichtet wird, bis hin zu der Möglichkeit
einer sofortigen Kündigung bei Fehlverhalten. Eine persönliche finanzielle Strafe
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für den Täter sowie den Betrieb ist im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts
vorzusehen und kann durch den Datenschutzbeauftragten bzw. seine Behörde direkt verhängt werden. Schwerwiegende Datenschutzverletzungen, wie beispielsweise Datenuntreue mit dem Ziel, sich einen finanziellen Vorteil zu verschaffen,
sind überdies strafrechtlich zu verfolgen, mit einem entsprechend in der Höhe
angepassten Strafrahmen. Für solche Delikte muss zudem stets das Offizialprinzip (also Verfolgung von Amts wegen, nicht nur auf Antrag oder nach Opportunität) gelten. Erfolgt seitens der Vorgesetzten oder anderer Mitarbeiter bei Kenntnis
keine Anzeige bei der zuständigen Verfolgungsbehörde, sind auch hierfür entsprechende Strafverfahren im Rahmen der Regeln zur Beihilfe und/oder der
Strafvereitelung obligatorisch.
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4. Infrastrukturelle und persönliche Voraussetzungen schaffen: Teilhabe für alle Bürger ermöglichen
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Entscheidend für die Nutzbarmachung der Digitalsierung für die gesamte Gesellschaft ist, dass die Teilhabe durch den Zugang zu den Systemen sichergestellt ist. Deshalb darf eine fehlende Infrastruktur nicht dazu führen, dass ein Teil
der Bürger vom Komfort der Digitalisierung in den bereits skizzierten Bereichen
ausgeschlossen wird. Eine moderne, leistungsfähige Breitbandversorgung sowie
die
flächendeckende Bereitstellung von mobilen Hochleistungsdatennetzen
und offenen W-LAN-Verbindungen an öffentlichen Plätzen und in Verwaltungsgebäuden sind damit grundlegende Vorbedingungen für den Digitalisierungsprozess.
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Ferner ist ein freies Internet als Treiber für wirtschaftliche und gesellschaftliche
Freiheit zu sichern. Jedem Versuch, ob von staatlicher oder privater Seite, die
Nutzung von (nicht offensichtlich illegalen) Inhalten zu unterbinden oder zu erschweren, erteilen wir Freie Demokraten eine klare Absage. Das Best-Effort-Internet ist als wesentliche Basis für gleichberechtigte Chancen jeder Form von
Meinungsäußerung, Inhalteangeboten oder wirtschaftlicher Unternehmung zu
wahren und weiter auszubauen. Mit der Wahrung dieser Netzneutralität ist eine
Balance der widerstreitenden Interessen von Nutzern, Netzbetreibern und Dienste- sowie Inhalteanbietern zu finden. Es müssen auf der einen Seite mögliche
Gefahren für die überragend wichtigen Ziele von Informationsfreiheit und –vielfalt und die Chancen kleinerer, weniger finanzstarker Dienste- und Inhalteanbieter abgewehrt werden, auf der anderen Seite sind Innovationen in Form qualitätsgesicherter Dienste und eine angemessene Wertschöpfung der Netzbetreiber
und damit Anreize für Netzinvestitionen zu ermöglichen.
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Die Entwicklung der Digitalisierung setzt sich exponentiell fort. Wenn wir die
sich daraus ergebenden Chancen nutzen wollen, und zwar auf der ganzen
Bandbreite von neuen Geschäftsmodellen bis hin zu völlig neuen Wertschöpfungsketten, müssen wir das Innovationspotential unserer Wirtschaft voll zur Geltung kommen lassen. Gerade unser Mittelstand hat noch Nachholbedarf im Hinblick auf die Möglichkeiten der digitalen Neuaufstellung. Eine wichtige Rolle spie-
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len hierbei Start-ups im IT-Bereich. Um das Potential neuer Ideen optimal zu
nutzen, brauchen wir deshalb ein gründerfreundliches Klima, den Abbau von Bürokratie und bessere Rahmenbedingungen bei Finanzierung und Steuern. Gerade
im Hinblick auf die Entwicklung geeigneter digitaler Anwendungen in den staatlich reglementierten und damit für Markteinsteiger schwer zugänglichen Bereichen wie Gesundheit, Verwaltung und Bildung sollten Anreize geschaffen werden, damit Wettbewerb zur gezielten Digitalisierung dieser Bereiche entsteht.
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Zu einer Gesellschaft, die einer Digitalisierung in allen Lebensbereichen für die
Bürgerinnen und Bürger offen gegenübertritt, gehört ein außerordentlich hohes
Maß an individuellem Verständnis für Datenschutz sowie die Möglichkeit, dieses in der Praxis anzuwenden. Dies erfordert auch, dass die technische Umsetzung – so benutzerfreundlich sie auch ausgestaltet wird – auch von denjenigen
verstanden werden und anwendbar sein muss, die keine „digital natives“ sind.
Aus diesem Grund ist zum einen bereits frühzeitig, das heißt im Rahmen der
schulischen Bildung, der Umgang mit dem System und dem Datenschutz in den
Unterricht zu integrieren. Dazu muss sich die Vermittlung von Medienkompetenz
neben den Kenntnissen zu Hard- und Software auch auf die Beherrschung von
Sicherheitstechniken und Datensparsamkeit beziehen. Das Schulfach Informatik
ist zur Digitalkunde weiterzuentwickeln, um alle Aspekte der Digitalisierung abzudecken, aber angesichts der rasanten Fortentwicklung auch den Umgang mit
Neuerungen generell auf den Lehrplan zu setzen. Die Lehrkräfte sind entsprechend aus- bzw. fortzubilden. Ferner ist für ältere Nutzer ein umfassendes Schulungswesen in der Einführungsphase vorzuhalten und dem Fortgang der technischen Entwicklung entsprechend fortzuführen.
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D. Datenschutz und Digitalisierung sind nicht Selbstzweck,
sondern dienen der individuellen Freiheit der Bürger
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Ein fortschrittsorientierter Umgang mit der Digitalisierung, der den Schutz des
höchstpersönlichen Lebensbereichs ernst nimmt, uns Bürgern die Hoheit über die
eigenen Daten zurückgibt und den Weg bereitet, die sich daraus ergebenden
Möglichkeiten zu ergreifen, ist unerlässlich, um Deutschland zu einer Republik
der Chancen werden zu lassen.
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Wir Freie Demokraten wollen, dass der Staat die notwendigen Rahmenbedingungen schafft, um seinen Bürgerinnen und Bürgern alle Hindernisse aus dem
Weg zu räumen, diese Chancen selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu ergreifen. Wir werden den Menschen in Deutschland diese Möglichkeiten nicht länger von vorne herein durch die Angst vor Missbrauch nehmen lassen.
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Für uns steht fest: „Selbstbestimmung ist eine elementare Funktionsbedingung
eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten
freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens.“[8] Nur wer die Kontrolle darüber
behält und beeinflussen kann, was mit den persönlichen Daten geschieht, passt
sein Verhalten nicht aus Sorge vor etwaigen Sanktionen an und behält somit sei-
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ne individuelle Handlungsfreiheit. Und nur wenn jeder Bürger neben dem Eigentum an seinen Daten auch die Möglichkeit hat, sein Recht effektiv gegen Private,
staatliche Stellen und Unternehmen durchzusetzen, kann das nötige Vertrauen in
die Integrität staatlichen Handelns entstehen. Von Seiten des Staates ist daher
für das Gelingen unabdingbar, dass sich die entsprechenden Institutionen rechtskonform verhalten und etwaige Verstöße hart sanktionieren.
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„Die Verteidigung der Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat war immer
und wird immer Kern unserer politischen Grundüberzeugung bleiben. Wir müssen
uns in dieser Frage aber weiterentwickeln und unsere Perspektive weiten.
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Für die einfache Teilhabe am sozialen Leben. Für neues Wachstum. Für mehr
Komfort im Alltag.“
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Christian Lindner, Dreikönigsrede am 6. Januar 2015 in Stuttgart
Begründung:
Erfolgt mündlich.
Fußnoten:
[1] Vgl. sog. Volkszählungsurteil, BVerfGE 65, 1.
[2] Zur Frage der Preisgabe und Verwendung von Daten im Hinblick auf das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung vgl. Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Auflage, § 1
Rn. 57. ff.
[3] http://www.digitale-agenda.de/DA/Navigation/DE/Home/home.html
[4] https://www.govdata.de/
[5] Vgl. hierzu: BVerfGE vom 03. März 2009, 2 BvC 3/07
[6] Eine Übersicht über die umfangreichen Funktionen bietet die Seite www.e-estonia.com
[7] http://www.personalausweisportal.de/DE/Home/home_node.html
[8] Aus BVerfGE 65, 1 Rn. 154.
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Antrag 321
Betr.:
Recht auf Verschlüsselung
Antragsteller: Landesverband Bayern
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die FDP will Telekommunikations- und Telemedienanbieter ab 2018 gesetzlich
verpflichten, ihre Dienste standardmäßig abhörsicher und, auf Wunsch, anonym
anzubieten.
Begründung:
Mit den Enthüllungen Edward Snowdens und Anderer ist der ganzen Welt bewusst
geworden, wie sehr Geheimdienste bereits in die Privatsphäre unbescholtener Bürger
eingedrungen sind. Ohne den geringsten Anfangsverdacht werden fundamentale
Grundrechte außer Kraft gesetzt. Die bisherige Reaktion der Politik war im Wesentlichen
von Unverständnis, Ignoranz und Hilflosigkeit geprägt.
Für uns Liberale ist dies ein unerträglicher Zustand!
Alle Versuche von Politik und Wirtschaft, eine abhörsichere Kommunikation zu etablieren,
so
es
hier
überhaupt
Bestrebungen
gab,
haben
nicht
gefruchtet.
Verschlüsselungstechnologien sind seit Jahrzehnten ausgereift und erprobt. Leider
kranken viele an einer komplizierten Benutzung und damit an Akzeptanzproblemen. Ein
weiterer Hinderungsgrund ist die Notwendigkeit, dass alle Kommunikationspartner die
Möglichkeit
zum
Verschlüsseln
und
Entschlüsseln
bereitstellen
und
die
Kommunikationswerkzeuge den gleichen Verschlüsselungsstandard nutzen müssen, um
miteinander kommunizieren zu können. Um aus dieser Falle zu entkommen, fordert die
FDP eine Gesetzesinitiative, die verbindlich eine abhörsichere Variante (Ende zu Ende
Verschlüsselung) mit offenen Standards für jeden dafür sinnvollen digitalen
Kommunikationsweg standardmäßig fordert.
Folgende Vorteile ergeben sich aus dieser Vorgehensweise:
•
Offene Standards ermöglichen Kommunikation über Netzgrenzen zwischen
verschiedenen Anbietern und verschiedene Dienste hinweg.
•
Die Verpflichtung könnte einen Entwicklungsschub für Sicherheitsprodukte
auslösen.
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•
Anbieter haben ein natives Interesse daran, die Dienste möglichst einfach
benutzbar zu gestalten.
•
Niemand wird verpflichtet, verschlüsselt
Standardeinstellung soll so sein.
zu
kommunizieren,
nur
Der Staat kommt seiner Aufgabe nach, dem Grundgesetz Geltung zu verschaffen.
die
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Antrag 322
Betr.:
Verantwortung der Suchmaschinenbetreiber für den Schutz
der Privatsphäre
Antragsteller: Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und
Verbraucherschutz
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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1. Die FDP begrüßt die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union
(EuGH) vom 13. Mai 2014, in der dem Bürger ein Rechtsanspruch gegen den
Betreiber einer Suchmaschine auf Löschen von Links zu Publikationen zugestanden wird, die mittels einer Namensrecherche gefunden ihn in seinem Recht auf
Schutz der Privatsphäre und auf Datenschutz verletzen.
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Im digitalen Zeitalter soll der Nutzer seine Rechte besser durchsetzen können.
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2. Die FDP fordert von Google weitgehende Transparenz über seine Entscheidungspraxis, über die zu Grunde liegenden Sachverhalte und Kategorien.
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3. Die Webmaster, also die Verantwortlichen für die Inhalte, sind vor der Entscheidung von Google zu beteiligen. Ihnen muß Gelegenheit zur Stellungnahme
zum Löschantrag gegeben werden, um den Sachverhalt umfassend festzustellen
und Google eine fundierte Abwägung zwischen dem Recht auf Schutz der Privatsphäre und dem Recht auf Meinungsfreiheit zu ermöglichen.
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4. Nach der Entscheidung von Google soll neben der gerichtlichen Überprüfung
oder der Anrufung der Datenschutzaufsicht ein freiwilliges Schlichtungsverfahren
geschaffen werden, das kostengünstig alle Interessierten beteiligt.
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5. Der Anspruch auf Löschung bezieht sich auf alle URL, die zu einer Publikation führen, also auf alle europäischen und weltweite Domains. Nur so kann der
Rechtsanspruch des Nutzers wirkungsvoll durchgesetzt werden.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 323
Betr.:
Berliner Erklärung für Datensparsamkeit
Antragsteller: Landesverband Berlin, Landesverband Brandenburg
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Digitalisierung und moderne Kommunikation verändern den Staat und die Rolle
der Bürger positiv. Die Freien Demokraten treten für die Sicherung der individuellen Freiheit in der Informationsgesellschaft ein. Folgende Grundsätze bei der Erhebung oder dem Zugriff auf personenbezogene Daten ohne einen jeweils individuell vorliegenden Anlass müssen dabei gelten:
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1. Es gilt das Prinzip der Datensparsamkeit.
2. Ein konkreter Anlass für einen staatlichen Zugriff auf bestehende oder das
Erheben neuer Daten muss vorhanden und jeweils eng umgrenzt richterlich
festgestellt werden. Bereits vor der Maßnahme muss ihr Mehrwert durch
die beantragende staatliche Einrichtung nachgewiesen werden.
3. Nur bei dringendem Verdacht auf eine schwere Straftat darf eine Datenerhebung ohne das Wissen der betroffenen Person stattfinden. Generell sind
hierdurch Betroffene spätestens binnen sechs Monaten zu informieren,
wenn personenbezogene Daten von ihnen erhoben werden und was mit
diesen Daten geschieht. Nicht relevante Daten sind jeweils sofort zu löschen.
4. Alle solche Maßnahmen müssen regelmäßig einer Kontrolle bzgl. ihrer
Wirksamkeit unterzogen werden. Jährliche, öffentlich zugängliche Berichte
sind zu erstellen, um ein Gesamtbild staatlicher Überwachung zu erhalten.
Diese Berichte müssen auch die direkten und indirekten Kosten durchgeführter Maßnahmen enthalten.
5. Erhobene Daten müssen nach dem Stand der Technik und mit besonderer
Sorgfalt vor dem Zugriff durch Dritte geschützt werden.
6. Es ist sicher zu stellen, dass eine Zusammenführung an unterschiedlichen
Stellen erhobener personenbezogener Daten nicht über die ursprüngliche
Erhebungsintention hinausgeht oder dass diese Daten nicht für einen anderen Zweck verwendet werden.
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Daher lehnen wir insbesondere die anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations- und Fluggastdaten ab. Auch die Regelungen zur elektronischen Gesundheitskarte und der automatischen KFZ-Kennzeichenerfassung sowie die geplante Realisierung der PKW-Maut und alle übrigen hier nicht genannten Vorhaben müssen die vorgenannten Kriterien erfüllen.
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Der Bundesparteitag fordert alle aktuellen und zukünftigen Abgeordneten der
Freien Demokraten auf, diese Position entschieden zu vertreten.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 324
Betr.:
Stärkung der Bürgerrechte gegenüber dem Finanzamt
Antragsteller: Landesverband Hessen
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die FDP fordert die Einführung eines Ombudsmannes für Steuerzahler. Nach
dem Vorbild des Wehrbeauftragten des deutschen Bundestages soll sich dieser
für die Rechte von Steuerzahlern einsetzen, die behördlicher Willkür ausgesetzt
sind.
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Der Ombudsmann wird vom Bundestag gewählt und darf Finanzbehörden aufsuchen ohne Voranmeldung sowie dort jederzeit Auskunft und Akteneinsicht verlangen. Er wird tätig aufgrund von Eingaben von Steuerzahlern sowie bei Bekanntwerden von Verletzungen von Grundrechten von Steuerzahlern. Analog
dem Artikel 45b des Grundgesetzes ist er als Hilfsorgan des Deutschen Bundestages zu berufen. Er berichtet dem deutschen Bundestag über seine Tätigkeit
und macht damit Missstände öffentlich.
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Ähnliche Einrichtungen sind auf Landesebene anzustreben.
Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Antrag 325
Betr.:
Erfassung, Speicherung und Auswertung von Fluggastdaten
Antragsteller: Landesverband Berlin
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die FDP spricht sich gegen die Aktivitäten der Bundesregierung aus, die anlasslose Erfassung, Speicherung und Auswertung von Fluggastdaten in der Europäischen Union voranzutreiben.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 326
Betr.:
Fluggastdaten in der EU konsequent schützen - liberale
Prinzipien jederzeit leben – Wahlversprechen einhalten
Antragsteller: Frank Schäffler (LV Nordrhein-Westfalen), Dr. Burkhard
Hirsch (LV Nordrhein-Westfalen), Carlos A. Gebauer (LV
Nordrhein-Westfalen), Alexander Müller (LV Hessen) und
mehr als 250 FDP-Mitglieder
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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1. Die beabsichtigte anlasslose Speicherung und Weitergabe von Fluggastdaten
in der Europäischen Union verletzt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und höhlt den Schutz des Einzelnen gegenüber staatlicher Willkür weiter aus.
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2. Der Bundesparteitag missbilligt die erfolgte Zustimmung der ALDE-Fraktion
und der FDP-Abgeordneten im Europäischen Parlament, weil dadurch der Eindruck entsteht, die Freien Demokraten würden ihre Grundsätze verraten.
Begründung:
Im Wahlprogramm der FDP zur Wahl zum Europäischen Parlament 2014 heißt es:
„Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht pauschal unter Verdacht gestellt werden. Deshalb
haben wir dafür gekämpft, dass die Bank- oder Fluggastdaten von Millionen von
Europäern nicht anlasslos gesammelt, gespeichert und ohne konkreten Verdacht an
Drittstaaten weitergegeben werden können.“
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Antrag 327
Betr.:
Kontrollierte Freigabe von Cannabis
Antragsteller: Landesverband Bayern, Landesverband Berlin,
Landesverband Bremen, Landesverband Hamburg,
Landesverband Niedersachsen, Landesverband Saarland,
Bundesvorstand Junge Liberale
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Schätzungen zufolge konsumieren bis zu 4 Millionen Menschen in Deutschland
die illegale Substanz Cannabis. Durch die Kriminalisierung werden unzählige
Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt, abhängige Nutzer alleine gelassen
oder mit Strafen belegt, die sie erst recht in der Drogenszene versinken lassen
und die Ressourcen der Polizei in großem Ausmaß zur Verfolgung von Konsumenten gebunden. Wir teilen diese Einschätzung mit zahlreichen Rechtswissenschaftlern und erfahrenen Praktikern aus den Bereichen Polizei, Justiz, Suchtprävention und Suchtbehandlung.
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Das Verbot von Cannabis präsentiert sich als absolute Regulierung, stellt aber in
Wirklichkeit nichts weiter als die Abwesenheit von Regulierung dar, deren Lücke
von Drogendealern, die für Konsumenten einen Einstieg zu härteren Drogen bedeuten könnten, gefüllt wird.
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Die Freien Demokraten setzen sich für die Legalisierung von Konsum und Besitz von Cannabis als Genussmittel für volljährige Personen ein. Die Freigabe
soll dabei streng reguliert werden um insbesondere dem Jugendschutz Rechnung zu tragen.
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Die gewerbsmäßige Abgabe von Cannabis darf deshalb nur in speziell für diesen Zweck lizensierten Geschäften erfolgen, wobei sichergestellt sein muss,
dass die Käufer volljährig sind und über die Risiken des Konsums ausreichend
aufgeklärt werden. Weiterhin ist in diesen lizensierten Geschäften eine regelmäßige Qualitätskontrolle durchzuführen um Verunreinigungen, zum Beispiel durch
Pestizide, zu verhindern.
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Die Erteilung einer solchen Lizenz setzt den Nachweis von Kenntnissen bezüglich der Wirkungen, Produktion, Verarbeitung und Risiken von Cannabispflanzen
voraus. Sie umfasst die Berechtigung, die zum Zwecke der Abgabe in der lizensierte Stelle erforderliche Menge an Cannabispflanzen anzubauen und zu verarbeiten. Darüber hinaus ist dem Lizenznehmer der Import der Stoffe über ausschließlich legale Bezugsquellen im Ausland zu ermöglichen.
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Der Handel mit Cannabis ohne eine solche Lizenz oder der Import aus dem
Ausland von nicht legalen Bezugsquellen bleibt weiterhin strafbar. Auch die Teilnahme am Straßenverkehr im Rauschzustand bleibt selbstverständlich untersagt.
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Die Freien Demokraten sind der Überzeugung, dass durch eine Legalisierung
von Cannabis effektiver Jugendschutz betrieben werden kann. Jugendliche und
junge Erwachsene haben bereits heute Zugang zu Cannabis und laufen vielfach
in Gefahr, durch den Erstkontakt mit Drogendealern an weitere, noch gefährlichere Substanzen herangeführt zu werden. Mit einer kontrollierten Legalisierung
kann dafür gesorgt werden, dass ein Großteil der Kundschaft der illegalen Händler wegbricht und ihr Geschäft dadurch deutlich unattraktiv wird.
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Auch Menschen mit einem problematischen Konsum von Cannabis kann durch
eine Legalisierung geholfen werden. Anstatt durch mögliche Gefängnisstrafen
Kontakt zur kriminellen Szene zu bekommen, könnten effektive Präventions- und
Behandlungsprogramme den Süchtigen helfen, wieder zu einem normalen Leben
zurückzufinden.
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Das Genussmittel Cannabis soll nach erfolgter Freigabe ähnlich wie Zigaretten
besteuert werden. Diese zusätzlichen Einnahmen, die auf bis zu 1 Mrd. Euro
jährlich geschätzt werden, sowie die eingesparten Ausgaben in der Justiz für die
Verfolgung von Cannabiskonsum können unter anderem Bildungs- und Präventionsmaßnahmen zu Gute kommen.
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Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass liberalere rechtliche Regelungen nicht zu einem höheren Cannabiskonsum führen. Die Freigabe in
Deutschland soll über Langzeitstudien wissenschaftlich begleitet werden.
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Antrag 328
Betr.:
Für mündige Patienten – für freie Arztwahl – für freie Ärzte,
Apotheker und Therapeuten
Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die FDP spricht sich gegen folgende geplante Maßnahmen im Versorgungsstärkungsgesetz aus:
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1. Zwangsschließung von Arztpraxen in sogenannten überversorgten Gebieten.
4
2. Zwangsterminierung in deutschen Arztpraxen.
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3. Regressverfahren/Wirtschaftlichkeitsprüfung.
Begründung:
Das von der jetzigen Regierung geplante sogenannte Versorgungsstärkungsgesetz ist
geprägt von staatlichem Zwang, Bürokratie und ist ein weiterer Schritt in Richtung
Staatsmedizin.
Der geplante staatlich verordnete Aufkauf von Arztsitzen (alle, die über der 110%
Versorgungsgrenze liegen) ist nicht im Sinne der Patientinnen und Patienten, denn der
Zwangsaufkauf steht in krassem Widerspruch zur Verkürzung der Wartezeiten. Der
Zwangsaufkauf in vermeintlich überversorgten Städten führt nicht zu mehr Arztsitzen auf
dem Land, sondern verschlechtert die Patientenversorgung allgemein und vernichtet
Arbeitsplätze.
Geradezu abenteuerlich ist der Ansatz, auf der einen Seite Arztpraxen zwangsweise zu
schließen, andererseits aber mit „Terminservicestellen“ Wartezeiten verringern zu wollen.
Nach dem geplanten Gesetz müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen innerhalb einer
Woche einen Termin vermitteln, die Wartezeit darf vier Wochen nicht überschreiten und
die Entfernung zwischen Wohnort und Facharzt muss zumutbar sein. Die
Terminservicestellen sind nichtärztlich besetzt und sollen nach Feststellung der
Dringlichkeit (!) einen Termin vermitteln. Diese vermeintliche „Serviceleistung“ entmündigt
den Patienten und schafft Stück für Stück die von den Patienten zu Recht hoch
angesehene freie Arztwahl ab. Gleichzeitig wird eine weitere teure Bürokratie aufgebaut,
die zu einer allgemeinen Verschlechterung der Versorgung führen wird.
Wir Freien Demokraten wollen kein Mitgestaltungsrecht der Körperschaft öffentlichen
Rechts in den individuellen Praxiskalender eines freien Berufes, sondern bevorzugen
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
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regionale Lösungen, die in eilbedürftigen Fällen nach medizinischen Erfordernissen eine
zügige Behandlung bei einem Facharzt ermöglicht.
Umfragen unter jungen Ärzten haben ergeben, dass die Angst vor Regressen das größte
Hindernis darstellt, sich niederzulassen, vor allem in ländlichen Gebieten. Regress
bedeutet, dass der Arzt, wenn er für seine Patienten mehr Arznei- und Heilmittel
verordnet als das von KV und Krankenkasse vereinbarte Volumen, er dafür finanziell
haftet. Das ganze Procedere wird in aufwändigen hoch bürokratischen Prüfungsverfahren
abgewickelt und nennt sich unsinnigerweise „Wirtschaftlichkeitsprüfung“.
Wir Freien Demokraten sprechen uns im Sinne der Patienten für ein ersatzloses Streichen
der Regresse aus, auch, um ein Signal an niederlassungswillige Nachwuchsärzte zu
senden. Denn die medizinische Betreuung von Patienten erfordert ein besonderes
Vertrauensverhältnis, in dem sich der Patient darauf verlassen kann, dass der Behandler
nach bestem medizinischen Wissen und nur dem Patienten verpflichtet handelt,
unbeeinflusst und ohne staatliche Zwänge. Das Damoklesschwert des Regresses bedroht
die unabhängige medizinische Betreuung der Patienten. Es ist die Aufgabe von
Krankenkassen und Arzneimittelherstellern, Preise für Arzneien zu verantworten. Bei
Ärzten liegt die Entscheidung über Indikationsstellung und geeignete Verordnungsmenge
für ihre Patienten.
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Antrag 329
Betr.:
Selbstbestimmt im Betrieb – Liberale Perspektiven für die
betriebliche Mitbestimmung in Deutschland
Antragsteller: Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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"Die Aufgabe der Mitbestimmung ist die Humanisierung der Arbeitswelt für den
arbeitenden Menschen. Menschliche Freiheit und persönliche Würde erfordern
ein Höchstmaß an Selbstverwirklichung im Arbeitsprozess." (Freiburger Thesen
zur Gesellschaftspolitik, 1971)
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Der Auftrag der Freiburger Thesen ist auch in der modernen, flexibilisierten und
hochtechnisierten Arbeitswelt weiter aktuell: Selbstbestimmung in allen Lebenslagen – auch im Betrieb.
