66. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei 15. - 17. Mai 2015 Anträge zum201B5 PT ACHTUNG: Bitte bringen Sie dieses Antragspaket mit nach Berlin. Weitere Informationen und das Antragspaket zum Download finden Sie auf www.fdp.de. Bitte wenden Sie sich bei weiteren Fragen an: [email protected] 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 1 Inhaltsverzeichnis Leitantrag L001 Mehr Chancen durch mehr Freiheit: Projekte für eine Republik der Chancen Seite 9 Bundesvorstand Satzungsänderungsanträge S001 Änderung der Bundessatzung 23 Bundesvorstand Organisatorisches 001 Erhebung einer Sonderumlage gem. § 10 Abs. 6 Satz 2 und 3 der Finanz- und Beitragsordnung 29 Bundesvorstand Satzungsänderungsanträge S002 Änderung der Bundessatzung 31 Bundesvorstand (advokatorisch für AG Parteientwicklung) S003 Änderung der Bundessatzung 33 Bundesvorstand (advokatorisch für AG Parteientwicklung) S004 Änderung der Bundessatzung 43 Landesverband Hamburg S005 Änderung der Bundessatzung 47 Alexandra Bruns (LV Schleswig-Holstein), Alexander Müller (LV Hessen), Ralph Lorenz (LV Nordrhein-Westfalen), Jacqueline Krüger (LV Brandenburg), Kai Gleißner (LV Sachsen-Anhalt) und mehr als 250 FDP-Mitglieder Weltbeste Bildung für jeden 100 Abschaffung des Konzepts „Schreiben wie man spricht“ 53 Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie 101 Rechtschreibung nach Regeln ab der 1. Klasse 55 Bundesvorstand Liberale Frauen 102 Erlernen einer lesbaren Schreibschrift Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie 57 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 2 103 Schulfinanzierung nach der Schülerzahl 59 Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie 104 Das Studium auch sprachlich internationalisieren! 61 Bundesvorstand Liberaler Hochschulgruppen 105 Exzellenzinitiative in der Lehre 63 Bundesvorstand Liberaler Hochschulgruppen 106 Alphaplan gegen Analphabetismus 65 Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie 107 Absolventenbonus 69 Bundesvorstand Liberaler Mittelstand Vorankommen durch eigene Leistung 200 Impuls für eine neue Gründerzeit 71 Landesverband Bremen 201 Mehr Freiraum für neue Ideen 75 Bundesvorstand Junge Liberale 202 Gründerkultur und Wachstum für digitale Innovationen 79 Bundesfachausschuss Medien, Internet und digitale Agenda 203 Innovationsförderung in KMU 83 Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie 204 Blaues Wachstum – Unser Weg für Deutschland 87 Landesverband Baden-Württemberg Selbstbestimmt in allen Lebenslagen 300 Die Würde des Menschen in Grenzsituationen des Lebens 93 Kommission Freiheit und Ethik, Landesverband Baden-Württemberg 301 Selbstbestimmt bis zum Lebensende 101 Bundesvorstand Liberale Senioren 302 Die Würde des Menschen ist unantastbar bis zum Lebensende 103 Landesverband Saarland 303 Selbstbestimmung am Ende des Lebens 105 Landesverband Baden-Württemberg 304 Für einen selbstbestimmten und würdevollen Tod – Aktive Sterbehilfe bei Kindern 107 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 3 Bundesvorstand Junge Liberale 305 Sterbehilfe legalisieren – auch für Minderjährige 109 Landesverband Schleswig-Holstein 306 Selbstbestimmtes Sterben durch assistierten Suizid 111 Landesverband Bayern 307 Die Würde des Menschen ist unantastbar bis zum Lebensende 113 Landesverband Berlin 308 Ausbau der Palliativmedizin 115 Landesverband Schleswig-Holstein 309 Für ein weltoffenes Deutschland. Die Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik der Freien Demokraten. 117 Christian Lindner (LV Nordrhein-Westfalen), Wolfgang Kubicki (LV Schleswig-Holstein), Katja Suding (LV Hamburg), Christian Dürr (LV Niedersachsen), Florian Rentsch (LV Hessen), Hans-Ulrich Rülke (LV Baden-Württemberg) und 31 weitere Delegierte 310 Soziale Lage und Integration von Flüchtlingen verbessern 133 Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales 311 Gemeinsam für Deutschland - Liberale Forderungen für eine menschenwürdige Unterbringung und bedürfnisorientierte Integration von Zuwanderern und Flüchtlingen 137 Landesverband Schleswig-Holstein 312 Flexible Altersgrenzen für den Ruhestand im Öffentlichen Dienst 145 Landesverband Schleswig-Holstein 313 Stärkung der berufsständischen Versorgungswerke 147 Landesverband Hessen 314 Vielfalt der Altersversorgungssysteme erhalten, berufsständische Versorgung stärken, Abgrenzung zur gesetzlichen Rentenversicherung für freie Berufe gesetzlich regeln 149 Landesverband Berlin 315 Für eine berufsrechtliche Regelung zur Befreiung von Syndikusanwälten von der gesetzlichen Rentenversicherung 151 Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz 316 Ganzheitliches Diversity Management in der Arbeitswelt voranbringen Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales 153 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 4 317 Pragmatischer Umgang mit Inklusion 157 Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie 318 Ergänzung Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz 163 Landesverband Berlin 319 Ratifizierung der Istanbul-Konvention 165 Bundesvorstand Liberale Frauen 320 Technikoptimismus in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung - Datenschutz neu denken, Digitalisierung Raum geben 167 Landesverband Hessen, Wolfgang Greilich (LV Hessen), Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (LV Hessen), Jascha Hausmann (LV Hessen), Nicola Beer (LV Hessen), Hans-Joachim Otto (LV Hessen) 321 Recht auf Verschlüsselung 183 Landesverband Bayern 322 Verantwortung der Suchmaschinenbetreiber für den Schutz der Privatsphäre 185 Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz 323 Berliner Erklärung für Datensparsamkeit 187 Landesverband Berlin, Landesverband Brandenburg 324 Stärkung der Bürgerrechte gegenüber dem Finanzamt 189 Landesverband Hessen 325 Erfassung, Speicherung und Auswertung von Fluggastdaten 191 Landesverband Berlin 326 Fluggastdaten in der EU konsequent schützen - liberale Prinzipien jederzeit leben – Wahlversprechen einhalten 193 Frank Schäffler (LV Nordrhein-Westfalen), Dr. Burkhard Hirsch (LV NordrheinWestfalen), Carlos A. Gebauer (LV Nordrhein-Westfalen), Alexander Müller (LV Hessen) und mehr als 250 FDP-Mitglieder 327 Kontrollierte Freigabe von Cannabis 195 Landesverband Bayern, Landesverband Berlin, Landesverband Bremen, Landesverband Hamburg, Landesverband Niedersachsen, Landesverband Saarland, Bundesverband Junge Liberale 328 Für mündige Patienten – für freie Arztwahl – für freie Ärzte, Apotheker und Therapeuten 197 Landesverband Schleswig-Holstein 329 Selbstbestimmt im Betrieb – Liberale Perspektiven für die betriebliche Mitbestimmung in Deutschland 199 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 5 Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales Freiheit und Menschenrechte weltweit 400 TTIP als Chance begreifen 203 Kreisverband Lippe, Kreisverband Gütersloh, Kreisverband Bielefeld, Kreisverband Herford, Kreisverband Paderborn, Autorin: Gudrun Kopp (LV Nordrhein-Westfalen) 401 Mehr Chancen durch mehr Freiheit – Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP 205 Landesverband Baden-Württemberg 402 Europäische Grundrechtepolitik 211 Landesverband Baden-Württemberg 403 Solidarität der Gesellschaft mit den Streitkräften 213 Bezirksverband Oldenburg Politik, die rechnen kann 500 Für eine grundsätzliche Neugestaltung des deutschen Rentensystems 215 Landesverband Schleswig-Holstein 501 Renten sichern! – Versicherungsfremde Leistungen überprüfen und durch Steuern finanzieren. 219 Landesverband Schleswig-Holstein 502 Eine sichere, bezahlbare und vernünftige Energieversorgung 223 Landesverband Hessen 503 Deutschland braucht verlässliche Energie 225 Landesverband Bayern 504 Solidaritätszuschlag muss 2019 auslaufen – Weiterführung ist eine Steuererhöhung 233 Landesverband Niedersachsen 505 Der Soli muss zum Jahr 2019 auslaufen – die Politik steht hier bei den Bürgern im Wort 235 Bundesvorstand Liberale Senioren 506 Automatische Anpassung der Einkommensteuergrenzen an die Inflation zur dauerhaften Beseitigung der Kalten Progression Bezirksverband Niederbayern 237 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 6 507 Kein europäischer Länderfinanzausgleich durch die Hintertür! 239 Bezirksverband Niederbayern 508 Krankenhausfinanzierung sichern – Anreize schaffen, damit die Bundesländer ihren Investitionsverpflichtungen nachkommen 241 Landesverband Schleswig-Holstein 509 Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – Konzentration auf den Grundversorgungsauftrag und Reduktion des Beitrags um mindestens 20 Prozent 245 Bundesvorstand Liberaler Mittelstand 510 Restrukturierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 247 Landesverband Bayern 511 Für eine Anpassung der Umlage für Modernisierungsmaßnahmen auf Mieten an die Realität der Finanzmärkte 249 Bezirksverband Altona 512 Zweckbindung der Bundesmittel zur Wohnungsbauförderung 251 Bundesvorstand Liberale Frauen 513 Erbschaftssteuerreform: Familienunternehmen schützen – Arbeitsplätze erhalten 253 Landesverband Niedersachsen Ein unkomplizierter Staat 600 Mindestlohn – Rechtssicherheit für Arbeitgeber und Beschränkung der Aufzeichnungspflichten 257 Bundesvorstand Liberaler Mittelstand 601 NEIN zur staatlichen Pflicht zur Offenlegung der Löhne 259 Bezirksverband Niederbayern 602 Wider den Staat als Akteur in der Wirtschaft 261 Bundesfachausschuss Wirtschaft und Energie 603 Vernunft statt Empörung - Für eine rationale Strafgesetzgebung 271 Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz 604 Die Liberalen lehnen die Einführung eines Unternehmensstrafrechtes ab Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz 273 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 7 605 Rahmenbedingungen für den flächendeckenden Ausbau der Kommunikationsnetze zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft 277 Landesverband Bayern 606 Netzneutralität mit Zukunft 279 Bundesfachausschuss Medien, Internet und digitale Agenda 607 Moderne Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern 283 Bundesvorstand Liberaler Mittelstand 608 Medienstaatsvertrag 285 Bundesfachausschuss Medien, Internet und digitale Agenda 609 EU-Verordnung EMIR 287 Bundesvorstand Liberaler Mittelstand 610 Entlastung der Immobilienmakler nach dem Geldwäschegesetz 289 Bundesvorstand Liberaler Mittelstand 611 Chancen und Risiken der Mikro- und Nano-Technologien 293 Bezirksverband Oldenburg 612 Tarifeinheitsgesetz 295 Landesverband Schleswig-Holstein Weitere Themen 700 Vielfalt der Religionen 500 Jahre nach der Reformation 297 Bezirksverband Mittelbaden 701 Liberal braucht Mut. Auf dem Weg zu einem attraktiven Manifest. Landesverband Baden-Württemberg 299 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 8 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 9 Antrag L001 Betr.: Mehr Chancen durch mehr Freiheit: Projekte für eine Republik der Chancen Antragsteller: Bundesvorstand Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 I. Willkommen in der Republik der Chancen 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Jeder Mensch kann etwas bewegen – das ist unsere Überzeugung. Viele tragen die Sehnsucht in sich, ihrem Leben eine eigene Richtung zu geben, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen und ihren Traum zu leben. Jeder Mensch muss eine faire Chance bekommen. Neue Technologien, neue Ungewissheiten und neue Krisen fordern uns dabei heraus: Wir leben in einer Zeit des beschleunigten Wandels. Für den Umgang mit Globalisierung, Digitalisierung und der Veränderung unserer Gesellschaft durch Alterung und Einwanderung gibt es keine fertigen Handbücher. Genau wie viele andere Menschen fragen wir uns: Was kommt noch? Wie können wir uns und unsere Familien auf die Zukunft vorbereiten? Und wie machen wir den Wandel zu einem Gewinn für uns alle? 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 In der Politik sehen wir viel zu oft, dass das vermeintlich Dringende über das wirklich Wichtige siegt. Kleinkram überlagert die grundsätzlichen Fragen. Der Umgang mit den großen Herausforderungen wirkt zögerlich und passiv. Zugleich wird vieles vorschnell erklärt und eingeordnet. Viele Politiker wollen lieber ängstlich den Status Quo betonieren oder nur symbolisch handeln, als entschlossen den Wandel zu gestalten und seine Chancen zu nutzen. „German Angst“ statt „German Mut“ ist das Motto. Das wollen wir ändern. Denn in einer Welt der Veränderung bedeutet Stillstand immer Rückschritt. Wir brauchen einen neuen Blick auf das, was angepackt werden sollte. Wir leben in einem großartigen Land. Aber es kann noch besser werden. Deutschland braucht neues Denken – für eine Republik der Chancen. 24 25 26 27 28 Der beste Treibstoff für individuellen und gesellschaftlichen Fortschritt ist: Freiheit! Eine Gesellschaft, die Energie, Wissen und Kreativität aller Menschen befreit, ist bestens für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet. Denn gemeinsam in Freiheit finden wir die besten Antworten auf die Fragen der Zukunft. Mehr Freiheit führt zu mehr Chancen – für uns alle. 29 30 31 Wir wollen Menschen zur Freiheit ermutigen und – wo nötig – auch befähigen. Wir wollen, dass jeder die Fähigkeiten und das Selbstvertrauen erwirbt, um sein Leben eigenverantwortlich zu führen, dass jeder auf seinem Weg vorankommt, 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 10 32 33 selbstbestimmt handeln kann und dass ihm die Politik dabei keine Steine in den Weg legt. Deshalb wollen wir den Einzelnen groß machen – und nicht den Staat. 34 II. Mit der weltbesten Bildung für jeden 35 36 37 38 39 40 41 42 Jeder Mensch soll sich frei entfalten können, er muss von seinen Talenten und Möglichkeiten profitieren dürfen. Nur ein Mensch, der gelernt hat, seine Welt zu verstehen, wird darin auch seinen eigenen Weg finden. In der Republik der Chancen kommt es darauf an, was ein Mensch kann, und nicht, woher er kommt oder welchen sozialen Status seine Eltern haben. Wir wollen nicht, dass Armut vererbt und Talente vergeudet werden. Wir wollen, dass jeder Mensch ein Leben lang sein volles Potenzial ausschöpfen kann. Deshalb arbeiten wir dafür, jedem Einzelnen die weltbeste Bildung zu ermöglichen – ein Leben lang. 43 44 45 46 47 48 49 Ist das zu ehrgeizig? Wir glauben: nein. Sich heute mit mittelmäßiger Bildung zufrieden zu geben, das würde morgen auch ein mittelmäßiges Leben bedeuten. Warum sollten wir nicht schaffen können, was unser Land schon einmal geschafft hat? Deutschland hat in der Welt lange Zeit die Standards für herausragende Bildung und Forschung gesetzt. Bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts wollen wir daher wieder in allen Bildungsrankings zur Spitzengruppe gehören und wieder Maßstäbe setzen – das ist unser „Mondfahrtprojekt“. 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 Die umfassende Modernisierung des Bildungssystems würde Länder und Kommunen allein überfordern. Die Finanzierung muss daher eine Aufgabe des Gesamtstaats werden. Auch ideologisches Gezänk und bürokratische Reibungsverluste passen nicht mehr in eine Zeit, in der nicht mehr Bremen mit Bayern im Wettbewerb steht, sondern Deutschland als Ganzes mit Nordamerika und China. Kindergärten, Schulen und Hochschulen sollen selbständig und professionell geführt werden. Nur wer eigene Entscheidungshoheit bei Organisation, Budget, Profilbildung und Personal besitzt, übernimmt auch engagiert Verantwortung und kann für beste Ergebnisse sorgen. Gleichzeitig muss es bundesweit eingehaltene Bildungsstandards und Abschlüsse geben, die sich am Niveau der besten Bildungseinrichtungen der Welt orientieren. 61 62 63 64 65 66 67 68 Um für Schüler, Eltern und Lehrer für Transparenz zu sorgen, wollen wir Erfolgskriterien für Bildungsinstitutionen entwickeln, die vor allem auf die Lernfortschritte der Kinder und Jugendlichen abstellen. Sie sollen für jede einzelne Bildungseinrichtung öffentlich sein und auch Einfluss auf das Gehalt der Erzieher und Lehrer haben. Öffentliche Gelder sollen nach dem Prinzip der Bildungsgutscheine auf die verschiedenen Bildungseinrichtungen verteilt werden. So stärken wir den Einfluss von Eltern und Kindern durch „Kundenmacht“ und es entwickelt sich ein Qualitätswettbewerb zwischen allen Bildungsinstitutionen. 69 70 71 72 Die Mehrheit aller Schulanfänger wird später in Berufen arbeiten, die es heute noch gar nicht gibt. Was folgt daraus für unser Bildungssystem? Unsere Antwort lautet: Weltbeste Bildung braucht die modernsten Methoden. Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten für hochindividuelles, effizienteres und motivierendes 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 11 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 Lernen – das ganze Leben lang. Das vernetzte Klassenzimmer ist weder Spielerei noch Zukunftsmusik. Integrierte Konzepte wie „Blended Learning“ verknüpfen didaktisch sinnvoll traditionellen Unterricht mit modernen Technologien: Hausaufgaben können online gestellt, Unterrichtsmaterialien digital verbreitet werden und die Schüler, sofern notwendig, per Webcam am Unterricht von zu Hause aus teilnehmen. Digitale Unterrichtsmaterialien auf dem Tablet können das Gewicht der Schultasche reduzieren und durch multimediale Ergänzungen Inhalte vertiefen und spannender gestalten. Digitale Übungsaufgaben können sich den individuellen Bedürfnissen der Schüler nach Neigung und individuellen Stärken anpassen. Für diese Technologien brauchen wir neue Ausstattungen, eine Fortentwicklung der Unterrichtsinhalte und entsprechend ausgebildete Lehrer. Unsere Vision ist das Tablet für jeden Schüler und jeden Studenten in der vernetzten Schule und Hochschule. 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 Wir sind davon überzeugt, dass Deutschland bei kaum einem Bereich so viel aufzuholen hat wie in der frühkindlichen Bildung. Die Wissenschaft ist sich heute einig, dass im Alter bis sechs Jahre wesentliche Voraussetzungen für den späteren Bildungserfolg geschaffen werden. Konsequenzen daraus? Keine. In unseren Kindertagesstätten ist eine Aufbewahrung nach dem Motto „sicher, sauber, satt“ nicht ausreichend. Krippen und Kindergärten müssen qualitätsvolle Bildungseinrichtungen sein. Dazu ist besser ausgebildetes und besser bezahltes Personal nötig. Wir wollen eine Umgebung, die kleine Kinder neugierig macht und stimuliert, ihre Talente zu entwickeln und aus eigenem Antrieb neue Fähigkeiten auszubilden. 96 97 98 99 100 Weltbeste Bildung braucht weltbeste Lehrer. Daher setzen wir auf ein „AAA“-Programm für die besten Pädagogen: Anreiz, Auswahl und Ausbildung. All das muss stimmen, um die richtigen Lehrer zu gewinnen. Anwerbung, Ablauf der beruflichen Karriere und Bezahlung müssen dazu grundlegend neu geregelt werden. 101 102 103 104 105 106 107 108 Wir wollen niemandem vorschreiben, welchen Ausbildungsweg er einschlagen soll. Neugierde und Tatkraft junger Menschen dürfen nicht durch falsche Erwartungen zunichte gemacht werden. Freiwilligendienste, Auslandsaufenthalte und Praktika sind keine Lücken im Lebenslauf, sondern wertvolle Erfahrungen. Später führt nicht nur ein Hochschulstudium zu wahrem Erfolg. Für viele junge Menschen ist das Erlernen eines Ausbildungsberufes der Weg zu Glück und Selbstverwirklichung. Auch bleibt die duale Ausbildung Grundlage für die wirtschaftliche Stärke unseres Landes. 109 III. Vorankommen durch eigene Leistung 110 111 112 113 114 Jeder Mensch will etwas erreichen. Dabei geht es um viel mehr als Geld oder Karriere. Es sind unsere Ziele, die uns jeden Tag neu motivieren. Wir glauben an die Energie des Menschen. Sie sorgt dafür, dass Menschen Dinge erfinden, Häuser bauen, Familien gründen, eine Bürgerinitiative auf die Beine stellen oder ein Unternehmen errichten. Diese Energie kann eine Gesellschaft nutzen oder 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 12 115 116 117 118 verschwenden. Eine Gesellschaft kann Menschen motivieren oder ihnen Steine in den Weg legen. Wir wollen, dass Menschen auf ihrem Weg vorankommen, über sich hinauswachsen und ihre Ziele erreichen. Und dass sie eine zweite oder dritte Chance erhalten, wenn sie scheitern. 119 120 121 122 123 124 Menschen, die etwas vorantreiben wollen – sei es in Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst oder Gesellschaft – schlägt heute viel zu häufig Neid, Häme oder Spott entgegen. Die Politik wird oft zur Bremse, indem sie Menschen, die etwas auf die Beine stellen wollen, bürokratisiert, abkassiert, bevormundet, bespitzelt – also klein macht. Wir dagegen wollen, dass Menschen voller Energie ganz groß rauskommen. 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 Wer hart arbeitet, neue Ideen sucht oder mutig andere Wege geht, der hat auch einen Anspruch auf die Früchte seiner Arbeit. Wir stehen zur Leistungsgerechtigkeit. Natürlich müssen starke Schultern einen stärkeren Beitrag für die Finanzierung des Gemeinwohls leisten: Polizei, Gerichte, Straßen, Universitäten, Schulen und Kindertagesstätten müssen bezahlt werden. In der Politik folgen heute aber fast alle Parteien dem Gedanken, dass Steuern und Abgaben nicht mehr der fairen Finanzierung des Notwendigen dienen, sondern der Gleichmacherei: Je mehr man Menschen wegnimmt, die etwas haben, desto gleicher stehen am Ende alle da. Wir halten das für unfair – dem Einzelnen und der ganzen Gesellschaft gegenüber. Talent, Fleiß, Verantwortung und Risikobereitschaft sollen einen Unterschied begründen dürfen. 136 137 138 139 140 141 Deutschlands Wohlstand entsteht durch Unternehmertum – Menschen, die ein Geschäft, ein Start-up, einen Handwerksbetrieb, ein Unternehmen gründen. Diesen Menschen müssen wir es so einfach wie möglich machen. Eine Unternehmensgründung etwa muss so einfach sein, wie sich online ein Buch zu bestellen. Und wenn eine Gründung erfolgreich gelungen ist, darf sie später als Mittelstand nicht einfach durch Bürokratie- und Steuerlasten erdrückt werden. 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 Leistungsgerechtigkeit und der Schutz des privaten Eigentums gehören zusammen. Denn der Wunsch nach Eigentum ist ein starker und legitimer Anreiz. Wo die Politik den Respekt vor Eigentum verliert, demotiviert sie Menschen. Weil wir die Leistung der Menschen respektieren, wollen wir ein Volk von mehr Eigentümern statt mehr Volkseigentum. Wer aber mit Steuern die Hürden erhöht oder Eigentum mit immer mehr Lasten versieht, der hindert gerade junge Familien daran, sich etwas aufzubauen, auf das sie für ihr weiteres Leben vertrauen können. Wir fordern ein Umdenken in der Steuerpolitik: Der Staat soll nicht das Maximum an Steuern kassieren, das dem Bürger gerade noch abgenommen werden kann, sondern maßvoll genau so viel, wie er für seine eigentlichen Aufgaben braucht. 153 154 155 156 Gründer schaffen Zukunft. Neue Unternehmen mit neuen Ideen stärken den Wettbewerb um die besten Produkte und die besten Dienstleistungen. Innovation sorgt für Dynamik in der gesamten Wirtschaft. Das eröffnet Chancen für die Menschen – von der Verwirklichung der eigenen Ziele bis hin zu zukunftssiche- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 13 157 158 159 160 161 162 163 164 165 ren Arbeitsplätzen für andere. Ohne neue Ideen kann unser Land langfristig weder seine internationale Wettbewerbsfähigkeit noch seinen Wohlstand halten. Aber ausgerechnet Deutschland bleibt bei der Gründungskultur erheblich hinter anderen vergleichbaren Staaten wie den USA, Kanada, Israel oder den Niederlanden zurück. Das müssen wir ändern. Wir wollen wirtschaftliches Grundwissen schon in der Schule stärken, Bürokratie abbauen, Finanzierungen erleichtern und treten für eine Kultur der Risikobereitschaft und des Gründergeists ein. Wir Freien Demokraten wissen, dass im Scheitern auch immer eine Chance für etwas Neues liegt. Wir haben Respekt vor jedem, der einmal öfter aufsteht, als er fällt. 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 Wir eröffnen auch denen Perspektiven, die die Chancen der modernen Gesellschaft noch nicht zu persönlichem Vorankommen nutzen konnten. Aufstieg muss unabhängig von der Herkunft möglich sein und ist es, wenn wir konsequent darauf setzen, Qualifikation zu ermöglichen, Anstrengung zu belohnen und dies stets mit dem Prinzip der Chance zum Wiederaufstehen verbinden. Dies gilt von frühkindlichen Angeboten für benachteiligte Kinder über das Nachholen von Schulabschlüssen und Weiterbildung bis zu fairen Einstiegschancen und notfalls auch dauerhafter Unterstützung von Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt. Menschen wieder stark zu machen, verhindert, dass sie dauerhaft abgekoppelt sind, und gibt ihnen das Selbstvertrauen zurück, das sie für ein erfülltes Leben brauchen. 176 177 178 179 180 181 182 183 184 Wo neue Unternehmen gegründet werden, wo neue Technologien zum Einsatz kommen – da verändern sich nicht nur unser Alltag, sondern auch wirtschaftliche Wertschöpfungsketten. Das ruft jene auf den Plan, die die Gegenwart mit Gesetzen, Protektionismus oder Subventionen konservieren wollen. Politik darf nicht für Branchen oder gar Unternehmen Partei ergreifen. Wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen zwischen Etablierten und Newcomern, zwischen Mächtigen und Außenseitern schaffen, damit die Kunden entscheiden können – und sich die bessere Idee durchsetzt. Solche fairen Spielregeln nennt man Ordnungspolitik sie brauchen wir für die digitalisierte Ökonomie. 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 Neben der Digitalisierung werden auch Nanotechnologie, Biotechnologie und neue Energieträger unser Leben verändern. Wir setzen uns dafür ein, dies als Chancen zu begreifen. Deutschland muss neue Ideen willkommen heißen – oder sie gehen woanders hin. Es hat sich in unserer Gesellschaft jedoch eine Haltung entwickelt, die eine Fremdheit gegenüber Forschung, technologischem Fortschritt und Anwendungen im industriellen Maßstab kultiviert. Statt Folgen nüchtern abzuschätzen und ggf. Technologie zur Risikobeherrschung einzusetzen, ist es zur Attitüde geworden, irrationale Ängste zu bedienen. Es gibt in Deutschland eine politische Rechte, die die Fremdenangst vor Menschen bedient, die neu in unser Land kommen. Aber es gibt auch eine politische Linke, die eine Fremdenangst vor Ideen und Technologien bedient, die neu in unserem Land entstehen. Wir Freien Demokraten treten für die Neugier auf Innovation, die Weltoffenheit und die Freude am Fortschritt ein. 198 199 Wer für die Freiheit der Menschen eintritt, der weiß: Ohne frische Luft und reines Wasser, ohne intakte Böden und stabiles Klima werden die menschlichen 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 14 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 Lebenschancen eingeschränkt. Umweltschutz ist daher ein liberales Anliegen. Ökologisches Bewusstsein darf aber nicht zur Religion werden. Nicht das Predigen von Verzicht, sondern die Entwicklung effizienter Technologien ist es, die uns unsere Lebensqualität mit weniger Ressourcenverbrauch ermöglicht. Auf diesen Weg können uns auch die Schwellenländer folgen. Wir setzen daher der Ideologie des Verzichts unser Konzept des „intelligenten Wachstums“ (smart growth) entgegen – weil Ökologie und Wachstum sich eben nicht ausschließen. Neue Technologien, neue Verfahren, mehr Forschung und kluge Regeln für die Märkte sorgen besser für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als schlechtes Gewissen und überhebliche Moralisierung. 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 Neue Ideen, neue Technologien, aber auch Menschen kommen neu zu uns. Einige davon bedürfen unseres Schutzes. Wieder andere wollen sich bei uns ein besseres Leben erarbeiten. Das ist kein schlechtes Zeichen für eine Gesellschaft, die wegen des demografischen Wandels schrumpft und dadurch mit einem immer größer werdenden Problem des Fachkräftemangels konfrontiert ist. Im Bereich hochqualifizierter Einwanderung müssen wir sogar noch mehr dafür tun, dass mehr Menschen ihre Zukunft in Deutschland sehen und aktiv um Talente aus der ganzen Welt werben. Gegen die tumbe Fremdenangst, mit der einige in Deutschland Politik machen, setzen wir unsere klare Auffassung: Wir wollen Deutschland als Einwanderungsland attraktiver machen. Dazu zählen das Angebot einer beschleunigten Einbürgerung nach nur vier Jahren bei entsprechenden Voraussetzungen, die grundsätzliche Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft und ein Einwanderungsrecht mit einem vollständigen und klaren Punktesystem nach kanadischem Vorbild. Außerdem soll Englisch als Zweitsprache in der Verwaltung erprobt werden, um Unternehmensgründungen und die Anwerbung ausländischer Fachkräfte zu erleichtern. Das Arbeitsverbot für Asylbewerber gehört zudem abgeschafft. Wenn Menschen ihren Unterhalt selber verdienen wollen, sollten sie nicht zum Bezug staatlicher Leistungen gezwungen werden. Eigene Arbeit bietet die besten Voraussetzungen für erfolgreiche Integration. Zudem gilt: Wer am deutschen Arbeitsmarkt gebraucht wird, sollte hier bleiben können. Daher muss unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens die Möglichkeit bestehen, eine Aufenthaltserlaubnis nach den Regeln der Fachkräfte-Einwanderung zu beantragen, sofern jemand nicht illegal eingereist ist. Wer eine Schul- oder Berufsausbildung begonnen hat, soll für die Dauer der Ausbildung einen verlässlichen Aufenthaltsstatus besitzen. 235 IV. Selbstbestimmt in allen Lebenslagen 236 237 238 239 240 241 Jeder Mensch ist selbst der beste Experte für sein Leben. Deshalb muss er auch selbst die Entscheidungen über sein eigenes Leben treffen dürfen – statt dass über ihn entschieden wird. Selbstbestimmung ist die konkreteste Form der Freiheit. Wir Freien Demokraten stehen für das Prinzip der „Lebenslaufhoheit“ ein. Denn jeder Einzelne trägt die Verantwortung für das eigene Leben, also muss er auch sein eigenes Leben in Freiheit formen dürfen. Freie Demokraten 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 15 242 243 räumen Hindernisse aus dem Weg. Deshalb kämpfen wir für eine barrierefreie Gesellschaft. 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 Die deutsche Politik entfernt sich heute immer öfter vom Prinzip der Selbstbestimmung. Das Leben wird zunehmend durch eine Kultur des Misstrauens beherrscht. An die Stelle von Vertrauen und der Freiheit zur persönlichen Verantwortung treten mehr und mehr Gesetze, Vorschriften und Bürokratie für immer mehr Lebensbereiche. An die Stelle von Augenmaß und freiwilliger Übereinkunft tritt immer häufiger der Gesetzesbefehl. Das zieht dann ein ganzes Bündel an Maßnahmen nach sich, um die Einhaltung zu überwachen und durchzusetzen. Freie Demokraten sagen: Jede Gesellschaft braucht faire Spielregeln. Dafür setzen wir uns ein. Aber ein Spiel, in dem jeder Zug vorherbestimmt ist, lässt keinen Raum mehr für Freiheit und Selbstbestimmung. 254 255 256 257 258 Zu den wichtigsten Spielregeln zählen für uns die Bürgerrechte – wie sie auch in den Grundrechten des Grundgesetzes festhalten sind. Sie schützen den Einzelnen und seine Entscheidungen gegenüber dem Staat in den wichtigsten Lebensbereichen. Sie garantieren einen gesellschaftlichen Raum der Freiheit, der Privatheit, der Individualität und der Vielfalt. 259 260 261 262 263 264 265 266 Wenn jeder Mensch seine eigenen Entscheidungen trifft, dann entsteht eine Gesellschaft der Vielfalt. In der globalisierten Welt mit mehr Mobilität für mehr Menschen als jemals zuvor ist Vielfalt die normalste Sache der Welt. Freiheit und Vielfalt sind Zwillinge. Politische Kräfte, die gegen Vielfalt Ängste schüren, bekämpfen in Wahrheit die Freiheit. Wir sind davon überzeugt, dass unter dem Dach unseres Grundgesetzes genug Platz für diese Vielfalt ist, wenn Einigkeit in einem besteht: Der Respekt vor den Grundrechten, dem Rechtsstaat und seinen Gesetzen. 267 268 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281 Die Digitalisierung aller Lebensbereiche führt zur explosionsartigen Produktion personenbezogener Daten. Zudem werden die Technologien immer ausgefeilter, die aus diesem Meer an Daten Informationen über die Privatsphäre des Menschen ableiten. Wir Freien Demokraten wollen, dass jeder die sich aus der Digitalisierung ergebenden Chancen nutzen kann, ohne seiner informationellen Selbstbestimmung beraubt zu werden. Deshalb müssen wir Datenschutz neu denken. Der Staat hat seit jeher die Aufgabe, Leben, Freiheit und Besitztümer der Menschen zu schützen. In der Welt der Digitalisierung bedeutet dies, dass jeder Bürger die alleinige Hoheit über seine Daten zurückerhalten muss – gegenüber öffentlichen Stellen und kommerziellen Datensammlern. Statt einer Vielzahl von Stellen ausgeliefert zu sein, die seine Daten gespeichert haben, soll jeder Einzelne vollumfänglich bestimmen und kontrollieren können, wer wann und zu welchem Zweck Zugang zu seinen Daten hat. Wir wollen eine Eigentumsordnung für Daten entwickeln, um deren selbstbestimmte Verwendung zu ermöglichen. 282 283 Selbstbestimmung bedeutet auch, so leben zu können, wie man ist. Für uns Freie Demokraten sind alle Lebensgemeinschaften gleich wertvoll, in der Men- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 16 284 285 286 287 288 289 290 291 292 293 294 schen nachhaltig füreinander Verantwortung übernehmen. Daher wollen wir, dass alle Paare die Ehe eingehen können. In einer Welt, in der die Menschen immer mobiler und älter und die Lebensmodelle vielfältiger werden, gibt es auch neue Formen von Gemeinschaft jenseits von Verwandtschaft oder Liebesbeziehung. Zum Beispiel unverheiratete Eltern, die zwar für ihre Kinder gemeinsam Verantwortung übernehmen, aber nicht zwingend füreinander. Oder ältere Menschen, die sich in Wohngemeinschaften gegenseitige ihre Unabhängigkeit bewahren. Jeder soll selbst entscheiden können, wer im Alltag, aber auch im Notfall, sein engster Kreis von Angehörigen ist. Deshalb wollen wir, dass mit einem neuen Rechtsinstitut der Verantwortungsgemeinschaft auch diesen Formen gegenseitiger Verantwortung der angemessene Schutz des Rechtssystems zu Teil wird. 295 296 297 298 299 300 Viele junge Mütter oder Väter sehen sich in der „Rushhour des Lebens“ vor die Alternativentscheidung zwischen Familie oder Karriere gestellt. Wir wollen junge Familien durch finanzielle Entlastungen, vor allem aber durch intelligente Unterstützungsangebote wie Gleitzeit-Kitas oder einfachere Möglichkeiten für Teilzeitstudium, Teilzeitqualifizierung, Teilzeitarbeit und Teilzeitselbständigkeit und Lebensarbeitszeitkonten unterstützen, damit beides möglich wird. 301 302 303 304 305 306 Wir fordern einen offenen Umgang mit den Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin. Die Entscheidung über eigene Kinder ist höchstpersönlich und intim. Der Staat sollte sich hier zurückhalten. Moralisierender Traditionalismus hat hier keinen Platz. Das Wohl des Kindes hängt von der Liebe seiner Familie ab, nicht davon, wie es gezeugt wurde. Deshalb sind hier die Entscheidungen der künftigen Eltern zu respektieren. 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 Wer Angst vor existenzieller Not hat, handelt nicht frei. Er agiert wie ein Getriebener oder hält sich am Bestehenden fest. Daher benötigt eine freie Gesellschaft auch Institutionen, die dem Einzelnen beistehen, um existenzielle Risiken abzusichern. Solche Absicherung kann staatlich sein wie die Sozialversicherungen oder privat wie die Lebensversicherungen. Sie müssen aber in jedem Fall nachhaltig wirtschaften. Denn die Menschen können ihnen nur vertrauen, wenn sie dauerhaft und verlässlich agieren. Dazu wollen wir die Sozialversicherungen an das moderne Erwerbsleben anpassen – etwa mit einem flexiblen Renteneintrittsalter. Das sorgt für mehr Selbstbestimmung. Es gibt keinen Grund, einem Menschen vorzuschreiben, wann er in Rente geht: Die Lebenserwartung nimmt zu, und die Lebensentwürfe unterscheiden sich immer stärker – warum stellen wir jedem nicht frei, wann er in den Ruhestand gehen möchte? Ganz einfach und nachhaltig finanziert: Wer früher in Rente geht, erhält eine geringere, wer später geht, eine höhere Rente. Dazu wollen wir auch den gleitenden Übergang in den Ruhestand in Kombination mit einer Teilrente ermöglichen: Wer Teilzeit arbeitet, bekommt dann bei früherem Rentenbeginn den Verdienst nicht mehr von der Rente abgezogen. 324 325 326 Eine älter werdende Gesellschaft muss auch nach dem Erwerbsleben auf mehr Selbstbestimmung setzen. Alte Menschen wollen Erfahrungen weitergeben, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten noch et- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 17 327 328 was beruflich oder ehrenamtlich leisten. Dazu wollen wir die zahllosen gesetzlich angeordneten Altersgrenzen aufheben. 329 330 331 332 333 334 335 336 337 Barrierefreiheit ist für sie wie für Menschen mit Behinderung eine Grundvoraussetzung für Teilhabe. Auch bei zunehmenden gesundheitlichen Einschränkungen oder Behinderungen muss Selbstbestimmung die Leitlinie sein: Einerseits können Assistenz und ambulante Pflege das Leben in der gewohnten häuslichen Umgebung ermöglichen, andererseits sollen auch bei stationärer Pflege Privatsphäre und Wahlmöglichkeiten so weit wie irgendwie möglich erhalten bleiben. Das Pflegepersonal muss dabei durch den Abbau von Dokumentationspflichten wieder in die Lage versetzt werden, mehr Zeit für Mitmenschlichkeit und Kommunikation zu haben. 338 339 340 341 342 343 Zuwendung und soziale Verantwortung geschieht von Mensch zu Mensch. Viele Politiker wollen sie jedoch immer mehr in Sozialsysteme abdelegieren. Systeme bieten aber keine Zuwendung, Leistungsansprüche verschaffen keine menschliche Wärme. Wir ermutigen die Menschen, füreinander Verantwortung zu übernehmen – sei es in Familie, unter Freunden oder in der Nachbarschaft. Diesen sozialen Kitt kann keine Wohlfahrtsbürokratie der Welt ersetzen. 344 345 346 347 Die Wahrung der Menschenwürde ist für Freie Demokraten der Maßstab allen Handelns – bis zum Lebensende. Wir respektieren in Grenzsituationen den selbstbestimmten Entschluss eines Menschen, seinem Leben ein Ende zu setzen. Hilfe hierzu – auch ärztliche – darf nicht kriminalisiert werden. 348 V. Freiheit und Menschenrechte weltweit 349 350 351 352 353 354 Je enger die Menschen dieser Welt untereinander vernetzt sind, umso klarer wird, dass die Verantwortung der Politik für die Freiheit der Menschen nicht an den eigenen Landesgrenzen endet. Die politische Idee der individuellen Freiheit steht weltweit unter Druck. Sie wird von religiösem Fundamentalismus und Autoritarismus bedroht. Dagegen müssen wir sie verteidigen! Denn Freie Demokraten wollen Freiheit und Menschenrechte weltweit. 355 356 357 358 359 360 361 362 363 364 Der westliche Wertekanon umfasst Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Marktwirtschaft. Das sind keine Dogmen, sondern die Geschichte lehrt, dass sie den Menschen Wohlstand, Perspektive und Freiheit ermöglichen. Europa ist aber weder eine Festung, noch eine isolierte Insel. Europa ist mit dem Rest der Welt durch Globalisierung und Digitalisierung verbunden. Andere Regionen der Welt entwickeln sich und beanspruchen mehr Verantwortung in der Welt. Wenn Europa mit seinen Werten die Welt weiter prägen möchte, dann wird das nur gemeinsam gelingen – mit gemeinsamen Werten, gemeinsamen Märkten und gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik bis hin zur Vision einer gemeinsamen europäischen Armee. 365 366 Die individuellen Menschenrechte sind für uns Grundlage der internationalen Politik. Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit steht an erster Stel- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 18 367 368 369 370 le. Aber auch politische Rechte wie Presse- und Versammlungsfreiheit sowie die Gleichberechtigung von Mann und Frau und deren sexuelle Selbstbestimmung sind für Liberale nicht verhandelbar. Wir werden uns für die Einhaltung dieser fundamentalen Rechte einsetzen und diejenigen unterstützen, die dafür eintreten. 371 372 373 374 375 376 377 378 379 380 381 382 Freie Demokraten setzen auf Außenpolitik und internationale Beziehungen, weil wir in der engen Vernetzung der Staaten untereinander große Chancen auf Frieden und Wohlstand erkennen. Freier Handel führt zu besseren und günstigeren Produkten für die Verbraucher und eröffnet der exportstarken Volkswirtschaft Deutschlands neue Absatzmärkte. Für Entwicklungsnationen sind offene Märkte eine Chance auf Wohlstand, weil sie ihre Kostenvorteile nur dann voll nutzen können, wenn sie nicht durch protektionistische Handelsbarrieren ausgebremst werden. Menschen, die miteinander Handel treiben, führen keine Kriege untereinander. Die immer engere Vernetzung der Staaten im Zeitalter der Globalisierung bietet vor allem die Chance, die universelle Geltung der Menschenrechte und des Anspruchs jedes einzelnen Menschen nach einem Leben in Selbstbestimmung und Würde zu verwirklichen. 383 384 385 386 387 388 389 390 Das Ziel liberaler Außenpolitik ist Frieden – aber in Freiheit. Die Idee des Völkerrechts ist einfach wie bestechend: Wenn alle Staaten ihre Landesgrenzen gegenseitig achten und die elementaren Menschenrechte wahren, dann muss niemand einen Überfall oder Krieg fürchten. Wenn das Völkerrecht gebrochen wird, sichern uns unsere Streitkräfte militärisch ab. Wir werden für die Einhaltung des Völkerrechts streiten und uns gleichzeitig mit gut ausgebildeten und ausgerüsteten Streitkräften im Verbund mit unseren NATO-Partnern glaubwürdig gegen Rechtsbrüche Anderer zur Wehr setzen. 391 392 393 394 395 396 397 398 399 400 401 402 403 Freie Demokraten sind Teil der westlichen Wertegemeinschaft. Die Vertiefung und Stärkung der Beziehungen zu unseren europäischen Partnern in der EU, zu den USA sowie zu allen Staaten, die sich zu Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Marktwirtschaft bekennen, bildet daher das feste Fundament, von dem aus wir Verständigung mit anders denkenden Ländern anstreben. Dazu wollen wir als Basis in der EU die Felder stärken, in denen wir nur gemeinsam stark sein und sachgerechte Lösungen finden können: ein gemeinsamer Datenschutz, ein Energiebinnenmarkt ohne Grenzen, konsequente Haushaltsdisziplin und Eurostabilität, eine gemeinsame Flüchtlings- und Einwanderungspolitik und die abgestimmte Bekämpfung von Extremismus bieten Chancen, wenn wir zusammen agieren. Zudem wollen wir alle Instrumente der Außen- und Sicherheitspolitik stärken, denn in der Globalisierung ist aktive internationale Politik Voraussetzung für Sicherheit und Wohlstand auch im Inneren. 404 405 406 407 408 409 Wir wollen die Ursachen von menschenunwürdigen Lebensumständen in weniger entwickelten Ländern bekämpfen und nicht die Symptome. Gesellschaften werden dabei unterstützt, wirkungsvoll die Selbstbestimmung von Bürgerinnen und Bürgern in allen Lebenslagen zu verwirklichen und ihnen Chancen auf Bildung, Wohlstand und persönliche Entwicklung zu eröffnen. Menschen in extremen Notlagen zu helfen, auf der ganzen Welt, jederzeit, schnell, professionell, 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 19 410 411 umfänglich und bedingungslos, ist eine humanitäre Verpflichtung, die für Freie Demokraten verbindlich ist. 412 VI. Politik, die rechnen kann 413 414 415 416 417 418 419 420 421 422 Die Soziale Marktwirtschaft fördert die Kreativität und Motivation ihrer Bürger besser als jede andere Wirtschaftsordnung. Denn der Wettbewerb wirkt gefährlichen Machtballungen und Verkrustungen in der Wirtschaft entgegen und schützt uns daher alle vor Machtmissbrauch. Es bietet den Raum für neue Gründungen und den Mittelstand. Die Soziale Marktwirtschaft schafft Wohlstand für den Einzelnen und für die Gesellschaft. Sie schlägt die Pflöcke in den Boden, an denen unsere Gesellschaft das soziale Sicherheitsnetz aufspannt. Sie ist daher das sicherste Fundament im Einsatz für Bildung und soziale Absicherung. Wer die Soziale Marktwirtschaft angreift, der greift Wohl und Wohlstand der gesamten Gesellschaft an. Deshalb verteidigen wir diese Wirtschaftsform. 423 424 425 426 427 428 429 Nachhaltigkeit ist mehr als Umweltschutz. Genauso wie wir mit den natürlichen Lebensgrundlagen nachhaltig umgehen müssen, so müssen Staat und Politik auch nachhaltig wirtschaften. Sonst sorgen sie nur für eines – nämlich Schulden. Und dass Schulden nicht nur die Staatsfinanzen, sondern gerade auch die Lebenschancen der Bürger eines Staates ruinieren, das hat die europäische Staatsschuldenkrise gezeigt. Nachhaltig kann daher nur eine Politik sein, die rechnen kann. 430 431 432 433 434 435 436 437 438 Wir wollen den Euro als Gemeinschaftswährung erhalten. Deshalb unterstützen wir Hilfen als Gegenleistung zu marktwirtschaftlichen Reformen. Seit 2010 wurden die Stabilitätsregeln des soliden Wirtschaftens geschärft und neue Institutionen geschaffen. Für das Vertrauen in den Euro und seinen langfristigen Bestand ist die Achtung des Rechts heute wichtiger als die aktuelle Zahl seiner Mitglieder. Die Wiederherstellung der finanzpolitischen Eigenständigkeit aller Euro-Mitglieder ist unser Ziel. Das dauerhafte oder zeitweise Ausscheiden eines Staates darf nicht tabuisiert werden. Wir setzen uns für ein geordnetes Insolvenzrecht für Staaten ein. 439 440 441 442 443 444 445 446 447 448 449 450 451 Für die Finanzen des Staates soll gelten, was für jeden anderen das normalste der Welt ist: Gib nicht mehr Geld aus, als Du einnimmst! Ein Staat, der über seine Verhältnisse lebt, vergreift sich am Wohlstand künftiger Generationen. Der ausgeglichene Haushalt soll nicht nur der rechtliche Grundsatz, sondern auch schnellstmöglich der tatsächliche Normalfall werden. Dazu ist es nötig, dass die „Schuldenbremse“ des Grundgesetzes mit automatischen Sanktionen versehen wird. Denn derzeit verfahren zahlreiche Landesregierungen nach dem Motto: Stelle einen verfassungswidrigen Haushalt auf, lass die Verfassungsgerichte dies ruhig ausurteilen und ändere: nichts! Sie tun das, weil die Urteile meist gesprochen werden, wenn das betroffene Haushaltsgesetz längst vollzogen ist. Das muss sich ändern! Wir schlagen daher vor, dass die Fehlbeträge, die zur Verfassungswidrigkeit eines Haushalts führen, innerhalb einer laufenden Legislaturperiode ausgeglichen werden müssen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 20 452 453 454 455 456 457 458 459 460 Bund, Länder und Kommunen sollen durch Schuldenbremsen zur Sparsamkeit angeleitet werden. Sprich: Sie sollen weniger ausgeben. Nichts fällt der Politik aber schwerer. Lieber belastet sie Bürger und Unternehmen mit immer höheren Steuern und Abgaben – sei es direkt wie bei den immer höheren Sozialversicherungsabgaben und dem Solidaritätszuschlag oder versteckt wie bei der kalten Progression. Zum Schutz der Bürger fordern wir daher eine Steuerbremse im Grundgesetz. Danach soll es dem Staat verboten sein, über Ertragssteuern wie die Einkommen- und die Körperschaftsteuer mehr als die Hälfte der Erträge eines Bürgers zu vereinnahmen. 461 462 463 464 465 466 467 468 In der Eurokrise war es kurzfristig notwendig, eine Reihe von Banken zu stabilisieren. Damit sind hohe Risiken für die öffentlichen Haushalte verbunden. Diese kurzfristig erforderlichen Maßnahmen haben langfristig schädliche Auswirkungen, vor allem wenn Banken davon ausgehen, dass es sich dabei um den Regelfall handelt. Daher muss jetzt klar sein, dass sich eine solche Krise mit anschließender staatlicher Stabilisierung nicht wiederholen darf. Deshalb wollen wir im Grundgesetz verbieten, dass Banken künftig durch den Staat gerettet werden, um eine Änderung unverantwortlicher Geschäftspolitik zu erreichen. 469 470 471 472 473 474 475 Politik, die rechnen kann, kennt die Quelle unseres Wohlstands: den Mittelstand. Hier finden die meisten Menschen ihren Arbeits- und Ausbildungsplatz. Hier entsteht ein Großteil der Innovationen und der Wertschöpfung. Daher darf sich Politik nicht nur auf die Großkonzerne konzentrieren, die ihre Belange mit großen Kommunikationsabteilungen an die Politik herantragen. Wirklich nachhaltige Politik wägt ihre Auswirkungen mit Blick auf ganz normale Betriebe in Familienhand und Mittelstand ab. 476 477 478 479 480 481 482 483 484 485 Die größten Risiken für die öffentlichen Finanzen liegen nicht mehr im Steuerhaushalt, sondern in den Sozialversicherungssystemen wie Rente, Krankenkassen und Pflegeversicherung. Sie sind immer noch nicht fit gemacht worden für den demografischen Wandel. Hier muss die deutsche Politik endlich echte Reformen mit gesamtgesellschaftlichem Nutzen einleiten, statt Klientelpolitik und Trippelschritte zu betreiben. Denn die jungen Menschen von heute haben auch Anspruch auf eine funktionierende Alters-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung morgen. Als ersten Schritt zu mehr Ehrlichkeit und Nachhaltigkeit wollen wir versicherungsfremde Leistungen aus den Sozialversicherungen vollständig in den Steuerhaushalt überführen. 486 487 488 489 490 491 492 493 494 Der Staat greift mit dem Geld seiner Bürger umfangreich und häufig ein, um wirtschaftliche Prozesse zu verändern. Solche Subventionen können sinnvoll sein, wenn sie Erneuerungsprozesse beschleunigen, Monopole überwinden oder zeitliche befristet Anpassungsprozesse flankieren. Häufig genug schaden sie aber dem Gemeinwohl und dienen als Dauersubventionierung innovationsschwacher Branchen. Deshalb müssen alle Subventionen überprüft und neu verhandelt werden. Das gilt insbesondere für den Bereich der erneuerbaren Energien. Die Übersubventionierung der letzten Jahre hat dem Innovationsklima der Branche in Deutschland massiv geschadet und die Bürger massiv belastet. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 21 495 496 497 498 499 500 Ein Staat, der von seinen Bürgern Steuern erhebt, schuldet ihnen einen effizienten Umgang mit ihrem Geld. Viele Strukturen in unserem Staat sind aber historisch gewachsen. Doch nicht alles, was Tradition ist, macht heute noch Sinn. Wir setzen uns daher dafür ein, die Bundesländer, Kreise und Kommunen dort, wo es sinnvoll und von den Bürgern gewünscht ist, zusammenzulegen, um effizienter mit dem Geld der Steuerzahler zu wirtschaften. 501 VII. Ein unkomplizierter Staat 502 503 504 505 506 507 Wir wollen einen unkomplizierten Staat – von der Gemeinde bis zur Europäischen Union. Das Leben ist schon kompliziert genug. Da braucht niemand einen Staat, der alles noch schwieriger macht. Der Staat sollte darauf achten, dass jeder Menschen Chancen im Leben bekommt, sich aber ansonsten auf die Formulierung und Durchsetzung fairer Spielregeln beschränken, die jede Gesellschaft braucht. Mehr macht es nicht besser. Mehr macht den Staat nur komplizierter. 508 509 510 511 512 513 514 Politik und Verwaltung produzieren ständig neue Vorschriften. Denn das ist leichter, als nutzlose Regelungen abzuschaffen. Das immer dichtere Dickicht immer neuer Vorschriften macht das Leben immer komplizierter. Wir fordern deshalb für einen Zeitraum von fünf Jahren ein „one in, two out“, wie es in Großbritannien praktiziert wird: Für jedes neue Gesetz müssen zwei alte gestrichen werden. Unsere Vision ist, dass jedermann im Alltag aus dem Gesetzestext selbst verstehen kann, was sein Recht ist. 515 516 517 518 519 520 521 522 523 524 525 526 527 Die Digitalisierung aller Lebensbereiche führt zu neuen Dienstleistungen und Produkten, die das Leben der Menschen einfacher und angenehmer machen. Die Chancen für einen unkomplizierten Staat sind hier gewaltig: Wartezeiten bei Behördengängen, Papier- und Formularflut, Telefonwarteschleifen – all dies könnte der Vergangenheit angehören. Denn bis auf wenige Verwaltungsvorgänge, die man unbedingt persönlich erledigen muss (wie etwa die Eheschließung), lassen sich nahezu alle Verwaltungsangelegenheiten durch Digitalisierung bequem von zu Hause oder unterwegs erledigen. So schnell wie möglich soll jeder Verwaltungsvorgang vollständig digital erfolgen können. Jedes Formular soll digital signiert werden können. Alle Verwaltungsleistungen sollen unabhängig davon, ob Bund, Land, Kommune oder eine Sozialversicherung zuständig sind, auf einem zentralen Portal erreichbar sein („one stop shop“). Im Jahr 2030 soll Deutschland E-Government-Land Nummer eins der Welt sein. 528 529 530 531 532 533 534 535 536 Egal, ob Stuttgart 21, Startbahn 3 in München oder Südlink. Bei zentralen Infrastrukturprojekten geht es langsam oder gar nicht voran. Dabei ist Deutschland auf moderne Infrastruktur bei Verkehr, Energie und Daten angewiesen. Wir wollen, dass die entsprechenden Planungsverfahren beschleunigt werden. Das soll aber nicht zu einem Defizit an demokratischer Legitimation führen. Deshalb sollen zukünftig die Information der Bürger und ggf. ein Bürgerentscheid am Beginn der Verfahren stehen, damit die sich anschließenden Schritte des Verfahrens beschleunigt werden können. Bei Vorhaben von überregionaler Bedeutung soll das Parlament einbezogen werden und ggf. Planfeststellung durch Gesetz betreiben. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 22 537 538 539 540 541 542 543 544 545 546 547 548 549 550 Der deutsche Sozialstaat ist unüberschaubar. Das macht ihn kompliziert: für die Verwaltung, die eine unüberschaubare Zahl verschiedenster Leistungen und Voraussetzungen dieser Leistungen managen, überwachen und zuweisen muss. Aber vor allem für die betroffenen Menschen, die das Ganze nicht mehr überblicken können und die das Gefühl beschleicht, sie müssten viele Dinge doppelt erledigen und seien einer Zuteilungswillkür ausgeliefert. Das ist teuer und ineffizient. Geld wird für Bürokratie vergeudet, das dann nicht mehr für die Menschen zur Verfügung steht. Wir wollen Schritt für Schritt möglichst viele geeignete Sozialleistungen zusammenfassen. So wird Verwaltungsaufwand vermindert und die betroffenen Menschen überblicken besser, wo ihnen der Staat hilft und wo nicht. Dabei muss vom selbst verdienten Geld auch beim Bezug von Transferleistungen immer so viel beim Bürger verbleiben, dass sich auch für zeitweise Bedürftige Einsatz lohnt und sie Schritt für Schritt wieder auf eigene Beine kommen können. Unsere Vision nennen wir Bürgergeld. 551 552 553 554 555 556 557 558 559 560 561 Nichts ist so kompliziert wie das deutsche Steuerrecht. Selbst wenn sich hinter jeder einzelnen Vorschrift eine kleine Gerechtigkeit verbirgt, ergeben sie in der Summe eine große Ungerechtigkeit. Denn hier blickt niemand mehr durch. Am Ende profitieren nur noch wenige Großkonzerne mit spezialisierten Steuerabteilungen. Deshalb wollen wir das deutsche Steuersystem Schritt für Schritt radikal vereinfachen. Den Anfang sollte der ersatzlose Entfall des „Solidaritätszuschlags“ im Jahr 2019 sein – wie es den Bürgern versprochen wurde. Im Bereich der Einkommensteuer könnte am Ende eine „Flat Tax“ stehen: eine Einkommensteuer mit einem Einkommensteuersatz. Damit dieser Satz möglichst niedrig sein kann, sollen möglichst viele Ausnahmen gestrichen werden. Das ist ein Gewinn an Freiheit. 562 VIII. Schaffen wir die Republik der Chancen! 563 564 565 566 567 568 Jeder Mensch hat es in der Hand: Veränderung, Chancen, Aufbruch. Unser Auftrag ist daher klar: Stärken wir den Glauben der Menschen an sich selbst. Wir glauben an die Kraft und die Energie des Menschen. Wir glauben daran, dass es immer eine Möglichkeit gibt. Niemals sollen „Ja, aber …“ und Co. die Oberhand behalten. Wir vertrauen auf die Kraft der Freiheit und machen den Optimismus zu unserem Antrieb. Deshalb sind wir Freie Demokraten. Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 23 Antrag S001 Betr.: Änderung der Bundessatzung Antragsteller: Bundesvorstand Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 Die Finanz- und Beitragsordnung (FiBeiO) wird wie folgt geändert: 2 1. § 10 Abs. 6 FiBeiO Sätze 2 und 3 erhalten folgende Fassung: 3 4 5 6 Der Bundesparteitag kann darüber hinaus befristete Sonderumlagen der Gliederungen beschließen. Ein solcher Beschluss bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen gültigen Stimmen, mindestens aber der Mehrheit der zum Bundesparteitag Stimmberechtigten. 7 2. Der bisherige Satz 2 wird Satz 4. Begründung: Zur Finanzierung der Partei sieht das Parteiengesetz u.a. auch die Möglichkeit der Erhebung von Sonderumlagen vor (vgl. § 27 Abs. 1 PartG). Bisher kennt die Satzung der FDP in § 10 Abs. 6 der Finanz- und Beitragsordnung nur die Erhebung einer regelmäßigen Umlage zugunsten des Bundesverbandes. Zur Finanzierung besonderer Aktivitäten oder Kampagnen der Partei soll nunmehr satzungsrechtlich die Möglichkeit geschaffen werden – wie dies auch bei anderen Parteien der Fall ist -, bei Bedarf darüber hinaus zeitlich befristet und der Höhe nach begrenzt, durch den Bundesparteitag eine Sonderumlage zu beschließen. Um die finanziellen Lasten für die Gliederungen in überschaubaren und abschätzbaren Grenzen zu halten, bedarf eine solche Sonderumlage einer Befristung und muss ihrer Obergrenze nach bestimmt sein. Wegen des über die bisher satzungsmäßig festgelegten Umlagepflichten hinausgehenden Charakters einer Sonderumlage, kann diese nur mit einer Mehrheit auf dem Bundesparteitag beschlossen werden, die auch für Satzungsänderungen erforderlich ist. So ist durch das besondere Verfahren sichergestellt, dass dieses Instrument nur für solche besonderen Aktivitäten oder Kampagnen zum Einsatz gelangt, über deren Sinn und Notwendigkeit in breitesten Teilen der Partei Einhelligkeit besteht. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 24 Änderungsantrag zu Antrag Nr. S001 66. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei Berlin, 15. - 17. Mai 2015 Antragstitel: Änderung der Bundessatzung Status: Angenommen Übernommen Abgelehnt Nicht beraten Angenommen in geänderter Fassung Zurückgezogen Überwiesen Teilweise übernommen Erledigt Nr. 0001 - Ersetzung Zeile 3 bis 4 Gliederungen Antragsteller: 1 Christoph Dammermann (LV Nordrhein-Westfalen) Landesverbände Begründung: Der Antrag des Bundesvorstandes spricht unspezifisch von „Gliederungen“, bei denen Sonderumlagen erhoben werden sollen. Begründet wird dies (siehe Presseerklärung Dr. Solms vom 28.3.) mit dem Vermögen der Gliederungen in Höhe von 13,5 Millionen Euro. Da die Situation in den Landesverbänden, was dieses Vermögen betrifft, sehr unterschiedlich ist, wird hier vorgeschlagen, dass die Landesverbände in eigener Verantwortung entscheiden, wie sie die Umlagen ggf. weiterberechnen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 25 Änderungsantrag zu Antrag Nr. S001 66. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei Berlin, 15. - 17. Mai 2015 Antragstitel: Änderung der Bundessatzung Status: Angenommen Übernommen Abgelehnt Nicht beraten Angenommen in geänderter Fassung Zurückgezogen Überwiesen Teilweise übernommen Erledigt Nr. 0002 - Füge ein nach Zeile 6 . Antragsteller: 1 2 Christoph Dammermann (LV Nordrhein-Westfalen) Die Landesparteitage können in gleicher Weise beschließen, die Pflichten dieser befristeten Sonderumlagen, ggf. auch teilweise, auf ihre Gliederungen zu übertragen. Begründung: Der Antrag des Bundesvorstandes spricht unspezifisch von „Gliederungen“, bei denen Sonderumlagen erhoben werden sollen. Begründet wird dies (siehe Presseerklärung Dr. Solms vom 28.3.) mit dem Vermögen der Gliederungen in Höhe von 13,5 Millionen Euro. Da die Situation in den Landesverbänden, was dieses Vermögen betrifft, sehr unterschiedlich ist, wird hier vorgeschlagen, dass die Landesverbände in eigener Verantwortung entscheiden, wie sie die Umlagen ggf. weiterberechnen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 26 Änderungsantrag zu Antrag Nr. S001 66. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei Berlin, 15. - 17. Mai 2015 Antragstitel: Änderung der Bundessatzung Status: Angenommen Übernommen Abgelehnt Nicht beraten Angenommen in geänderter Fassung Zurückgezogen Überwiesen Teilweise übernommen Erledigt Nr. 0003 - Ersetzung Zeile 7 bis 7 4 Antragsteller: 1 Christoph Dammermann (LV Nordrhein-Westfalen) 5 Begründung: Diese Änderung ist notwendig, sofern die vorherige Einfügung eines neuen Satzes 4 angenommen wird. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 27 Stellungnahmen des Bundessatzungsausschusses zu den Satzungsänderungsanträgen zum 66. Ord. Bundesparteitag der FDP am 15.-17. Mai 2015 in Berlin Satzungsänderungsantrag S001 Die beantragte Einfügung der Sätze 2 und 3 in den § 10 Abs. 6 der Finanz- und Beitragsordnung ermöglicht dem Bundesparteitag, zusätzlich zu der Umlage nach Satz 1, befristete Sonderumlagen zu beschließen. Der Antrag ist zulässig. Es ist ein Satzungsänderungsantrag, da die Finanz- und Beitragsordnung Bestandteil der Bundessatzung nach § 28 Abs. 3 der Bundessatzung ist. Da für den Beschluss des Bundesparteitags, eine befristete Sonderumlage zu erheben, ohne nähere Bestimmung die einfache Mehrheit ausreichen würde, ist die qualifizierte Mehrheit hier ausdrücklich anzuordnen. Auch für die Sonderumlage gilt § 10 Abs. 3 der Finanz- und Beitragsordnung, da es sich auch um eine Umlage handelt. Stellungnahmen des Bundessatzungsausschusses zu den Änderungsanträgen zu den Satzungsänderungsanträgen zum 66. Ord. Bundesparteitag der FDP am 15.-17. Mai 2015 in Berlin zu Antrag S001 (Änderungsanträge 0001, 0002, 0003): Stellungnahme zum Änderungsantrag von Christoph Dammermann zum Antrag S001 Der Antrag ist zulässig. Er ist in der Frist des § 26 Abs. 3 der Bundessatzung gestellt. Christoph Dammermann ist als Delegierter zum Bundesparteitag gemäß § 12 der Geschäftsordnung zur Bundessatzung antragsberechtigt auch zu Änderungsanträgen zu gestellten Anträgen zur Änderung der Bundessatzung. Zum besseren Verständnis werden die vollständigen Fassungen des § 10 Abs. 6 der Finanz- und Beitragsordnung im Folgenden für die geltende Fassung, die Fassung nach dem Antrag S001 und die Fassung nach dem Änderungsantrag von Christoph Dammermann dargestellt: 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 28 • Bisherige Fassung des § 10 Abs. 6 Finanz- und Beitragsordnung: 1. Die beitragserhebenden Gliederungen entrichten an den Bundesverband pro Monat und Mitglied eine Umlage in Höhe von Euro 2,20. 2. Die notwendigen Verfahrensvorschriften werden vom Bundesschatzmeister erlassen. • Fassung des § 10 Abs. 6 Finanz- und Beitragsordnung nach Antrag S001: 1. Die beitragserhebenden Gliederungen entrichten an den Bundesverband pro Monat und Mitglied eine Umlage in Höhe von Euro 2,20. 2. Der Bundesparteitag kann darüber hinaus befristete Sonderumlagen der Gliederungen beschließen. 3. Ein solcher Beschluss bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen gültigen Stimmen, mindestens aber der Mehrheit der zum Bundesparteitag Stimmberechtigten. 4. Die notwendigen Verfahrensvorschriften werden vom Bundesschatzmeister erlassen. • Fassung des § 10 Abs. 6 Finanz- und Beitragsordnung nach dem Änderungsantrag von Christoph Dammermann (0001, 0002, 0003) 1. Die beitragserhebenden Gliederungen entrichten an den Bundesverband pro Monat und Mitglied eine Umlage in Höhe von Euro 2,20. 2. Der Bundesparteitag kann darüber hinaus befristete Sonderumlagen der Landesverbände beschließen. 3. Ein solcher Beschluss bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen gültigen Stimmen, mindestens aber der Mehrheit der zum Bundesparteitag Stimmberechtigten. 4. Die Landesparteitage können in gleicher Weise beschließen, die Pflichten dieser befristeten Sonderumlagen, ggf. auch teilweise, auf ihre Gliederungen zu übertragen. 5. Die notwendigen Verfahrensvorschriften werden vom Bundesschatzmeister erlassen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 29 Antrag 001 Betr.: Erhebung einer Sonderumlage gem. § 10 Abs. 6 Satz 2 und 3 der Finanz- und Beitragsordnung Antragsteller: Bundesvorstand Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 Auf der Grundlage von § 10 Abs. 6 Satz 2 und 3 der Finanz- und Beitragsordnung (FiBeiO) erhebt die Bundespartei von den Kreisverbänden (im Landesverband Berlin von den Ortsverbänden) eine befristete Sonderumlage. 4 5 6 Die Umlage beträgt € 25,00 je Mitglied und Jahr für die Jahre 2015, 2016 und 2017. Bezugsgröße für den Gesamtzeitraum der Sonderumlage ist die Mitgliederzahl am 01.01.2015. 7 8 9 Die Sonderumlage ist zweckgebunden für die Finanzierung einer einheitlichen und permanenten Kampagne, die die Landtags- und Kommunalwahlen in diesen Jahren umfasst. 10 11 Die Sonderumlage ist fällig zum 30.06. des jeweiligen Jahres, erstmals zum 30.06.2015. 12 13 Die Kreisverbände können ihrerseits die Ortsverbände nach der Maßgabe deren Vermögens und Beitragsaufkommens heranziehen. 14 15 16 Die Landesvorstände können darüber entscheiden, ob und wie weit die Landesverbände die Sonderumlage ganz oder teilweise für ihre Gliederungen schuldbefreiend übernehmen. 17 18 Die Landesverbände sind gehalten, erforderlichenfalls für einen Finanzausgleich zwischen ihren nachgeordneten Gliederungen zu sorgen. 19 20 21 Über die sach- und zweckgerechte Verwendung der Mittel aus dieser Sonderumlage unterrichtet der Bundesschatzmeister regelmäßig die Schatzmeisterkonferenz nach § 16 der FiBeiO. Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 30 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 31 Antrag S002 Betr.: Änderung der Bundessatzung Antragsteller: Bundesvorstand (advokatorisch für AG Parteientwicklung) Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 Ergänze in § 11 Abs. 1 Geschäftsordnung zur Bundessatzung: 2 3 Neue Nummer reich,“. 4 Ändere die fortlaufende Nummerierung entsprechend. 5 Streiche in §11 Abs. 5: „Bundesfachausschüsse,“. „2. Von jedem Bundesfachausschuss in seinem Aufgabenbe- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 32 Stellungnahmen des Bundessatzungsausschusses zu den Satzungsänderungsanträgen zum 66. Ord. Bundesparteitag der FDP am 15.-17. Mai 2015 in Berlin Satzungsänderungsantrag S002 Der Antrag ändert § 11 Abs. 1 und 5 der Geschäftsordnung zur Bundessatzung. Es handelt sich um einen Satzungsänderungsantrag, da die Geschäftsordnung zur Bundessatzung Bestandteil der Bundessatzung ist (§ 28 Abs. 3 der Bundessatzung). Die Einfügung der neuen Nr. 2 in den Abs. 1 und die Streichung des Wortes „Bundesfachausschüsse“ im Abs. 5 gibt den Bundesfachausschüssen ein eigenes und originäres Antragsrecht zum Bundesparteitag. Das Antragsrecht wird zugleich beschränkt auf den Aufgabenbereich des jeweiligen Bundesfachausschusses. Die Einhaltung der Beschränkung würde zur Zulässigkeit des Antrags des Bundesfachausschusses gehören. Dies ist jeweils durch Auslegung des Fachbereichs und des Antragsinhalts zu prüfen. Für Kommissionen und Foren verbleibt es bei der bisherigen Regelung in Abs. 5. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 33 Antrag S003 Betr.: Änderung der Bundessatzung Antragsteller: Bundesvorstand (advokatorisch für AG Parteientwicklung) Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 Die Satzung wird in den nachfolgend aufgeführten Paragraphen wie folgt geändert: 3 Ändere Überschrift von Kapitel 4 in: 4 5 IV. Bewerberaufstellung für die Wahlen zu scheid, Mitgliederbefragung und Mitgliederbegehren 6 § 21 Mitgliederentscheid 7 Fasse den Text wie folgt neu: 8 Absatz 1 Volksvertretungen, Mitgliederent- 9 10 11 Über wichtige politische Fragen, für die der Bundesparteitag zuständig ist und über die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl kann ein Mitgliederentscheid durchgeführt werden. 12 Absatz 2 13 Ein Mitgliederentscheid findet nicht statt über: 14 1. die Änderung der Satzung, der Geschäftsordnung, der Beitragsordnung und 15 der Schiedsgerichtsordnung. 16 2. innerparteiliche Wahlen. 17 3. die Aufstellung von Bewerbern für öffentliche Wahlen. 18 19 20 4. den Haushaltsplan des Bundesverbandes, die Beschäftigung von Mitarbeitern und andere Fragen der inneren Organisation des Bundesverbandes und der Bundesgeschäftsstelle. 21 22 5. Anträge, die bereits in den letzten zwei Jahren Gegenstand eines Mitgliederentscheides waren. 23 Absatz 3 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 34 24 25 26 27 Ein Mitgliederentscheid ist auf Beschluss des Bundesparteitages oder des Bundesvorstandes oder auf Antrag der Vorstände oder Parteitage von fünf Landesverbänden oder hundert Kreisverbänden oder von fünf Prozent der Mitglieder der FDP durch den Bundesvorstand durchzuführen. 28 Absatz 4 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 Der Bundesvorstand entscheidet über die Art des Abstimmungsverfahrens. Der Mitgliederentscheid erfolgt entweder durch geheime Briefabstimmung, durch eine dezentrale Präsenzwahl, durch eine online-basierte Abstimmung oder durch eine Kombination dieser drei Verfahren. Es muss aber in den Grundsätzen einer geheimen Briefabstimmung gleichstehen. Wird ein Mitgliederentscheid erfolgreich initiiert, gilt ein Neutralitätsgebot (Gebot der Gleichbehandlung der Antragsteller) für die Bundesgeschäftsstelle. Das Gebot der Gleichbehandlung gilt auch für den Bundesvorstand. Das beschränkt nicht das Recht von Mitgliedern des Bundesvorstandes, in die politische Diskussion einzugreifen. Der Bundesvorstand hat das Recht, zusammen mit der beantragten Formulierung einen Alternativantrag zur Abstimmung zu stellen. Die Kreisverbände sind gehalten, zum Thema des jeweiligen Mitgliederentscheids Informationsveranstaltungen durchzuführen. Die Bundesgeschäftsstelle unterstützt die Antragsteller gemäß der Verfahrensordnung (Abs. 8) im Rahmen der Datenschutzbestimmungen. 43 Absatz 5 44 45 46 47 48 49 Ein Antrag auf Durchführung eines Mitgliederentscheids muss schriftlich bei der Bundesgeschäftsstelle eingereicht werden. Er muss den zur Entscheidung zu bringenden Antragstext enthalten. Im Falle eines Antrags von fünf Prozent der Mitglieder muss der Antrag durch sämtliche Antragsteller eigenhändig unterschrieben sein. Ein Mitgliederentscheid findet nicht mehr statt, wenn ein Bundesparteitag im Sinne des Antrags entscheidet. 50 Absatz 6 51 52 53 54 55 56 57 Ein Antrag im Rahmen des Mitgliederentscheids ist beschlossen, wenn er die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten hat. Enthaltungen werden bei der Berechnung der Mehrheit nicht mitgezählt. Umfasst diese Mehrheit mindestens fünfzehn Prozent der Mitglieder, so ist dessen Ergebnis die politische Beschlusslage der FDP und steht einer Entscheidung des Bundesparteitages gleich. Wird dieses Quorum nicht erreicht, wird das Ergebnis lediglich als Mitgliederbefragung gewertet. 58 Absatz 7 59 60 61 62 63 Gegenstand eines Mitgliederentscheids kann auch die Bestimmung von Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl sein. In diesem Fall genügt ein Antrag auf Einleitung des Verfahrens. Daraufhin fordert der Bundesvorstand auf, innerhalb einer von ihm gesetzten Frist von mindestens 28 Tagen Vorschläge einzureichen. Dem Wahlvorschlag muss die schriftliche Zustimmung der Kandidaten beigefügt 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 35 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 sein. Wahlvorschläge können der Bundesparteitag, der Bundesvorstand, zwei Landesverbände gemeinsam oder 20 Kreisverbände gemeinsam oder 250 Mitglieder einreichen. Gehen nicht mehr gültige Wahlvorschläge ein, als Positionen zu besetzen sind, findet kein Mitgliederentscheid statt. Anderenfalls entscheidet der Bundesvorstand über das anzuwendende Verfahren und leitet unverzüglich den Mitgliederentscheid ein. Absatz 2 Nr. 2 findet keine Anwendung. Gewählt ist, wer die meisten gültigen Stimmen und mindestens die Stimmen von fünfzehn Prozent der Mitglieder erhält. Absatz 6 gilt entsprechend. Erfüllt kein Bewerber diese Voraussetzungen, entscheidet der Bundesparteitag. Bei Stimmengleichheit mehrerer Bewerber entscheidet der Bundesparteitag im ersten Wahlgang ausschließlich über die stimmengleichen Bewerber. 75 Absatz 8 76 77 Das weitere Verfahren regelt die durch den Bundesvorstand zu beschließende Verfahrensordnung 78 Nach § 21 einfügen: 79 § 21a Mitgliederbefragung 80 Absatz 1 81 82 83 84 Eine Mitgliederbefragung ist auf Beschluss des Bundesparteitags oder des Bundesvorstands oder auf Antrag der Vorstände oder Parteitage von zwei Landesverbänden oder 20 Kreisverbänden oder von 500 Mitgliedern der FDP durch den Bundesvorstand durchzuführen. 85 Absatz 2 86 Ein Mitgliederbefragung findet nicht statt über: 87 1. innerparteiliche Wahlen. 88 2. die Aufstellung von Bewerbern für öffentliche Wahlen. 89 90 91 3. den Haushaltsplan des Bundesverbands, die Beschäftigung von Mitarbeitern und andere Fragen der inneren Organisation des Bundesverbandes und der Bundesgeschäftsstelle. 92 Absatz 3 93 94 95 96 97 98 99 Der Bundesvorstand entscheidet über die Art des Abstimmungsverfahrens. Die Mitgliederbefragung erfolgt entweder durch geheime Briefabstimmung, durch eine dezentrale Präsenzwahl, durch eine online-basierte Abstimmung oder durch eine Kombination dieser drei Verfahren. Es muss nicht den Grundsätzen einer geheimen Briefabstimmung entsprechen und kann sich auf alle elektronisch erreichbaren Mitglieder beschränken. Wird eine Mitgliederbefragung erfolgreich initiiert, gilt ein Neutralitätsgebot (Gebot der Gleichbehandlung der Antragsteller) für die Bun- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 36 100 101 102 103 104 desgeschäftsstelle. Das Gebot der Gleichbehandlung gilt auch für den Bundesvorstand. Das beschränkt nicht das Recht von Mitgliedern des Bundesvorstandes, in die politische Diskussion einzugreifen. Die Bundesgeschäftsstelle unterstützt die Antragsteller gemäß der Verfahrensordnung (Abs. 6) im Rahmen der Datenschutzbestimmungen. 105 Absatz 4 106 107 108 109 Ein Antrag auf Durchführung einer Mitgliederbefragung muss schriftlich bei der Bundesgeschäftsstelle eingereicht werden. Er muss den Fragetext enthalten. Im Falle eines Antrags von 500 Mitgliedern muss der Antrag durch sämtliche Antragsteller eigenhändig unterschrieben sein. 110 Absatz 5 111 112 Die Organe der Partei sind in ihrer Willensbildung nicht an das Ergebnis der Mitgliederbefragung gebunden. 113 Absatz 6 114 115 Das weitere Verfahren regelt die durch den Bundesvorstand zu beschließende Verfahrensordnung. 116 § 21b Mitgliederbegehren 117 Absatz 1 118 119 250 Mitglieder der FDP können beantragen, dass der Bundesvorstand eine bestimmte Angelegenheit behandelt (Mitgliederbegehren). 120 Absatz 2 121 Eine Mitgliederbegehren findet nicht statt über: 122 1. innerparteiliche Wahlen. 123 2. die Aufstellung von Bewerbern für öffentliche Wahlen. 124 125 126 3. den Haushaltsplan des Bundesverbands, die Beschäftigung von Mitarbeitern und andere Fragen der inneren Organisation des Bundesverbandes und der Bundesgeschäftsstelle. 127 Absatz 3 128 129 130 Der Antrag muss schriftlich bei der Bundesgeschäftsstelle eingereicht werden. Er muss die zu beratende Angelegenheit genau bezeichnen und durch sämtliche Antragsteller eigenhändig unterschrieben sein. 131 Absatz 4 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 37 132 133 Der Bundesvorstand muss spätestens auf seiner dritten Sitzung nach Antragseingang die Angelegenheit durch Abgabe eines begründeten Votums behandeln. Begründung: Der Bundesparteitag 2014 hat die AG Parteientwicklung im Rahmen des Beschlusses „Besser beteiligen heißt stärker werden – Bürgerpartei FDP“ damit beauftragt, das bestehende Instrument des Mitgliederentscheids auszubauen und weiterzuentwickeln, um eine stärkere und einfachere Einbindung der Mitglieder in die Entscheidungsfindung der FDP zu ermöglichen. Konkret soll der Mitgliederentscheid, auch aus den Erfahrungen der vergangenen Entscheide, einfacher handhabbar, leichter sowie kostengünstiger durchführbar werden. Zudem soll der Mitgliederentscheid um eine Mitgliederbefragung und ein Mitgliederbegehren ergänzt werden. Dieses Paket ermöglicht die leichtere und bessere Beteiligung der Mitglieder an der Entscheidungsfindung der FDP. Die Änderungen im Detail: Änderung der Überschrift Kapitel IV: • Dient der Nennung der Instrumente Mitgliederbefragung und Mitgliederbegehren neben dem Mitgliederentscheid in der Überschrift des Kapitels. Änderung § 21: • Abs. 1: Diese Änderung beschreibt die Sachverhalte, zu denen ein Mitgliederentscheid durchgeführt werden kann, genauer als der ursprüngliche Text der Satzung. Er stellt klar, dass auf Bundesebene nur die Sachverhalte Gegenstand eines Mitgliederentscheides sein können, die ein Bundesparteitag entscheiden kann, und schließt andere Fälle, wie z.B. einen Bundesmitgliederentscheid über Landespolitik aus. Zusätzlich macht der neue Abs. 1 es möglich, dass auch die Wahl des Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl über einen Mitgliederentscheid möglich ist, da diese Position keine wahl- oder parteienrechtliche Relevanz hat und daher einer Wahl durch die Mitglieder nichts entgegensteht. • Abs. 2: Der neue Abs. 2 dient ebenfalls der Klarstellung, was mit einem Mitgliederentscheid entschieden werden kann und was nicht. Die Ziffern 1 bis 4 ergeben sich unter anderem aus Regelungen des Parteiengesetzes und der Wahlgesetze. Diese Punkte können nicht Gegenstand eines Mitgliederentscheids sein. Diese Ziffern dienen lediglich der Klarstellung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 38 Sie sind im Inhalt nicht neu, aber im Gegensatz zur ursprünglichen Fassung der Satzung nun klar benannt. Die Wahl des Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl „innerparteiliche Wahl“ im Sinne des Absatzes 2 Nr. 2. ist keine Inhaltlich neu ist Ziffer 5. Sie legt die Bindungswirkung des Ergebnisses eines Mitgliederentscheids auf zwei Jahre fest. Das soll verhindern, dass mehrere Mitgliederentscheide in diesem Zeitraum zum selben Sachverhalt stattfinden. Die Vorschrift erfüllt damit eine innerparteiliche Befriedungsfunktion. Das berührt natürlich nicht das Recht, den Bundesparteitag zu einem Sachverhalt wiederholt anzurufen. • Abs. 3: Dieser Absatz ergänzt die ursprüngliche Fassung der Satzung. Nach der neuen Version kann neben den bisherigen Berechtigten auch der Bundesparteitag einen Mitgliederentscheid initiieren. • Abs. 4: Erweitert das technische Verfahren der Stimmabgabe um Präsenz- und Online-Wahl oder eine Kombination der Verfahren, legt aber die Anforderungen an den Schutz des Wahlgeheimnisses unverändert hoch. Zudem verankert der neue Abs. 4 jetzt auch das Neutralitäts- und Unterstützungsgebot der Bundesgeschäftsstelle in der Satzung und definiert es. • Abs. 5: Konkretisiert die Form, in der ein Antrag auf Durchführung eines Mitgliederentscheids eingereicht werden muss. Darüber hinaus erinnert der Abs. an die satzungsrechtliche Stellung des Bundesparteitags als höchstes Beschlussgremium der FDP. Sollte ein Bundesparteitag einen Beschluss im Sinne der Initiatoren eines Mitgliederentscheides fassen, ist deren Anliegen bereits Beschlusslage der Bundespartei und ein Mitgliederentscheid damit hinfällig. • Abs. 6: Ändert die Berechnung des notwendigen Quorums für die erfolgreiche Durchführung eines Mitgliederentscheids und senkt das Quorum. In der ursprünglichen Version der Satzung wird das notwendige Quorum für einen erfolgreichen Mitgliederentscheid bei einem Drittel der Mitglieder festgelegt. Dieses Drittel musste teilgenommen haben, egal welches 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 39 Votum abgegeben wurde. Bei geringerer Teilnahme wurde das Ergebnis als Mitgliederbefragung und nicht bindend gewertet. In den meisten Fällen wurde in der Vergangenheit dieses Quorum nicht erreicht und die Nichtabgabe der Stimme konnte taktisch genutzt werden, um das Erreichen des Quorums zu verhindern. Daher wird die Berechnung nicht mehr auf die Gesamtzahl der teilnehmenden Mitglieder gestützt, sondern auf die Zahl der Mitglieder, die den Mehrheitsantrag unterstützen. Hat ein Antrag bei einem Mitgliederentscheid eine Mehrheit und besteht diese Mehrheit aus mindestens fünfzehn Prozent der Mitglieder der FDP, ist dieser Antrag Beschlusslage der FDP. Hat ein Antrag eine Mehrheit im Mitgliederentscheid, aber diese Mehrheit besteht aus weniger als fünfzehn Prozent der Mitglieder der FDP, so ist das Ergebnis als Mitgliederbefragung zu werten. • Abs. 7: Ergänzt den Mitgliederentscheid um die Möglichkeit, die Spitzenkandidatur bei einer Bundestagswahl durch einen Mitgliederentscheid zu bestimmen. Dabei greift ein zweistufiges Verfahren: Erstens müssen die Voraussetzungen (Antragsberechtigung etc.) für einen Mitgliederentscheid erfüllt sein. In einem zweiten Schritt können aus der Partei Wahlvorschläge eingereicht werden. Für die Einreichung dieser Vorschläge gilt ein abgesenktes Quorum, um eine Kandidatenvielfalt zu ermöglichen. Darüber hinaus definiert dieser Abs. die weiteren Entscheidungsschritte, falls das entsprechende Quorum für einen erfolgreichen Mitgliederentscheid nicht erreicht wird. • Abs. 8: In einer ausgeweiteten Verfahrensordnung müssen dann Fragen wie Wahlordnung, Wahlleiter, Auszählungsmodalitäten etc. geregelt werden. § 21a Mitgliederbefragung: Die Mitgliederbefragung ergänzt den Mitgliederentscheid um eine wesentlich schnellere, einfacher zu handhabende und deutlich kostengünstigere Möglichkeit, Mitglieder in die Entscheidungsfindung einzubinden. Das Ergebnis ist allerdings rechtlich nicht bindend. • Abs. 1: Ergänzt den Mitgliederentscheid um eine Mitgliederbefragung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 40 Senkt das Quorum im Vergleich zum Mitgliederentscheid. • Abs. 2: Listet die Sachverhalte auf, über die keine Mitgliederbefragung möglich ist. • Abs. 3: Definiert die Möglichkeiten der Abstimmung und senkt die Anforderungen an diese. Die Abstimmung muss in den Grundsätzen einer geheimen Briefwahl nicht gleichstehen und kann sich auf die elektronisch erreichbaren Mitglieder beschränken. Durch die große Anzahl an per EMail erreichbaren Mitgliedern (über 60 Prozent) ist das Ergebnis gleichwohl repräsentativ. Definiert zudem das Neutralitätsgebot und das Unterstützungsgebot der Bundesgeschäftsstelle. • Abs. 4: Bestimmt die Form Mitgliederbefragung. • des Antrags auf Durchführung einer Abs. 5: Beschreibt die nicht rechtlich bindende Wirkung einer Befragung im Gegensatz zum Mitgliederentscheid. • Abs. 6: In einer Verfahrensordnung sind die technischen und organisatorischen Details zu klären. § 21b Mitgliederbegehren Das Mitgliederbegehren ist die Weiterführung der Basisanträge jenseits des Bundesparteitages. Auch zwischen den Bundesparteitagen sollen Mitglieder die Möglichkeit haben, Anträge an den Bundesvorstand zu stellen und eine verbindliche Entscheidung / Antwort zu erhalten. • Abs. 1: Definiert das Quorum Bundesparteitag. • Abs. 2: äquivalent zu den Basisanträgen zum 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 41 Stellt auch hier klar, was von Rechts wegen nicht Gegenstand eines Begehrens sein kann. • Abs. 3: Bestimmt die Form Mitgliederbegehrens. • des Antrags auf Durchführung eines Abs. 4: Definiert das Zeitfenster, in dem sich der Bundesvorstand durch Abgabe eines begründeten Votums mit dem Antrag befassen muss. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 42 Stellungnahmen des Bundessatzungsausschusses zu den Satzungsänderungsanträgen zum 66. Ord. Bundesparteitag der FDP am 15.-17. Mai 2015 in Berlin Satzungsänderungsantrag S003 Der Antrag zur Änderung des § 21 der Bundessatzung beruht auch auf Vorschlägen des Bundessatzungsausschusses. Soweit der Antrag die Kapitelüberschrift und die neuen §§ 21 a, 21 b der Bundessatzung betrifft, beruht der Antrag auf Vorschlägen der AG Parteientwicklung. Der Bundessatzungsausschuss schließt sich der dem Antrag beigefügten Begründung an. Der Bundessatzungsausschuss ist sich bewusst, dass für die § 21 bis § 21 b nach Maßgabe der zu gewinnenden Erfahrungen auch künftig Änderungsbedarf bestehen könnte. Es handelt sich um einen Antrag, der insgesamt abzustimmen ist. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 43 Antrag S004 Betr.: Änderung der Bundessatzung Antragsteller: Landesverband Hamburg Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 Hinter § 26 Absatz 6 Satz 1 wird folgender Satz 2 angefügt: 2 3 4 5 Wird der Parteitag eines Landesverbandes als Mitgliedervollversammlung geführt, bedarf es für Satzungsänderungen einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen gültigen Stimmen und mindestens der Stimmen von zehn Prozent der Mitglieder des Verbandes zum Zeitpunkt der Einladung. Begründung: Das Parteiengesetz sieht in § 8 Abs. 1 Satz 1 im Grundsatz die Mitgliederversammlung als oberstes Organ der Partei und der Gebietsverbände vor. Erst in Satz 2 der Vorschrift ist geregelt, dass in den überörtlichen Verbänden an die Stelle der Mitgliederversammlung eine Vertreterversammlung treten kann. Die Autoren der Bundessatzung haben das System der Vertreterversammlungen zur Grundlage der innerparteilichen Organisation gemacht. § 13 Abs. 9 der Bundessatzung sieht aber die Möglichkeit vor, dass Landesparteitage nicht als Delegiertenversammlung, sondern als Mitgliederversammlungen des Landesverbandes (Mitgliedervollversammlung) gestaltet werden können. Soweit ein Landesverband von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollte, steht ihm die bisherige Regelung des § 26 Abs. 1 der Bundessatzung entgegen. Denn die Regelung in § 26 Abs.1 für Änderungen der Bundessatzung gilt gemäß § 26 Abs. 6 auch für die Änderungen der Landessatzungen durch Landesparteitage. Diese Regelung wiederum gehört gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 zu den grundsätzlichen Bestimmungen der Satzung, die allen Landessatzungen vorgehen. Bei Einführung einer Landesmitgliederversammlung anstelle einer Delegierten- oder Vertreterversammlung wären also nach der gegenwärtigen Satzungslage alle Mitglieder des Landesverbandes stimmberechtigt. Von diesen müssten für eine Satzungsänderung mindestens die Hälfte teilnehmen. Da aber erfahrungsgemäß zu einer Landesmitgliederversammlung nur ein Teil der Mitglieder erscheint, wären Satzungsänderungen in Zukunft praktisch unmöglich. Die von Hamburg vorgeschlagene Lösung, die erforderliche Mehrheit an die Zahl der Teilnehmer der Versammlung zu knüpfen, wurde vom Bundessatzungsausschuss als nicht praktikabel befunden. Stattdessen wurde empfohlen, eine Änderung im o. g. Sinne vorzunehmen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 44 Durch die Ergänzung des § 26 Abs. 6 wird die Möglichkeit von Satzungsänderungen bei Bestehen einer Vollmitgliederversammlung geregelt, sodass die Bundessatzung der Einführung einer Mitgliedervollversammlung in einem Landesverband nicht mehr entgegensteht. Auf den Bundesparteitag hat die Regelung keinen Einfluss. Der bisherige Satz 2 in § 26 Abs. 6 wird Satz 3. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 45 Stellungnahmen des Bundessatzungsausschusses zu den Satzungsänderungsanträgen zum 66. Ord. Bundesparteitag der FDP am 15.-17. Mai 2015 in Berlin Satzungsänderungsantrag S004 § 26 Abs. 6 der Bundessatzung regelt Änderungen der Landessatzungen. Die bisherige Fassung passt nicht mehr für den Landesverband Hamburg, da dieser in zulässiger Weise den Landesparteitag durch die Landesmitgliederversammlung ersetzt hat. Die vorgeschlagene Änderung passt die Regelung der neuen Lage in Hamburg an. Dabei soll der bisherige Satz 2 des Abs. 6 aufrecht bleiben. Redaktionell sollte „angefügt“ in „eingefügt“ geändert werden. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 46 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 47 Antrag S005 Betr.: Änderung der Bundessatzung Antragsteller: Alexandra Bruns (LV Schleswig-Holstein), Alexander Müller (LV Hessen), Ralph Lorenz (LV Nordrhein-Westfalen), Jacqueline Krüger (LV Brandenburg), Kai Gleißner (LV Sachsen-Anhalt) und mehr als 250 FDP-Mitglieder Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 1. Die Bundessatzung wird wie folgt geändert: 2 § 13 Abs. 1 Satz 1 erhält folgende Fassung: 3 4 5 Grundsätzlich darf jedes Mitglied der Partei am Bundesparteitag teilnehmen und hat dann ein Rederecht, wenn 30 Parteimitglieder dies unterstützen oder auf Antrag und Beschluss des Parteitages. 6 2. Die Geschäftsordnung zur Bundessatzung wird wie folgt geändert: 7 § 11 Abs. 1 Nr. 14 erhält folgende Fassung: 8 9 10 von 100 Mitgliedern. Die Antragsteller benennen ein Mitglied zum Vertreter des Antrages vor dem Bundesparteitag. Dieser Vertreter wird den Antrag auf dem Bundesparteitag vorstellen und begründen. Begründung: Die FDP soll zur modernsten Mitmachpartei in Deutschland werden. Die genannten Änderungen sind das Mindestmaß an Beteiligung innerhalb einer Mitmachpartei. Wir Basismitglieder nehmen die Verantwortung, unsere Kompetenz, Kraft und Kreativität in die FDP einzubringen gerne wahr. Ein Engagement scheint aber besonders dann Erfolg versprechend, wenn wir gehört werden und mittels Anträgen unsere Arbeit auch vorstellen dürfen. Generalsekretärin Nicola Beer sagte: „Eine Mitmachpartei lebt vom Mitmachen.“ 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 48 Änderungsantrag zu Antrag Nr. S005 66. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei Berlin, 15. - 17. Mai 2015 Antragstitel: Änderung der Bundessatzung Status: Angenommen Übernommen Abgelehnt Nicht beraten Angenommen in geänderter Fassung Zurückgezogen Überwiesen Teilweise übernommen Erledigt Nr. 0001 - Ersetzung Zeile 2 bis 5 von "§ 13 Abs. 1 Satz 1 erhält" ... bis "Beschluss des Parteitages." Antragsteller: 1 2 3 4 5 Christoph Dammermann (LV Nordrhein-Westfalen) § 13 (1) Satz 1 behält die Fassung „Grundsätzlich darf jedes Mitglied der Partei am Bundesparteitag teilnehmen." § 13 (1) Satz 2 wird um einen Punkt 13. ergänzt: „13. alle Parteimitglieder, deren Rederecht von dreißig Parteimitgliedern unterstützt wird.“ Begründung: Der eingereichte Antragstext ist rechtlich nicht hinreichend klar und reiht sich nicht in die Satzungssystematik. Mit dieser Änderung soll das erstrebte Ergebnis (Rederecht bei Unterstützung durch 30 Parteimitglieder) ermöglicht werden. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 49 Änderungsantrag zu Antrag Nr. S005 66. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei Berlin, 15. - 17. Mai 2015 Antragstitel: Änderung der Bundessatzung Status: Angenommen Übernommen Abgelehnt Nicht beraten Angenommen in geänderter Fassung Zurückgezogen Überwiesen Teilweise übernommen Erledigt Nr. 0002 - Ersetzung Zeile 2 bis 5 § 13 Abs. 1 Satz 1 erhält folgende Fassung: Grundsätzlich darf jedes Mitglied der Partei am Bundesparteitag teilnehmen und hat dann ein Rederecht, wenn 30 Parteimitglieder dies unterstützen oder auf Antrag und Beschluss des Parteitages. Antragsteller: 1 2 Alexander Müller, Gerhard-Johannes Drexler, Christel HappachKasan, Britta Reimers, Friedrich Bullinger und weitere Delegierte Im § 13 Absatz (1) soll ein neuer Spiegelstrich Nr. 13 eingeführt werden: 13. die Mitglieder, die 30 Parteimitglieder als Unterstützer für ein Rederecht nachweisen können. Begründung: Diese Formulierung bringt die gleiche Intention noch präziser zum Ausdruck, und heilt eine möglicherweise unklare Formulierung in §13 Absatz 1 durch eine auch im RahmenKontext eindeutige Formulierung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 50 Änderungsantrag zu Antrag Nr. S005 66. Ord. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei Berlin, 15. - 17. Mai 2015 Antragstitel: Änderung der Bundessatzung Status: Angenommen Übernommen Abgelehnt Nicht beraten Angenommen in geänderter Fassung Zurückgezogen Überwiesen Teilweise übernommen Erledigt Nr. 0003 - Ersetzung Zeile 7 bis 10 2. Die Geschäftsordnung zur Bundessatzung wird wie folgt geändert: § 11 Abs. 1 Nr. 14 erhält folgende Fassung: von 100 Mitgliedern. Die Antragsteller benennen ein Mitglied zum Vertreter des Antrages vor dem Bundesparteitag. Dieser Vertreter wird den Antrag auf dem Bundesparteitag vorstellen und begründen. Antragsteller: Alexander Müller, Gerhard-Johannes Drexler, Christel HappachKasan, Britta Reimers, Friedrich Bullinger und weitere Delegierte 1 § 11 Abs. (1): 2 Ersetze unter Spiegelstrich Nr. 14 die Zahl 250 durch die Zahl 100. Begründung: Die Änderung der Geschäftsordnung beschränkt sich nun auf die reine Zahl, da eine Umformulierung des Textes in Spiegelstriches 14 mit der effektiv gleichen Aussage wie in der Bestandsfassung nicht nötig ist. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 51 Stellungnahmen des Bundessatzungsausschusses zu den Satzungsänderungsanträgen zum 66. Ord. Bundesparteitag der FDP am 15.-17. Mai 2015 in Berlin Satzungsänderungsantrag S 005 Der Bundessatzungsausschuss ist der Ansicht, dass es sich um zwei verschiedene Anträge handelt, die getrennt abzustimmen sind. Zu 1. Der Antrag ist unzulässig, weil sein Inhalt im Widerspruch zu dem folgenden Satz steht, der nicht geändert werden soll, und deshalb nicht zu praktizieren ist. Zu 2. Der Antrag ist zulässig. Redaktionell sollte im Satz 2 das Wort „wird“ durch „darf“ ersetzt werden. Stellungnahmen des Bundessatzungsausschusses zu den Änderungsanträgen zu den Satzungsänderungsanträgen zum 66. Ord. Bundesparteitag der FDP am 15.-17. Mai 2015 in Berlin zu Antrag S005 (Änderungsanträge 0001, 0002): Stellungnahme zu den Änderungsanträgen von Alexander Müller u.a. und von Christoph Dammermann zu Antrag S005 Zur Änderung des § 13 Abs. 1 Satz 1 der Bundessatzung: Beide Änderungsanträge lassen den bisherigen § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Bundessatzung unverändert. Diese lauten: Grundsätzlich darf jedes Mitglied der Partei am Bundesparteitag teilnehmen. Rederecht haben unbeschadet des § 25 (Zulassung von Gästen) nur die stimmberechtigten Delegierten und 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 52 (1.-12. …) 13. Alexander Müller u.a.: die Mitglieder, die 30 Parteimitglieder als Unterstützer für ein Rederecht nachweisen können. oder Christoph Dammermann: alle Parteimitglieder, deren Rederecht von 30 Parteimitgliedern unterstützt wird. Damit wird in beiden Änderungsanträgen das Begehren, dass ein Parteimitglied, das von 30 Parteimitgliedern unterstützt wird, Rederecht hat, in zulässiger Weise in den § 13 Abs. 1 der Bundessatzung integriert. Die Anträge sind alternativ zu behandeln. zu Antrag S005 (Änderungsantrag 0003): Stellungnahme zu den Änderungsanträgen von Alexander Müller u.a. zu Antrag S005 Zur Änderung des § 11 Abs. 1 Nr. 14 der Geschäftsordnung zur Bundessatzung: Der Änderungsantrag vermeidet unnötige Textänderungen und beschränkt sich auf die Änderung der Zahl 250 in 100. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 53 Antrag 100 Betr.: Abschaffung des Konzepts „Schreiben wie man spricht“ Antragsteller: Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 Die FDP setzt sich dafür ein, dass das in vielen Grundschulen nahezu aller Bundesländer verbreitete Konzept „Schreiben wie man spricht“ abgeschafft und durch eine Methode ersetzt wird, die die korrekte Rechtschreibung an den Anfang des Schreib-Lern-Prozesses setzt. Begründung: Viele Lehrer weiterführender Schulen beobachten seit Jahren eine rapide zurückgehende Fähigkeit von Schülern, Wörter normgerecht zu verschriftlichen. Dieselben Beobachtungen machen Eltern, Ausbilder in den Betrieben und die Lehrenden an den Universitäten. Diese Erfahrungen aus der Praxis werden von einer Untersuchung der Universität Siegen über die Fehlerhäufigkeit von Grundschülern gestützt: In ihr wird festgestellt, dass Viertklässlern 1972 auf 100 geschriebene Wörter 7 Fehler, im Jahre 2002 aber bereits 13 Fehler unterliefen. Heute dürften diese Werte noch deutlich höher ausfallen. Eine wesentliche Ursache hierfür wird in der seit vielen Jahren in Grundschulen aller Bundesländer sich ausbreitenden Praxis gesehen, Kinder zunächst dazu zu ermutigen, so zu schreiben, wie sie sprechen (z.B. fata, muta) und auch Eltern davon abzuraten, ihre Kinder zu korrigieren. Die Schüler eignen sich also (nach der sog. Reichen-Methode) zunächst eine nicht normgerechte Schreibweise an, die dann in den kommenden Jahren mühsam zu korrigieren versucht wird. Dieses Verfahren, jemanden zunächst etwas falsch lernen zu lassen, um ihn dann in einem zweiten Schritt mühsam zum Umlernen zu bewegen, widerspricht jeglicher anerkannten Lerntheorie. Es gilt für den Unterricht sogar der Grundsatz, nie etwas Falsches zu vermitteln (z.B. Tafelanschrieb). Wenn man von den unterschiedlichen Lerntypen bei Schülerinnen und Schülern ausgeht, so erschwert diese Methode den Kindern das Lernen. Sogenannten Hörtypen kommt man mit dieser Methode nicht entgegen, da es nur wenige Wörter gibt, die genauso geschrieben wie gesprochen werden. Den Lernerfolg derjenigen, die über die optische Wahrnehmung in Lernprozessen unterstützt werden, konterkariert man offenkundig vollständig. Des 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 54 Weiteren widerspricht diese Methode dem Bestreben der Kinder, Lernerfolge und Fortschritte erzielen zu wollen. Diese Vorgehensweise verzögert den Schreib-Lern-Prozess des normgerechten Schreibens völlig unnötig, demotiviert und unterfordert. Zudem benachteiligt diese Methode insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Elternhäusern. Weiter gefährdet diese Vorgehensweise auch die Motivation vieler Kinder, die aus dem Elternhaus eine normgerechte Schreibweise vermittelt bekommen und hindert sie durch den Aufbau völlig unnötiger künstlicher Lernbarrieren am effizienten Lernen und Weiterlernen. Diese Methode des Schriftspracherwerbs ist in keiner Weise wissenschaftlich untersucht, sie verschwendet kostbare Lernzeit, demotiviert Kinder und Eltern (Verbot der Elternhilfe) und ist insbesondere nach der Grundschule ein schwerwiegendes Hindernis für den Erfolg auf weiterführenden Schulen, in Studium und beruflicher Aus- und Weiterbildung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 55 Antrag 101 Betr.: Rechtschreibung nach Regeln ab der 1. Klasse Antragsteller: Bundesvorstand Liberale Frauen Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 Die FDP setzt sich dafür ein, dass 2 3 1. regelgetreues Schreiben ab der 1. Klasse beibehalten bzw. wieder eingeführt wird. 4 5 2. ein Ländervergleich bung) durchgeführt wird. 6 7 3. dass eine Studie über die Auswirkungen der Lernmethode "Schreiben nach Gehör" in Auftrag gegeben wird. 8 9 10 11 12 13 14 Alle Bundesländer haben vor ca. zehn Jahren das "Schreiben nach Gehör" im Anfangsunterricht der Grundschulen eingeführt. Das bedeutet, dass die Kinder in den ersten zwei, manchmal in den ersten drei Jahren der Grundschule so schreiben dürfen, wie sie es vom Laut der Worte her für richtig halten. Eltern sollen ihre Kinder nicht korrigieren, da sie ansonsten ihre Motivation verlieren würden. Wenn Drittklässler immer noch schreiben "Ich wil spilen." oder "Du kanst gut net sein." dann ist das bedenklich. für die Grundschulen, incl. Orthographie (Rechtschrei- Begründung: So wurden in Mecklenburg-Vorpommern auf eine Anfrage im Landtag hin die Ergebnisse der Vergleichsarbeiten der dritten Klassen veröffentlicht. 37 Prozent der Kinder verfehlten den Mindeststandard der Kultusministerkonferenz in der Rechtschreibung. Die Fähigkeit von weiteren 26 Prozent lag knapp darüber. Nur gerade ein Drittel beherrschte die Rechtschreibung passabel. In weiterführenden Schulen haben etwa ein Drittel der Kinder eine LeseRechtschreibschwäche. Zu überprüfen ist, ob das wirklich eine Krankheit ist oder ob das nicht mit der entsprechenden Lernmethode "Schreiben nach Gehör" zusammenhängt. Lernen nach Gehör behindert den individuellen Bildungsfortschritt. So gibt es Empfehlungen an Eltern, ihren Kindern zu Hause die richtige Rechtschreibung beizubringen, also das nach zu holen, was Schule versäumt hat. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 56 Lernen nach Gehör verstärkt soziale Ungerechtigkeit. Eltern, zumeist die Mütter planen nachmittags Zeit ein für nachmittägliche Rechtschreibübungen. Kinder von bildungsfernen Familien oder Migranten sind benachteiligt, weil keiner mit ihnen üben kann. So wird soziale Ungerechtigkeit fest geklopft und nicht beseitigt. Um diesem Missstand entgegen zu treten, fordert die FDP: 1. Regelgetreues Schreiben ab der 1. Klasse 2. Einen Ländervergleich für die Grundschulen, incl. Orthographie (Rechtschreibung) Eine Studie über die Auswirkungen der Lernmethode "Schreiben nach Gehör". 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 57 Antrag 102 Betr.: Erlernen einer lesbaren Schreibschrift Antragsteller: Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 Den Schülern ist in der Grundschule von Beginn an eine klar lesbare Schreibschrift zu vermitteln und auf deren Einhaltung zu achten. Orientierung kann die Lateinische Ausgangsschrift bieten. Begründung: Die Einführung der vereinfachten Ausgangsschrift oder Druckschriften in Verbindung mit der Maßgabe, dass in der Grundschule nicht mehr auf Handschrift, Schreibhaltung und Federführung (Haltung des Schreibgeräts) geachtet werden solle, hat zu sogenannten individuellen Handschriften geführt, die häufig nicht einmal mehr von den sie schreibenden Individuen gelesen werden können. Der Sinn einer Schrift, nämlich damit anderen etwas mitzuteilen, droht für viele Schüler (und später dann Erwachsene) damit weitgehend verloren zu gehen. Diese dann insbesondere bei Jungen zu beobachtenden unleserlichen Handschriften benachteiligen Schüler in weiterführenden Schulen und darüber hinaus im Berufsleben erheblich, zumal eine unleserliche Handschrift nicht nur dem Adressaten Probleme bereitet, sondern die jungen Menschen selbst auch daran hindert, erfolgreich in Beruf und Studium weiter zu lernen, wenn eigene Aufzeichnungen nicht mehr gelesen und verstanden werden können. Zur Erreichung eines gut leserlichen Schriftbildes ist Übung, Hilfe und Korrektur bei der Schreibtechnik unerlässlich. Die eigentliche Selbstverständlichkeit dieser Anforderung lässt sich durch den Vergleich mit anderen Sprachen, die sich verstärkt an einem Schriftbild orientieren und bei denen letztlich bis auf die Neigung eines Striches die Formgebung festgelegt ist, verdeutlichen.Lesbarkeit, Chancengleichheit und Bildungsqualität können nur dann entstehen, wenn die Vereinfachte Ausgangsschrift und alle anderen Druckschriften (z.B. Grundschrift) in einigen Buchstaben wieder der lateinischen Ausgangsschrift angeglichen werden und bei Fließtexten anstatt einer modifizierten Druck- oder Grundschrift wieder eine Schreibschrift verwendet wird. Die Einführung und produktive Nutzung eines Tablets kann eine sinnvolle Erweiterung von Kompetenzen darstellen, allerdings sollte der Einsatz erst nach dem Schreib-Lern- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 58 Prozess einsetzten und keinesfalls den Eindruck erwecken, die Fingerfertigkeit auf der Tastatur (Beherrschung des Displays) könne die manuelle Schreibfähigkeit ersetzen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 59 Antrag 103 Betr.: Schulfinanzierung nach der Schülerzahl Antragsteller: Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 Wir Freien Demokraten fordern für Schülerinnen und Schüler an Schulen in freier Trägerschaft die Zuweisung derselben Gelder pro Schüler wie für staatliche Schulen des entsprechenden Schultyps: Geld folgt Schüler! Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 60 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 61 Antrag 104 Betr.: Das Studium auch sprachlich internationalisieren! Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Hochschulgruppen Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 1. Leitbild: internationales Studium 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Für uns Freie Demokraten ist die internationale Ausrichtung des Studiums ein Leitbild. Für uns ist die Outgoing-Mobilität von in Deutschland Studierenden ebenso selbstverständlich wie die Ingoing-Mobilität, d.h. dass im Ausland Studierende einen Studienaufenthalt in Deutschland absolvieren. Unserer Ansicht nach erweitert eine jede Auslandserfahrung den akademischen wie kulturellen Horizont und fördert Selbstständigkeit, interkulturelle Kompetenz sowie die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, während Studierende gleichzeitig Botschafter im Kleinen für ihr Land sein können. Wir lehnen zwar verpflichtende Auslandssemester ab – jeder Studierende soll nach seinen eigenen Bedürfnissen studieren. Aber wir begrüßen alle Maßnahmen, die einen Auslandsaufenthalt – sei es als Praktikum, Austauschsemester oder grundständiges Studium – fördern, so etwa die verbesserte Anrechenbarkeit von Studienleistungen sowie harmonisierte Semesteranfangszeiten, für die wir uns schon seit langem einsetzen. 15 2. Universitäten müssen mit dem internationalen Leitbild Schritt halten 16 17 18 19 Die Freien Demokraten sprechen sich aber nicht nur für ein in äußeren Strukturen internationales Studium aus. Vielmehr müssen sich auch hinsichtlich der inneren Strukturen, was Verwaltungsabläufe sowie Curriculumsgestaltung angeht, die Hochschulen in Deutschland den Bedürfnissen der Studierenden anpassen. 20 a) Verwaltungsabläufe 21 22 23 24 25 26 27 28 29 In manchen Studiengängen fühlt sich niemand in der Verwaltung zuständig für die Ausstellung eines englischsprachigen „Transcript of Records“ und/oder einer Rankingbescheinigung und Studierende werden von einem vermeintlichen Ansprechpartner zum nächsten geschickt. Hier muss die Universitätsverwaltung auf die Bedürfnisse der Studierenden serviceorientiert eingehen. Die International Offices vieler Hochschulen sind chronisch unterbesetzt; es müssen mehr Mittel und Stellen bereitgestellt werden. Kooperationen mit ausländischen Hochschulen sollten auf Universitäts-, Fakultäts- und Lehrstuhlebene ausgebaut werden. Von ministerieller Seite sind best-practice-Beispiele klar zu kommunizieren. 30 b) Unterrichtssprachen 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 62 31 32 33 34 35 Außerdem sollen mehr Lehrveranstaltungen in der Forschungssprache oder „Zielsprache“ des vermittelten Fachs angeboten werden. Dabei sprechen wir uns nicht einseitig für ein größeres Angebot an englischen Lehrveranstaltungen (außerhalb von Sprachkursen) aus, sondern stellen die Bedürfnisse des jeweiligen Fachs ganz oben an. 36 37 38 39 Für uns gibt es aber kein Patentrezept – in manchen Fächern, in denen die Forschungssprache Englisch ist, wären durchaus Grundlagen- und Methodenveranstaltungen auf Englisch bereichernd, während in anderen Fächergruppen dies nur eingeschränkt gilt. 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 Viele englische Fortgeschrittenen-Sprachkurse im Sprachenzentrum neigen auch bei fachspezifischer Ausrichtung dazu, weitgehend entkoppelt vom Inhalt viel Wert lediglich auf Lexik und Grammatik zu legen. Wir halten es dagegen für vorzugswürdig, wenn sich die Sprachenzentren auf Fremdsprachen außerhalb Englisch konzentrieren, während Englisch zur selbstverständlichen Unterrichtssprache in Vorlesungen und Übungen avancieren sollte, soweit dies der jeweiligen Fächerkultur entspricht. Dementsprechend sollen in diesen Fächern Klausuren und Abschlussarbeiten auf Englisch zum selbstverständlichen Repertoire gehören. Die größere Bedeutung von Englisch als Lehrsprache hat den Sinn und Zweck, Studierende auf ein internationales Forschungs- und Arbeitsumfeld vorzubereiten sowie eine größere Zugänglichkeit von Studiengängen in Deutschland durch Bildungsausländer zu gewährleisten, wobei insgesamt Mindestanforderungen an die Beherrschung der deutschen Sprache stets gewahrt bleiben müssen. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 63 Antrag 105 Betr.: Exzellenzinitiative in der Lehre Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Hochschulgruppen Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 Wir Freie Demokraten stehen der bestehenden Exzellenzinitiative für die Forschung positiv gegenüber und sprechen uns für deren Fortführung über das Jahr 2017 hinaus aus. 4 5 6 Dennoch teilen wir die Kritik, dass die Gelder des Förderprogrammes den Studierenden einer ausgezeichneten Hochschule gar nicht oder nur sehr indirekt zugutekommen. 7 8 9 10 11 Die auf Bundesebene existierende Exzellenzinitiative fördert Forschungsprogramme mit denen sich die Universitäten beworben haben. Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass auch exzellente Lehre gefördert wird. Daher fordern wir eine Exzellenzinitiative für die Lehre, auch um Impulse für eine neue Lehrkultur zu schaffen. 12 13 14 15 Aus unserer Sicht muss diese in zwei Komponenten eingeteilt sein. Einerseits muss bereits bestehende qualitativ hochwertige Lehre belohnt werden. Andererseits müssen Hochschulen, welche sich mit neuen Konzepten um bessere Lehre bemühen, gefördert werden. 16 Belohnung qualitativ hochwertiger Lehre: 17 18 19 20 Wir sind uns einig, dass kein Messwert alleine eine zuverlässige Aussage über die Qualität der Lehre zulässt. Daher forcieren wir einen Mix aus Parametern, welche in der Bewertung einer Bewerbung unterschiedlich gewichtet werden sollen. 21 22 23 Dieser Mix soll aus Evaluationen der aktuellen Studierenden, der Befragung von Absolventen, des beruflichen Erfolgs der Absolventen sowie der Raumauslastung und dem Betreuungsverhältnis bestehen. 24 25 26 27 Einige dieser Werte (Raumauslastung, Evaluationsergebnisse, Betreuungsrelation) werden bereits erhoben. Bei den anderen Parametern rufen wir alle Beteiligten, von Bundesregierung bis Hochschulverwaltung auf, innovative Konzepte zu entwickeln. 28 Förderung von Konzepten zur Verbesserung der Lehre: 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 64 29 30 Um Hochschulen zu besserer Lehre zu motivieren, sprechen wir uns für ein Programm aus, welches Konzepte der Hochschulen finanziell fördert. 31 32 33 34 Hierbei sollen die Hochschulen ihre Konzepte zur Verbesserung der Lehre einbringen. Im Rahmen eines Wettbewerbes entscheidet eine Jury aus Vertretern des Wissenschaftsrates und dem Centrum für Hochschulentwicklung über die Konzepte. 35 36 Die Jury soll sich aus nationalen sowie aus internationalen Persönlichkeiten der Lehre zusammensetzen. 37 Exzellenzinitiative langfristig denken: 38 39 40 Die periodische Förderung ist grundsätzlich ein guter Anreiz, die bestehende Qualität von Forschung und Lehre an den Universitäten zu halten und neue Konzepte und Erfolge zu prämieren. 41 42 43 44 Der Wegfall der Förderung nach fünf Jahren – wie bei der Exzellenzinitiative zur Förderung der Wissenschaft und der Forschung üblich - stellt eine Universität jedoch vor einige Planungsschwierigkeiten und droht Erreichtes der vergangenen Förderperiode zu vernichten. 45 46 47 Deshalb soll die Exzellenz einer Universität nach jeweils drei Jahren evaluiert werden, um ggf. Nachbesserungen am Konzept vornehmen zu können. Die Förderperiode beträgt zehn Jahre. 48 49 50 51 Für eine erfolgreiche dauerhafte Implementation einer Exzellenzinitiative Lehre soll Voraussetzung für eine Bewilligung der Gelder sein, dass Verstetigungszusagen für die Zukunftskonzepte von Seiten des jeweiligen Landes und der jeweiligen Universität vorliegen. 52 53 Sollte der Artikel 91b GG geändert werden, kann auch der Bund für solch eine Verstetigung eintreten. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 65 Antrag 106 Betr.: Alphaplan gegen Analphabetismus Antragsteller: Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 Die Freien Demokraten setzen sich für ein konzertiertes Vorgehen im Kampf gegen den Analphabetismus ein. In diesem Zusammenhang stellen wir folgende Forderungen: • • • • • • • • Die Entwicklung eines „Alphaplans“ im Sinne eines Masterplans Alphabetisierung für die Bundesrepublik Deutschland. Bund, Länder, Kommunen, Verbände, Organisationen und die Wirtschaft stehen hier in einer gemeinsamen gesellschaftspolitischen Verantwortung, um die hohe Zahl von 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten zu reduzieren. Die bestehende Qualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung“ zwischen Bund und Ländern um eine „Alpha-Initiative“ für die Bundesrepublik Deutschland zu erweitern und so konkrete Schritte in den gemeinsamen Verabredungen zu verankern, wie funktionaler Analphabetismus frühzeitig erkannt und von der Kindertagesstätte an begegnet werden kann. Die Einrichtung eines „Alphabüros“ als Koordinierungsstelle für alle Maßnahmen, die in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, vorzugsweise angesiedelt bei der KMK. Das Thema Analphabetismus in Deutschland endlich ins Zentrum der bildungspolitischen Debatte zu stellen. Die KMK muss sich dieser Aufgabe annehmen und alle Maßnahmen der Bundesländer darstellen, kritisch überprüfen und neu ausrichten. Im Rahmen der „Initiative zur Stärkung der Exzellenz in der Lehrerausbildung“ ein besonderes Augenmerk auf die Qualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern zum frühzeitigen Erkennen von Symptomen des Analphabetismus zu legen. Im Rahmen der Lokalen Bildungsbündnisse der Frage der Alphabetisierung einen wichtigen Stellenwert zukommen zu lassen. Nur in der Vernetzung vor Ort zwischen allen schulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen können Maßnahmen frühzeitig greifen. Eine Kampagne zur Gewinnung von „Alphapaten“, die sich ehrenamtlich für Alphabetisierung engagieren möchten und die in enger Kooperation mit den regionalen Wirtschaftsorganisationen stattfinden muss. Die Einrichtung einer „Alpha-Stiftung“ für die Bundesrepublik Deutschland, um hier alle Beteiligten zu einem gemeinsamen Engagement zu motivieren 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 66 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 • • • • • • • • • und verstärkt innovative Maßnahmen zur Enttabuisierung und zur Förderung auf den Weg zu bringen. Eine Länder-Folgestudie zur LEO-Level-One Studie, die genau aufschlüsselt, wie die jeweilige Situation in den Bundesländern ist, um so auch deutlich zu machen, welcher unterschiedliche Handlungsbedarf in welchen Ländern notwendig ist. In diesem Zusammenhang eine umfassende Aufklärungskampagne gerade auch für die sogenannten „Mitwisser“ zu starten. Jeder muss sensibilisiert werden wie wichtig es ist, hilfreich zur Seite zu stehen, statt einfach wegzuschauen. Den funktionalen Analphabetismus im Rahmen des Nationalen Bildungsberichts einen eigenen Schwerpunkt zu geben. Einen „Alphakongress“ im Jahr 2016 durchzuführen, bei dem die Grundlagen für eine eigene Nationale Alphabetisierungs- und Grundbildungsdekade gelegt werden und internationale Erfahrungen miteinbezogen werden. Die Weitung der Nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung durch Verbände der Wirtschaft und Gewerkschaften, um so umfassende Grundlagen für arbeitsplatzorientierte Maßnahmen legen zu können. Der Frage der Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland auch im politischen Bereich Rechnung zu tragen. Deshalb fordern wir einen „Alphabeauftragten“ der Bundesregierung und in gleicher Weise „Landesbeauftragte“ der Landesregierungen. Die Öffentlichkeit durch die Medien kontinuierlich über das Themenfeld Alphabetisierung zu informieren, um so zur Entstigmatisierung beizutragen und zugleich die Betroffenen und ihre Vertrauenspersonen auf bestehende Hilfsangebote aufmerksam zu machen. Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener erfordern ein möglichst flächendeckendes und nachfragegerechtes Angebot an Alphabetisierungs- und Grundbildungskursen in Weiterbildungseinrichtungen. Im Bereich der Prävention von funktionalem Analphabetismus sicherzustellen, dass es frühzeitige Sprachstandsdiagnosen und Förderangebote schon in den Kindertagesstätten gibt. Eine enge Verzahnung der Arbeit von „Nationale Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener“ und der „Allianz für Bildung“, damit keine Maßnahmen parallel stattfinden. Begründung: Mit der Veröffentlichung der LEO-Level-One-Studie wurde bekannt, dass es in Deutschland die erschreckend hohe Zahl von 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten gibt. Funktionaler Analphabetismus ist in Deutschland also kein Nischen-, kein Randproblem, sondern mitten in der Gesellschaft verwurzelt. Hier muss eine gewaltige Kraftanstrengung zur Bekämpfung dieses Problems geleistet werden, der sich die gesamte Gesellschaft stellen muss. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 67 Maßnahmen müssen bereits präventiv im frühkindlichen Bereich ansetzen, um Analphabetismus erfolgreich verhindern zu können. Die Frage der Alphabetisierung und Grundbildung ist eine Frage von Bildungsgerechtigkeit und Bildungschancen, die wir Liberalen in den Vordergrund bildungspolitischer Debatte stellen müssen. Die Freien Demokraten kümmern sich um die Sorgen der Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können, und setzen diese in konkrete Bildungspolitik um. Auch die vernünftige Verknüpfung von Maßnahmen aus dem Bereich der Alphabetisierung mit anderen bildungspolitischen Maßnahmen ist ein wirkungsvolles Mittel, um die Zahl der Analphabeten einzudämmen. Eines der größten Hemmnisse beim Kampf gegen den Analphabetismus ist die Angst der Betroffenen, mit ihrem Problem an die Öffentlichkeit zu gehen und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Daher muss die Gesellschaft noch mehr für dieses Thema sensibilisiert werden. Nur wenn alle hier an einem Strang ziehen, kann diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe bewältigt werden. Die Freien Demokraten setzen sich dafür ein, dass wir ein gesellschaftspolitisches Klima schaffen müssen, in dem Analphabetismus enttabuisiert und alle gesellschaftlichen Institutionen dafür sensibilisiert werden. Es ist keine Schande nicht richtig lesen und schreiben zu können. Es ist aber eine Schande, wenn wir als Gesellschaft zulassen, dass Menschen dies verbergen, weil sie sich schämen. Die Freien Demokraten haben noch in Regierungsverantwortung wichtige Projekte mit auf den Weg gebracht: • • • • • • • • Das Programm „Lesestart“ mit einer Finanzierung von 20 Millionen Euro, bei dem in den kommenden acht Jahren 4,5 Millionen Lesestart-Sets verteilt werden. Die „Offensive Frühe Chance“ für 4.000 Schwerpunkt-Kindertagesstätten. Das Programm zur arbeitsplatzorientierten Forschung und Entwicklung für Grundbildung, das mit 20 Millionen Euro ausgestattet wurde. Die weitere Aktivierung von Mitteln für Alphabetisierung und Grundbildung aus dem Europäischen Sozialfond in Höhe von 35 Millionen Euro. Die Förderung von 24 Verbundvorhaben mit über 100 Einzelmaßnahmen mit einer Gesamtfördersumme von über 30 Millionen Euro. Die Öffnung der Bildungsprämie für Maßnahmen der Alphabetisierung und Grundbildung, bei der seit deren Verdreifachung von 150 auf 500 Euro statt 7.000 Prämien im Jahr 2009 inzwischen 180.000 Prämien ausgegeben wurden. Die Einrichtung der „Nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener“. Die Initiative „Lesen und Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt“, die mit fünf Millionen Euro ausgestattet ist, die die FDP in den Haushaltsberatungen durchgesetzt hat. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 68 • Die Fortführung der Initiative „iChance“. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 69 Antrag 107 Betr.: Absolventenbonus Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Mittelstand Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 7 8 Wir fordern die Einführung eines bundesfinanzierten Absolventenbonus. Die Hochschulen sollen direkt einen finanziellen Bonus für jeden erfolgreichen Studienabschluss aus den Bundesmitteln, die im Rahmen des Hochschulpakts 2020 an die Länder fließen, erhalten. Dadurch werden unmittelbare Anreize gesetzt, Mittel in die Verringerung der Abbrecherquote zu investieren – vor allem durch eine Verbesserung der Betreuung und der Studienberatung. Nach Auslaufen des Hochschulpakts ist die Finanzierung des Absolventenbonus durch den Bund zu verstetigen. Begründung: Durch den Hochschulpakt 2020 werden die Bundesländer finanziell dabei unterstützt, wenn sie Studienplätze schaffen. Für jeden zusätzlichen Studienplatz erhält ein Land derzeit 13.000 Euro vom Bund. Die östlichen Bundesländer sowie die Stadtstaaten erhalten Bundesmittel sogar nur dafür, dass sie ihre bestehenden Kapazitäten weiterhin vorhalten und nicht abbauen. Bisher setzte der Hochschulpakt Fehlanreize, indem die Gewährung der Bundesmittel allein von der Aufnahme, nicht hingegen vom erfolgreichen Abschluss eines Studiums abhing. Ein Land erhält also auch dann den vollen Förderbetrag, wenn der Student sein Studium abbricht oder in ein anderes Bundesland wechselt. In der dritten Phase des Hochschulpakts soll diese Fehlsteuerung dadurch behoben werden, dass die Länder ab 2016 zehn Prozent der Bund- und Landesmittel aus dem Pakt für Maßnahmen zur Senkung des Studienabbruchs einsetzen. Die Mittel, die vom Bund in den Pakt fließen, sollen zum Teil oder ganz nicht erst an die Länder, sondern direkt an die Hochschulen in Form eines Absolventenbonus gehen. Dies würde einen unmittelbaren Anreiz für die Hochschulen setzen, durch eine bessere Beratung und Betreuung der Studenten Studienabbrüche und -verzögerungen zu reduzieren. Aufgrund des Wettbewerbs, in dem die Hochschulen auch vor dem Hintergrund des demographischen Wandels stehen, wird dies nicht zur einer Absenkung der Anforderungen im Studium, sondern zu einer besseren Qualität der Betreuung führen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 70 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 71 Antrag 200 Betr.: Impuls für eine neue Gründerzeit Antragsteller: Landesverband Bremen Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Damit Deutschland eine Zukunft hat, brauchen wir eine neue Gründerzeit. Gründerinnen und Gründer schaffen Zukunft. Sie schaffen Arbeitsplätze für sich selbst und andere. Neue Unternehmen mit neuen Ideen stärken den Wettbewerb um die besten Produkte und die besten Dienstleistungen. Sie sorgen für ein vielfältiges Angebot und Fortschritt. Innovation sorgt für Dynamik in der gesamten Wirtschaft. Das eröffnet Chancen für die Menschen – von der Verwirklichung der eigenen Ziele bis hin zu zukunftssicheren Arbeitsplätzen für sich und andere. Ohne neue Ideen und Unternehmen kann unser Land langfristig weder seine internationale Wettbewerbsfähigkeit noch seinen Wohlstand halten. Doch ausgerechnet Deutschland bleibt bei der Gründungskultur erheblich hinter anderen vergleichbaren Staaten wie den USA, Kanada, Israel oder den Niederlanden zurück. Deshalb brauchen wir eine neue Gründerkultur! Mutige Menschen, die für ihre Ideen brennen, müssen unterstützt und nicht gebremst werden. Die Gesellschaft muss sie ermutigen, mit ihren Ideen den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Das wollen wir Freien Demokraten ändern, indem wir wirtschaftliches Grundwissen schon in der Schule stärken, guten Werkunterricht etablieren, Bürokratie abbauen und die Finanzierung erleichtern. Wir Freien Demokraten stehen dabei auch für eine „Kultur der zweiten Chance“, die Gründerinnen und Gründern die Angst vor einem möglichen Scheitern nimmt. Wir wollen hin zu einer Kultur, die Leistungen von Unternehmerinnen und Unternehmern anerkennt und nicht neidet. 22 Das wollen wir konkret: 23 Gründen zum Thema in Schule und Hochschule machen: 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 • • • • • • Thema Selbständigkeit und Unternehmertum in Lehrplänen verankern. bessere Kooperationsmöglichkeiten von Schulen mit Unternehmen, Unternehmern, Handwerkern, Gewerbetreibenden und Kammer vor Ort. verlässliche und zukunftsfähige Finanzierung der deutschen Hochschulen. zusätzliche Lehrstühle für Entrepreneurship an deutschen Hochschulen. Gezielte Unterstützung von Gründungen aus Hochschulen heraus. Erleichterung nebenberuflicher Gründungen durch besseren Zugang zu Förderprogrammen. Dies ist v.a. für den Einstieg von Frauen neben der Familienarbeit eine große Chance, so können tragfähige Selbständigkeiten entstehen. Ergänzend muss ein besserer Übergang geschaffen werden 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 72 34 35 zwischen der beitragsfreien Familienversicherung und der Einstufung dem Mindestbeitrag in der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung. 36 Bürokratieabbau: 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 • 62 Entlastung: 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 • • • • • • • • • • • • • • • • mit Unternehmensgründungen müssen so einfach werden, wie das Mieten eines Mietwagens. „One-Stop-Shops“ für Unternehmensgründer. Bürokratiefreies erstes Jahr für Existenzgründer, so dass zu Beginn der Gründungsphase die Anmeldung des Gewerbescheines ausreicht. Anhebung der Grenzen bei Buchführungs- und ähnlichen Pflichten für junge und kleine Unternehmen. Mehr Transparenz und einfachere Regelungen für Gründer bezüglich Versicherungspflichten in der deutschen Sozialversicherung. Aussetzung der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge und Rückkehr auf die Fälligkeit am 10. des Folgemonats. Mehr Rechtssicherheit bei der Befreiung von Sozialbeiträgen für die Geschäftsführer von Start-Ups, so dass Teamgründungen nicht weiter gegenüber Einzelgründungen benachteiligt werden. Verbindliche Auskünfte im Steuerrecht durch die Finanzverwaltung, so dass Planungs- und Rechtssicherheit für Gründer besteht. Abschaffung der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungspflicht für Existenzgründer. Anhebung des Schwellenwertes der IST-Besteuerung von bisher 500.000 Euro auf eine Million Euro zur Vermeidung von Liquiditätsproblemen für die ersten drei Jahre nach der Gründung, so dass Steuern erst dann fällig werden, wenn die erbrachte Leistung tatsächlich bezahlt wurde. die Verkürzung der steuerlichen Aufbewahrungsfristen. Eine Halbierung von zehn auf fünf Jahre ist realistisch und noch immer mehr als genügend für eine effiziente und moderne Steuerverwaltung. In den ersten fünf Jahren wollen wir Existenzgründer von der Pflicht zur Kammermitgliedschaft befreien. Öffnung bestehender Förderprogramme für Existenzgründer, insbesondere auch für Nichtakademiker. Entkopplung des Gründerzuschusses von Arbeitslosigkeit. Die Vergabe findet dann nicht mehr durch die Bundesagentur für Arbeit statt, sondern beispielsweise durch die KfW. Venture-Capital-Gesetz. Beseitigung der steuerlichen Benachteiligung von Eigenkapital gegenüber Fremdkapital. Sofortige steuerliche Absetzbarkeit von Wagniskapital-Investitionen privater Geldgeber. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 73 75 76 77 78 79 • 80 Gründungsfreundliches politisches Klima: 81 82 83 84 85 86 87 • • • • Beibehaltung der Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen von unter zehn Prozent, wenn diese in neue Start-Ups investiert werden. Verbesserte steuerliche Anrechnung von Verlusten beim Erwerb von Unternehmensanteilen durch neue Gesellschafter. Ein Klima der zweiten und dritten Chance. Scheitern darf kein Stigma sein – Erfolg kein Grund für Neid. Nur so kommt echter Pioniergeist in unserem Land auf. Ein klares Bekenntnis der Politik zur Technologieoffenheit und Innovationsfreude Deutschlands. Verbesserte Möglichkeiten auch unter 18 Jahren ein Unternehmen gründen zu können. Denn gute Ideen können nicht immer so lange warten. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 74 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 75 Antrag 201 Betr.: Mehr Freiraum für neue Ideen Antragsteller: Bundesvorstand Junge Liberale Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 Die Freien Demokraten wollen Deutschland zum Gründerland Nummer 1 in Europa machen. Wir sind davon überzeugt, dass die Menschen hier voller Ideen und Träume stecken, die sie verwirklichen möchten. Wir möchten ihnen deshalb helfen Deutschland voranzubringen und fortschrittlicher zu machen, anstatt sie durch unnötige Bürokratie und eine gründerfeindliche Stimmung zu behindern. 6 7 Wir haben Respekt vor Menschen, die sich an das Abenteuer Selbstständigkeit heranwagen und wollen sie folgendermaßen fördern: 8 1. Gründermentalität 9 10 11 12 13 14 15 16 17 Wir möchten gleiche Startchancen für alle, die in ihrem Leben potentiell einmal ein Unternehmen gründen. Deshalb soll bereits früh in der Bildungslaufbahn die Neugier geweckt werden, eigene Ideen zu entwickeln und auszubauen. Grundlagen unternehmerischen Denkens sollen bereits in der Schule sowohl im klassischen Unterricht als auch in Projekten und Planspielen vermittelt werden. Auch in der Hochschule sollen für Studenten sämtlicher Fachrichtungen Angebote zum Thema Gründung wie zum Beispiel Gründer-Projektwochen, Gründungszentren und Beratungsstellen zur Selbstverständlichkeit werden. Auch sollten gründungswilligen Studenten Urlaubssemester für ihre Gründung anerkannt werden. 18 2. Kultur der zweiten Chance 19 20 21 22 Scheitern darf kein Stigma sein, sondern muss als Lernprozess und Unternehmensrisiko begriffen werden. Diese Kultur sollte gerade jungen Menschen vermittelt werden, die oft aus Angst vor einem möglichen Versagen gute Ideen nicht umsetzen. 23 24 25 26 27 Nach einem Scheitern muss jeder das Recht auf eine zweite Chance haben. Hierfür ist ein Insolvenzrecht erforderlich, das einen ausgewogenen Ausgleich zwischen den Interessen von Gläubigern und Schuldnern schafft. Wir sprechen uns in diesem Zusammenhang für eine Annäherung der Insolvenzkriterien für Gründer auf europäischer Ebene aus. 28 3. Finanzierung von Gründungen 29 30 In Deutschland steht Gründern klassischerweise zwar Fremdkapital (z.B. über die KfW) aber viel zu selten das dringend benötigte Eigenkapital zur Verfügung, 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 76 31 32 33 34 35 um Ideen umzusetzen, die Anlaufzeit benötigen. Auch für den entscheidenden Wachstumsschritt vom kleinen Start-Up hin zum erfolgreichen mittelständischem Unternehmen braucht ein Unternehmen frisches Kapital, weil die Aufnahme von Darlehen das junge Unternehmen über die Gebühr belasten und das Wachstum hemmen würde. 36 37 38 39 Wir setzen uns deshalb für Anreize ein, die mehr Investitionen von Eigenkapital in junge, aufstrebende Unternehmen ermöglichen. Denkbar wären dazu auch besondere Anreizmodelle für über Crowdinvesting zusammengetragene Investitionssummen. 40 41 42 43 44 45 Ein besonderes Anliegen ist uns die Zurverfügungstellung von Kapital und Stipendien für Nicht-Akademiker. Als Ansprechpartner sollen dabei insbesondere sogenannte Business Angels, erfahrene Gründer mit eigenem Kapital, eingebunden werden. Diese können nicht nur durch ihre Erfahrung die Erfolgsaussichten von Start-Ups meist gut einschätzen, sondern unterstützen gerade in der Anfangszeit auch durch Mentoring. 46 4. Lasten durch Bürokratie verringern 47 48 49 50 51 52 53 54 Start-Ups sind Geschäftsideen, die von der schnellen und unkomplizierten Umsetzung leben. Lange bürokratische Prozesse bei Unternehmensgründungen und Kapitalbeschaffung binden nicht nur unnötig Ressourcen, sondern bremsen die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Start-Up-Unternehmen erheblich. Dem gilt es entgegenzuwirken. So müssen zum Beispiel gerade bei Vergabe von öffentlichen Fördermitteln die Anforderungen angeglichen werden, damit der Verwaltungsaufwand für Gründer möglichst gering bleibt und nicht für jeden Einzelantrag ein neuer Businessplan geschrieben werden muss. 55 5. Märkte öffnen 56 57 58 59 Vielversprechende Geschäftsmodelle dürfen nicht an überregulierten Märkten scheitern. So hat zum Beispiel die Abschaffung des Fernbusmonopols sowohl neuen Unternehmen eine Chance gegeben als auch mehr Möglichkeiten für Verbraucher geschaffen. 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 Deshalb fordern wir unter anderem die Liberalisierung des verkrusteten Taximarktes. Künftig soll jeder mit Fahrerlaubnis, belastbarem polizeilichen Führungszeugnis und einer Versicherung für Insassen einen Personenbeförderungsschein erhalten. Vorschriften zu Eigenschaften und Optik der Fahrzeuge, zum Beispiel die Farbe oder die Türenanzahl betreffend, sollen auf das Nötigste reduziert werden. Vor Ort sollen alle Einschränkungen, beispielsweise bei der Standplatzwahl, entfallen. Schließlich müssen auch die Preise im marktwirtschaftlichen Wettbewerb selbst festgelegt werden können. Vermittlungsservices zwischen Fahrern und Fahrgästen auf Provisionsbasis müssen als völlig normale Dienstleistungsunternehmen akzeptiert und behandelt werden. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 77 Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 78 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 79 Antrag 202 Betr.: Gründerkultur und Wachstum für digitale Innovationen Antragsteller: Bundesfachausschuss Medien, Internet und digitale Agenda Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 Herausforderung: 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Der deutschen Wirtschaft mangelt es erheblich an Wachstumskapital, um im digitalen Zeitalter den Anschluss an die erfolgreichen Startup-Ecosysteme wie beispielsweise im Silicon Valley oder Tel Aviv nicht zu verpassen. In den USA flossen 2012 26,5 Milliarden Euro und damit 0,17 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in junge Unternehmen. Dagegen betrug der Anteil von investiertem Risikokapital hierzulande im Jahre 2012 gerade 0,021 Prozent des BIP, also ein Achtel im Verhältnis zu den USA. In absoluten Zahlen entspricht das sogar einem Dreißigstel dessen, was in den USA investiert wird. Dies ist zwar auch der unterschiedlichen Größe beider Staaten geschuldet, berücksichtigt man jedoch, dass Deutschland in manchen Branchen auf den weltweit vordersten Plätzen liegt, besteht hier offensichtlich Aufholbedarf. 13 Regelungsziele: 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Erforderlich ist neben notwendigen regulatorischen Erleichterungen für zeitgemäße Finanzierungsmethoden, wie dem Crowd-Funding, insbesondere die Finanzierung von erwachsenen Startup-Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell mindestens in Deutschland bereits erfolgreich bewiesen haben und nun international expandieren möchten. Dabei handelt es sich um jene vorbörsliche Finanzierungsstufe, die darüber entscheidet, ob aus einem Startup ein großes mittelständisches Unternehmen oder sogar mehr entsteht. Fehlende Wachstumsfinanzierung ist gleichzeitig ein Hemmnis für die Frühphasenfinanzierung, kann im Zweifel sogar zum Scheitern einer Unternehmensgründung führen. Nach der gestiegenen Gründungsdynamik der letzten Jahre droht das deutsche Startup-Ecosystem erheblich ins Stocken zu geraten. 25 26 27 28 29 30 31 32 Dies hat jedoch auch zu tun mit einer wieder verstärkten negativen Haltung verteilungsorientierter Politikseiten gegenüber Risikobereitschaft und einer funktionierenden Gründerkultur. Zu dieser gehört auch überhaupt erst das Unternehmen eines Versuchs, möglicherweise verbunden mit der Erfahrung des Scheiterns. Es ist dieses Sammeln von Erfahrungen, das neben besseren Finanzierungsmöglichkeiten in anderen Ländern wie den USA dazu führt, dass langsam eine Gründer- und Unternehmergeneration heranwächst, die immer bessere und für das BIP relevantere Unternehmen zum Erfolg führt. Nur eine in der Öffent- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 80 33 34 35 lichkeit positiv besetzte Gründungskultur, in der das Scheitern nicht als Stigma des Verlierers, sondern als besondere Qualifikation für die nächste Aufgabe gilt, wird Deutschland in der digitalen Welt nach vorne bringen. 36 Liberale Position: 37 1. Finanzierungsoptionen ermöglichen 38 39 40 41 Deutschland benötigt ein eigenständiges und international wettbewerbsfähiges Regelwerk für den gesamten Bereich des privaten Beteiligungskapitals. Die Umsetzung der AIFMD (EU Richtlinie zur Regulierung des Private Equity und Venture Capital Marktes) ist eine Chance, um ein solches Regelwerk zu schaffen. 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 Des Weiteren sollten auch Pensionskassen als Finanzierungsquelle für Startups erwogen werden. Da die Investitionen in Startups sehr langfristig sind, eignen sich gerade Pensionskassen dazu, angesparte Gelder auf eine volkswirtschaftlich sehr sinnvolle Art und Weise in junge innovative Unternehmen zu investieren. Beginnen sollte die Öffnung der Pensionskassen für Wagniskapital zunächst mit einem kleinen Prozentsatz der Anlagesumme, um die Mündelsicherheit nicht zu gefährden. Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung bietet der Zukunftsfonds Schweiz für die konkrete Ausgestaltung dieser Finanzierungsquelle ein gutes Beispiel. Hier wird der zur Wagniskapitalfinanzierung verwendete Teil eines Pensionsfonds mit der Zeit graduell erhöht, so dass ein damit verbundenes Risiko für die Anleger auf diese Weise stark begrenzt werden kann. 53 54 55 56 Die Einführung einer bundesweiten Garantiefazilität für institutionelle Investoren würde mit einer Teilübernahme des Verlustes dazu beitragen, das Risiko für den einzelnen Anleger eines VC-Fonds zu minimieren. Dadurch würde diese Anlageklasse auch für kleine Anleger erheblich an Attraktivität gewinnen. 57 2. Über Steuern Investitionen in Startups steuern 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 Eine dauerhafte Erhaltung des § 8b KStG ist für mehr Rechtssicherheit und Planbarkeit dringend notwendig. Die zu restriktive Regelung zur Nutzung des Verlustvortrags bei Beteiligungen gerade an Startups muss gelockert werden. Die grundsätzliche Umsatzsteuerpflicht von Management-Fees stellt eine in Europa einmalige Diskriminierung des Standorts für deutsche Fonds dar. Auch sollen wertmindernde Klauseln bei der Ermittlung des Unternehmenswertes berücksichtigt werden. Liquidationspräferenzen, Verwässerungsschutz, Mitspracherechte von Investoren etc. haben, ceteris paribus, einen wertmindernden Effekt. Dies muss auch vom Finanzamt bei der Unternehmensbewertung berücksichtigt werden. 68 69 70 Eine Vorbildfunktion könnte hierbei das „Enterprise Investment Scheme“ in Großbritannien haben, wodurch zahlreiche steuerliche Anreize geschaffen werden, die zu Investitionen in Startups motivieren sollen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 81 71 72 3. Vervollständigung der Finanzierungskette durch Einführung eines Börsensegments für Startups 73 74 75 76 77 78 79 Gleichzeitig müssen über ein Börsensegment für Startups diskutieren. Die Warschauer Börse zeigt mit 88 Börsengängen im Jahr 2012 an ihrem Handelsplatz „New Connect“, wie ein Neuer Markt 2.0 funktionieren kann. Ohne die Möglichkeit des Börsengangs für Startups fehlt ein entscheidendes Glied in der Finanzierungskette mit der fatalen Folge, dass sich die wachstumsstärksten Technologiegründungen für andere Börsenplätze entscheiden oder zum Unternehmensverkauf gezwungen werden. Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 82 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 83 Antrag 203 Betr.: Innovationsförderung in KMU Antragsteller: Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 Ausgangssituation Innovationsprozess in KMU in Deutschland und anwendungsorientierte Forschung: 3 4 5 6 7 Die Situation in vielen kleinen und mittleren Unternehmen ist: Es gibt ein seit langer Zeit etabliertes Produktportfolio und wenig Veränderung im Angebot. Der Konkurrenzdruck im Markt nimmt aber u.a. durch Globalisierung zu, die Margen sinken, besonders bei etablierten Produkten. Die Notwendigkeit, den technologischen Vorsprung zu halten, wird immer größer. 8 9 10 11 12 13 Grundlegende Neuentwicklungen dauern jedoch sehr lange von Marktanalyse über Entwicklung, Anpassung an spezifische Kundenwünsche, Markteinführung in der Serie. Solche aufwendigen Entwicklungen sind für viele Unternehmen im sog. „Tagesgeschäft“ kaum zu leisten. Die Finanzierung von reinen Entwicklungsabteilungen, die mit langfristiger Perspektive ausschließlich entwickeln, wird immer schwieriger für viele Unternehmen. 14 15 16 17 Gerade neue Produkte mit großer Innovationshöhe und Abstand zum etablierten Portfolio der Wettbewerber werden für hiesige KMU aber immer wichtiger, da besonders diese die hohen Margen bringen, die nötig sind, um hohe Kosten für Personal, Infrastruktur und schließlich auch Steuern in Deutschland abzudecken. 18 Konsequenz: 19 20 21 Wir wollen kleine und mittlere Unternehmen im Innovationsprozess unterstützen und dabei den ganzen Weg von der Produktentwicklung bis zur Anmeldung von Schutzrechten und der Markteinführung der Produkte betrachten. 22 23 24 25 In einigen Bundesländern gibt es in diesem Zusammenhang bereits erfolgreiche Modelle, wie zum Beispiel die Bereitstellung von Innovationsgutscheinen. Wir fordern eine deutschlandweite Einführung solcher Erfolgsmodelle sowie insbesondere die flächendeckende Umsetzung der unten beschriebenen Maßnahmen. 26 27 28 29 Aufgrund der Nähe der KMU zu den Landesregierungen kommt den Ländern eine besondere Bedeutung zu, den Innovationsprozess positiv zu begleiten. Es gilt auf der regionalen Ebene alle wichtigen Akteure, wie Universitäten/Fachhochschulen, Kammern und Verbände mit den KMU über Cluster- und Netzwerke zu- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 84 30 31 sammen zu bringen bzw. vorhandene Strukturen kritisch zu analysieren und ggf. neu zu justieren. 32 Konkrete Maßnahmen: 33 34 35 36 37 38 39 · Schaffung/Stärkung von Innovationsverantwortlichen in den Wirtschaftsministerien auf einer hohen hierarchischen Ebene. Die Innovationsverantwortlichen müssen sich umfassend und nachhaltig dem Thema Innovation „draußen“ in den Unternehmen widmen und müssen an echten Erfolgen wie Neuentwicklungen und Umsatzsteigerungen in den betreuten Unternehmen, Messeauftritte, Bekanntheitsgrad der Unternehmen, Zahl der angemeldeten Patente usw. gemessen werden. 40 41 42 · Stärkung des Wissens um die Bedeutung von Patenten in KMU und Steigerung der Bereitschaft, Patente für Neuentwicklungen anzumelden. Dabei kommt insbesondere den Kammern und Verbänden eine Schlüsselrolle zu. 43 44 45 o Unterstützung der Unternehmen durch eine praxisorientierte Beratung entlang des gesamten Produktentwicklungsprozesses, die keine Hemmschwellen bei den potentiellen Nutzern erzeugt. 46 47 o Patentberatungsstellen in räumlicher Nähe mit Personen, die den Entwickler im kleinen Unternehmen verstehen. 48 49 o Schulung zu Patenten: Grundlagen, zung zu Wettbewerbern, usw. 50 o Praktische Unterstützung bei der Anmeldung der Patente. 51 o „Patent Angels“ in Analogie zu Business Angels. 52 53 54 55 o Ziel der Betreuung soll sein, die „Patentquote“ in den kleinen Unternehmen zu erhöhen. Im Vergleich zu größeren Unternehmen, in denen Patente meist eine wichtige strategische Rolle spielen, wird dieses Thema in kleinen Unternehmen oft vernachlässigt – nicht zuletzt durch fehlendes Wissen. 56 57 58 59 · Förderung von Messeteilnahmen. Messeauftritte sind mühsam und kostspielig und werden daher von kleinen Unternehmen eher wenig wahrgenommen. Messen sind aber ein Mittel, um langfristige Sichtbarkeit des Unternehmens und seiner Marken zu schaffen. 60 61 62 63 · Stärkung von Innovationsnetzwerken bzw. -clustern auf Länderebene und/oder länderübergreifend. Diese können sich nach Anlaufzeiten auch selbst finanzieren. Dabei sollten die Kammern und Verbände eine starke Rolle einnehmen und insbesondere den Wissenstransfer zwischen Unternehmen fördern. 64 65 66 · Deutschlandweite Einführung von durch die Länder bereitgestellten Innovationsgutscheinen, wie dies heute bereits zum Beispiel in Baden-Württemberg und Bayern der Fall ist. Chancen, Risiken, Strategien, Abgren- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 85 67 · Stärkung von Innovations- und Transferstrukturen an Hochschulen. 68 69 70 o Für KMU ist es im Hinblick auf Innovationen sehr attraktiv und sinnvoll, auf vorhandene Forschungsinfrastruktur und Know-How von Dritten, wie z.B. Universitäten oder Fachhochschulen zurückzugreifen. 71 72 73 74 75 o An vielen Hochschulen, insbesondere an forschungsorientierten Fachhochschulen, sind die Kapazitäten der Professoren heute zum großen Teil durch Lehre und Verwaltungsaufgaben gebunden. Eine Stärkung des Mittelbaus erlaubt es den Professoren, sich stärker auf ihre Kernkompetenz Forschung zu konzentrieren und setzt somit wichtige, bisher ungenutzte Potenziale frei. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 86 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 87 Antrag 204 Betr.: Blaues Wachstum – Unser Weg für Deutschland Antragsteller: Landesverband Baden-Württemberg Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Deutschland ist Wirtschaftsmotor in Europa. Unsere Wirtschaftskraft entsteht, weil Menschen erfolgreich Waren und Dienstleistungen entwickeln und herstellen. Es ist das Ergebnis unzähliger Einzelentscheidungen, die täglich getroffen werden. Leistungsbereitschaft, Kreativität, Innovationskraft und der Fortschrittswille von Arbeitnehmern und Unternehmern sind die Grundlage für jenen wirtschaftlichen Erfolg, der zu diesem Wachstum führt. Aufgabe der Politik ist es, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit aus individuellen Anstrengungen wirtschaftlicher Erfolg entstehen kann. Wirtschaftswachstum ist für Liberale kein Selbstzweck, aber eine entscheidende Grundlage unseres Wohlstandes. Es unter Berücksichtigung der Anforderungen von Nachhaltigkeit zu ermöglichen, es ist darum ein Grundprinzip liberaler Politik. Diesen Anforderungen trägt die Soziale Marktwirtschaft Rechnung, für die Liberale immer gekämpft haben. 13 14 15 16 17 18 19 20 Dieses Wachstum darf nie seine eigenen Grundlagen gefährden oder nur einzelnen Generationen zugänglich sein. Es ist ein Gebot der Generationengerechtigkeit, dass heutiges Handeln nicht die Entwicklungschancen zukünftiger Generationen mindert. Deswegen fordert die FDP eine Politik der Langfristigkeit ein, die politisches und wirtschaftliches Handeln an einem umfassenden Nachhaltigkeitsverständnis ausrichtet. Dabei müssen die wirtschaftlichen – inklusive der finanziellen, gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen des heutigen Handelns für zukünftige Generationen berücksichtigt werden. 21 22 23 24 25 26 27 Die häufige Verengung auf rein ökologische Aspekte hat der Nachhaltigkeit einen Bärendienst erwiesen. Wer die wirtschaftliche bzw. finanzielle und soziale Dimension von Nachhaltigkeit aus dem Blick verliert, gefährdet damit letztendlich auch die Grundlage für eine Politik der ökologischen Nachhaltigkeit. Würde die Politik beispielsweise zulassen, dass die Bezahlbarkeit von Energie zur sozialen Frage des Jahrhunderts wird, dann verspielt sie am Ende die Akzeptanz für den ökologischen Aspekt der Nachhaltigkeit. 28 29 30 31 32 33 Wir wollen darum eine ganzheitliche und systemisch strukturierte Nachhaltigkeitspolitik. Unser Anspruch ist, es in Zusammenhängen und Wechselwirkungen zu denken. Nachteile können sich so als Vorteile erweisen, und die Abfälle eines Produkts sind möglicherweise die Ressourcen für ein anderes Gut. Erst dieses ganzheitliche Nachhaltigkeitsverständnis ermöglicht es uns, den anstehenden Herausforderungen tatsächlich gerecht zu werden. Aufbauend darauf wird ein 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 88 34 35 36 nachhaltiges, systemisch intelligentes und verantwortungsbewusstes Wachstum erzielt. Ein solches Wachstum, welches diesen echten Nachhaltigkeitskriterien verpflichtet ist, nennen wir „blaues Wachstum“. 37 38 Die Herausforderungen, denen das Blaue Wachstum gegenübersteht, sind vielfältig. 39 40 41 42 43 Besonders die ökologischen Wesentlichen parallel zur der etwa 2,5 Milliarden Menschen Bis 2050 wird die Zahl der schätzt. 44 45 46 47 48 Die steigende Zahl der Weltbevölkerung spiegelt sich im Gebrauch- und Verbrauch der Umweltgüter wieder. Am präsentesten ist die Diskussion über die Grenzen der Umweltbelastung im Beispiel des Klimawandels. Aber auch andere Güter, wie das ökologische Gleichgewicht der Weltmeere, stehen kurz vor der Überlastung durch den Menschen. 49 50 Wir wissen, dass sich die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen nicht allein national lösen lassen. 51 52 53 54 Die FDP bekennt sich jedoch als politische Kraft in einer der wirtschaftlich und technologisch stärksten Länder der Welt zu der Vorbildfunktion, die unsere Land im Bereich der Nachhaltigkeit innerhalb der Weltgemeinschaft einnimmt und einnehmen kann. 55 56 Die Frage, die aktuell diskutiert werden muss ist, wie Deutschland seiner Vorbildfunktion gerecht werden kann. 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 Anschaulich kann dies am Bereich der Energiewirtschaft betrachtet werden. Dem Einfluss Deutschlands auf das Weltklima sind naturgemäß zunächst enge Grenzen gesetzt. Ein signifikanter Beitrag zum Klimaschutz kann deshalb nur die Schaffung einer wirtschaftlich sinnvollen Energiewende sein, die aufgrund günstiger Energiekosten weltweit zur Nachahmung einlädt. Für einen sinnvollen Beitrag zur Energiewende müssen dabei die natürlichen und regional verschiedenen Stärken und Schwächen betrachtet werden. Für Deutschland sehen wir diesen sinnvollen Beitrag im Bereich der Innovation und Hochtechnologie. Darüber hinaus kann Deutschland verstärkt eine Vorbildrolle bei der effizienten Anwendung von Strom wie auch Wärmeenergie einnehmen. Energieeffizienz ist ausdrücklich Teil des blauen Wachstums. 68 69 70 71 Die Deutschen machen nur etwa 1 Prozent der Weltbevölkerung aus, nutzen 2,3 Prozent der Flächen und verursachen rund 2 Prozent der klimaschädlichen Emissionen als Beispiel einer Umweltnutzung. Eine nationale Verzichtspolitik wird damit keine direkte Wirkung auf die globalen Herausforderungen haben. Herausforderungen der Nachhaltigkeit steigen im Anzahl der Weltbevölkerung. Während 1950 noch auf der Erde lebten, sind es heute 7,2 Milliarden. Weltbevölkerung auf 9,3 Milliarden Menschen ge- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 89 72 73 74 75 76 77 Aufgrund der steigenden Zahl der Weltbevölkerung ist ein Wachstumsprozess im Bereich der Ernährung, des Wohnens, der Gesundheitsfürsorge, Mobilität und Bildung unausweichlich, wenn wir eine humanitäre Katastrophe vermeiden wollen. Gleichwohl gilt es, dieses Wachstum nachhaltig zu gestalten. Mit den heutigen technischen Mitteln scheint dieses nicht ohne Überlastung bspw. der Atmosphäre mit klimaschädlichen Emissionen möglich. 78 79 80 81 82 83 84 85 Eine Formel, die Belastungsgrenzen der Umwelt mit einem begrenzten Wachstum gleichsetzt, unterschätzt jedoch die Innovationskraft des Menschen. Die Entwicklungsgeschichte zeigt, dass Menschen mit Innovationen, mit Kreativität und Fortschrittswillen immer wieder in der Lage waren, scheinbar vorhandene Grenzen des Machbaren zu verschieben, Produkte zu verbessern und Innovationen zu entwickeln, die die Welt zum Besseren verändert haben. Wir Liberale zweifeln nicht daran, dass Menschen auch in Zukunft über sich hinaus wachsen und diese Herausforderungen annehmen. 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 Das lässt sich anhand vieler positiver Beispiele unterstreichen, bei denen Menschen Bedrohungen erkannt und durch geeignete Maßnahmen reagiert haben. So beginnt sich zum Beispiel die Ozonschicht wieder zu erholen, weil die schädlichen FCKW durch andere Substanzen substituiert werden konnten. Saurer Regen, bodennahes Ozon und weitere schädliche Auswirkungen von Emissionen aus dem Verkehrs- und Kraftwerkspark konnten durch die Entwicklung neuer Reinigungs- und zum Teil hoch spezifischer Katalysatorsysteme aktiv bekämpft werden. Und auch der Schutz unserer Böden und Gewässer wurden zum Beispiel durch den Einsatz neuer Düngemittel- und Düngemethoden sowie den Verzicht auf schädliche Chemikalien verbessert. 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 Auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland unterscheiden sich elementar von denen anderer Länder auf der Welt. So wird unsere Bevölkerungszahl bis ins Jahr 2060 deutlich zurückgehen, es wird doppelt so viel ältere Menschen geben als Junge. Global gesehen wird die Bevölkerung steigen, die jungen Menschen auf der Welt werden das politische Handeln dominieren. Wie diese, meist ärmeren Menschen, denken, was sie erreichen wollen, wie sie leben und nach welchen gesellschaftlichen Normen sie handeln, ist für uns meist nur schwer oder gar nicht nachvollziehbar. An vielen außenpolitischen Beispielen der jüngsten Vergangenheit zeigt sich, dass sich unsere ethischen Ansprüche auch nicht ohne weiteres auf andere Länder übertragen lassen. 106 107 108 109 110 So kam auch die Enquetekommission des Deutschen Bundestags „Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität“ 2013 zu dem Schluss, dass die Wirkung der Vorreiterrolle Deutschlands zunächst noch wissenschaftlich erforscht werden muss. Gleichwohl müssen die ökologischen Herausforderungen des Bevölkerungswachstums rasch angegangen werden. 111 112 113 Unser politischer Ansatz des Blauen Wachstums zielt in die Richtung, dass Ökologisches Handeln für alle Menschen attraktiv werden muss, indem es alle Aspekte der Nachhaltigkeit –auch die ökonomischen und sozialen umfasst. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 90 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 Der Erfindergeist, welcher bisher geglaubte Grenzen überwunden hat, muss auch die künftigen Herausforderungen angehen können. Dies setzt voraus, dass die bei uns entwickelten Produkte, Anlagen und Verfahren auf den Weltmärkten bestehen können und zur Anwendung kommen. Nur wenn alle drei Säulen der Nachhaltigkeit eingehalten werden, sie Vorteile für die Menschen auch in den sozialen und ökonomischen Bereichen bringen und gleichzeitig eine positive ökologische Wirkung haben, werden die jungen Menschen in anderen Ländern unser modernen Produkte anwenden. Blaues Wachstum bedeutet, dass die global wachsende Bevölkerung mit neuen Techniken ökologische Grenzen überwindet um allen Menschen ein angemessenes Leben zu ermöglichen. 124 Die FDP will für ein blaues Wachstum folgendes umsetzen: 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 • • • • • • • • • • • • • • Förderung der Forschungslandschaft ohne ideologische Scheuklappen. Beispielsweise auch Grüne Gentechnik (Goldener Reis als soziale Verantwortung) und Kernfusion. Eine steuerliche Absetzbarkeit der Ausgaben für Forschung und Entwicklung der Unternehmen, um hier Investitionen zu erleichtern. Weiterer Ausbau internationaler Kooperationen im Bereich Innovationen zur gegenseitigen Befruchtung. Ideologiefreie Schule und das Vertrauen in Wirtschaft und Technik stärken. Leistungsbereitschaft fördern und vorleben. Festhalten an der Meisterpflicht als Grundlage der guten Stellung des Handwerks in Deutschland. Punktesystem für eine gerechte Zuwanderung von Hochqualifizierten und Fachkräften. Beendigung der Subventionen für die Windkraft. Diese Anstrengungen und Investitionen sind in Energieeffizienz besser angelegt. Oligopole in der Energiewirtschaft sind aus ordoliberaler Sicht als kritisch anzusehen. Ein funktionierender Markt mit vielen Wettbewerbern ermöglicht Innovation und sorgt für neue dezentrale Möglichkeiten der Energieversorgung. E-Mobilität ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern stellt einen gewaltigen Wachstumsmarkt dar, der auf geeignete politische Rahmenbedingungen treffen muss. Das nach wie vor gewaltige Potenzial bei der energetischen Gebäudesanierung muss konsequent genutzt werden. Der Einsatz von Mikro-BHKW und der Einsatz von Nah- und Fernwärmenetzen sind weiterhin zu fördern. Einen Anschlusszwang lehnen wir aber ab. Energieeffizienzprogramme öffentlicher Förderbanken fortführen und vereinfachen. Energieeffizienzforschung und Innovation stärken, etwa zur intelligenten Speicherung und Lastverschiebung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 91 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 • • • • • • • • • • • Dezentrale Netze und, wo nötig, Stromtrassen innerhalb Deutschlands und in das europäische Ausland zügig ausbauen, um den vielen neuen Standorten der Energieerzeugung besser Rechnung zu tragen, den Wettbewerb der Anbieter zu fördern und die Versorgungssicherheit zu erhalten. Die Planwirtschaft des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beenden und ein marktwirtschaftliches Strommarktdesign etablieren. Einen aus Gründen der Versorgungssicherheit möglicherweise erforderlichen Vergütungsmechanismus für die Bereitstellung gesicherter Kraftwerksleistung ebenfalls nach marktwirtschaftlichen Prinzipien gestalten. Kein planwirtschaftlicher und zentralistischer Kapazitätsmarkt! Das Setzen wirtschaftlicher Anreize ist sinnvoller als der Aufbau gesetzlicher Pflichten und deren bürokratische Kontrolle. Starre Pflichtanteile an erneuerbarer Energien etwa bei der Wärmeversorgung als Sanierungsbremsen beseitigen. Erdgas- und Wasserstoffmobilität weiter fördern, keine einseitige Festlegung auf stromspeicherbasierte Elektromobilität. Steuerliche Absetzbarkeit der Energetischen Sanierung endlich umsetzen. Den EU-Emmissionshandel auf europäischer und globaler Ebene erweitern, z.B. durch Einbindung außereuropäischer Drittstaaten, und die erlaubte Emissionsmenge ab 2020 mit ambitionierten Zielen reduzieren. Rechtliche Möglichkeiten institutioneller Anleger zur Investition in Hightech-Unternehmen zum Beispiel im Biotechnologie- und Medizintechnikbereich eröffnen, um Kapital für risikobehaftete, langwierige Entwicklungen zu mobilisieren. Telematikausbau inklusive „Intelligenter Straße“ fördern. Intermodaler Güterverkehr ausbauen. Intelligente Ampelschaltungen helfen den Verkehrsfluss zu verbessern. Keine europäische Industriepolitik im Verkehrsbereich durch die Hintertür der Umweltgesetzgebung zulassen, diese treibt nur die Produktion in unregulierte Staaten. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 92 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 93 Antrag 300 Betr.: Die Würde des Menschen in Grenzsituationen des Lebens Antragsteller: Kommission Freiheit und Ethik, Landesverband BadenWürttemberg Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 I) Leitgedanken 2 3 Gerade in Grenzsituationen des Lebens muss sich die Mitmenschlichkeit in einer Gesellschaft bewähren. 4 5 In solchen Hilfe. 6 Die Wahrung der Menschenwürde ist für Liberale der Maßstab allen Handelns. 7 Die Würde des Menschen umfasst das Recht, über sich selbst zu bestimmen. 8 9 Das Selbstbestimmungsrecht gilt auch dann, mehr selbst ausdrücken und durchsetzen kann. Grenzsituationen bedürfen Menschen besonderer wenn man Zuwendung seinen Willen und nicht 10 11 Mit Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht hat unsere Rechtsordnung Mittel bereitgestellt, auch in solchem Falle das Selbstbestimmungsrecht zu wahren. 12 13 Niemand darf sich anmaßen, sich über den Willen des Patienten und sein Selbstbestimmungsrecht hinwegzusetzen. 14 15 16 Das gilt auch für den selbstbestimmten Entschluss eines Menschen, seinem Leben ein Ende zu setzen und dabei Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hilfe – auch ärztliche – zum Suizid darf nicht kriminalisiert werden. 17 18 Liberale wissen, dass gerade in Grenzsituationen des Lebens nicht alles durch gesetzliche Normen geregelt werden kann und muss. 19 20 21 Unsere Gesellschaft hat die Pflicht, durch Förderung von Palliativmedizin und Hospizen die Lage des leidenden Menschen so erträglich wie möglich zu machen. 22 23 Vor allem anderen aber bedarf Menschenwürde bis zum Lebensende der persönlichen Zuwendung. 24 25 Jeder Einzelne steht deshalb in der Verantwortung für eine menschliche Gesellschaft. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 94 26 II) Politische Forderungen 27 1. Selbstbestimmung und Würde bei Pflegebedürftigkeit und im Alter 28 29 30 31 - Die Würde des Menschen und sein Recht auf Selbstbestimmung sind unantastbar. Sie zu achten, zu schützen und zu fördern ist die Aufgabe nicht nur des Staates, sondern auch der professionellen Pflege sowie der bürgerschaftlichen und der familiären Gemeinschaft. 32 33 34 - Die Ausbildung des Pflegepersonals muss auf einen besseren Standard angehoben werden; dieser ist fortlaufend an neue medizinische, rechtliche und soziale Erkenntnisse anzupassen. 35 - Die Entlohnung des Pflegepersonals muss angemessen und attraktiv werden. 36 37 - Die Anzahl der Betreuten pro Pfleger darf ein festzulegendes Verhältnis nicht überschreiten, das persönlich zugewandte Pflege ermöglicht. 38 39 40 41 - Für die Betreuung Pflegebedürftiger und alter Menschen muss unsere Gesellschaft die erforderlichen Mittel bereitstellen. Gegebenenfalls sind Prioritäten in den Haushalten neu festzulegen und die Struktur staatlicher Leistungen anzupassen. 42 43 44 45 - Die meisten älteren Menschen wollen ihren Lebensabend zuhause verbringen. Ambulante Pflege muss daher staatlich ebenso gefördert werden wie die stationäre Pflege. Nur so kann das Selbstbestimmungsrecht der Pflegebedürftigen gewahrt werden. 46 47 48 - Die Qualitätsstandards von Pflegeheimen sind zu aktualisieren und ihre Überprüfung ist sicherzustellen; die angestrebte Qualität hat sich unter anderem an fol-genden Kriterien zu orientieren: 49 50 51 • • • 52 53 - Auf eine Behandlung nach diesen Standards hat der Bürger einen einklagbaren Anspruch. 54 55 56 57 - Das Entgeltsystem der Pflege ist zu überprüfen und Fehlanreize und -steuerungen sind zu beseitigen. Es darf nicht sein, dass Koma-Patienten deshalb besonders häufig und lange auch gegen ihren Willen gepflegt werden, weil sie für Heimbetreiber besonders „rentabel“ sind. 58 59 60 - Für Konflikte, die sich aus unterschiedlichen religiösen oder kulturellen Wertvorstellungen von Betreuten wie des Pflegepersonals ergeben, sind innerhalb der rechtlichen Rahmenbedingungen geeignete Konzepte zu entwickeln. weitgehende Befähigung des Betreuten zur Autonomie, striktes Übermaßverbot der eingesetzten Mittel (immer das mildeste), würdevolle Behandlung gerade auch des völlig Hilfebedürftigen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 95 61 62 63 64 65 66 - In Pflegeheimen sollen, wie bereits in Krankenhäusern, Ethik-Komitees gebildet werden, die juristische und medizinische Beratung bieten und in schwieri-gen Fällen Entscheidungshilfen anbieten. Es gilt, das Spannungsverhältnis zwischen Fürsorgepflicht und -anspruch einerseits, der Verhältnismäßigkeit der Mittel und der möglichst großen Selbstbestimmung und Würde andererseits auszubalancieren. 67 68 69 - Die Etablierung eines Heimarztes ist zu testen und bei Bewährung einzuführen. Das Recht des Einzelnen auf freie Arztwahl darf durch die Etablierung eines Heimarztes nicht eingeschränkt werden. 70 2. Selbstbestimmung über medizinische Behandlung und Pflege 71 72 73 74 75 76 77 - Der freie Wille des Betroffenen ist als Ausfluss der Menschenwürde (Artikel 1 GG) maßgebend. Sein tatsächlicher oder mutmaßlicher Wille allein bestimmt Art und Weise einer medizinischen Behandlung. Dieser Wille des Betroffenen steht über der Meinung anderer Personen, auch der des Arztes. Die Rechtslage zur Fortsetzung oder zur Beendigung einer Behandlung ist eindeutig (§ 1901a BGB sowie Grundsatzurteil des BGH vom 25.06.2010). Die FDP lehnt eine Änderung dieser Rechtslage ab. 78 79 80 81 - Allerdings ist diese Rechtslage noch nicht allen Beteiligten (Ärzten, Pflegepersonal, Verantwortlichen in Pflegeheimen, Richtern etc.) hinreichend geläufig, so dass es zahlreiche Unterschiede in der Anwendungspraxis gibt. Daher muss hierzu eine systematische und flächendeckende Aufklärung erfolgen. 82 83 84 85 86 87 88 - Die Grundversorgung von Menschen in Grenzsituationen des Lebens, die Linderung von Schmerzen, von Atemnot und das Bemühen, ihnen Ängste zu nehmen insbesondere bei schweren und tödlichen Krankheiten, muss endlich gewährleistet werden. Die FDP setzt sich deshalb nachdrücklich dafür ein, flächendeckende Angebote der Palliativmedizin und von Hospizen sicherzustellen. Auch sind höhere Mittel für Forschung und Lehre bereitzustellen, um die Qualifikation von Fachärzten, Pflegepersonen und Sterbebegleitern weiter zu verbessern. 89 3. Selbstbestimmung über die Beendigung des eigenen Lebens 90 91 92 - Der freie und ernsthafte Wunsch eines Menschen nach Beendigung des eigenen Lebens ist zu respektieren. Der Suizid ist keine strafbare Handlung, mithin darf die Beihilfe dazu ebenfalls nicht strafbar sein. 93 94 95 - Der Entschluss zum Suizid darf nicht durch sozialen oder ökonomischen Druck Dritter verursacht werden. Deshalb bedarf es geeigneter Unterstützung durch fachkundige Beratung, Betreuung und Zuwendung. 96 97 - Die FDP wendet sich gegen alle Versuche, diese Art der Sterbehilfe zu kriminalisieren. Die gegenwärtige Rechtslage bedarf keiner Änderung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 96 98 99 100 101 102 - Das ärztliche Standesrecht kann dazu führen, dass Ärzte, die im Rahmen unserer Rechtsordnung Sterbehilfe leisten, in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sind. Es ist mit unserem Rechtsverständnis unvereinbar, dass Standesregeln fundamental andere Wertungen vorschreiben als der Gesetzgeber. Daher ist hier rechtliche Klarheit für die Ärzte herzustellen. 