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In den vergangenen vierzig Jahren haben sich wesentliche Veränderungen in
der Arbeitswelt ergeben. Durch neue Technologien und neue Organisationsformen wurde Arbeit körperlich erleichtert, aber auch deutlich verdichtet und beschleunigt - verbunden mit neuen Belastungen.
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Neue Methoden der Personalführung fördern die Beteiligung von Arbeitnehmern
an betrieblichen Entscheidungen. Durch Absinken der Arbeitslosigkeit und angesichts des Fachkräftemangels wird die Stellung der Arbeitnehmer gegenüber
dem Arbeitgeber stärker. Diese positiven Entwicklungen innerhalb der Betriebe
zeigen sich aber nicht in gleichem Maße in allen Branchen, allen Unternehmensformen und vor allem nicht bei allen Qualifikationsniveaus der Beschäftigten.
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Neue Formen der Selbständigkeit und die Entkopplung vieler Arbeitsverhältnisse
von festen Arbeitszeiten und -orten haben Einzug in die Arbeitswelt gehalten.
Diese Arbeitsformen sind für die traditionellen Instrumente der betrieblichen Mitbestimmung nur noch teilweise zugänglich. Neue Formen der Entscheidungsbeteiligung von Mitarbeitern haben eine wachsende Bedeutung und bringen für diese oft mehr Selbstbestimmung. Sie betreffen aber nicht alle Arbeitnehmer.
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Während die unternehmerische Mitbestimmung auf die wirtschaftliche Entwicklung des Gesamtunternehmens abzielt, sollen Betriebsräte der Mitgestaltung der
Arbeitssituation im Betrieb sowie dem partnerschaftlichen Interessenausgleich unter den Mitarbeitern und zwischen Mitarbeitern und Geschäftsleitung dienen.
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Mit einem so verstandenen Auftrag auf Grundlage gemeinsamer Ziele im Unternehmen sind Betriebsräte ein positiver Faktor für die Stabilität des Wirtschafts-
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standortes Deutschland. Denn Betriebsräte können auch unpopuläre
dungen durchsetzen helfen und damit dem Betriebsfrieden dienen.
Entschei-
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Wir halten vor diesem Hintergrund das Instrument des Betriebsrats weiterhin für
zeitgemäß, wenn Mitarbeiter des Betriebes diese Organisationsform wünschen.
Allerdings müssen traditionelle Strukturen regelmäßig einer Überprüfung unterzogen werden. Maßstäbe sind die demokratische Legitimation der Arbeitnehmervertretung, die Anpassung an neue Realitäten in den Betrieben sowie Regeln und
Kosten, die nicht nur für Großunternehmen, sondern auch für den Mittelstand
verträglich sind.
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Das bedeutet für die Freien Demokraten:
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1. Wir befürworten die Einrichtung von Betriebsräten, wenn die Mitarbeiter dies
wünschen. Wir wollen nicht durch eine Anhebung von Schwellenwerten die Einrichtung von Betriebsräten erschweren.
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2. Der Mehrheit der Mitarbeiter darf nicht durch kleine Minderheiten oder von
außen ein Betriebsrat aufgenötigt werden.
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3. Bei der Wahl von Betriebsräten muss es mehr Demokratie geben.
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4. Die Kosten der Betriebsräte in kleinen und mittleren Betrieben müssen in einem angemessen Verhältnis stehen.
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Folgende Veränderungen schlagen wir konkret vor:
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- Wir wollen mehr Demokratie bei der Einrichtung des Betriebsrates: Die Möglichkeit, einen Betriebsrat auf gerichtlichem Weg gegen die Mehrheit in der Betriebsversammlung durchzusetzen, muss entfallen. Wir wollen das Quorum zur
Einrichtung eines Betriebsrats auf 25 Prozent der Mitarbeiter festlegen, wobei
wie bisher drei Mitarbeiter eine Wahlversammlung hierzu einberufen können. Die
dafür notwendige intensivere Kommunikation erfordert dann auch eine frühzeitige
Absicherung von Mitarbeitern, die Betriebsräte gründen wollen, gegen Repressalien des Arbeitgebers.
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- Wir wollen mehr Demokratie beim Wahlverfahren: Listenwahl mit Personenanteil, Einführung von Kumulieren und Panaschieren, also die Möglichkeit, innerhalb
der Wahllisten auch gezielt Personen wählen zu können.
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- Es muss die Möglichkeit geschaffen werden, den Betriebsrat in der laufenden
Wahlperiode abzuwählen – etwa bei Untätigkeit. Hier muss allerdings ein sehr
hohes Quorum gewählt werden, um radikalen Aktivisten auch bei unpopulären
Verhandlungsergebnissen mit dem Arbeitgeber kein Forum zu einem Wahlkampf
zu geben, der den Betriebsfrieden beeinträchtigen kann.
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- Wir wollen die Ausgrenzung der Arbeitnehmer bestimmter Arbeitgeber aus der
betrieblichen Mitbestimmung beenden. Betriebe für soziale Dienstleistungen sollen generell in das Betriebsverfassungsgesetz einbezogen werden. Der Verkündi-
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gungsbereich der Religionsgemeinschaften bleibt davon unberührt. Ebenfalls einbeziehen wollen wir die Betriebe des Flugverkehrs.
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- Gewerkschaften haben eine herausragende und bedeutsame Rolle bei der
Gestaltung der Tarifpartnerschaft, die die deutsche Wirtschaft gerade in Krisenzeiten stabilisiert hat. Gewerkschaftsarbeit und Betriebsratsarbeit sollen aber klarer getrennt werden – Gewerkschaften sollen sich um Tarif und Leistungsvergütung kümmern, der Betriebsrat um soziale Fragen im Betrieb. Es darf kein Gewerkschaftsrecht gegen die Mehrheit in der Betriebsversammlung geben. Die Beteiligung von Gewerkschaften an Wahlvorständen ist allerdings in jedem Fall
sachgerecht.
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- Der Betriebsrat muss mit Mehrheit entscheiden können, ob die Gewerkschaft
an seinen Sitzungen teilnehmen darf oder nicht. Wenn die Gewerkschaft nicht im
Betriebsrat vertreten ist, muss für den Fall auch die bisherige Möglichkeit des Arbeitgebers entfallen, den Arbeitgeberverband zu Verhandlungen mit dem Betriebsrat mitzubringen.
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- Bei der Weiterbildung von Betriebsräten und die damit verbundenen Kosten
für das Unternehmen wollen wir Transparenz schaffen: der Betriebsrat soll in der
Betriebsversammlung über wahrgenommene Angebote und die damit verbundenen Aufwendungen berichten. So ergibt sich eine Selbstkontrolle auf Mitarbeiterseite über die Kosten, ohne dass der Arbeitgeber aktiv notwendige Weiterbildung
behindern kann.
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- Die Dauer von Mitbestimmungsverfahren muss bei zeitkritischen Unternehmensentscheidungen durch Fristen geregelt werden. Im Gegenzug muss es einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates gegen Entscheidungen des Arbeitgebers geben, bei denen die Mitbestimmungsregeln nicht eingehalten wurden.
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- Zur Vermeidung von Interessenskonflikten sollte eine gleichzeitige Mitgliedschaft im Aufsichtsrat des Unternehmens und im Betriebsrat eines der zugehörigen Betriebe nicht möglich sein.
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- Neben der Modernisierung der Verfahrensfragen der betrieblichen Mitbestimmung sollte ein Dialogprozess eingeleitet werden, um die Aktualität der Mitbestimmungsgegenstände zu prüfen und ggf. zu entrümpeln – etwa im Blick auf
die technologische Weiterentwicklung in der Arbeitswelt.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 400
Betr.:
TTIP als Chance begreifen
Antragsteller: Kreisverband Lippe, Kreisverband Gütersloh, Kreisverband
Bielefeld, Kreisverband Herford, Kreisverband Paderborn,
Autorin: Gudrun Kopp (LV Nordrhein-Westfalen)
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Wir Freien Demokraten sagen grundsätzlich JA zum geplanten Freihandelsabkommen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)
zwischen der EU und den USA. Zusammen bilden beide Partner den größten bilateralen Wirtschaftsraum und machen 45 Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes (BIP) sowie 44 Prozent des Welthandels in Waren und Dienstleistungen aus.
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Wir erwarten, dass das Abkommen vor allem wirtschaftliche und (geo)politische
Chancen beinhaltet, insbesondere im Wettbewerb mit dem wirtschaftlich dynamischen asiatischen Raum. Mit TTIP wird ein umfassendes Handelsabkommen entstehen, das neben der Beseitigung von Zöllen und anderen Handelsbarrieren
den bilateralen Handel fördern und Beschäftigung und Wohlstand steigern soll.
Die Unternehmen sollen von einem verbesserten Marktzugang und erhöhten
Skaleneffekten profitieren; die Verbraucher u.a. von niedrigeren Preisen. Weitere
Ziele sind:
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Die FDP fordert allerdings im laufenden Verhandlungsprozess mehr Transparenz über inhaltliche Details zu den jeweiligen Verhandlungsinhalten und -ergebnissen sowie eine bessere Kommunikation über Chancen und Risiken dieses gerade für Europa so wichtigen Freihandelsabkommens. Streitig sind derzeit z.B.
Themen wie Umwelt-, Gesundheits-, Pflanzenschutzstandards sowie die Ausgestaltung von Investor-Staat-Schiedsverfahren und Rechtsstandards.
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Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit;
Steigerung von Produktivität, Innovationen, technischem Fortschritt;
Schaffung von Regelungen für Investitionen, öffentliches Auftragswesen,
elektronischen Handel, Schutz des geistigen Eigentums;
Harmonisierung / Vereinfachung von Normen und Standards im Produktionsablauf sowie bei Mehrtests- und Zertifizierungsverfahren und damit verbundene Kosteneinsparungen;
Angleichung technischer Standards (TBT);
Anerkennung von Berufsqualifikationen;
Erreichung von hohem Liberalisierungs- und Investitionsschutzniveau.
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Die FDP erwartet, dass die mit den Verhandlungen beauftragte EU-Kommission
ein auch für uns Europäer und das Europäische Parlament zustimmungsfähiges
Verhandlungsergebnis vorlegen wird. Die FDP macht am Ende die derzeit grundsätzlich positive Einstellung zum TTIP-Abkommen von einer intensiven Prüfung
und Bewertung aller Details und Beschlüsse abhängig.
Begründung:
Die Zukunft Deutschlands/Europas wird entscheidend abhängen von ihrer
Innovationsfähigkeit. Es gilt, vor allem die Chancen neuer Kooperationen wahrzunehmen
und nicht reflexartig Ängste zu schüren und damit jegliche Veränderungen abzulehnen.
Die von TTIP erwarteten Wohlfahrtseffekte betreffen gemäß Studie von CEPS (European
Policy Studies) bei einem umfassenden Handelsabkommen die Abschaffung von 98
Prozent aller Zölle, 25 Prozent aller nicht-tarifären Handelsbarrieren im öffentlichen
Beschaffungswesen. Langfristig könnten demnach in der EU neue Arbeitsplätze in
sechsstelliger Höhe entstehen.
Das TTIP-Abkommen zum Erfolg zu führen ist in unserem ureigenen Interesse, wenn
unser Land und Europa im globalen Gefüge wettbewerbsfähig bleiben sollen.
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Antrag 401
Betr.:
Mehr Chancen durch mehr Freiheit – Die Transatlantische
Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP
Antragsteller: Landesverband Baden-Württemberg
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Freihandelsabkommen werden aus einer Vielzahl von Gründen geschlossen, die
neben ökonomischen auch (geo-) politische Ziele beinhalten. Aus wirtschaftlicher
Sicht sollen die Abkommen den Handel zwischen den Partnern fördern und Beschäftigung und Wohlstand steigern.
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Nach einem Bericht der World Trade Organisation (WTO) wurden im Jahr 2013
rund 500 bilaterale und regionale Handelsabkommen der WTO gemeldet. Zusätzlich geht die WTO davon aus, dass weitere 100 Freihandelsabkommen bereits in
Kraft getreten sind, deren Meldung der WTO noch nicht vorliegen.
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Als langjähriger Partner der Europäischen Union sind die Vereinigten Staaten
von Amerika ein natürlicher Ansprechpartner, um die bestehenden politischen
und wirtschaftlichen Verbindungen zu stabilisieren und zu vertiefen. Das Ziel der
Wohlstandssteigerung soll mit dem TTIP-Abkommen, gerade in diesen für viele
europäische Staaten wirtschaftlich schwierigen Zeiten, Wachstums- und Beschäftigungsimpulse bringen, ohne deren Staatshaushalt zusätzlich zu belasten.
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Zusätzlich muss betont werden, dass das TTIP vor allem positive Effekte für
den Mittelstand in Deutschland bringen wird. Große Konzerne konnten bereits in
der Vergangenheit Handels- und Zollhemmnisse beispielsweise durch Tochterunternehmen an regionalen Standorten umgehen oder Zulassungs- und Entwicklungskosten für andere Märkte leichter finanzieren. Die neuen Chancen für kleinere und mittlere Unternehmen durch den Abbau von Zöllen, der Harmonisierung
von industriellen Normen und Zulassungsverfahren sind damit im Vergleich größer.
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Möglichkeiten für Mensch und Umwelt
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Das Freihandelsabkommen mit den USA ist im Bereich des Verbraucher- und
Umweltschutzes mit Ängsten behaftet. Die Angst vor unhygienischem Rohmilchkäse ist in den USA so verbreitet wie die Angst der Deutschen vor mit Chlor
desinfiziertem Hühnerfleisch. Und glaubt man den Lebensmittelexperten beider
Länder sind beide Ängste gleichermaßen überzogen.
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Verbraucher- und Umweltschutzstandards sind in Deutschland und in der EU
gewachsen und begründen ein hohes Vertrauen der Bevölkerung gegenüber in
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Deutschland gehandelten Waren. Aber auch die Amerikaner haben Standards,
welche teilweise höher sind als die deutschen oder europäischen. Die US Food
and Drug Administration gilt als die mächtigste Verbraucherschutzbehörde weltweit. Sie kontrolliert die Sicherheit von Lebensmitteln, Kosmetika und Medikamenten. Und speziell im letztgenannten Bereich sind die amerikanischen Standards den europäischen voraus.
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Statt aus nationaler Sicht das Abkommen als einen Angriff auf die deutschen
und europäischen Standards zu sehen, kann man es auch als Chance begreifen:
Die Chance alte, gewachsene Standards auf den Prüfstand zu stellen und global
einen neuen Maßstab nach westlicher Prägung zu schaffen.
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Letztlich handelt es sich bei TTIP um einen Vertrag zwischen zwei gleichberechtigten Parteien. Die gegenseitige Anerkennung und die Entwicklung neuer
Standards für zukünftige Produkte sollten im Vordergrund stehen. Die Verhandlungen bieten aber auch die Möglichkeit, Bewährtes zu verteidigen: Deutschland
oder die EU müssen dann klarstellen, welche Umwelt- und Verbraucherschutzstandards nicht verhandelbar sind und diese vom Vertrag ausnehmen.
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Ziel ist eine Angleichung der Schutzvorschriften auch im Bereich der Arbeitsrechtsnormen. Hier befürchten deutsche Gewerkschaften ein Absinken der Standards, während amerikanischen Gewerkschaften darauf hoffen die arbeitsrechtlichen Bedingungen an das europäische Niveau angleichen zu können. Auch im
Bereich des Berufsrechts gilt es die Verhandlungen aktiv zu begleiten. Speziell
im Bereich des Handwerks verfügt Deutschland über ein weltweit einmaliges und
erfolgreiches Berufs- und Ausbildungsrecht, welches unbedingt schützenswert ist!
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Verhandlungsführung – aus Fehlern lernen
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Um die Verhandlungen erfolgreich abschließen zu können brauchen wir kompetente, engagierte Vertreter der Länder und Bürger. Die Vorschriften des Lissaboner Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen Union bestimmen die
Rahmenbedingungen für das Verhandlungsmandat zum TTIP. Das Mandat ist
genau definiert, die Inhalte bekannt. Auch wurden von Beginn an Informationspflichten der Verhandlungsführer gegenüber den handelspolitischen Ausschüssen
des Rats sowie des Parlaments geregelt.
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Die Information der Politik ersetzt jedoch nicht die Information und Diskussion
mit den Menschen. Die Ablehnung der Bürgerinnen und Bürgern gegenüber Verhandlungen, die sie nicht unmittelbar nachvollziehen können war der Nährboden
für Fehlinformationen und Skepsis gegenüber dem gesamten Vertrag. Diese Umstände hat der ehemalige Handelskommissar De Gucht nicht nur unterschätzt –
mehr Transparenz gab es erst zu spät. Inzwischen ist das „Wie“ der Verhandlungen für die allgemeine Akzeptanz ebenso wichtig wie das „Was“.
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Unter der neuen Handelskommissarin Cecilia Malmström wurden wichtige Änderungen eingeführt. Seit Anfang 2014 begleitet eine sogenannte Beratergruppe
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die Verhandlungen. Diese besteht aus Experten in den Bereichen Verbraucherschutz, Arbeitsrecht, Umwelt, Gesundheit, Wirtschaft, verarbeitende Industrie,
Landwirtschaft und Dienstleistungen.
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Es finden regelmäßig Veranstaltungen mit Vertretern der Gewerkschaften, der
Verbraucherverbände, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft statt, um die Interessen und Bedürfnisse aller Betroffenen zu verstehen und dementsprechend in
den Verhandlungen reagieren zu können. Auch im Internet findet man detaillierte
Informationen über den Verhandlungsfortschritt und die einzelnen Kapitel.
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Letztlich muss das, was am Ende zur Entscheidung vorliegt, die Zustimmung
des europäischen Parlaments finden. Wir Freien Demokraten wissen, dass unsere Vertreter im europäischen Parlament den Vertrag prüfen und ihre Entscheidung abwägen werden und am Schluss zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger
Europas die richtige Entscheidung treffen werden.
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Investitionsschutzabkommen – neue Chancen auch für deutsche Unternehmen
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Auch mögliche Differenzen zwischen Wirtschaft und Staaten sollen im Freihandelsabkommen geregelt werden. Aber genau diese sog. Investitionsschutzklauseln stoßen gerade in der deutschen Bevölkerung auf massive emotionale Ablehnung. Mit einer Investitionsschutzklausel verpflichten sich Staaten oder Staatengemeinschaften Schiedsgerichte als alternative Klagemöglichkeit neben dem
ordentlichen Rechtsweg zu akzeptieren.
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Die Schiedsgerichtsbarkeit – wie sie mit dem Investitionsschutzabkommen eingerichtet werden soll – hat in Deutschland eine bewährte Tradition. Die Schiedsgerichtsbarkeit hat auf europäischer und globaler Ebene dazu beigetragen, dass
die Rechtssicherheit größer geworden ist. Weltweit existieren rund 3000 bilaterale
Investitionsschutzabkommen. Allein 1400 von europäischen Staaten, Deutschland
selbst hat bereits 137 Abkommen abgeschlossen. Nicht nur Deutschland, auch
Europa hat daher vielfältige Erfahrungen mit dem Abschluss von Investitionsschutzabkommen – zugunsten der europäischen Staaten.
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Das bedeutet natürlich, dass an die Einrichtung der Schiedsgerichte Anforderungen gestellt werden müssen. Im Ergebnis müssen diese ebenso sorgfältig und
unabhängig arbeiten wie unsere eigenen Gerichte auch. Dies setzt die Auswahl
unabhängiger Schiedsrichter zwingend voraus.
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Es ist in unserem Interesse, dass sich unsere Partner aus weniger rechtssicheren Ländern dazu verpflichten, sich auf neutrale Schiedsgerichte einzulassen.
Dieses Interesse können wir jedoch nur dann durchsetzen, wenn auch wir zeigen, dass wir diesen Gerichten vertrauen. Nicht umsonst bestand die EU in vergangenen Verhandlungen um Freihandelsabkommen auf Schiedsgerichte.
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Nachdem die Kommission die Öffentlichkeit gebeten hatte, ihr Rückmeldungen
zu den umstrittenen Investor-Schiedsverfahren zu geben, arbeitet sie nun an ei-
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nem verbesserten Vorschlag, der u.a. die Kritik einer fehlenden Revisionsinstanz
im aktuellen Investor-Schiedsverfahren aufgreifen und optimieren wird.
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Wichtig ist, dass nicht der Anschein entsteht, diese Verfahren würden hinter
verschlossenen Türen stattfinden. Gerade wenn Staaten involviert sind, hat die
Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse zu erfahren wie die Verfahren laufen und
was die Ergebnisse der Verfahren sind. Um dies zu gewährleisten, existiert im
Investitionsschiedsverfahren grundsätzlich keine generelle Vertraulichkeitspflicht
der Parteien. So kann der betroffene Staat seine Bürger über den Verlauf der
Verhandlungen und deren Ergebnisse informieren.
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In der Praxis hat sich sogar gezeigt, dass Investitionsstreitigkeiten meist „öffentlicher“ geführt werden als andere Verfahren. In der Praxis sind die meisten
Schiedssprüche heute für jedermann frei zugänglich sind. Damit gehen die dort
vermittelten Informationen weit über das hinaus, was beispielsweise im deutschen Zivilprozessrecht vorgeschrieben ist.
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Rat zur Regulatorischen Kooperation mittelstandsfreundlich gestalten
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Mit dem Regulatory Cooperation Council soll ein Gremium geschaffen werden,
dass zukünftige Regulierungsvorhaben zwischen den USA und Europa abstimmt,
um so Konfliktpotentiale bereits im Vorfeld zu erkennen und auszuräumen.
Grundsätzlich ist ein solches Gremium begrüßenswert, da etwa Zertifizierungoder Normungsprozesse bereits in einer frühen Phase auf Praxistauglichkeit geprüft werden können. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass in diesem Regulierungsgremium die Interessen der klein- und mittelständischen Unternehmen
vertreten werden. Dies ist unverzichtbar, da große Industrieunternehmen häufig
abweichende Standards bezüglich Kennzeichnungspflichten oder der Anerkennung von Zollvereinfachungsprogrammen und Zollsicherheitsprogrammen haben.
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Mit Herz und Verstand handeln und verhandeln – Die Chance in der Freiheit
sehen
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Auch wenn das Verhältnis zwischen den USA und Europa, gerade in der jüngsten Vergangenheit, auch einige Unstimmigkeiten aufwies, die Abhörungspraktiken
der NSA um nur ein Beispiel zu nennen: Die USA war und ist ein traditioneller
und zuverlässiger Partner Deutschlands und Europas. Diese Verbindung zu vertiefen birgt für beide Seiten Chancen: Europa erhält neue Impulse für Wirtschaftswachstum und die historische Chance gemeinsam mit den USA weltweit
bessere Standards zu setzen und so für die globale Bevölkerung höhere Lebensstandards zu erzielen. Deutschlands Wirtschaft kann neue Wachstumsmärkte für sich erschließen und von einer vereinheitlichten Zulassung seiner Produkte
in den großen Markt der USA profitieren.
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Für die Freien Demokraten ist es selbstverständlich, dass im Bereich des Umwelt- und Verbraucherschutzes qualitativ keine Abstriche gemacht werden dürfen. Das von der EU-Kommission definierte Vorsorgeprinzip muss uneinge-
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schränkt beibehalten werden. Es ist sicherzustellen, dass das hohe Schutzniveau
für Menschen und Umwelt erhalten bleibt. Die Verhandlungen müssen transparent gestaltet sein, die Bürger müssen auf dem Weg mitgenommen werden. Wir
stehen für eine sachliche Debatte und konsequenten Verhandlungen mit den
USA. Auf der anderen Seite wollen wir unbegründeten Ängsten mit Aufklärung
begegnen. Immer dann, wenn Deutschland und Europa den Freihandel vorangetrieben haben, haben wir profitiert: Freihandel hat für unternehmerische Chancen gesorgt, Wohlstand geschaffen und Beschäftigung gesichert.
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Folgende Punkte müssen aus unserer Sicht in den Verhandlungen berücksichtigt werden:
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Für uns entscheidet das Ergebnis – enthält der fertige TTIP Vertrag diese Kriterien, werden wir diesem zustimmen. Bis dahin, sollten wir Freien Demokraten
dem Projekt aufgeschlossen und positiv gegenüberstehen!
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In dem Freihandelsabkommen sind die Belange des Handwerks, insbesondere die Besonderheiten des Meistertitels vor Eingriffen zu schützen.
Die Aufnahme einer Klausel, welche regelt, dass eine Partei des Investitionsschutzabkommens innerhalb des Freihandelsabkommens nicht aus dem
gleichen Rechtsgrund sowohl vor dem Schiedsgericht als auch vor einem
ordentlichen Gericht klagen kann. In den Verhandlungen soll darauf hingewirkt werden, dass der Umfang des Investitionsschutzes des Freihandelsabkommens dem Umfang des Investitionsschutzes des deutschen Rechts
angepasst wird.
Um Rechtssicherheit für Investoren auch zwischen den unterschiedlichen
Investitionsschutzabkommen zu erzielen, befürwortet die FDP die Einrichtung einer Berufungsinstanz, die über den einzelnen Investitionsschutzabkommen angesiedelt ist und der Vereinheitlichung der Rechtsprechung und
der steigenden Rechtssicherheit dienen soll.
Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Antrag 402
Betr.:
Europäische Grundrechtepolitik
Antragsteller: Landesverband Baden-Württemberg
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Mit der EU-Grundrechte-Charta haben die europäischen Bürgerinnen und Bürger
starke Rechte gegenüber dem Handeln der EU-Institutionen bekommen.
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Datenschutz, Schutz der Privatheit und Meinungsfreiheit sind einige der wichtigen Grundrechte in Zeiten der Digitalisierung. Der Gerichtshof der Europäischen
Union hat sich zum hervorragenden Wächter dieser Grundrechte entwickelt.
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Die FDP verteidigt diese Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Mit dem
Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten und der Privatsphäre ist die anlasslose, massenhafte und flächendeckende Speicherung von personenbezogenen Daten nicht vereinbar.
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So wie dies bei den Telekommunikationsverbindungsdaten der Fall ist, gilt dies
auch für die Speicherung der Flugpassagierdaten.
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Die FDP lehnt, wie im Europawahlprogramm festgelegt, eine anlasslose Speicherung und Verarbeitung der Daten der Fluggäste ab. Dieses Vorhaben der
EU-Kommission, über das schon lange verhandelt wird, ist nach der Entscheidung des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung nicht mit der EU-Grundrechte-Charta in Einklang zu bringen.
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Die FDP lehnt eine derartige Überwachung des Flugverhaltens aller Fluggäste
aus grundsätzlichen Überlegungen ab. Die FDP steht zu ihrem Versprechen.
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Im Übrigen fordert die FDP der Rat den EU und insbesondere die Bundesregierung auf, ihren Widerstand gegen die Datenschutzgrundverordnung aufzugeben.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 403
Betr.:
Solidarität der Gesellschaft mit den Streitkräften
Antragsteller: Bezirksverband Oldenburg
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die FDP startet auf innenpolitischer Ebene eine Solidaritätskampagne, die das
Symbol der "Gelben Schleife" nutzt. Diese wird bisher innerhalb der Streitkräfte
eingesetzt und hat in der Zielgruppe einen positiven, hohen Bekanntheitsgrad.
Als leicht erfassbares "Bild" unterstützt die Gelbe Schleife empathische Botschaften und erreicht die Menschen schneller als rationale Aussagen.
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1. Die Soldaten erwarten eine Anerkennung für ihren grundgesetzlich geforderten
Dienst aus der Gesellschaft heraus. Auch für die Pflichterfüllung bei den von unserem Parlament geforderten Einsätzen wird diese menschliche Solidarität erwartet. Dabei geht es nicht um das Für und Wider von Einsätzen, sondern um die
moralische Unterstützung bei der Ausübung des geforderten Dienstes.
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2. Das Orginal der "Gelben Schleife" soll durch die FDP als Symbol für die
menschliche Solidarität mit der Bundeswehr aktiv genutzt werden.
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3. Das Symbol der "Gelben Schleife" bekundet unsere Solidarität mit den Soldatinnen und Soldaten, den Reservistinnen und Reservisten sowie deren Familien.
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4. Die "Gelbe Schleife" soll für die Mitglieder- und Wählerwerbung unter Nutzung
des Themas "Sicherheitspolitik" durch die FDP bundesweit für den kommunalen,
landes- und bundespolitischen Bereich verwendet werden. Bei geeigneten Kampagnen und Aktionen soll das Symbol der “Gelben Schleife” auf Plakaten und
Flyern der FDP abgebildet werden.
Begründung:
Durch das Eintreten der FDP für die Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland hat die
FDP eine besondere Verantwortung übernommen, die neu gestalteten Streitkräfte
unseres Landes in Strukturentscheidungen, Ausbildung und Einsatz zu begleiten und zu
unterstützen. Die intensive Begleitung der Abschaffung der Wehrpflicht kann nur im
Gleichklang mit der Unterstützung der Neugestaltung der Bundeswehr politisch
glaubwürdig vertreten werden.
In Deutschland leben mehrere Millionen Männer und Frauen, die in unseren Streitkräften
gedient haben und damit als Reservisten und Reservistinnen gelten. Dazu kommen die
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aktiven Streitkräfte mit einem Umfang von rund 180 000 Menschen. Diese wiederum
werden durch ihre Familien, Freunde und eine Vielzahl von Bekannten unterstützt.
Über die "Gelbe Schleife" soll durch die FDP eine Diskussion über die Sicherheitspolitik
mit ihren Säulen Verteidigungspolitik, Aussenpolitik, Sicherheit durch Polizeieinsatz und
den immer notwendigen Wiederaufbau angeregt und geführt werden.
Das freundliche Desinteresse an
Solidaritätsbekundung ersetzt werden.
der
Bundeswehr
sollte
durch
eine
aktive
Die Genehmigung zur Nutzung der "Gelben Schleife" durch die FDP wurde bei der
Gründerin der Aktion eingeholt.
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Antrag 500
Betr.:
Für eine grundsätzliche Neugestaltung des deutschen
Rentensystems
Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die FDP spricht sich angesichts der Herausforderungen durch den demographischen Wandel unserer Gesellschaft für eine grundsätzliche Neugestaltung des
deutschen Rentensystems aus.
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Das deutsche Rentensystem basiert auf dem Grundgedanken des Generationenvertrages, nachdem die jeweils im Erwerbsleben stehende Generation die
Renten der nicht mehr erwerbstätigen Generation im Umlageverfahren finanziert.
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Der demographische Wandel wirkt sich durch zwei Komponenten auf dieses
Rentensystem aus: Zum einen durch das immer höhere Lebensalter der Bevölkerung und zum anderen durch die Abnahme der Geburtenrate und die dadurch
eintretende Verringerung der Anzahl der später Erwerbstätigen. Immer weniger
Erwerbstätige (mit immer länger werdenden durchschnittlichen Lebenszeiten für
die berufliche Ausbildung – also ohne echte Beitragszahlungen), müssen immer
mehr Altersrentner mit immer längerer Lebenszeit finanzieren.
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Ein solches System funktioniert zukünftig nur, wenn entweder die Lebensarbeitszeit und/oder die Beitrage drastisch erhöht oder die Rentenleistungen drastisch vermindert werden. Das schlichte Festhalten an diesem rein umlagefinanzierten Rentensystem dürfte zur Folge haben, dass bei erheblich steigenden
Rentenbeiträgen für die meisten Rentenbezieher nur das Existenzminimum abgesichert werden könnte. Deshalb bedarf es einer grundsätzlichen Neugestaltung
des Systems.
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Die FDP sieht in einer Kombination aus einem umlagefinanzierten und einem kapitalgedeckten System die Zukunft der ersten Säule der gesetzlichen Altersvorsorge. Dabei ist der durch Umlage finanzierte Teil zukünftig durch ein System fiktiver Guthaben der Beitragszahler auf individuellen Beitragskonten mit fiktiver
Verzinsung zu ersetzen (sog. notional defined contribution system (NDC)).
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Eine Umstellung unseres Rentensystems auf ein rein kapitalgedecktes System
ist nicht realisierbar, weil in einer Übergangsfrist durch Steuermittel sämtliche
Rentenleistungen finanziert werden müssten, die ältere Generationen durch ihre
Beitragsleistungen erworben haben und die es zu sichern gilt. Ein kleiner Anteil,
vor allem aber ggfs. derzeit erzielte Überschüsse, sollten allerdings in einen kapitalgedeckten Teil der gesetzlichen Alterssicherung fließen. Dies könnte nach
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schwedischem Modell auch ein Anteil von ca. 2,5 Prozent der Beiträge sein, die
als sogenannte Prämienrente auf freiwilliger Basis erbracht werden können.
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Ziel der Umstellung des umlagefinanzierten Teils der Rentenversicherung auf
ein NDC-System ist es, einen starken Anstieg der Beitragssätze zu verhindern,
unfaire Umverteilungseffekte auszuschließen und Transparenz für alle Beitragszahler zu schaffen.
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Dabei werden die Beitragszahlungen – und nur diese – auf fiktiven Konten geführt, die von Anfang an einer Verzinsung unterliegen. Dieser Zinssatz bestimmt
sich allein aus dem Wachstum der Beitragssumme und ist dadurch geeignet,
sämtliche demographischen Veränderungen sofort und ohne weitere gesetzliche
Eingriffe abzubilden. Bei Renteneintritt wird das fiktive Vermögen gemäß versicherungsmathematischen Regeln in eine lebenslange Rente konvertiert. Dadurch
werden Veränderungen der Lebenserwartung sofort und ohne gesetzgeberischen
Eingriff berücksichtigt.
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Mit dieser Umstellung auf ein NDC-System lassen sich viele Vorteile erzielen,
die wir im Rentensystem verankern wollen:
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- Es fördert die Transparenz der umlagefinanzierten Säule, indem es klar die individuellen Beiträge und die daraus resultierenden Leistungsansprüche identifiziert.
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- Es schafft für Beitragszahler die Freiheit zur selbstbestimmten Wahl des eigenen Verrentungsalters oberhalb eines festgelegten Mindestalters.
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- Es stärkt das Prinzip, dass Renten auf dem Lebenszeiteinkommen basieren
und belohnt Arbeitnehmer, die früh in den Arbeitsmarkt eintreten.
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- Es erlaubt es einfach, Transferleistungen als Ersatzbeiträge zu identifizieren
und sorgt dafür, dass diese Transferleistungen nur steuerlich finanziert werden
können. Damit verhindert das System die Belastung der Beitragszahler mit rentenfremden Leistungen.
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- Es bietet einen Rahmen, um ggfs. mittelfristig auch Selbständige und Beamte
in das System mit einzubeziehen.
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Wir sprechen uns dafür aus, als erstmögliches Renteneintrittsalter das 60. Lebensjahr festzulegen. Ab diesem Lebensalter soll der Renteneintritt von jedem
Menschen selbst festgelegt werden können, soweit bis dahin aus der gesetzlichen Rente sowie etwaiger betrieblicher oder privater Altersvorsorge ein Einkommen erzielt wird, das oberhalb eines Grundsicherungsniveaus liegt. Vom Zeitpunkt des Renteneintritts sollen darüber hinaus keine Hinzuverdienstgrenzen bestehen.
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Mit dieser Möglichkeit verbindet sich auch unsere Erwartung, dass sich durch die
Freiwilligkeit in der Festlegung des Renteneintrittsalters ein größerer Teil der
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Menschen für ein längeres Erwerbsleben entscheiden werden. Das in Schweden
eingeführte Modell hat dieses gezeigt, denn Schweden hat das höchste faktische
Durchschnittsrenteneintrittsalter in ganz Europa.
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Die Hinzuverdienstgrenzen für Rentenbezieher sind schon heute eine unverhältnismäßige Freiheitsbeschränkung. Nach der Einführung des neuen Systems werden sie obsolet sein, weil die Rente auf der Basis der individuellen Leistungskonten gezahlt wird. Von den neben der Rente erzielten Einkünften sind allerdings
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu leisten. Auch die weitere, freiwillige Einzahlung in die Rentenkasse zur Erzielung von Rentensteigerungen ist
möglich.
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Für alle Menschen, die bis zu ihrem 67. Lebensjahr aus dem gesetzlichen Rentensystem und einer betrieblichen oder privaten Altersvorsorge keine Einnahmen
erzielen können die ein staatlich festgelegtes Existenzminimum erreichen, wird
eine staatliche Garantierente gezahlt, die ausschließlich aus Steuern zu finanzieren ist.
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Von der Konzeption her ist diese Garantierente eine staatlich finanzierte Aufstockung der Einkommensrente, entsprechend der schon heute in der deutschen
gesetzlichen Rentenversicherung angelegten Grundsicherung im Alter. Sie erspart allerdings Rentenbeziehern den zusätzlichen Gang zum Sozialamt, sondern
sichert ihnen – analog dem Bürgergeldsystem – eine bedarfsorientierte, bedürftigkeitsgeprüfte und existenzsichernde Altersversorgung. Der Gesetzgeber ist insoweit frei die Bedingungen für den Bezug und die Höhe festzulegen, hat dazu
allerdings die erforderlichen Mittel aus Steuergeldern aufzubringen. Insbesondere
das schwedische Rentenmodell sieht insoweit bestimmte Anwartschaftszeiten vor
und die Höhe richtet sich nach Familienstand und Dauer eines Wohnsitzes im Inland.
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In der Eigenverantwortung jedes Einzelnen können und sollen neben dieser
Säule der gesetzlichen Rentenversicherung die Möglichkeiten der betrieblichen
und privaten Altersvorsorge wahrgenommen und ausgebaut werden.
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Uns ist bewusst, dass trotz dieser Umstellung des gesetzlichen Rentensystems
für viele Menschen die Notwendigkeit einer zusätzlichen betrieblichen und privaten Altersvorsorge bestehen wird, um ein angestrebtes Wohlstandsniveau auch
im Alter zu realisieren. Freiräume dazu entstehen für die Bürgerinnen und Bürger
vor allem durch finanzielle Entlastungen im Steuersystem, wie sie die FDP seit
langem fordert.
Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Antrag 501
Betr.:
Renten sichern! – Versicherungsfremde Leistungen
überprüfen und durch Steuern finanzieren.
Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die FDP fordert, dass die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Alterssicherung in der Gesetzlichen Rentenversicherung vollständig für die Alterssicherung verwendet und eindeutig von nicht-beitragsgedeckten ("versicherungsfremden") Leistungen abgegrenzt werden. Die FDP will erreichen, dass "versicherungsfremde" Leistungen der Rentenkassen vollständig durch Bundeszuschüsse gedeckt werden. Der Umfang der nicht beitragsgedeckten Leistungen
muss jährlich zeitnah ermittelt, veröffentlicht und überprüft werden. Diese Leistungen dienen der Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben und ihre Finanzierung darf deshalb nicht zu Lasten der Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern der Rentenversicherung erfolgen und deren Rentenansprüche schmälern.
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Das Reformziel der FDP ist es, durch eine Stärkung des gesetzlichen Rentensystems
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• die Risiken von Altersarmut zu reduzieren,
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• weitere Absenkungen des Rentenniveaus zu bremsen, ohne dabei
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• die paritätische Beitragsfinanzierung zu überfordern.
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Um diese Zielsetzung zu erreichen, fordert die FDP ein langfristig tragfähiges
Gesamtkonzept, das die durch die "Rentenreformen" der letzten Jahre verursachten Defizite des gesetzlichen Rentensystems korrigiert. Hierbei muss der von
Wissenschaftlern (u.a. des "Sachverständigenrates") prognostizierte Verfall des
Brutto-Rentenniveaus bis auf 40 Prozent (bei "Standardrentnern" mit 45 Versicherungsjahren!) bis zum Jahr 2030 gestoppt und die hohe Subventionierung
von einzelnen kapitalgedeckten Altersvorsorgeprodukten korrigiert werden.
Begründung:
Die Problematik der versicherungsfremden Leistungen:
Seit es die Rentenversicherung des Bundes gibt, muss sie auch versicherungsfremde,
also nicht beitragsgedeckte, Leistungen übernehmen. Der Katalog dieser Leistungen ist
sehr umfangreich und reicht von Ersatzzeiten (z.B. Wehrdienst), Anrechnungszeiten (z.B.
bei Krankheit oder Schwangerschaft), Kriegsfolgelasten und Frührenten bis hin zur
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Witwenrente. Die Erbringung dieser Leistungen ist (sozial-)politisch gewollt – sie gelten
als gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Allen diesen Leistungen stehen jedoch keine
Beiträge der Rentenversicherten gegenüber. Aus diesem Grund sollen diese Leistungen
auch über den sogenannten Bundeszuschuss aus Steuermitteln getragen werden.
Verschiedene Untersuchungen ergaben jedoch, dass die Summe der Bundeszuschüsse
konstant weit unter den tatsächlich erbrachten versicherungsfremden Leistungen liegt.
Bezogen auf die Rentenversicherung ergab beispielsweise eine DIW-Studie aus dem
Jahre 2005 für das Betrachtungsjahr 2002 einen Fehlbetrag von 39,2 Milliarden Euro (1):
Versicherungsfremde Leistungen in der Sozialversicherung 2002 (in Mrd. EUR)
Kriegsfolgelasten: 14,0
Anrechnungszeiten: 10,2
Rentenzuschläge: 9,0
Frührenten: 16,0
Witwen-, Witwerrente: 31,6
Vereinigungslasten, Rentenbestand: 7,7
Gesamt: 88,5
Bundeszuschuss: -49,3
Versicherungsfremde Leistungen (RV) (Saldo): 39,2
Eine konservativere Schätzung von Bert Rürup im Auftrag der Bundesregierung geht für
das Jahr 2003 von einem Fehlbetrag von 23,5 Milliarden Euro aus. Die Differenz beträgt
somit 19% (DIW) bzw. 12% (Rürup) der Gesamtleistungen der Rentenversicherung.
Quellen:
(1) Meinhardt, V.; Zwiener, R. 2005: Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer
Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen in der Sozialversicherung, Berlin,
S.8.
(2) Bericht der Bundesregierung zur Entwicklung der nicht beitragsgedeckten Leistungen
und der Bundesleistungen an die Rentenversicherung, 2004, in: Deutsche
Rentenversicherung“, Heft 10, Oktober 2004, S.579f.
Es lässt sich allerdings nicht feststellen, dass der politische Wille vorhanden ist, diese
Missstände zu korrigieren. Ein wesentlicher Missstand ist, dass noch nicht einmal
belastbare Zahlen über die versicherungsfremden Leistungen erhoben werden (weil die
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Sozialversicherungsträger dazu nicht verpflichtet sind), weshalb man für Schätzungen
auch auf Zahlen zurückgreifen muss, die z.T. über zehn Jahre alt sind. Ob diese Zahlen
für die Rentenversicherung noch aktuell sind, lässt sich daher auch nicht eindeutig
sicherstellen. Einige versicherungsfremde Leistungen, wie beispielsweise die Kriegs- und
Wiedervereinigungslasten sind in den letzten zehn Jahren durch das Ableben einiger
Leistungsempfänger gesunken, während andere Leistungen wie die arbeitsmarktbedingte
Frühverrentung jedoch gestiegen sind.
Das Grundproblem dieser versicherungsfremden Leistungen besteht darin, dass die
Finanzierung aus Steuermitteln von allen Steuerzahlern getragen wird und nicht nur von
den
Betragszahlern
(Arbeitnehmer
und
Arbeitgeber)
der
gesetzlichen
Rentenversicherung. In die gesetzliche Rentenversicherung zahlen beispielsweise weder
Beamte noch Selbstständige, die nicht freiwillig versichert sind, ein. Ferner gilt hier die
sogenannte Beitragsbemessungsgrenze – Einkommen oberhalb von 5.950 Euro brutto
(West) bzw. 5.000 Euro brutto (Ost) werden für die Rentenversicherung nicht mehr
herangezogen.
Die Finanzierung sozialpolitischer bzw. gesamtgesellschaftlicher Leistungen ist jedoch
Aufgabe der Allgemeinheit und nicht nur der sozialpflichtig versicherten Arbeitnehmer und
der Arbeitgeber. Es erfolgt aber momentan das Gegenteil: Die Finanzierung von
sozialstaatlichen Leistungen, die durch die Allgemeinheit getragen werden müssten, wird
fortlaufend in die Sozialkassen geschoben, die von den sozialversicherungspflichtigen
Arbeitnehmern getragen werden. Im Ergebnis wird die gesetzliche Rentenversicherung
fortlaufend geschwächt und die Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden belastet.
Die Problematik der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge
Bei der Einführung der Riester-Rente ist für kapitalgebundene RiesterRentenversicherungen z.T. noch von einer jährlichen Rendite von bis zu neun Prozent
ausgegangen worden (inkl. Zulagen – aber ohne Berücksichtigung der
Verwaltungskosten). Für die Zukunft spielen wegen der niedrigen EZB-Zinsen positive
Gewinne aus dieser „Geldanlage“ überhaupt keine Rolle mehr. Nach der Finanzkrise
2008 wurden schon deutlich niedrigere Renditen skizziert (je nach Anbieter zwischen 0,6
Prozent bis 1,5 Prozent p.a.).
Diese Szenarien haben sich mittlerweile nochmals deutlich verschlechtert:
Bei Riester-Rentenversicherungen ist eine Mindestverzinsung von z. Zt. 1,75 Prozent (ab
Januar 2015: 1,25 Prozent) in den Renditen zu berücksichtigen. Wird diese
Mindestverzinsung vor dem Hintergrund er EZB-Niedrigzinspolitik nochmals weiter
reduziert, leiden darunter auch die obigen Renditen.
Die Renditen (der höher verzinsten Altverträge) werden allerdings auch nur dann erfüllt,
wenn man das Durchschnittsalter erreicht. Stirbt man zum Beispiel fünf oder zehn Jahre
nach Rentenbeginn und hat (wie die meisten) nur eine fünf-jährige Rentengarantiezeit
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vereinbart, wird
Bezuschussung.
die
Riester-Rente
eine
negative
Geldanlage,
trotz
staatlicher
Durch die Rentenreformen der letzten zwei Jahrzehnte ist die gesetzliche Rente
konsequent geschwächt worden (z.B. durch die Abwälzung versicherungsfremder
Leistungen). Das Ziel der Riesterrente besteht darin, den Verfall des Rentenniveaus durch
private Altersvorsorge zu kompensieren und Rentenbeitragserhöhungen zu vermeiden.
Damit der individuelle Riester-Sparer dieses Ziel realisiert (und die vollen Zulagen erhält),
müssen jährlich vier Prozent des rentenversicherungspflichtigen Einkommens in einen
Riester-Vertrag eingezahlt werden – also faktisch wird der Altersvorsorgebeitrag
(gesetzliche Rente + Riester) um vier Prozentpunkte erhöht – aber nicht paritätisch,
sondern alleine durch den Arbeitnehmer. Hinzu kommt, dass die Rendite bei dem
aktuellen Zinsniveau (welches sich mittelfristig nicht erhöhen dürfte) u.U. negativ ausfällt.
In Wechselwirkung mit dieser Problematik kommt erschwerend hinzu, dass die im
Ruhestand ausgezahlte Rentenleistung bei der Bedürftigkeitsprüfung für die
Grundsicherung im Alter voll angerechnet wird.
Dass private Altersvorsorge, die eine negative Rendite abwirft (und dann beim Bezug von
Grundsicherung im Alter voll angerechnet wird), auch noch staatlich bezuschusst wird
(durch die Zulagen und Steuerrückerstattungen) ist sozialpolitisch, rentenpolitisch und
ordnungspolitisch überhaupt nicht nachzuvollziehen.
Weitere
Erfolgt mündlich.
Begründung:
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Antrag 502
Betr.:
Eine sichere, bezahlbare und vernünftige Energieversorgung
Antragsteller: Landesverband Hessen
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1. Die im Energiesektor aufgebaute staatliche Planwirtschaft muss sofort beendet und ein marktwirtschaftliches System geschaffen werden.
2. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat die Energiekosten für die
Verbraucher in den letzten Jahren, wie es von einem planwirtschaftlichen
System zu erwarten ist, in die Höhe getrieben. Als erster Schritt eines Ausstiegs aus der planwirtschaftlichen Energiewende ist das EEG daher ersatzlos abzuschaffen. Bestehende Rechtsansprüche von Produzenten von Erneuerbaren Energien aus dem EEG bleiben insoweit gewahrt, wie diese
durch die bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen unabweisbar sind.
3. Die Rolle des Staats ist auch im Energiemarkt endlich wieder auf die Festlegung von ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und die Finanzierung
der Grundlagenforschung, z.B. für neue und effiziente Speichertechnologien, zu begrenzen. Die Mittel zur Erforschung neuer Speichertechnologien
sind aufzustocken, da ohne diese der weitere Ausbau der Erneuerbaren
Energien ökonomisch und ökologisch nicht vertretbar ist. Ein Quotenmodell
für das EEG lehnt die FDP ab.
4. Die Analyse der Entwicklungen in den letzten beiden Jahren macht deutlich, dass die Ergebnisse des Energiegipfels und die bisherige Vorgehensweise bei der Umsetzung als falsch betrachtet werden müssen. Für den
deutschen Alleingang bei der Energiewende bezahlen die Menschen in unserem Land inzwischen teuer, zuerst mit ihrer Stromrechnung und nicht selten anschließend mit ihrem Job. Die Belastbarkeit des Mittelstands stößt in
Folge der dramatisch gestiegenen Kosten der Ökostromförderung an ihre
Grenzen. Aus dieser Feststellung zieht die FDP die Konsequenz, dass sie
die Beschlüsse des Energiegipfels zum Ausbau der erneuerbaren Energien
nicht mehr mittragen kann.
5. Die FDP fordert, entsprechend Art. 194 des Lissabon Vertrages
(EU-Grundlagenvertrag), die Verwirklichung der gemeinsamen europäischen
Energiepolitik und eines europäischen Energiebinnenmarktes zur Gewährleistung einer langfristig sicheren und bezahlbaren Energieversorgung. Ein
europäischer und auf der Basis marktwirtschaftlicher Grundsätze ausgestalteter Energiemarkt sorgt dafür, dass auch Erneuerbare Energien ohne Subventionen dort erzeugt werden können, wo sie tatsächlich rentabel sind.
Zudem bietet der europäische Energiemarkt die Möglichkeit, die Versorgungssicherheit weiter zu erhöhen. Gleichzeitig wird sich durch den euro-
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paweiten Wettbewerb für die Bürger insgesamt ein niedrigerer Strompreis
bilden.
Auch im Energiesektor gilt für uns, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist. Deswegen sehen wir es mit Sorge, dass der Einfluss des
Staates in der Energiebranche immer weiter steigt: Stromnetze werden verstaatlicht und Stadtwerke gerieren sich als Stromkonzerne. Das Risiko dieses Expansionskurses tragen jedoch die Steuerzahler und Stromkunden.
Wir fordern daher wieder eine Rückbesinnung auf das Prinzip, dass der
Staat nur dort tätig werden darf, wo sich kein privater Anbieter findet und
ein öffentliches Interesse vorhanden ist.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger müssen die Abstandsgrenzen
von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung nach dem Grundsatz Höhe des
Windrades mal 10 (H10) erweitert werden. Dieser Grundsatz ist gesetzlich
verbindlich zu regeln. Siedlungsbebauung und Weilerbebauung (Streusiedlungen) sind gleichzusetzen.
Die Interessen der Umwelt und des Naturschutzes, insbesondere wenn
Waldflächen abgeholzt werden sollen, sind umfassend zu berücksichtigen
und mit wirksamen Auflagen durchzusetzen.
Um auch in Zukunft eine nachhaltige und sichere Energieversorgung sicherzustellen, genügt es nicht, neue Methoden zur Stromerzeugung zu entwickeln. Vielmehr müssen wir die Energieeffizienz ausbauen und Energieeinsparungen zu einem Thema machen. Im Wettbewerb um die besten
Konzepte haben stumpfe Verbote aber nur eine hinderliche Wirkung. Die
Öko-Design-Richtlinie, die unter anderem herkömmliche Glühbirnen verboten hat, lehnen wir deshalb ab.
Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Antrag 503
Betr.:
Deutschland braucht verlässliche Energie
Antragsteller: Landesverband Bayern
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Energiepolitik muss den Rahmen setzen für eine Versorgung der Menschen und
der Unternehmen mit Energie nach dem bewährten Dreiklang: Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit. Dabei ist Energie weit mehr als
Strom. Liberale Energiepolitik nimmt deshalb alle Bereiche der Energieversorgung
und des Gesamtenergiebedarfs in den Blick.
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Der energiepolitischen Verantwortungslosigkeit setzt die FDP eine zukunftsfähige Energiepolitik mit Verstand entgegen. Wir müssen jetzt alle Energie darauf
verwenden, die Fehler der Vergangenheit schnellstens zu korrigieren. Es ist eine
Überlebensfrage für den Industriestandort Deutschland, dass diese Nachsteuerung kurzfristig gelingt.