103 104 105 - Nach geltendem Recht ist niemand, auch nicht der Arzt, verpflichtet, Beihilfe zur Selbsttötung gegen seine Gewissensüberzeugung zu leisten. Auch hieran darf sich nichts ändern. Begründung: Die liberale Gesellschaft schützt die Würde ihrer Mitglieder, gerade auch, wenn diese sich selbst nicht mehr schützen können. Daher ist die Würde besonders auch im Alter oder bei Pflegebedürftigkeit zu achten. Dies gilt um so mehr, wenn die Fähigkeiten zur Selbstbestimmung schwinden oder gänzlich fehlen. Die Pflegeheime, aber auch die häusliche Pflege, sind kein schutzloser, rechtsfreier Raum. Gerade wegen der verringerten oder fehlenden Eigenständigkeit der Betroffenen ist dort ihre Würde in besonderer Weise zu sichern und ihr Recht auf Selbstbestimmung zu achten. Der Umgang einer Gesellschaft mit ihren pflegebedürftigen Mitgliedern ist ein zivilisatorischer Gradmesser. Er ist Ausdruck dafür, wie ernst ihr die Unantastbarkeit der Würde des Menschen ist. Gerade wenn die Möglichkeiten, selbst über sein Leben zu bestimmen, eingeschränkt oder nicht mehr vorhanden sind, sind zuverlässige gesellschaftliche Strukturen und Mechanismen erforderlich, um die Würde der Betroffenen zu gewährleisten. Daher haben alle Maßnahmen der Unterbringung und Behandlung pflegebedürftiger Menschen dem Grundsatz des Übermaßverbots zu folgen: nur das jeweils mildeste Mittel, also dasjenige, welches am wenigsten den Betroffenen in seiner Selbstbestimmung und Würde einschränkt, ist zu wählen. Soweit wie möglich sind dem Einzelnen die Möglichkeiten der Selbstbestimmung zu belassen, auch wenn er pflegebedürftig ist. Pflegebedürftigkeit und Selbstbestimmung schließen sich nicht aus, sondern sind graduell und dynamisch in gleitendem Übergang miteinander verbunden. Daher sind grob geschnitzte Behandlungsschemata abzulehnen zugunsten einer einzelfallbezogenen, fürsorglichen und persönlichen Zuwendung. Die liberale Gesellschaft respektiert und schützt die Würde und Selbstbestimmung gerade auch bei schweren Krankheiten, die mit großen psychischen und physischen Leiden einhergehen. Daher ist jeder Einzelne in seiner ganz spezifischen Lage menschenwürdig zu behandeln; die grundlegende Versorgung – Linderung von Schmerzen und Atemnot, Hilfestellung gegen Ängste sowie Befreiung von dem Gefühl von Hunger und Durst – ist sicherzustellen. Dies ist seit langem als ärztliche Pflicht anerkannt. Der Respekt vor einem selbstbestimmten Leben bedeutet, dass der freie Wille Vorrang hat vor den Möglichkeiten einer künstlichen Lebensverlängerung. Die mittlerweile geltende Rechtslage ist 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 97 hinreichend geeignet, diese Grundsätze durchzusetzen. Eine Änderung ist daher nicht nur nicht erforderlich, sondern entschieden abzulehnen. Die an der Würde des Menschen orientierte Gesellschaft respektiert auch den Willen zu einem selbstbestimmten Lebensende. Dies heißt nicht, dass jedem geäußerten Suizidwunsch nachzukommen wäre. Derartige Begehren entspringen häufig schweren psychischen Störungen oder sind oft einfach ein Hilferuf nach Zuwendung, nach Begleitung und Unterstützung oder nach der Vergewisserung, noch selbstbestimmt handeln zu können. Die Verantwortung einer liberalen Gesellschaft verlangt, dass Menschen mit dem freien Willen, aus dem Leben zu scheiden, fachkundige Beratung, Betreuung und Zuwendung erhalten. Alles andere wäre zynisch und menschenverachtend. Das Recht auf Selbstbestimmung – gerade auch am Ende des Lebens und in besonderen Grenzsituationen – bildet den Kern menschlicher Freiheit und Würde. Die Möglichkeit, über sein eigenes Leben zu bestimmen und sich gegen ein Weiterleben zu entscheiden, muss erhalten bleiben. Ihre Einschränkung und Erschwerung entspringen der anmaßenden Einstellung, wonach Politiker, religiöse Führer oder einige privilegierte Fachleute dem Einzelnen vorschreiben dürften, dass und wie er sein Leben weiterzuführen und ggf. sein Leiden zu ertragen habe. Es gibt das Recht auf, aber keinen Zwang zum Leben. Die Hilfeleistung zur Umsetzung eines frei und bewusst gefassten Entschlusses zum Suizid muss weiterhin für alle straflos bleiben. Dies muss gerade auch für Ärzte gelten. Sie dürfen nicht durch ein Standesrecht, das sich über die ethischen Grundlagen unserer Rechtsordnung hinwegsetzt, gegängelt und in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht werden. Dies bedeutet keineswegs, dass der einzelne Arzt zu einer Hilfeleistung zum Suizid verpflichtet wäre. Auch seine Selbstbestimmung und seine Gewissensentscheidung sind zu respektieren. Die Rechtslage in Deutschland stellt sich zur Zeit folgendermaßen dar: 1) Die aktive direkte Sterbehilfe, also die absichtliche und aktive Herbeiführung des Todes – auch auf Verlangen des Betroffenen – ist verboten (§ 216 StGB *s. Anhang). 2) Die Beihilfe zum Freitod (assistierter Suizid), z.B. durch Beschaffung eines tödlichen Mittels – ist erlaubt, wenn der Betroffene das Mittel selbst einsetzt. Für Ärzte ist diese Beihilfe standesrechtlich in manchen Bundesländern untersagt. 3) Die indirekte aktive Sterbehilfe (das Begleiten des Sterbens), z.B. Linderung durch Schmerzmittel, bei der eine Lebensverkürzung in Kauf genommen wird, ist erlaubt, wenn eine entsprechende Patientenverfügung vorliegt. 4) Die indirekte passive Sterbehilfe (das Zulassen des Sterbens), z.B. durch Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen wie Sonden zur künstlichen Ernährung oder Beatmungsgeräte, ist erlaubt, wenn eine entsprechende Patientenverfügung vorliegt. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 98 Das klare Auseinanderhalten dieser vier unterschiedlichen Sachverhalte in der öffentlichen Diskussion ist unverzichtbar. Anhang: BGB § 1901 a Patientenverfügung: „(1) 1 Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebensund Behandlungssituation zutreffen. 2 Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. 3 Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden. (2) 1 Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt. 2 Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. 3 Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung des Betreuten.“ BGH Urteil vom 25. Juni 2010 - 2 StR 454/09 Sterbehilfe: „1. Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) ist gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht (§ 1901a BGB) und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen. 2. Ein Behandlungsabbruch kann sowohl durch Unterlassen als auch durch aktives Tun vorgenommen werden. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 99 3. Gezielte Eingriffe in das Leben eines Menschen, die nicht in einem Zusammenhang mit dem Abbruch einer medizinischen Behandlung stehen, sind einer Rechtfertigung durch Einwilligung nicht zugänglich.“ StGB § 216 Tötung auf Verlangen: „(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. (2) Der Versuch ist strafbar.“ 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 100 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 101 Antrag 301 Betr.: Selbstbestimmt bis zum Lebensende Antragsteller: Bundesvorstand Liberale Senioren Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 7 8 „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ Artikel 1 GG. Selbstbestimmung ist der Kern der Menschenwürde - Selbstbestimmung im Leben wie angesichts des Todes. Die Freien Demokraten wenden sich gegen jeden Versuch, das Recht auf Selbstbestimmung mit den Mitteln des Strafrechts einzuschränken. Der Suizid ist straffrei. Deshalb darf auch die Beihilfe zum Suizid nicht bestraft werden. Das ist die geltende Rechtslage. Neuerdings gibt es Bestrebungen, die Beihilfe zum Freitod unter Strafe zu stellen, gegebenenfalls durch einen neuen § 217 StGB. Die FDP lehnt eine Verschärfung der geltenden Rechtslage entschieden ab. Begründung: Obwohl der Deutsche Bundestag im Jahre 2009 eine mit grossem Ernst geführte Debatte über die Reichweite von Patientenverfügungen mit einer gesetzlichen Regelung beendete, die von einer grossen Mehrheit des Hauses bei freier, nur dem eigenen Gewissen verpflichteter Abstimmung getragen wurde, wird nun von Teilen der CDU/CSU versucht, den gefundenen Kompromiss auf dem Umweg über Änderungen des Strafrechts wieder auszuhebeln. Die FDP wendet sich entschieden gegen die Wiedergeburt eines staatsfürsorglichen Paternalismus, gegen jeden Versuch, das Strafrecht zur Regelung von Grenzsituationen des Lebens gegen den Willen der Betroffenen einzusetzen. Anders als in der von einigen vorgeschlagenen Formulierungen eines neuen § 217 im Strafgesetzbuch, nach der die Beihilfe zum Freitod nur für Angehörige straflos sein soll, forderten kürzlich vier namhafte Medizinwissenschaftler (Borasio et. al.), dass die Beihilfe zum Freitod auf jeden Fall auch für Ärzte straflos bleiben muss. In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass das professionsrechtliche Verbot von Sterbehilfe berufsethisch nicht haltbar ist. Selbstverständlich kann es keinen Anspruch eines Patienten auf Sterbehilfe geben. Eine Beihilfe zur Selbsttötung kann nur freiwillig sein. Die Gefahr einer Manipulation des Patienten, z. B. Ausübung von sozialem Druck, kann durch entsprechende Barrieren ausgeschlossen werden, durch Vorkehrungen wie sie u. a. in der Schweiz oder im USBundesstaat Oregon getroffen sind. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 102 Statt den leidenden Menschen vorzuschreiben, ob und wie sie ihr Leben weiterführen, sollen Palliativmedizin und Hospize endlich umfassend ausgebaut werden. Das wird seit langem gefordert, ist aber bisher nur unzureichend geschehen. Dazu gehört die Bereitstellung höherer Mittel für Forschung und Lehre, eine höhere fachliche Qualifikation und eine entsprechende Honorierung für Fachärzte, Pflegepersonen und Sterbebegleiter. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 103 Antrag 302 Betr.: Die Würde des Menschen ist unantastbar bis zum Lebensende Antragsteller: Landesverband Saarland Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 Die FDP wendet sich gegen jeden Versuch, das Recht auf Selbstbestimmung mit den Mitteln des Strafrechts einzuschränken. Die Beihilfe zur Selbsttötung ist straffrei, weil der leidende Mensch seinem Leben selbst ein Ende setzt. 4 5 6 7 8 Durch die geplante Formulierung eines neuen § 217 StGB soll nun der assistierte Suizid unter Strafe gestellt werden. Dieses Gesetzesvorhaben ist entschieden abzulehnen. Es gibt keine Veranlassung, die bestehende Rechtslage zu verschärfen, zumal die zivilrechtliche Verbindlichkeit von Patientenverfügungen sich im Grundsatz bewährt hat. Begründung: Obwohl der Deutsche Bundestag im Jahre 2009 eine mit großem Ernst geführte Debatte über die Reichweite von Patientenverfügungen mit einer gesetzlichen Regelung beendete, die von einer großen Mehrheit des Hauses bei freier, nur dem Gewissen verpflichteter Abstimmung getragen wurde, wird nun von Teilen der CDU/CSU versucht, den gefundenen Kompromiss mit Hilfe von Änderungen im Strafrecht zu unterlaufen. Das Strafrecht ist nicht das geeignete Mittel, Grenzsituationen des Lebens zu regeln. Entgegen der vorgesehenen Formulierung des neuen § 217 StGB forderten kürzlich vier namhafte Medizinwissenschaftler (Borasio et.al.), dass die Beihilfe zum Freitod nicht nur für Angehörige, sondern auch für Ärzte straflos bleiben muss. In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass auch ein standesrechtliches Verbot einer ärztlichen Sterbehilfe berufsethisch nicht vertretbar sei. Die Verantwortung des behandelnden Arztes für seinen Patienten beschränke sich nicht auf die Erhaltung des Lebens, sie bestehe auch in der verantwortlichen Begleitung seines Sterbens und im Respekt vor dem Willen des Patienten. Selbstverständlich kann es keinen Anspruch auf Sterbehilfe geben, das gebiete schon das Selbstbestimmungsrecht der anderen, auch des Arztes. Eine solche Hilfe kann nur freiwillig sein. Wenn die Gefahr einer Manipulation von Patienten angesprochen wird, beziehungsweise die Ausübung von sozialem Druck, ist auf entsprechende Barrieren in Ländern hinzuweisen, die ausführliche Bestimmungen zur Sterbehilfe erlassen haben, z.B. der Bundesstaat Oregon in den USA. So ist darauf zu achten, dass der Arzt nur Hilfe 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 104 gewährt, wenn er 1.) aufgrund einer Untersuchung zur Überzeugung gelangt ist, dass der Patient nur noch eine begrenzte Lebenserwartung besitzt, wenn er 2.) den Patienten umfassend über seinen Gesundheitszustand, mögliche Formen der Suizidhilfe und palliative Möglichkeiten aufgeklärt hat, wenn 3.) ein zweiter Arzt hinzugezogen wird, und wenn 4.) der Patient freiwillig und ausdrücklich diese Hilfe verlangt. Schließlich ist vor einer moralischen Abwertung europäischer Nachbarländer zu warnen, in denen die Bürgerinnen und Bürger mit großer Mehrheit die Zulässigkeit von Organisationen für Sterbehilfe beschlossen haben, wie z.B. die Schweiz. Statt den leidenden Menschen vorzuschreiben, ob und wie sie ihr Leben weiterführen, soll die Palliativmedizin umfassend ausgebaut werden, mit flächendeckender und bedarfsgerechter, stationärer und ambulanter Versorgung. Es bedarf auch der Bereitstellung höherer Mittel für Forschung und Lehre, höherer fachlicher Qualifikation und entsprechender Honorierung von Fachärzten, Pflegepersonen und Sterbebegleitern. Auch der Ausbau von Hospizen ist stärker zu fördern. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass es Menschen gibt, die trotz optimaler Palliativbetreuung ihren Todeszeitpunkt selber bestimmen wollen. Ihnen zu helfen, darf keinesfalls unter Strafe gestellt werden. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 105 Antrag 303 Betr.: Selbstbestimmung am Ende des Lebens Antragsteller: Landesverband Baden-Württemberg Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 Zur Frage der Selbstbestimmung am Ende des Lebens ist die Haltung der FDP wie folgt: 3 4 1) Entsprechend der geltenden Rechtslage soll auch in Zukunft die Beihilfe zum Suizid in allen Fällen straffrei bleiben. 5 6 7 2) Der Arzt darf bei schwerer Erkrankung ohne Heilungschancen nach ausführlicher Beratung beim Suizid assistieren; dies ist gegebenenfalls im BGB zu verankern. 8 9 10 11 Die FDP fordert zum Thema „Selbstbestimmung am Ende des Lebens“ eine ausführliche Debatte in Politik und Gesellschaft. Die Bundestagsdebatte am 13. November 2014 war ein würdiger Anfang; das Thema muss jedoch in der Öffentlichkeit weiter vertieft werden. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 106 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 107 Antrag 304 Betr.: Für einen selbstbestimmten und würdevollen Tod – Aktive Sterbehilfe bei Kindern Antragsteller: Bundesvorstand Junge Liberale Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 Die Freien Demokraten sprechen sich für die Möglichkeit der aktiven Sterbehilfe auch bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren aus. Das jüngst in Belgien verabschiedete Gesetz soll auch für Deutschland diskutiert werden. 4 5 6 7 8 9 10 11 Die schlussendliche Entscheidung über die Inanspruchnahme der Sterbehilfe soll, nach zwei Mündigkeitsgutachten durch zwei unabhängig urteilende Kinderpsychologen, letztendlich beim Kind alleine liegen. Bei Uneinigkeit der Gutachten, ist die Mündigkeit nicht gegeben. Die Erziehungsberechtigten, der behandelnde Arzt sowie ein weiterer ärztlicher Kollege sollen verpflichtend hinzugezogen werden. Die Koordination des Verfahrens soll durch einen der Kinderpsychologen mit entsprechender Zusatzqualifikation erfolgen. Die Erkrankung muss nach jetzigem Stand der Medizin unheilbar und mit unzumutbarem Leid verbunden sein. 12 13 14 15 Bei einer jeden Erkrankung sollten stets zuerst die Möglichkeiten der Palliativmedizin ausgereizt werden. Die Freien Demokraten sprechen sich für eine weitergehende Förderung der Palliativmedizin, insbesondere für Kinder und Jugendliche, aus. Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 108 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 109 Antrag 305 Betr.: Sterbehilfe legalisieren – auch für Minderjährige Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 Die FDP fordert die Erlaubnis der aktiven, passiven sowie indirekten Sterbehilfe und die Schaffung einer eindeutigen rechtlichen Grundlage zu dieser Thematik. 3 4 5 Aus unserer Sicht ist es unabdingbar, dass jeder Mensch nicht nur das Recht zur Gestaltung des eigenen Lebens hat, sondern auch das des eigenen Sterbens haben muss. 6 7 8 9 In vielen anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden, Belgien oder der Schweiz ist dieses Recht der Betroffenen gesetzlich verankert. Das deutsche Strafgesetzbuch hat für diesen Fall hingegen noch keine ausdrückliche Regelung getroffen. 10 Dies muss unter folgenden konkreten Richtlinien nachgeholt werden: 11 1. Krankheitsbild: 12 13 14 - Die Person erleidet als Folge eines Unfalls oder einer Erkrankung anhaltendes unerträgliches Leiden, macht eine anhaltende und unerträgliche Notlage geltend, oder leidet unter einer unheilbaren degenerativen und tödlichen Krankheit und 15 16 17 - Die Person ist der Auffassung, dass sie sich auf Grund der Beeinträchtigung ihrer Würde und ihrer Lebensqualität in einer Lage befindet, in der sie ihre Existenz nicht fortsetzen möchte. 18 2. Willenserklärung: 19 20 21 22 - Der Wunsch zur Sterbehilfe muss, wenn die betroffene Person physisch nicht in der Lage ist ihren Willen zu bekunden, im Vorwege durch eine Patientenverfügung festgelegt worden sein. Liegt keine vor, reichen Aussagen von Angehörigen zur Willensbekundung nicht aus. 23 - Die Willensbekundung zur Sterbehilfe muss notariell beglaubigt werden. 24 25 - Die Freiwilligkeit zum Zeitpunkt der Willenserklärung muss eindeutig feststehen und selbstverantwortlich getroffen worden sein. 26 3. Rechtliches: 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 110 27 28 29 30 31 32 - Bevor dem Wunsch nach Sterbehilfe stattgegeben wird, muss in jedem Fall ein zweifach geprüftes fachärztliches Gutachten, welches eindeutig belegt, dass die betroffene Person unheilbar krank ist, vorliegen. Des Weiteren ist schriftlich dokumentiert nachzuweisen, dass die betroffene Person fachärztlich umfassend und verständlich über ihren Gesundheitszustand sowie über alternative Möglichkeiten, insbesondere der Palliativmedizin, informiert wurde. 33 34 - Der Tod der Person darf nur in Anwesenheit eines weiteren Arztes herbeigeführt werden. 35 36 - Ärzte und Pflegepersonal dürfen zur Ausführung der Sterbehilfe nicht verpflichtet werden. 37 38 - Jeder Fall aktiver Sterbehilfe ist einer Kontrollkommission vorzulegen und eingehend dahingehend zu prüfen, ob die rechtliche Vorgabe eingehalten wurde. 39 40 41 - Das Leiden Betroffener kennt leider auch keine Altersgrenze. Wir fordern daher die aktive, passive und indirekte Sterbehilfe – unter folgenden zusätzlichen Bedingungen auch auf Minderjährige auszuweiten: 42 43 - Es bedarf in jedem Fall eines Antrages der Eltern bzw. des gesetzlichen Vertreters. 44 45 46 - Es bedarf in jedem Fall eines fachärztlichen Gutachtens, welches eindeutig belegt, dass die betroffenen Patienten unheilbar krank sind und unter starken Schmerzen leiden, die nicht durch Medikamente zu lindern sind. Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 111 Antrag 306 Betr.: Selbstbestimmtes Sterben durch assistierten Suizid Antragsteller: Landesverband Bayern Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 Die FDP fordert, dass die Hilfestellung zur Realisierung eines frei und selbstbestimmt gefassten Entschlusses zum Freitod weiterhin für alle straffrei bleiben muss. Dabei muss das Recht des einzelnen Menschen selbstbestimmt auch über das Ende seines Lebens zu entscheiden, im Mittelpunkt stehen. 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Natürlich darf kein Arzt oder sonstiger Angehöriger der Heilberufe dazu gezwungen werden, lebensbeendende Maßnahmen vorzunehmen. Wenn Ärzte aber dem eindeutigen, nachhaltigen Willen von Patienten nachkommen, ihnen beim Sterben zu helfen, soll dies straflos sein. Die Beihilfe zum Freitod soll auch weiterhin straffrei bleiben. Ein helfender Arzt muss den Nachweis erbringen, dass er den Patienten ausführlich über Möglichkeiten der Palliativmedizin und, soweit der Wunsch zu sterben eher einen sozialen Hintergrund hat, über Beratung durch geeignete Einrichtungen wie die großen Sozialverbände oder die deutsche Hospizgesellschaft informiert hat. 14 15 16 17 Die FDP spricht sich für einen deutlichen Ausbau der ambulanten und stationären palliativmedizinischen und Hospizversorgung aus, damit Menschen – primär psychosozial betreut – in angemessener Umgebung dem bevorstehenden Tod entgegen gehen können. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 112 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 113 Antrag 307 Betr.: Die Würde des Menschen ist unantastbar bis zum Lebensende Antragsteller: Landesverband Berlin Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 Die FDP fordert, dass die Hilfestellung zur Realisierung eines frei und selbstbestimmt gefassten Entschlusses zum Freitod weiterhin für alle straffrei bleiben muss. Dabei muss das Recht des einzelnen Menschen selbstbestimmt auch über das Ende seines Lebens zu entscheiden, im Mittelpunkt stehen. 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Natürlich darf kein Arzt oder sonstiger Angehöriger der Heilberufe dazu gezwungen werden, lebensbeendende Maßnahmen vorzunehmen. Wenn Ärzte aber dem eindeutigen, nachhaltigen Willen von Patienten nachkommen, ihnen beim Sterben zu helfen, soll dies straflos sein. Die Beihilfe zum Freitod soll auch weiterhin straffrei bleiben. Ein helfender Arzt muss den Nachweis erbringen, dass er den Patienten ausführlich über Möglichkeiten der Palliativmedizin und, soweit der Wunsch zu sterben eher einen sozialen Hintergrund hat, über Beratung durch geeignete Einrichtungen wie die großen Sozialverbände oder die deutsche Hospizgesellschaft informiert hat. Diese Regelung soll für alle Bundesländer gleichermaßen gelten. 15 16 17 18 Die FDP spricht sich für einen deutlichen Ausbau der ambulanten und stationären palliativmedizinischen und Hospizversorgung aus, damit Menschen – primär psychosozial betreut – in angemessener Umgebung dem bevorstehenden Tod entgegen gehen können. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 114 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 115 Antrag 308 Betr.: Ausbau der Palliativmedizin Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 Um den Herausforderungen des demographischen Wandels, der unter anderem zu einer Zunahme schwerer Erkrankungen in höherem Lebensalter führt zu begegnen, setzt sich die FDP für einen bedarfsangepassten Ausbau der Palliativmedizin im ambulanten-, stationären- und im Hospizbereich ein. 5 6 7 Parallel hierzu sind eine Anpassung der Ausbildungskapazitäten beteiligter Berufsgruppen und eine breite und umfassende Aufklärung über die Aufgaben und Möglichkeiten der Palliativmedizin erforderlich. 8 9 10 11 12 13 14 An Krankenhäusern und unabhängigen Pflegeeinrichtungen soll die Zahl der Pflege- und Versorgungsplätze für die Leiden in der letzten Lebensphase deutlich ausgebaut werden, um jedem Menschen in größtmöglichem Maße dabei zu unterstützen, auch in der Lebensphase ohne Aussicht auf Heilung seiner Leiden menschenwürdig und selbstbestimmt zu leben. Die Finanzierung dieser Leistungen aus Pflegekassen und Krankenkassen muss darüber hinaus ausgebaut werden. Begründung: Die Möglichkeiten der heutigen Medizin, das Lebensende hinauszuschieben sind vielfältig und werden ggf. gemäß einer vorliegenden Patientenverfügung angewandt oder eingeschränkt. Situationen, in denen ihr Einsatz keine Verbesserung der Gesundheit mehr ermöglicht, oder der Patient deren Anwendung an sich aus unterschiedlichsten Gründen ablehnt, sollen den Menschen nicht in einem unwürdigen Siechtum überlassen. Je nach Lebenssituation soll die Palliativmedizin den Patienten in dieser Phase psychisch und medikamentös unterstützen und falls erforderlich die notwendigen Pflegeleistungen in einer absehbar begrenzten Lebensphase bereitstellen. Die akuten Leidenserscheinungen, vor allem die Schmerzen, sollen in dieser Phase so weit wie möglich unterdrückt werden. Körperlich und geistig ist ein Lebensumfeld anzustreben, dass es dem Menschen erspart, aus Verzweifelung über seine Leiden sein Lebensende herbeizusehnen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 116 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 117 Antrag 309 Betr.: Für ein weltoffenes Deutschland. Die Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik der Freien Demokraten. Antragsteller: Christian Lindner (LV Nordrhein-Westfalen), Wolfgang Kubicki (LV Schleswig-Holstein), Katja Suding (LV Hamburg), Christian Dürr (LV Niedersachsen), Florian Rentsch (LV Hessen), Hans-Ulrich Rülke (LV Baden-Württemberg) und 31 weitere Delegierte Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Von den knapp 81 Millionen Menschen in Deutschland haben inzwischen rund 16 Millionen ausländische Wurzeln. Allein im Jahr 2014 sind schätzungsweise weit über 1,2 Millionen Menschen zu uns gekommen – um hier Arbeit zu finden, zum Studieren oder als Flüchtlinge. In dieser Entwicklung sehen wir Freien Demokraten keine Bedrohung, sondern eine Chance. Wir wollen weltweit aktiv um Menschen werben, deren Tatkraft Deutschland stärken kann. Zugleich fühlen wir uns humanitär verpflichtet, Menschen, die vor Unrecht und Gewalt fliehen müssen, bei uns eine menschenwürdige Zuflucht zu gewähren. Die Gründe, nach Deutschland zu kommen, sind vielfältig. Umso wichtiger ist es, endlich Regeln zu schaffen, die eine klare Richtschnur sind – sowohl für unsere Aufnahmegesellschaft als auch für all diejenigen, die nach Deutschland einwandern. 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 Wir Freie Demokraten verwehren uns mit aller Entschiedenheit gegen Versuche, Ressentiments und pauschale Vorverurteilungen gegen Einwanderer und Flüchtlinge in unsere Gesellschaft zu tragen. Um ein Bild einer vermeintlichen Überfremdung zu zeichnen, werden insbesondere immer wieder die beiden Rechtskreise Einwanderung und Asyl unzulässig vermengt, die grundsätzlich zu trennen sind. Wer berechtigterweise um Asyl ersucht, der leidet an politischer Verfolgung, er wird aus religiösen, weltanschaulichen oder ethnischen Gründen bedroht. Wer hingegen als Einwanderer zu uns kommt, der möchte seine Fähigkeiten einsetzen, um in einem fremden Land Erfolg zu haben, zu Wohlstand zu kommen und dort sein persönliches Glück zu finden. Aus diesem Grund müssen die Maßstäbe, Anforderungen und Regeln zwischen Asyl und Einwanderung klar voneinander abgegrenzt werden. 24 25 26 27 28 29 Beide Bereiche eint jedoch, dass Menschen ihre Heimat verlassen, um in Deutschland zeit-weise oder längerfristig ihr Leben verbringen zu können. Es ist daher notwendig, Brücken zwischen den bürokratischen Systemen Asyl und Einwanderung zu schlagen: Wer als Flüchtling kommt, kann auch die Anforderungen zur Einwanderung erfüllen [1]. Dies ist vor allem dann relevant, wenn das zugehörige Asylverfahren mangels Asylgründen aussichtslos ist. Auch ist es da- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 118 30 31 32 33 34 35 mit möglich, Flüchtlingen, die hinreichend qualifiziert sind und dementsprechend die Voraussetzungen zur Einwanderung erfüllen, eine dauerhafte Bleibeperspektive zu eröffnen. Regelmäßig sollte daher überprüft werden, ob ein (vermeintlicher) Flüchtling die Voraussetzungen zur Einwanderung erfüllt, um den Übergang zwischen den Systemen substantiell zu erleichtern. Wir wollen damit auch qualifizierten Flüchtlingen Bleibeperspektiven eröffnen. 36 37 38 39 40 41 42 Einheimische – ob mit oder ohne Migrationsgeschichte – und Einwanderer bilden zusammen unsere offene Bürgergesellschaft, in der niemand seine kulturellen Wurzeln aufgeben muss. Die offene Bürgergesellschaft erhält ihre Vielfalt gerade durch den Austausch zwischen verschiedenen Ansichten und Lebensentwürfen auf der Basis gegenseitiger Toleranz. Gerade deshalb sind aber gemeinsame Regeln, gegenseitiger Respekt und Bereitschaft zu Teilhabe unabdingbar für das Miteinander. 43 44 45 46 47 48 49 50 Wo Menschen unterschiedlicher kultureller, sozialer und religiöser Prägung zusammenleben, wird es immer auch Spannungen und Konflikte geben. Dieser Herausforderung stellen wir uns; denn wir halten es für falsch, aus gut gemeinter Absicht Probleme zu ignorieren. Denjenigen aber, die Pauschalurteile verbreiten, Ressentiments schüren oder Ängste politisch instrumentalisieren, werden wir uns als Liberale stets mit ganzer Kraft entgegenstellen. Toleranz, Offenheit, eine Kultur des Miteinanders – das sind für uns grundlegende Werte. In der modernen Welt sind sie zugleich unverzichtbare Standortfaktoren. 51 I. Deutschland braucht ein Einwanderungsgesetz! 52 Eckpunkte einer neuen Einwanderungspolitik 53 54 55 56 57 Wir Freien Demokraten schauen nicht zuerst darauf, woher jemand kommt. Für uns zählt, was er oder sie erreichen will. Wir begreifen es als Chance für uns alle, wenn Menschen in unser Land einwandern und hier zu Bürgern werden. Wer Teil unserer offenen Bürgergesellschaft sein will, etwas erreichen möchte und die Werte unseres Grundgesetzes akzeptiert, den heißen wir willkommen. 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 In den letzten Jahrzehnten hat sich Deutschland zu einem Einwanderungsland entwickelt. Die aktuell hohen Einwandererzahlen dürfen kein Anlass zum Ausruhen sein. Noch 2008 und 2009 verließen mehr Menschen Deutschland, als zu uns kamen; im Schnitt der letzten Jahre wanderten viel zu wenige ein. Außerdem kamen über dreiviertel der Einwanderer aus Europa, so dass ein Ende des gegenwärtigen Zustroms absehbar ist: Der Kontinent altert insgesamt und irgendwann wird sich die Wirtschaft in den Krisenstaaten erholen – dann werden viele dieser Menschen in ihre Heimatländer zurückkehren. Wir müssen unseren Blick deshalb auf Einwanderung aus Staaten außerhalb der EU richten und den klugen Köpfen aus aller Welt den roten Teppich ausrollen. Wir wollen unser Land zu einem Magneten machen für gut qualifizierte und integrationsbereite Einwanderer aus aller Welt, die den persönlichen Aufstieg für sich und ihre Famili- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 119 70 71 en suchen und dabei einen Beitrag zu Wohlstand und Wachstum unserer Gesellschaft leisten wollen. 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 Weltoffenheit und Einwanderung sind in unserem eigenen nationalen Interesse. Sinkende Geburtenzahlen und steigende Lebenserwartung lassen die deutsche Gesellschaft schrumpfen und altern. Dieser demographische Wandel wird dazu führen, dass die Zahl der Deutschen im erwerbsfähigen Alter im Jahr 2050 um bis zu 15 Millionen geringer ist als heute. Erforderlich wäre eine Nettoeinwanderung von über 200.000 Personen pro Jahr. Die Anfänge des drohenden Fachkräftemangels spüren wir bereits: 2014 standen in 139 von 615 Berufsgruppen nicht genügend Fachkräfte zur Verfügung. Selbst wenn es gelingt, die Erwerbstätigkeit von Frauen, Älteren, Menschen mit Behinderungen und gering Qualifizierten deutlich zu erhöhen, wird sich dieser Trend ohne Einwanderung nicht stoppen lassen. 83 84 85 86 87 88 89 Nur mit mehr gesteuerter Einwanderung können wir verhindern, dass sich das Wachstum abschwächt und unser aller Wohlstand in Gefahr gerät; denn weniger Fachkräfte führen zum Wegfall weiterer Arbeitsplätze – weil Unternehmen ihre Wettbewerbsposition einbüßen oder Standorte ins Ausland verlagern. Mit mehr ausländischen Fachkräften können dagegen zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, weil durch sie die Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft insgesamt wächst. 90 91 92 93 94 95 96 97 Mit qualifizierten Einwanderern als zusätzlichen Beitragszahlern kann es außerdem gelingen, unsere Sozialsysteme zu stabilisieren – insbesondere die Rente. Mit ihren Steuern leisten sie schließlich auch einen Beitrag zur Entlastung der öffentlichen Haushalte. Aber nicht nur für Unternehmen und die öffentliche Hand ist gezielte Einwanderung von Nutzen. Auch Hochschulen, Forschungsund Kultureinrichtungen profitieren von kreativen Köpfen und neuen Ideen. Richtig organisiert und unter internationalen Regeln nützt Migration auch den Herkunftsstaaten. 98 99 100 101 102 Wir Freien Demokraten setzen deshalb auf eine aktive und gezielte Einwanderungspolitik. Einwanderung muss vorausschauend und klug gesteuert werden. Dazu setzen wir auf ein Punktesystem, das sowohl die Integrationsfähigkeit der Einwanderer als auch die Erfordernisse des deutschen Arbeitsmarktes berücksichtigt. 103 104 105 106 107 108 109 110 Bei der Liberalisierung des Einwanderungsrechts hat die FDP in Regierungsverantwortung bereits einiges erreicht: Bei der Einführung der Blauen Karte (Blue Card) haben wir die EU-Vorgaben großzügig umgesetzt, um die Einwanderung von Hochqualifizierten zu erleichtern; insbesondere die erforderlichen Mindestverdienstgrenzen wurden signifikant gesenkt. Auch für Unternehmensgründer, Auszubildende und Studenten aus Drittstaaten gab es Erleichterungen. Mit der Neufassung der Beschäftigungsverordnung wurde der deutsche Arbeitsmarkt zudem erstmals auch für Fachkräfte ohne akademischen Abschluss geöffnet. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 120 111 112 113 114 115 116 Besonders stolz sind wir Freien Demokraten auf das sogenannte „Jobseeker-Visum“ (Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche für qualifizierte Fachkräfte, § 18c Aufenthaltsgesetz). Es erlaubt erstmals die Einwanderung zur Arbeitssuche; sechs Monate darf sich der Inhaber hierzu nun in Deutschland aufhalten. Zuvor war ein vorliegender Arbeitsvertrag Zuzugsvoraussetzung. Mit dem Jobseeker-Visum ist uns der Einstieg in ein Punktesystem gelungen. 117 118 119 120 121 122 123 124 125 Von den Vorteilen des Punktesystems sind wir überzeugt: Langfristige, demographisch bedingte Lücken auf dem Arbeitsmarkt können geschlossen werden. Kleine und mittlere Unternehmen kommen leichter an ausländische Fachkräfte; denn sie können sich die Bewerber im Inland suchen und sind nicht länger auf Vermittlungsdienste angewiesen. Hinzu kommt der Werbeeffekt: Die Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für Fachkräfte aus Drittstaaten ist in vielen kleinen Schritten verlaufen, die im Einzelnen von vielen kaum wahrgenommen wurden. Die Schaffung eines Punktesystems kann dagegen große Symbolkraft entfalten. 126 127 128 129 Wir Freie Demokraten bekennen uns zu den Chancen, die sich Deutschland durch die Einwanderung eröffnet, und wir stellen uns der Verantwortung, die Einwanderungspolitik zum Wohle unseres Landes zu gestalten. Vor diesem Hintergrund wollen wir 130 131 · das Einwanderungsrecht zu einem vollständigen Punktesystem ausbauen. 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 Mit dem Jobseeker-Visum hat die FDP in Regierungsverantwortung den Einstieg in ein Punktesystem geschafft. Deshalb ist dieser Aufenthaltstitel Ausgangspunkt unserer Pläne zur Reform des Einwanderungsrechts. Wir wollen das Jobseeker-Visum zu einem vollständigen und klaren Punktesystem weiterentwickeln, das Einwanderung nach klaren Kriterien wie Bildungsgrad, Alter und Fachkräftebedarf steuert. Blue Card und Beschäftigungsverordnung bleiben daneben bestehen. Wer bereits einen Arbeitsvertrag in der Tasche hat, kann weiterhin auch auf diesem Weg einwandern. Mit dieser Kombination von angebots- und nachfrageorientierten Elementen schaffen wir ein Einwanderungsrecht, das international auf der Höhe der Zeit ist. Deshalb wollen wir 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 • • das Jobseeker-Visum reformieren und auf ein Jahr verlängern. Die Einwanderung soll nach Kriterien wie Bildungsgrad, Sprachkenntnis, Alter und Fachkräftebedarf am Arbeitsmarkt flexibel gesteuert werden. Zudem muss mehr Zeit für die Arbeitsplatzsuche bleiben; für Menschen, die aus anderen Kulturkreisen oder gar weit entfernten Teilen der Welt zu uns kommen, sind sechs Monate zu knapp bemessen. während der Suchphase eine zeitlich befristete Erwerbstätigkeit ermöglichen. Einwanderer müssen bereits vor der Einreise die Mittel für ihren Lebensunterhalt nachweisen. Das soll künftig nur für die ersten sechs Monate des verlängerten Jobseeker-Visums gelten. Danach soll der Nach- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 121 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 • • • • • • • weis auch durch in Deutschland erarbeitetes Einkommen erbracht werden können. So senken wir eine schwer zu überwindende Einwanderungshürde und verhindern gleichzeitig den Bezug von Sozialleistungen durch Jobseeker. das Jobseeker-Visum für qualifizierte Fachkräfte aus nichtakademischen Berufen sowie potenzielle Azubis öffnen. In vielen Engpassberufen fehlen Facharbeiter, Handwerker, andere beruflich Qualifizierte und Auszubildende; auch sie sollen im Rahmen eines Punktesystems nach Deutschland einwandern können. die Liste der Mangelberufe im Bereich der dualen Ausbildung erweitern ,umz.B.dieBeschäftigung von Einwanderern in der Gastronomiebranche zu erleichtern. die Visumvergabe entbürokratisieren und beschleunigen. Die Beteiligung verschiedener Stellen und die Verwendung von Papierformularen führen zu unnötigen Verzögerungen. Zudem sind die bearbeitenden Behörden, wie z.B. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, personell in die Lage zu versetzen, Anträge schneller zu bearbeiten. Der Antrag auf eine Blue Card soll bereits im Ausland an der deutschen Botschaft gestellt werden können – sofern ein Arbeitsvertrag vorliegt. Der Umweg über ein Visum kann dann in diesem Fall komplett entfallen. die Gehaltsgrenzen bei der Blue Card weiter senken. Hier brauchen wir für alle Berufe ein realistisches Maß, das sich an den berufsspezifischen Gehältern orientiert. Denkbar ist auch eine Staffelung abhängig von Erfahrung oder deutschen Sprachkenntnissen. die Blue Card auch denjenigen gewähren, die eine dem Hochschul-/Fachhochschulabschluss vergleichbare Qualifikation haben und dies durch eine mindestens dreijährige Berufserfahrung nachweisen können. die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausbildung analog der Bedingungen zum Aufenthalt zum Studium für die anschließende Berufssuche von einem Jahr auf 18 Monate nach dem Abschluss der Ausbildung verlängern. mit einem Einwanderungsgesetzbuch für Übersichtlichkeit sorgen. Nach den Reformetappen der letzten 15 Jahre sind die Regelungen des deutschen Einwanderungsrechts komplex und auf zahlreiche Gesetze und Verordnungen verstreut. Gerade kleinen und mittleren Unternehmen bereitet das Probleme, die wir beseitigen wollen. 189 · die schnelle Anerkennung von Bildungsabschlüssen verbessern. 190 191 192 193 Bis im Ausland erworbene Abschlüsse anerkannt sind, vergeht immer noch zu viel Zeit. Der 2012 unter Mitwirkung der FDP auf Bundesebene geschaffene Rechtsanspruch auf Anerkennungsprüfung war zwar eine Pioniertat, doch liegt noch Vieles im Argen: Ämter sind überlastet und die deutsche Amtssprache 188 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 122 194 195 bleibt eine Hürde. Die Folge ist, dass immer noch viele Eingewanderte weit unter ihrem eigentlichen Qualifikationsniveau arbeiten. Deshalb wollen wir 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 • 208 · für das Einwanderungsland Deutschland weltweit werben. 209 210 211 212 213 Die Liberalisierung des deutschen Einwanderungsrechts geschah in vielen Einzelschritten über einen langen Zeitraum. Auch wenn die Entwicklung unter der Regierungsverantwortung der FDP einen entscheidenden Schub bekam, ist die positive Signalwirkung – gerade auf Menschen außerhalb Europas – ausgeblieben. Deshalb wollen wir 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 • 232 · den Erwerb der deutschen Sprache fördern und fordern. • • • • • • • die Verwaltungspraxis bei der Anerkennung deutlich beschleunigen. Hierzu ist neben einem Personalaufbau auch die Schaffung von Erstanlaufpunkten nötig, die umfassende Hilfestellung leisten. den Eingewanderten einen Rechtsanspruch auf eine vorherige Beratung einräumen, in der ihnen der Weg zur Anerkennung ihres Abschlusses konkret aufgezeigt wird. die bundesweite Vergleichbarkeit von ausländischen Abschlüssen sicherstellen. Gerade bei den nicht „verkammerten“ Berufen besteht hier auf Seiten der Bundesländer großer Nachholbedarf. die Kapazitäten für Nachqualifizierungen ausweiten, damit auch diejenigen eine Chance auf Anerkennung haben, deren Abschluss noch nicht vollumfänglich mit einem in Deutschland erworbenen vergleichbar ist. eine einwanderungspolitische Gesamtstrategie erarbeiten. Dazu müssen alle Beteiligten – Bundesregierung, Bundesagentur für Arbeit, Universitäten, Unternehmen, Auslandsvertretungen, Konsulate, Außenhandelskammern, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge usw. – unter enger Beteiligung der Länder und der Kommunalen Spitzenverbände – ein gemeinsames Konzept erarbeiten. in diesem Zusammenhang eine Anwerbestrategie entwickeln, die in sich schlüssig und nachfrageorientiert ist sowie besonders benötigte Fachkräfte gezielt anspricht. allgemeine Werbemaßnahmen intensivieren – etwa im Rahmen der Initiative „Make it in Germany“. Die Informationsangebote müssen gut vernetzt sein und nicht nur auf Englisch, sondern auch in weiteren Fremdsprachen zur Verfügung stehen. die Möglichkeiten der Einwanderung auch nach „innen“ bekannt machen. Gerade das neue Instrument des Jobseeker-Visums ist bei den Unternehmen noch weitgehend unbekannt. eine intensivere Zusammenarbeit mit Kultur- und Sprachinstituten im Ausland, um für eine Einwanderung in unser Land zu werben. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 123 233 234 235 236 237 238 239 Die deutsche Sprache zu beherrschen, ist der Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg und einem gesellschaftlichen Miteinander. Das Angebot an Deutschkursen ist daher auszubauen. Gerade für Kinder und junge Einwanderer sind Deutschkenntnisse entscheidend dafür, ob ihnen der Bildungsaufstieg in Deutschland gelingt. Aber auch für ältere Menschen ist das Beherrschen der deutschen Sprache der Schlüssel zu einer gelungenen Integration in unsere Gesellschaft. Deshalb wollen wir 240 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 • 256 257 · Ausländerämter und Visavergabestellen zu Service- und Willkommenszentren umbauen. 258 259 260 261 262 263 264 Ausländerämter und Visavergabestellen der Botschaften müssen zu Aushängeschildern für die Gewinnung kluger Köpfe werden. Gleichzeitig sollten die Ausländerbehörden in Deutschland sich als Pfadfinder bzw. Service- und Integrationsbehörden für ausländische Fachkräfte verstehen. Hier wollen wir die Menschen, die dauerhaft zu uns kommen wollen, willkommen heißen und über alle ihre Möglichkeiten, Rechte und Pflichten am besten schon im Herkunftsland aufklären. Deshalb wollen wir 265 266 267 268 269 270 271 272 • • • • • • • Integrationskurse zielgruppenspezifischer ausrichten und bei entsprechendem Bedarf verpflichtende Deutschkurse einführen. Eine stärkere Gewichtung nach Bildungsstand und bereits vorhandenem deutschen Sprachniveau kann hier zu schnelleren Erfolgen führen. die Deutschförderung für Fachkräfte sowie die Mittel für Integrationskurse ausweiten. Es muss zudem mehr Angebote für berufsspezifische Deutschkurse geben. Vorbereitungskurse auf das Leben in Deutschland bereits im Heimatland durchführen, um Anlaufschwierigkeiten möglichst gering zu halten. für jedes Kind Sprachstandstests und – bei entsprechendem Bedarf – verpflichtende Sprachförderung einführen. So wollen wir beispielsweise rechtzeitig vor der Einschulung sicherstellen, dass auch Kinder von Einwanderern befähigt sind, sich schulisch zu entwickeln. die kombinierte Sprachförderung von Eltern und Kindern fördern. Diese kann ein wichtiges ergänzendes Angebot der nachholenden Integration sein. die offiziellen Beratungsmöglichkeiten zu allen Aspekten der Lebensentscheidung „Migration“ für Einwanderungsinteressenten ausbauen. umfassende Beratung „aus einer Hand“ anbieten („One-Stop-Agency“). Eine solche zentrale Anlaufstelle mit Bündelungsfunktion erleichtert den Neustart in Deutschland. das in einigen Städten erfolgreich praktizierte System von Integrationslotsen, die Einwanderer in den ersten Wochen auf Wunsch begleiten, weiter ausbauen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 124 273 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287 288 289 290 291 292 293 • 294 · Deutschland für Einwanderer noch attraktiver machen. 295 296 297 298 299 300 301 302 303 Unser Problem ist nicht, dass zu viele unqualifizierte Zuwanderer zu uns kommen, sondern dass viele qualifizierte Einwanderer – aber auch Deutsche – unser Land wie-der verlassen. Damit mehr Menschen nach Deutschland einwandern, müssen sie die Erwartung haben, dass sie hier willkommen sind und optimale Bedingungen für ihr neues Leben vorfinden. Damit die Eingewanderten auch dauerhaft hier bleiben, müssen sie die Chance auf ein zufriedenes Leben haben. Die rechtlichen Rahmenbedingungen einwanderungsfreundlich zu gestalten, ist dabei nur ein erster Schritt. Wir müssen die Menschen, die zu uns kommen, auch annehmen. Deshalb wollen wir 304 305 306 307 308 309 310 311 312 313 314 • • • • • • • die Personalausstattung der Ausländerbehörden verbessern. Gerade in größeren Städten mit einem hohen Ausländeranteil sind lange Wartezeiten an der Tagesordnung. das Umdenken in den Ämtern fördern. Das deutsche Recht war lange Zeit auf Abwehr und Abschottung ausgerichtet. Die Liberalisierungen der letzten Jahre bestimmen leider noch nicht überall das Verwaltungshandeln. Die Erkenntnisse des auf wenige Städte beschränkten Modellprojekts „Ausländerbehörden – Willkommensbehörden“ müssen flächendeckend durch konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. dazu den Anteil von Arbeitnehmern mit Einwanderungsgeschichte im Öffentlichen Dienst erhöhen und so die interkulturelle Öffnung der Verwaltung erreichen. verpflichtende Weiterbildungskurse zur interkulturellen Kompetenz für den öffentlichen Dienst mit Publikumsverkehr einführen und diese Kenntnisse schon in der Grundausbildung vermitteln. sicherstellen, dass in den für Einwanderung relevanten Bereichen eine Verständigung in englischer Sprache möglich ist und umfassende Informationsbroschüren in weiteren Sprachen – möglichst in den verbreitetsten Muttersprachen der Einwanderer – anbieten. Informationsbroschüren sollten in einfacher Sprache verfasst sein und u.a. Regelwerk, Ansprechpartner, Rechte und Pflichten benennen. die viel zitierte „Willkommenskultur“ mit Leben erfüllen. Dies erfordert von jedem Einzelnen die Bereitschaft, sich offen zu zeigen für Neuankömmlinge aus dem Ausland – in Betrieb, Schule, Verein oder Nachbarschaft. ausländerfeindlichen Protesten entschieden entgegentreten. Wir wollen zeigen, dass Deutschlands generelle Offenheit für Einwanderer nicht zur Diskussion steht. Einwanderungs- und Integrationsdebatten müssen fundiert, differenziert und lösungsorientiert geführt werden. Deutschland eine Spitzenstellung im weltweiten Standortwettbewerb sichern. Das geltende Einwanderungsrecht ist dabei nur eine Voraussetzung von vielen. Entscheidend sind das positive Image eines Landes, die Stärke 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 125 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331 332 333 334 335 336 337 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 • • • • • seiner Wirtschaft, eine überschaubare Steuerlast und die Durchlässigkeit seines Bildungssystems. den Hochschulen mehr Mittel zur Betreuung ausländischer Studierender zur Verfügung stellen, insbesondere zur Unterstützung bei der Wohnungssuche und der Vermittlung sozialer Kontakte in der Anfangszeit und zur Vermittlung in Arbeit in der Endphase des Studiums. die Bedingungen zur Erlangung der Niederlassungserlaubnis für alle Einwanderergruppen vereinheitlichen. Die Niederlassungserlaubnis, also das Recht, dauerhaft in Deutschland bleiben zu dürfen, sollte nicht von den Rechtsgrundlagen der Einwanderung (Blue Card, Jobseeker-Visum, Asyl, etc.) abhängen, sondern vom Ausmaß der vollzogenen Integration in die deutsche Gesellschaft. Die Vereinheitlichung sollte auf Grundlage der für Einwanderer günstigsten derzeit geltenden Regelungen – die der Blue Card – erfolgen: Die Niederlassungserlaubnis erhält, wer sich seit zwei Jahren mit Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufgehalten und in diesen zwei Jahren die Bedingungen des heutigen § 9 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz erfüllt hat: Sicherung des Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen durch feste und regelmäßige Einkünfte, ausreichender Wohnraum, Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen über die Dauer von zwei Jahren, ausreichende deutsche Sprachkenntnisse und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie der Lebensverhältnisse in Deutschland. Seinem Aufenthalt dürfen zudem keine Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entgegenstehen. Von dieser Vereinheitlichung nicht betroffen ist die Möglichkeit, nach § 19 Aufenthaltsgesetz Hochqualifizierten – also z. B. Wissenschaftlern mit besonderen fachlichen Kenntnissen – eine sofortige Niederlassungserlaubnis zur Erwerbstätigkeit zu erteilen. gut Integrierten eine beschleunigte Einbürgerung nach vier Jahren ermöglichen. Die Aussicht auf die deutsche Staatsbürgerschaft kann die Integration und Identifikation mit unserem Land fördern. Sie kann ein Anreiz sein, sich sprachlich und beruflich rasch zu integrieren. Mehrfachstaatsbürgerschaften grundsätzlich zulassen. Viele Einwanderer sind von mehreren Kulturen geprägt und fühlen sich diesen zugehörig. Niemand sollte gezwungen sein, sich zwischen dem Land seiner Vorfahren und dem Land seines Lebensmittelpunktes zu entscheiden. für Drittstaatsangehörige das Ausländerwahlrecht auf kommunaler Ebene einführen. Wenn jemand seinen Lebensmittelpunkt bereits seit fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland hat, soll er auch die Chance erhalten, sein Lebensumfeld mitzugestalten. 354 II. Zuflucht in Deutschland 355 Menschliche Verpflichtung und Chance 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 126 356 357 358 359 360 Mehr als 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht vor Krieg und scher Verfolgung – so viele wie nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. von ihnen suchen Zuflucht in Deutschland: 2014 gab es bundesweit 200.000 Asylanträge – nach 127.000 im Jahr 2013. Zuletzt kamen vor 20 ren so viele Flüchtlinge zu uns. politiViele über Jah- 361 362 363 364 365 366 367 Für Politik und Verwaltung, soziale Einrichtungen, Kirchen und nicht zuletzt für die vielen ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürger bedeutet das gewaltige Herausforderungen: Das Aufnahmeverfahren muss trotz des Massenansturms zügig organisiert sowie die Flüchtlinge menschenwürdig untergebracht und in die Gesellschaft eingegliedert werden. Gerade Städte und Gemeinden sind dabei zusehends überfordert und bedürfen der Unterstützung durch die Länder und den Bund. 368 369 370 371 372 373 Wir wollen einen solidarischen Beitrag dafür leisten, dass Deutschland und Europa in der Welt ein sicherer Zufluchtsort für politisch Verfolgte ist. Deswegen setzen wir uns für eine bundes- und europaweite menschenwürdige Regelung des Grundrechts auf Asyl und einen Europäischen Verteilungsschlüssel für Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge – ähnlich dem Königsteiner-Schlüssel in Deutschland – ein. 374 375 376 377 378 Dabei wollen wir die Chancen zur Teilhabe bieten und alle Anstrengungen unternehmen, Menschen zur Integration zu befähigen. Die Fähigkeit zur Integration hängt in vielen Fällen immer noch von Faktoren ab – Familie, Bildungsweg, soziales Umfeld – die der Einzelne nur schwer beeinflussen kann und die im ungünstigen Fall den Zugang in die Gesellschaft erheblich erschweren. 379 Vor diesem Hintergrund wollen wir 380 381 · das Asylverfahren beschleunigen und bürokratische Hürden abbauen 382 383 384 385 386 387 388 Wer in Deutschland einen Antrag auf Asyl stellt, muss teilweise bis zu 20 Monate auf einen Bescheid warten. Während dieses Verfahrens finden Asylbewerber nur begrenzt Zugang zum Arbeitsmarkt, da ihr Aufenthaltsstatus nicht geklärt ist und daher von einem Anstellungsverhältnis häufig abgesehen wird. Dies widerspricht nicht nur dem Bestreben, Flüchtlinge schnellstmöglich zu integrieren, sondern sorgt auch für eine Perspektivlosigkeit der Betroffenen. Deshalb wollen wir 389 390 391 392 393 394 395 • eine Beschleunigung des Asylverfahrens herbeiführen. Ziel ist dabei der Abschluss des Verfahrens innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung. Personen, deren Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde und bei denen kein sonstiges Abschiebehemmnis vorliegt, müssen Deutschland zeitnah wieder verlassen. Dies entspricht dem Gedanken, die vorhandenen Ressourcen auf die Flüchtlinge zu konzentrieren, deren Asylverfahren positiv beschieden wurde oder deren Verfahren noch läuft. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 127 396 397 398 399 400 401 402 403 404 • 405 · frühzeitige Bildungsmöglichkeiten für Flüchtlinge anbieten 406 407 408 409 410 411 Bildung, insbesondere der Erwerb unserer Sprache, bildet einen zentralen Aspekt zur Integration von Flüchtlingen. Im Mittelpunkt stehen dabei Kinder und Jugendliche. Bereits im frühkindlichen Bereich braucht es praxisnah vermittelte Sprachförderung. Aber auch Erwachsenen muss durch frühzeitige Bildungsangebote bei der Integration in unsere Gesellschaft geholfen werden. Deshalb wollen wir 412 413 414 415 416 417 418 419 420 421 422 423 424 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434 435 • • • • • • • • das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge personell aufstocken, um die Voraussetzungen für eine schnellere Bearbeitung von Asylanträgen zu schaffen. eine frühzeitige und umfassende Information der Antragsteller über ihre Chancen und Pflichten in mehreren Fremdsprachen. Englisch soll daher als ergänzende Verkehrs- und Arbeitssprache in den für Flüchtlinge relevanten Bereichen der öffentlichen Verwaltung etabliert werden. Flüchtlinge, die in ihre Heimat zurückkehren möchten, mit einem stimmigen Konzept auf ihre Rückkehr vorbereiten. allen Flüchtlingen von Beginn an das Erlernen der deutschen Sprache ermöglichen und entsprechend verpflichtende, kostenlose Sprach- und Integrationskurse flächendeckend und in ausreichender Zahl zur Verfügung stellen. Eventuell anfallende Fahrtkosten zu den Bildungsstätten müssen übernommen werden. die Förderung von Kindern mit Sprachdefiziten mittels Sprachlernklassen verbessern. Die notwendige Zahl der Schülerinnen und Schüler zu Errichtung von Sprachlernklassen ist dabei möglichst gering zu halten. Nur so kann garantiert werden, dass jedes Kind und jeder Jugendliche die optimale Förderung erhält. die Kapazitäten für Sprachförderung auch außerhalb von Sprachlernklassen erhöhen. Dies gewährleistet, dass Kinder und Jugendliche die optimale Betreuung und Förderung erhalten und Sprachförderkonzepte ausgeweitet werden. den Zusammenschluss mehrerer Grundschulen ermöglichen, um gemeinsam Sprachlernklassen einrichten zu können. So können Lehrerstunden optimal eingesetzt und auftretende Probleme gemeinsam gelöst werden. den Einbezug der gesamten Familiebei Bildungsmaßnahmen. Grundlage einer gelungenen Willkommenskultur ist die Integration der ganzen Familie. Eltern bzw. Familien sollen in den Unterricht und in außerunterrichtliche Aktivitäten eingebunden werden. Erzieherinnen und Erzieher bereits in ihrer Ausbildung auf Deutsch als Fremd- bzw. Zweitsprache vorbereiten. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 128 436 437 438 • 439 · eine Einwanderungsperspektive für qualifizierte Flüchtlinge 440 441 442 443 444 Wer am deutschen Arbeitsmarkt gebraucht wird, sollte hier bleiben können – auch wenn er als Flüchtling zu uns kommt. Für Gutqualifizierte und Integrationswillige soll daher während des Asylverfahrens nach Maßgabe der Einwanderungskriterien die Möglichkeit bestehen, einen dauerhaften Aufenthaltstitel zu erlangen. Deshalb wollen wir 445 446 447 448 449 450 451 452 einen unkomplizierten Wechsel zwischen den Rechtskreisen Asyl und Einwanderung. Flüchtlinge sollen bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen als Einwanderer behandelt werden können. Beim Wechsel der Rechtskreise werden Flüchtlinge weder besser noch schlechter gestellt als Bewerber aus dem Ausland. Um ein Umgehen der Einreisebestimmungen für Einwanderer über das Asylrecht zu vermeiden, sind alle Bedingungen des jeweiligen Aufenthaltszweckes auch von Flüchtlingen zu erfüllen. Hierzu ist die Erstaufnahme mit einer standardisierten Qualifikationsabfrage zu verbinden. 453 454 455 456 457 458 459 460 461 462 463 464 465 466 • 467 · die Eingliederung in die Berufstätigkeit beschleunigen 468 469 470 471 472 473 474 475 In Zeiten von demographischem Wandel, Fachkräftemangel und sinkender Arbeitslosigkeit gibt es keine Gründe, Flüchtlinge vom Arbeitsmarkt fernzuhalten. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist jedoch nicht nur eine wirtschafts- und sozialpolitisch relevante Frage. Die Teilnahme am Erwerbsleben und die materielle Selbstständigkeit sind für uns Freie Demokraten fundamentale Bestandteile eines Lebens in Würde. Wir empfinden es daher als völlig unverständlich, warum so vielen Flüchtlingen, die sich legal in Deutschland aufhalten, der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert und de facto verwehrt wird. Deshalb wollen wir • • • • in der Lehramtsausbildung gezielt die Vermittlung von Sprachförderung näher bringen. Alle Lehrerinnen und Lehrer sollen in der Ausbildung auf Deutsch als Fremd- bzw. Zweitsprache vorbereitet werden. Flüchtlingen die Möglichkeit geben, die für Einwanderer im Rahmen des reformierten Jobseeker-Visums geltenden Angebote zu nutzen – aus dem laufenden Asylverfahren heraus. die Bewerbung des Jobseeker-Visums in den Herkunftsländern verstärken und bereits vor Ort dahingehend kanalisieren. die Möglichkeit für Flüchtlinge schaffen, sich auch aus dem laufenden Asylverfahren heraus für eine Blue-Card zu bewerben. ein standardisiertes Prüfungsverfahren zur Abfrage von Fachwissen einzuführen, um die Kompetenzen von solchen Flüchtlingen erfassen zu können, welche ohne vergleichbare Qualifikationsnachweise einreisen. Integration nicht nur fördern, sondern auch fordern. Eine Perspektive auf den Wechsel der Rechtskreise und somit auf Einwanderung kann nur erhalten, wer sich an Recht und Gesetz hält, sich integrationsbereit zeigt und alle Einwanderungskriterien erfüllt. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 129 476 477 478 479 480 481 482 483 484 485 486 487 488 489 490 491 492 493 494 495 496 • 497 · Unterkunft und Betreuung verbessern 498 499 500 501 Flüchtlinge werden oft über einen längeren Zeitraum in zentralen Aufnahmelagern untergebracht. Nicht selten führt dies zu sozialen und psychischen Extremsituationen, die nur schwer durch den Nutzen der zentralen Unterbringung zu rechtfertigen sind. Deshalb wollen wir 502 503 504 505 506 507 508 509 510 511 512 513 514 515 516 517 • • • • • • • die schnellstmögliche Arbeitsmarktintegration für Flüchtlinge und Geduldete. Wir wollen Flüchtlinge nicht länger dazu zwingen, auf den Wohlfahrtsstaat angewiesen zu sein. Denn: Wer dazu in der Lage ist, sollte auch für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen können und dürfen. ein Abschiebeverbot für Flüchtlinge in Ausbildung und eine Aufenthaltserlaubnis bis zum Abschluss der Lehre innerhalb von drei Jahren plus 18 Monate Bleiberecht für die Arbeitssuche. Die Betroffenen sollen so ermutigt werden, bereits vor Ablauf des Asylverfahrens für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen und sich fortzubilden. Unternehmer erhalten so auch bei langwierigen Asylverfahren mehr Planungssicherheit und Anreize, Flüchtlinge auszubilden. Flüchtlingen aus Ländern mit einer hohen Quote bei der Anerkennung von Asylberechtigte proaktiv Ausbildungs- oder Studienplätze vermitteln, um sie für Mangelberufe zu qualifizieren. Flüchtlingen die Annahme von Jobs in der Zeit- und Leiharbeit von Beginn an ermöglichen, um somit ein erhebliches Hindernis beim Zugang zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt abzubauen. die Residenzpflicht abschaffen und eine länderübergreifende Suche nach Beschäftigung ermöglichen. Sie schränkt die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen maßgeblich ein und stellt ein Hindernis bei der Suche nach Beschäftigung dar. möglichst schnell eine Verkürzung des Asylverfahrens anstreben, um eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen zu ermöglichen. Kommunen sollen u.a. im Rahmen von Best-Practice-Beispielen sowie durch frühzeitige Information über Neuzuweisungen unterstützt werden, um so frühzeitig und eigenverantwortlich die Unterbringung vorbereiten zu können. die zentrale Unterbringung in Landeseinrichtungen auf die ersten drei Monate begrenzen. Dieser Zeitraum ist aber zur Registrierung, Beratung und Bearbeitung der Asylanträge sinnvoll. Flüchtlinge aus Herkunftsländern mit geringer Anerkennungsquote sollten bis zum Abschluss des Verfahrens in den zentralen Landeseinrichtungen verbleiben und nur bei positivem Bescheid auf die Kommunen verteilt werden. Flüchtlinge aus Herkunftsländern mit sehr hoher Anerkennungsquote, z. B. Syrien, können frühzeitig den Kommunen zugeteilt werden. den Kommunen mehr Spielraum bei der Planung der Unterbringung von Flüchtlingen bieten. Kommunen müssen die Möglichkeit erhalten, sich für Formen der dezentralen Unterbringung zu entscheiden. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 130 518 519 520 521 522 523 524 525 526 527 528 529 530 531 532 533 534 535 536 537 538 539 540 • 541 · Gemeinsame Anstrengungen fördern und fordern 542 543 544 545 546 547 Wir Freien Demokraten erkennen die gewaltigen Herausforderungen, die der steigende Flüchtlingsstrom nach Europa mit sich bringt. Es wird nicht ausreichen, wenn sich allein die Politik diesen Herausforderungen stellt. Integrationsbereitschaft und eine Willkommenskultur müssen von der gesamten Gesellschaft gelebt werden. Auch reicht es nicht aus, in der Flüchtlingspolitik im nationalstaatlichen Denken zu verharren. Deshalb wollen wir 548 549 550 551 552 553 554 555 556 557 558 559 560 • • • • • eine ausgewogene Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Kommunen sowie eine Verbesserung der Wohnraumvermittlung gewährleisten, z.B. durch Internetportale, in denen auch Privatpersonen Wohnungen anbieten können. Die Unterbringung in Gewerbegebieten, im Wald oder ähnlichen Orten sollte vermieden werden. die besondere Betreuung von jungen Flüchtlingen bis 25 Jahre in Form einer assistierten Ausbildung ermöglichen. Diese sollen unterstützt und frühzeitig über Berufsausbildung und -möglichkeiten informiert werden. eine gezielte Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen durch die Jugendhilfe als auch durch Vorklassen zur Berufsintegration im Rahmen einer Berufsausbildung gewährleisten. bei entsprechendem Bedarf eine Betreuung und Beschulung für Flüchtlinge bis zum 25. Lebensjahr ermöglichen. Hierfür muss möglichst schnell und nicht erst ab Mitte 2016 auch Schülern ab 18 Jahren die Möglichkeit eröffnet werden, Bafög in Anspruch zu nehmen und einen Schulabschluss zu machen. Es darf nicht sein, dass Schüler mit ihrem 18. Geburtstag ihren Lebensunterhalt durch den Bezug von Arbeitslosengeld II bestreiten müssen und deswegen von der Schule abgehen müssen. Flüchtlingen in jedem Bundesland eine Krankenkarte nach Bremer Modell zur Verfügung stellen, um sicherzustellen, dass Flüchtlinge Zugang zu angemessener Krankenversorgung haben und bürokratischen Aufwand bei den Kommunen zu vermeiden. Ein vollständiger Impfschutz ist bereits in den Landeseinrichtungen zu gewährleisten. eine größere Aufnahmebereitschaft in ganz Europa sowie eine faire Verteilung der Flüchtlinge. Die Europäische Union braucht mehr Solidarität unter den Mitgliedstaaten bei der Verteilung von Flüchtlingen. Ziel sollte – angelehnt an den Königsteiner Schlüssel – ein Mehrfaktorenmodell sein, das zu einer fairen Lastenteilung führt und folgende Aspekte berücksichtigt: Die Anzahl der aufzunehmenden Flüchtlinge soll nach Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft, Arbeitslosigkeit und Größe des Landes festgelegt werden. Bei der Zuteilung der Flüchtlinge sollen Familienanbindung und Sprachkenntnisse der Flüchtlinge berücksichtigt werden, sofern die Aufnahmequoten des jeweiligen Landes noch nicht erschöpft sind. Bis zur Etablierung eines solchen Systems ist ein europäischer Ausgleichsfonds zur Unterstützung von Mitgliedsstaaten mit einer hohen Aufnahmequote einzurichten. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 131 561 562 563 564 565 566 567 568 569 570 571 572 573 574 575 576 577 578 579 580 581 582 583 584 585 586 587 588 589 590 • 591 592 593 594 595 [1] Unter Flüchtlingen verstehen wir hier alle diejenigen, die ein Asylverfahren durchlaufen oder durchlaufen haben. Kontingentflüchtlinge bzw. Resettlementflüchtlinge, die im Rahmen internationaler Aufnahmeprogramme nach Deutschland kommen, sind mitumfasst, soweit die Problemlage mit der erstgenannten Gruppe vergleichbar ist. • • • • • den Kommunen erheblich mehr Unterstützung bei der Aufnahme von Flüchtlingen zukommen lassen. Die fachliche Hilfe vor Ort, Angebote wie Sprachkurse und andere Projekte sollen unbürokratisch über einen Förderfonds unterstützend mitfinanziert werden. die K ostenübernahme für die Flüchtlingsversorgung durch die staatliche Ebene, die über die Aufnahme entscheidet, durchsetzen. Der Bund hat die Kosten für das geregelte Asylverfahren und gesonderte Bundeskontingente vollständig zu übernehmen. Die Länder haben Kosten für Flüchtlinge aus Landeskontingenten zu tragen. das bürgerschaftliche Engagement weiter stärken und bewerben. Ehrenamtliche Helfer sind bereits jetzt eine unverzichtbare Stütze und Säule in der Flüchtlingsbetreuung. Projekte zur Unterstützung ihrer Integrationshilfe sollen besonders gefördert werden. Wünschenswert wäre, dass sich mehr Einwanderer in ehrenamtlichen Organisationen und Vereinen engagieren und diese verstärkt um diese Bevölkerungsgruppe werben. Projekte entwickeln und fördern, bei denen Ehrenamtliche Patenschaften für Familien mit Migrationshintergrund übernehmen und sie bei ihrer Integration unterstützen. Diese Begleitung kann vor allem für jugendliche Einwanderer auf ihrem Weg des Übergangs von der Schule zum Beruf hilfreich sein. einen Fonds einrichten, der mit einem Anerkennungsbeitrag die Arbeit der Ehrenamtlichen unbürokratisch unterstützt, um dieses Engagement zu erhalten und möglichst noch zu verstärken. eine stärkere Vernetzung von Schülerinnen und Schülern sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund. Dazu könnten innerhalb von Schulen, insbesondere der Sprachlernklassen, aber auch zwischen unterschiedlichen Schulen mit unterschiedlichem Bildungsniveau Patenschaften entstehen. Im Rahmen dieser Patenschaften soll es Aktionen geben, bei denen die Kinder und Jugendliche mehr von der jeweils anderen Kultur lernen und fremde Gebräuche etc. als selbstverständlich wahrnehmen. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 132 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 133 Antrag 310 Betr.: Soziale Lage und Integration von Flüchtlingen verbessern Antragsteller: Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 Das Recht auf Asyl ist elementarer Bestandteil unseres Grundgesetzes und daher für Liberale nicht verhandelbar. Die Aufnahme von Flüchtlingen muss sich vom ersten Satz unserer Verfassung leiten lassen: die Würde des Menschen ist unantastbar. 5 6 7 8 9 10 Gerade die Zahl der Bürgerkriegsflüchtlinge hat sich massiv erhöht. Angesichts dramatischer bewaffneter Auseinandersetzungen suchen nicht erst seit Herbst 2014 Menschen aus vielen Ländern Schutz in Deutschland oder der EU. Die Lage hat sich bereits in den letzten Jahren kontinuierlich zugespitzt. Erstaufnahme-Einrichtungen laufen schon seit Jahren oberhalb ihrer eigentlichen Aufnahmekapazität. 11 12 13 14 15 16 Angesichts unzureichender Erstaufnahme-Einrichtungen sind die Kommunen gezwungen, Notaufnahmen in Möbelhallen, Bürogebäuden oder Schwimmbädern zu errichten. In den Asylunterkünften gibt es zudem eine hohe Zahl von sogenannten Fehlbelegern: Das sind anerkannte Flüchtlinge oder solche, die eine Auszugsgenehmigung aus gesundheitlichen Gründen haben, aber keine Wohnung finden, die vom Sozialamt finanziert werden kann. 17 18 19 20 21 22 23 Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ist sowohl für die Flüchtlinge, als auch für die Nachbarschaft schwierig. Die Erfahrung aus vielen Bundesländern zeigt, dass Nachbarn einer Flüchtlingsfamilie gern helfen. Aber hunderte auf engem Raum – das überfordert teilweise die Nachbarschaft. Auch ehrenamtliche Helfer plädieren daher gegen zentrale Unterbringung, obwohl für diese eine gemeinschaftliche Unterbringung der Flüchtlinge Wege erspart und so manches Hilfsangebot leichter organisierbar macht. 24 25 26 27 28 29 30 Derzeit wächst in vielen Städten und Gemeinden die Hilfsbereitschaft der Menschen gegenüber Bürgerkriegsflüchtlingen. Flüchtlingsräte beraten die Ehrenamtlichen und Kirchengemeinden bieten Unterstützung an. Eine solche Willkommenskultur begrüßen die Freien Demokraten. Notwendig sind aber auch die richtigen politischen Rahmenbedingungen. Die Bundes-Gesetzgebung wird in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich ausgelegt. Daher ist es für Flüchtlinge keineswegs egal, wo sie den Verlauf ihres Verfahrens abwarten müssen. 31 32 Viele Flüchtlinge könnten ein Teil der Lösung unseres demographischen Problems sein. Die Wirtschaft hat das bereits erkannt. So fordert das Handwerk, 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 134 33 34 35 36 dass besonders junge Leute schnell anerkannt werden, Deutsch lernen können und einen Ausbildungsplatz annehmen dürfen. Die Berufsschulen berichten, dass die jugendlichen Flüchtlinge, die anfangs in Klassen mit anderen „Problemfällen“ beschult werden, diese aufgrund ihrer hohen Motivation oft schnell überholen. 37 38 39 40 41 42 Zahlreiche der erwachsenen Flüchtlinge verfügen über eine gute Ausbildung, deren Anerkennung aber häufig zu lange dauert bzw. für die passende Nachqualifizierungsangebote fehlen. Das Know-how der Flüchtlinge, deren Erfahrungen und deren oft überraschend vielfältigen Sprachkenntnisse sind für den Wirtschaftsstandort Deutschland ein wertvolles Potenzial und sollten besser und schneller genutzt werden, als das bisher der Fall ist. 43 44 Aus Sicht der Freien Demokraten sind folgende Punkte von besonderer Bedeutung hinsichtlich der sozialen Lage und Integration der Flüchtlinge: 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 1. Bereits heute ist die dezentrale Unterbringung nach der Erstaufnahme in einigen Bundesländern Realität: individuelle Wohnungen statt Gemeinschaftsunterkünfte – das befürworten die Freien Demokraten. Leider lassen das nicht alle Bundesländer zu. Wir fordern daher die Länder auf, den Kommunen in ganz Deutschland freie Hand für dezentralen Lösungen zur Unterbringung von Flüchtlingen zu geben. Das gilt in besonderem Maße für dauerhaft Geduldete mit Abschiebungshindernissen. Gerade in Bayern muss die Situation geändert werden, dass diese nicht in Sozialwohnungen einziehen dürfen. Nur wo dezentrale Unterbringungen nicht realisierbar sind, sollte befristet auf Gemeinschaftsunterkünfte zurückgegriffen werden können. 55 56 57 58 59 60 2. Kommunen sollte es in begrenztem Umfang durch freiwillige interkommunale Vereinbarung ermöglicht werden, die Unterbringung von Flüchtlingen gegen Kostenausgleich an benachbarte Kommunen zu übertragen. Die Anmietung von Wohnungen für Flüchtlingen sollte dadurch erleichtert werden, dass die Kaution von der Kommune gestellt werden kann, sofern dies im entsprechenden Bundesland noch nicht der Praxis entspricht. 61 62 63 3. Die notwendigen Kosten der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen sind den Kommunen von den Ländern vollständig zu erstatten. Dies ist bisher nicht in allen Bundesländern der Fall. 64 65 66 67 4. Das Arbeitsverbot für Asylbewerber gehört abgeschafft. Wer seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaften kann, soll nicht zum Bezug staatlicher Leistungen gezwungen werden. Die Arbeitserlaubnis ist daher nach einer sehr kurzen Wartefrist von zwei Monaten zu erteilen. 68 69 70 71 72 5. Schlüssel zur Integration ist und bleibt die Sprache. Hier muss die Organisation von jeweils passenden Sprachkursen – auch durch Volkshochschulen oder private Träger - viel schneller erfolgen: nur so ist schneller und nachhaltiger Erfolg in der Schule oder am Arbeitsmarkt möglich. Das erfordert höhere Budgets auf Bundesebene, die auch eine bessere Bezahlung der Lehrkräfte berücksichti- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 135 73 74 75 76 gen. Zugleich sind Sprachkurse für Erziehende in der Zeit einzurichten, in der Kinder betreut oder beschult werden. Für Sprachkurse, die nicht über den Bund finanziert werden können, sollten gezielt private Stiftungsmittel und Sponsoren eingeworben werden. 77 78 79 80 6. Hilfen zur Integration müssen nicht viel kosten: ein Wörterbuch zum Willkommen, eine Info-Broschüre zu kommunaler Infrastruktur und potenziellen Ansprechpartnern in den Herkunftssprachen, ggf. Gutscheine für Kultureinrichtungen – all das unterstützt Integration in der Praxis. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 136 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 137 Antrag 311 Betr.: Gemeinsam für Deutschland - Liberale Forderungen für eine menschenwürdige Unterbringung und bedürfnisorientierte Integration von Zuwanderern und Flüchtlingen Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 In den letzten Jahren sind die Zahlen der Zuwanderer und insbesondere der Flüchtlinge vor Bürgerkriegen in Nordafrika, dem Nahen und Mittleren Osten signifikant angestiegen. Diese Entwicklung stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. 5 6 7 8 9 10 Auf Europa- und Bundesebene müssen deshalb verschiedene Lösungsstrategien entwickelt werden, die den besonderen Umständen Rechnung tragen. In einigen Bundesländern und insbesondere in den Kommunen müssen diese Probleme mit und nahe am Bürger gelöst werden. Nur so können Ghettoisierung, Fremdenhass sowie Menschenunwürdigkeit vermieden und bedürfnisorientierte Integration gewährleistet werden. 11 Deshalb fordert die FDP: 12 Faire Verteilung von Zuwanderern und Flüchtlingen in Europa 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 Derzeit gilt für ankommende Asylsuchende die in Europa vereinbarte Dublin-III-Verordnung der Europäischen Union, der sich durch Vertrag die Nicht-EU-Staaten Norwegen, Island und die Schweiz angeschlossen haben. Diese besagt, dass der Mitgliedsstaat, in dem zuerst ein Asylantrag gestellt wurde, zuständig ist und auch bis zum Abschluss des Verfahrens bleibt. Dies stellt insbesondere die am Rand Europas liegenden Länder (z.B. Italien, Malta und Spanien) vor große Herausforderungen, da in der Regel dort ein Asylantrag gestellt wird, wo zuerst europäischer Boden betreten wird. Um genau diese Länder zu entlasten und insgesamt eine faire Verteilung auf die Staaten zu gewährleisten, muss ein Schlüssel für Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge vereinbart werden. Der Schlüssel sieht eine Verteilung auf die Mitgliedstaaten je nach Bevölkerungsstärke und Wirtschaftskraft vor. Er soll darüber hinaus auch familiäre Bindungen in die einzelne Staaten sowie Sprachkenntnisse der Asylsuchenden berücksichtigen, um eine schnellere Integration zu ermöglichen. 27 28 Den einzelnen Staaten muss es freistehen, über den für sie errechneten Aufnahmeanteil weitere Asylsuchende aufnehmen zu können. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 138 29 30 31 32 33 34 35 Bis zur Schaffung eines fairen Verteilerschlüssels sollte auf europäischer Ebene ein Fond eingerichtet werden, der dazu dient, dass Staaten dann einen finanziellen Ausgleich bekommen können, wenn sie mehr Schutzsuchende aufnehmen, als die für sie jeweilige errechnete Landesquote. Hierdurch sollen die Sozialsysteme der einzelnen Staaten vor Überbeanspruchung weitgehend geschützt und die Bereitschaft zur einvernehmlichen Lastenteilung unter den Staaten gefördert werden, damit die europäische Verantwortung gemeinsam gelebt wird. 36 Förderung der Zuwanderung von Fachkräften 37 38 39 40 41 Die Arbeitsmigration hat für Deutschland an Bedeutung gewonnen, da in vielen Bereichen das Angebot an einheimischen Fachkräften zur Deckung des Bedarfs nicht mehr ausreicht. Um den Bedarf an Fachkräften aus dem mittleren und höheren Qualifikationsbereich zu decken, ist eine Anwerbung geeigneter Personen aus dem Ausland notwendig. 42 43 44 45 46 47 48 Deutschland gehört zwar zu den OECD-Ländern mit den geringsten Hürden für die Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte, dennoch belegt es bei den Zuwanderungsraten einen der letzten Plätze innerhalb der OECD. Ein Grund hierfür ist, dass gute Deutschkenntnisse in vielen Unternehmen als wichtigstes Einstellungskriterium gelten. Deshalb soll der Deutschunterricht in den wichtigsten Herkunftsländern potenzieller Arbeitsmigranten gefördert sowie in Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern gezielt berufsspezifische Sprachkurse angeboten werden. 49 50 51 52 53 54 55 Außerdem muss die Werbung der deutschen Hochschulen und damit der Wettbewerb um internationale Studenten verstärkt werden, da diese die größten Chancen auf einen Arbeitsplatz in Deutschland haben, weil sie über einen nationalen Hochschulabschluss und zudem über gute Deutschkenntnisse verfügen. Analog zur Regelung für Studenten, die für ein Studium nach Deutschland kommen, sollen auch Auszubildende aus Drittstaaten, die eine Lehre in Deutschland absolvieren wollen, einen Aufenthaltstitel erhalten. 56 57 58 59 60 61 62 63 Darüber hinaus muss Arbeitsmigration unter klar definierten Voraussetzungen grundsätzlich erlaubt werden. Hierfür ist ein Punktesystem zur Auswahl von geeigneten Zuwanderern einzuführen. Dieses System soll nicht das ohnehin schon komplexe Einwanderungssystem komplizieren und ersetzen, sondern sich an den vorhandenen Auswahl- und Zuwanderungskriterien orientieren. Ein geringer Bildungsabschluss kann so beispielsweise durch bessere Sprachkenntnisse ausgeglichen werden. Sobald eine bestimmte Mindestpunktzahl erreicht wurde, ist dem Antrag stattzugeben. 64 65 66 67 68 69 Asylbewerbern sollen zudem die rechtlichen Möglichkeiten eingeräumt werden, sich auch in bereits laufenden Asylverfahren für andere Aufenthaltstitel, wie beispielsweise die Blue Card, bewerben zu können. Mit dieser Forderung soll insbesondere den Kriegsflüchtlingen, die aufgrund ihrer Flucht keine Möglichkeit auf eine qualifizierte Zuwanderung hatten, die Möglichkeit eröffnet werden, dem deutschen Arbeitsmarkt leichter und schneller zur Verfügung zu stehen. Unter ande- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 139 70 71 rem deshalb muss das System zur Anerkennung schlüsse weiter erleichtert und beschleunigt werden. ausländischer Bildungsab- 72 Keine Beschränkung zum Arbeitsmarktzugang 73 74 75 76 77 78 Mitte September 2014 hat der Bundesrat eine Änderung beim Arbeitsmarktzugangsrecht beschlossen. Für Menschen im Asylverfahren, die eine Aufenthaltsgestattung haben und für Menschen mit Duldung, besteht in den ersten drei Monaten ein grundsätzliches Arbeitsverbot. Anschließend, bis zum 15. Monat des Aufenthalts, dürfen diese Personen nur nach einer vorherigen Vorrangprüfung durch die Arbeitsagentur eine Beschäftigung aufnehmen. 79 80 81 82 83 84 Damit Asylbewerber den Lebensunterhalt für sich und ihre Angehörigen schnellstmöglich selbst sichern können und nicht dazu gezwungen werden, staatliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, ist das Arbeitsverbot für Asylbewerber sowie die Vorrangprüfung abzuschaffen. Durch diese Änderungen werden zudem die Chancen auf schnellere Integration des Arbeitenden sowie auf die Erteilung eines gesicherten Aufenthaltstitels erhöht. 85 86 87 88 89 90 91 92 93 Jene Migranten, die teilweise bereits seit Jahrzehnten in Deutschland leben und die durch den Wegfall einer Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung - beispielsweise durch das Erreichen des 18. Lebensjahres ihres (jüngsten) Kindes - abgeschoben werden sollen, darf, sofern sie gegen eine etwaige Anordnung noch gerichtlich vorgehen können, die Arbeitserlaubnis erst mit Abschluss des Verfahrens durch ein rechtskräftiges Urteil entzogen werden. Bis dahin dürfen sie ihren Lebensunterhalt durch Teilnahme am Arbeitsmarkt weiterhin selbstständig sichern, um nicht einem weiteren Ausweisungsgrund durch Inanspruchnahme von öffentlichen Leistungen ausgesetzt zu sein. 94 95 96 Ebenso sollen Asylbewerber, deren Asylantrag abgelehnt wird, eine Rückführung aber nicht vollzogen werden kann, weiterhin die Teilnahme am Arbeitsmarkt gewährt werden. 97 98 99 Durch diese Regelungen soll auch eine Sicherheit für den Arbeitgeber entstehen, der bei drohender Abschiebung und durch Entzug der Arbeitserlaubnis mit einer fortdauernden Beschäftigung seines Arbeitnehmers rechnen kann. 100 Ausweitung des Bleiberechtes 101 102 103 104 105 106 Auf die Einführung des stichtagsunabhängigen Bleiberechtes für Jugendliche und Heranwachsende in § 25 a AufenthG, welches die FDP geschaffen hat und von dem auch deren Eltern profitieren können, muss endlich in Abstimmung mit den Ländern eine generelle stichtagsunabhängige Lösung für die vielen tausend Betroffenen folgen, die bereits seit Jahren in Deutschland leben, und hier auch absehbar bleiben werden. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 140 107 108 109 Sofern eine Aufhebung der Duldung nicht absehbar ist, ist von Kettenduldungen abzusehen, da diese nicht selten zu enormen psychischen Belastungen der Betroffenen führen. 110 Vollständige Bewegungsfreiheit in Deutschland 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 Nach Inkrafttreten der vom Bundesrat im September 2014 beschlossenen Gesetzesänderung dürfen Asylsuchende und Geduldete weiterhin nicht frei über ihre Wohnsitzwahl entscheiden, können sich jedoch nach vier Monaten Aufenthalt in Deutschland frei bewegen. Es gibt jedoch Ausnahmegründe von der Erweiterung des Aufenthaltsbereichs auf das Bundesgebiet, die faktisch dafür sorgen, dass die sogenannte Residenzpflicht (räumliche Beschränkung von Asylbewerbern und Geduldeten, die ein Verlassen des zugewiesenen Aufenthaltsbereichs verbietet und innerhalb Europas nur in Deutschland gilt) auch über die Viermonatsregelung hinaus bestehen bleibt. Die vorgesehenen Ausnahmegründe sind daher abzulehnen. Ein umfassendes Recht auf Bewegungsfreiheit durch die vollständige Abschaffung der Residenzpflicht ist zu schaffen. 122 123 Sicherstellung von finanzieller Unterstützung durch den Bund für die Kommunen 124 125 126 127 128 Die Länder und insbesondere die Kommunen sind mit der Unterbringungsverpflichtung und den damit einhergehenden finanziellen Belastungen an ihren Grenzen angekommen. Die verstärkte Aufnahme von Flüchtlingen ist auch aufgrund der in der Vergangenheit stark schwankenden Fallzahlen für Länder und Kommunen mit ihren statischen Einnahmestrukturen nur schwer finanzierbar. 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 Da es sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen grundsätzlich um ein außenpolitisches Phänomen und eine gesamtdeutsche Herausforderung, also auch eine innenpolitische Aufgabe des Bundes handelt, ist im Zuge einer grundsätzlichen Überarbeitung der Finanzierung der Bund mit mindestens 50% an den Kosten für die bisherigen Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (Unterhalt, Unterbringung) und zusätzlich notwendigen Integrationsleistungen (Sprache, Betreuung und Beratung) zu beteiligen. Eine Novellierung des AsylbLG ist daher dringend geboten, damit es den besonderen Bedürfnissen von Migranten in Hinblick auf Integrationsunterstützung Rechnung trägt und diese unterstützenden Angebote in das Regelleistungssystem aufnimmt. Ansonsten ist es im Wesentlichen den Prinzipien des SGB II und SGB XII anzugleichen. Insbesondere das Sachleistungsprinzip soll nur noch in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. 141 142 143 144 In den Ländern sind die unterstützenden Angebote, solange diese nicht durch eine AsylbLG-Reform verbindlich gemacht worden sind, durch eine verlässliche Kostenbeteiligung von 70% durch das jeweilige Land und 30% der Kommunen analog zur bisherigen Finanzierungsverantwortung im AsylbLG zu finanzieren. 145 Einbindung der Menschen vor Ort 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 141 146 147 Das Zusammenleben in einer offenen Gesellschaft setzt das Bemühen um Gemeinsamkeiten, um Toleranz und Akzeptanz bei allen Beteiligten voraus. 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 Es ist sicherzustellen, dass bei der Planung von neuen Unterkünften frühzeitig Anwohner vor Ort eingebunden und angehört werden. Ängste (beispielsweise Vermüllung, extreme Lautstärke, vermehrte Straftaten, Ghettoisierung, etc.) dürfen nicht unausgesprochen bleiben und eine Auseinandersetzung mit diesen muss erfolgen. Handlungs- und Integrationskonzepte sollten gemeinsam mit politischen Mandatsträgern, Vertretern der Verwaltung, Polizei sowie engagierten (z.B. sozialen und kirchlichen) Institutionen und Bürgern vor Ort erarbeitet werden. Nur so kann eine Akzeptanz rechtzeitig sichergestellt und können freiwillige Integrationshilfen für die Neuankömmlinge seitens der Menschen vor Ort garantiert werden. 158 159 160 161 162 163 Darüber hinaus ist das Ehrenamt im Bereich der Integrationshilfen (beispielsweise Sprachkurse, Sport- und Freizeitbeschäftigungen, Hausaufgabenhilfe, Kinderbetreuung, Berufsberatung, Begleitung bei Behördengängen) zu stärken. Anfallende Kosten (z.B. Fahrtkosten, Papier, Stifte, Eintrittsgelder zu Ausflugszielen) sollen nach vorheriger Genehmigung ersetzt werden können. Zudem soll die Möglichkeit der Ehrenamtsausübung verstärkt beworben werden. 164 Menschenwürdige, bedarfsgerechte und integrative Unterbringung 165 166 167 168 In einigen Bundesländern werden die Flüchtlinge und Asylbewerber inzwischen nach wenigen Tagen an die Städte und Kreise verteilt, ohne die notwendigen Vorarbeiten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Landesämter für Ausländerangelegenheiten vorgenommen zu haben. 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 Deshalb sind die rechtlichen Möglichkeiten seitens der Länder zu nutzen und Flüchtlinge bis zu sechs Wochen (spätestens aber nach drei Monaten) in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu betreuen und zu beraten, um einen guten Start in die Gesellschaft zu ermöglichen. In diesem Zeitraum sollen auch angemessene Unterbringungsmöglichkeiten vor Ort gefunden, der Transfer in die Kommune organisiert, wesentliche Schritte der ausländerrechtlichen Behandlung vollzogen und Folgeunterstützung sichergestellt werden. Dabei ist auch in Erstaufnahmeeinrichtungen die sachliche und personelle Ausstattung so vorzunehmen, dass vor allem die humanitären Bedürfnisse der Flüchtlinge beachtet werden. Dazu zählt nicht nur eine menschenwürdige Unterbringung, sondern auch eine erste Orientierung in Deutschland, das Kennenlernen von Rechten und Pflichten sowie eine medizinische bzw. psychologische Betreuung in Hinblick auf die Fluchtereignisse. 182 183 184 185 Erstaufnahmeeinrichtungen und kommunale Gemeinschaftsunterkünfte sind räumlich zu trennen. Es ist eine Verteilung auf und innerhalb der Gemeinschaftswohnunterkünfte nach Zielgruppen (Familien, Jungerwachsene U25, Senioren, traumatisierte Kriegsflüchtlinge) und Bedürfnissen der Menschen zu erwirken so- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 142 186 187 wie das Unterkunftsangebot und die Angebote von Freiwilligen entsprechend koordiniert anzupassen. 188 189 190 191 192 193 194 195 196 Die dezentrale Unterbringung in den Kommunen ist ebenfalls in Hinblick auf humanitäre und soziale Belange der Flüchtlinge auszurichten. Dabei soll die dezentrale Unterbringung im Alltag der Bürger erfolgen. Unterbringung in Sammelunterkünften, Containern, Wohnschiffen oder in Gewerbegebieten lehnt die FDP deshalb als Dauerlösungen ab, vielmehr sind kleinteilige und damit sozialverträglichere Unterkünfte zu schaffen. Die Anbindung an den ÖPNV sowie nahe gelegene medizinische, schulische und sonstige Einrichtungen des täglichen Lebens sind sicherzustellen, um eine gesellschaftliche Isolation zu vermeiden und die Integration zu fördern. 197 198 199 200 201 Weiter sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um privaten Vermietern die Bereitstellung von Wohnraum zu erleichtern, z.B. durch ein entsprechendes Internetportal, auf das u.a. die Kommunen zugreifen können. Das Internetprotal kann auch dazu dienen, dass den Migranten eine schnellere Vermittlung in private und selbstständig finanzierte Wohnungen erleichtert wird. 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 Um Vorkommnissen wie jüngst den Übergriffen von Sicherheitspersonal auf Untergebrachte in Nordrhein-Westfalen vorzubeugen und ein geregeltes, diskriminierungsfreies und geschütztes Zusammenleben in den Unterkünften sicherzustellen, ist in den Ländern ein „Heim-TÜV“ nach dem Vorbild aus Sachsen für Gemeinschaftsunterkünfte für Asylsuchende zu entwickelt, der es erlaubt, die Unterbringungsbedingungen transparent zu erfassen und sie darüber langfristig zu verbessern. Mit dem „Heim-TÜV“ können nicht nur verbesserungswürdige Zustände gekennzeichnet werden, er identifiziert auch gute und nachahmenswerte Beispiele. Dabei ist die Perspektive des „Heim-TÜV“ die einer lernenden Organisation: Handlungsbedarf zeigen, die vorhandenen Stärken ansprechen und konstruktive Verbesserungen vorschlagen. Die einzelnen Unterkünfte werden mit einem Ampelsystem bewertet, das transparent und nachvollziehbar Handlungsbedarf oder angemessene Zustände kennzeichnet. Darüber hinaus soll der Bund einheitliche Standards für die Unterbringung festlegen. 216 Integrationsförderung durch Bildung 217 218 219 220 Integration ist unmöglich ohne gemeinsame Sprache und die Akzeptanz der republikanischen Werte unserer Verfassung. Deshalb müssen Integrationskurse als zentrales Element weiter gestärkt und die Teilnahme auch auf Geduldete und Asylbewerber ausgedehnt werden. 221 222 223 224 225 Informationsschriften sind in den relevanten Sprachen (arabisch, kurdisch, ukrainisch, Farsi, etc.) herauszubringen. Unter anderem sind in diesen die Rechte und Pflichten in Deutschland vereinfacht dazustellen und wichtige Anlaufstellen (Standorte, Ansprechpersonen, Öffnungszeiten, Dolmetscherdienste) zu benennen, damit Migranten sich in Deutschland schneller zurecht finden. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 143 226 227 228 229 230 231 232 233 234 Sprache ist der Schlüssel zur Bildung, zum Erfolg und zu gesellschaftlicher Integration. Sprachstandtests sind für alle Kinder im Alter von vier Jahren Voraussetzung dafür, dass alle die gleichen Chancen haben. Bei Bedarf sind eine gezielte Sprachförderung vor der Schule sowie darüber hinausgehende unterrichtsbegleitende Sprachprogramme notwendig. Eltern sollen verstärkt aufgeklärt und befähigt werden, ihre Kinder zu unterstützen. Programme zur kombinierten Sprachförderung von Eltern und Kindern zeigen vorbildliche Erfolge. Auch sind Angebote für Kinder oftmals der beste Anknüpfungspunkt zur nachholenden Integrationsförderung für Eltern. 235 236 237 Außerdem ist im Schulunterricht sowie in den Integrationskursen verstärkt zu vermitteln, dass in Deutschland unterschiedliche Glaubensrichtungen toleriert werden, sofern diese in das Wertesystem des Grundgesetzes eingebettet sind. 238 Nachhaltige Integration 239 240 241 242 243 244 Derzeit besteht in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Einbürgerung nach acht Jahren gewöhnlichen und rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland. Es ist eine Möglichkeit zur beschleunigten Einbürgerung nach vier Jahren einzuführen. Zudem ist eine doppelte Staatsbürgerschaft grundsätzlich zuzulassen und damit eine komplette Abschaffung der Optionspflicht herbeizuführen. 245 246 247 248 249 250 251 252 253 Wer Teil unserer Gesellschaft ist, das gesellschaftliche und kulturelle Leben prägt, gleichermaßen Steuern zahlt und gleichermaßen von demokratischen Entscheidungen betroffen ist, muss auch an der wichtigsten Form der politischen Partizipation – den Wahlen – teilnehmen können. Folglich und nach Vorbild vieler anderer europäischer Länder ist das kommunale Ausländerwahlrecht auf Drittstaatsangehörige auszuweiten und EU-Bürgern ein Landtagswahlrecht einzuräumen. Diese Änderungen tragen vor allem dem zusammenwachsenden Europa sowie dem sich wandelnden Gesellschaftsbild in Deutschland Rechnung, zudem dient es darüber hinaus der Integration vor Ort. 254 Diskriminierung beenden, Potentiale nutzen! 255 256 257 258 259 Es muß sich darüber hinaus aktiv für die bessere Akzeptanz und Integration von Deutschen, die aus Russland, Polen und anderen Staaten Osteuropas nach Deutschland ausgesiedelt sind, eingesetzt werden. Es ist unerträglich, dass sich diese Gruppe mit Ausgrenzung und Diskriminierung konfrontiert sieht und Landes- und Bundesregierung dagegen nichts unternehmen. Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 144 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 145 Antrag 312 Betr.: Flexible Altersgrenzen für den Ruhestand im Öffentlichen Dienst Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 Die FDP-Fraktionen in den Landtagen werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass im Rahmen des geltenden Rechts Angestellten und Beamten der Länder ermöglicht wird, den Übergang in den Ruhestand auf Antrag hinauszuschieben, soweit keine Bedenken gegen die weitere Dienstfähigkeit bestehen. Begründung: Der demographische Wandel führt dazu, dass die seit Jahrzehnten bestehenden Altersgrenzen für den Übergang in das Rentenalter oder den Ruhestand nicht mehr durchgängig dem Wunsch der Bediensteten entsprechen. Soweit beantragt wird, die bisherige Tätigkeit nach Erreichen der aktuellen Altersgrenzen weiter auszuüben, liegt es auch im Interesse des Landes, die Lebenserfahrung und das erlangte Wissen der Bediensteten weiter zu nutzen. Vor allem in technischen Berufen und im Sozialbereich lähmt der Bedarf an Fachkräften bereits jetzt zunehmend die Leistungsfähigkeit der Verwaltung. Außerdem wird der Landeshaushalt durch teilweise Einsparung von Ruhestandsbezügen entlastet. Bei verlängerter Lebensarbeitszeit führt der spätere Ruhestand zudem zur Minderung der Kosten für die Anwerbung oder Ausbildung von Nachwuchskräften. Anmerkung: Für Angestellte sind in Tarifverträgen feste Altersgrenzen vorgegeben, so dass in diesen Fällen Honorarverträge geschlossen werden müssten. Weitere Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 146 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 147 Antrag 313 Betr.: Stärkung der berufsständischen Versorgungswerke Antragsteller: Landesverband Hessen Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 7 Die Freien Demokraten fordern eine Stärkung der berufsständischen Versorgungswerke als wichtigen Teil des Systems der Altersversorgung. Vor diesem Hintergrund fordert die FDP eine Änderung des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. SGB VI dahingehend, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht bei der Deutschen Rentenversicherung bereits dann zu erteilen ist, wenn der Antragsteller eine Sicherung seiner Altersversorgung durch die Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk nachweisen kann. Begründung: Gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten, oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Aufgrund des Wortlautes dieser Vorschrift hat das Bundessozialgericht durch Urteil vom 03.04.2014 (B 5 RE 3/14 R) entschieden, dass Syndikusanwälte keine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten. Ausgangspunkt der Argumentation des Bundessozialgerichts ist, dass bei Syndikusanwälten die Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer, und damit auch in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, nicht wegen ihrer Tätigkeit erfolgt, sondern lediglich Folge der Zulassung als Rechtsanwalt ist. Diese Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts liegt im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschrift auch auf der Hand. Da das Ergebnis, nämlich eine Versicherung der Syndikusanwälte bei der gesetzlichen Rentenversicherung, aber nicht sachgerecht ist, ist eine Änderung des Gesetzes notwendig, zumal von der Entscheidung sämtliche freien Berufe betroffen sind. Bleibt es bei der derzeitigen Rechtslage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, so werden die berufsständischen Versorgungswerke in ihrem Bestand substantiell geschwächt. Dies führt zu einer Beeinträchtigung der Perspektiven in der Altersversorgung der freien Berufe. Die berufsständischen Versorgungswerke haben gezeigt, dass sie in erheblichem Maße leistungsfähiger sind, als die staatliche Zwangsversicherung. Zudem sind die Syndikusanwälte in ihrer Tradition von je her Bestandteil der Rechtsanwaltschaft. Weitere Begründung erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 148 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 149 Antrag 314 Betr.: Vielfalt der Altersversorgungssysteme erhalten, berufsständische Versorgung stärken, Abgrenzung zur gesetzlichen Rentenversicherung für freie Berufe gesetzlich regeln Antragsteller: Landesverband Berlin Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Die Freien Demokraten sprechen sich dafür aus, die durch verschiedene Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) entstandene Unsicherheit bei verschiedenen freien Berufen zu beseitigen, ob sie zukünftig noch ihren angestammten berufsständischen Altersversorgungswerken angehören können oder gegen ihren Willen in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden. Dies soll durch eine gesetzliche Klarstellung zugunsten der berufsständischen Versorgung geregelt werden, die zugleich dauerhaft und zuverlässig die sogenannte "Friedenslinie" zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischen Versorgungswerken bestimmt. Die Freien Demokraten stehen grundsätzlich für die Stärkung der Eigenverantwortung bei den Lebensrisiken und der Altersvorsorge. Deshalb begrüßt die FDP die Schaffung weiterer berufsständischer Versorgungswerke für weitere Berufsgruppen. Berufsständige Altersvorsorgesysteme sind ein Beitrag zur Eigenverantwortung in der Altersvorsorge. Die heutige Regelung führt langfristig zur Aushöhlung der berufsständischen Versorgungswerke. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 150 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 151 Antrag 315 Betr.: Für eine berufsrechtliche Regelung zur Befreiung von Syndikusanwälten von der gesetzlichen Rentenversicherung Antragsteller: Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 Die Freien Demokraten sprechen sich für eine berufsrechtliche Regelung zur Befreiung von Syndikusanwälten von der gesetzlichen Rentenversicherung aus. 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Das Bundessozialgericht hat mit seinen Urteilen vom 3. April 2014 festgestellt, dass – unabhängig von der konkret ausgeübten Beschäftigung - bei einem nicht-anwaltlichen Arbeitgeber Syndikusanwälte für diese Tätigkeit nicht mehr von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden können. Damit wurde die langjährige, über die Jahre wechselnde Verwaltungspraxis zur möglichen Befreiung von der Rentenversicherung, die von der Deutschen Rentenversicherung und den Rechtsanwaltskammern entwickelt und jeweils verändert wurde mit einem Federstrich zur „Makulatur“ erklärt und der Boden entzogen. Gegen die Urteile wurde von den Klägern Verfassungsbeschwerde erhoben. Vertrauensschutz auf der Grundlage früherer Verwaltungspraxis und -duldung für heute nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlende Syndikusanwälte wurde zwar grundsätzlich gewährt, der genaue Umfang des Vertrauensschutzes ist jedoch nach wie vor rechtlich ungeklärt. Vertreter der Regierungsparteien haben sich bereits für eine Neuregelung im Sinne der Syndikusanwälte ausgesprochen, das BMJV hat ein Eckpunktepapier für eine berufsrechtliche Neuregelung vorgestellt. Die Deutsche Rentenversicherung setzt die Urteile in ihrer Verwaltungspraxis gleichwohl bereits um, wobei Vertrauensschutz nur in höchst eingeschränkter Form eingeräumt wird. Die Urteile haben auch Auswirkungen auf angestellte Anwälte in Rechtsanwaltskanzleien, da auch sie tatsächlich nicht weisungsfrei tätig sind. 22 23 24 25 26 27 1. Die Freien Demokraten sprechen sich für eine berufsrechtliche Regelung für die Tätigkeit angestellter Rechtsanwälte aus, mit der festgelegt wird, dass auch ein Syndikus anwaltliche Tätigkeit ausübt und grundsätzlich für seine Altersversorgung von der Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien ist. Sie unterstützen insoweit grundsätzlich das Eckpunktepapier des BMJV zur Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte. 28 29 2. Dabei sprechen sich die Freien Demokraten für die folgenden Eckpunkte einer Neuregelung aus: 30 Es ist zu regeln, 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 152 31 32 33 - dass der Rechtsanwalt den Rechtsanwaltsberuf als Angestellter eines anderen Rechtsanwalts, eines Angehörigen eines sozietätsfähigen Berufes oder eine Berufsausübungsgemeinschaft ausüben darf. 34 35 - dass die anwaltliche Tätigkeit des Syndikusanwalts zulässig ist und mit der Pflichtmitgliedschaft in der Kammer verbunden sein soll. 36 37 38 39 40 - dass sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf die Tätigkeit als Syndikusanwalt beschränken kann. Die anwaltliche Tätigkeit des Syndikusanwaltes umfasst die Beratung und Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, wobei für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen des Syndikus-Anstellungsverhältnisses ein gerichtliches Vertretungsverbot gelten soll. 41 42 43 44 45 46 47 3. Die Deutsche Rentenversicherung wird aufgefordert, im Hinblick auf die diskutierten Bestrebungen zur Neuregelung des Berufs- und Sozialrechtes für Syndikusanwälte derzeit von negativen Bescheiden gegenüber Syndikusanwälten auf der Grundlage ihrer „Informationen zur Umsetzung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 03.04.2014 zum Befreiungsrecht von Syndikusanwälten und dem einzuräumenden Vertrauensschutz“ vom 12.12.2014 abzusehen und sich ein „Moratorium“ für entsprechende Entscheidungen aufzuerlegen. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 153 Antrag 316 Betr.: Ganzheitliches Diversity Management in der Arbeitswelt voranbringen Antragsteller: Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 Im Jahr 2013 ist die FDP als erste Partei der „Charta der Vielfalt“ beigetreten. Dieses Bündnis aus privaten und öffentlichen Arbeitgebern verpflichtet seine Mitglieder auf ein Diversity Management in der eigenen Organisation. Es ist auch politischer und gesellschaftlicher Auftrag, das Thema voranzutreiben. 5 6 7 8 9 10 Diversity Management ist zunächst ein unternehmerisches Konzept, das auf eine Kultur der Wertschätzung und des Respekts vor der Unterschiedlichkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzt. Es bekämpft systematisch offene Diskriminierung und macht unbewusste Hemmnisse bewusst. So schafft es gleiche Chancen für Aufstieg durch Leistung – unabhängig von Geschlecht, Alter, ethnischer Herkunft, Behinderung, sexueller Orientierung, Religion oder Weltanschauung. 11 12 13 14 15 Die Freien Demokraten befürworten ein ganzheitliches Diversity Management in der Arbeitswelt. Es entspricht dem liberalen Verständnis des verantwortlichen Unternehmertums und steigert so die Akzeptanz der Sozialen Marktwirtschaft. Dieser Ansatz ist für uns eine sinnvolle Alternative zu Quoten und anderen Formen bürokratischer Antidiskriminierungspolitik. 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Zugleich ist er angesichts der empirisch vorhandenen wirtschaftlichen Vorteile auch Teil einer ökonomischen Modernisierungsstrategie. Diversity Management fördert Selbstbestimmung und Chancengleichheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Vielfältige Teams in einem offenen Arbeitsumfeld und einer offenen Unternehmenskultur bilden zugleich eine Säule für wirtschaftlichen Erfolg. So werden Talente genutzt, Vertrauen gebildet und Ängste vor Nachteilen am Arbeitsplatz genommen. Vielfalt im Unternehmen – etwa durch bewusst gemischte Teams – fördert Kreativität und bringt die Sicht unterschiedlicher Kundenzielgruppen ein. 25 26 27 28 Dies ist auch volkswirtschaftlich relevant. Ökonomische Studien aus den USA zeigen, dass diejenigen städtischen Regionen besonders erfolgreich sind, in denen die Gesellschaft ein hohes Maß an Toleranz zeigt, da sich kreative Köpfe zu diesen Regionen und Kulturen besonders hingezogen fühlen. 29 Best Practices verbreiten, Kompetenz vermitteln 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 154 30 31 32 Aufgabe des Staates ist es nicht, Diversity Management über Regulierung zu verordnen. Vielmehr geht es um politische Moderation und um die Rolle des Staates als Arbeitgeber im öffentlichen Dienst. 33 34 35 36 37 Wirtschaft, sozialer und öffentlicher Sektor sollen über Instrumente und den wirtschaftlichen Nutzen ganzheitlichen Diversity Managements informiert werden. Best Practice Dialoge zu initiieren und zu unterstützen, ist vor allem Aufgabe des Bundeswirtschafts- und des Bundesarbeitsministeriums, nicht wie bisher nur des Bundesfamilienministeriums. 38 39 40 Wir wollen, dass das Thema „Vielfalt in der Arbeitswelt“ im Blick auf moderne Unternehmenskultur in der beruflichen Bildung verankert wird und dass im Fortbildungswesen der Wirtschaft Schulungsangebote aufgenommen werden. 41 42 43 44 45 Im Rahmen unseres Dialogs mit der Wirtschaft empfehlen wir Freie Demokraten den Kammern, Unternehmensverbänden und Gewerkschaften, über die Vorteile eines ganzheitlichen Diversity Managements aufzuklären und als Botschafter zu fungieren. Wir regen an, das Thema zum Gegenstand betrieblicher Vereinbarungen zu machen. 46 Konzepte für den Mittelstand entwickeln 47 48 49 50 51 Best Practices als Vorbild zu vermitteln, hat eine zentrale Bedeutung. Daher ist es von hoher Bedeutung, einfache und kostengünstige Diversity-Konzepte für den Mittelstand zu entwickeln. Wir ermuntern Unternehmen und ihre Verbände, aber auch die Wissenschaft, hier tätig zu werden. Solche Vorhaben sollten auch von den zuständigen Ministerien gefördert werden. 52 53 Ganzheitliches Diversity Management: Alle Dimensionen von Diversity gleichberechtigt einbeziehen 54 55 56 57 58 59 60 Die unterschiedlichen Dimensionen von Vielfalt (u.a. Geschlecht, Alter, ethnische Herkunft, Behinderung, Religion/Weltanschauung, sexuelle Orientierung) werden heute höchst ungleichgewichtig von Unternehmen und Behörden in ihre Diversity Strategien einbezogen. Insbesondere Dimensionen, die man den Menschen nicht sofort ansieht, also Religion und sexuelle Orientierung, bleiben häufig unbeachtet. Strategien privater und öffentlicher Unternehmen sollten daher so ausgestaltet sein, dass sie gerade diese Dimensionen explizit berücksichtigen. 61 Ganzheitliches Diversity Management im öffentlichen Dienst 62 63 64 65 66 67 Ganzheitliches Diversity Management in der Arbeitswelt ist nicht nur auf die Privatwirtschaft beschränkt sondern schließt Behörden, Gerichte, öffentliche Verwaltungen, Stiftungen, Vereine und Körperschaften genauso mit ein. Der öffentliche Dienst muss mit gutem Beispiel vorangehen. Strukturen der Frauen- und Behindertenbeauftragten sollten in einen breiteren Ansatz von ganzheitlichem Diversity Management umgestaltet werden. Dabei ist es erforderlich, alle Dimensionen von 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 155 68 69 Vielfalt auch gesondert anzusprechen, denn ansonsten gehen berechtigte Anliegen von Minderheiten unter. 70 Ganzheitliches Diversity Management fördern, Bürokratie senken 71 72 73 74 Ganzheitliches Diversity Management würde einen Schub erhalten, wenn funktionierende Management-Systeme an anderer Stelle bürokratische Anforderungen an Unternehmen senken würden. Hier wollen wir den Dialog über machbare Wege suchen. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 156 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 157 Antrag 317 Betr.: Pragmatischer Umgang mit Inklusion Antragsteller: Bundesfachausschuss Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 Wir Freien Demokraten fordern eine pragmatische Auseinandersetzung mit der Inklusionsthematik. Für uns ist Inklusion kein Selbstzweck, sondern muss stets dem Wohle des Menschen untergeordnet werden. Gleichzeitig erkennen wir die enormen Vorteile für Individuum und Gesellschaft, die sich aus einem inklusiven Zusammenleben ergeben. In diesem Zusammenhang setzen wir uns für folgende Rahmensetzung ein: 7 Forderung 1: Keine Strukturdebatte führen – Kindeswohl beachten 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Für Freie Demokraten gilt der Grundsatz: inklusive Regelbeschulung vor Sonderbeschulung. Die FDP spricht sich dafür aus, dass behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam aufwachsen. Integrative Kindertagesstätten erfreuen sich bei Eltern und Kindern großer Beliebtheit. Oftmals sind es sogar die Eltern von nicht-behinderten Kindern, die ihr Kind gern in eine integrative Kindertageseinrichtung schicken, weil sie um den besseren Personalschlüssel sowie therapeutisches Know-how wissen und sich für ihr Kind den Erwerb höherer Sozialkompetenz erhoffen. Mit dem ersten Schultag hat das gemeinsame Großwerden vielfach ein Ende. Und beim Wechsel auf die weiterführende Schule zeigt sich, dass ein Kind mit Behinderung nur dann seine Laufbahn an einer Regelschule fortsetzen kann, wenn sich Lehrer/Lehrerinnen und Eltern dafür stark machen. Die Wege trennen sich und diese Trennung erschwert, miteinander zu leben. Sonderwelten für Menschen mit Behinderung sind die Konsequenz. 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 Mittlerweile ist leider zu beobachten, dass die Diskussion um die Umsetzung der UN- BRK an Schärfe zugenommen hat. Eine Strukturdebatte, die auf die Abschaffung der Förderschulen abzielt, versteht gemeinsame Beschulung als Zwang und geht an den derzeitigen Realitäten vorbei. Zu beobachten ist, dass z.B. die Zahl der Förderschüler/-innen eher zu- als abnimmt, insbesondere wenn man Schülerinnen und Schüler mit emotional-sozialem Förderbedarf und Schülerinnen und Schüler mit Lernbehinderungen betrachtet. Für Freie Demokraten steht das Wohl jedes einzelnen Kindes im Vordergrund. Daran hat sich die Wahl zwischen Regel- und Förderschule zu orientieren. Deshalb sehen wir auch für die Zukunft eine Notwendigkeit für den Fortbestand von Förderschulen. Besonders gut profitieren Schülerinnen und Schüler mit den Förderbedarfen Lernen und emotional-soziale Entwicklung vom gemeinsamen Unterricht, sofern die Rah- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 158 33 34 menbedingungen erfüllt sind. Dazu gehören z.B. kleinere Klassen, qualifiziertes Personal und die für das jeweilige Kind benötigte Förderung. 35 36 37 Forderung 2: Personelle und finanzielle Ressourcen dürfen bei der Implementierung eines inklusiven Bildungssystems nicht aus den Augen verloren werden. 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 Unsere Schulen stehen vor zahlreichen Herausforderungen. Schulen sollen heute Wissen und Werte vermitteln, in Grenzfällen defizitäre Erziehungsleistungen kompensieren und die Betreuung im Ganztagsbetrieb absichern. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit emotional-sozialem Förderbedarf steigt an. Zugleich wird die Forderung erhoben, Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichsten Behinderungsformen in Regelschulen zu unterrichten. Weder von ihrer sächlichen noch baulichen und vor allem personellen Ausstattung her sind die meisten Schulen in der Lage, gemeinsamen Unterricht für alle anzubieten. Der flächendeckende Umbau von Schulgebäuden hin zu mehr Barrierefreiheit ist von den Kommunen angesichts der schwierigen Finanzlage kaum zu realisieren. Barrierefreie Schwerpunktschulen bieten daher realistische Möglichkeiten. 