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I. Impulse für eine tragfähige Energiepolitik
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Aus der Sorge um die Umwelt und aus Verantwortung für künftige Generationen bekennt sich die FDP zum Schutz des Klimas und daraus folgernd zur Reduzierung der CO2-Emissionen und anderer Treibhausgase sowie Ressourcenschutz. Für eine große Industrienation sind der umfassende und nachhaltige Umbau der gesamten Energieversorgung sowie der Umstieg auf eine weitgehend
CO2-neutrale Stromerzeugung bis zum Jahr 2050 ambitioniert, aber machbar. Liberale Energiepolitik orientiert sich im Interesse der Menschen und Unternehmen
in unserem Land, am Stand der Technik, an realistischen Zukunftsszenarien sowie ökonomischen und ökologischen Notwendigkeiten. Dies kann nur gelingen,
wenn den drei Säulen der Energiepolitik, Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit der Energie gleichermaßen Rechnung getragen wird.
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II. Die Energiewende steckt in der Sackgasse
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Sie findet derzeit allein als „Stromwende“ statt
ventionsgetriebenem Wettlauf um den Ausbau
ger wie Unternehmen geraten hinsichtlich des
veritablen Wettbewerbshindernis entwickelt hat,
tungsgrenze.
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Geschaffen wurde mit dem EEG ein immer unübersichtlicher werdender Umverteilungsmechanismus. Es ist bislang nicht gelungen, die Energiewende in die Gegebenheiten des europäischen Strommarktes einzubetten.
und erschöpft sich in einem subder erneuerbaren Energien. BürStrompreises, der sich zu einem
mehr und mehr an ihre Belas-
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III. Die von der Bundesregierung für dieses Jahr angestrebte EEG-Reform
ist bereits heute gescheitert
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Bereits vor zwei Jahren wäre es notwendig gewesen, die Fördersätze und das
Ausbautempo der Erneuerbaren Energieträger deutlicher zu senken und den Einspeisevorrang abzuschaffen. Dieser Weg wird durch den „Energie-Kompromiss“
von Bund und Ländern nun erneut versperrt, weil sich die Interessen von einzelnen Branchen und Ländern durchgesetzt haben: Die geplante Deckelung des Zubaus an Windenergie wird aufgeweicht, unwirtschaftliche Windstandorte sollen
stärker bezuschusst werden und auch die geplanten Kürzungen für Biogasanlagen werden abgemildert. Union und SPD sowie die Bundesländer versäumen es
erneut, die Kostenentwicklung der Energiewende zu dämpfen.
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Die wesentliche Ursache dieser Entwicklung bildet das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das in seiner jetzigen Form einer wirtschaftlich tragfähigen Energiewende im Weg steht Die EEG-Umlage ist zum Jahresbeginn 2014 erneut
um fast 20 Prozent auf 6,24 Cent pro Kilowattstunde gestiegen. In der Prognose
für das Jahr 2014 werden die Stromverbraucher durch das EEG mit Kosten in
Höhe von 24 Mrd. Euro für die Erzeugung von Strom mit einem Marktwert von
2,1 Mrd. Euro belastet. Diese Kosten steigen derzeit mit jeder neuen EEG-begünstigten Anlage weiter an. Vor Ablauf der nächsten 15 Jahre ist infolge der
Förderungs-Systematik auch nicht mit einer Reduzierung zu rechnen. Und in diesem Zeitraum werden die Verbraucher und Gewerbetreibenden mit mindestens
einem dreistelligen Mrd. Betrag durch Kostenüberwälzung belastet. Diese war zu
Beginn des Ausbaus bei wenigen Prozent Beitrag durch die Erneuerbaren Energien vertretbar, aber bei mittlerweile über 27 Prozent Anteil an der Stromerzeugung muss zu mehr Marktwirtschaft zurückgekehrt werden.
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Darüber hinaus ist dieses System in hohem Maße unsozial, da die Subventionierung nicht durch den Bundeshaushalt, sondern durch die Verbraucher direkt,
also ohne Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, stattfindet. Somit findet eine Umverteilung von unten nach oben statt, von
Mietern zu Vermietern, von Bedürftigen zu Gutsituierten. Das EEG ist zudem ungeeignet, Innovationen anzustoßen. Weder innovative Erzeugungs- oder Speichertechnologien, noch intelligente Netze werden in seiner Förderungssystematik
abgebildet. Stattdessen hat sich das EEG insbesondere in der Photovoltaik als
gigantisches Förderprogramm ausländischer Billigprodukte erwiesen und zum
Niedergang der deutschen Unternehmen in dieser Branche und zur Vernichtung
von Arbeitsplätzen beigetragen.
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Außerdem hat das EEG zu einer Fixierung auf den Strombereich geführt, alle
anderen Energiebereiche wurden politisch nur unzureichend gewürdigt: In anderen Bereichen wie bei der Steigerung der Energieeffizienz, im Wärmebereich
oder dem Verkehrssektor bleiben die treibenden Impulse zur CO2-Minimierung
deshalb bisher aus.
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Die zentrale Großbaustelle ist, neben der Entwicklung sowie dem Aus- und Umbau der Netze und Speicherkapazitäten, die Frage, wie die Kosten der Energieversorgung minimiert werden können und wie das künftige Strommarktdesign im
Wettbewerb so gestaltet werden kann, dass eine komplett subventionsfreie Energieerzeugung zu erreichen ist.
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Liberales Strommarktdesign bedeutet deshalb nicht die Förderung einer bestimmten Energieerzeugungsart, sondern die Herstellung tragfähiger Wettbewerbsbedingungen, um CO2 zu reduzieren und möglichst günstige und umweltgerechte Verbraucherpreise gewährleisten zu können.
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IV. Schritte zu einer wettbewerblichen Energiepolitik
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1. Schonungslose Bestandsaufnahme
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Wir fordern die umgehende Einleitung einer schonungslosen Bestandsaufnahme der bisher in Richtung Energiewende zurückgelegten Wegstrecke und die
Ausarbeitung
realistischer
Zukunftsszenarien,
die
nicht
durch
politisches
Wunschdenken geprägt sein dürfen, sondern vielmehr naturwissenschaftliche
und ökonomische Gesetzmäßigkeiten berücksichtigen müssen.
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2. Beendigung der Einspeisevergütung für Neuanlagen (diesbezügliches Moratorium desEEG)
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Die Einspeisevergütung für Neuanlagen ist sofort zu beenden. Die unterschiedlichen Vergütungen aller EEG-begünstigten Erzeugungsanlagen tragen zu einer
weiteren Verzerrung des Wettbewerbs unter den verschiedenen erneuerbaren
Energieträgern bei. Für Altanlagen sowie für Anlagen, die gerade errichtet werden, gelten die vertraglich eingegangenen Verpflichtungen (Vertrauensschutz);
Wir unterstützen die entsprechende Empfehlung des Sachverständigenrates zur
Begutachtung der gesamtwirt-schaftlichen Entwicklung. Weitere Unterstützung
soll nur noch nach dem Grundsatz der Technologie-Förderung bis zum Erreichen
der Marktreife, finanziert aus Steuermitteln, für einen überschaubaren Zeitraum
gewährt werden.
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Die Politik gibt jährliche „Gesamtmengen“ an Erneuerbaren Energien vor, die
ausgebaut werden sollen. Um diese Mengen können sich alle Marktteilnehmer
frei bewerben. Die in diesem Wettbewerb günstigsten Angebote erhalten in diesen Ausschreibungen den Zuschlag. Dies wird zwangsläufig vorübergehend zu
einer aus unserer Sicht notwendigen Deckelung des weiteren Ausbaus volatiler
erneuerbarer Energieerzeugungsformen (Windkraft und Photovoltaik) führen, solange die dafür dringend notwendigen Speicherkapazitäten und der dafür notwendige Netzausbau noch nicht vorhanden sind. Willkürliche Planungshemmnisse für den Ausbau Erneuerbarer Energien wie die neue 10H-Regelung für Windkraftanlagen lehnt die FDP ab.
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Wasserkraft ist die am stärksten ausgereifte Form der Stromerzeugung aus regenerativen Energiequellen. Sie ist im Gegensatz zu Windkraft und Sonnenener-
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gie rund um die Uhr verfügbar, kann bereits heute ohne Subventionen betrieben
und gleichermaßen in Grund-, Mittel- und Spitzenlast eingesetzt werden. Die FDP
hält an einem Ausbau der Wasserkraft fest. Die Potentiale zum Aus- und Neubau von großen und kleinen Wasserkraftanlagen sind nach der Reihenfolge
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- Effizienzsteigerung bestehender Anlagen
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- Neuanlagen an bestehenden Staustufen und Querbauwerken
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- Neubau von natur- und umweltverträglichen innovativen Anlagen
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umgehend auszuschöpfen.
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3. Versorgungssicherheit gewährleisten
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Der Ausbau der Erneuerbaren Energien hat dazu geführt, dass bestehende
Kraftwerke oftmals nicht mehr rentabel betrieben werden können. Moderne Gaskraftwerke werden außer Betrieb genommen, alte Kohlekraftwerke laufen auf
Volllast. Dies wird mittelfristig die Gefahr von Stromausfällen erhöhen. Um den
Verbrauchern, gerade dem produzierenden Gewerbe, die Versorgungssicherheit
zu gewährleisten, müssen möglichst marktwirtschaftliche Lösungen gefunden
werden. Andernfalls verlieren wir einen wichtigen Standortvorteil.
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4. Stromsteuer abschaffen
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Der Staat verdient mit jeder Erhöhung der Ökostromumlage über die Mehrwertsteuer zusätzlich mit. Dieses Geld muss Verbrauchern und Wirtschaft zurückgegeben werden, nämlich durch eine Abschaffung der Stromsteuer. Eine Besteuerung und Belastung durch die EEG-Umlage des selbst zum Eigenverbrauch erzeugten Stroms lehnen wir ab.
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5. Den europäischen Emissionshandel stärken
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Der europäische Emissionshandel ist nur dann wirksam, wenn er auf alle Energieverbraucher ausgeweitet wird: Der Energieverbrauch im Verkehr und die Energieform Wärme sollen nicht mehr anders behandelt werden als Strom. Das
schützt vor Fehlallokationen und Marktverzerrungen.
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6. Offenheit für technische Entwicklungen
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Für ergebnisoffene Forschungsvorhaben zur Entwicklung einer zukunftsträchtigen Energiepolitik Deutschlands für die nächsten Generationen müssen erhebliche finanzielle Mittel eingesetzt werden. Der Fokus der Forschung und weiteren
Förderung soll dabei insbesondere auch auf die Entwicklung und Errichtung
marktreifer Speichermöglichkeiten gelegt werden. Darüber hinaus sind Ressourcenschonung, die Reduktion von Schadstoffen und die Verringerung von Abhängigkeiten durch Energielieferungen aus politisch instabilen Weltregionen, die
wichtigsten Schwerpunkte. Die Offenheit für technische Entwicklungen schließt
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auch die wissenschaftlich begleitete Erprobung und Abwägung der Chancen und
Risiken der Technologie des „Hydraulic Fracturing“ (so genanntes „Fracking“) ein.
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7. Energieeffizienz ist einer der Schlüssel für erfolgreiche Energiepolitik.
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Energie, die nicht gebraucht wird, muss nicht erzeugt und transportiert werden.
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Energieeffizienz im Gebäudebereich muss mit Innovationen, aber auch mit Augenmaß, in allen Immobilienklassen vorangetrieben werden.
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Im Neubau muss technologieneutrale Energieeffizienz eine wichtige Rolle spielen und müssen technische Innovationen besonders unterstützt werden. Ferner
müssen das Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich
(EEWärmeG) und die Energieeinspeiseverordnung (EnEV) zu einem Gesetz zusammengefasst werden, so dass Anforderungen an die Energieeinsparung und
die Energieerzeugung in einem Gesetz geregelt sind und der Energieverbrauch
insgesamt im Fokus steht.
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Gleichzeitig muss der Gebäudebestand, das Eigentum der Bürger, besonders
geschützt werden. Eigentümer sind finanziell nicht zu überfordern. Daher dürfen
für den Gebäudebestand keine strengeren Energieeinsparvorschriften gelten.
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Auch sind Standards zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, damit
Baukosten reduziert werden können. Teurer Passivhaus- oder Energieplus- Standard sollte nie die Referenz werden, um Neubaustandards vorzugeben, da dabei
ausschließlich die Baukosten und damit die Mieten verteuert werden. Wichtiger
als alle gesetzlichen Vorgaben ist jedoch die sofortige Verabschiedung des bereits vor drei Jahren vorgelegten Gesetzes zur steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung, welches bislang insbesondere an den rot-grün regierten Bundesländern gescheitert ist. Durch dieses Verhalten werden Investitionen in Milliardenhöhe blockiert oder zumindest verzögert.
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8. Kraft-Wärme-Kopplung stärken
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Der Bereich Kraft-Wärme-Kopplung wäre eine echte Chance, die Bereiche
Strom und Wärme endlich zu verzahnen. Hier muss die Politik ein verstärktes
Augenmerk legen, anstatt nur am Status-Quo herumzudoktern.
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9. Transportkapazitäten für Energie ausbauen
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Der noch von der CDU-CSU-FDP Bundesregierung in Kraft gesetzte Bundesbedarfsplan für Netze muss, abgesehen von einzelnen regional bedingten notwendigen Abweichungen, zügig umgesetzt werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass mit dem Abschalten alter Stromerzeugungskapazitäten auch in Zukunft
genügend Energie aus den bereits existierenden Erzeugungsanlagen im Norden
Deutschlands in die Verbrauchszentren im Süden transportiert wird.
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Im Hinblick auf die Verteilnetze muss untersucht werden, wo es Engpässe gibt
und wie diese beseitigt werden können. Darüber hinaus ist das Verteilnetz auf
die Hebung von Effizienzen zu analysieren.
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10. Anwendung von Speichertechnologien verstärkt fördern und diese in
den Marktintegrieren
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Anbieter von Erneuerbarer Energie sollen verpflichtet werden, ihren Strom direkt
zu vermarkten. Im Rahmen eines marktwirtschaftlichen Ausschreibungsmodells
können sich so auch neue Speichertechnologien schneller am Markt etablieren.
Der Fokus der Forschung und weiteren Förderung soll dabei insbesondere auch
auf die Entwicklung und Errichtung marktreifer Speichermöglichkeiten gelegt werden.
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11. Handelshemmnisse ablehnen
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Zölle auf Solaranlagen bspw. aus China oder diesbezügliche Einfuhrbeschränkungen lehnen wir ab. Handelshemmnisse wirken auch an dieser Stelle in höchstem Maße wohlfahrtshemmend und wettbewerbsverzerrend und können außerdem schlimmstenfalls Handelskriege auslösen. Die Protegierung heimischer Produzenten erhöht nur noch mehr die anfallenden Kosten einzelner Energieträger.
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12. Einseitige Energieabhängigkeiten minimieren
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Deutschland bezieht derzeit einen Großteil seines Erdgases aus Russland. Um
die Abhängigkeit von einem einzigen Lieferanten zu vermindern, Transitgefahren
zu minimieren und den Wettbewerb zu stärken, fordern wir:
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- dafür zu sorgen, dass unverzüglich das seit den 70er Jahren geplante LNG –
Importterminal bei Wilhelmshaven für die Anlandung von Flüssigerdgas (LNG)
und die Umwandlung in Erdgas gebaut wird.
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- dass die 20 Jahre lang geplante Nabucco – Pipeline für Erdgas von der Osttürkei bis Bayern doch noch gebaut wird.
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13. Den europäischen Energie-Binnenmarkt vorantreiben
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Zur besseren Integration des Stroms aus Erneuerbarer Energie ist der zügige
Ausbau grenzüberschreitender Netze von größter Dringlichkeit. Das von der FDP
geforderte Modell muss mit der Energiepolitik unserer europäischen Partner verzahnt und harmonisiert werden. Am Ende einer solchen Entwicklung muss ein
unverfälschter Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt stehen, in dem Erneuerbare / CO2-freie Energie dort erzeugt wird, wo dies am effizientesten ist, der
ohne Subventionssysteme auskommt und in dem Strom im gesamten Binnenmarkt transportiert und gehandelt werden kann.
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14. Klimapolitische Ziele erreichen
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Die klimapolitischen Ziele der Energiewende können langfristig nur auf dem
Weg der internationalen und europäischen Zusammenarbeit erreicht werden. Mittelfristig ist dazu auf europäischer Ebene ein CO2-Emissionshandel einzurichten,
in dem eine stetig reduzierte Menge an Verschmutzungszertifikaten ausgegeben
und gehandelt wird.
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15. Atomabfälle rückholbar lagern
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Die FDP fordert den schnellen Abschluss des Erkundungsverfahrens für ein
Endlager für Atomabfälle. Kein Bundesland kann und darf sich aus dieser Debatte heraushalten, jedes Bundesland muss grundsätzlich bereit sein, ein solches
Lager aufzunehmen. Die Lager müssen so ausgestaltet sein, dass der Abfall jederzeit rückholbar ist. Endlagerung ohne Rückholbarkeit ist eine schwere Verfehlung gegenüber den kommenden Generationen. Unser Ziel muss es sein, in internationaler Zusammenarbeit und durch gemeinsame Forschung, Technologien
zu entwickeln, die die gelagerten Abfälle unschädlich machen oder ihre weitere
Verwendung ermöglichen (z.B. durch Transmutation).
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 504
Betr.:
Solidaritätszuschlag muss 2019 auslaufen – Weiterführung
ist eine Steuererhöhung
Antragsteller: Landesverband Niedersachsen
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Der Solidaritätszuschlag ist nach der Wiedervereinigung eingeführt worden, um
die Folgen von 40 Jahren Sozialismus in den östlichen Bundesländern zu überwinden. Mittlerweile übersteigen die Einnahmen aus dem Zuschlag deutlich die
Ausgaben der Transferleistungen für die östlichen Bundesländer. Deshalb ist der
Zuschlag schon heute - zumindest teilweise – gegenüber den Bürgerinnen und
Bürgern in ganz Deutschland nicht mehr zu rechtfertigen. Die besonderen Transferleistungen für die östlichen Bundesländer laufen 2019 aus und auch der Länderfinanzausgleich muss bis 2019 neu geregelt werden. Spätestens dann muss
auch der Solidaritätszuschlag auslaufen und ersatzlos entfallen.
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Für die Steuerzahler – Bürger und Unternehmen – würde eine Weiterführung
des Solidaritätszuschlags wie eine Steuererhöhung wirken. Der Solidaritätszuschlag ist als zeitlich befristeter Zuschlag auf die Einkommensteuer eingeführt
worden, verbunden mit dem politischen Versprechen, dass der Zuschlag wieder
entfällt, wenn der Zweck erfüllt ist. Wenn nun der Zuschlag weitergeführt wird,
obwohl das Gegenteil versprochen wurde, dann hat dies den Charakter einer
Steuererhöhung.
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Die Bundesregierung wird aufgefordert, spätestens 2019 das Auslaufen des Solidaritätszuschlags zu beschließen.
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Die Freien Demokraten lehnen die bisher bekannten Pläne ab, den Solidaritätszuschlag in den Einkommensteuertarif zu integrieren oder den Solidaritätszuschlag mit geänderter Zweckbestimmung weiter zu führen. Auch eine Weiterführung bis zunächst zum Jahr 2030 wäre Wortbruch und ist daher abzulehnen.
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Angesichts von Steuereinnahmerekorden und historisch niedriger Zinsen für
den Staat sind die Bundesländer und der Bund gefordert, einen neuen, fairen
und wettbewerblichen Finanzausgleich umzusetzen, der nicht zu Lasten der
Steuerzahler geht.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 505
Betr.:
Der Soli muss zum Jahr 2019 auslaufen – die Politik steht
hier bei den Bürgern im Wort
Antragsteller: Bundesvorstand Liberale Senioren
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
2
Die Freien Demokraten treten für eine schrittweise Absenkung und letztendlich
für eine Abschaffung des Solidaritätszuschlages zum Jahr 2019 ein.
Begründung:
Seit der Wiedereinführung des Solidaritätszuschlages zum 1.Januar 1995, leider ohne
eine gesetzlich zeitliche Begrenzung einzuziehen, wurde von allen späteren
Bundesregierungen den Menschen versprochen, dass mit Erfüllung des Solidarpaktes II
(Bundesergänzungszuweisungen an die Bundesländer) auch der erhobene
Solidaritätszuschlag (im Volksmund „Soli“ genannt) auslaufen wird. Wir Liberalen sind die
einzige politische Kraft im Land, die auf Einhaltung dieses Versprechen unermüdlich und
konsequent hingewiesen hat und weist.
Der „Soli“ ist eine Ergänzungsabgabe in Höhe von 5,5% auf die Einkommen- und
Körperschaftssteuer und ist nur dann zu zulässig, wenn ein zusätzlicher Finanzbedarf
nicht anderweitig gedeckt werden kann (Art. 106 I Nr. 6 GG).
Das hat auch die gegenwärtige Regierung erkannt und sucht nun nach Begründungen,
warum auf die Einnahmen aus dem „Soli“ nicht verzichtet werden könne. Dabei werden
zuallererst immer Investitionen in die Infrastruktur bei Schiene, Straße, Wasser,
Telekommunikation, Stromtrassen genannt. Diese Aussagen sind dreist, da es sich hier
um staatliche Kernaufgaben handelt, welche bereits aus dem allgemeinen
Steueraufkommen zu finanzieren sind.
Aber da durch selbstgeforderte und auch beschlossene milliardenschwere sozialpolitische
Maßnahmen am Anfang dieser Legislaturperiode der vorhandene Investitionsspielraum
leichtfertig verschenkt worden ist, steht die Regierung vor hausgemachten fiskalischen
Schwierigkeiten. Diese sollen nun durch Soli-Steuer-Umbenennungstricks gelöst werden.
Für unser Land ist das absolut keine solide und generationengerechte Politik.
Wir Liberalen wollen das Vertrauen der Menschen in eine zukunftsorientierte Politik durch
die Abschaffung des Soli zurückgewinnen und die Bürgerinnen und Bürger entlasten, so
wie es ihnen vor über 25 Jahren glaubhaft versprochen wurde.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
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Antrag 506
Betr.:
Automatische Anpassung der Einkommensteuergrenzen an
die Inflation zur dauerhaften Beseitigung der Kalten
Progression
Antragsteller: Bezirksverband Niederbayern
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
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Die FDP spricht sich für eine dauerhafte Kopplung des Einkommensteuertarifs
an die Inflationsrate an.
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Demnach erfolgt in Jahren positiver Inflation automatisch eine entsprechende
Anpassung, durch Erhöhung der einzelnen Einkommensteuertarifgrenzen und
entsprechender Verschiebung des Verlaufs der Steuerkurve.
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In Jahren einer Deflation kommt es zu keiner Anpassung.
7
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Dieses Vorgehen soll selbstverständlich auch auf sämtliche
Kinderfreibetrag und Grundfreibetrag) angewandt werden.
Freibeträge
(z.B.
Begründung:
Zuletzt wurde der Einkommensteuertarif von der schwarz-gelben Koalition in den Jahren
2009 und 2010 angepasst, danach gab es lediglich im unteren Tarifbereich einige kleine
Korrekturen. Diese hatte das Bundesverfassungsgericht gefordert, um das
Existenzminimum steuerfrei zu stellen. Seither herrscht Stillstand.
Mit jedem Jahr ohne umfassende Korrektur des Einkommensteuertarifs, gekoppelt an die
Inflationsrate, werden die Bürgerinnen und Bürger stärker besteuert.
Die fatalen Auswirkungen der kalten Progression erkennt man am deutlichsten, wenn man
die Entwicklung der Einkommensgrenze betrachtet, ab der der Spitzensteuersatz wirkt:
1960 lag diese bei einem Spitzensteuersatz von 53 Prozent bei 110.040 DM, was einer
heutigen Kaufkraft von ca. 244.000 Euro entspricht, also ca. dem 4,6-fachen der heutigen
Einkommensgrenze von 52.882 Euro.
1970 lag diese bei einem Spitzensteuersatz von 53 Prozent ebenfalls bei 110.040 DM,
nach heutiger Kaufkraft ca. 189.000 Euro, also immerhin noch ca. dem 3,6-fachen der
heutigen Einkommensgrenze von 52.882 Euro.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
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Auch Einkommenssteigerungen, die über die Inflationsrate hinausgehen schieben die
Arbeitnehmer in eine höhere Tarifzone.
Der Staat hat sich im Laufe von Jahrzehnten durch die kalte Progression schamlos
bereichert, indem er nach und nach aus sog. „Durchschnittsverdienern“ Spitzenverdiener
machte, obwohl diese real nicht wohlhabender wurden.
Die moderaten Absenkungen des Spitzensteuersatzes konnten diesen Effekt nur
geringfügig abdämpfen.
Diese unzulässige Form der staatlichen Bereicherung am hart verdienten Einkommen der
Menschen kann nicht länger hingenommen werden.
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Antrag 507
Betr.:
Kein europäischer Länderfinanzausgleich durch die
Hintertür!
Antragsteller: Bezirksverband Niederbayern
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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4
Griechenland erhält bis auf weiteres keine weiteren Finanzhilfen von anderen
EU-Ländern, solange keine belastbaren Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung sowie der Wirtschafts- und Sozialpolitik stattfinden. Wir lehnen einen kalten
europäischen Länderfinanzausgleich durch die Hintertür ab.
Begründung:
Griechenland wurde in die Euro-Zone aufgenommen, obwohl es die Voraussetzungen
nicht ansatzweise erfüllte. Durch den Beitritt verschuldete sich das EU-Land innerhalb
weniger Jahre in ungeheurer Weise, so dass vor fünf Jahren der Euro in eine Krise geriet.
Aufgrund der Solidarität der Euro-Gruppe und der Befürchtung vor einem
Zusammenbruch von Finanz- und Versicherungsinstituten wurde das erste sog.
Rettungspaket geschnürt, das an klare Voraussetzungen geknüpft war.
Die damaligen griechischen Regierungen haben diese Voraussetzungen nur teilweise
erfüllt und damit die nötigen Reformen hinaus gezögert. Die nunmehr gewählte
Regierung, bestehend aus links- und rechtsextremen Populisten, versucht sogar,
Deutschland, die Euro-Gruppe und die gesamte EU zu erpressen. Zum Einen verlangt sie
Kriegsreparationen von Deutschland, die längst geregelt sind. Zum Anderen will sie keine
Auflagen erfüllen, sondern das Geld einfach nach eigenem Gutdünken verwenden, z. B.
für ausgiebige Sozialprogramme. Schließlich erpresst sie die gesamte EU, indem sie
wiederholt angedroht hat, die mühsam errungene gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik etwa gegenüber Russland mit einem Veto zu blockieren.
Dennoch wurde vor wenigen Tagen ein Zweites Hilfspaket geschnürt, dem der deutsche
Bundestag mit wenigen Gegenstimmen zustimmte. Die Linkspartei und Teile von SPD
und Grünen fordern offen eine bedingungslose finanzielle Unterstützung der griechischen
Regierung, um den sog. Grexit – den erzwungenen Ausstieg Griechenlands aus der EuroGruppe – zu verhindern. Fast ausnahmslos sind sich die Experten einig, dass ein Grexit
zu keinen größeren Verwerfungen der europäischen Finanzmärkte führt. Die griechische
Regierung lässt keinen Reformwillen erkennen.
Wieder schafft die EU-Kommission irrevisible Fakten, indem z. B. der EU-Präsident JeanClaude Juncker verkündet, dass es niemals einen Grexit geben wird. Damit ist die Euro-
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 240
Gruppe bzw. die gesamte EU auf dem Weg in einen kalten europäischen
Länderfinanzausgleich. Dies lehnen wir entschieden ab. Die Erfahrungen aus dem
innerdeutschen Länderfinanzausgleich zeigen, dass derartige dauerhafte Finanzhilfen
weder zu den nötigen Reformen führen, noch jemals wieder zurück genommen werden
können. Im vorliegenden Fall wäre dieser Ausgleich nicht einmal gedeckelt.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 241
Antrag 508
Betr.:
Krankenhausfinanzierung sichern – Anreize schaffen, damit
die Bundesländer ihren Investitionsverpflichtungen
nachkommen
Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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- Die Bundesländer werden verbindlich verpflichtet, einen Investitionssatz von
acht Prozent des jährlich neu festgelegten individuellen Krankenhausbudgets zu
finanzieren.
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- Nach dem liberalen Grundsatz der angebotsorientierten Anreizpolitik übernimmt der Bund eine Teilfinanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser
unter der Voraussetzung, dass die Länder ihrerseits ihren Finanzierungverpflichtungen nachkommen. Dabei soll eine Finanzierungsquote des Bundes von einem
Viertel der oben genannten acht Prozent des krankenhausindividuellen Budgets
nicht unterschritten werden.
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- Der bisher angefallene Investitionsstau soll durch die Bundesländer in einem
Zeitraum von zehn bis fünfzehn Jahren beseitigt werden. Eine Beteiligung des
Bundes nach den dargestellten Finanzierungsquoten ist anzustreben.
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- Gleichzeitig sollte bei Erreichen einer bestimmten Qualitätsstufe eine zusätzliche Finanzierung der Investitionskosten der Länder durch die gesetzlichen und
privaten Krankenversicherungen erfolgen; denn dadurch erhält der Patient eine
verbesserte Versorgungsqualität, wodurch weitere Behandlungskosten reduziert
werden können. Hierbei soll eine Finanzierungsquote der Versicherungen von einem Achtel der oben genannten acht Prozent des krankenhausindividuellen Budgets nicht unterschritten werden. Ein Mitspracherecht der Krankenversicherungen
bei den Behandlungsabläufen muss unterbleiben.
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- Bei der Festlegung und Erfassung von Qualitätsstufen (wie z. B. Infektionsrate, Komplikationsrate, Rückkehrrate) müssen auch die Zeiträume nach der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus mitberücksichtigt werden.
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- Nicht oder nicht sachgerecht vergüteten Extremkostenfälle und nicht absehbare, neuartige oder seltene Ereignisse wie die EHEC-Krise oder die Behandlung
von Kriegsopfern soll mit einer Art „Zusatz-DRG“, übergangsweise nach Tagessätzen, vergütet werden. In der Vergangenheit blieben die Krankenhäuser oft auf
diesen Kosten sitzen.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
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- Neue gesetzlich vorgeschriebene (Qualitäts-) Anforderungen müssen
lich finanziert werden. Das gilt ebenso für den niedergelassenen Bereich.
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- Ein bundeseinheitlicher Basisfallwert ist umzusetzen.
zusätz-
Begründung:
Die Krankenhäuser stellen neben den niedergelassenen Ärzten, Zahnärzten und
Therapeuten die wohnortnahe und flächendeckende medizinische Versorgung der
Bevölkerung sicher.
Grundlage
der
Finanzierung
Krankenhausfinanzierungsgesetz
des
Krankenhausgesetze.
im
Krankenhausbereich
Bundes
(KHG),
sowie
ist
die
das
Landes-
Mit der Verabschiedung des KHG wurde die duale Finanzierung eingeführt.
Im Dualen System werden die Krankenhausinvestitionen (Bau, Grundausstattung,
Instandhaltungskosten und Vorhaltekosten) von der öffentlichen Hand (Land und
Kommunen) übernommen, während die Krankenkassen für die Kosten des laufenden
Betriebes (Personal, Energie, Verbrauchsgüter) über die DRG zuständig sind.
Durch das KHG soll eine Vielfalt der Krankenhäuser (öffentlich/privat/freigemeinnützig)
gefördert werden. Für Liberale ist diese Trägervielfalt im Sinne der Patienten von zentraler
Bedeutung, um die geforderte Qualität (Effektivität) der Patientenversorgung so
preisgünstig (effizient) wie möglich zu gestalten.
Die Bundesländer in ihrer Gesamtheit lassen jedoch die Investitionsfinanzierung seit
Jahren schleifen. Mindestens 2,7 Milliarden Euro im Jahr fehlen den Krankenhäusern für
neue Gebäude oder die Anschaffung von Großgeräten. Diejenigen Leistungsentgelte der
Krankenkassen, die eigentlich für die Krankenversorgung der Menschen vorgesehen sind,
werden immer häufiger für investive Maßnahmen verwendet.
Die vor diesem Hintergrund von Bund und Ländern vorgetragenen gegenseitigen
Schuldzuweisungen belasten die Krankenhäuser und damit auch die Patienten und
müssen beendet werden.
Daher muss durch eine Teilfinanzierung des Bundes für die Länder ein Anreiz geschaffen
werden, ihren Investitionsverpflichtungen nachzukommen.
Trotz der derzeitigen Finanzierungsprobleme ist an der dualen Finanzierung festzuhalten.
Denn die monistische Krankenhausfinanzierung (Finanzierung aller Aufwendungen nur
durch einen Kostenerstatter) führt in Ländern mit ausschließlich staatlicher Zuständigkeit
(z. B. England oder Dänemark) zu erheblichen Problemen für die Patienten (z. B. lange
Wartezeiten, keine neue Hüfte für ältere Patienten).
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 243
Auch die Krankenhäuser
Fallpauschalensystem.
bekennen
sich
zur
dualen
Finanzierung
und
DRG-
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 244
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 245
Antrag 509
Betr.:
Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks –
Konzentration auf den Grundversorgungsauftrag und
Reduktion des Beitrags um mindestens 20 Prozent
Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Mittelstand
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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3
4
Wir fordern eine grundlegende Reform der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, insbesondere der Beitragserhebung. Diese Reform muss auch
die Konzentration der öffentlich-rechtlichen Sender auf ihren Versorgungsauftrag
beinhalten und sich an folgenden Prinzipien orientieren:
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1) Konkretisierung des Grundversorgungsauftrags
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Der Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss so konkretisiert und das Angebot der Sender entsprechend konzentriert werden, dass
die Einnahmen zielgerichtet und sparsam verwendet werden. Wir fordern dabei
eine Konzentration auf den Bildungs-, Informations- und Kulturauftrag sowie eine
Erhöhung des Informationsanteils im Programm der Sender um mindestens 50
Prozent. Insbesondere soll der Rundfunk kein über diesen Versorgungsauftrag
hinausgehendes Angebot im Internet aufbauen, dass in Konkurrenz zu privaten
Anbietern steht. Ebenso ist die Anzahl der Sender und Rundfunkanstalten entsprechend des konkretisierten Versorgungsauftrags zu reduzieren.
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2) Reduktion der Beitragshöhe und Vermeidung von Mehrfachbelastung
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Durch die Konkretisierung des Versorgungsauftrags, die Konzentration des Angebots und die effizientere sowie effektivere Gestaltung der Verwaltungsstrukturen der Sender, insbesondere einen Abbau von Verwaltung, muss die Beitragshöhe dauerhaft gesenkt werden können. Die Reduktion der Belastung der Bürger, Unternehmen und Kommunen soll mindestens 20 Prozent betragen. Außerdem lehnen wir die derzeitige mehrfache Belastung ab, wenn z. B. Unternehmen
über mehrere Betriebsstätten bzw. Firmenwagen verfügen oder die Zwangsabgabe für ihre Angestellten leisten müssen, obwohl diese bereits privat durch ihre
Mitarbeiter entrichtet wurde.
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3) Finanzaufsicht
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Die Beitragserhebung ist so zu reformieren, dass sie einfach, unbürokratisch
und verfassungskonform erfolgt. Die Bürokratiekosten müssen – durch die Abschaffung des Beitragsservices im Zuge dieser Reform – in erheblichem Umfang
reduziert und die bestehenden Datenschutzprobleme im Sinne des Schutzes pri-
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vater Daten abschließend gelöst werden. Die Kontrolle des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks, insbesondere der Mittelverwendung muss transparenter und auf den
Grundversorgungsauftrag ausgerichtet erfolgen. Wir fordern deshalb eine Kontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Rundfunkanstalten durch die
Rechnungshöfe.
Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Antrag 510
Betr.:
Restrukturierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Antragsteller: Landesverband Bayern
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die FDP fordert eine Struktur-, Finanz- und Programmreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ziel ist es, innerhalb von fünf Jahren den Rundfunkbeitrag um
50 Prozent zu verringern und den Informationsanteil um 50 Prozent zu erhöhen.
Die FDP fordert eine Konzentration auf den Bildungs-, Informations- und Kulturauftrag.
Begründung:
- Die Höhe des Rundfunkbeitrags ist in Anbetracht der neuen Informations- und
Unterhaltungsmöglichkeiten nicht mehr zeitgemäß und belastet die Bürger
unverhältnismäßig.
- Fußball- und weitere Sportrechte, sowie eine Vielzahl anderer Programme, die auch
von privaten Sendern ausgestrahlt werden könnten, werden von den öffentlich-rechtlichen
Sendern unter Nutzung ihrer extremen finanziellen Kraft weggekauft. Dabei herrscht eine
große Intransparenz bezüglich der Verwendung der inzwischen über acht Milliarden
jährlichen Einnahmen.
- Die Programme für Information, Bildung und Kultur werden zunehmend zu Gunsten von
Unterhaltungsprogrammen auf schlechtere Sendeplätze oder in Spartenprogramme
verschoben.
- ARD und ZDF sind zu sehr quotengetrieben und finden dabei immer nur die
Zielgruppen ab 55 Jahren.
- Zuviel Personal, zu große Verwaltung, zu teure Produktionen bei zu geringem, qualitativ
hochwertigem Programmoutput.
- Wir glauben daran, dass die öffentlich-rechtlichen Sender sich selbst restrukturieren
können. Dafür wollen wir Ihnen Rahmenbedingungen vorgeben.
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Antrag 511
Betr.:
Für eine Anpassung der Umlage für
Modernisierungsmaßnahmen auf Mieten an die Realität der
Finanzmärkte
Antragsteller: Bezirksverband Altona
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Der Bundesvorstand und die Fraktionen in Länderparlamenten werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, die in BGB § 559 Ziff. 1 festgelegten Umlagemöglichkeit von elf Prozent der für Modernisierungen einer Mietwohnung aufgewendeten Kosten an die Realität der Finanzmärkte anzupassen.
Begründung:
Der Vermieter kann entsprechend der Regelung im BGB § 559 Ziff. 1 jährlich elf Prozent
der für Modernisierungsmaßnahmen einschließlich Maßnahmen für Energieeinsparungen
auf die Miete umlegen.
Diese Regelung stammt aus der Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die
damalige Dimensionierung ergab sich aus der angenommenen Lebensdauer der
Investition von 20 Jahren und einem Zins von sechs Prozent. Diese im BGB verankerte
Möglichkeit ist seit der Zeit der Einbringung nicht verändert worden. Spätestens seit der
Finanzkrise im Jahr 2008 entspricht der verrechnete Zins nicht mehr den
Marktgegebenheiten. Heute wäre ein Zins von zwei Prozent maximal drei Prozent
angemessen.
Die Umlagemöglichkeit führt vor dem Hintergrund des stark ansonsten stark verregelten
Mietrechts zu einer Möglichkeit die Mieten für Wohnungen durch Kapitaleinsatz zu Lasten
der Mieter zu erhöhen. Verstärkt wird diese Tendenz noch durch wachsende Zahl von
sonstigen Vorschriften, die Mietobjekte energetisch zu verbessern. In der Realität zeigt
sich die Auswirkung durch entsprechende teilweise exorbitante Mieterhöhungen, gegen
die kaum eine Einspruchsmöglichkeit besteht.
Zum anderen kann sich der Vermieter durch den Einsatz seines Kapitals für derartige
Modernisierungsmaßnahmen einen deutlich über dem Markt liegenden Zinsertrag auf
Dauer sichern. Eine Anpassung der gesetzlichen Vorschrift in einer Form, die die realen
Verhältnisse am Finanzmarkt berücksichtigt, ist überfällig.
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Antrag 512
Betr.:
Zweckbindung der Bundesmittel zur
Wohnungsbauförderung
Antragsteller: Bundesvorstand Liberale Frauen
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Liberale Politik ist mieterfreundlich. Die Mittel des Bundes zur Wohnungsbauförderung müssen zweckgebunden werden.
Begründung:
Es wird immer Haushalte geben, die sich aus eigener Kraft nicht angemessen mit
Wohnraum versorgen können. Gründe sind häufig zu geringe Einkommen, spezifische
soziale Merkmale oder besondere Anforderungen an den Wohnraum. Im Rahmen der
Wohnraumförderung werden private Investoren und kommunale Wohnungsunternehmen
dabei unterstützt, preiswerte Mietwohnungen für Haushalte mit Zugangsschwierigkeiten
am allgemeinen Wohnungsmarkt bereitzustellen.
Die Bundesregierung stellt den Bundesländern in den letzten Jahren zwischen 650-700
Mio. Euro zur Förderung des Wohnungsbaus zur Verfügung. Die Nutzung dieser Mittel zur
Förderung des Wohnungsbaus sind jedoch nicht festgeschrieben.
Das hat in den letzten Jahren zu Fehlanreizen und zur Zweckentfremdung dieser Mittel
geführt:
So nutzt Baden-Württemberg die Gelder zur Schuldzins-Tilgung. Das geschieht, obwohl in
den Ballungsräumen, insbesondere um Stuttgart und Karlsruhe, der Wohnungsmarkt
stark unter Druck geraten ist.
Das Land Berlin hat seit zehn Jahren keine aus Bundesmitteln geförderte Wohnungen
mehr gebaut. Gleichzeitig werden in Berlin privater Wohnungsbau und private Sanierung
aus Gründen des 'Millieuschutz' gestoppt .
In Nordrhein-Westfalen wurden nur ein Teil der Mittelzuweisungen der Bundesförderung
für den Wohnungsbau eingesetzt. Der Rest versickert im völlig überschuldeten
Landeshaushalt.
Aufgrund dieser Förderstruktur des Wohnungsbaus wird sich die Anzahl der Wohnungen
im geförderten Wohnungsbau in den kommenden Jahren drastisch verringern. Gab es im
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Jahr 1987 noch 3,9 Millionen Wohnungen in Deutschland, so verzeichnete die letzte
Volks- und Gebäudezählung Ende 2001 nur noch rund 1,8 Millionen Wohnungen.
Die fehlende Mittelbindung führt in Kombination mit der von Schwarz-Rot beschlossenen
Mietpreisbremse zu einem völligen Investitionsstau auf dem Wohnungsmarkt. Darunter
leidet nicht nur die Wohnungswirstchaft, es leiden vor allem Mieterinnen und Mieter bei
ständig steigender Wohnungsnachfrage in den Zentren.
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Antrag 513
Betr.:
Erbschaftssteuerreform: Familienunternehmen schützen –
Arbeitsplätze erhalten
Antragsteller: Landesverband Niedersachsen
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Das Bundesverfassungsgericht hat, mit Urteil vom 17.12.2014, die Grundstruktur
bei der Regelung der Erbschaftsteuer bestätigt, vereinzelt aber gesetzgeberischen Handlungsbedarf benannt. Laut Urteil ist die Privilegierung von Betriebsvermögen dem Grunde nach nicht zu beanstanden, aber hierfür sind strengere
Grenzen zu setzen.
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Der Unternehmensstandort Deutschland ist Weltmarktführer bei inhabergeführten Unternehmen. „Mit 2,2 Millionen zählte 2012 die überwiegende Mehrheit
(99,3 Prozent) der Unternehmen zu den kleinen und mittleren Unternehmen
(KMU). Rund 1,8 Millionen galten als Kleinstunternehmen, nur etwa 16.000 als
Großunternehmen“ heißt es beim Statistischen Bundesamt (https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/UnternehmenHandwerk/KleineMittlereUnternehmenMittelstand/Aktuell_.html;jsessionid=A5F425F915B8AE3677A5C33E44C7E98C.cae2).
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Von den 26,4 Millionen Beschäftigten im Jahr 2012 waren 18 Prozent bei
Kleinstunternehmen (9 Beschäftigte, bis 2 Millionen Euro Jahresumsatz), 22 Prozent bei kleinen Unternehmen (bis 49 Beschäftigte und bis 10 Millionen Euro
Jahresumsatz), 20 Prozent bei mittleren Unternehmen (bis 249 Beschäftigte und
bis 50 Millionen Euro Jahresumsatz) und 40 Prozent bei Großunternehmen (über
249 Beschäftigte und über 50 Millionen Euro Jahresumsatz) beschäftigt. Das heißt, dass 60 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland
bei den sogenannten KMUs beschäftigt sind.
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Deutschland ist die Wirtschafts- und Innovationslokomotive von Europa. Unser
Standort ist ein Hochpreisstandort, deshalb kann sich die Wirtschaft in Deutschland hohe Löhne und den zweithöchsten gesetzlichen Mindestlohn in Europa
leisten. Insgesamt ist Deutschland ein kostenintensiver Produktionsstandort.
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Unternehmen in Deutschland verfügen teilweise und zeitweilig über ein hohes
Betriebsvermögen sowie über eine hohe Eigenkapitalquote. Sie ist die wichtigste
Grundlage für die Beschaffung von Krediten auf dem Kapitalmarkt. Das Betriebsvermögen ermöglicht den Unternehmen daher in Aus- und Weiterbildung, Forschung und Entwicklung und in neue Arbeitsplätze zu investieren. Das Betriebsvermögen ist aber kein liquides Vermögen, sondern in Form von Wirtschaftsgü-
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tern gebunden. Die Erbschaftssteuer kann, im Falle von fiskalisch erforderlichen
Veräußerungen des Betriebsvermögens im Erbfall, verheerende Folgen für die
Beschäftigten und für die Wettbewerbsfähigkeit der KMUs haben. Eine Erhöhung
der Erbschaftsteuer muss daher unbedingt vermieden werden.
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Daher fordern die Freien Demokraten:
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Die Erbschaftsteuer darf nicht zum Spielball der Politik oder von ideologischen Verteilungskämpfen werden. Die FDP setzt sich für eine unternehmensfreundliche und arbeitsplatzsichernde Neuregelung bei der anstehenden Reform des Erbschaftsteuerrechts ein.
Die Freien Demokraten sprechen sich für den Erhalt von Arbeitsplätzen,
Unternehmen und Wachstum und gegen eine ideologiegetrieben Umverteilung oder gar Verstaatlichung von Firmenanteilen aus.
Durch die erforderlichen Neuregelungen beim Erbschaftsteuerrecht soll es
zu keiner Mehrbelastung für Unternehmen kommen.
Die vom Bundesverfassungsgericht zugestandene Möglichkeit der vollständigen Freistellung von KMU von der Erbschaftsteuer soll umgesetzt
werden.
Die FDP setzt sich auch für die Einführung einer Reinvestitionsklausel im
Erbschaftsteuerrecht ein, damit die Erbschaftsteuer in der Höhe entfällt in
der innerhalb von zwei Jahren in produktives Betriebsvermögen investiert
wird.
Die FDP setzt sich für eine verfassungsgemäße Regelung und Betrachtung des Verwaltungsvermögens, unter Abzug der Schulden und Berücksichtigung nicht begünstigungsfähigen Verwaltungsvermögens, ein.
Die FDP spricht sich für die Einführung einer Bedürfnisprüfung ab 100 Millionen Euro übertragendem Vermögen und gegen die Einführung einer absoluten Obergrenze aus, damit wirtschaftlich sinnvolles Handeln nicht an
selbigen scheitert.
Die FDP setzt sich bei Anwendung der Bedürfnisprüfung für das Unternehmen und nicht für den Inhaber ein. Deshalb setzen wir uns für klare
Kriterien, geringe Ermessensspielräume und eine hohe Rechtssicherheit
ein.
Die FDP spricht sich auch für die Konsolidierung des Verwaltungsvermögens bei Gesellschaften aus, damit eventueller Missbrauch eingedämmt
wird.
Die FDP spricht sich bei der Ermittlung und Festlegung des produktiven
Betriebsvermögens aus Gründen der Rechtsunsicherheit gegen Ermessensentscheidungen von Finanzbeamten aus, hierfür sind objektive sowie
rechtssichere Wege und Kriterien zu entwickeln.
Die FDP setzt sich für die Einführung einer Bagatellgrenze beim Nachweis
der Lohnsumme für kleine Betriebe ein, damit der bürokratische Aufwand
für KMUs reduziert wird.
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Die FDP spricht sich gegen eine Doppelbesteuerung von Privatvermögen, zum
einen bei der betrieblichen Bedürfnisprüfung und zum anderen bei der eigentlichen Erbschaftsbesteuerung, aus.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 600
Betr.:
Mindestlohn – Rechtssicherheit für Arbeitgeber und
Beschränkung der Aufzeichnungspflichten
Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Mittelstand
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die
mit
dem
Mindestlohngesetz
einhergehende
Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung bürdet den Arbeitgebern enorme bürokratische Lasten auf,
da Arbeitszeiten bis ins Detail dokumentiert und jederzeit nachprüfbar sein müssen. Außerdem werden Arbeitszeit- und Arbeitsortsflexibilität gefährdet, weil es
nahezu unmöglich ist, bei z. B. Home-Office-Lösungen Arbeitszeiten genau zu
erfassen und zeitnah gegenüber öffentlichen Behörden nachweisen zu können.
Das Mindestlohngesetz untergräbt deshalb systematisch das Vertrauen zwischen
Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Dem Arbeitgeber wird pauschal unterstellt,
durch längere Arbeitszeiten den Mindestlohn unterwandern zu wollen, während
er gleichzeitig genau kontrollieren muss, dass durch Beschäftigte nicht zu viel
abgerechnet wird. Das nimmt Arbeitgebern jede Flexibilität, sät Misstrauen und
Zwietracht.
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Wir fordern deshalb:
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•
•
einfache, unbürokratische Regelungen für Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern flexible Arbeitszeiten und -orte, insbesondere durch Home-Office,
einräumen, um Rechtssicherheit für Arbeitgeber ohne bürokratischen Mehraufwand zu schaffen;
eine Haftungsbefreiung von Auftraggebern für Verstöße von Sub- und
Nachunternehmern gegen das Mindestlohngesetz, wenn der Auftraggeber
weder positive Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis von Verstößen
des Subunternehmers hat;
eine
Absenkung
der
Einkommensgrenze
für die
Dokumentationspflicht
deutlich unter 2.000 Euro, da nur in diesem Bereich Arbeitnehmer realistischerweise vom Mindestlohn betroffen sein können, und
den Ausschluss von Minijobbern von der Dokumentationspflicht, wenn in
ihrem Arbeitsvertrag ein Verdienst von mindestens 8,50 Euro festgeschrieben ist.
Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Antrag 601
Betr.:
NEIN zur staatlichen Pflicht zur Offenlegung der Löhne
Antragsteller: Bezirksverband Niederbayern
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die FDP lehnt die von der Bundesministerin Schwesig geplante Offenlegung
von Gehältern entschieden ab.
Begründung:
Das Gesetz soll es nach bisherigen Verlautbarungen allen Angestellten ermöglichen, sich
über die Gehaltseinstufung der Kollegen zu informieren und einem Gebot der
Entgeltgleichheit zur Durchsetzung verhelfen.
Dabei wird verkannt, dass auch Lohnunterschiede bei formal gleicher Qualifikationsstufe
durchaus gerechtfertigt sein können. Dafür gibt es die vielfältigsten Gründe, die genauso
individuell sind, wie jeder Arbeitnehmer. (Anwerben von neuen Arbeitskräften in Zeiten
knapper Fachkräfte, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Leistung des Einzelnen, …)
Auch wenn das Gesetz gutgemeint sein mag, werden die Folgen oftmals Neid, Missgunst
und Misstrauen in der Belegschaft sein.
Statt eines dringend nötigen Bürokratie-Abbaus wird auch diese Regelung zu einer
Ausweitung von Bürokratie führen.
Selbst in Kuba (!) wurde 2008 der Einheitslohn mit der Begründung abgeschafft, dass die
Gleichmacherei nicht hilfreich sei und es außerdem ungerecht und schädlich sei,
Arbeitern weniger oder mehr zu zahlen, als sie verdienten.
Leistung muss sich lohnen!
Diese Erkenntnis wurde in Kuba getroffen.
Diese Erkenntnis muss auch in Deutschland gelten.
Die Offenlegung der Gehälter will einen Schritt in genau die andere Richtung.
Der Vorwand, dass auf diese Weise Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen
angeglichen werden können, zeugt von einem Frauenbild, wonach Frauen unfähig sind,
einen angemessenen Lohn für ihre Leistung zu fordern. Jedoch darf man Frauen
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durchaus zutrauen, für einen höheren Lohn mehr Argumente vorbringen zu können, als
nur die Feststellung, dass der männliche Kollege mehr verdient. Eine Benachteiligung
fände tatsächlich nur statt, wenn Männer die Gehälter untereinander kennen würden und
nur die Frauen nicht. Dies ist nicht der Fall.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
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Antrag 602
Betr.:
Wider den Staat als Akteur in der Wirtschaft
Antragsteller: Bundesfachausschuss Wirtschaft und Energie
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die Privatisierung der derzeit von kommunalen Unternehmen angebotenen Produkte und Dienstleistungen ist zwingend geboten, wenn private Anbieter die gleichen Produkte und Dienstleistungen bei gleicher Qualität preiswerter oder zu
gleichen Preisen eine bessere Qualität erbringen.
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Die wirtschaftlichen Aktivitäten müssen Grundsätze
(Corporate Governance) privater Unternehmen erfüllen.
der
Unternehmensführung
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Zur Vermeidung kumulativer Risiken aus kommunaler wirtschaftlicher Betätigung
soll die Berichtspflicht kommunaler Unternehmen durch Beteiligungsberichte bereits bei niederschwelligen Beteiligungen durch Lage- und Gewährleistungsberichte vervollständigt werden.
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Anfallende Folgekosten, wie sie beispielsweise bei einem späteren Abbau und
Entsorgung von Windkraftanlagen, oder bei der Entsorgung von Photovoltaikmodulen als Sondermüll entstehen, müssen schon aus Gründen der Nachhaltigkeit
berücksichtigt werden.