49 50 51 52 53 54 55 56 Bisher vermittelt auch die Lehrerausbildung keine umfassenden Kompetenzen für den gemeinsamen Unterricht. In Förderschulen hingegen arbeitet pädagogisches und therapeutisches Personal, das durch seine spezielle heil- und sonderpädagogische Ausbildung besondere Kompetenzen in der Betreuung und Ausbildung von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung erworben hat, Hand in Hand. Ein guter Unterricht zeichnet sich durch eine hohe Qualität an Didaktik, Erziehung und individueller Förderung aus. Wenn Regelschulen den Förderschulen in nichts nachstehen, kann Inklusion besser gelingen. 57 58 59 Wichtige Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen gemeinsamen Unterricht sind kleinere Klassengrößen und das Zwei-Pädagogen-System. Verschiedene Modelle haben sich bei der Zusammenstellung der Klassen bewährt. 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 Je nach Förderbedarf und Anzahl der Schüler/Schülerinnen empfiehlt sich ein Unterstützungsteam, welches sich aus Lehrerinnen/Lehrern, Sonder-/Heilpädagoginnen/-pädagogen und Assistentinnen/Assistenten zusammensetzt. Eine stärkere Kooperation der pädagogischen Disziplinen (Team-Teaching) ist notwendig. Die unterschiedlichen Kompetenzbereiche müssen so aufeinander abgestimmt sein, dass die Verantwortung für alle Schülerinnen/Schüler gewährleistet ist. Mit der Spezialkompetenz der Sonderschullehrerinnen/-lehrer und dem Know-how der Regelschullehrer erweitert sich das Methodenrepertoire. Die unterschiedliche Besoldung von Sonder- und Regelschullehrerinnen/-lehrern darf nicht dazu führen, dass der Inklusionsprozess behindert wird. 70 Forderung 3: Miteinander über das Kindeswohl entscheiden 71 72 Die Regelschule soll für jedes Kind erste Anlaufstelle sein. Stellt sich sonderpädagogischer Förderbedarf heraus, sind Eltern und Lehrpersonal gemeinsam 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 159 73 74 75 76 77 78 aufgefordert, eine für das Kind optimale Schule zu finden. Behinderungsformen und umfangreicher Förderbedarf sind die Kriterien für die Entscheidung. Kinder mit Wahrnehmungsstörungen, mit motorischen Auffälligkeiten und/oder mit Entwicklungsschwierigkeiten im emotional-sozialen Bereich müssen so früh wie möglich spezifische Förderung erhalten. Sinnvoll ist ein präventives Vorgehen, welches dem sonderpädagogischen Förderbedarf vorbeugen kann. 79 80 81 82 Frühfördereinrichtungen und pädiatrische Zentren spielen eine wichtige Rolle. Nicht aus den Augen verloren werden soll die Möglichkeit einer Rückschulung. Hier müssen Regel- und Förderschule besser zusammenarbeiten, um die Rückschulungsquote zu erhöhen. Die Durchlässigkeit muss gewährt werden. 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 Hörgeschädigte Kinder können an der Förderschule oftmals besser gefördert werden, da dort die Gebärdenkultur stärker verankert ist. Außerdem wollen Gehörlose häufig mit anderen Gehörlosen gemeinsam lernen. Gebärdendolmetscher machen den Unterricht aber auch an Regelschulen für gehörlose Schülerinnen und Schüler möglich. Inklusion darf kein Zwang sein. Viele Eltern von Kindern mit Behinderungen entscheiden sich bewusst für spezialisierte Schulen, um ihrem Kind eine bestmögliche Beschulung zu ermöglichen. Eltern sollen ein Wahlrecht haben! Das setzt voraus, dass sich die Bildungseinrichtungen in ihrem Angebot unterscheiden. Immer komplexere Störungsbilder sind zu verzeichnen. Sowohl Lehrerinnen und Lehrer als auch Schülerinnen und Schüler sollen vom gemeinsamen Lernen profitieren und nicht überfordert werden. 94 Forderung 4: Eine inklusive Schule als langfristiges Ziel planen 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 Voraussetzung dafür, dass so viele Schülerinnen und Schüler mit Behinderung wie möglich die Regelschule besuchen können, ist, dass die Kompetenzen der Heil- und Sonderpädagogik und der Integrationspädagogik/inklusiven Pädagogik in die Lehrerausbildung mit einfließen. Schulgebäude müssen barrierefrei gestaltet werden. Dies braucht Zeit. Deshalb ist es sinnvoll, einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren vorzusehen, um das Ziel eines inklusiven Schulsystems zu realisieren. Dabei kommt es auf das „Wie“ zur Erreichung dieses Ziels an. Ein Stufenplan zur Erreichung dieses Ziels ist sinnvoll. Förderschulen können sich zu Regelschulen öffnen. Pädagoginnen und Pädagogen von Förderschulen können an Regelschulen flexibel eingesetzt werden. Das fordert ihnen ein hohes Maß an Flexibilität ab. Sie arbeiten als „Handlungsreisende in Sachen Inklusion“. Diese beiden Möglichkeiten zeigen, dass umfangreiche Umwandlungsprozesse notwendig sind, die Zeit brauchen, damit eine inklusive Schule für möglichst alle zu einem Erfolgsmodell wird. Auf diesem Weg hin zur Realisierung eines inklusiven Bildungssystems sollen Schulträgern und Schulen erhebliche Entscheidungskompetenzen eingeräumt werden. Inklusionspläne dürfen nicht zum Sparmodell werden. Bei allen Bemühungen um gute Bildung sollte nicht vergessen werden, dass Behinderung nicht wegdiskutiert werden kann. 113 114 Freie Demokraten wenden sich entschieden dagegen, dass die UN-BRK dafür herhalten soll, Förderschulen zu schließen und alle Kinder gemeinsam zu unter- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 160 115 116 117 118 119 120 121 richten. Das ist aus dem Übereinkommen nicht herauszulesen. Inklusion darf nicht als Einfallstor für die Einheitsschule missbraucht werden. Schule eignet sich nicht als Experimentierfeld, weil hier fehlgeschlagene Versuchsanordnungen fatale Folgen für Menschen und ihre Zukunftsgestaltung haben. Deshalb ist Augenmaß und Sinn für die Realitäten von Nöten. Wir wollen, dass so viele Kinder wie möglich die Regelschule besuchen können. Vom gemeinsamen Lernen sollen alle Kinder unabhängig von ihren Voraussetzungen profitieren. 122 123 Forderung 5: Gemeinsames Lernen soll Grundlage für gemeinsames Arbeiten werden. 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 Das gemeinsame Lernen von Menschen mit und ohne Behinderung ist eine wichtige Vorbereitung auf das Arbeitsleben. Bisher erreichen nur wenige Schülerinnen und Schüler an Förderschulen einen Schulabschluss. Der Übergang von Schule und Beruf funktioniert nur unzureichend. Auf die Förderschulzeit folgen häufig weitere Maßnahmen zur Qualifizierung. Viele Menschen mit Behinderung wollen arbeiten. Sie wollen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und sie sind motivierte und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn gemeinsames Lernen selbstverständlicher wird, sind auch die Voraussetzungen für gemeinsames Arbeiten besser. Deshalb ist ein inklusives Bildungssystem bedeutsam für einen Arbeitsmarkt, der auch Menschen mit Handicap Chancen gibt. 134 135 136 137 138 139 140 Im Hinblick auf den Fachkräftebedarf ist es unerlässlich, junge Menschen zu qualifizieren. Immer noch ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die in Deutschland die Schule ohne Abschluss verlassen viel zu hoch. Vor allem Schüler/Schülerinnen der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen erreichen selten einen Hauptschulabschluss (ca. 77 Prozent). Deutlich bessere Chancen auf einen Hauptschulabschluss haben Schüler/Schülerinnen mit Lernbehinderung an einer gut ausgestatteten Regelschule. 141 142 143 144 145 146 An Berufsschulen ist Inklusion ebenfalls voranzutreiben. Auf die Bedürfnisse von z.B. Menschen mit dem sonderpädagogischen Förderbedarf „Lernen“ sollte stärker Rücksicht genommen werden, damit eine Berufstätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt erreicht werden kann. Eine voll sozialversicherunspflichtigeTätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt bringt auch eine Entlastung der Sozialkassen mit sich. Begründung: Deutschland hat 2009 das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderung (BRK) ratifiziert. In Artikel 24 (1) heißt es: „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives[1] Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen(2). Bei der 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 161 Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden.“ Schulische Bildung in Deutschland fällt aufgrund der vom Grundgesetz garantierten Kultushoheit in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. In der bildungspolitischen Debatte ist eine Entwicklung zu beobachten, mehr bundeseinheitliche Standards zu erreichen. Bundeseinheitliche Grundsätze und Standards bei der Beschulung von Kindern mit Behinderung sind sinnvoll und eine Voraussetzung dafür, die Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderung zu verbessern. Wenn mehr Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam zur Schule gehen, wird auch ein Miteinander im Arbeitsleben einfacher. Es geht nicht allein darum, nationales Recht an eine UN-Konvention anzupassen. Es geht darum, ein verändertes Verständnis gegenüber Menschen mit Behinderung zu entwickeln. Das ist nicht allein Aufgabe des Gesetzgebers. Ein gesamtgesellschaftlicher Prozess ist notwendig. Der Begriff Inklusion markiert einen Paradigmenwechsel: Während noch bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts hinein Behinderung als persönliches und funktionales Defizit verstanden wurde, kennzeichnet das in der UN-Behindertenrechtskonvention (UNBRK) verwendete Schlagwort „Inklusion“ ein Umdenken. Danach hat sich nicht der Mensch mit Behinderung an die Gesellschaft anzupassen, sondern die Gesellschaft stellt Voraussetzungen her, die Behinderung für einen Menschen nicht zur Benachteiligung werden lässt. Das hat zur Konsequenz, dass Sonderwelten und Sonderbehandlungen von Menschen mit Behinderungen durch eine umfassende und selbstverständliche Teilhabe ersetzt werden. Eine inklusive Gesellschaft wird in ihrer Gesamtheit davon profitieren, wenn Unterstützung und Defizitausgleich z.B. direkt beim Menschen ansetzen und nicht an Spezialinstitutionen gebunden sind. Ein inklusives Bildungssystem ist behutsam zu entwickeln, da übergestülpte Veränderungen Gegenreaktionen auslösen und ein selbstverständliches Miteinander von behinderten und nicht behinderten Menschen beeinträchtigen könnten. [1] In der deutschen Übersetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wurde der englische Begriff „inclusive“ mit „integrativ“ übersetzt. Die englische Fassung, in der ein „inclusive education system“ gefordert wird, ist völkerrechtlich bindend. Anzuwenden ist daher der Begriff „inklusiv“. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 162 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 163 Antrag 318 Betr.: Ergänzung Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz Antragsteller: Landesverband Berlin Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 Die gesetzliche Fassung soll lauten: 2 3 4 5 (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Ethnie, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, sexuellen Identität, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. 6 7 Die Landtagsfraktionen werden aufgefordert, in den jeweiligen Bundesländern initiativ zu werden. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 164 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 165 Antrag 319 Betr.: Ratifizierung der Istanbul-Konvention Antragsteller: Bundesvorstand Liberale Frauen Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 Die Bundesregierung muss baldmöglichst die Istanbul-Konvention ratifizieren. Begründung: Das Übereinkommen schreibt vor, dass die Gleichstellung der Geschlechter in den Verfassungen und Rechtssystemen der Unterzeichnerstaaten verankert sein muss und sämtliche diskriminierenden Vorschriften abzuschaffen sind. Außerdem sollen Hilfsangebote für Frauen verbessert und die Menschen über Bildungsangebote für das Problem sensibilisiert werden. Rund 25 Prozent der Frauen im Alter von 16-85 Jahren haben mindestens einmal in Ihrem Leben körperliche und/ oder sexuelle Gewalt durch Beziehungspartnerinnen und Beziehungspartner erlebt. Dies zeigte die Studie "Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland" aus dem Jahr 2004. Zu vergleichbaren Ergebnissen für Deutschland kommt auch die im Jahr 2014 erschienene, repräsentative Studie der Europäischen Grundrechtagentur zum Ausmaß von Gewalt gegen Frauen in Europa. Unterzeichnet wurde die Konvention am 11. Mai 2011 von dreizehn Mitgliedsstaaten des Europarates in Istanbul. Ihre Einhaltung soll von einer Expertenkommission überwacht werden, die Eiluntersuchungen vor Ort durchführen kann. Nach einer Ratifikation, die noch aussteht wäre sie die zweite Konvention zum Schutz von Frauen gegen Gewalt mit rechtlich bindender Wirkung. Das Übereinkommen wurde (Stand: August 2014) von 37 Staaten unterzeichnet und 14 ratifiziert, wodurch es am 1. August 2014 in Kraft trat. Unter den ratifizierenden Staaten befanden sich Albanien, Andorra, Bosnien und Herzegowina, Dänemark, Frankreich, Italien, Malta, Montenegro, Österreich, Portugal, Serbien, Spanien, Schweden und Türkei. Deutschland hat den Vertrag am 11. Mai 2011 unterzeichnet, bisher aber noch nicht ratifiziert. Es ist eine Schande und ein Armutszeugnis für die Bundesrepublik Deutschland, dass die Ratifizierung der Istanbul Konvention bis zum heutigen Tage nicht erfolgt ist. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 166 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 167 Antrag 320 Betr.: Technikoptimismus in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung - Datenschutz neu denken, Digitalisierung Raum geben Antragsteller: Landesverband Hessen, Wolfgang Greilich (LV Hessen), Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (LV Hessen), Jascha Hausmann (LV Hessen), Nicola Beer (LV Hessen), Hans-Joachim Otto (LV Hessen) Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 Präambel: Daten und technischen Fortschritt als Diener und Chance des Bürgers verstehen 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Die digitale Revolution hat die Welt verändert. Die digitale Entwicklung übertrifft in Auswirkungen und Geschwindigkeit alle bisher dagewesenen technischen Fortschritte. Neue Möglichkeiten der digitalen Kommunikation prägen den Alltag des Menschen sowohl im privaten wie im gesellschaftlichen Bereich. Die wirtschaftlichen Beziehungen und die Betätigung der Bürgerinnen und Bürger werden grundlegend umgestaltet. Nicht zuletzt ändert sich das Verhältnis zwischen Staat und Bürger. In diesen Zeiten, in denen sich die Digitalisierung der Gesellschaftauf einem Vormarsch befindet, der weder umkehrbar ist noch aufgehalten werden sollte, müssen auch der Datenschutz und dessen Instrumente mit der Zeit gehen. 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 In einer funktionierenden digitalisierten Gesellschaft, in der jeder Einzelne den für die Verbesserung seiner Lebensqualität größtmöglichen Nutzen aus den bestehenden technischen Möglichkeiten ziehen kann, müssen personenbezogene Daten als persönliches Eigentum des Bürgers verstanden werden, der demgemäß die alleinige Hoheit über seine Daten hat. Dies ist Ausfluss der aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgenden Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, wie es spätestens seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes in Form des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung anerkannt ist[1]. Zur Gewährleistung der Hoheit des Bürgers über seine Daten ist absolute Transparenz dahingehend erforderlich, wer wann und warum auf Daten zugreift. Soweit der Bürger nicht selbst entscheidet, wem er Zugriffsrechte einräumt, muss er die Kontrolle darüber behalten, welche staatlichen oder privaten Stellen auf seine Daten zugreifen, sie verwenden und ob dabei die rechtlich bestimmten Rahmenbedingungen eingehalten wurden. Nur diese Transparenz gewährleistet, dass letztlich Verstöße gegen rechtliche Be- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 168 29 30 stimmungen gegebenenfalls strafrechtlich, vor allem aber durch den einzelnen Bürger selbst geahndet werden können. 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 Über dieses Eigentum und die damit verbundene Verfügungsgewalt der Bürgerinnen und Bürger über ihre persönlichen Daten hinaus besteht jedoch ein weitergehender, unveräußerlicher Kern des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung, der sich als allgemeines Persönlichkeitsrecht ebenso aus dem Freiheitsgrundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 und der Garantie der Menschenwürde in Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes ergibt. Dieser Kern der informationellen Selbstbestimmung greift unweigerlich über den Warenwert von Daten hinaus. Ein vollständiger Verzicht auf die Selbstbestimmung bezüglich der Verwendung höchstpersönlicher Daten, der die Nutzung umfassend in die Entscheidungsgewalt eines Dritten stellt, ist für uns Freie Demokraten daher denklogisch ausgeschlossen[2]. Der Staat hat in einer digitalisierten Gesellschaft zu gewährleisten, dass dieser unveräußerliche Kernbereich des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung von niemandem zur Disposition gestellt werden kann und ein effektiver Schutz vor Nutzung persönlicher Daten gegen den Willen des Bürgers erfolgt. Staatliche Aufgabe ist es demnach, Gewähr dafür zu leisten, dass einerseits die technischen Voraussetzungen für eine sichere Kommunikationsstruktur sowie die technischen Grundlagen geschaffen werden und andererseits selbst die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie den Rechtschutz so zu organisieren, dass die Freiheitsrechte der Bürger nicht auf der Strecke bleiben. Denn jeder Bürger muss in einem freiheitlich-demokratischen Staat den technischen Fortschritt für sich nutzbar machen und sich gleichzeitig gegen jeden Missbrauch erfolgreich zur Wehr setzen können. 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 Die großen Chancen, sich die modernen Technologien gerade im Sinne größtmöglicher individueller Freiheit, Kreativität und Selbstverwirklichung nutzbar zu machen, werden - im Gegensatz zu anderen Ländern - in Deutschland noch nicht ausreichend genutzt. Grund sind einerseits Ängste vieler Menschen vor der Schaffung eines „gläsernen Bürgers“: Bereits heute werden eine Vielzahl von vermeintlich harmlosen Einzeldaten erfasst. Die stetige Fortentwicklung von „big data“ und die weitere Verbreitung des „Internets der Dinge“ werden dazu führen, dass die isoliert betrachtet bedeutungslosen Datensätze im Kontext mit anderen Daten immer detailliertere Rückschlüsse auf Nutzerverhalten zulassen und dadurch zunehmend wertvoller für Dritte werden. Auf diese Entwicklung bietet der Datenschutz noch keine befriedigenden Antworten. Parallel dazu ist ein massives staatliches Versagen zu beklagen: Weder hat es der Staat in Deutschland vermocht, die Hoheit seiner Bürger über ihre Daten zu gewährleisten und vor dem Zugriff Unbefugter wie der NSA oder auch privat organisierter Datenkraken wie Facebook, Google usw. effektiv zu schützen, noch hat er die notwendige sichere Dateninfrastruktur geschaffen, um Vertrauen der Nutzer zu gewinnen und damit den Weg in eine moderne und freiheitliche Kommunikationsgesellschaft zu bereiten. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 169 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 Statt ob dieser Entwicklungen zu resignieren, wollen wir Freie Demokraten den in Deutschland vorherrschenden generellen Skeptizismus durch eine grundsätzlich optimistische und realistische Herangehensweise ersetzen. Es bestehen mannigfaltige Möglichkeiten, die Lebenswelt der Menschen erheblich zu verbessern und komfortabler zu gestalten: Mit den Mitteln der Technik kann die Sicherheit, etwa im Bereich der Verkehrslenkung, erhöht werden; die Effizienz staatlichen Handelns kann, ohne dass dadurch Freiheitsrechte der Bürger beschnitten werden, exponentiell gesteigert werden; im Gesundheitswesen besteht die Möglichkeit erheblicher Qualitätsverbesserung bei gleichzeitiger Bekämpfung der Kostenexplosion; Unternehmen, gerade auch solche des Mittelstands und klassischer Branchen, können innovative Geschäftsmodelle entwickeln und über neue Wege Umsätze generieren, nicht nur regional, oft auch weltweit. Dies setzt die angestrebte optimistische Einstellung zu technischen Möglichkeiten und die Neuorientierung der Diskussion an dem Ziel der Nutzbarmachung des technischen Fortschritts ebenso voraus wie die Auflösung des Schismas aus Bürgerrechtsschutz und Fortschrittsorientierung. Erforderlich ist ein klares Bekenntnis zu Fortschritt und Technik unter gleichzeitiger Wahrung der Freiheitsrechtejedes Einzelnen. 89 90 91 92 93 94 95 96 Die Freien Demokraten treten deshalb ein für eine liberale Politik, welche die technische Revolution dem Menschen Untertan macht und dabei die Möglichkeiten nutzt, die neue Technologien bieten. Wir bekennen uns zu der Erkenntnis, dass neue Technologien auch neue Freiheiten schaffen. Insofern erstarren wir nicht in Resignation angesichts der Tatsache, dass technische Veränderungsprozesse sowieso nicht aufgehalten werden können. Vielmehr bekennen wir uns zur konsequenten Weiterentwicklung und Nutzung der neuen Technologien, gerade zur Schaffung neuer Freiheiten für jeden Einzelnen. 97 Das ist die Freiheit, die wir meinen. 98 A. Bestandsaufnahme - Digitalisierungs-Entwicklungsland Deutschland 99 100 101 102 103 Gerade im Vergleich zu Ländern des Baltikums, Skandinaviens oder Fernost hinkt Deutschland bei der Nutzung von Chancen der Digitalisierung, der Schaffung der notwendigen Infrastruktur und der Entwicklung eines modernen rechtlichen Rahmens hinterher. 104 105 106 107 108 109 110 111 Die amtierende Bundesregierung hat hierauf mit ihrer „Digitalen Agenda 2014-2017“[3] reagiert, die zwar einige richtige Absichtserklärungen beinhaltet, jedoch keine echten Visionen enthält. Das Ziel, eine „ Vorreiterrolle bei der Durchdringung und Nutzung digitaler Dienste einzunehmen“, ist unterstützenswert, kann aber mit dieser Politik der kleinen Schritte der Großen Koalition nicht erreicht werden. Die stattfindende und dringend gebotene Auseinandersetzung mit der digitalen Revolution wird mit der Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen nicht gelingen. Die Freien Demokraten positionieren sich im Spektrum 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 170 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 des politischen Diskurses stets als technologieoffene und fortschrittsgewandte Partei. Dort jedoch, wo durch Einsatz technischer Mittel in unverhältnismäßiger Weise durch den deutschen Staat (wie bei der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung), ausländische Mächte (Stichwort Geheimdienstaffäre um NSA und GCHQ) oder durch Private (bspw. die widerrechtliche Nutzung von Big Data) in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Bürger eingegriffen worden ist, hat die FDP stets klar Position bezogen. Die bisherige Verhinderung der Einführung einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ist Ergebnis dessen und stellt einen großen Erfolg für die Bürgerrechte in unserem Land dar. 122 123 124 125 126 127 128 129 130 Auf die Fortentwicklung der Digitalisierung in Deutschland haben jedoch insbesondere die Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre, das dem Themenkomplex Digitalisierung immanente Spannungsverhältnis mit dem hohen Gut des Schutzes persönlicher Daten sowie das massive Versagen der staatlichen Stellen im Umgang mit den Attacken ausländischer Geheimdienste auf die Integrität des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung dazu geführt, dass auch die FDP die Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung zeitweise aus dem Fokus verloren hat. Auch wir Freie Demokraten haben Risiken zu stark betont und die neuen Freiheiten, die aus der Digitalisierung entstehen, vernachlässigt. 131 132 133 134 135 136 Diesem deutschen Zeitgeist geschuldet hat unser Land die Möglichkeiten, welche den Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen des technischen Fortschrittes mehr Komfort und Lebensqualität gebracht, die Verwaltung entlastet und entbürokratisiert sowie einen Quantensprung in der Schulbildung ermöglicht hätten, bislang weitestgehend verschlafen und droht mit dem vorherrschenden Phlegmatismus gar, den Anschluss gänzlich zu verlieren. 137 138 B. Technischen Fortschritt als Chance begreifen – Möglichkeiten der Digitalisierung für die Bürger nutzbar machen 139 140 141 142 143 Freie Demokraten begreifen die Digitalisierung nicht in erster Linie als Risiko, sondern als Chance. Denn die Möglichkeiten durch eine echte, gelebte digitale Agenda sind für Bürger und Unternehmen, aber auch zur Effizienzsteigerung staatlicher Institutionen, schier endlos, wie sich anhand eines exemplarischen Überblicks quer durch alle Bereiche des täglichen Lebens skizzieren lässt: 144 145 146 147 148 149 150 151 152 • Die kommenden Generationen wachsen in eine zunehmend technisierte und digitalisierte Gesellschaft hinein, die in Deutschland für den weit überwiegenden Teil junger Menschen derzeit an der Schultüre endet. Während zu Hause der Umgang mit Computer, Smartphone und Tablet spielerisch erlernt wird und selbstverständlich ist, bestimmen in den staatlichen Bildungseinrichtungen weiterhin Bücherstapel und Kreidetafeln das Bild. Dabei sind die Möglichkeiten interaktiven Lernens oder der Komfortgewinn, wenn beispielsweise statt Büchern Tablet-PCs Anwendung finden, immens. Das vernetzte, digitale Klassenzimmer ist längst keine Science Fiction mehr. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 171 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 • • Hausaufgaben können online gestellt, Noten und Mitteilungen an die Eltern von den Lehrkräften digital übermittelt und die Darreichungsform für Lerninhalte verbessert sowie die Unterrichtsorganisation für Lehrerinnen und Lehrer massiv erleichtert werden. Eine weitestgehende Entbürokratisierung der Bildungseinrichtung Schule ist durch die Digitalisierung in greifbare Nähe gerückt. Gleichzeitig kann eine Qualitätssteigerung in der Wissens- und Kompetenzvermittlung erreicht werden. Das Schulbuch 2.0 hat einen digitalen Mehrwert: Digital aufbereitete Unterrichtsmaterialien könnten nicht nur das Gewicht des Schulranzen reduzieren, sondern durch die Ergänzung mit weiterführenden Film- oder Tondokumenten sowie Links Inhalte vertiefen und spannender gestalten. Per Webcam können interessante Gesprächspartner oder externe Experten, von den Austauschschülern der Partnerschule bis zu Praktikern aus Beruf und Wissenschaft, am Unterricht von überall auf der Welt aus teilnehmen. Klar ist jedoch auch, dass die digitalen Angebote nur eine Ergänzung des Handwerkszeuges kompetenter Pädagogen sein können. Im Bereich der Ausbildung und des Studiums liegen weitere Potentiale: Die Einführung (dualer) Studiengänge für die digitale Wirtschaft sowie die Schaffung von E-Entrepreneurship-Lehrstühlen bieten Chancen in neuen Geschäftsfeldern und treiben diese Entwicklung selbst qualitätsvoll voran. Gerade für den Mittelstand bieten sich so Partner sowohl für das benötigte Fachpersonal als auch für die Weiterentwicklung der eigenen Geschäftsmodelle. Während in der Bundesrepublik die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, die zum 01. Januar 2015 verpflichtend erfolgt ist, heftig umstritten war und ist, bleibt die geplante elektronische Patientenakte in Deutschland bis auf weiteres Zukunftsmusik. Dabei könnte der eigenverantwortliche Patient längst Realität sein. Wir Freie Demokraten stellen uns vor, dass der Patient bald die volle Kontrolle über seine gesamten Gesundheitsdaten selbst ausüben kann. Der Bürger entscheidet über seine persönlichen Datenschutzeinstellungen und damit darüber, wer Zugriff auf seine Daten hat, wer diese wann und in welchem Umfang einsehen kann. Nur er selbst kann die eigenen medizinischen Daten jederzeit und vollständig einsehen. Befunde, Röntgenbilder und Untersuchungsergebnisse gehören in diesem System alleine den Patienten, nicht dem jeweils behandelnden Arzt. Alle Gesundheitsdaten müssen zentral auf einem Server von allen behandelnden Ärzten bereitgestellt und dürfen nur dort gespeichert werden. Der Bürger soll darüber hinaus - wenn er die grundsätzliche Freigabe zur Akteneinsicht an behandelnde Ärzte und Pflegepersonal erteilt hat - im Gegensatz zur klassischen Krankenakte auch Kontrolle darüber haben, wer tatsächlich in seine Gesundheitsdaten Einsicht genommen hat: Jeder Log-In in das System und jeder Abruf von Daten ist nur mit persönlicher Identifikation der abfragenden Person, sei es ärztliches Personal, die Krankenschwester, der Pfleger oder wer auch immer, möglich und wird für den Betroffenen mit einem Klick auf seiner persönlichen Übersichtseite sichtbar. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 172 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241 242 • • Dadurch wird der Missbrauch von Daten einfach nachvollziehbar und kann sofort zivilrechtliche oder strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Überflüssige Mehrfachuntersuchungen, die gezielt über das Einholen einer „Zweiten Meinung“ hinausgehen und die unnötige Wiederholung teurer Diagnosemethoden durch Ärzte werden in diesem System nahezu vollständig obsolet. Dies entlastet die Patienten, aber auch das System, von Kosten. Unterschiedliche Datensätze aus verschiedenen Arztpraxen, die nicht kompatibel sind und umformatiert werden müssen, gehören durch die standardisierte Datenerfassung der Vergangenheit an. Alle Gesundheitsdaten werden so von Geburt an zentral geführt und können im Notfall schnell abgerufen werden - gegebenenfalls sogar schon digital im Krankenwagen. Vorerkrankungen oder Allergien werden so schneller erkannt – denn wenige Sekunden können Leben retten. Und auch die Qualität der Behandlung lässt sich steigern: E-Health-Systeme ermöglichen zum Beispiel, Patientendaten weltweit von den besten Ärzten auswerten zu lassen, um eine zweite Meinung zu erhalten. Operationen können unter Verwendung von 3D-Visualisierung der zu operierenden Körperteile oder Organe von Teams vorgenommen werden, die ortsunabhängig je nach Lage des Falles und der Hinzuziehung von spezieller Expertise zusammengestellt werden. Spezielle Computerprogramme können etwa Röntgenbilder weit exakter auf Krankheitsanzeichen analysieren als das menschliche Auge. Dies zeigt: Die nur zögerlich umgesetzten digitalen Funktionen der elektronischen Gesundheitskarte sind nur winzige Schritte gegenüber den Möglichkeiten der digitalen Patientenakte und der umfassenden Nutzung von E-Health-Systemen. Bei alldem ist für uns Freie Demokraten klar, dass diese Daten nicht dem Zugriff der Krankenversicherungen ausgesetzt sein dürfen. Deshalb ist es unzulässig, dass Versicherungen Befunde und Gesundheitsdaten, die auf die Lebensgestaltung der Patienten Rückschlüsse zulassen oder gar ein umfassendes Bild von der Veranlagung und den Krankheitsrisiken ergeben, für sich nutzbar machen, um daran ihre Tarifgestaltung auszurichten. Das viel bemühte „e-Government“ steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Dabei sind digitale Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung nicht nur ein Komfortgewinn für jeden einzelnen Bürger und ein echter, im internationalen Vergleich zunehmend entscheidender, Standortfaktor für Unternehmen. Unser Ziel ist es, dass alle Behördengänge wie An- oder Ummeldungen von Kraftfahrzeugen, Gründungen von Vereinen, Wohnortwechsel usw. online erledigt werden können. Hierzu gehört ausdrücklich auch eine vorausgefüllte Steuererklärung, die von den Bürgern nur ob ihrer Vollständigkeit überprüft werden muss. Ausnahme bilden hierbei lediglich höchstpersönliche Rechtgeschäfte wie die Eheschließung. Durch die umfassende Nutzung digitaler Signaturen, die in Deutschland derzeit vor allem für die Dokumentenübermittlung im Rechtsverkehr mittels elektronischer Signaturen eingesetzt werden, können nicht nur Formulare unterzeichnet, sondern auch digitale Verträge zwischen Privaten rechtsverbindlich geschlossen werden. Dies kann auch in geschlossenen Nutzer- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 173 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287 • • • kreisen organisiert werden, wie es bereits bei der Anwalts- und Justizkommunikation durch Anwendungen wie „X-Notar“ oder dem elektronischen Gerichtspostfach möglich ist. Behördengänge bis hin zu Firmen- und Gesellschaftsgründungen können so in Minuten von zu Hause, dem Konferenztisch oder von unterwegs aus erledigt werden. Langfristiges Ziel sollte es sein, die bestehenden Bemühungen um die Einführung einer internationalen elektronischen Signatur soweit voranzutreiben, dass die Verbindlichkeit im Rechtsverkehr allgemein anerkannt ist. Als nächsten logischen Schritt wollen die Freien Demokraten eine umfassende europäische Harmonisierung des Rechtsrahmens erreichen, die durch die Vorgaben der bestehenden Signaturrichtlinie noch immer nicht gibt. Mittelfristiges Ziel muss es sein, den digitalen Informationszugang in Deutschland zu revolutionieren: Sämtliche Informationen, die bei staatlichen Stellen auf Grund gesetzlicher Ansprüche abgerufen werden können, sollten auch digital abrufbar sein. Dies ist nicht nur eine massive Erleichterung für diejenigen, die um Auskunft ersuchen, sondern auch für die Verwaltung. Durch die digitale Nutzbarmachung ohnehin öffentlicher Daten, von Behördenakten und Datenbanken wie die Eintragungen im Grundbuchamt, Melderegisterauskünfte, aber auch die umfassende Bereitstellung öffentlicher Dokumente, wie derzeit beispielsweise im Rahmen des GovData-Portals des Bundes[4] bereits begonnen, werden viele Behördengänge und damit verbundener Verwaltungsaufwand obsolet. Das bestehende Nebeneinander hunderter Informationsportale, die Gemeinden, Kreise, Länder- und Bundesbehörden parallel betreiben und das weder kosteneffizient noch benutzerfreundlich ist, kann damit der Vergangenheit angehören. Die Freien Demokraten sprechen sich zudem für die Einführung einese-Voting Systems aus. Als zusätzliche Möglichkeit neben der „klassischen“ Stimmabgabe im Wahllokal oder per Brief sollen auch die Online-Abstimmung bei Abstimmungen oder Bürgerentscheiden sowie die Initiierung von Petitionen möglich werden. Auf diese Weise ergeben sich auch völlig neue, einfachere Möglichkeiten der kommunalen Bürgerbeteiligung, auch etwa im Bereich von Bürgerhaushalten. Bürger sollen von überall auf der Welt und jederzeit ihre demokratischen Rechte wahrnehmen können. Unter strenger Wahrung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben zur elektronischen Stimmabgabe[5] können wir uns grundsätzlich auch die Einführung von Online-Wahlen auf Landes- und Bundesebene vorstellen, wenn diese technisch umsetzbar sind. Das derzeit in der Umsetzungsphase befindliche europäische eCall-System oder die sogenannte „Car-to-X-Communication“ bieten für den Verkehr ein großes Maß an Sicherheitsgewinn. Entscheidend ist auch hier, dass der Bürger Herr darüber bleibt, ob das System Daten erfasst und übermittelt, welche Daten aufgezeichnet werden und wer auf diese zugreifen kann. Aus diesem Grund muss das System einfach und vollständig durch den jeweiligen Fahrer des Fahrzeugs zu jeder Zeit abschaltbar sein. Ein Zugriff von Versicherungen, Behörden oder anderen Institutionen auf 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 174 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331 • • • die Benutzerdaten, aus denen sich ein vollständiges Bewegungs- und Persönlichkeitsprofil konstruieren ließe, muss ausgeschlossen bleiben. Wenn die Polizei künftig für die Überprüfung eines Fahrzeuges dieses nicht mehr zwingend stoppen muss, sondern durch die technische Ausstattung der Einsatzfahrzeuge beispielsweise mit Tablets digital die wichtigsten Informationen wie Fahrzeugdaten, Strafregister des Halters etc. abrufen kann, können Verkehrskontrollen auf die Sachverhalte beschränkt werden, die sonstige Gründe wie das Fahrverhalten oder die Fahrtüchtigkeit des Fahrers betreffen. Dies effektiviert die Polizeiarbeit erheblich und stellt dabei sogar einen geringeren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar, als das zwangsweise Anhalten des Fahrzeugs. Wenn jeder digitale Abruf von Halterdaten eine digitale Spur in einer Logdatei des Halters hinterlässt, weiß dieser, wann, wo und von wem er überprüft worden ist und kann bei Missbrauch rechtliche Konsequenzen einleiten. Die Entwicklung selbstfahrender Fahrzeuge wird in naher Zukunft eine weitere Individualisierung von Mobilität mit sich bringen. Wo heute staatliche Verwaltungen noch über Personenförderungsgenehmigungen wachen, wird zukünftig nicht einmal mehr ein Führerschein benötigt, um sich im selbstfahrenden Fahrzeug bequem von A nach B transportieren zu lassen und zwar zum gewünschten Zeitpunkt von Haustür zu Haustür. Damit können die immensen Kosten des Personennahverkehrs drastisch reduziert und die Nutzerfreundlichkeit erheblich gesteigert werden - gefahren wird nur noch, wenn und wo tatsächliche Nachfrage besteht. Dies ist völlig flexibel abrufbar, sowohl im Hinblick auf Zeitpunkt und Ort als auch Größe des benötigten Fahrzeuges. Ländliche Regionen sind ebenso effektiv anschließbar wie städtische Bereiche. Unnötiger Verkehr oft nahezu leerer Busse und Bahnen wird reduziert. Die Telematikverbindung mit der aktuellen Verkehrslage ermöglicht zudem die passgenaue Lenkung von Verkehren, dies vermeidet Stau und bringt Personen wie Fracht schneller ans Ziel. Die begrenzt vorhandene Infrastruktur wird dergestalt effizienter genutzt. All diejenigen digitalen Dienstleistungen privatrechtlicher wie öffentlicher Natur und Informationszugangsrechte, die nicht den Kernbereich staatsbürgerlicher Rechte wie das Wahlrecht betreffen, sollen im Rahmen einer „ digitalen Einwohnerschaft“ nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern mit deutscher Staatsbürgerschaft, sondern allen Personen zur Verfügung stehen, die am Rechtsverkehr teilnehmen wollen. So könnte beispielsweise auch die Gründung von Gesellschaften, der Abschluss von Verträgen nach deutschem Recht und der Behördenkontakt von Ausländern ermöglicht und damit die Attraktivität des Standortes Deutschland weiter gesteigert werden. Diese Möglichkeiten stellen nur einen Bruchteil dessen dar, was in anderen Ländern bereits Realität ist und auch in Deutschland mit dem Willen, fortschrittsfreundlich und technologieoffen Lösungen für Konflikt- und Grenzbereiche zu entwickeln, möglich wäre. Letztlich bietet die Digitalisierung enorme Chancen für mehr individuelle Freiheit, mannigfaltige Möglichkeiten für die Effizienzsteigerung 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 175 332 333 staatlichen Handelns und zur Entwicklung des Staates hin zu einem Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger. 334 336 C. Technische, datenschutzrechtliche und infrastrukturelle Rahmenbedingungen für Digitalisierung schaffen - Meine Daten gehören mir! 337 338 339 340 341 342 343 344 Mit der Erkenntnis, dass die Digitalisierung eine Fülle von Verbesserungen an Freiheit und Komfort, an Lebensqualität und an Sicherheit für die Bürger bietet, hat der Staat besonders sorgfältig das zu besorgen, was seine vordringliche Aufgabe ist: Einerseits die tatsächlichen und technischen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit jedermann an der Entwicklung teilhaben kann, und anderseits den rechtlichen Rahmen zu gestalten, um den Nutzer vor Missbrauch zu schützen und etwaige Rechtsverletzungen effektiv verfolgen und gegebenenfalls ahnden zu können. 345 346 1. Technischen Grundstein für Digitalisierung legen: Ein Bürgerportal für alle Anwendungen 347 348 349 350 351 352 353 354 355 356 357 Die Nutzung der digitalen Dienstleistungen des Staates sowie die Kontrolle der anfallenden Daten oder das Abrufen staatlicher Informationen erfordert einen möglichst einfachen, intuitiven und zentralen Zugang, der allen Bürgern gleichermaßen zur Verfügung stehen muss. Hierzu ist ein Online-Bürgerportal zu schaffen, von dem aus der Nutzer auf alle digitalen Dienstleistungen zentral zugreifen kann – hier kann er seine persönlichen Daten verwalten, Anträge stellen, Steuererklärungen abgeben und Datenschutzeinstellungen, wie etwa die Zugriffsberechtigung von Ärzten auf Gesundheitsdaten, vornehmen. Die Daten des privaten sowie öffentlichen Bereichs bleiben dabei dezentral auf voneinander unabhängigen Servern mit jeweils spezifischen Zugangsberechtigungen der entsprechenden öffentlichen Stelle oder der Verwaltungseinheit gespeichert. 358 359 360 361 362 363 364 365 366 Durch die Möglichkeit, auch private digitale Dienstleistungen in das System zu integrieren – wie beispielsweise Online-Banking-Accounts, Verkehrsdienstleistungen wie Bahn- oder Flugtickets oder Einkaufsportale – werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass eine höhere Legitimationskontrolle bei Rechtsgeschäften aller Art bezüglich des Nutzers erfolgt und diese dabei sicherer gegenüber Ausspähung von Zugangsdaten werden. Darüber hinaus kann das Erstellen und Merken unzähliger Passworte, Benutzernamen und Zugangsdaten der Vergangenheit angehören. E-Payment- und e-Commerce-Angebote gewinnen so erheblich an Sicherheit und Komfort. 367 368 369 370 371 Unabdingbar bei systematischer Nutzung höchstpersönlicher Daten in einem derart umfangreichen Maße ist, das die Sicherheit des Server-Systems stets auf dem absolut neuesten Stand der Technik sein muss. Insbesondere zentral gespeicherte Gesundheitsdaten aller Bürgerinnen und Bürger, Zugangsdaten zu Bereichen der Finanzdienstleistung oder dem Online-Shopping bieten eine reiz- 335 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 176 372 373 374 375 376 377 378 379 380 381 382 383 volle Angriffsfläche für kriminelle Betätigung. Daher ist es staatliche Aufgabe von höchster Priorität, die digitale Infrastruktur effektiv zu schützen. Dies schließt vor allem aus, dass sensible Daten durch diejenigen, welche die technische Infrastruktur bereitstellen, außerhalb der physischen Zugriffsmöglichkeit des deutschen Staates auf Servern im Ausland gespeichert werden. Die entsprechende Infrastruktur ist durch Unternehmen in Deutschland in Kooperation mit den für die Sicherheit der Kommunikationsstruktur zuständigen staatlichen Stellen unter denselben sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen zu schaffen, wie dies beispielsweise für die Goldreserven der Bundesbank gilt. Die Weiterentwicklung von Verschlüsselungstechnologien, der Sicherheit von Speichersystemen und von qualifizierten Zugriffs- und Berechtigungslogiken muss hierzu stärker vorangetrieben werden. 384 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 Die ungleich größere Gefahr für die Datensicherheit geht jedoch zweifelsohne von Cyberangriffen bei der Datenübertragung aus. Wir Freie Demokraten geben uns nicht der Illusion hin, dass es hierbei aus technischer Sicht eine hundertprozentige Daten und IT-Sicherheit geben kann. Insbesondere bei der Kommunikationssicherheit sind eine obligatorische Nutzung der bestehenden Verschlüsselungstechnologien und deren technische Fortentwicklung wichtige Bausteine, um zumindest technisch niederschwelligen kriminellen Angriffen wirksam zu begegnen. Dazu können bei cloud-Systemen Server mit Verschlüsselungstechnologie zwischengeschaltet (sogenannte „Omni-cloud-Lösungen“) und generell komplexe Systeme mit kryptographischen Protokollen eingesetzt und fortentwickelt werden, um die Datensicherheit bei der Übertragung zu erhöhen. 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405 406 407 Durch die Ausschöpfung aller zur Verfügung stehender technischer Mittel, die Stärkung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) sowie den Ausbau der Förderung von Spitzenforschung im Bereich der IT-Sicherheit, wie beispielsweise in dem europaweit führenden Fraunhofer Institute for Secure Information Technology (SIT) in Darmstadt, kann erreicht werden, dass ein erfolgreicher Angriff auf die IT-Infrastruktur auf Grund des enormen personellen wie finanziellen Aufwandes sowohl für Unternehmen, kriminelle Organisationen als auch für ausländische Mächte schon rein wirtschaftlich unmöglich bzw. politisch nicht mehr darstellbar ist. Die Nutzbarmachung der Möglichkeiten einer digitalisierten Gesellschaft für die Bürgerinnen und Bürger ist es wert, die hiermit verbundenen, notwendigen finanziellen Mehraufwendungen zu tätigen, um den Schutz höchstpersönlicher Daten in diesem unabdingbar hohen Maße zu gewährleisten. 408 409 2. Zugang sicher und nutzerfreundlich gestalten: Eine Karte als Schlüssel zur digitalen Welt 410 411 412 413 In Anlehnung an das erfolgreiche estnische Modell[6] zur Schaffung des bestmöglichen Datenschutzes bei der Digitalisierung der Gesellschaft ist ein weiterer wesentlicher Grundbaustein die Ausweitung der elektronischen Funktionen des deutschen Personalausweises (nPA)[7]. Dieser wird zu einer ID-Karte fortentwi- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 177 414 415 416 417 418 419 420 421 ckelt, die nicht nur der Identifikation, sondern generell als Zugangsmittel zu dem zentralen digitalen Bürgerportal dient. Die technischen Voraussetzungen sind durch den elektronischen Personalausweis im Wesentlichen bereits vorhanden; die Umsetzung über viele Einzellösungen ist jedoch weder bürgerfreundlich noch werden die Möglichkeiten auch nur im Entferntesten ausgeschöpft. Insbesondere sind – abgesehen von der Authentifizierung bei einigen Versicherungen oder wenigen Banken sowie überschaubaren Behördengängen – bislang keine weitergehenden elektronischen Dienste im Rechtsverkehr möglich. 422 423 424 425 426 427 428 429 430 431 Die neue ID-Karte dient nicht nur der Identifikation bei Zugriff auf eigene oder von Seiten des Staates zur Verfügung gestellteDaten über das Bürgerportal, von dem aus der Bürger auf die Server der einzelnen Behörden, Dienstleister oder anderer öffentlicher Stellen zugreifen kann, sondern soll auch dann erforderlich sein, wenn ein Bediensteter, Beamter oder Arzt im Rahmen seiner Berufsausübung oder dienstlichen Tätigkeit auf fremdeDaten, bezüglich derer er eine Zugriffsberechtigung hat, tatsächlich zugreift. Denn Voraussetzung für eine umfassende Herrschaft des Bürgers über seine eigenen Daten sowie die Datensicherheit ist ein System, in dem der Zugriff auf persönliche Informationen nicht ohne die Identifikation des Zugreifenden durch den Betroffenen möglich ist. 432 433 434 435 436 437 438 439 440 441 442 443 Das bedeutet beispielsweise: Ein Arzt kann sich die für ihn freigeschalteten Patientendaten zwar jederzeit und von überall anschauen, jedoch nur, sofern er sich mit seiner persönlichen ID-Karte in dem System anmeldet. Jeder Datenzugriff eines berechtigten Dritten wird zudem mit einem für den Betroffenen nachvollziehbaren Registereintrag (Logdatei) hinterlegt. Somit weiß der Bürger nicht nur, dass auf seine Daten zugegriffen worden ist, sondern auch wann und von wem. Ungerechtfertigte und damit widerrechtliche Zugriffe auf sensible Patienteninformationen, wie im tragischen Fall der Studentin Tugce Albayrak oder auf persönliche Steuerdaten, wie sie beispielsweise im Fall Uli Hoeneß möglich waren, weil eine Vielzahl von Personen unkontrollierten Zugriff auf die Datenbanken hatten, wären in diesem System jedem Täter individuell und mit einem äußerst hohen Maß an Wahrscheinlichkeit nachweisbar. 444 445 446 447 448 449 450 451 452 453 Dies birgt auch erhebliche Verbesserungen der eigenen Kontrolle des Bürgers bezüglich materiell ungerechtfertigter Datenzugriffe in Bereichen, in denen er gegenüber formell berechtigten Personengruppen derzeit keine Schutzmöglichkeiten hat: Bei einer Einsichtnahme in das Grundbuch durch einen formell Berechtigten, der tatsächlich jedoch kein nachweisbares berechtigtes Interesse vorweisen kann, würde künftig im Gegensatz zu heute der Abruf für jeden Eigentümer abrufbar protokolliert. Während die Entdeckung von Missbräuchen derzeit noch oft vom Zufall abhängt, hätte es der Eigentümer hier selbst in der Hand, zu kontrollieren, wer wann auf seine Grundbuchdaten zugreift und gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten. 454 455 456 Um die Sicherheit der ID-Karte zu gewährleisten, sollte der Zugriff auf die Daten des Bürgerportals neben dem physischen Besitz der ID-Karte, die mit einer einzigartigen Signatur versehen ist, auch ein individuell durch den Nutzer erstell- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 178 457 458 459 460 461 462 463 tes Passwort, ergänzt durch ein systemseitig erstelltes Passwort, voraussetzen. So wird sichergestellt, dass nur der berechtigte Nutzer die ID-Karte auch benutzen kann. Auf der ID-Card selbst werden indes keine persönlichen Daten gespeichert; sie fungiert – im Zusammenwirken mit den beiden persönlichen PIN sowie einer Signatur – lediglich als Schlüssel für die Funktionen. Der Diebstahl einer ID-Card hätte für den Dieb ohne die Kenntnis über beide persönliche Passwörter keinen Nutzen. 464 465 466 467 468 469 470 Dieses ID-Kartensystem bietet auch erheblich mehr Datensicherheit, wie sich ebenfalls besonders gut am Beispiel des Gesundheitswesens zeigen lässt: Statt - wie bislang in Deutschland bei der elektronischen Gesundheitskarte vorgesehen - die sensiblen Informationen wie Vorerkrankungen, Bereitschaft zur Organspende oder Medikamenteneinnahme auf der Karte selbst zu speichern, wären diese nur in dem Datenportal, dafür jederzeit, abrufbar und dennoch sicherer gegen unberechtigte Zugriffe. 471 472 473 474 475 Ein echter Gewinn an Komfort für Arzt und Patient besteht durch die Einführung eines digitalen Rezeptes, welches zukünftig bei bekannter Diagnose digital auf den Account im Bürgerportal geladen und mit der ID-Karte in der Apotheke eingelöst werden könnte. Ein persönlicher Kontakt mit dem Arzt wäre in diesen Fällen nicht mehr erforderlich. 476 477 478 479 480 Neben der ID-Karte wäre es zudem möglich, den Zugriff unabhängig von Lesegerät und der Karte über das Mobiltelefon in Kombination mit einer speziellen SIM-Karte, welche die Eigenschaften einer Authentifizierung wie eine ID-Karte hat, für die mobile Identifikation freizuschalten. Damit können auch mobile Bezahlsysteme per Handy integriert und in dem System genutzt werden. 481 483 3. Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen setzen: Symbiose von Digitalisierung und Datenschutz erfordert durchsetzungsfähiges Recht und klare Regeln 484 485 486 487 Ein modernes System, welches die Möglichkeiten der Digitalisierung für Bürger weitestmöglich nutzbar machen will und die Datenerhebung unter klaren Regeln zulässt, dem Bürger hierbei jedoch maximale Kontrolle über seine Daten zugestehen will, erfordert eine Anpassung des Rechtsrahmens in Deutschland. 488 489 490 491 492 493 494 495 496 497 Zum Ersten müssen hierfür die Stärkung des institutionellen Datenschutzesund die Angleichung des Rechtsrahmens für den institutionellen Datenschutz zwischen Bund und Ländern erfolgen. Durch die letzte Änderung im Bundesdatenschutzgesetz im Dezember 2014 hat die Datenschutzbeauftragte auf Bundesebene mehr Unabhängigkeit erhalten. Insbesondere die hierbei erfolgte Einrichtung einer Obersten Bundesbehörde der Bundesbeauftragten für Datenschutz ist für uns Freie Demokraten ein gleichermaßen richtiger wie überfälliger Schritt. In Hessen beispielsweise liegen darüber hinaus seit 1. Juli 2011 der private sowie der öffentliche Datenschutz in der Hand des Datenschutzbeauftragten, der direkt vom Landesparlament gewählt wird und in der Wahrnehmung seiner Aufgaben 482 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 179 498 499 500 501 502 503 504 unabhängig ist. Der Bundesdatenschutzbeauftragte soll künftig analog zu der hessischen Regelung sowohl den öffentlichen als auch den privaten Bereich im bundesunmittelbaren Kompetenzbereich umfassend in Funktion einer eigenständigen Datenaufsichtsbehörde prüfen. Die Landesdatenschutzbeauftragten sollen in diesem System als eigenständige Datenschutzbehörden der Länder erhalten bleiben und auch weiterhin die Aufgaben des Datenschutzes in eigener Kompetenz wahrnehmen. 505 506 507 508 509 510 511 512 513 514 515 516 517 518 519 Die Freien Demokraten befürworten zum Zweiten einen weiteren Ausbau der Kompetenzen der Datenschutzbeauftragten: Künftig soll es der Datenaufsicht sowohl auf Landes- wie auf Bundesebene möglich sein, mit eigenen Verwaltungsvorschriften, Hinweisen, Verwaltungsakten und Erlassen das exekutive Datenschutzrecht im Rahmen des jeweiligen Kompetenzbereiches fortzuentwickeln. Die Anpassung der untergesetzlichen Regelungen an die jeweiligen Rechtskreise kann so bereichsspezifisch und flexibel erfolgen. In ihrer weiter verselbständigten Position prüfen die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern unter Zuhilfenahme der unabhängigen Datenschutzbehörden alle Vorkommnisse, die ihnen von Seiten privater Nutzer, öffentlicher Stellen oder Unternehmen zugetragen werden, angefangen von Phishing-Versuchen über Datenmissbrauch, bis hin zu Verstößen gegen sämtliches Sekundärrecht. Neben der anlassbezogenen Einzelfallprüfung ergänzt ein umfassendes Monitoring, das durch Algorithmen und an Hand von Auffälligkeiten (bspw. ungewöhnliche Uhrzeiten massenhafter Datenabfragen) Unregelmäßigkeiten überprüft, die Kontrolle des Datenschutzes. 520 521 522 523 524 525 526 527 528 529 530 531 Zum Dritten ist die Unabhängigkeit der obersten Datenschutzbehörden für eine effektive Kontrolle unerlässlich. Die Bestimmung der Datenschutzbeauftragten sollte daher über eine öffentliche Ausschreibung erfolgen, an deren Ende der Bundestag unter Mitwirkung der Bundesregierung und Beteiligung des Bundesrates bzw. das jeweilige Landesparlament unter Mitwirkung der Landesregierung den geeignetsten Kandidaten auswählt und der für eine feste Amtszeit von mindestens acht Jahren gewählt wird. Sowohl die Auswahl des Kandidaten als auch ein etwaiges Entlassungsverfahren sind auf Antrag durch das Bundesverfassungsgericht bzw. die Verfassungsgerichtsbarkeit der Länder zu überprüfen. Daneben sind selbstverständlich die notwendigen finanziellen und personellen Grundlagen, um eine Unabhängigkeit des Datenschutzes auch praktisch zu gewährleisten, zu schaffen. 532 533 534 535 536 537 538 539 540 Zuletzt muss eine Ausweitung der Sanktionsmittel bei Missbräuchen erfolgen. Neben der Möglichkeit, zivilrechtliche Konsequenzen bei ungerechtfertigtem Abruf, Verwendung oder Weitergabe von Daten seitens der Judikative zu ziehen, bedeutet dies auch eine Anpassung der strafrechtlichen Konsequenzen. Der missbräuchliche Umgang mit Daten soll damit – je nach Schwere des Eingriffs in die Privatsphäre des Betroffenen – harte Folgen für den Täter nach sich ziehen. Im Bereich des Arbeitsrechts bedeutet dies beispielsweise, dass der Arbeitgeber zu einer Abmahnung des Mitarbeiters verpflichtet wird, bis hin zu der Möglichkeit einer sofortigen Kündigung bei Fehlverhalten. Eine persönliche finanzielle Strafe 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 180 541 542 543 544 545 546 547 548 549 550 551 für den Täter sowie den Betrieb ist im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts vorzusehen und kann durch den Datenschutzbeauftragten bzw. seine Behörde direkt verhängt werden. Schwerwiegende Datenschutzverletzungen, wie beispielsweise Datenuntreue mit dem Ziel, sich einen finanziellen Vorteil zu verschaffen, sind überdies strafrechtlich zu verfolgen, mit einem entsprechend in der Höhe angepassten Strafrahmen. Für solche Delikte muss zudem stets das Offizialprinzip (also Verfolgung von Amts wegen, nicht nur auf Antrag oder nach Opportunität) gelten. Erfolgt seitens der Vorgesetzten oder anderer Mitarbeiter bei Kenntnis keine Anzeige bei der zuständigen Verfolgungsbehörde, sind auch hierfür entsprechende Strafverfahren im Rahmen der Regeln zur Beihilfe und/oder der Strafvereitelung obligatorisch. 