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Kommunen die ihre bestehenden Aufgaben nicht ohne Kreditaufnahme finanzieren können, dürfen keine weiteren oder neue unternehmerische Risiken eingehen
und müssen sich grundsätzlich auf die Wahrnehmung ihrer hoheitlichen Aufgaben beschränken.
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Ungleichbehandlungen bei der Besteuerung müssen beseitigt werden. Hierfür
müssen Ausnahmen der Umsatzsteuerbesteuerung von Gebühren beseitigt werden, um eine steuerliche Gleichbehandlung bei finanzieller Vergleichbarkeit mit
privaten Anbietern kommunaler Dienstleistungen zu ermöglichen.
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Durch kommunale Anschluss- und Benutzungszwänge werden zusätzliche monopolartige Bezugsverpflichtungen für die Leistungsnehmer geschaffen. Solche
Anschluss- und Benutzungszwänge sind deshalb abzuschaffen.
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Die EU-Kommission ist in ihrem Bemühen, europäische Wettbewerbsmärkte zu
ermöglichen und sicher zu stellen, zu unterstützen, ebenso die Bemühungen um
die Schaffung einer europäischen Kartellbehörde. Bis zur Schaffung einer europäischen Kartellbehörde ist der Europäische Kommissar für Wettbewerbsangelegenheiten mit den erforderlichen Eingriffsmöglichkeiten für eine wirksame Sicher-
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stellung des Wettbewerbs innerhalb der EU auszustatten. Trinkwasserentgelte
sind unabhängig von ihrer Ausgestaltung als Preise oder Gebühren wieder der
wettbewerbsrechtlichen Aufsicht zu unterstellen.
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Um seine Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft zu sichern, muss Deutschland
schlank und handlungsstark in Staat und Verwaltung sein. Verwaltung muss auf
ihre hoheitlichen Kernaufgaben beschränkt bleiben. Politik hat dies sicher zu stellen.
Begründung:
Deutschland erfährt gegenwärtig eine Renaissance staatlichen Handelns in der
Wirtschaft. Die Wohlstand und sozialen Ausgleich stiftenden Ergebnissen unserer
marktorientierten Sozialen Marktwirtschaft will eine breite Öffentlichkeit in Deutschland um
staatliches Handeln ergänzt sehen.
Dieses im europäischen Vergleich ungewöhnliche Urvertrauen in staatliches Handeln
lässt sich durchaus mit einer Feststellung von Prof. Dr. Michael Hüther (Direktor des
Instituts der Deutschen Wirtschaft, Köln / FAZ, 24.03.2014) begründen:
„Diese Strukturen (16./17. Jahrhundert) die bis heute im föderalen Aufbau der
Bundesrepublik nachwirken…(und) mit der Kleinräumigkeit gegebene Nähe des Fürsten
zu seinen Untertanen war folgenreich für die gesellschaftliche Entwicklung und die
politische Kultur. Denn so erlebten die Menschen den frühmodernen Staat vor allem als
Fürsorgestaat. Die in England und Frankreich prägende Selbstbestimmung des Volkes
und das Bekenntnis zur Freiheit des Einzelnen waren für die Deutschen lange nicht so
bedeutsam.“
Folgerichtig ist die in den 1990er Jahren verstärkte Beauftragung privater
Leistungserbringer zur kommunalen Aufgabenerledigung seit einigen Jahren rückläufig.
Die öffentliche Hand bringt sich wieder stärker in das wirtschaftliche Geschehen ein.
Dieser Trend hat sich seit dem Aufkommen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09
verstärkt. Verstärkte öffentlich-rechtliche Wirtschaftstätigkeit führt nicht nur zu direkten
Markteingriffen, mittelbar greift die räumliche und sachliche Expansion kommunaler
Wirtschaftstätigkeit auch in weitere Wirtschaftsbereiche ein.
Der Bund der Steuerzahler (BdSt.) stellt seiner kritischen Studie von April 2014 „Privat
vor Staat? Risiken kommunaler Wirtschaftstätigkeit“ ein Zitat von Walter Eucken voran:
„Der Staat hat die Formen, in denen gewirtschaftet wird, zu beeinflussen, aber er hat nicht
den Wirtschaftsprozess selbst zu führen.“
Die angeführte Expansion der öffentlichen Hand im Wirtschaftsprozess verdeutlichen die
nachfolgenden Daten:
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2000: 10.909 öffentl.-rechtl. Unternehmen, Umsatz € 131 Mrd., Betriebsergebnisse aggr.
€ 6,5 Mrd. 2011: 13.447 öffentl.-rechtl. Unternehmen, Umsatz € 267 Mrd.,
Betriebsergebnisse aggr. € 8,6 Mrd.
Dazu wird ergänzend festgestellt, dass die erzielten Betriebsergebnisse in diesem
Zeitraum hinter den Umsatzzuwächsen zurück gebliebenen sind.
Wenngleich die kommunalen Unternehmen nach den Feststellungen des Bundes der
Steuerzahler (BdSt.) insgesamt mit Ertrag arbeiten, wurden in 2010 Verlustübernahmen
und Zuschussbedarfe aus den öffentlichen Haushalten in Höhe von € 2,7 Mrd.
erforderlich, die bereits in 2011 auf € 5,9 Mrd. anwuchsen.
Aus kommunaler Wirtschaftsbetätigung mit positiven Betriebsergebnissen lässt sich
jedoch nicht zwangsläufig eine effiziente Leistungserstellung ableiten. Die Verfolgung
politischer Ziele in kommunalwirtschaftlichem Handeln geht fast immer mit
Effizienzverlusten einher.
An Märkte unangepasste Dienst- und Tarifregelungen oder einflussreiche
Personalvertretungen, die nach sozialen und nicht überwiegend wirtschaftlichen Kriterien
in Personalfragen mitentscheiden, verhindern, dass ausreichend flexibel den
Notwendigkeiten erfolgreichen Wirtschaftens Rechnung getragen werden kann.
Bei Einschränkungen der Subsidiaritätsklausel, nach der eine kommunalwirtschaftliche
Betätigung zu untersagen ist, wenn private Unternehmer die betreffende Leistung
mindestens genauso wirtschaftlich erbringen können, soll, um nahe beieinander liegende
Interessenslagen der öffentlichen Hände nicht zu begünstigen, nicht die formal zuständige
Kommunalaufsicht für die Genehmigung einer kommunalwirtschaftlichen Betätigung
zuständig sein, sondern die nächst höhere beaufsichtigende Instanz.
Neben den unmittelbaren wirtschaftlichen Betätigungen der öffentlichen Hand hat sich
noch eine Anzahl von öffentlich-rechtlichen Subsystemen in unserem Land etabliert. Dazu
zählen u.a. Sparkassen mit 244.000 Mitarbeitern und 12.000 Filialen bundesweit und
einem Geschäftsmodell, das auf einen alleine regionalen Wirkungsbereich ausgelegt ist.
Noch in den Jahren 2008/2009 waren sie in zahlreichen ländlichen Regionen diejenigen
Kreditinstitute (zusammen mit den Genossenschaftsbanken), die die Gefahr eines
heraufziehenden „Credit-Crunch“ abmilderten. Wir treten dafür ein, dass die Bedingungen
weiterentwickelt werden, damit die kommunalen Eigentümer der Sparkassen ggfs. auch
ihr Institut verkaufen können und/oder an den Finanzmärkten Eigenkapital aufnehmen
können. Zu den öffentlich-rechtlichen Subsystemen zählen u.a. auch kommunale
Krankenhäuser.
Kommunale Beteiligung wird in den unterschiedlichsten Gesellschaftsformen umgesetzt:
als unmittelbar kommunale Eigenbetriebe, Anstalten des Öffentlichen Rechts (mit
eigenem Haushalt aber 100 Prozent Haftung des kommunalen Trägers), in Form von
Genossenschaftsbeteiligungen, als GmbH oder auch durch Halten von Anteilen an
Aktiengesellschaften.
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Eine deutliche Ausweitung kommunalwirtschaftlicher Betätigung ist im Zuge der
Implementierung erneuerbarer Energien in der Gewinnung, dem Betrieb von
Energieerzeugungsanlagen, wie auch dem Betrieb von Verteilnetzen in den
unterschiedlichsten Beteiligungsformen festzustellen. Dabei wird häufig total unterschätzt,
welche unternehmerischen Risiken diese Betätigung mit sich bringt. Die Notwendigkeit,
Management-Strukturen hinsichtlich Controlling und Fristen-Kongruenz wird vielfach nicht
erkannt, weshalb es immer wieder zu gravierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis
hin zur Notwendigkeit der Abwendung von Illiquidität zu Lasten der Steuerzahler kommt.
Würden aber die notwendigen Management-Strukturen aufgebaut, wären die Kosten
vielfach so hoch, dass der Betrieb nicht mehr rentabel betrieben werden könnte.
Obwohl sehr viele Kommunen verschuldet sind und ihre Haushalte nicht ohne neue
Schulden ausgleichen können, gibt es einen Trend der Kommunalisierung wirtschaftlicher
Aktivitäten. Befördert wird dies durch das Misstrauen eines Teils der Bevölkerung gegen
private Unternehmen und das Interesse kommunaler Politik, den eigenen
Wirkungsbereich zu vergrößern, auch durch erhoffte Gewinne. Oft wird das Argument der
Daseinsvorsorge bemüht. Aufgabe eines demokratischen und freiheitlichen Staates und
damit auch der Kommunen ist es, den gesetzlichen und organisatorischen Rahmen
vorzugeben, in dem die Bürger leben und wirtschaften können. Im Kern sind es
hoheitliche Aufgaben, die Staat und Kommunen tragen müssen. Wirtschaftliche
Aktivitäten sind keine Kernaufgaben der Kommunen und häufig fehlt es kommunalen
Betrieben an Effizienz und Transparenz. Kritisch ist es auch, wenn Kommunen lokalen
Betrieben Konkurrenz machen oder wirtschaftliche Risiken eingehen, für die am Ende der
Steuerzahler gerade stehen muss.
Regionale Wertschöpfung
Ausgehend von kommunalen fiskalischen Interessen verweisen Befürworter von
Rekommunalisierungen darauf, die „Öffentliche Daseinsvorsorge“ sichern zu wollen und
zugleich einen Beitrag zur Förderung der Regionalen Wertschöpfung zu liefern. Deshalb
halten sie es auch für legitim, weitere kommunalwirtschaftliche Kreisläufe zu
rekommunalisieren.
Aus ordnungspolitischer Sicht setzen die Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen und
die postulierte „Regionale Wertschöpfung“ Anreize, die wettbewerbsschädlich sind. Die
unsere marktwirtschaftliche Ordnung prägende Preisfindung über die Knappheit der Güter
wird durch einen anderen Referenzwert, die „Regionale Wertschöpfung“, ersetzt.
Größenvorteile und Ineffizienzen werden vernachlässigt – zu Lasten der Bürger. Diese
politisch
gewollte
Fehlentwicklung
muss
durch
eine
Rückkehr
zur
Wettbewerbsorientierung unserer Sozialen Marktwirtschaft entschieden entgegen
getreten werden.
In den folgenden Abschnitten werden
Rekommunalisierung kritisch dargestellt.
beispielhaft
einige
Bereiche
der
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15. bis 17. Mai 2015
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Trinkwasserversorgung
Natürliche Monopole wie die Trinkwasserversorgung sind vielfach dem Wettbewerb
entzogen
und
in
der
Hand
kommunaler
Unternehmen
außerhalb
des
Preisbildungsmechanismus des Marktes.
Stabile Erträge kommen vielfach als Quersubventionen anderen kommunalen
Einrichtungen zu Gute. Eine ordnungspolitische Verwerfung resultiert daraus, dass
Gebühren, alleine zur Kostendeckung des Produkts bestimmt, zur Quersubvention
anderer kommunaler Einrichtungen wie ÖPNV, Kindertagesstätten oder Bäder genutzt
werden. Die aus Gebühren querfinanzierten Einrichtungen können jedoch nicht von allen
Gebührenzahlern genutzt werden.
Gebühren und Beiträge, die für die Bereitstellung öffentlicher Güter erhoben werden,
unterliegen keiner Missbrauchsaufsicht. Das Kommunalrecht verlangt im Regelfall die
kostendeckende Erhebung; Kommunalaufsichten versagen bei Unterdeckung ggf.
Haushaltsgenehmigungen. Die wirtschaftliche Erledigung von Leistungen der
„Öffentlichen Daseinsvorsorge“, die unter das Gebührenrecht fallen, ist im Regelfall nicht
Bestandteil kommunalaufsichtlicher Prüfung. Bloß vergleichende Prüfungen im
öffentlichen Bereich vermögen keine Hinweise auf effiziente Erledigung zu geben.
Ausgelagerte kommunale Versorgungsunternehmen unterliegen der Kartellaufsicht.
Kartellbehörden prüfen, anders als die Kommunalaufsichtsbehörden, auf ökonomische
Plausibilität.
Kartellrechtliche Beanstandungen der Preisbildung verschiedener kommunaler Versorger
(Wetzlar-Urteil) haben jedoch zu einer Flucht zurück in das Gebührenmodell und damit
der Kommunalaufsichten geführt.
Eine wünschenswerte kartellrechtliche Überwachung, auch im Gebührenmodell, zur
Vermeidung von Umgehungstatbeständen schließt die 8. GWB-Novelle de facto aus.
Erneuerbare Energien und Energiewirtschaft
Im Zuge des Ausbaus erneuerbarer Energien haben sich viele Städte, Gemeinden und
Landkreise energiepolitische Ziele gesteckt, die zum Teil erheblich von der geltenden
bundespolitischen Beschlusslage abweichen. Das formulierte Ziel einer zu 80 Prozent
regenerativen Energieversorgung für unser Land bis 2050, sehen lokale Beschlusslagen
bereits für deutlich früher vor. Einige schon für 2030.
Im Zuge der erleichterten Gestattung kommunalwirtschaftlicher Tätigkeit im Erneuerbare
Energien-Bereich, unter faktischer Außerkraftsetzung der Subsidiaritätsklausel, nutzen
Landkreise, Städte und Gemeinden in verstärktem Umfang die Möglichkeiten des
Beteiligungs- und Konzessionserwerbs an Unternehmen der Energiewirtschaft. Die
Energieerzeugung wird zunehmend an lokalen Interessen ausgerichtet. Garantierte
Einspeisevergütungen verhindern möglichen Wettbewerb.
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15. bis 17. Mai 2015
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Fehlende Größenklassen und im Ergebnis das Fehlen positiver Skaleneffekte bei den
lokalen Erzeugern regenerativ gewonnener Energie aus Windkraft, Sonne oder aus
Biogasanlagen drohen, bei bereits geringfügiger Störung oder Veränderung des
gesamtwirtschaftlichen Umfeldes, schneller unwirtschaftlich zu werden. Kleinteilige
Energieerzeugung
ist
deshalb
hinsichtlich
ihres
gesamtwirtschaftlichen
Verwerfungspotentials kritisch zu betrachten.
Kommunale Vertretungen beschließen Investitionen in kommunale Windparks,
Photovoltaikanlagen, Biogasreaktoren und ähnliche Systeme, die alleine der Umsetzung
politischer Absichten dienen. Nicht selten werden die Wirtschaftspläne dafür von den
Projektinitiatoren erstellt. Die Risiken eines solchen kommunalwirtschaftlichen Handelns
werden in Hoffnung auf zusätzliche Haushaltsbeiträge allzu gerne verdrängt.
Stadtwerke weiten in der Folge, politisch gewollt, zunehmend ihre Geschäftstätigkeit im
Rahmen der sog. Energiewende und der damit verbundenen Beteiligungserleichterungen
aus. All dies in der trügerischen Sicherheit eines Ertrags aus staatlich festgelegten
Einspeisevergütungen und Durchleitungsgebühren.
Beispiele für Rekommunalisierung in der Energiewirtschaft waren der 100%Beteiligungserwerb der Stadt Hamburg an den Netzgesellschaften für Strom, Gas und
Fernwärme von E.ON Hanse und Vattenfall für rd. € 2 Mrd. sowie die
Rekommunalisierung des Durchleitungsnetzes der E.ON Mitte AG durch die Aufstockung
des kommunalen Altaktienanteils um 100 Prozent für € 612 Mio. durch 13
niedersächsische und hessische Landkreise und Städte Ende 2013.
Der Kaufpreis wurde fremdfinanziert. Die Kreditsumme wurde von den beteiligten
Landkreisen und Städten zu 80 Prozent verbürgt. Die Tilgung soll mit den anfallenden
Dividenden aus den regulierten Durchleitungsgebühren bestritten werden. Bürgen für die
Übernahme waren letztlich die Einwohner der im Versorgungsgebiet liegenden Städte und
Gemeinden.
Als „Hintergrund und Ziele der Übernahme“ wurde formuliert, die „einmalige Gelegenheit,
einen vollständig kommunalen Anteilsbesitz“ erwerben zu können, „das kommunale
Netzwerk in der Energiewirtschaft der Region weiter zu entwickeln“,„die Sicherung des
kommunalen Einflusses auf den Netzbetrieb als Bestandteil der…öffentlichen
Daseinsvorsorge“(!), zum „verstärkten Ausbau regionaler Energiekreisläufe“.
Als weitere Begründung zur vollständigen Netzübernahme stand in der Beschlussvorlage
für die kommunalen Gremien zu lesen: „Zur Sicherung einer stabilen und ausreichenden
Versorgung der Bevölkerung, insbesondere mit Strom und Gas, spricht alles dafür, die
Netze unter staatlichen Zugriff zu stellen. Nur dann können… die Kommunen und
Landkreise ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, eine ausreichende und stabile
Infrastruktur für die Bevölkerung zu sichern…nachkommen.“
Und weiter, als ernsthafte Begründung: „Sollte auf den Ankauf verzichtet werden, ist die
weitere Entwicklung nicht absehbar. Es ist davon auszugehen, dass ein Mitbewerber auf
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dem Strom- und Gasmarkt die Anteile übernimmt mit den Folgen des
privatwirtschaftlichen Handelns bis hin zu Risiken, dass das Netz nicht ausreichend
gepflegt wird, es zu Zusammenbrüchen in der Versorgung kommt oder aber die
Renditeerwartung Privater zu Lasten der Bürger geht.“
Hier werden durch Diskreditierung des Handelns der Wirtschaft massive Zweifel an
unserer geltenden Wirtschaftsordnung durch den öffentlich-rechtlichen Bereich geschürt.
Um die „Renditeerwartung Privater“ zu verhindern wird suggeriert, dass der Netzbetrieb
mit öffentlich-rechtlichen Eignern ohne Renditeerwartung von statten gehen wird. Ohne
Rendite aber ließe sich die Finanzierung nicht bedienen.
Es steht zu erwarten, dass mit einer sinnvollen stärkeren Europäisierung der
Energiemärkte auch in den regulierten Energiebereichen Nachsteuerbedarf besteht und
die derzeitigen Durchleitungsentgelte von rd. € 0,05/kWh nicht auf Dauer als sicher
angesehen werden können. Die Energieversorger Wissen darum und weisen auch in
ihren Geschäftsberichten darauf hin. So die E.ON Mitte AG in ihrem letzten
Geschäftsbericht für 2012: „Diese und weitere Effekte aus der Anreizregulierung führen zu
dauerhaften Erlöseinbußen und erhöhen den Druck auf die Netzbetreiber.“ Weiter: „Die
Ergebnisprognose…für die kommenden Jahre wird durch gestiegenen Kostendruck
infolge der Anreizregulierung sowie Vorgaben der BNetzA belastet.“ „Dennoch werden in
den kommenden Jahren tendenziell Ergebnisrückgänge gegenüber dem Berichtszeitraum
erwartet.“
Die im Geschäftsbericht der E.ON Mitte AG formulierten Risiken spielten in der Phase der
Beschlussfassung keine Rolle. Der Öffentlichkeit wurde die Aussicht auf ein risikofreies,
gutes Geschäft vermittelt.
Die Implementierung öffentlich-rechtlich getragener Unternehmen oder solchermaßen
getragener Beteiligungen an anderen Unternehmen, bedürfen stets besonderer
Rechtfertigung
und
müssen
wirtschaftlich
höchsten
Genehmigungsund
Prüfanforderungen standhalten. Neutrale Externe müssen verpflichtend vor solchen
Geschäften die Wirtschaftlichkeit einer vorgesehenen Investition unter allen Aspekten
prüfen. Befangenheit, auch der öffentlich-rechtlichen Bereiche, muss vor solchen
Entscheidungen zur Sicherheit der Bürger vollständig ausgeschlossen werden können.
Der Subsidiaritätsklausel ist bei allen Formen der wirtschaftlichen Betätigung von
Kommunen Geltung zu verschaffen.
Abfall- und Entsorgungswirtschaft
Kommunale Entsorger werden durch Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes bei
der Sammlung und Verwertung von Wertstoffen gegenüber den privaten Unternehmen
gestärkt.
So darf ein privater Anbieter erst dann eine gewerbliche Abfallsammlung übernehmen,
wenn er nachweist, dass er „wesentlich leistungsfähiger“ ist als der kommunale
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Entsorgungsträger. Da eine Gleichwertigkeit der Leistungen nicht ausreicht, ist der private
Entsorgungssektor gravierenden Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt.
Viele bestehende durch Private effizient durchgeführte Wertstoffsammlungen werden nun
nach und nach durch kommunale Aktivitäten zurückgedrängt. Auch die geplante
Einführung der einheitlichen Wertstofftonne birgt die Gefahr, dass weitere bisher durch
Private entsorgte Abfallströme den kommunalen Entsorgern zugeordnet werden.
Ordnungspolitisch problematisch ist, dass Landkreise und Kommunen Abfallbehörde und
Marktteilnehmer sind. Durch sog. „Inhouse“-Vergabe an den Entsorgungsträger kann der
Entsorger-Markt praktisch ausgeschlossen werden.
Die Monopolkommission empfiehlt, mehr Wettbewerb zwischen kommunalen Versorgern
untereinander und den privaten Entsorgern zu schaffen.
Eine mechanische Abfallsortierung verlangt hohe Investitionsvolumina. Privat geführte
Unternehmen der Abfallwirtschaft haben in nennenswertem Umfang diese Investitionen
für eine fortschrittliche, mechanische Abfallsortierung aufgebracht. Teilweise wird nun
nach der Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes von kommunalen Entsorgern
wieder händisch endsortiert. Mit allen Folgen der Gebührenbelastung der Endverbraucher
durch Ineffizienz.
Telekommunikation
Im Zuge der fortschreitenden Rekommunalisierung in der Energieversorgung, werden
zunehmend auch die aus Synergieeffekten resultierenden Chancen auf eine
kommunalwirtschaftliche Betätigung in der Telekommunikation genutzt. Diese Betätigung
beschränkt sich nicht mehr alleine auf die Bereitstellung technischer Infrastruktur, sondern
schließt zunehmend auch das Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen an
Endverbraucher ein. Als Beispiel dafür mag die öffentlich-rechtliche getragene
(Stadtwerke Köln) NetCologne dienen, die im Raum Köln/Bonn/Aachen bei
Telekommunikationsdienstleistungen, als eines von mehreren öffentlich-rechtlich
getragenen Unternehmen einen Marktanteil von 25 Prozent erreicht hat. Insgesamt haben
sich die Umsätze kommunaler Telekommunikationsunternehmen in zehn Jahren (20002011) fast verdreifacht - von € 328 Mio. auf € 968 Mio.
Fazit
Der Verband Kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) repräsentiert 1.430
kommunalwirtschaftliche Mitgliedsunternehmen aus den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfall und Stadtreinigung mit 245.000 Mitarbeitern und € 110 Mrd. Umsatz
(2013). Der VKU gibt an, dass die angeschlossenen kommunalen Unternehmen 80
Prozent des Trinkwassers, 65 Prozent der Wärme, 59 Prozent des Erdgases, 46 Prozent
des Stroms im Endkundensegment liefern sowie 26 Prozent des Abwassers entsorgen.
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Der Verband zeigt sich offen und gibt an, dass er sich „…aktiv in der politischen
Willensbildung und der Gesetzgebung (beteiligt)“.
Hier zeigt sich exemplarisch das Bemühen um Interaktion zwischen Gesetzgeber und
kommunaler Wirtschaft, deren letztinstanzliche Entscheidungsträger die Mitglieder
kommunaler Vertretungen sind.
Der VKU führt aus, dass kommunale Unternehmen primär keine privatwirtschaftlichen
Zwecke verfolgen, sondern dem Gemeinwohl verpflichtet sind.
In seiner Mitteilung 2/2015 informiert der VKU „…aus dem Konsultationspapier (der EUKommission)
geht
hervor,
dass
die
Kommission
wegen
denkbarer
Wettbewerbsverzerrungen durchaus Handlungsbedarf bei der Ausgestaltung der
(MWST.) Regelungen sieht. Konkret werden in dem Konsultationspapier die Abfall- und
Abwasserwirtschaft beispielhaft als solche Sektoren genannt, in denen die derzeitigen
Regelungen Wettbewerbsverzerrungen zur Folge haben sollen. Im Ergebnis kaum
überraschend zeigt der Bericht der Kommission, dass die Privatwirtschaft die derzeitigen
Regelungen hingegen als wettbewerbsverzerrend ansieht und sich für eine Ausweitung
der Mehrwertsteuerpflicht der öffentlichen Hand ausspricht.“
Der britische Soziologe und Historiker Cyril N. Parkinson charakterisierte
Bürokratiewachstum mit der pointierten Feststellung: “Arbeit dehnt sich in genau dem
Maß aus, wie Zeit für Ihre Erledigung zur Verfügung steht.“ An anderer Stelle, in den nach
ihm benannten Parkinsonschen Gesetzen: „Jeder Beamte (und Angestellte) wünscht die
Zahl seiner Untergegebenen, nicht jedoch die Zahl seiner Rivalen zu vergrößern.“
Der Wirtschaftswissenschaftler William A. Niskanen formulierte, dass die „Bürokratie ihren
Nutzen maximiert, in dem sie ihr Budget steigert. Das führt zu einer Ausweitung des
Angebots öffentlicher Güter, über die wohlfahrtsoptimierte Menge hinaus…“.
Bei bestehendem Konsolidierungsbedarf öffentlicher Haushalte muss dies allein von der
Ausgabenseite her erfolgen. Eine erhoffte Stärkung der Einnahmenseite durch
wirtschaftliche Tätigkeit ist ineffizient, immer mit Risiken verbunden und für treuhänderisch
übernommene Haushaltsführung abzulehnen.
Das Ausscheiden von Unternehmen aus dem Wettbewerb einer Angebotswirtschaft ist
systemimmanent. Dies muss auch für öffentlich-rechtliche Unternehmen gelten. Staatliche
Eingriffe, die dem entgegen wirken sollen, sind abzulehnen. Sie stören das
marktgetriebene
Angebotsund
Nachfragegleichgewicht.