552 553 4. Infrastrukturelle und persönliche Voraussetzungen schaffen: Teilhabe für alle Bürger ermöglichen 554 555 556 557 558 559 560 561 562 Entscheidend für die Nutzbarmachung der Digitalsierung für die gesamte Gesellschaft ist, dass die Teilhabe durch den Zugang zu den Systemen sichergestellt ist. Deshalb darf eine fehlende Infrastruktur nicht dazu führen, dass ein Teil der Bürger vom Komfort der Digitalisierung in den bereits skizzierten Bereichen ausgeschlossen wird. Eine moderne, leistungsfähige Breitbandversorgung sowie die flächendeckende Bereitstellung von mobilen Hochleistungsdatennetzen und offenen W-LAN-Verbindungen an öffentlichen Plätzen und in Verwaltungsgebäuden sind damit grundlegende Vorbedingungen für den Digitalisierungsprozess. 563 564 565 566 567 568 569 570 571 572 573 574 575 576 Ferner ist ein freies Internet als Treiber für wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit zu sichern. Jedem Versuch, ob von staatlicher oder privater Seite, die Nutzung von (nicht offensichtlich illegalen) Inhalten zu unterbinden oder zu erschweren, erteilen wir Freie Demokraten eine klare Absage. Das Best-Effort-Internet ist als wesentliche Basis für gleichberechtigte Chancen jeder Form von Meinungsäußerung, Inhalteangeboten oder wirtschaftlicher Unternehmung zu wahren und weiter auszubauen. Mit der Wahrung dieser Netzneutralität ist eine Balance der widerstreitenden Interessen von Nutzern, Netzbetreibern und Dienste- sowie Inhalteanbietern zu finden. Es müssen auf der einen Seite mögliche Gefahren für die überragend wichtigen Ziele von Informationsfreiheit und –vielfalt und die Chancen kleinerer, weniger finanzstarker Dienste- und Inhalteanbieter abgewehrt werden, auf der anderen Seite sind Innovationen in Form qualitätsgesicherter Dienste und eine angemessene Wertschöpfung der Netzbetreiber und damit Anreize für Netzinvestitionen zu ermöglichen. 577 578 579 580 581 582 Die Entwicklung der Digitalisierung setzt sich exponentiell fort. Wenn wir die sich daraus ergebenden Chancen nutzen wollen, und zwar auf der ganzen Bandbreite von neuen Geschäftsmodellen bis hin zu völlig neuen Wertschöpfungsketten, müssen wir das Innovationspotential unserer Wirtschaft voll zur Geltung kommen lassen. Gerade unser Mittelstand hat noch Nachholbedarf im Hinblick auf die Möglichkeiten der digitalen Neuaufstellung. Eine wichtige Rolle spie- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 181 583 584 585 586 587 588 589 len hierbei Start-ups im IT-Bereich. Um das Potential neuer Ideen optimal zu nutzen, brauchen wir deshalb ein gründerfreundliches Klima, den Abbau von Bürokratie und bessere Rahmenbedingungen bei Finanzierung und Steuern. Gerade im Hinblick auf die Entwicklung geeigneter digitaler Anwendungen in den staatlich reglementierten und damit für Markteinsteiger schwer zugänglichen Bereichen wie Gesundheit, Verwaltung und Bildung sollten Anreize geschaffen werden, damit Wettbewerb zur gezielten Digitalisierung dieser Bereiche entsteht. 590 591 592 593 594 595 596 597 598 599 600 601 602 603 604 605 606 Zu einer Gesellschaft, die einer Digitalisierung in allen Lebensbereichen für die Bürgerinnen und Bürger offen gegenübertritt, gehört ein außerordentlich hohes Maß an individuellem Verständnis für Datenschutz sowie die Möglichkeit, dieses in der Praxis anzuwenden. Dies erfordert auch, dass die technische Umsetzung – so benutzerfreundlich sie auch ausgestaltet wird – auch von denjenigen verstanden werden und anwendbar sein muss, die keine „digital natives“ sind. Aus diesem Grund ist zum einen bereits frühzeitig, das heißt im Rahmen der schulischen Bildung, der Umgang mit dem System und dem Datenschutz in den Unterricht zu integrieren. Dazu muss sich die Vermittlung von Medienkompetenz neben den Kenntnissen zu Hard- und Software auch auf die Beherrschung von Sicherheitstechniken und Datensparsamkeit beziehen. Das Schulfach Informatik ist zur Digitalkunde weiterzuentwickeln, um alle Aspekte der Digitalisierung abzudecken, aber angesichts der rasanten Fortentwicklung auch den Umgang mit Neuerungen generell auf den Lehrplan zu setzen. Die Lehrkräfte sind entsprechend aus- bzw. fortzubilden. Ferner ist für ältere Nutzer ein umfassendes Schulungswesen in der Einführungsphase vorzuhalten und dem Fortgang der technischen Entwicklung entsprechend fortzuführen. 607 608 D. Datenschutz und Digitalisierung sind nicht Selbstzweck, sondern dienen der individuellen Freiheit der Bürger 609 610 611 612 613 Ein fortschrittsorientierter Umgang mit der Digitalisierung, der den Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs ernst nimmt, uns Bürgern die Hoheit über die eigenen Daten zurückgibt und den Weg bereitet, die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zu ergreifen, ist unerlässlich, um Deutschland zu einer Republik der Chancen werden zu lassen. 614 615 616 617 618 Wir Freie Demokraten wollen, dass der Staat die notwendigen Rahmenbedingungen schafft, um seinen Bürgerinnen und Bürgern alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, diese Chancen selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu ergreifen. Wir werden den Menschen in Deutschland diese Möglichkeiten nicht länger von vorne herein durch die Angst vor Missbrauch nehmen lassen. 619 620 621 622 623 Für uns steht fest: „Selbstbestimmung ist eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens.“[8] Nur wer die Kontrolle darüber behält und beeinflussen kann, was mit den persönlichen Daten geschieht, passt sein Verhalten nicht aus Sorge vor etwaigen Sanktionen an und behält somit sei- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 182 624 625 626 627 628 629 ne individuelle Handlungsfreiheit. Und nur wenn jeder Bürger neben dem Eigentum an seinen Daten auch die Möglichkeit hat, sein Recht effektiv gegen Private, staatliche Stellen und Unternehmen durchzusetzen, kann das nötige Vertrauen in die Integrität staatlichen Handelns entstehen. Von Seiten des Staates ist daher für das Gelingen unabdingbar, dass sich die entsprechenden Institutionen rechtskonform verhalten und etwaige Verstöße hart sanktionieren. 630 631 632 „Die Verteidigung der Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat war immer und wird immer Kern unserer politischen Grundüberzeugung bleiben. Wir müssen uns in dieser Frage aber weiterentwickeln und unsere Perspektive weiten. 633 634 Für die einfache Teilhabe am sozialen Leben. Für neues Wachstum. Für mehr Komfort im Alltag.“ 635 Christian Lindner, Dreikönigsrede am 6. Januar 2015 in Stuttgart Begründung: Erfolgt mündlich. Fußnoten: [1] Vgl. sog. Volkszählungsurteil, BVerfGE 65, 1. [2] Zur Frage der Preisgabe und Verwendung von Daten im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vgl. Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Auflage, § 1 Rn. 57. ff. [3] http://www.digitale-agenda.de/DA/Navigation/DE/Home/home.html [4] https://www.govdata.de/ [5] Vgl. hierzu: BVerfGE vom 03. März 2009, 2 BvC 3/07 [6] Eine Übersicht über die umfangreichen Funktionen bietet die Seite www.e-estonia.com [7] http://www.personalausweisportal.de/DE/Home/home_node.html [8] Aus BVerfGE 65, 1 Rn. 154. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 183 Antrag 321 Betr.: Recht auf Verschlüsselung Antragsteller: Landesverband Bayern Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 Die FDP will Telekommunikations- und Telemedienanbieter ab 2018 gesetzlich verpflichten, ihre Dienste standardmäßig abhörsicher und, auf Wunsch, anonym anzubieten. Begründung: Mit den Enthüllungen Edward Snowdens und Anderer ist der ganzen Welt bewusst geworden, wie sehr Geheimdienste bereits in die Privatsphäre unbescholtener Bürger eingedrungen sind. Ohne den geringsten Anfangsverdacht werden fundamentale Grundrechte außer Kraft gesetzt. Die bisherige Reaktion der Politik war im Wesentlichen von Unverständnis, Ignoranz und Hilflosigkeit geprägt. Für uns Liberale ist dies ein unerträglicher Zustand! Alle Versuche von Politik und Wirtschaft, eine abhörsichere Kommunikation zu etablieren, so es hier überhaupt Bestrebungen gab, haben nicht gefruchtet. Verschlüsselungstechnologien sind seit Jahrzehnten ausgereift und erprobt. Leider kranken viele an einer komplizierten Benutzung und damit an Akzeptanzproblemen. Ein weiterer Hinderungsgrund ist die Notwendigkeit, dass alle Kommunikationspartner die Möglichkeit zum Verschlüsseln und Entschlüsseln bereitstellen und die Kommunikationswerkzeuge den gleichen Verschlüsselungsstandard nutzen müssen, um miteinander kommunizieren zu können. Um aus dieser Falle zu entkommen, fordert die FDP eine Gesetzesinitiative, die verbindlich eine abhörsichere Variante (Ende zu Ende Verschlüsselung) mit offenen Standards für jeden dafür sinnvollen digitalen Kommunikationsweg standardmäßig fordert. Folgende Vorteile ergeben sich aus dieser Vorgehensweise: • Offene Standards ermöglichen Kommunikation über Netzgrenzen zwischen verschiedenen Anbietern und verschiedene Dienste hinweg. • Die Verpflichtung könnte einen Entwicklungsschub für Sicherheitsprodukte auslösen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 184 • Anbieter haben ein natives Interesse daran, die Dienste möglichst einfach benutzbar zu gestalten. • Niemand wird verpflichtet, verschlüsselt Standardeinstellung soll so sein. zu kommunizieren, nur Der Staat kommt seiner Aufgabe nach, dem Grundgesetz Geltung zu verschaffen. die 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 185 Antrag 322 Betr.: Verantwortung der Suchmaschinenbetreiber für den Schutz der Privatsphäre Antragsteller: Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 1. Die FDP begrüßt die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 13. Mai 2014, in der dem Bürger ein Rechtsanspruch gegen den Betreiber einer Suchmaschine auf Löschen von Links zu Publikationen zugestanden wird, die mittels einer Namensrecherche gefunden ihn in seinem Recht auf Schutz der Privatsphäre und auf Datenschutz verletzen. 6 Im digitalen Zeitalter soll der Nutzer seine Rechte besser durchsetzen können. 7 8 2. Die FDP fordert von Google weitgehende Transparenz über seine Entscheidungspraxis, über die zu Grunde liegenden Sachverhalte und Kategorien. 9 10 11 12 13 3. Die Webmaster, also die Verantwortlichen für die Inhalte, sind vor der Entscheidung von Google zu beteiligen. Ihnen muß Gelegenheit zur Stellungnahme zum Löschantrag gegeben werden, um den Sachverhalt umfassend festzustellen und Google eine fundierte Abwägung zwischen dem Recht auf Schutz der Privatsphäre und dem Recht auf Meinungsfreiheit zu ermöglichen. 14 15 16 4. Nach der Entscheidung von Google soll neben der gerichtlichen Überprüfung oder der Anrufung der Datenschutzaufsicht ein freiwilliges Schlichtungsverfahren geschaffen werden, das kostengünstig alle Interessierten beteiligt. 17 18 19 5. Der Anspruch auf Löschung bezieht sich auf alle URL, die zu einer Publikation führen, also auf alle europäischen und weltweite Domains. Nur so kann der Rechtsanspruch des Nutzers wirkungsvoll durchgesetzt werden. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 186 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 187 Antrag 323 Betr.: Berliner Erklärung für Datensparsamkeit Antragsteller: Landesverband Berlin, Landesverband Brandenburg Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 Digitalisierung und moderne Kommunikation verändern den Staat und die Rolle der Bürger positiv. Die Freien Demokraten treten für die Sicherung der individuellen Freiheit in der Informationsgesellschaft ein. Folgende Grundsätze bei der Erhebung oder dem Zugriff auf personenbezogene Daten ohne einen jeweils individuell vorliegenden Anlass müssen dabei gelten: 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 1. Es gilt das Prinzip der Datensparsamkeit. 2. Ein konkreter Anlass für einen staatlichen Zugriff auf bestehende oder das Erheben neuer Daten muss vorhanden und jeweils eng umgrenzt richterlich festgestellt werden. Bereits vor der Maßnahme muss ihr Mehrwert durch die beantragende staatliche Einrichtung nachgewiesen werden. 3. Nur bei dringendem Verdacht auf eine schwere Straftat darf eine Datenerhebung ohne das Wissen der betroffenen Person stattfinden. Generell sind hierdurch Betroffene spätestens binnen sechs Monaten zu informieren, wenn personenbezogene Daten von ihnen erhoben werden und was mit diesen Daten geschieht. Nicht relevante Daten sind jeweils sofort zu löschen. 4. Alle solche Maßnahmen müssen regelmäßig einer Kontrolle bzgl. ihrer Wirksamkeit unterzogen werden. Jährliche, öffentlich zugängliche Berichte sind zu erstellen, um ein Gesamtbild staatlicher Überwachung zu erhalten. Diese Berichte müssen auch die direkten und indirekten Kosten durchgeführter Maßnahmen enthalten. 5. Erhobene Daten müssen nach dem Stand der Technik und mit besonderer Sorgfalt vor dem Zugriff durch Dritte geschützt werden. 6. Es ist sicher zu stellen, dass eine Zusammenführung an unterschiedlichen Stellen erhobener personenbezogener Daten nicht über die ursprüngliche Erhebungsintention hinausgeht oder dass diese Daten nicht für einen anderen Zweck verwendet werden. 28 29 30 31 32 Daher lehnen wir insbesondere die anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations- und Fluggastdaten ab. Auch die Regelungen zur elektronischen Gesundheitskarte und der automatischen KFZ-Kennzeichenerfassung sowie die geplante Realisierung der PKW-Maut und alle übrigen hier nicht genannten Vorhaben müssen die vorgenannten Kriterien erfüllen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 188 33 34 Der Bundesparteitag fordert alle aktuellen und zukünftigen Abgeordneten der Freien Demokraten auf, diese Position entschieden zu vertreten. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 189 Antrag 324 Betr.: Stärkung der Bürgerrechte gegenüber dem Finanzamt Antragsteller: Landesverband Hessen Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 Die FDP fordert die Einführung eines Ombudsmannes für Steuerzahler. Nach dem Vorbild des Wehrbeauftragten des deutschen Bundestages soll sich dieser für die Rechte von Steuerzahlern einsetzen, die behördlicher Willkür ausgesetzt sind. 5 6 7 8 9 10 11 Der Ombudsmann wird vom Bundestag gewählt und darf Finanzbehörden aufsuchen ohne Voranmeldung sowie dort jederzeit Auskunft und Akteneinsicht verlangen. Er wird tätig aufgrund von Eingaben von Steuerzahlern sowie bei Bekanntwerden von Verletzungen von Grundrechten von Steuerzahlern. Analog dem Artikel 45b des Grundgesetzes ist er als Hilfsorgan des Deutschen Bundestages zu berufen. Er berichtet dem deutschen Bundestag über seine Tätigkeit und macht damit Missstände öffentlich. 12 Ähnliche Einrichtungen sind auf Landesebene anzustreben. Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 190 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 191 Antrag 325 Betr.: Erfassung, Speicherung und Auswertung von Fluggastdaten Antragsteller: Landesverband Berlin Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 Die FDP spricht sich gegen die Aktivitäten der Bundesregierung aus, die anlasslose Erfassung, Speicherung und Auswertung von Fluggastdaten in der Europäischen Union voranzutreiben. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 192 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 193 Antrag 326 Betr.: Fluggastdaten in der EU konsequent schützen - liberale Prinzipien jederzeit leben – Wahlversprechen einhalten Antragsteller: Frank Schäffler (LV Nordrhein-Westfalen), Dr. Burkhard Hirsch (LV Nordrhein-Westfalen), Carlos A. Gebauer (LV Nordrhein-Westfalen), Alexander Müller (LV Hessen) und mehr als 250 FDP-Mitglieder Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 1. Die beabsichtigte anlasslose Speicherung und Weitergabe von Fluggastdaten in der Europäischen Union verletzt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und höhlt den Schutz des Einzelnen gegenüber staatlicher Willkür weiter aus. 5 6 7 2. Der Bundesparteitag missbilligt die erfolgte Zustimmung der ALDE-Fraktion und der FDP-Abgeordneten im Europäischen Parlament, weil dadurch der Eindruck entsteht, die Freien Demokraten würden ihre Grundsätze verraten. Begründung: Im Wahlprogramm der FDP zur Wahl zum Europäischen Parlament 2014 heißt es: „Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht pauschal unter Verdacht gestellt werden. Deshalb haben wir dafür gekämpft, dass die Bank- oder Fluggastdaten von Millionen von Europäern nicht anlasslos gesammelt, gespeichert und ohne konkreten Verdacht an Drittstaaten weitergegeben werden können.“ 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 194 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 195 Antrag 327 Betr.: Kontrollierte Freigabe von Cannabis Antragsteller: Landesverband Bayern, Landesverband Berlin, Landesverband Bremen, Landesverband Hamburg, Landesverband Niedersachsen, Landesverband Saarland, Bundesvorstand Junge Liberale Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 7 8 Schätzungen zufolge konsumieren bis zu 4 Millionen Menschen in Deutschland die illegale Substanz Cannabis. Durch die Kriminalisierung werden unzählige Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt, abhängige Nutzer alleine gelassen oder mit Strafen belegt, die sie erst recht in der Drogenszene versinken lassen und die Ressourcen der Polizei in großem Ausmaß zur Verfolgung von Konsumenten gebunden. Wir teilen diese Einschätzung mit zahlreichen Rechtswissenschaftlern und erfahrenen Praktikern aus den Bereichen Polizei, Justiz, Suchtprävention und Suchtbehandlung. 9 10 11 12 Das Verbot von Cannabis präsentiert sich als absolute Regulierung, stellt aber in Wirklichkeit nichts weiter als die Abwesenheit von Regulierung dar, deren Lücke von Drogendealern, die für Konsumenten einen Einstieg zu härteren Drogen bedeuten könnten, gefüllt wird. 13 14 15 16 Die Freien Demokraten setzen sich für die Legalisierung von Konsum und Besitz von Cannabis als Genussmittel für volljährige Personen ein. Die Freigabe soll dabei streng reguliert werden um insbesondere dem Jugendschutz Rechnung zu tragen. 17 18 19 20 21 22 Die gewerbsmäßige Abgabe von Cannabis darf deshalb nur in speziell für diesen Zweck lizensierten Geschäften erfolgen, wobei sichergestellt sein muss, dass die Käufer volljährig sind und über die Risiken des Konsums ausreichend aufgeklärt werden. Weiterhin ist in diesen lizensierten Geschäften eine regelmäßige Qualitätskontrolle durchzuführen um Verunreinigungen, zum Beispiel durch Pestizide, zu verhindern. 23 24 25 26 27 28 Die Erteilung einer solchen Lizenz setzt den Nachweis von Kenntnissen bezüglich der Wirkungen, Produktion, Verarbeitung und Risiken von Cannabispflanzen voraus. Sie umfasst die Berechtigung, die zum Zwecke der Abgabe in der lizensierte Stelle erforderliche Menge an Cannabispflanzen anzubauen und zu verarbeiten. Darüber hinaus ist dem Lizenznehmer der Import der Stoffe über ausschließlich legale Bezugsquellen im Ausland zu ermöglichen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 196 29 30 31 Der Handel mit Cannabis ohne eine solche Lizenz oder der Import aus dem Ausland von nicht legalen Bezugsquellen bleibt weiterhin strafbar. Auch die Teilnahme am Straßenverkehr im Rauschzustand bleibt selbstverständlich untersagt. 32 33 34 35 36 37 38 Die Freien Demokraten sind der Überzeugung, dass durch eine Legalisierung von Cannabis effektiver Jugendschutz betrieben werden kann. Jugendliche und junge Erwachsene haben bereits heute Zugang zu Cannabis und laufen vielfach in Gefahr, durch den Erstkontakt mit Drogendealern an weitere, noch gefährlichere Substanzen herangeführt zu werden. Mit einer kontrollierten Legalisierung kann dafür gesorgt werden, dass ein Großteil der Kundschaft der illegalen Händler wegbricht und ihr Geschäft dadurch deutlich unattraktiv wird. 39 40 41 42 43 Auch Menschen mit einem problematischen Konsum von Cannabis kann durch eine Legalisierung geholfen werden. Anstatt durch mögliche Gefängnisstrafen Kontakt zur kriminellen Szene zu bekommen, könnten effektive Präventions- und Behandlungsprogramme den Süchtigen helfen, wieder zu einem normalen Leben zurückzufinden. 44 45 46 47 48 Das Genussmittel Cannabis soll nach erfolgter Freigabe ähnlich wie Zigaretten besteuert werden. Diese zusätzlichen Einnahmen, die auf bis zu 1 Mrd. Euro jährlich geschätzt werden, sowie die eingesparten Ausgaben in der Justiz für die Verfolgung von Cannabiskonsum können unter anderem Bildungs- und Präventionsmaßnahmen zu Gute kommen. 49 50 51 Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass liberalere rechtliche Regelungen nicht zu einem höheren Cannabiskonsum führen. Die Freigabe in Deutschland soll über Langzeitstudien wissenschaftlich begleitet werden. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 197 Antrag 328 Betr.: Für mündige Patienten – für freie Arztwahl – für freie Ärzte, Apotheker und Therapeuten Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 Die FDP spricht sich gegen folgende geplante Maßnahmen im Versorgungsstärkungsgesetz aus: 3 1. Zwangsschließung von Arztpraxen in sogenannten überversorgten Gebieten. 4 2. Zwangsterminierung in deutschen Arztpraxen. 5 3. Regressverfahren/Wirtschaftlichkeitsprüfung. Begründung: Das von der jetzigen Regierung geplante sogenannte Versorgungsstärkungsgesetz ist geprägt von staatlichem Zwang, Bürokratie und ist ein weiterer Schritt in Richtung Staatsmedizin. Der geplante staatlich verordnete Aufkauf von Arztsitzen (alle, die über der 110% Versorgungsgrenze liegen) ist nicht im Sinne der Patientinnen und Patienten, denn der Zwangsaufkauf steht in krassem Widerspruch zur Verkürzung der Wartezeiten. Der Zwangsaufkauf in vermeintlich überversorgten Städten führt nicht zu mehr Arztsitzen auf dem Land, sondern verschlechtert die Patientenversorgung allgemein und vernichtet Arbeitsplätze. Geradezu abenteuerlich ist der Ansatz, auf der einen Seite Arztpraxen zwangsweise zu schließen, andererseits aber mit „Terminservicestellen“ Wartezeiten verringern zu wollen. Nach dem geplanten Gesetz müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen innerhalb einer Woche einen Termin vermitteln, die Wartezeit darf vier Wochen nicht überschreiten und die Entfernung zwischen Wohnort und Facharzt muss zumutbar sein. Die Terminservicestellen sind nichtärztlich besetzt und sollen nach Feststellung der Dringlichkeit (!) einen Termin vermitteln. Diese vermeintliche „Serviceleistung“ entmündigt den Patienten und schafft Stück für Stück die von den Patienten zu Recht hoch angesehene freie Arztwahl ab. Gleichzeitig wird eine weitere teure Bürokratie aufgebaut, die zu einer allgemeinen Verschlechterung der Versorgung führen wird. Wir Freien Demokraten wollen kein Mitgestaltungsrecht der Körperschaft öffentlichen Rechts in den individuellen Praxiskalender eines freien Berufes, sondern bevorzugen 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 198 regionale Lösungen, die in eilbedürftigen Fällen nach medizinischen Erfordernissen eine zügige Behandlung bei einem Facharzt ermöglicht. Umfragen unter jungen Ärzten haben ergeben, dass die Angst vor Regressen das größte Hindernis darstellt, sich niederzulassen, vor allem in ländlichen Gebieten. Regress bedeutet, dass der Arzt, wenn er für seine Patienten mehr Arznei- und Heilmittel verordnet als das von KV und Krankenkasse vereinbarte Volumen, er dafür finanziell haftet. Das ganze Procedere wird in aufwändigen hoch bürokratischen Prüfungsverfahren abgewickelt und nennt sich unsinnigerweise „Wirtschaftlichkeitsprüfung“. Wir Freien Demokraten sprechen uns im Sinne der Patienten für ein ersatzloses Streichen der Regresse aus, auch, um ein Signal an niederlassungswillige Nachwuchsärzte zu senden. Denn die medizinische Betreuung von Patienten erfordert ein besonderes Vertrauensverhältnis, in dem sich der Patient darauf verlassen kann, dass der Behandler nach bestem medizinischen Wissen und nur dem Patienten verpflichtet handelt, unbeeinflusst und ohne staatliche Zwänge. Das Damoklesschwert des Regresses bedroht die unabhängige medizinische Betreuung der Patienten. Es ist die Aufgabe von Krankenkassen und Arzneimittelherstellern, Preise für Arzneien zu verantworten. Bei Ärzten liegt die Entscheidung über Indikationsstellung und geeignete Verordnungsmenge für ihre Patienten. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 199 Antrag 329 Betr.: Selbstbestimmt im Betrieb – Liberale Perspektiven für die betriebliche Mitbestimmung in Deutschland Antragsteller: Bundesfachausschuss Arbeit und Soziales Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 "Die Aufgabe der Mitbestimmung ist die Humanisierung der Arbeitswelt für den arbeitenden Menschen. Menschliche Freiheit und persönliche Würde erfordern ein Höchstmaß an Selbstverwirklichung im Arbeitsprozess." (Freiburger Thesen zur Gesellschaftspolitik, 1971) 5 6 7 Der Auftrag der Freiburger Thesen ist auch in der modernen, flexibilisierten und hochtechnisierten Arbeitswelt weiter aktuell: Selbstbestimmung in allen Lebenslagen – auch im Betrieb. 8 9 10 11 In den vergangenen vierzig Jahren haben sich wesentliche Veränderungen in der Arbeitswelt ergeben. Durch neue Technologien und neue Organisationsformen wurde Arbeit körperlich erleichtert, aber auch deutlich verdichtet und beschleunigt - verbunden mit neuen Belastungen. 12 13 14 15 16 17 Neue Methoden der Personalführung fördern die Beteiligung von Arbeitnehmern an betrieblichen Entscheidungen. Durch Absinken der Arbeitslosigkeit und angesichts des Fachkräftemangels wird die Stellung der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber stärker. Diese positiven Entwicklungen innerhalb der Betriebe zeigen sich aber nicht in gleichem Maße in allen Branchen, allen Unternehmensformen und vor allem nicht bei allen Qualifikationsniveaus der Beschäftigten. 18 19 20 21 22 23 Neue Formen der Selbständigkeit und die Entkopplung vieler Arbeitsverhältnisse von festen Arbeitszeiten und -orten haben Einzug in die Arbeitswelt gehalten. Diese Arbeitsformen sind für die traditionellen Instrumente der betrieblichen Mitbestimmung nur noch teilweise zugänglich. Neue Formen der Entscheidungsbeteiligung von Mitarbeitern haben eine wachsende Bedeutung und bringen für diese oft mehr Selbstbestimmung. Sie betreffen aber nicht alle Arbeitnehmer. 24 25 26 27 Während die unternehmerische Mitbestimmung auf die wirtschaftliche Entwicklung des Gesamtunternehmens abzielt, sollen Betriebsräte der Mitgestaltung der Arbeitssituation im Betrieb sowie dem partnerschaftlichen Interessenausgleich unter den Mitarbeitern und zwischen Mitarbeitern und Geschäftsleitung dienen. 28 29 Mit einem so verstandenen Auftrag auf Grundlage gemeinsamer Ziele im Unternehmen sind Betriebsräte ein positiver Faktor für die Stabilität des Wirtschafts- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 200 30 31 standortes Deutschland. Denn Betriebsräte können auch unpopuläre dungen durchsetzen helfen und damit dem Betriebsfrieden dienen. Entschei- 32 33 34 35 36 37 38 Wir halten vor diesem Hintergrund das Instrument des Betriebsrats weiterhin für zeitgemäß, wenn Mitarbeiter des Betriebes diese Organisationsform wünschen. Allerdings müssen traditionelle Strukturen regelmäßig einer Überprüfung unterzogen werden. Maßstäbe sind die demokratische Legitimation der Arbeitnehmervertretung, die Anpassung an neue Realitäten in den Betrieben sowie Regeln und Kosten, die nicht nur für Großunternehmen, sondern auch für den Mittelstand verträglich sind. 39 Das bedeutet für die Freien Demokraten: 40 41 42 1. Wir befürworten die Einrichtung von Betriebsräten, wenn die Mitarbeiter dies wünschen. Wir wollen nicht durch eine Anhebung von Schwellenwerten die Einrichtung von Betriebsräten erschweren. 43 44 2. Der Mehrheit der Mitarbeiter darf nicht durch kleine Minderheiten oder von außen ein Betriebsrat aufgenötigt werden. 45 3. Bei der Wahl von Betriebsräten muss es mehr Demokratie geben. 46 47 4. Die Kosten der Betriebsräte in kleinen und mittleren Betrieben müssen in einem angemessen Verhältnis stehen. 48 Folgende Veränderungen schlagen wir konkret vor: 49 50 51 52 53 54 55 56 - Wir wollen mehr Demokratie bei der Einrichtung des Betriebsrates: Die Möglichkeit, einen Betriebsrat auf gerichtlichem Weg gegen die Mehrheit in der Betriebsversammlung durchzusetzen, muss entfallen. Wir wollen das Quorum zur Einrichtung eines Betriebsrats auf 25 Prozent der Mitarbeiter festlegen, wobei wie bisher drei Mitarbeiter eine Wahlversammlung hierzu einberufen können. Die dafür notwendige intensivere Kommunikation erfordert dann auch eine frühzeitige Absicherung von Mitarbeitern, die Betriebsräte gründen wollen, gegen Repressalien des Arbeitgebers. 57 58 59 - Wir wollen mehr Demokratie beim Wahlverfahren: Listenwahl mit Personenanteil, Einführung von Kumulieren und Panaschieren, also die Möglichkeit, innerhalb der Wahllisten auch gezielt Personen wählen zu können. 60 61 62 63 64 - Es muss die Möglichkeit geschaffen werden, den Betriebsrat in der laufenden Wahlperiode abzuwählen – etwa bei Untätigkeit. Hier muss allerdings ein sehr hohes Quorum gewählt werden, um radikalen Aktivisten auch bei unpopulären Verhandlungsergebnissen mit dem Arbeitgeber kein Forum zu einem Wahlkampf zu geben, der den Betriebsfrieden beeinträchtigen kann. 65 66 67 - Wir wollen die Ausgrenzung der Arbeitnehmer bestimmter Arbeitgeber aus der betrieblichen Mitbestimmung beenden. Betriebe für soziale Dienstleistungen sollen generell in das Betriebsverfassungsgesetz einbezogen werden. Der Verkündi- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 201 68 69 gungsbereich der Religionsgemeinschaften bleibt davon unberührt. Ebenfalls einbeziehen wollen wir die Betriebe des Flugverkehrs. 70 71 72 73 74 75 76 77 - Gewerkschaften haben eine herausragende und bedeutsame Rolle bei der Gestaltung der Tarifpartnerschaft, die die deutsche Wirtschaft gerade in Krisenzeiten stabilisiert hat. Gewerkschaftsarbeit und Betriebsratsarbeit sollen aber klarer getrennt werden – Gewerkschaften sollen sich um Tarif und Leistungsvergütung kümmern, der Betriebsrat um soziale Fragen im Betrieb. Es darf kein Gewerkschaftsrecht gegen die Mehrheit in der Betriebsversammlung geben. Die Beteiligung von Gewerkschaften an Wahlvorständen ist allerdings in jedem Fall sachgerecht. 78 79 80 81 82 - Der Betriebsrat muss mit Mehrheit entscheiden können, ob die Gewerkschaft an seinen Sitzungen teilnehmen darf oder nicht. Wenn die Gewerkschaft nicht im Betriebsrat vertreten ist, muss für den Fall auch die bisherige Möglichkeit des Arbeitgebers entfallen, den Arbeitgeberverband zu Verhandlungen mit dem Betriebsrat mitzubringen. 83 84 85 86 87 88 - Bei der Weiterbildung von Betriebsräten und die damit verbundenen Kosten für das Unternehmen wollen wir Transparenz schaffen: der Betriebsrat soll in der Betriebsversammlung über wahrgenommene Angebote und die damit verbundenen Aufwendungen berichten. So ergibt sich eine Selbstkontrolle auf Mitarbeiterseite über die Kosten, ohne dass der Arbeitgeber aktiv notwendige Weiterbildung behindern kann. 89 90 91 92 - Die Dauer von Mitbestimmungsverfahren muss bei zeitkritischen Unternehmensentscheidungen durch Fristen geregelt werden. Im Gegenzug muss es einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates gegen Entscheidungen des Arbeitgebers geben, bei denen die Mitbestimmungsregeln nicht eingehalten wurden. 93 94 95 - Zur Vermeidung von Interessenskonflikten sollte eine gleichzeitige Mitgliedschaft im Aufsichtsrat des Unternehmens und im Betriebsrat eines der zugehörigen Betriebe nicht möglich sein. 96 97 98 99 - Neben der Modernisierung der Verfahrensfragen der betrieblichen Mitbestimmung sollte ein Dialogprozess eingeleitet werden, um die Aktualität der Mitbestimmungsgegenstände zu prüfen und ggf. zu entrümpeln – etwa im Blick auf die technologische Weiterentwicklung in der Arbeitswelt. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 202 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 203 Antrag 400 Betr.: TTIP als Chance begreifen Antragsteller: Kreisverband Lippe, Kreisverband Gütersloh, Kreisverband Bielefeld, Kreisverband Herford, Kreisverband Paderborn, Autorin: Gudrun Kopp (LV Nordrhein-Westfalen) Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 Wir Freien Demokraten sagen grundsätzlich JA zum geplanten Freihandelsabkommen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA. Zusammen bilden beide Partner den größten bilateralen Wirtschaftsraum und machen 45 Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes (BIP) sowie 44 Prozent des Welthandels in Waren und Dienstleistungen aus. 7 8 9 10 11 12 13 14 Wir erwarten, dass das Abkommen vor allem wirtschaftliche und (geo)politische Chancen beinhaltet, insbesondere im Wettbewerb mit dem wirtschaftlich dynamischen asiatischen Raum. Mit TTIP wird ein umfassendes Handelsabkommen entstehen, das neben der Beseitigung von Zöllen und anderen Handelsbarrieren den bilateralen Handel fördern und Beschäftigung und Wohlstand steigern soll. Die Unternehmen sollen von einem verbesserten Marktzugang und erhöhten Skaleneffekten profitieren; die Verbraucher u.a. von niedrigeren Preisen. Weitere Ziele sind: 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 • • • 25 26 27 28 29 30 Die FDP fordert allerdings im laufenden Verhandlungsprozess mehr Transparenz über inhaltliche Details zu den jeweiligen Verhandlungsinhalten und -ergebnissen sowie eine bessere Kommunikation über Chancen und Risiken dieses gerade für Europa so wichtigen Freihandelsabkommens. Streitig sind derzeit z.B. Themen wie Umwelt-, Gesundheits-, Pflanzenschutzstandards sowie die Ausgestaltung von Investor-Staat-Schiedsverfahren und Rechtsstandards. • • • • Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit; Steigerung von Produktivität, Innovationen, technischem Fortschritt; Schaffung von Regelungen für Investitionen, öffentliches Auftragswesen, elektronischen Handel, Schutz des geistigen Eigentums; Harmonisierung / Vereinfachung von Normen und Standards im Produktionsablauf sowie bei Mehrtests- und Zertifizierungsverfahren und damit verbundene Kosteneinsparungen; Angleichung technischer Standards (TBT); Anerkennung von Berufsqualifikationen; Erreichung von hohem Liberalisierungs- und Investitionsschutzniveau. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 204 31 32 33 34 35 Die FDP erwartet, dass die mit den Verhandlungen beauftragte EU-Kommission ein auch für uns Europäer und das Europäische Parlament zustimmungsfähiges Verhandlungsergebnis vorlegen wird. Die FDP macht am Ende die derzeit grundsätzlich positive Einstellung zum TTIP-Abkommen von einer intensiven Prüfung und Bewertung aller Details und Beschlüsse abhängig. Begründung: Die Zukunft Deutschlands/Europas wird entscheidend abhängen von ihrer Innovationsfähigkeit. Es gilt, vor allem die Chancen neuer Kooperationen wahrzunehmen und nicht reflexartig Ängste zu schüren und damit jegliche Veränderungen abzulehnen. Die von TTIP erwarteten Wohlfahrtseffekte betreffen gemäß Studie von CEPS (European Policy Studies) bei einem umfassenden Handelsabkommen die Abschaffung von 98 Prozent aller Zölle, 25 Prozent aller nicht-tarifären Handelsbarrieren im öffentlichen Beschaffungswesen. Langfristig könnten demnach in der EU neue Arbeitsplätze in sechsstelliger Höhe entstehen. Das TTIP-Abkommen zum Erfolg zu führen ist in unserem ureigenen Interesse, wenn unser Land und Europa im globalen Gefüge wettbewerbsfähig bleiben sollen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 205 Antrag 401 Betr.: Mehr Chancen durch mehr Freiheit – Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP Antragsteller: Landesverband Baden-Württemberg Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 Freihandelsabkommen werden aus einer Vielzahl von Gründen geschlossen, die neben ökonomischen auch (geo-) politische Ziele beinhalten. Aus wirtschaftlicher Sicht sollen die Abkommen den Handel zwischen den Partnern fördern und Beschäftigung und Wohlstand steigern. 5 6 7 8 Nach einem Bericht der World Trade Organisation (WTO) wurden im Jahr 2013 rund 500 bilaterale und regionale Handelsabkommen der WTO gemeldet. Zusätzlich geht die WTO davon aus, dass weitere 100 Freihandelsabkommen bereits in Kraft getreten sind, deren Meldung der WTO noch nicht vorliegen. 9 10 11 12 13 14 Als langjähriger Partner der Europäischen Union sind die Vereinigten Staaten von Amerika ein natürlicher Ansprechpartner, um die bestehenden politischen und wirtschaftlichen Verbindungen zu stabilisieren und zu vertiefen. Das Ziel der Wohlstandssteigerung soll mit dem TTIP-Abkommen, gerade in diesen für viele europäische Staaten wirtschaftlich schwierigen Zeiten, Wachstums- und Beschäftigungsimpulse bringen, ohne deren Staatshaushalt zusätzlich zu belasten. 15 16 17 18 19 20 21 22 Zusätzlich muss betont werden, dass das TTIP vor allem positive Effekte für den Mittelstand in Deutschland bringen wird. Große Konzerne konnten bereits in der Vergangenheit Handels- und Zollhemmnisse beispielsweise durch Tochterunternehmen an regionalen Standorten umgehen oder Zulassungs- und Entwicklungskosten für andere Märkte leichter finanzieren. Die neuen Chancen für kleinere und mittlere Unternehmen durch den Abbau von Zöllen, der Harmonisierung von industriellen Normen und Zulassungsverfahren sind damit im Vergleich größer. 23 Möglichkeiten für Mensch und Umwelt 24 25 26 27 28 Das Freihandelsabkommen mit den USA ist im Bereich des Verbraucher- und Umweltschutzes mit Ängsten behaftet. Die Angst vor unhygienischem Rohmilchkäse ist in den USA so verbreitet wie die Angst der Deutschen vor mit Chlor desinfiziertem Hühnerfleisch. Und glaubt man den Lebensmittelexperten beider Länder sind beide Ängste gleichermaßen überzogen. 29 30 Verbraucher- und Umweltschutzstandards sind in Deutschland und in der EU gewachsen und begründen ein hohes Vertrauen der Bevölkerung gegenüber in 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 206 31 32 33 34 35 36 Deutschland gehandelten Waren. Aber auch die Amerikaner haben Standards, welche teilweise höher sind als die deutschen oder europäischen. Die US Food and Drug Administration gilt als die mächtigste Verbraucherschutzbehörde weltweit. Sie kontrolliert die Sicherheit von Lebensmitteln, Kosmetika und Medikamenten. Und speziell im letztgenannten Bereich sind die amerikanischen Standards den europäischen voraus. 37 38 39 40 Statt aus nationaler Sicht das Abkommen als einen Angriff auf die deutschen und europäischen Standards zu sehen, kann man es auch als Chance begreifen: Die Chance alte, gewachsene Standards auf den Prüfstand zu stellen und global einen neuen Maßstab nach westlicher Prägung zu schaffen. 41 42 43 44 45 46 Letztlich handelt es sich bei TTIP um einen Vertrag zwischen zwei gleichberechtigten Parteien. Die gegenseitige Anerkennung und die Entwicklung neuer Standards für zukünftige Produkte sollten im Vordergrund stehen. Die Verhandlungen bieten aber auch die Möglichkeit, Bewährtes zu verteidigen: Deutschland oder die EU müssen dann klarstellen, welche Umwelt- und Verbraucherschutzstandards nicht verhandelbar sind und diese vom Vertrag ausnehmen. 47 48 49 50 51 52 53 Ziel ist eine Angleichung der Schutzvorschriften auch im Bereich der Arbeitsrechtsnormen. Hier befürchten deutsche Gewerkschaften ein Absinken der Standards, während amerikanischen Gewerkschaften darauf hoffen die arbeitsrechtlichen Bedingungen an das europäische Niveau angleichen zu können. Auch im Bereich des Berufsrechts gilt es die Verhandlungen aktiv zu begleiten. Speziell im Bereich des Handwerks verfügt Deutschland über ein weltweit einmaliges und erfolgreiches Berufs- und Ausbildungsrecht, welches unbedingt schützenswert ist! 54 Verhandlungsführung – aus Fehlern lernen 55 56 57 58 59 60 61 Um die Verhandlungen erfolgreich abschließen zu können brauchen wir kompetente, engagierte Vertreter der Länder und Bürger. Die Vorschriften des Lissaboner Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen Union bestimmen die Rahmenbedingungen für das Verhandlungsmandat zum TTIP. Das Mandat ist genau definiert, die Inhalte bekannt. Auch wurden von Beginn an Informationspflichten der Verhandlungsführer gegenüber den handelspolitischen Ausschüssen des Rats sowie des Parlaments geregelt. 62 63 64 65 66 67 68 Die Information der Politik ersetzt jedoch nicht die Information und Diskussion mit den Menschen. Die Ablehnung der Bürgerinnen und Bürgern gegenüber Verhandlungen, die sie nicht unmittelbar nachvollziehen können war der Nährboden für Fehlinformationen und Skepsis gegenüber dem gesamten Vertrag. Diese Umstände hat der ehemalige Handelskommissar De Gucht nicht nur unterschätzt – mehr Transparenz gab es erst zu spät. Inzwischen ist das „Wie“ der Verhandlungen für die allgemeine Akzeptanz ebenso wichtig wie das „Was“. 69 70 Unter der neuen Handelskommissarin Cecilia Malmström wurden wichtige Änderungen eingeführt. Seit Anfang 2014 begleitet eine sogenannte Beratergruppe 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 207 71 72 73 die Verhandlungen. Diese besteht aus Experten in den Bereichen Verbraucherschutz, Arbeitsrecht, Umwelt, Gesundheit, Wirtschaft, verarbeitende Industrie, Landwirtschaft und Dienstleistungen. 74 75 76 77 78 Es finden regelmäßig Veranstaltungen mit Vertretern der Gewerkschaften, der Verbraucherverbände, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft statt, um die Interessen und Bedürfnisse aller Betroffenen zu verstehen und dementsprechend in den Verhandlungen reagieren zu können. Auch im Internet findet man detaillierte Informationen über den Verhandlungsfortschritt und die einzelnen Kapitel. 79 80 81 82 83 Letztlich muss das, was am Ende zur Entscheidung vorliegt, die Zustimmung des europäischen Parlaments finden. Wir Freien Demokraten wissen, dass unsere Vertreter im europäischen Parlament den Vertrag prüfen und ihre Entscheidung abwägen werden und am Schluss zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger Europas die richtige Entscheidung treffen werden. 84 85 Investitionsschutzabkommen – neue Chancen auch für deutsche Unternehmen 86 87 88 89 90 91 Auch mögliche Differenzen zwischen Wirtschaft und Staaten sollen im Freihandelsabkommen geregelt werden. Aber genau diese sog. Investitionsschutzklauseln stoßen gerade in der deutschen Bevölkerung auf massive emotionale Ablehnung. Mit einer Investitionsschutzklausel verpflichten sich Staaten oder Staatengemeinschaften Schiedsgerichte als alternative Klagemöglichkeit neben dem ordentlichen Rechtsweg zu akzeptieren. 92 93 94 95 96 97 98 99 Die Schiedsgerichtsbarkeit – wie sie mit dem Investitionsschutzabkommen eingerichtet werden soll – hat in Deutschland eine bewährte Tradition. Die Schiedsgerichtsbarkeit hat auf europäischer und globaler Ebene dazu beigetragen, dass die Rechtssicherheit größer geworden ist. Weltweit existieren rund 3000 bilaterale Investitionsschutzabkommen. Allein 1400 von europäischen Staaten, Deutschland selbst hat bereits 137 Abkommen abgeschlossen. Nicht nur Deutschland, auch Europa hat daher vielfältige Erfahrungen mit dem Abschluss von Investitionsschutzabkommen – zugunsten der europäischen Staaten. 100 101 102 103 Das bedeutet natürlich, dass an die Einrichtung der Schiedsgerichte Anforderungen gestellt werden müssen. Im Ergebnis müssen diese ebenso sorgfältig und unabhängig arbeiten wie unsere eigenen Gerichte auch. Dies setzt die Auswahl unabhängiger Schiedsrichter zwingend voraus. 104 105 106 107 108 Es ist in unserem Interesse, dass sich unsere Partner aus weniger rechtssicheren Ländern dazu verpflichten, sich auf neutrale Schiedsgerichte einzulassen. Dieses Interesse können wir jedoch nur dann durchsetzen, wenn auch wir zeigen, dass wir diesen Gerichten vertrauen. Nicht umsonst bestand die EU in vergangenen Verhandlungen um Freihandelsabkommen auf Schiedsgerichte. 109 110 Nachdem die Kommission die Öffentlichkeit gebeten hatte, ihr Rückmeldungen zu den umstrittenen Investor-Schiedsverfahren zu geben, arbeitet sie nun an ei- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 208 111 112 nem verbesserten Vorschlag, der u.a. die Kritik einer fehlenden Revisionsinstanz im aktuellen Investor-Schiedsverfahren aufgreifen und optimieren wird. 113 114 115 116 117 118 119 Wichtig ist, dass nicht der Anschein entsteht, diese Verfahren würden hinter verschlossenen Türen stattfinden. Gerade wenn Staaten involviert sind, hat die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse zu erfahren wie die Verfahren laufen und was die Ergebnisse der Verfahren sind. Um dies zu gewährleisten, existiert im Investitionsschiedsverfahren grundsätzlich keine generelle Vertraulichkeitspflicht der Parteien. So kann der betroffene Staat seine Bürger über den Verlauf der Verhandlungen und deren Ergebnisse informieren. 120 121 122 123 124 In der Praxis hat sich sogar gezeigt, dass Investitionsstreitigkeiten meist „öffentlicher“ geführt werden als andere Verfahren. In der Praxis sind die meisten Schiedssprüche heute für jedermann frei zugänglich sind. Damit gehen die dort vermittelten Informationen weit über das hinaus, was beispielsweise im deutschen Zivilprozessrecht vorgeschrieben ist. 125 Rat zur Regulatorischen Kooperation mittelstandsfreundlich gestalten 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 Mit dem Regulatory Cooperation Council soll ein Gremium geschaffen werden, dass zukünftige Regulierungsvorhaben zwischen den USA und Europa abstimmt, um so Konfliktpotentiale bereits im Vorfeld zu erkennen und auszuräumen. Grundsätzlich ist ein solches Gremium begrüßenswert, da etwa Zertifizierungoder Normungsprozesse bereits in einer frühen Phase auf Praxistauglichkeit geprüft werden können. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass in diesem Regulierungsgremium die Interessen der klein- und mittelständischen Unternehmen vertreten werden. Dies ist unverzichtbar, da große Industrieunternehmen häufig abweichende Standards bezüglich Kennzeichnungspflichten oder der Anerkennung von Zollvereinfachungsprogrammen und Zollsicherheitsprogrammen haben. 136 137 Mit Herz und Verstand handeln und verhandeln – Die Chance in der Freiheit sehen 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 Auch wenn das Verhältnis zwischen den USA und Europa, gerade in der jüngsten Vergangenheit, auch einige Unstimmigkeiten aufwies, die Abhörungspraktiken der NSA um nur ein Beispiel zu nennen: Die USA war und ist ein traditioneller und zuverlässiger Partner Deutschlands und Europas. Diese Verbindung zu vertiefen birgt für beide Seiten Chancen: Europa erhält neue Impulse für Wirtschaftswachstum und die historische Chance gemeinsam mit den USA weltweit bessere Standards zu setzen und so für die globale Bevölkerung höhere Lebensstandards zu erzielen. Deutschlands Wirtschaft kann neue Wachstumsmärkte für sich erschließen und von einer vereinheitlichten Zulassung seiner Produkte in den großen Markt der USA profitieren. 148 149 150 Für die Freien Demokraten ist es selbstverständlich, dass im Bereich des Umwelt- und Verbraucherschutzes qualitativ keine Abstriche gemacht werden dürfen. Das von der EU-Kommission definierte Vorsorgeprinzip muss uneinge- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 209 151 152 153 154 155 156 157 158 schränkt beibehalten werden. Es ist sicherzustellen, dass das hohe Schutzniveau für Menschen und Umwelt erhalten bleibt. Die Verhandlungen müssen transparent gestaltet sein, die Bürger müssen auf dem Weg mitgenommen werden. Wir stehen für eine sachliche Debatte und konsequenten Verhandlungen mit den USA. Auf der anderen Seite wollen wir unbegründeten Ängsten mit Aufklärung begegnen. Immer dann, wenn Deutschland und Europa den Freihandel vorangetrieben haben, haben wir profitiert: Freihandel hat für unternehmerische Chancen gesorgt, Wohlstand geschaffen und Beschäftigung gesichert. 159 160 Folgende Punkte müssen aus unserer Sicht in den Verhandlungen berücksichtigt werden: 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 • 175 176 177 Für uns entscheidet das Ergebnis – enthält der fertige TTIP Vertrag diese Kriterien, werden wir diesem zustimmen. Bis dahin, sollten wir Freien Demokraten dem Projekt aufgeschlossen und positiv gegenüberstehen! • • In dem Freihandelsabkommen sind die Belange des Handwerks, insbesondere die Besonderheiten des Meistertitels vor Eingriffen zu schützen. Die Aufnahme einer Klausel, welche regelt, dass eine Partei des Investitionsschutzabkommens innerhalb des Freihandelsabkommens nicht aus dem gleichen Rechtsgrund sowohl vor dem Schiedsgericht als auch vor einem ordentlichen Gericht klagen kann. In den Verhandlungen soll darauf hingewirkt werden, dass der Umfang des Investitionsschutzes des Freihandelsabkommens dem Umfang des Investitionsschutzes des deutschen Rechts angepasst wird. Um Rechtssicherheit für Investoren auch zwischen den unterschiedlichen Investitionsschutzabkommen zu erzielen, befürwortet die FDP die Einrichtung einer Berufungsinstanz, die über den einzelnen Investitionsschutzabkommen angesiedelt ist und der Vereinheitlichung der Rechtsprechung und der steigenden Rechtssicherheit dienen soll. Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 210 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 211 Antrag 402 Betr.: Europäische Grundrechtepolitik Antragsteller: Landesverband Baden-Württemberg Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 Mit der EU-Grundrechte-Charta haben die europäischen Bürgerinnen und Bürger starke Rechte gegenüber dem Handeln der EU-Institutionen bekommen. 3 4 5 Datenschutz, Schutz der Privatheit und Meinungsfreiheit sind einige der wichtigen Grundrechte in Zeiten der Digitalisierung. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich zum hervorragenden Wächter dieser Grundrechte entwickelt. 6 7 8 9 Die FDP verteidigt diese Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Mit dem Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten und der Privatsphäre ist die anlasslose, massenhafte und flächendeckende Speicherung von personenbezogenen Daten nicht vereinbar. 10 11 So wie dies bei den Telekommunikationsverbindungsdaten der Fall ist, gilt dies auch für die Speicherung der Flugpassagierdaten. 12 13 14 15 16 Die FDP lehnt, wie im Europawahlprogramm festgelegt, eine anlasslose Speicherung und Verarbeitung der Daten der Fluggäste ab. Dieses Vorhaben der EU-Kommission, über das schon lange verhandelt wird, ist nach der Entscheidung des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung nicht mit der EU-Grundrechte-Charta in Einklang zu bringen. 17 18 Die FDP lehnt eine derartige Überwachung des Flugverhaltens aller Fluggäste aus grundsätzlichen Überlegungen ab. Die FDP steht zu ihrem Versprechen. 19 20 Im Übrigen fordert die FDP der Rat den EU und insbesondere die Bundesregierung auf, ihren Widerstand gegen die Datenschutzgrundverordnung aufzugeben. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 212 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 213 Antrag 403 Betr.: Solidarität der Gesellschaft mit den Streitkräften Antragsteller: Bezirksverband Oldenburg Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 Die FDP startet auf innenpolitischer Ebene eine Solidaritätskampagne, die das Symbol der "Gelben Schleife" nutzt. Diese wird bisher innerhalb der Streitkräfte eingesetzt und hat in der Zielgruppe einen positiven, hohen Bekanntheitsgrad. Als leicht erfassbares "Bild" unterstützt die Gelbe Schleife empathische Botschaften und erreicht die Menschen schneller als rationale Aussagen. 6 7 8 9 10 1. Die Soldaten erwarten eine Anerkennung für ihren grundgesetzlich geforderten Dienst aus der Gesellschaft heraus. Auch für die Pflichterfüllung bei den von unserem Parlament geforderten Einsätzen wird diese menschliche Solidarität erwartet. Dabei geht es nicht um das Für und Wider von Einsätzen, sondern um die moralische Unterstützung bei der Ausübung des geforderten Dienstes. 11 12 2. Das Orginal der "Gelben Schleife" soll durch die FDP als Symbol für die menschliche Solidarität mit der Bundeswehr aktiv genutzt werden. 13 14 3. Das Symbol der "Gelben Schleife" bekundet unsere Solidarität mit den Soldatinnen und Soldaten, den Reservistinnen und Reservisten sowie deren Familien. 15 16 17 18 19 4. Die "Gelbe Schleife" soll für die Mitglieder- und Wählerwerbung unter Nutzung des Themas "Sicherheitspolitik" durch die FDP bundesweit für den kommunalen, landes- und bundespolitischen Bereich verwendet werden. Bei geeigneten Kampagnen und Aktionen soll das Symbol der “Gelben Schleife” auf Plakaten und Flyern der FDP abgebildet werden. Begründung: Durch das Eintreten der FDP für die Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland hat die FDP eine besondere Verantwortung übernommen, die neu gestalteten Streitkräfte unseres Landes in Strukturentscheidungen, Ausbildung und Einsatz zu begleiten und zu unterstützen. Die intensive Begleitung der Abschaffung der Wehrpflicht kann nur im Gleichklang mit der Unterstützung der Neugestaltung der Bundeswehr politisch glaubwürdig vertreten werden. In Deutschland leben mehrere Millionen Männer und Frauen, die in unseren Streitkräften gedient haben und damit als Reservisten und Reservistinnen gelten. Dazu kommen die 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 214 aktiven Streitkräfte mit einem Umfang von rund 180 000 Menschen. Diese wiederum werden durch ihre Familien, Freunde und eine Vielzahl von Bekannten unterstützt. Über die "Gelbe Schleife" soll durch die FDP eine Diskussion über die Sicherheitspolitik mit ihren Säulen Verteidigungspolitik, Aussenpolitik, Sicherheit durch Polizeieinsatz und den immer notwendigen Wiederaufbau angeregt und geführt werden. Das freundliche Desinteresse an Solidaritätsbekundung ersetzt werden. der Bundeswehr sollte durch eine aktive Die Genehmigung zur Nutzung der "Gelben Schleife" durch die FDP wurde bei der Gründerin der Aktion eingeholt. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 215 Antrag 500 Betr.: Für eine grundsätzliche Neugestaltung des deutschen Rentensystems Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 Die FDP spricht sich angesichts der Herausforderungen durch den demographischen Wandel unserer Gesellschaft für eine grundsätzliche Neugestaltung des deutschen Rentensystems aus. 4 5 6 Das deutsche Rentensystem basiert auf dem Grundgedanken des Generationenvertrages, nachdem die jeweils im Erwerbsleben stehende Generation die Renten der nicht mehr erwerbstätigen Generation im Umlageverfahren finanziert. 7 8 9 10 11 12 13 Der demographische Wandel wirkt sich durch zwei Komponenten auf dieses Rentensystem aus: Zum einen durch das immer höhere Lebensalter der Bevölkerung und zum anderen durch die Abnahme der Geburtenrate und die dadurch eintretende Verringerung der Anzahl der später Erwerbstätigen. Immer weniger Erwerbstätige (mit immer länger werdenden durchschnittlichen Lebenszeiten für die berufliche Ausbildung – also ohne echte Beitragszahlungen), müssen immer mehr Altersrentner mit immer längerer Lebenszeit finanzieren. 