Eingriffe
in
den
Preisbildungsmechanismus benachteiligen Anbieter und Verbraucher.
Arbeitsplatzargumente sind keine ausreichende Legitimation für kommunalwirtschaftliches
Handeln. Der Bestand an Arbeitsplätzen unterliegt immer einer Produktivitätsäquivalenz.
Arbeitsplatzgewinne und Arbeitsplatzverluste folgen den großen konjunkturellen
Schwankungslinien.
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Arbeitsplätze in kommunalen Unternehmen entstehen nicht in vollem Umfang zusätzlich,
sondern beeinträchtigen immer auch die Entstehung von Arbeitsplätzen in der Wirtschaft.
Im günstigeren Fall ist dies ein Nullsummenspiel; im Regelfall führt dies zu
Effizienzverlusten zu Lasten der Steuerzahler.
Bei Arbeitsplatzverlusten oder in besonderen Lebenslagen, sichern sozialstaatliche
Einrichtungen für die Betroffenen die Möglichkeiten weiterer gesellschaftlicher Teilhabe
ab.
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Antrag 603
Betr.:
Vernunft statt Empörung - Für eine rationale
Strafgesetzgebung
Antragsteller: Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und
Verbraucherschutz
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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3
4
Die FDP setzt sich auch weiter für ein Strafrecht ein, dass rationalen Regeln
und rechtsstaatlichen Prinzipien verpflichtet ist. Den zunehmenden Aktionismus
des Strafgesetzgebers und die Missachtung elementarer Regeln bei der Gesetzgebung sehen wir mit Sorge.
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Strafrechtliche Verfolgung muss nach Ansicht der FDP weiter die staatliche Reaktion auf erhebliches, schädliches Unrecht, nicht Mittel zur Durchsetzung von
Moralvorstellungen gegenüber den Bürgern sein, mögen diese auch ihre Berechtigung haben. Das Schuldprinzip hat Verfassungsrang und setzt für eine Bestrafung persönlich zurechenbares Fehlverhalten voraus. Mit den Plänen für die
Strafbarkeit von Unternehmen wird dieses Prinzip aufgegeben. Jeder Bürger
muss gemäß dem Bestimmtheitsgebot im Voraus erkennen können, mit welchem
Verhalten er sich strafbar macht. In vielen Regelungen werden dagegen immer
neue nicht klar verständliche Straftatbestände formuliert, die ihren Ursprung in
allgemeiner Missbilligung von Verhaltensweisen haben. Mit der Einführung besonderer Gesinnungsmerkmale soll Strafrecht nun auch zur Durchsetzung definierter
Moral dienen. Eine weitere Überdehnung des Strafrechts droht in der Strafbarkeit
von Handlungen die selbst vom Versuch der Begehung einer Straftat noch weit
entfernt und allenfalls als Vorbereitungshandlung geeignet sind.
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22
23
In den letzten Jahren werden stets neue angebliche Schutzlücken für nicht hinreichend genau gefasste Rechtsgüter ausgemacht und mit eilig gefertigten Strafgesetzen geschlossen. Strafrechtliche Prinzipien werden dabei oft vernachlässigt.
Für die FDP bleibt das Strafrecht ultima ratio staatlichen Handelns und nicht Erziehungsmittel.
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26
Die FDP tritt daher auch in Zukunft für ein Strafgesetzgebung ein, die den bewährten rechtsstaatlichen Prinzipien entspricht und fordert deren Beachtung bei
allen Laufenden und künftigen Gesetzgebungsvorhaben.
Begründung:
Keine Begründung.
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Antrag 604
Betr.:
Die Liberalen lehnen die Einführung eines
Unternehmensstrafrechtes ab
Antragsteller: Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und
Verbraucherschutz
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
Die Liberalen lehnen die Einführung eines Unternehmensstrafrechtes ab
2
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Eine Gesetzesinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen sieht die „Einführung
der strafrechtlichen Verantwortung von Unternehmen und sonstigen Verbänden“
und darin detaillierte Bestimmungen zur Schaffung eines „Unternehmensstrafrechtes“ vor. Auch im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien ist die Absicht
festgehalten, ein Unternehmensstrafrecht „für multinationale Konzerne“ einzuführen.
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Die Liberalen lehnen die Schaffung eines solchen Unternehmensstrafrechtes ab.
Für die Liberalen sind die vorgesehenen Regelungen unnötig, strafrechtlich fragwürdig, überzogen und rechtspolitisch verfehlt. Die Liberalen wenden sich gegen
jede Art von „Symbolpolitik“, die sich negativer Stereotypen über Unternehmen
und Unternehmer bedient. Maßstab gesellschaftlicher Verantwortung für wirtschaftliches Handeln sind die Grundsätze des Ehrbaren Kaufmannes. Von einer
Tendenz, die zunehmend Unternehmen unter „Generalverdacht“ für kriminelles
Handeln stellen will, distanzieren sich die Liberalen ausdrücklich.
Begründung:
Ein gesetzlicher Regelungsbedarf für ein Unternehmensstrafrecht besteht nicht. Straf-,
Gewerbe
–
und
Ordnungsrecht
enthalten
bereits
jetzt
ausreichende
Sanktionsmechanismen, mit denen Gesetzesverstöße bei der Tätigkeit von Personen in
Unternehmen geahndet werden und vor der Begehung solcher Verstöße abgeschreckt
werden kann. Ein sachlicher Grund, neben dem Ordnungswidrigkeitsrecht zusätzliche
Sanktionsmöglichkeiten im Strafrecht zu schaffen, besteht nicht. Bis heute gibt es auch
keine bundesweiten repräsentativen statistischen Erhebungen, die sich mit
Gesetzesverstößen durch Tätigkeit in Unternehmen befassen und die die Notwendigkeit
weiterer Sanktionsmöglichkeiten belegen würden. Ohne ausreichende Faktenbasis beruht
die bestehende Gesetzesinitiative des Landes NRW auf purem Populismus.
Eine strafrechtliche Sanktionierung von Unternehmen oder Verbänden lässt sich nicht
sinnvoll in das System des deutschen Strafrechtes integrieren. Es ist mit dem geltenden
Schuldprinzip nicht vereinbar und nicht begründbar. Die herkömmlichen Strafzwecke
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(Schuldausgleich und positive/negative Spezial- und Generalprävention) können auf
Unternehmen nicht angewendet werden. Adressaten von Strafzwecken bleiben immer die
hinter dem jeweiligen Gesetzesverstoß stehenden handelnden oder unterlassenden
natürlichen Personen. Auch das Bestehen eines Compliance-Systems lässt sich heute
schon im geltendem Recht ohne weiteres als strafmindernd berücksichtigen. Eine
Aufgabe des Schuldprinzips und dessen Bezug auf natürliche Personen durch die
Einführung einer Strafbarkeit eines Unternehmens oder Verbandes bedeutete für das
Strafrecht zugleich einen „Dammbruch“ hin zu einer zukünftigen potentiellen Bestrafung
beliebiger anderer „Einheiten“, „Organisationen“ oder „Verbände“, wie wir dies aus nichtdemokratischen Gesellschaftsformen kennen.
Eine Sanktionierung von Unternehmen ist auch deshalb abzulehnen, weil sie mittelbar zur
Bestrafung gänzlicher Unschuldiger führt, nämlich z.B. der (gesetzestreuen)
Arbeitnehmer, die beispielsweise nach der Sanktion einer Vermögensabschöpfung um
ihren Arbeitsplatz bangen müssen oder der Eigentümer des Unternehmen (z.B.
Gesellschafter oder Kleinaktionäre), die mit dem gesetzeswidrigen Handeln einzelner im
Unternehmen nichts zu tun haben.
Wesentliche Bestimmungen des NRW-Gesetzesentwurfs sind völlig überzogen. Dazu
gehört u.a.
- als „gesellschaftsrechtliche
Unternehmen.
Todesstrafe“
die
Möglichkeit
der
„Auflösung“
des
- die Möglichkeit, Unternehmens mit Hilfe eines „naming und shaming“-Prinzipes an den
öffentlichen Pranger zu stellen.
- bestehende Compliance-Systeme und ihr Funktionieren nicht im Rahmen des objektiven
oder subjektiven Tatbestandes als tatbestandsausschließend vorzusehen, sondern erst
auf der Rechtsfolgenseite nach Ermessen des Gerichts strafmildernd berücksichtigen zu
können und damit den Einwand rechtskonformer Organisation abzuschneiden.
- die vorgesehene Anwendbarkeit auf alle juristischen Personen, nichtrechtsfähige
Vereine und rechtsfähige Personengesellschaften des privaten und öffentlichen Rechts,
also mithin auf jeden Tennisverein, jedes KMU und jede kleine Kommune, was dazu
führen würde, dass Bürger ihr ehrenamtliches Engagement einschränken werden und
KMUs mit zusätzlicher Bürokratie überzogen würden.
- die Strafbarkeit des Unternehmens, ohne dass ein tatsächliches aktives Verschulden
einer natürlichen Person in der Aufsicht oder Überwachung vorliegt (so soll Strafbarkeit
z.B. auch vorliegen, wenn ein Entscheidungsträger nach allen Regeln der Kunst
ausgewählt wurde und über Jahre hinweg seine leitende Tätigkeit beanstandungsfrei
ausgeführt hat, dann aber fahrlässig einen Gesetzesverstoß begeht oder aber wenn eine
unternehmensbezogene fahrlässige Zuwiderhandlung erfolgt ist, aber durch einen
„Entscheidungsträger“ des Unternehmens nur fahrlässig zumutbare Aufsichtsmaßnahmen
unterlassen wurden).
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 275
- die uferlose Definition der strafbaren Personen durch den verwendeten Begriff des
„Entscheidungsträgers“.
- dass nicht mal eine Kausalität zwischen dem unternehmensbezogenen
Zuwiderhandlung und einem Organisations- oder Aufsichtsverschulden erforderlich sein
soll und auch dadurch der Einwand rechtskonformer Organisation abgeschnitten wird.
- dass der im Strafrecht tragende Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht greifen kann und soll.
- die vorgesehene Strafbarkeit auch eines Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolgers, ohne
dass dieser irgendeinen Beitrag zu dem Gesetzesverstoß seines Rechtsvorgängers
geleistet hat.
Die vorgesehenen Bestimmungen führen zudem in ihrer uferlosen Weite auch zu
erheblicher Rechtsunsicherheit, mit der der Mut zu unternehmerischem Handeln und
unternehmerische Dynamik im Keim erstickt würde.
Das im Koalitionsvertrag formulierte Ziel, ein Unternehmensstrafrecht „nur“ für
„multinationale Unternehmen“ prüfen zu wollen, geht fehl. Es ist schon unklar, was als
„multinationales Unternehmen“ anzusehen ist. Eine Sanktion oder deren Höhe kann auch
nicht davon abhängen, ob eine Unternehmen grenzüberschreitend und in wie vielen
Ländern es tätig ist.
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Antrag 605
Betr.:
Rahmenbedingungen für den flächendeckenden Ausbau der
Kommunikationsnetze zur Sicherstellung der
Wettbewerbsfähigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft
Antragsteller: Landesverband Bayern
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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3
Die FDP fordert die Bundesregierung auf, zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und im Interesse der Zukunft unseres Landes
folgende Maßnahmen zu beschließen:
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1. Die Einrichtung eines Bundesbeauftragten für den Netzausbau (BBNA), der
alle Ausbaumaßnahmen zwischen der Privatwirtschaft, Kommunen, Ländern,
dem Bund und Europa (EU) koordiniert.
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2. Die Entwicklung eines schlüssigen Finanzierungskonzeptes für den prognostizierten Kapitalbedarf des Netzausbaues in Deutschland von mindestens 50 Mrd.
Euro. Zusätzlich fordern wir eine investitions- und innovationsfördernde, sowie
technologieoffene Regulierung auf EU-Ebene.
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3. Die Förderung der Gründung von Zweckgesellschaften zum Netzausbau dort,
wo keine Vorhabensträger für den Netzausbau vorhanden sind.
Begründung:
Keine Begründung.
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66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
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Antrag 606
Betr.:
Netzneutralität mit Zukunft
Antragsteller: Bundesfachausschuss Medien, Internet und digitale Agenda
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Herausforderung:
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In der politischen Debatte nimmt das Thema „Netzneutralität“ mittlerweile – obgleich bislang nur wenige Fälle möglicher Verstöße bekannt sind - breiten Raum
auf allen politischen Ebenen ein, von Europa über den Bund bis in die einzelnen
Bundesländer und auch weltweit. Getrieben wird die Diskussion von der Sorge,
Netzbetreiber könnten Einfluss auf die Erreichbarkeit bzw. die Übertragungsqualitäten nehmen, und so die Informationsvielfalt und –freiheit im Internet gerade
auch für nicht so finanzstarke Anbieter wie zum Beispiel Startups gefährden.
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Gleichzeitig erfordern immer mehr über das Internet realisierte Dienste bestimmte Qualitätssicherungen und besonders leistungsfähige Übertragungsformen, um
zusätzliche Innovationen und Wertschöpfungspotenziale der Digitalisierung zu
realisieren. Die privaten Betreiber der Netze sehen sich angesichts massiv steigender Datenvolumina und öffentlicher Erwartungen an den Breitbandausbau erheblichen Investitionsanforderungen gegenüber und wollen daher an der durch
die Netze ermöglichten digitalen Wertschöpfung partizipieren.
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Regelungsziel:
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Ziel einer Regulierung im Sinne der Netzneutralität muss es sein, eine Balance
dieser widerstreitenden Interessen zu finden, dabei aber die Informationsfreiheit
und –vielfalt zu gewährleisten. Auch kleinere, weniger finanzstarke Anbieter von
Diensten und Inhalten müssen ungehinderten Zugang zum weltweiten Netz haben. Gleichzeitig muss es möglich sein, innovative Dienste mit hohen Anforderungen an die Netzqualität zu entwickeln und zu betreiben. Netzbetreiber haben
Anspruch auf eine angemessene Wertschöpfung, denn nur daraus ergeben sich
wiederum Anreize für Investitionen in die Netze.
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Die FDP steht für ein freies Internet als Treiber für wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit. Jedem Versuch, ob von staatlicher oder privater Seite, die
Nutzung bestimmter Inhalte zu unterbinden oder zu erschweren, wird eine klare
Absage erteilt. Das Best-effort-Internet ist als wesentliche Basis für gleichberechtigte Chancen jeder Form von Meinungsäußerung, Inhaltsangeboten oder wirtschaftlicher Unternehmung zu wahren und weiter auszubauen.
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Die FDP will das große Innovationspotenzial junger Unternehmen im Netz wahren, gleichzeitig aber auch das Innovationspotenzial neuer Dienste, die spezielle
Anforderungen an die Übertragungsqualität haben, erschließen. Sie erkennt an,
dass dabei zukünftige Entwicklungen nicht vorherzusehen sind. Deshalb befürwortet die FDP eine an Prinzipien orientierte Regulierung der Netzneutralität anstelle einer detaillierten Vorabregelung, so dass sich Innovationen frei entfalten
können, gleichzeitig aber auch Fehlentwicklungen schnell erkannt und wirksam
abgestellt werden können. Diese Regelung sollte im Interesse eines einheitlichen
digitalen Binnenmarktes auf europäischer Ebene erfolgen.
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Die FDP anerkennt das Interesse und die grundrechtlich geschützte Freiheit,
neue Technologien, neue Inhalte und neue Geschäftsmodelle entwickeln zu können. Aus diesem Grund sollten auch qualitätsgesicherte Dienste im Internet möglich sein. Dabei ist aber einem Missbrauch von marktbeherrschenden Stellungen
und Gatekeeper-Funktionen wirksam vorzubeugen. Deshalb fordert die FDP
Transparenz und Nichtdiskriminierung als Voraussetzung solcher Dienste ebenso
wie die Sicherung des Fortbestands und die parallele Weiterentwicklung der
Leistungsfähigkeit des Best-effort-Internets. Die Regulierungsbehörden müssen in
der Lage sein, über die Einhaltung dieser Prinzipien in effektiver Weise zu wachen.
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Liberale Position:
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Die FDP bekennt sich ausdrücklich zum Prinzip der Netzneutralität und zu einem
für alle Menschen offenen Internet als wesentlichem Bestandteil der Meinungsund Informationsfreiheit. Dies gilt gleichermaßen für Festnetze wie mobile Netze.
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Der Bestand und die laufende Fortentwicklung des existierenden Best-effort-Internets als Basis des offenen Internets ist hierfür eine unabdingbare Voraussetzung. Dies ist damit wesentliches Ziel liberaler Politik.
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Die FDP anerkennt, dass bestimmte internetbasierte Dienste besondere Qualitätsanforderungen haben können.
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Es steht Netzbetreibern grundsätzlich frei, qualitätsgesicherte Dienste in ihrem
Netz anzubieten, solange die folgenden Voraussetzungen sichergestellt sind:
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1. Netzbetreiber stellen entsprechende qualitätsgesicherte Dienste diskriminierungsfrei für jeden Anbieter zu angemessenen Preisen zur Verfügung (zum Beispiel Bepreisung in Abhängigkeit von der tatsächlichen Nutzung und Minimierung
von Transaktionskosten, diskriminierungsfreie Gestaltung von Buchungsmechanismen – kein Ausschluss von Drittanbietern, keine Exklusivität, keine Bevorzugung eigener Dienste);
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2. Der Fortbestand und die Fortentwicklung des Best-effort-Internets sowie der
Zugriff auf Dienste und Inhalte wird nicht eingeschränkt;
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3. Es erfolgen Verlässliche Aussagen für den Endbenutzer über die als Best-effort-Internet bereitgestellte Bandbreiten, und deren Einhaltung ist transparent und
überprüfbar;
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4. Eine Wettbewerbsaufsicht stellt sicher, dass die oben genannten Bedingungen jederzeit eingehalten werden.
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Sofern Netzbetreiber bei volumenbasierten Abrechnungsmodellen Diensteanbietern die Übernahme der Kosten für die von deren Dienst verursachten Datenvolumina anbieten, müssen sie eine solche Kostenübernahme in transparenter und
diskriminierungsfreier Weise allen vergleichbaren Diensteanbietern anbieten. Eine Doppelberechnung von Datenvolumina sowohl beim Endkunden als auch
beim Diensteanbieter darf es nicht geben.
Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Antrag 607
Betr.:
Moderne Industrie- und Handelskammern sowie
Handwerkskammern
Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Mittelstand
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
2
Wir fordern eine Modernisierung der Industrie- und Handelskammern
Handwerkskammern, die folgende Leitgedanken berücksichtigt:
sowie
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1) Wettbewerb
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7
Wettbewerb sorgt für Leistung und Innovation. Dies gilt nicht nur für Unternehmen, sondern genauso für die IHK sowie HWK. Aus diesem Grund soll geprüft
werden, ob Unternehmer Wahlfreiheit erhalten und sich für die IHK bzw. HWK ihrer Wahl entscheiden dürfen können.
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2) Transparenz
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IHK sowie HWK sind Einrichtungen öffentlichen Rechts. Aus diesem Grund
kommt ihnen eine besondere Verpflichtung zu transparentem Handeln zu. Hierzu
zählen eine Offenlegung von Gehältern der Hauptgeschäftsführer, die Dokumentierung von Pensionslasten sowie eine transparente Ausgabenpolitik bei Großveranstaltungen.
14
3) Keine Konkurrenz zu Mitgliedsfirmen
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18
IHK sowie HWK dürfen die Aufgaben, die ihnen der Gesetzgeber zuweist, nicht
willkürlich überschreiten. Dies gilt vor allem für das Anbieten von Leistungen, bei
denen sie als Wettbewerber zu Mitgliedsfirmen auftreten – beispielsweise bei Seminaren und anderen Bildungsangeboten.
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4) Gebührenfreiheit für Kleinunternehmer
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Der Gesetzgeber hat Selbständigen mit einem Jahresumsatz unter 17.500 Euro
den Status eines Kleinunternehmers mit steuerlichen Vorteilen zugebilligt. Mitgliedsunternehmen mit unter 17.500 Euro Jahresumsatz sollten, unabhängig von
der Rechtsform des Unternehmens, generell auch von der Kammermitgliedsgebühr befreit sein.
Begründung:
Erfolgt mündlich.
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Antrag 608
Betr.:
Medienstaatsvertrag
Antragsteller: Bundesfachausschuss Medien, Internet und digitale Agenda
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Herausforderung:
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Die Regulierung der audiovisuellen Medien (AV-Medien) kann mit der technischen Konvergenz nicht Schritt halten, sondern weist wie z.B. mit der Werbeund Frequenzregulierung im Rundfunk noch Ansätze auf, die von anderen Voraussetzungen ausgehen und dringend modernisiert werden müssen. Zudem bieten Bund- und Länderrecht Schnittstellen, die nicht aufeinander abgestimmt sind,
sondern nebeneinander gelten und daher Planungsunsicherheit für die Medienunternehmen hervorrufen, die in einem globalen Wettbewerb mit internationalen
Playern stehen (Bsp. Kartell- und Konzentrationsrecht, Urheberrecht, Plattformregulierung). Bereits die Begrifflichkeiten und Definitionen der Dienste sowie die
Abgrenzung nach linear / non-linear werden perspektivisch nicht mehr halten.
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Regelungsziel:
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Grundsätzliches Ziel sollte es sein, faire und einheitliche Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen zu schaffen und dabei einen marktliberalen Ansatz zu
wählen, der zugleich mediale Vielfalt sichert. Politisch anzustreben ist vor allem,
die wesentlichen Fragestellungen konsequenter als bisher anzugehen und dabei
insbesondere die unterschiedlichen Zuständigkeiten bei Bund- und Länderthemen
übergreifend zu adressieren.
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Liberale Position:
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Bund und Länder werden aufgefordert, im Bereich der AV-Medien Rahmenbedingungen zu schaffen, die
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· die Herausforderungen der Konvergenz aufnehmen und konkrete Vorschläge
zur Umsetzung der bisherigen Defizite machen;
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· von einem modernen und liberalen Regulierungsrahmen nach dem Leitbild
ausgehen: so viel Deregulierung wie möglich, im Bereich der absoluten Schutzgüter (Jugendschutz, Menschenwürde) so viel Regulierung wie nötig;
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· die Idee der sozialen Marktwirtschaft nicht durch kleinteilige Regulierung der
Refinanzierungsmöglichkeiten der Medien durch Werbeverbote oder -beschränkungen konterkarieren;
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· die Diskriminierungsfreiheit beim Zugang und die Auffindbarkeit besonders der
AV-Medien-Angebote mit besonderer gesellschaftlicher und Vielfaltsrelevanz sichern und Angebots- sowie Anbietervielfalt gerade auch auf neuen Plattformen
ermöglichen;
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· die Marktverhältnisse, besonders im Wettbewerbs- und Kartellrecht, überprüfen
und damit die Voraussetzungen für eine internationale Wettbewerbsfähigkeit wie
z.B. im Bereich von Online-Videoplattformen schaffen;
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· den Schutz geistigen Eigentums ebenso im Blick behalten wie den Erhalt und
die Ermöglichung neuer Geschäftsmodelle.
Begründung:
Erfolgt mündlich
Zusatzinformationen:
Die vielzitierte Konvergenz ist erlebbar geworden. Sog. Smarte Endgeräte wie Fernseher,
Tablets oder Mobiltelefone verbinden „klassische“ Medienangebote aus Rundfunk und
Print mit dem Internet und verschmelzen dabei in einem Maße, die für den Zuschauer,
Zuhörer oder Nutzer keinen Unterschied nach der Art der Transporttechnologie mehr
erkennbar machen. Die Technik ist konvergent, die Inhalte sind es auch. Die Regulierung
muss diese Realitäten noch nachvollziehen. Perspektivisch wird auch die Unterscheidung
zwischen linearen und non-linearen Diensten als Abgrenzungskriterium immer weniger
tauglich sein.
Medien- und Netzpolitik werden vielfach noch in der fachpolitischen Nische diskutiert,
obwohl sowohl die gesellschafts- als auch die wirtschaftspolitischen Auswirkungen eine
deutlich breitere politische wie öffentliche Aufmerksamkeit verdienen.
Die Bedrohungen der Sozialen Marktwirtschaft besonders durch Einschränkungen der
Möglichkeiten bei der Refinanzierung der Medienangebote – insbesondere bei der
Werbung – hat mit neuen Ansätzen in der Regierungskoalition deutlich zugenommen,
etwa wenn pauschal vermeintliche Verbraucher- vor Wirtschaftsinteressen gestellt werden
oder eine sorgsame Abwägung von ökonomischen Erwägungen bestimmter
Regulierungsmaßnahmen unterbleibt.
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15. bis 17. Mai 2015
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Antrag 609
Betr.:
EU-Verordnung EMIR
Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Mittelstand
Der Bundesparteitag möge beschließen:
1
2
3
Die EU-Verordnung EMIR (European Market Infrastructure Regulation) ist in der
Form zu revidieren, dass die Meldepflicht für kleine und mittlere Unternehmen
entfällt.
Begründung:
EMIR ist am 16. August 2013 in Kraft getreten. Aufgrund der Erfahrungen der Finanzkrise
2008 haben die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen im Rahmen
des G20-Gipfels im Jahr 2009 beschlossen, den außerbörslichen Derivatehandel
transparenter und sicherer zu machen. Standardisierte OTC-Derivate sollen danach über
zentrale Gegenparteien abgewickelt werden und an ein Transaktionsregister mit 24Stunden-Frist gemeldet werden müssen.
Die EU-Verordnung unterscheidet dabei finanzielle und nicht-finanzielle Gegenparteien.
Die erste Variante ist in der Umsetzung unproblematisch, die zweite Variante hingegen
völlig unbefriedigend. Da die Meldepflicht ab einem Transaktionsvolumen von mehr als
100 Millionen EURO oder mehr als 100 Kontrakten pro Jahr beginnt, führt dies zu völlig
absurden Dokumentationspflichten für jeden Mittelständler, der seine Wareneinkäufe
durch Hedging absichert. Bei Preisschwankungen der Rohstoffe von circa 15 Prozent
muss er dies tun, wenn er das Risiko von Wareneinkauf und Warenverarbeitung bis zum
Verkauf der produzierten Güter neutral gestalten will.
Man könnte nun zu dem Schluss gelangen, das die BaFin und das Finanzministerium
erkennen würden, über das Ziel hinausgeschossen zu sein, aber leider ist dem nicht so,
sondern es drohen weitere Verschärfungen. Es sind weitere Regulierungen geplant, um
Arbeitsplätze für Beamte zu schaffen – allerdings zu Lasten der Arbeitsplätze im
Mittelstand. Die Kosten für die Schaffung einer Teilzeitkraft in einem produzierenden
Betrieb, welche nur den von Behörden geforderten Meldepflichten für Kontrakte
nachkommt, kann sich inklusive der Meldegebühren auf 2.000 EURO belaufen und die
zusätzlichen Gebühren für den Wirtschaftsprüfer auf 10.000 bis 20.000 EURO im Jahr.
Die Wirtschaftsprüfungspflicht gilt aber nur für Unternehmen in Deutschland; in anderen
EU-Ländern gilt sie nicht, was hier zusätzlich eine Ungleichbehandlung und
Benachteiligung deutscher Betriebe darstellt. Unter dem Deckmantel der Risikoanalyse
sammeln Behörden riesige Datenmengen über das Einkaufsverhalten von Mittelständlern,
aus denen sich Firmenprofile erstellen lassen.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
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15. bis 17. Mai 2015
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Antrag 610
Betr.:
Entlastung der Immobilienmakler nach dem
Geldwäschegesetz
Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Mittelstand
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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4
5
6
Wir fordern, dass das Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren
Straftaten (Geldwäschegesetz – GwG) dahingehend geändert wird, dass die Dokumentationspflichten gem. § 2 Nr. 10 GwG für die verpflichteten Immobilienmakler deutlich reduziert werden. Im Zuge der Umsetzung der vierten EU-Geldwäscherichtlinie (2015) in nationales Recht sind hierzu die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.
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Kunden von Immobilienmaklern, die ebenfalls Kunden bei einem Kredit- oder Finanzinstitut im Sinne der Richtlinie 2005/60/EG mit Sitz in einem Mitgliedstaat
der Europäischen Union oder mit Sitz in einem gleichwertigen Drittstaat sind,
wurden bereits von diesen Kredit- oder Finanzinstituten überprüft und werden
von diesen auch laufend überwacht. Vor diesem Hintergrund ist die Notwendigkeit einer nochmaligen intensiven Überprüfung durch den Immobilienmakler, der
mit ihnen ein Geschäft abschließen will, nicht erkennbar.
14
Stattdessen sollen folgende gesetzliche Regelungen geschaffen werden:
15
1) Identifizierung vor Vertragsabschluss:
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Jeder Kaufinteressent – sofern er Kunde des Immobilienmaklers ist – muss bei
konkretem Interesse an dem angebotenen Immobiliengeschäft gesetzlich verpflichtet werden, dem Immobilienmakler einen eindeutig identifizierbaren Bonitätsoder Finanzierungsnachweis eines Kredit- oder Finanzinstituts im Sinne der
Richtlinie 2005/60/EG vorzulegen und schriftlich zu erklären, nur über ein vergleichbares Konto die Immobilientransaktion abzuwickeln oder nur auf ein vergleichbares Konto des Verkäufers den vollständigen Kaufpreis einzuzahlen.
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2) Identifizierung bei Vertragsabschluss:
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Alle Kaufverträge in der Bundesrepublik Deutschland müssen von einem Notar
(ebenfalls Verpflichteter nach GwG) beurkundet werden. Deshalb ist es ausreichend, wenn der Notar den Käufer in der Urkunde nochmals erklären und dokumentieren lässt, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist, eine Kopie des Personalausweises sowie bei Kapitalgesellschaften eines Handelsregisterauszugs oder
Auszugs aus einem vergleichbaren amtlichen Register bzw. Verzeichnis zu den
Akten nimmt und die Zahlung des vollständigen Kaufpreises über oder auf eine
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europäische Bank mit Angabe von IBAN und BIC verpflichtend in den Kaufvertrag aufnimmt. Dem Immobilienmakler muss anschließend vom Notar eine Kopie
der Kaufvertragsurkunde ausgehändigt werden, damit dieser etwaige Abweichungen vom ursprünglich Vereinbarten einer Plausibilitätskontrolle unter Aspekten
des GwG (abweichender Kaufpreis/Käufer) unterziehen kann.
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Damit können dann jegliche weitere Dokumentationspflicht der Immobilienmakler
und damit auch die Überprüfung der Immobilienmakler durch die Ordnungsämter
entfallen. Eine Prüfung der Dokumentation kann dann stattdessen durch den
Steuerberater/Wirtschaftsprüfer (ebenfalls Verpflichtete nach GwG) im Rahmen
der Jahresabschlussarbeiten erfolgen.
Begründung:
Die EU-Richtlinie 2005/60/EG vom 26.10.2005 zur Verhinderung der Nutzung des
Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung
berücksichtigt nicht ausreichend die Besonderheiten des Deutschen Maklerrechts. Denn
im Unterschied zu vielen anderen EU-Ländern fehlen in Deutschland den
Immobilienmaklern wichtige gesetzliche Legimitationen sowie eine Honorar- und
Gebührenordnung, um entsprechend der EU-Richtlinie handeln und abrechnen zu
können. Insbesondere Einzelunternehmen und mittelständische Maklerunternehmen
werden derzeit durch das GwG mit erheblichem bürokratischen Aufwand und Kosten
belastet.
Gerade die Verpflichtung, nach § 4 Abs. 1 GwG bereits vor Begründung der
Geschäftsbeziehung oder Durchführung der Transaktion den Kunden zu identifizieren und
damit
unter
Beachtung
datenschutzrechtlicher
Vorschriften
Kopien
von
Personalausweisen
oder
Reispässen
sowie
ggf.
zusätzlichen
(Handels-)
Registerauszügen aus unterschiedlichsten Ländern einzuholen, diese auf Echtheit zu
prüfen und mindesten fünf Jahre lang aufzubewahren, ist für Immobilienmakler
vollkommen unverhältnismäßig. Eine zusätzliche Herausforderung besteht derzeit für die
Immobilienmakler in diesem frühen vorvertraglichem Stadium den „wirtschaftlich
Berechtigten“ nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 GwG zu ermitteln, bevor überhaupt ein
Vertrauensverhältnis zu dem potenziellen Kunden aufgebaut werden konnte. Hierbei
haben Immobilienmakler ebenfalls schon vor Begründung einer Transaktion eine
entsprechende schriftliche Erklärung vom Kunden einzuholen und zu den Akten zu
nehmen. Eine genaue Überprüfung der Richtigkeit dieser Erklärung können
Immobilienmakler naturgemäß nicht vornehmen und sind dazu auch gesetzlich nicht
verpflichtet.
Alle europäischen Kredit- oder Finanzinstitute im Sinne der Richtlinie 2005/60/EG
gehören allerdings ebenfalls zu den Verpflichteten nach Geldwäschegesetz und werden
selbst wiederum von den jeweiligen Aufsichtsbehörden der Länder geprüft. Diese
Finanzinstitute verfügen nicht nur über die entsprechenden technischen Möglichkeiten,
sondern auch über das entsprechende Personal und können von ihren Kunden für die
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15. bis 17. Mai 2015
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Prüfungen nach GwG, insbesondere zur Ermittlung bzw. Feststellung des wirtschaftlich
Berechtigten, sowie die laufende Überwachung aufwandsabhängige Gebühren verlangen.
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Antrag 611
Betr.:
Chancen und Risiken der Mikro- und Nano-Technologien
Antragsteller: Bezirksverband Oldenburg
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Die FDP fordert, dass rasch politische Entscheidungen hinsichtlich des Umgangs
mit expandierenden Zukunftstechnologien wie Mikro- und Nanotechnologien getroffen werden. Dazu gehören:
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1. eine ständig angepasste Datenbasis (kybernetischer Prozess) zu den Auswirkungen von Mikro- und Nano--Technologie-Verfahren und Produkten auf die
menschliche Gesundheit und die Um-welt, denn es handelt sich um kleinste synthetische Teilchen mit programmierten Eigenschaften,
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2. eine systematische und umfassende Analyse des derzeitigen
Rechts-rahmens für die Anwendung der Mikro- und Nanotechnologie,
relevanten
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3. die Einrichtung eines 360°-Monitoring-Programmes, das den weiteren Anwendungsprozess der Mikro- und Nanotechnologien begleitet und sinnvolle Entscheidungen – auch aus ethischer Sicht – vorbereitet.
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Es gilt, zeitnah einen Rechts- und Untersuchungsrahmen zu schaffen, um Erkenntnisse hinsichtlich des Einflusses auf die Gesundheit des Menschen und die
Umwelt bewerten zu können.
Begründung:
Der Einsatz von Mikro- und Nanotechnologien ist in den letzten Jahren zu einem "Renner"
in der Industrie geworden. Die meist chemisch-biologischen Verfahren revolutionieren
viele herkömmliche Produktionsverfahren und ermöglichen neue Produktionsmethoden,
die unserem exportorientierten Land weiterhin den Spitzenplatz unserer Wirtschaft sichern
helfen. Die Technologien können den Menschen erhebliche Vorteile und Erleichterungen
bringen, z.B. in den Bereichen
· Medizin: Medizinische Diagnose und Therapie, ortsgenauer Wirkstofftransport.
· Technik: Herstellung biokompatibler Materialien und Oberflächen ("Lotus").
· Agrar: Ertragssteigerungen bei Tieren und Pflanzen.
· Ernährung: Verfügbarkeit bioaktiver Substanzen im "Functional Food“.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
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· Kosmetika: Nanopartikel für Sonnenschutzmittel.
Das BMBF hat 2012 Richtlinien zur Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zum Thema „Sicherer Umgang mit synthetischen Nanomaterialien -–
Erforschung der Auswirkungen auf den Menschen und die Umwelt – NanoCare“
veröffentlicht. Dabei soll die Verträglichkeit von Nanopartikeln für Mensch und Tier sowie
im Umweltbereich (Luft, Wasser und Boden) untersucht werden. Teststrategien und
Messmethoden sollen helfen, ein optimiertes Design synthetischer Nanopartikel zu
ermöglichen.
Allgemeine Informationen zu Nano-Partikeln werden in der Wissensplattform DaNa zur
Erfassung und Bewertung von Erkenntnissen angeboten. Dies ist jedoch nur ein Ansatz,
genau wie die Gründung der Plattform NanoBioMedizin am 4. März 2015, die eine
anwendungsbezogene Forschung, besonders in der Medizin, unterstützt.
Anders als im Umgang mit der Gentechnologie (i.e. EU-Moratorium, 1998) ergeben sich
bei den genannten Technologien zeitnah noch Möglichkeiten der nachhaltigen
Risikovermeidung, um mögliche Moratorien im Schadensfall zu vermeiden, denn:
- Die Verträglichkeit der Technologieprodukte bei Mensch und Natur ist (noch) weitestgehend unbekannt.
- Der Verbleib von Technologie-Resten im Stoffwechsel von Lebewesen und in der
Umwelt ist (noch) nicht abzuschätzen.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
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Antrag 612
Betr.:
Tarifeinheitsgesetz
Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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4
5
Die FDP sieht mit Sorge, dass kleine und kleinste Gewerkschaften durch Streiks
weite Bereiche der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens lahmlegen können.
Wir appellieren an diese Gewerkschaften, ihre Rechtsstellung nicht auszunutzen,
sondern diese in Verantwortung auch vor den eigenen Unternehmen und der
Gesamtgesellschaft wahrzunehmen.
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Die FDP spricht sich allerdings dagegen aus, mit einem sogenannten Tarifeinheitsgesetz unverhältnismäßig in die Freiheit von Gewerkschaften oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einzugreifen. Dies wäre der Fall, wenn man in
Unternehmen ein Streikrecht nur noch der Gewerkschaft zugestehen würde, die
die meisten Mitglieder im Unternehmen hat.
Begründung:
Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes sichert die Freiheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern
sich zu Gewerkschaften bzw. Arbeitgeberverbänden zusammenzuschließen ebenso, wie
die individuelle Koalitionsfreiheit des Einzelnen, eine solche Vereinigung zu gründen, ihr
beizutreten oder sie zu verlassen. Gleichzeitig sichert Art. 9 des Grundgesetzes damit die
Betätigungsfreiheit solcher Organisationen, zu der auch Arbeitskämpfe gehören.
Die Einschränkung dieses Grundrechts kann allenfalls erfolgen, wenn es um den Schutz
anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang geht und der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit eingehalten wird. Ein Gesetz, dass einer Spartengewerkschaft im
Verhältnis zu einer größeren Gewerkschaft das Rechts zum Abschluss von Tarifverträgen
und zu deren Durchsetzung das Streikrecht faktisch grundsätzlich nimmt, ist schon
deshalb nicht verhältnismäßig, weil es nicht das mildeste Mittel darstellt. Zu denken wäre
etwa an zeitlich begrenzte Einschränkungen des Streikrechts oder andere Regelungen,
die der Spartengewerkschaft zwar Begrenzungen ihres Streikrechts auferlegen, die
Möglichkeiten zum Arbeitskampf aber grundsätzlich zulassen. Der Schutz von
Minderheiten auch in Unternehmen lässt sich gewährleisten, auch ohne dadurch eine
permanentes Lahmlegen von Unternehmen oder des öffentlichen Lebens befürchten zu
müssen.
Weitere Begründung erfolgt mündlich.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
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66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
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Antrag 700
Betr.:
Vielfalt der Religionen 500 Jahre nach der Reformation
Antragsteller: Bezirksverband Mittelbaden
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Der Bundesparteitag beruft eine Kommission mit dem Auftrag, vor dem Hintergrund der aktuellen und erwarteten Entwicklung der Gesellschaft das Verhältnis
der in Deutschland vertretenen Glaubensgemeinschaften untereinander und zur
freiheitlichen Gesellschaft zu analysieren und entsprechende Grundsätze zu formulieren. Die Kommission berichtet dem ordentlichen Bundesparteitag 2016.
6
Die organisatorische Umsetzung des Beschlusses obliegt dem Bundesvorstand.
Begründung:
Während die religiöse Überzeugung eines Menschen seine Privatsache ist, wirken
religiöse Gemeinschaften immer auch von außen auf den einzelnen Menschen ein sowie
in die gesamte Gesellschaft hinein. Damit berühren sie die Freiheit des Einzelnen ebenso
wie die freiheitliche Gesellschaft und sind somit ein wichtiger Gegenstand liberaler Politik.
Für den christlichen Kulturkreis hat Martin Luther 1517 die Freiheit des
Glaubensbekenntnisses begründet. Über Thomas Hobbes und Immanuel Kant wurde sie
zu einem zentralen Element des Liberalismus und führte zu einer Tradition des
weltanschaulich neutralen Staates.
500 Jahre später aber leben wir in Deutschland mit Menschen unterschiedlichster
religiöser Gemeinschaften zusammen, die teilweise sowohl die individuelle religiöse
Freiheit ablehnen als auch die Trennung zwischen Kirche und Staat nicht akzeptieren.
Vor diesem Hintergrund haben wir allen Anlass, das Verhältnis der religiösen
Gemeinschaften zur Freiheit ihrer Mitglieder, aber auch untereinander und zur
freiheitlichen Gesellschaft neu zu überdenken und zu ordnen.
"Das Verhältnis von Kirche und Staat wird immer spannungsvoll bleiben. Gerade deshalb
muss es in einem freien Staat von Zeit zu Zeit neu überdacht und neu bestimmt werden."
Aus der Präambel der Thesen "Freie Kirche im freien Staat" der FDP 1974.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
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Antrag 701
Betr.:
Liberal braucht Mut. Auf dem Weg zu einem attraktiven
Manifest.
Antragsteller: Landesverband Baden-Württemberg
Der Bundesparteitag möge beschließen:
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Wir kämpfen für die liberale Sache. Dazu brauchen wir Mut, Ausdauer und ein
attraktives Programm. Die Karlsruher Freiheitsthesenstellen dafür ein guten
Grundstock dar; sie sind in der Öffentlichkeit jedoch nahezu unbekannt. Der Freiheitskonvent der FDP am 30. November in Berlin hat interessante Akzente gesetzt und er ermöglicht einen öffentlichkeitswirksamen Weg zu einem attraktiven
Manifest.
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Die politische Situation hat sich seit den letzten Bundestagswahlen dramatisch
verändert. Eine Partei mit liberalen Grundsätzen ist im Bundestag seitdem nicht
mehr vertreten. Der Neuaufbau der FDP ist dringlicher denn je und er ist auf gutem Wege.
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Die bemerkenswerte Erfolge liberaler Parteien bei der Europawahl mit einer
pro-europäischen Programmatik bei unseren Nachbarn, wie beispielsweise in den
Niederlanden, in Luxemburg, in Österreich, in Tschechien, sowie auch in Estland
weisen darauf hin, dass es in Deutschland ein ähnliches liberales Potenzial geben muss.
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Die FDP muss ein klares, attraktives und zukunftsfähiges Profil zeigen; sie muss
global denken und weltoffen handeln. Sie muss Schwerpunkte und Akzente setzten, wie diese bei dem Freiheitskonvent deutlich geworden sind. Die FDP hätte
jedoch keine Zukunft als AfD-light; Europagegner lassen wir rechts und links liegen.
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Nicht ohne Grund und nach einer langen Vorgeschichte wurde die alte FDP im
September 2013 bei den Bundestagswahlen abgewählt. Der Schock sitzt tief.
Der Erneuerungsprozess der Partei hat begonnen und ist auch schon ein gutes
Stück weit fortgeschritten. Eine neue FDP muss entstehen mit glaubwürdigen Erscheinungsbild, welche die Freiheit liebt und die Zukunft sichert. Dann sind auch
wieder Wahlerfolge erzielbar.
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Die FDP steht zu den Werten und Erkenntnissen der Aufklärung. Wir Liberalen
gehen aus vom Gedanken der Menschenwürde, die unantastbar ist. Dieser Gedanke hat sich niedergeschlagen in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 sowie in der Proklamation der Menschen- und Bürgerrechte nach
der Französischen Revolution. Heute stützen wir uns hier zu Lande auf das
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Grundgesetz, die Europäische Menschenrechtskonvention ebenso wie auf die
Europäische Grundrechtecharta. Die darin zum Ausdruck kommenden Grundsätze verbunden mit der Idee der Freiheit und der Chancengerechtigkeit sind Basis
und Quelle für einen wertorientierten Liberalismus.
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In diesem Zusammenhang gilt für uns: Menschen- und Bürgerrechte dürfen nicht
hinter anderen Belangen zurückstehen. Freiheit in Verantwortung und in Brüderlichkeit ist Ausgangs- und Zielpunkt unseres politischen Handelns. Unser Staatsverständnis lautet deshalb: „Der Staat, das sind wir; die gewählten Regierungen
verkörpern diesen Staat jeweils auf Zeit; sie sind die legitimen Vertreter des Volkes". Wenn sie versagen, dann werden sie durch Wahlen durch eine andere Regierung abgelöst.
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Wir haben Vertrauen in die Ergebnisse von Wissenschaft und Forschung und wir
sehen die Chancen des technischen Fortschritts. Wir glauben an eine bessere
Zukunft und an einen Liberalismus, der für Fortschritt steht. Wir lassen uns keine Angst machen, bewerten jedoch Risiken mit der angemessenen Vorsicht. Und
wer trotz aller Vorsicht Schäden verursacht, der muss auch für den Schaden
aufkommen (Verursacherprinzip).
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Der Fortschrittsliberalismus muss seine Chance bekommen. Die FDP muss wieder attraktiv werden für Anhänger der liberalen Idee, die sich dem Gemeinwohl
verpflichtet fühlt, die sich mit Empathie und lösungsorientiert insbesondere der
folgenden gesellschaftspolitischen Ziele und Aufgabenstellungen annimmt:
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Europa, Menschenrechte, Integration, Friedenspolitik:
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•
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Bildung, Kultur, Chancen, Gerechtigkeit
•
•
•
•
•
•
Garantie universeller Menschen- und Bürgerrechte – einschließlich Privatheit: in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt (Kant’scher Kosmopolitismus).
Ein föderales Europa mit einer echten Verfassung, mit einem starken Parlament, mit einer stärkeren Handlungsbefähigung im Falle außenpolitischer
Krisen.
Strikte Beibehaltung des Parlamentsvorbehalts bei Bundeswehreinsätzen.
Ablehnung von Rüstungsexporten an Menschenrechtsunterdrücker.
Eine Wiederbelebung des KSZE-Prozesses.
Förderung des Freihandel bei Wahrung der erreichten Qualitätsstandards,
dazu gehörten auch TTIP und später die Verwirklichung einer Freihandelszone vom Atlantik bis nach Wladiwostok.
Rationale Integrationspolitik mit Weitsicht, die sich endlich nachhaltig auf
die immer weiter ansteigenden Flüchtlingszahlen einstellt und dementsprechend Flüchtlinge auch aufnimmt; das Mittelmeer darf nicht zum Massengrab werden (Papst Franziskus).
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Wirtschaft, Arbeit, Soziales, Finanzen
•
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Gerechtigkeitstheorie und Gerechtigkeitspraxis der Freiheit in Gemeinschaft (Rawls).
Rechtliche Rahmensetzung der fortschreitenden digitalen Revolution und ihre Nutzung für das allgemeine Wohlergehen im Lichte der Ziele des fortschrittlichen Liberalismus unter strikter Wahrung der Bürgerrechte in allen
Lebensbereichen.
Gestaltung des so genannten Web 4.0 (aktuellster Stand der Web-Entwicklung) mit Schutz der Persönlichkeit des Einzelnen und des Rechts auf Privatheit.
Faire Bildungschancen für jede und jeden im Rahmen eines hervorragenden Bildungssystems einschließlich der beruflichen Bildung.
Stärkung von Forschung und Hochschulen als ein Schwerpunkt der Zukunftsgestaltung.
Integration von Zuwanderern als entscheidende Herausforderung der Zukunft verbunden mit einer Bildungsoffensive für Migranten.
Unterstützung der Belange von Kunst und Kultur mit Einschluss der Künstlersozialversicherung.
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Bürgergesellschaft, Leistung, Selbstbestimmung, Fortschritt
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Politik der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft, die mit liberalen Konzepten die Ziele der Gerechtigkeit und Teilhabe verfolgt und die dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet ist. Förderung des "Blauen Wachstums",
das ausgerichtet ist auf Nachhaltigkeit in wirtschaftlicher, ökologischer und
sozialer Hinsicht, verbunden mit einem effektiven europäischen Emissionshandels als Klimaschutzinstrument.
Vorausschauendes Handeln und Reagieren auf den demographischen
Wandel, um Wirtschaftssystem und soziale Sicherungssysteme enkelfit zu
machen.
Sicherstellung der Generationengerechtigkeit, auch innerhalb der Systeme
der sozialen Sicherheit.
Solide Haushaltspolitik.
Sozialbindung des Eigentums und Recht auf Eigentum für jede und jeden
im Rahmen der Erhard’schen Vision „Wohlstand für alle“.
Schutz kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU) vor Machtmissbrauch
durch Großunternehmen und Konzerne.
Unterbindung von internationalen Steuergestaltungskonstrukten (nach Art
ehemaliger Luxemburg-Modelle) von Großunternehmen, die sich dadurch
Steuerbelastungen entziehen zu Lasten des Mittelstandes, der Fleißigen
und der Leistungsträger.
Effektive Kontrolle des Finanzsektors, der den Menschen und den Unternehmen dienen muss, um den eigenverantwortlichen Bürger vor unredlichen Methoden der Finanzbranche zu schützen.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
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Offene Gesellschaft mit gleichen Rechten für alle Lebensformen.
Selbstbestimmung in allen Phasen des Lebens, und dies auch gegen Ende
des Lebens.
Gewährleistung eines weltanschaulich neutralen Staates, der eingebettet ist
in die Werteordnung des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Emanzipation der Einzelnen und des Einzelnen sowie Geschlechteremanzipation unter Aufbrechen von traditionellen Rollenbildern.
Unterstützung von Leistungsbereiten, nicht von Rücksichtslosen.
Schutz der Schwächeren; Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderungen.
Bewahrung der Menschen vor Altersarmut.
Befürwortung des technischen Fortschritts, sofern er kritisch begleitend
kontrolliert wird.
Begründung:
Es braucht Mut, sich in der gegenwärtigen Zeit für die liberale Sache einzusetzen. Die
Presse ignoriert uns weitgehend, oder es wird Häme über uns ausgegossen, die eine
berechtigte Kritik über vergangene Fehler und Versäumnisse bei Weitem übersteigt.
Der Antrag plädiert dafür, nach außen hin Akzent zu setzen, die sich
i) nahtlos in die Karlsruher Freiheitsthesen einfügen.
ii) welche die Impulse des Berliner Freiheitskonvents vom 30. November 2014 aufgreifen:
a) Die Kernpunkte aus der Eröffnungsrede des Parteivorsitzenden, nämlich die beste
Bildung der Welt, die generationengerechte Ausgestaltung der Rente und die positive
Positionierung zu TTIP; weiter eine Reaktivierung des KSZE-Prozesses und mittelfristig
ein Angebot an Russland für eine Freihandelszone vom Atlantik bis nach Wladiwostok.
b) Punkte aus den zusammenfassenden Berichten aus den Arbeitsgruppen, wie die
Qualität von Bildung, Forschung und Wissenschaft, Vertrauen in den technologischen
Fortschritt, eine Stärkung des europäischen Emissionshandels, Selbstbestimmung in allen
Phasen des Lebens, sowie Konsequenzen der Digitalisierung.
Und welche eingehen etwa auf das von der FDP propagierte „Blaue Wachstum“ und
gegebenenfalls auf eine Diskussion um die Menschenwürde in Grenzsituationen des
Lebens.
Begriffe und Wertungen aus der „Leitlinienpyramide“ haben in dem Antrag ebenfalls ihren
Niederschlag gefunden.
66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin,
15. bis 17. Mai 2015
Seite 303
Die aufgeführte Themenliste ist nicht etwa anzusehen als ein ProgrammInhaltsverzeichnis. Die Themenliste umfasst nicht die ganze liberale Themenpalette,
sondern es handelt sich um einen Auszug von sensiblen Zukunftsthemen. Dass am Ende
eine Konzentration auf wenige Akzente notwendig sein wird, ist den Antragstellern
bewusst.
Die Themenliste soll insbesondere die Jüngeren unter uns ansprechen, da es um ihre
Zukunft geht (Generationengerechtigkeit, Chancengerechtigkeit, Bildung, Digitalisierung,
Bewahrung der Bürgerrechte auch in der Zukunft), die Fleißigen, die Leistungsträger und
den die Wirtschaft tragenden Mittelstand.
Aufgegriffen wird auch der eindringliche Appell des Papstes am 25. November 2014 in
Strasbourg vor dem Europäischen Parlament und vor der Parlamentarischen
Versammlung des Europarats, schon aus Gründen der Menschlichkeit dürfe das
Mittelmeer nicht zu einem Massengrab für Flüchtlinge werden. Dass wir seine erneut
vorgetragene Lehrmeinung zur Sexualmoral, zur Abtreibung, zur Anerkennung gleicher
Rechte für verschiedenen Lebensformen sowie zur Frage des assistierten Suizids nicht
teilen, hindert uns nicht daran, den genannten Appell ausdrücklich zu würdigen.