14 15 16 17 18 19 20 Ein solches System funktioniert zukünftig nur, wenn entweder die Lebensarbeitszeit und/oder die Beitrage drastisch erhöht oder die Rentenleistungen drastisch vermindert werden. Das schlichte Festhalten an diesem rein umlagefinanzierten Rentensystem dürfte zur Folge haben, dass bei erheblich steigenden Rentenbeiträgen für die meisten Rentenbezieher nur das Existenzminimum abgesichert werden könnte. Deshalb bedarf es einer grundsätzlichen Neugestaltung des Systems. 21 22 23 24 25 Die FDP sieht in einer Kombination aus einem umlagefinanzierten und einem kapitalgedeckten System die Zukunft der ersten Säule der gesetzlichen Altersvorsorge. Dabei ist der durch Umlage finanzierte Teil zukünftig durch ein System fiktiver Guthaben der Beitragszahler auf individuellen Beitragskonten mit fiktiver Verzinsung zu ersetzen (sog. notional defined contribution system (NDC)). 26 27 28 29 30 31 Eine Umstellung unseres Rentensystems auf ein rein kapitalgedecktes System ist nicht realisierbar, weil in einer Übergangsfrist durch Steuermittel sämtliche Rentenleistungen finanziert werden müssten, die ältere Generationen durch ihre Beitragsleistungen erworben haben und die es zu sichern gilt. Ein kleiner Anteil, vor allem aber ggfs. derzeit erzielte Überschüsse, sollten allerdings in einen kapitalgedeckten Teil der gesetzlichen Alterssicherung fließen. Dies könnte nach 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 216 32 33 schwedischem Modell auch ein Anteil von ca. 2,5 Prozent der Beiträge sein, die als sogenannte Prämienrente auf freiwilliger Basis erbracht werden können. 34 35 36 37 Ziel der Umstellung des umlagefinanzierten Teils der Rentenversicherung auf ein NDC-System ist es, einen starken Anstieg der Beitragssätze zu verhindern, unfaire Umverteilungseffekte auszuschließen und Transparenz für alle Beitragszahler zu schaffen. 38 39 40 41 42 43 44 45 Dabei werden die Beitragszahlungen – und nur diese – auf fiktiven Konten geführt, die von Anfang an einer Verzinsung unterliegen. Dieser Zinssatz bestimmt sich allein aus dem Wachstum der Beitragssumme und ist dadurch geeignet, sämtliche demographischen Veränderungen sofort und ohne weitere gesetzliche Eingriffe abzubilden. Bei Renteneintritt wird das fiktive Vermögen gemäß versicherungsmathematischen Regeln in eine lebenslange Rente konvertiert. Dadurch werden Veränderungen der Lebenserwartung sofort und ohne gesetzgeberischen Eingriff berücksichtigt. 46 47 Mit dieser Umstellung auf ein NDC-System lassen sich viele Vorteile erzielen, die wir im Rentensystem verankern wollen: 48 49 50 - Es fördert die Transparenz der umlagefinanzierten Säule, indem es klar die individuellen Beiträge und die daraus resultierenden Leistungsansprüche identifiziert. 51 52 - Es schafft für Beitragszahler die Freiheit zur selbstbestimmten Wahl des eigenen Verrentungsalters oberhalb eines festgelegten Mindestalters. 53 54 - Es stärkt das Prinzip, dass Renten auf dem Lebenszeiteinkommen basieren und belohnt Arbeitnehmer, die früh in den Arbeitsmarkt eintreten. 55 56 57 58 - Es erlaubt es einfach, Transferleistungen als Ersatzbeiträge zu identifizieren und sorgt dafür, dass diese Transferleistungen nur steuerlich finanziert werden können. Damit verhindert das System die Belastung der Beitragszahler mit rentenfremden Leistungen. 59 60 - Es bietet einen Rahmen, um ggfs. mittelfristig auch Selbständige und Beamte in das System mit einzubeziehen. 61 62 63 64 65 66 67 Wir sprechen uns dafür aus, als erstmögliches Renteneintrittsalter das 60. Lebensjahr festzulegen. Ab diesem Lebensalter soll der Renteneintritt von jedem Menschen selbst festgelegt werden können, soweit bis dahin aus der gesetzlichen Rente sowie etwaiger betrieblicher oder privater Altersvorsorge ein Einkommen erzielt wird, das oberhalb eines Grundsicherungsniveaus liegt. Vom Zeitpunkt des Renteneintritts sollen darüber hinaus keine Hinzuverdienstgrenzen bestehen. 68 69 Mit dieser Möglichkeit verbindet sich auch unsere Erwartung, dass sich durch die Freiwilligkeit in der Festlegung des Renteneintrittsalters ein größerer Teil der 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 217 70 71 72 Menschen für ein längeres Erwerbsleben entscheiden werden. Das in Schweden eingeführte Modell hat dieses gezeigt, denn Schweden hat das höchste faktische Durchschnittsrenteneintrittsalter in ganz Europa. 73 74 75 76 77 78 79 Die Hinzuverdienstgrenzen für Rentenbezieher sind schon heute eine unverhältnismäßige Freiheitsbeschränkung. Nach der Einführung des neuen Systems werden sie obsolet sein, weil die Rente auf der Basis der individuellen Leistungskonten gezahlt wird. Von den neben der Rente erzielten Einkünften sind allerdings Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu leisten. Auch die weitere, freiwillige Einzahlung in die Rentenkasse zur Erzielung von Rentensteigerungen ist möglich. 80 81 82 83 84 Für alle Menschen, die bis zu ihrem 67. Lebensjahr aus dem gesetzlichen Rentensystem und einer betrieblichen oder privaten Altersvorsorge keine Einnahmen erzielen können die ein staatlich festgelegtes Existenzminimum erreichen, wird eine staatliche Garantierente gezahlt, die ausschließlich aus Steuern zu finanzieren ist. 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 Von der Konzeption her ist diese Garantierente eine staatlich finanzierte Aufstockung der Einkommensrente, entsprechend der schon heute in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung angelegten Grundsicherung im Alter. Sie erspart allerdings Rentenbeziehern den zusätzlichen Gang zum Sozialamt, sondern sichert ihnen – analog dem Bürgergeldsystem – eine bedarfsorientierte, bedürftigkeitsgeprüfte und existenzsichernde Altersversorgung. Der Gesetzgeber ist insoweit frei die Bedingungen für den Bezug und die Höhe festzulegen, hat dazu allerdings die erforderlichen Mittel aus Steuergeldern aufzubringen. Insbesondere das schwedische Rentenmodell sieht insoweit bestimmte Anwartschaftszeiten vor und die Höhe richtet sich nach Familienstand und Dauer eines Wohnsitzes im Inland. 96 97 98 In der Eigenverantwortung jedes Einzelnen können und sollen neben dieser Säule der gesetzlichen Rentenversicherung die Möglichkeiten der betrieblichen und privaten Altersvorsorge wahrgenommen und ausgebaut werden. 99 100 101 102 103 104 Uns ist bewusst, dass trotz dieser Umstellung des gesetzlichen Rentensystems für viele Menschen die Notwendigkeit einer zusätzlichen betrieblichen und privaten Altersvorsorge bestehen wird, um ein angestrebtes Wohlstandsniveau auch im Alter zu realisieren. Freiräume dazu entstehen für die Bürgerinnen und Bürger vor allem durch finanzielle Entlastungen im Steuersystem, wie sie die FDP seit langem fordert. Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 218 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 219 Antrag 501 Betr.: Renten sichern! – Versicherungsfremde Leistungen überprüfen und durch Steuern finanzieren. Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Die FDP fordert, dass die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Alterssicherung in der Gesetzlichen Rentenversicherung vollständig für die Alterssicherung verwendet und eindeutig von nicht-beitragsgedeckten ("versicherungsfremden") Leistungen abgegrenzt werden. Die FDP will erreichen, dass "versicherungsfremde" Leistungen der Rentenkassen vollständig durch Bundeszuschüsse gedeckt werden. Der Umfang der nicht beitragsgedeckten Leistungen muss jährlich zeitnah ermittelt, veröffentlicht und überprüft werden. Diese Leistungen dienen der Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben und ihre Finanzierung darf deshalb nicht zu Lasten der Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern der Rentenversicherung erfolgen und deren Rentenansprüche schmälern. 11 12 Das Reformziel der FDP ist es, durch eine Stärkung des gesetzlichen Rentensystems 13 • die Risiken von Altersarmut zu reduzieren, 14 • weitere Absenkungen des Rentenniveaus zu bremsen, ohne dabei 15 • die paritätische Beitragsfinanzierung zu überfordern. 16 17 18 19 20 21 22 Um diese Zielsetzung zu erreichen, fordert die FDP ein langfristig tragfähiges Gesamtkonzept, das die durch die "Rentenreformen" der letzten Jahre verursachten Defizite des gesetzlichen Rentensystems korrigiert. Hierbei muss der von Wissenschaftlern (u.a. des "Sachverständigenrates") prognostizierte Verfall des Brutto-Rentenniveaus bis auf 40 Prozent (bei "Standardrentnern" mit 45 Versicherungsjahren!) bis zum Jahr 2030 gestoppt und die hohe Subventionierung von einzelnen kapitalgedeckten Altersvorsorgeprodukten korrigiert werden. Begründung: Die Problematik der versicherungsfremden Leistungen: Seit es die Rentenversicherung des Bundes gibt, muss sie auch versicherungsfremde, also nicht beitragsgedeckte, Leistungen übernehmen. Der Katalog dieser Leistungen ist sehr umfangreich und reicht von Ersatzzeiten (z.B. Wehrdienst), Anrechnungszeiten (z.B. bei Krankheit oder Schwangerschaft), Kriegsfolgelasten und Frührenten bis hin zur 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 220 Witwenrente. Die Erbringung dieser Leistungen ist (sozial-)politisch gewollt – sie gelten als gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Allen diesen Leistungen stehen jedoch keine Beiträge der Rentenversicherten gegenüber. Aus diesem Grund sollen diese Leistungen auch über den sogenannten Bundeszuschuss aus Steuermitteln getragen werden. Verschiedene Untersuchungen ergaben jedoch, dass die Summe der Bundeszuschüsse konstant weit unter den tatsächlich erbrachten versicherungsfremden Leistungen liegt. Bezogen auf die Rentenversicherung ergab beispielsweise eine DIW-Studie aus dem Jahre 2005 für das Betrachtungsjahr 2002 einen Fehlbetrag von 39,2 Milliarden Euro (1): Versicherungsfremde Leistungen in der Sozialversicherung 2002 (in Mrd. EUR) Kriegsfolgelasten: 14,0 Anrechnungszeiten: 10,2 Rentenzuschläge: 9,0 Frührenten: 16,0 Witwen-, Witwerrente: 31,6 Vereinigungslasten, Rentenbestand: 7,7 Gesamt: 88,5 Bundeszuschuss: -49,3 Versicherungsfremde Leistungen (RV) (Saldo): 39,2 Eine konservativere Schätzung von Bert Rürup im Auftrag der Bundesregierung geht für das Jahr 2003 von einem Fehlbetrag von 23,5 Milliarden Euro aus. Die Differenz beträgt somit 19% (DIW) bzw. 12% (Rürup) der Gesamtleistungen der Rentenversicherung. Quellen: (1) Meinhardt, V.; Zwiener, R. 2005: Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen in der Sozialversicherung, Berlin, S.8. (2) Bericht der Bundesregierung zur Entwicklung der nicht beitragsgedeckten Leistungen und der Bundesleistungen an die Rentenversicherung, 2004, in: Deutsche Rentenversicherung“, Heft 10, Oktober 2004, S.579f. Es lässt sich allerdings nicht feststellen, dass der politische Wille vorhanden ist, diese Missstände zu korrigieren. Ein wesentlicher Missstand ist, dass noch nicht einmal belastbare Zahlen über die versicherungsfremden Leistungen erhoben werden (weil die 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 221 Sozialversicherungsträger dazu nicht verpflichtet sind), weshalb man für Schätzungen auch auf Zahlen zurückgreifen muss, die z.T. über zehn Jahre alt sind. Ob diese Zahlen für die Rentenversicherung noch aktuell sind, lässt sich daher auch nicht eindeutig sicherstellen. Einige versicherungsfremde Leistungen, wie beispielsweise die Kriegs- und Wiedervereinigungslasten sind in den letzten zehn Jahren durch das Ableben einiger Leistungsempfänger gesunken, während andere Leistungen wie die arbeitsmarktbedingte Frühverrentung jedoch gestiegen sind. Das Grundproblem dieser versicherungsfremden Leistungen besteht darin, dass die Finanzierung aus Steuermitteln von allen Steuerzahlern getragen wird und nicht nur von den Betragszahlern (Arbeitnehmer und Arbeitgeber) der gesetzlichen Rentenversicherung. In die gesetzliche Rentenversicherung zahlen beispielsweise weder Beamte noch Selbstständige, die nicht freiwillig versichert sind, ein. Ferner gilt hier die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze – Einkommen oberhalb von 5.950 Euro brutto (West) bzw. 5.000 Euro brutto (Ost) werden für die Rentenversicherung nicht mehr herangezogen. Die Finanzierung sozialpolitischer bzw. gesamtgesellschaftlicher Leistungen ist jedoch Aufgabe der Allgemeinheit und nicht nur der sozialpflichtig versicherten Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. Es erfolgt aber momentan das Gegenteil: Die Finanzierung von sozialstaatlichen Leistungen, die durch die Allgemeinheit getragen werden müssten, wird fortlaufend in die Sozialkassen geschoben, die von den sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern getragen werden. Im Ergebnis wird die gesetzliche Rentenversicherung fortlaufend geschwächt und die Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden belastet. Die Problematik der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge Bei der Einführung der Riester-Rente ist für kapitalgebundene RiesterRentenversicherungen z.T. noch von einer jährlichen Rendite von bis zu neun Prozent ausgegangen worden (inkl. Zulagen – aber ohne Berücksichtigung der Verwaltungskosten). Für die Zukunft spielen wegen der niedrigen EZB-Zinsen positive Gewinne aus dieser „Geldanlage“ überhaupt keine Rolle mehr. Nach der Finanzkrise 2008 wurden schon deutlich niedrigere Renditen skizziert (je nach Anbieter zwischen 0,6 Prozent bis 1,5 Prozent p.a.). Diese Szenarien haben sich mittlerweile nochmals deutlich verschlechtert: Bei Riester-Rentenversicherungen ist eine Mindestverzinsung von z. Zt. 1,75 Prozent (ab Januar 2015: 1,25 Prozent) in den Renditen zu berücksichtigen. Wird diese Mindestverzinsung vor dem Hintergrund er EZB-Niedrigzinspolitik nochmals weiter reduziert, leiden darunter auch die obigen Renditen. Die Renditen (der höher verzinsten Altverträge) werden allerdings auch nur dann erfüllt, wenn man das Durchschnittsalter erreicht. Stirbt man zum Beispiel fünf oder zehn Jahre nach Rentenbeginn und hat (wie die meisten) nur eine fünf-jährige Rentengarantiezeit 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 222 vereinbart, wird Bezuschussung. die Riester-Rente eine negative Geldanlage, trotz staatlicher Durch die Rentenreformen der letzten zwei Jahrzehnte ist die gesetzliche Rente konsequent geschwächt worden (z.B. durch die Abwälzung versicherungsfremder Leistungen). Das Ziel der Riesterrente besteht darin, den Verfall des Rentenniveaus durch private Altersvorsorge zu kompensieren und Rentenbeitragserhöhungen zu vermeiden. Damit der individuelle Riester-Sparer dieses Ziel realisiert (und die vollen Zulagen erhält), müssen jährlich vier Prozent des rentenversicherungspflichtigen Einkommens in einen Riester-Vertrag eingezahlt werden – also faktisch wird der Altersvorsorgebeitrag (gesetzliche Rente + Riester) um vier Prozentpunkte erhöht – aber nicht paritätisch, sondern alleine durch den Arbeitnehmer. Hinzu kommt, dass die Rendite bei dem aktuellen Zinsniveau (welches sich mittelfristig nicht erhöhen dürfte) u.U. negativ ausfällt. In Wechselwirkung mit dieser Problematik kommt erschwerend hinzu, dass die im Ruhestand ausgezahlte Rentenleistung bei der Bedürftigkeitsprüfung für die Grundsicherung im Alter voll angerechnet wird. Dass private Altersvorsorge, die eine negative Rendite abwirft (und dann beim Bezug von Grundsicherung im Alter voll angerechnet wird), auch noch staatlich bezuschusst wird (durch die Zulagen und Steuerrückerstattungen) ist sozialpolitisch, rentenpolitisch und ordnungspolitisch überhaupt nicht nachzuvollziehen. Weitere Erfolgt mündlich. Begründung: 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 223 Antrag 502 Betr.: Eine sichere, bezahlbare und vernünftige Energieversorgung Antragsteller: Landesverband Hessen Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 1. Die im Energiesektor aufgebaute staatliche Planwirtschaft muss sofort beendet und ein marktwirtschaftliches System geschaffen werden. 2. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat die Energiekosten für die Verbraucher in den letzten Jahren, wie es von einem planwirtschaftlichen System zu erwarten ist, in die Höhe getrieben. Als erster Schritt eines Ausstiegs aus der planwirtschaftlichen Energiewende ist das EEG daher ersatzlos abzuschaffen. Bestehende Rechtsansprüche von Produzenten von Erneuerbaren Energien aus dem EEG bleiben insoweit gewahrt, wie diese durch die bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen unabweisbar sind. 3. Die Rolle des Staats ist auch im Energiemarkt endlich wieder auf die Festlegung von ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und die Finanzierung der Grundlagenforschung, z.B. für neue und effiziente Speichertechnologien, zu begrenzen. Die Mittel zur Erforschung neuer Speichertechnologien sind aufzustocken, da ohne diese der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien ökonomisch und ökologisch nicht vertretbar ist. Ein Quotenmodell für das EEG lehnt die FDP ab. 4. Die Analyse der Entwicklungen in den letzten beiden Jahren macht deutlich, dass die Ergebnisse des Energiegipfels und die bisherige Vorgehensweise bei der Umsetzung als falsch betrachtet werden müssen. Für den deutschen Alleingang bei der Energiewende bezahlen die Menschen in unserem Land inzwischen teuer, zuerst mit ihrer Stromrechnung und nicht selten anschließend mit ihrem Job. Die Belastbarkeit des Mittelstands stößt in Folge der dramatisch gestiegenen Kosten der Ökostromförderung an ihre Grenzen. Aus dieser Feststellung zieht die FDP die Konsequenz, dass sie die Beschlüsse des Energiegipfels zum Ausbau der erneuerbaren Energien nicht mehr mittragen kann. 5. Die FDP fordert, entsprechend Art. 194 des Lissabon Vertrages (EU-Grundlagenvertrag), die Verwirklichung der gemeinsamen europäischen Energiepolitik und eines europäischen Energiebinnenmarktes zur Gewährleistung einer langfristig sicheren und bezahlbaren Energieversorgung. Ein europäischer und auf der Basis marktwirtschaftlicher Grundsätze ausgestalteter Energiemarkt sorgt dafür, dass auch Erneuerbare Energien ohne Subventionen dort erzeugt werden können, wo sie tatsächlich rentabel sind. Zudem bietet der europäische Energiemarkt die Möglichkeit, die Versorgungssicherheit weiter zu erhöhen. Gleichzeitig wird sich durch den euro- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 224 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 6. 7. 8. 9. paweiten Wettbewerb für die Bürger insgesamt ein niedrigerer Strompreis bilden. Auch im Energiesektor gilt für uns, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist. Deswegen sehen wir es mit Sorge, dass der Einfluss des Staates in der Energiebranche immer weiter steigt: Stromnetze werden verstaatlicht und Stadtwerke gerieren sich als Stromkonzerne. Das Risiko dieses Expansionskurses tragen jedoch die Steuerzahler und Stromkunden. Wir fordern daher wieder eine Rückbesinnung auf das Prinzip, dass der Staat nur dort tätig werden darf, wo sich kein privater Anbieter findet und ein öffentliches Interesse vorhanden ist. Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger müssen die Abstandsgrenzen von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung nach dem Grundsatz Höhe des Windrades mal 10 (H10) erweitert werden. Dieser Grundsatz ist gesetzlich verbindlich zu regeln. Siedlungsbebauung und Weilerbebauung (Streusiedlungen) sind gleichzusetzen. Die Interessen der Umwelt und des Naturschutzes, insbesondere wenn Waldflächen abgeholzt werden sollen, sind umfassend zu berücksichtigen und mit wirksamen Auflagen durchzusetzen. Um auch in Zukunft eine nachhaltige und sichere Energieversorgung sicherzustellen, genügt es nicht, neue Methoden zur Stromerzeugung zu entwickeln. Vielmehr müssen wir die Energieeffizienz ausbauen und Energieeinsparungen zu einem Thema machen. Im Wettbewerb um die besten Konzepte haben stumpfe Verbote aber nur eine hinderliche Wirkung. Die Öko-Design-Richtlinie, die unter anderem herkömmliche Glühbirnen verboten hat, lehnen wir deshalb ab. Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 225 Antrag 503 Betr.: Deutschland braucht verlässliche Energie Antragsteller: Landesverband Bayern Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 Energiepolitik muss den Rahmen setzen für eine Versorgung der Menschen und der Unternehmen mit Energie nach dem bewährten Dreiklang: Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit. Dabei ist Energie weit mehr als Strom. Liberale Energiepolitik nimmt deshalb alle Bereiche der Energieversorgung und des Gesamtenergiebedarfs in den Blick. 6 7 8 9 10 Der energiepolitischen Verantwortungslosigkeit setzt die FDP eine zukunftsfähige Energiepolitik mit Verstand entgegen. Wir müssen jetzt alle Energie darauf verwenden, die Fehler der Vergangenheit schnellstens zu korrigieren. Es ist eine Überlebensfrage für den Industriestandort Deutschland, dass diese Nachsteuerung kurzfristig gelingt. 11 I. Impulse für eine tragfähige Energiepolitik 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 Aus der Sorge um die Umwelt und aus Verantwortung für künftige Generationen bekennt sich die FDP zum Schutz des Klimas und daraus folgernd zur Reduzierung der CO2-Emissionen und anderer Treibhausgase sowie Ressourcenschutz. Für eine große Industrienation sind der umfassende und nachhaltige Umbau der gesamten Energieversorgung sowie der Umstieg auf eine weitgehend CO2-neutrale Stromerzeugung bis zum Jahr 2050 ambitioniert, aber machbar. Liberale Energiepolitik orientiert sich im Interesse der Menschen und Unternehmen in unserem Land, am Stand der Technik, an realistischen Zukunftsszenarien sowie ökonomischen und ökologischen Notwendigkeiten. Dies kann nur gelingen, wenn den drei Säulen der Energiepolitik, Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit der Energie gleichermaßen Rechnung getragen wird. 23 II. Die Energiewende steckt in der Sackgasse 24 25 26 27 28 Sie findet derzeit allein als „Stromwende“ statt ventionsgetriebenem Wettlauf um den Ausbau ger wie Unternehmen geraten hinsichtlich des veritablen Wettbewerbshindernis entwickelt hat, tungsgrenze. 29 30 31 Geschaffen wurde mit dem EEG ein immer unübersichtlicher werdender Umverteilungsmechanismus. Es ist bislang nicht gelungen, die Energiewende in die Gegebenheiten des europäischen Strommarktes einzubetten. und erschöpft sich in einem subder erneuerbaren Energien. BürStrompreises, der sich zu einem mehr und mehr an ihre Belas- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 226 32 33 III. Die von der Bundesregierung für dieses Jahr angestrebte EEG-Reform ist bereits heute gescheitert 34 35 36 37 38 39 40 41 42 Bereits vor zwei Jahren wäre es notwendig gewesen, die Fördersätze und das Ausbautempo der Erneuerbaren Energieträger deutlicher zu senken und den Einspeisevorrang abzuschaffen. Dieser Weg wird durch den „Energie-Kompromiss“ von Bund und Ländern nun erneut versperrt, weil sich die Interessen von einzelnen Branchen und Ländern durchgesetzt haben: Die geplante Deckelung des Zubaus an Windenergie wird aufgeweicht, unwirtschaftliche Windstandorte sollen stärker bezuschusst werden und auch die geplanten Kürzungen für Biogasanlagen werden abgemildert. Union und SPD sowie die Bundesländer versäumen es erneut, die Kostenentwicklung der Energiewende zu dämpfen. 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 Die wesentliche Ursache dieser Entwicklung bildet das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das in seiner jetzigen Form einer wirtschaftlich tragfähigen Energiewende im Weg steht Die EEG-Umlage ist zum Jahresbeginn 2014 erneut um fast 20 Prozent auf 6,24 Cent pro Kilowattstunde gestiegen. In der Prognose für das Jahr 2014 werden die Stromverbraucher durch das EEG mit Kosten in Höhe von 24 Mrd. Euro für die Erzeugung von Strom mit einem Marktwert von 2,1 Mrd. Euro belastet. Diese Kosten steigen derzeit mit jeder neuen EEG-begünstigten Anlage weiter an. Vor Ablauf der nächsten 15 Jahre ist infolge der Förderungs-Systematik auch nicht mit einer Reduzierung zu rechnen. Und in diesem Zeitraum werden die Verbraucher und Gewerbetreibenden mit mindestens einem dreistelligen Mrd. Betrag durch Kostenüberwälzung belastet. Diese war zu Beginn des Ausbaus bei wenigen Prozent Beitrag durch die Erneuerbaren Energien vertretbar, aber bei mittlerweile über 27 Prozent Anteil an der Stromerzeugung muss zu mehr Marktwirtschaft zurückgekehrt werden. 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 Darüber hinaus ist dieses System in hohem Maße unsozial, da die Subventionierung nicht durch den Bundeshaushalt, sondern durch die Verbraucher direkt, also ohne Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, stattfindet. Somit findet eine Umverteilung von unten nach oben statt, von Mietern zu Vermietern, von Bedürftigen zu Gutsituierten. Das EEG ist zudem ungeeignet, Innovationen anzustoßen. Weder innovative Erzeugungs- oder Speichertechnologien, noch intelligente Netze werden in seiner Förderungssystematik abgebildet. Stattdessen hat sich das EEG insbesondere in der Photovoltaik als gigantisches Förderprogramm ausländischer Billigprodukte erwiesen und zum Niedergang der deutschen Unternehmen in dieser Branche und zur Vernichtung von Arbeitsplätzen beigetragen. 68 69 70 71 72 Außerdem hat das EEG zu einer Fixierung auf den Strombereich geführt, alle anderen Energiebereiche wurden politisch nur unzureichend gewürdigt: In anderen Bereichen wie bei der Steigerung der Energieeffizienz, im Wärmebereich oder dem Verkehrssektor bleiben die treibenden Impulse zur CO2-Minimierung deshalb bisher aus. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 227 73 74 75 76 77 Die zentrale Großbaustelle ist, neben der Entwicklung sowie dem Aus- und Umbau der Netze und Speicherkapazitäten, die Frage, wie die Kosten der Energieversorgung minimiert werden können und wie das künftige Strommarktdesign im Wettbewerb so gestaltet werden kann, dass eine komplett subventionsfreie Energieerzeugung zu erreichen ist. 78 79 80 81 Liberales Strommarktdesign bedeutet deshalb nicht die Förderung einer bestimmten Energieerzeugungsart, sondern die Herstellung tragfähiger Wettbewerbsbedingungen, um CO2 zu reduzieren und möglichst günstige und umweltgerechte Verbraucherpreise gewährleisten zu können. 82 IV. Schritte zu einer wettbewerblichen Energiepolitik 83 1. Schonungslose Bestandsaufnahme 84 85 86 87 88 Wir fordern die umgehende Einleitung einer schonungslosen Bestandsaufnahme der bisher in Richtung Energiewende zurückgelegten Wegstrecke und die Ausarbeitung realistischer Zukunftsszenarien, die nicht durch politisches Wunschdenken geprägt sein dürfen, sondern vielmehr naturwissenschaftliche und ökonomische Gesetzmäßigkeiten berücksichtigen müssen. 89 90 2. Beendigung der Einspeisevergütung für Neuanlagen (diesbezügliches Moratorium desEEG) 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 Die Einspeisevergütung für Neuanlagen ist sofort zu beenden. Die unterschiedlichen Vergütungen aller EEG-begünstigten Erzeugungsanlagen tragen zu einer weiteren Verzerrung des Wettbewerbs unter den verschiedenen erneuerbaren Energieträgern bei. Für Altanlagen sowie für Anlagen, die gerade errichtet werden, gelten die vertraglich eingegangenen Verpflichtungen (Vertrauensschutz); Wir unterstützen die entsprechende Empfehlung des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirt-schaftlichen Entwicklung. Weitere Unterstützung soll nur noch nach dem Grundsatz der Technologie-Förderung bis zum Erreichen der Marktreife, finanziert aus Steuermitteln, für einen überschaubaren Zeitraum gewährt werden. 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 Die Politik gibt jährliche „Gesamtmengen“ an Erneuerbaren Energien vor, die ausgebaut werden sollen. Um diese Mengen können sich alle Marktteilnehmer frei bewerben. Die in diesem Wettbewerb günstigsten Angebote erhalten in diesen Ausschreibungen den Zuschlag. Dies wird zwangsläufig vorübergehend zu einer aus unserer Sicht notwendigen Deckelung des weiteren Ausbaus volatiler erneuerbarer Energieerzeugungsformen (Windkraft und Photovoltaik) führen, solange die dafür dringend notwendigen Speicherkapazitäten und der dafür notwendige Netzausbau noch nicht vorhanden sind. Willkürliche Planungshemmnisse für den Ausbau Erneuerbarer Energien wie die neue 10H-Regelung für Windkraftanlagen lehnt die FDP ab. 111 112 Wasserkraft ist die am stärksten ausgereifte Form der Stromerzeugung aus regenerativen Energiequellen. Sie ist im Gegensatz zu Windkraft und Sonnenener- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 228 113 114 115 116 gie rund um die Uhr verfügbar, kann bereits heute ohne Subventionen betrieben und gleichermaßen in Grund-, Mittel- und Spitzenlast eingesetzt werden. Die FDP hält an einem Ausbau der Wasserkraft fest. Die Potentiale zum Aus- und Neubau von großen und kleinen Wasserkraftanlagen sind nach der Reihenfolge 117 - Effizienzsteigerung bestehender Anlagen 118 - Neuanlagen an bestehenden Staustufen und Querbauwerken 119 - Neubau von natur- und umweltverträglichen innovativen Anlagen 120 umgehend auszuschöpfen. 121 3. Versorgungssicherheit gewährleisten 122 123 124 125 126 127 128 Der Ausbau der Erneuerbaren Energien hat dazu geführt, dass bestehende Kraftwerke oftmals nicht mehr rentabel betrieben werden können. Moderne Gaskraftwerke werden außer Betrieb genommen, alte Kohlekraftwerke laufen auf Volllast. Dies wird mittelfristig die Gefahr von Stromausfällen erhöhen. Um den Verbrauchern, gerade dem produzierenden Gewerbe, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen möglichst marktwirtschaftliche Lösungen gefunden werden. Andernfalls verlieren wir einen wichtigen Standortvorteil. 129 4. Stromsteuer abschaffen 130 131 132 133 134 Der Staat verdient mit jeder Erhöhung der Ökostromumlage über die Mehrwertsteuer zusätzlich mit. Dieses Geld muss Verbrauchern und Wirtschaft zurückgegeben werden, nämlich durch eine Abschaffung der Stromsteuer. Eine Besteuerung und Belastung durch die EEG-Umlage des selbst zum Eigenverbrauch erzeugten Stroms lehnen wir ab. 135 5. Den europäischen Emissionshandel stärken 136 137 138 139 Der europäische Emissionshandel ist nur dann wirksam, wenn er auf alle Energieverbraucher ausgeweitet wird: Der Energieverbrauch im Verkehr und die Energieform Wärme sollen nicht mehr anders behandelt werden als Strom. Das schützt vor Fehlallokationen und Marktverzerrungen. 140 6. Offenheit für technische Entwicklungen 141 142 143 144 145 146 147 148 Für ergebnisoffene Forschungsvorhaben zur Entwicklung einer zukunftsträchtigen Energiepolitik Deutschlands für die nächsten Generationen müssen erhebliche finanzielle Mittel eingesetzt werden. Der Fokus der Forschung und weiteren Förderung soll dabei insbesondere auch auf die Entwicklung und Errichtung marktreifer Speichermöglichkeiten gelegt werden. Darüber hinaus sind Ressourcenschonung, die Reduktion von Schadstoffen und die Verringerung von Abhängigkeiten durch Energielieferungen aus politisch instabilen Weltregionen, die wichtigsten Schwerpunkte. Die Offenheit für technische Entwicklungen schließt 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 229 149 150 auch die wissenschaftlich begleitete Erprobung und Abwägung der Chancen und Risiken der Technologie des „Hydraulic Fracturing“ (so genanntes „Fracking“) ein. 151 7. Energieeffizienz ist einer der Schlüssel für erfolgreiche Energiepolitik. 152 Energie, die nicht gebraucht wird, muss nicht erzeugt und transportiert werden. 153 154 Energieeffizienz im Gebäudebereich muss mit Innovationen, aber auch mit Augenmaß, in allen Immobilienklassen vorangetrieben werden. 155 156 157 158 159 160 161 Im Neubau muss technologieneutrale Energieeffizienz eine wichtige Rolle spielen und müssen technische Innovationen besonders unterstützt werden. Ferner müssen das Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (EEWärmeG) und die Energieeinspeiseverordnung (EnEV) zu einem Gesetz zusammengefasst werden, so dass Anforderungen an die Energieeinsparung und die Energieerzeugung in einem Gesetz geregelt sind und der Energieverbrauch insgesamt im Fokus steht. 162 163 164 Gleichzeitig muss der Gebäudebestand, das Eigentum der Bürger, besonders geschützt werden. Eigentümer sind finanziell nicht zu überfordern. Daher dürfen für den Gebäudebestand keine strengeren Energieeinsparvorschriften gelten. 165 166 167 168 169 170 171 172 173 Auch sind Standards zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, damit Baukosten reduziert werden können. Teurer Passivhaus- oder Energieplus- Standard sollte nie die Referenz werden, um Neubaustandards vorzugeben, da dabei ausschließlich die Baukosten und damit die Mieten verteuert werden. Wichtiger als alle gesetzlichen Vorgaben ist jedoch die sofortige Verabschiedung des bereits vor drei Jahren vorgelegten Gesetzes zur steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung, welches bislang insbesondere an den rot-grün regierten Bundesländern gescheitert ist. Durch dieses Verhalten werden Investitionen in Milliardenhöhe blockiert oder zumindest verzögert. 174 8. Kraft-Wärme-Kopplung stärken 175 176 177 Der Bereich Kraft-Wärme-Kopplung wäre eine echte Chance, die Bereiche Strom und Wärme endlich zu verzahnen. Hier muss die Politik ein verstärktes Augenmerk legen, anstatt nur am Status-Quo herumzudoktern. 178 9. Transportkapazitäten für Energie ausbauen 179 180 181 182 183 184 Der noch von der CDU-CSU-FDP Bundesregierung in Kraft gesetzte Bundesbedarfsplan für Netze muss, abgesehen von einzelnen regional bedingten notwendigen Abweichungen, zügig umgesetzt werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass mit dem Abschalten alter Stromerzeugungskapazitäten auch in Zukunft genügend Energie aus den bereits existierenden Erzeugungsanlagen im Norden Deutschlands in die Verbrauchszentren im Süden transportiert wird. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 230 185 186 187 Im Hinblick auf die Verteilnetze muss untersucht werden, wo es Engpässe gibt und wie diese beseitigt werden können. Darüber hinaus ist das Verteilnetz auf die Hebung von Effizienzen zu analysieren. 188 189 10. Anwendung von Speichertechnologien verstärkt fördern und diese in den Marktintegrieren 190 191 192 193 194 195 Anbieter von Erneuerbarer Energie sollen verpflichtet werden, ihren Strom direkt zu vermarkten. Im Rahmen eines marktwirtschaftlichen Ausschreibungsmodells können sich so auch neue Speichertechnologien schneller am Markt etablieren. Der Fokus der Forschung und weiteren Förderung soll dabei insbesondere auch auf die Entwicklung und Errichtung marktreifer Speichermöglichkeiten gelegt werden. 196 11. Handelshemmnisse ablehnen 197 198 199 200 201 Zölle auf Solaranlagen bspw. aus China oder diesbezügliche Einfuhrbeschränkungen lehnen wir ab. Handelshemmnisse wirken auch an dieser Stelle in höchstem Maße wohlfahrtshemmend und wettbewerbsverzerrend und können außerdem schlimmstenfalls Handelskriege auslösen. Die Protegierung heimischer Produzenten erhöht nur noch mehr die anfallenden Kosten einzelner Energieträger. 202 12. Einseitige Energieabhängigkeiten minimieren 203 204 205 Deutschland bezieht derzeit einen Großteil seines Erdgases aus Russland. Um die Abhängigkeit von einem einzigen Lieferanten zu vermindern, Transitgefahren zu minimieren und den Wettbewerb zu stärken, fordern wir: 206 207 208 - dafür zu sorgen, dass unverzüglich das seit den 70er Jahren geplante LNG – Importterminal bei Wilhelmshaven für die Anlandung von Flüssigerdgas (LNG) und die Umwandlung in Erdgas gebaut wird. 209 210 - dass die 20 Jahre lang geplante Nabucco – Pipeline für Erdgas von der Osttürkei bis Bayern doch noch gebaut wird. 211 13. Den europäischen Energie-Binnenmarkt vorantreiben 212 213 214 215 216 217 218 219 Zur besseren Integration des Stroms aus Erneuerbarer Energie ist der zügige Ausbau grenzüberschreitender Netze von größter Dringlichkeit. Das von der FDP geforderte Modell muss mit der Energiepolitik unserer europäischen Partner verzahnt und harmonisiert werden. Am Ende einer solchen Entwicklung muss ein unverfälschter Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt stehen, in dem Erneuerbare / CO2-freie Energie dort erzeugt wird, wo dies am effizientesten ist, der ohne Subventionssysteme auskommt und in dem Strom im gesamten Binnenmarkt transportiert und gehandelt werden kann. 220 14. Klimapolitische Ziele erreichen 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 231 221 222 223 224 225 Die klimapolitischen Ziele der Energiewende können langfristig nur auf dem Weg der internationalen und europäischen Zusammenarbeit erreicht werden. Mittelfristig ist dazu auf europäischer Ebene ein CO2-Emissionshandel einzurichten, in dem eine stetig reduzierte Menge an Verschmutzungszertifikaten ausgegeben und gehandelt wird. 226 15. Atomabfälle rückholbar lagern 227 228 229 230 231 232 233 234 235 Die FDP fordert den schnellen Abschluss des Erkundungsverfahrens für ein Endlager für Atomabfälle. Kein Bundesland kann und darf sich aus dieser Debatte heraushalten, jedes Bundesland muss grundsätzlich bereit sein, ein solches Lager aufzunehmen. Die Lager müssen so ausgestaltet sein, dass der Abfall jederzeit rückholbar ist. Endlagerung ohne Rückholbarkeit ist eine schwere Verfehlung gegenüber den kommenden Generationen. Unser Ziel muss es sein, in internationaler Zusammenarbeit und durch gemeinsame Forschung, Technologien zu entwickeln, die die gelagerten Abfälle unschädlich machen oder ihre weitere Verwendung ermöglichen (z.B. durch Transmutation). Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 232 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 233 Antrag 504 Betr.: Solidaritätszuschlag muss 2019 auslaufen – Weiterführung ist eine Steuererhöhung Antragsteller: Landesverband Niedersachsen Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Der Solidaritätszuschlag ist nach der Wiedervereinigung eingeführt worden, um die Folgen von 40 Jahren Sozialismus in den östlichen Bundesländern zu überwinden. Mittlerweile übersteigen die Einnahmen aus dem Zuschlag deutlich die Ausgaben der Transferleistungen für die östlichen Bundesländer. Deshalb ist der Zuschlag schon heute - zumindest teilweise – gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in ganz Deutschland nicht mehr zu rechtfertigen. Die besonderen Transferleistungen für die östlichen Bundesländer laufen 2019 aus und auch der Länderfinanzausgleich muss bis 2019 neu geregelt werden. Spätestens dann muss auch der Solidaritätszuschlag auslaufen und ersatzlos entfallen. 10 11 12 13 14 15 16 Für die Steuerzahler – Bürger und Unternehmen – würde eine Weiterführung des Solidaritätszuschlags wie eine Steuererhöhung wirken. Der Solidaritätszuschlag ist als zeitlich befristeter Zuschlag auf die Einkommensteuer eingeführt worden, verbunden mit dem politischen Versprechen, dass der Zuschlag wieder entfällt, wenn der Zweck erfüllt ist. Wenn nun der Zuschlag weitergeführt wird, obwohl das Gegenteil versprochen wurde, dann hat dies den Charakter einer Steuererhöhung. 17 18 Die Bundesregierung wird aufgefordert, spätestens 2019 das Auslaufen des Solidaritätszuschlags zu beschließen. 19 20 21 22 Die Freien Demokraten lehnen die bisher bekannten Pläne ab, den Solidaritätszuschlag in den Einkommensteuertarif zu integrieren oder den Solidaritätszuschlag mit geänderter Zweckbestimmung weiter zu führen. Auch eine Weiterführung bis zunächst zum Jahr 2030 wäre Wortbruch und ist daher abzulehnen. 23 24 25 26 Angesichts von Steuereinnahmerekorden und historisch niedriger Zinsen für den Staat sind die Bundesländer und der Bund gefordert, einen neuen, fairen und wettbewerblichen Finanzausgleich umzusetzen, der nicht zu Lasten der Steuerzahler geht. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 234 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 235 Antrag 505 Betr.: Der Soli muss zum Jahr 2019 auslaufen – die Politik steht hier bei den Bürgern im Wort Antragsteller: Bundesvorstand Liberale Senioren Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 Die Freien Demokraten treten für eine schrittweise Absenkung und letztendlich für eine Abschaffung des Solidaritätszuschlages zum Jahr 2019 ein. Begründung: Seit der Wiedereinführung des Solidaritätszuschlages zum 1.Januar 1995, leider ohne eine gesetzlich zeitliche Begrenzung einzuziehen, wurde von allen späteren Bundesregierungen den Menschen versprochen, dass mit Erfüllung des Solidarpaktes II (Bundesergänzungszuweisungen an die Bundesländer) auch der erhobene Solidaritätszuschlag (im Volksmund „Soli“ genannt) auslaufen wird. Wir Liberalen sind die einzige politische Kraft im Land, die auf Einhaltung dieses Versprechen unermüdlich und konsequent hingewiesen hat und weist. Der „Soli“ ist eine Ergänzungsabgabe in Höhe von 5,5% auf die Einkommen- und Körperschaftssteuer und ist nur dann zu zulässig, wenn ein zusätzlicher Finanzbedarf nicht anderweitig gedeckt werden kann (Art. 106 I Nr. 6 GG). Das hat auch die gegenwärtige Regierung erkannt und sucht nun nach Begründungen, warum auf die Einnahmen aus dem „Soli“ nicht verzichtet werden könne. Dabei werden zuallererst immer Investitionen in die Infrastruktur bei Schiene, Straße, Wasser, Telekommunikation, Stromtrassen genannt. Diese Aussagen sind dreist, da es sich hier um staatliche Kernaufgaben handelt, welche bereits aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu finanzieren sind. Aber da durch selbstgeforderte und auch beschlossene milliardenschwere sozialpolitische Maßnahmen am Anfang dieser Legislaturperiode der vorhandene Investitionsspielraum leichtfertig verschenkt worden ist, steht die Regierung vor hausgemachten fiskalischen Schwierigkeiten. Diese sollen nun durch Soli-Steuer-Umbenennungstricks gelöst werden. Für unser Land ist das absolut keine solide und generationengerechte Politik. Wir Liberalen wollen das Vertrauen der Menschen in eine zukunftsorientierte Politik durch die Abschaffung des Soli zurückgewinnen und die Bürgerinnen und Bürger entlasten, so wie es ihnen vor über 25 Jahren glaubhaft versprochen wurde. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 236 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 237 Antrag 506 Betr.: Automatische Anpassung der Einkommensteuergrenzen an die Inflation zur dauerhaften Beseitigung der Kalten Progression Antragsteller: Bezirksverband Niederbayern Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 Die FDP spricht sich für eine dauerhafte Kopplung des Einkommensteuertarifs an die Inflationsrate an. 3 4 5 Demnach erfolgt in Jahren positiver Inflation automatisch eine entsprechende Anpassung, durch Erhöhung der einzelnen Einkommensteuertarifgrenzen und entsprechender Verschiebung des Verlaufs der Steuerkurve. 6 In Jahren einer Deflation kommt es zu keiner Anpassung. 7 8 Dieses Vorgehen soll selbstverständlich auch auf sämtliche Kinderfreibetrag und Grundfreibetrag) angewandt werden. Freibeträge (z.B. Begründung: Zuletzt wurde der Einkommensteuertarif von der schwarz-gelben Koalition in den Jahren 2009 und 2010 angepasst, danach gab es lediglich im unteren Tarifbereich einige kleine Korrekturen. Diese hatte das Bundesverfassungsgericht gefordert, um das Existenzminimum steuerfrei zu stellen. Seither herrscht Stillstand. Mit jedem Jahr ohne umfassende Korrektur des Einkommensteuertarifs, gekoppelt an die Inflationsrate, werden die Bürgerinnen und Bürger stärker besteuert. Die fatalen Auswirkungen der kalten Progression erkennt man am deutlichsten, wenn man die Entwicklung der Einkommensgrenze betrachtet, ab der der Spitzensteuersatz wirkt: 1960 lag diese bei einem Spitzensteuersatz von 53 Prozent bei 110.040 DM, was einer heutigen Kaufkraft von ca. 244.000 Euro entspricht, also ca. dem 4,6-fachen der heutigen Einkommensgrenze von 52.882 Euro. 1970 lag diese bei einem Spitzensteuersatz von 53 Prozent ebenfalls bei 110.040 DM, nach heutiger Kaufkraft ca. 189.000 Euro, also immerhin noch ca. dem 3,6-fachen der heutigen Einkommensgrenze von 52.882 Euro. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 238 Auch Einkommenssteigerungen, die über die Inflationsrate hinausgehen schieben die Arbeitnehmer in eine höhere Tarifzone. Der Staat hat sich im Laufe von Jahrzehnten durch die kalte Progression schamlos bereichert, indem er nach und nach aus sog. „Durchschnittsverdienern“ Spitzenverdiener machte, obwohl diese real nicht wohlhabender wurden. Die moderaten Absenkungen des Spitzensteuersatzes konnten diesen Effekt nur geringfügig abdämpfen. Diese unzulässige Form der staatlichen Bereicherung am hart verdienten Einkommen der Menschen kann nicht länger hingenommen werden. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 239 Antrag 507 Betr.: Kein europäischer Länderfinanzausgleich durch die Hintertür! Antragsteller: Bezirksverband Niederbayern Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 Griechenland erhält bis auf weiteres keine weiteren Finanzhilfen von anderen EU-Ländern, solange keine belastbaren Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung sowie der Wirtschafts- und Sozialpolitik stattfinden. Wir lehnen einen kalten europäischen Länderfinanzausgleich durch die Hintertür ab. Begründung: Griechenland wurde in die Euro-Zone aufgenommen, obwohl es die Voraussetzungen nicht ansatzweise erfüllte. Durch den Beitritt verschuldete sich das EU-Land innerhalb weniger Jahre in ungeheurer Weise, so dass vor fünf Jahren der Euro in eine Krise geriet. Aufgrund der Solidarität der Euro-Gruppe und der Befürchtung vor einem Zusammenbruch von Finanz- und Versicherungsinstituten wurde das erste sog. Rettungspaket geschnürt, das an klare Voraussetzungen geknüpft war. Die damaligen griechischen Regierungen haben diese Voraussetzungen nur teilweise erfüllt und damit die nötigen Reformen hinaus gezögert. Die nunmehr gewählte Regierung, bestehend aus links- und rechtsextremen Populisten, versucht sogar, Deutschland, die Euro-Gruppe und die gesamte EU zu erpressen. Zum Einen verlangt sie Kriegsreparationen von Deutschland, die längst geregelt sind. Zum Anderen will sie keine Auflagen erfüllen, sondern das Geld einfach nach eigenem Gutdünken verwenden, z. B. für ausgiebige Sozialprogramme. Schließlich erpresst sie die gesamte EU, indem sie wiederholt angedroht hat, die mühsam errungene gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik etwa gegenüber Russland mit einem Veto zu blockieren. Dennoch wurde vor wenigen Tagen ein Zweites Hilfspaket geschnürt, dem der deutsche Bundestag mit wenigen Gegenstimmen zustimmte. Die Linkspartei und Teile von SPD und Grünen fordern offen eine bedingungslose finanzielle Unterstützung der griechischen Regierung, um den sog. Grexit – den erzwungenen Ausstieg Griechenlands aus der EuroGruppe – zu verhindern. Fast ausnahmslos sind sich die Experten einig, dass ein Grexit zu keinen größeren Verwerfungen der europäischen Finanzmärkte führt. Die griechische Regierung lässt keinen Reformwillen erkennen. Wieder schafft die EU-Kommission irrevisible Fakten, indem z. B. der EU-Präsident JeanClaude Juncker verkündet, dass es niemals einen Grexit geben wird. Damit ist die Euro- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 240 Gruppe bzw. die gesamte EU auf dem Weg in einen kalten europäischen Länderfinanzausgleich. Dies lehnen wir entschieden ab. Die Erfahrungen aus dem innerdeutschen Länderfinanzausgleich zeigen, dass derartige dauerhafte Finanzhilfen weder zu den nötigen Reformen führen, noch jemals wieder zurück genommen werden können. Im vorliegenden Fall wäre dieser Ausgleich nicht einmal gedeckelt. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 241 Antrag 508 Betr.: Krankenhausfinanzierung sichern – Anreize schaffen, damit die Bundesländer ihren Investitionsverpflichtungen nachkommen Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 - Die Bundesländer werden verbindlich verpflichtet, einen Investitionssatz von acht Prozent des jährlich neu festgelegten individuellen Krankenhausbudgets zu finanzieren. 4 5 6 7 8 9 - Nach dem liberalen Grundsatz der angebotsorientierten Anreizpolitik übernimmt der Bund eine Teilfinanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser unter der Voraussetzung, dass die Länder ihrerseits ihren Finanzierungverpflichtungen nachkommen. Dabei soll eine Finanzierungsquote des Bundes von einem Viertel der oben genannten acht Prozent des krankenhausindividuellen Budgets nicht unterschritten werden. 10 11 12 - Der bisher angefallene Investitionsstau soll durch die Bundesländer in einem Zeitraum von zehn bis fünfzehn Jahren beseitigt werden. Eine Beteiligung des Bundes nach den dargestellten Finanzierungsquoten ist anzustreben. 13 14 15 16 17 18 19 20 - Gleichzeitig sollte bei Erreichen einer bestimmten Qualitätsstufe eine zusätzliche Finanzierung der Investitionskosten der Länder durch die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen erfolgen; denn dadurch erhält der Patient eine verbesserte Versorgungsqualität, wodurch weitere Behandlungskosten reduziert werden können. Hierbei soll eine Finanzierungsquote der Versicherungen von einem Achtel der oben genannten acht Prozent des krankenhausindividuellen Budgets nicht unterschritten werden. Ein Mitspracherecht der Krankenversicherungen bei den Behandlungsabläufen muss unterbleiben. 21 22 23 - Bei der Festlegung und Erfassung von Qualitätsstufen (wie z. B. Infektionsrate, Komplikationsrate, Rückkehrrate) müssen auch die Zeiträume nach der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus mitberücksichtigt werden. 24 25 26 27 28 - Nicht oder nicht sachgerecht vergüteten Extremkostenfälle und nicht absehbare, neuartige oder seltene Ereignisse wie die EHEC-Krise oder die Behandlung von Kriegsopfern soll mit einer Art „Zusatz-DRG“, übergangsweise nach Tagessätzen, vergütet werden. In der Vergangenheit blieben die Krankenhäuser oft auf diesen Kosten sitzen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 242 29 30 - Neue gesetzlich vorgeschriebene (Qualitäts-) Anforderungen müssen lich finanziert werden. Das gilt ebenso für den niedergelassenen Bereich. 31 - Ein bundeseinheitlicher Basisfallwert ist umzusetzen. zusätz- Begründung: Die Krankenhäuser stellen neben den niedergelassenen Ärzten, Zahnärzten und Therapeuten die wohnortnahe und flächendeckende medizinische Versorgung der Bevölkerung sicher. Grundlage der Finanzierung Krankenhausfinanzierungsgesetz des Krankenhausgesetze. im Krankenhausbereich Bundes (KHG), sowie ist die das Landes- Mit der Verabschiedung des KHG wurde die duale Finanzierung eingeführt. Im Dualen System werden die Krankenhausinvestitionen (Bau, Grundausstattung, Instandhaltungskosten und Vorhaltekosten) von der öffentlichen Hand (Land und Kommunen) übernommen, während die Krankenkassen für die Kosten des laufenden Betriebes (Personal, Energie, Verbrauchsgüter) über die DRG zuständig sind. Durch das KHG soll eine Vielfalt der Krankenhäuser (öffentlich/privat/freigemeinnützig) gefördert werden. Für Liberale ist diese Trägervielfalt im Sinne der Patienten von zentraler Bedeutung, um die geforderte Qualität (Effektivität) der Patientenversorgung so preisgünstig (effizient) wie möglich zu gestalten. Die Bundesländer in ihrer Gesamtheit lassen jedoch die Investitionsfinanzierung seit Jahren schleifen. Mindestens 2,7 Milliarden Euro im Jahr fehlen den Krankenhäusern für neue Gebäude oder die Anschaffung von Großgeräten. Diejenigen Leistungsentgelte der Krankenkassen, die eigentlich für die Krankenversorgung der Menschen vorgesehen sind, werden immer häufiger für investive Maßnahmen verwendet. Die vor diesem Hintergrund von Bund und Ländern vorgetragenen gegenseitigen Schuldzuweisungen belasten die Krankenhäuser und damit auch die Patienten und müssen beendet werden. Daher muss durch eine Teilfinanzierung des Bundes für die Länder ein Anreiz geschaffen werden, ihren Investitionsverpflichtungen nachzukommen. Trotz der derzeitigen Finanzierungsprobleme ist an der dualen Finanzierung festzuhalten. Denn die monistische Krankenhausfinanzierung (Finanzierung aller Aufwendungen nur durch einen Kostenerstatter) führt in Ländern mit ausschließlich staatlicher Zuständigkeit (z. B. England oder Dänemark) zu erheblichen Problemen für die Patienten (z. B. lange Wartezeiten, keine neue Hüfte für ältere Patienten). 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 243 Auch die Krankenhäuser Fallpauschalensystem. bekennen sich zur dualen Finanzierung und DRG- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 244 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 245 Antrag 509 Betr.: Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – Konzentration auf den Grundversorgungsauftrag und Reduktion des Beitrags um mindestens 20 Prozent Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Mittelstand Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 Wir fordern eine grundlegende Reform der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, insbesondere der Beitragserhebung. Diese Reform muss auch die Konzentration der öffentlich-rechtlichen Sender auf ihren Versorgungsauftrag beinhalten und sich an folgenden Prinzipien orientieren: 5 1) Konkretisierung des Grundversorgungsauftrags 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Der Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss so konkretisiert und das Angebot der Sender entsprechend konzentriert werden, dass die Einnahmen zielgerichtet und sparsam verwendet werden. Wir fordern dabei eine Konzentration auf den Bildungs-, Informations- und Kulturauftrag sowie eine Erhöhung des Informationsanteils im Programm der Sender um mindestens 50 Prozent. Insbesondere soll der Rundfunk kein über diesen Versorgungsauftrag hinausgehendes Angebot im Internet aufbauen, dass in Konkurrenz zu privaten Anbietern steht. Ebenso ist die Anzahl der Sender und Rundfunkanstalten entsprechend des konkretisierten Versorgungsauftrags zu reduzieren. 15 2) Reduktion der Beitragshöhe und Vermeidung von Mehrfachbelastung 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Durch die Konkretisierung des Versorgungsauftrags, die Konzentration des Angebots und die effizientere sowie effektivere Gestaltung der Verwaltungsstrukturen der Sender, insbesondere einen Abbau von Verwaltung, muss die Beitragshöhe dauerhaft gesenkt werden können. Die Reduktion der Belastung der Bürger, Unternehmen und Kommunen soll mindestens 20 Prozent betragen. Außerdem lehnen wir die derzeitige mehrfache Belastung ab, wenn z. B. Unternehmen über mehrere Betriebsstätten bzw. Firmenwagen verfügen oder die Zwangsabgabe für ihre Angestellten leisten müssen, obwohl diese bereits privat durch ihre Mitarbeiter entrichtet wurde. 25 3) Finanzaufsicht 26 27 28 29 Die Beitragserhebung ist so zu reformieren, dass sie einfach, unbürokratisch und verfassungskonform erfolgt. Die Bürokratiekosten müssen – durch die Abschaffung des Beitragsservices im Zuge dieser Reform – in erheblichem Umfang reduziert und die bestehenden Datenschutzprobleme im Sinne des Schutzes pri- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 246 30 31 32 33 34 vater Daten abschließend gelöst werden. Die Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, insbesondere der Mittelverwendung muss transparenter und auf den Grundversorgungsauftrag ausgerichtet erfolgen. Wir fordern deshalb eine Kontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Rundfunkanstalten durch die Rechnungshöfe. Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 247 Antrag 510 Betr.: Restrukturierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Antragsteller: Landesverband Bayern Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 Die FDP fordert eine Struktur-, Finanz- und Programmreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ziel ist es, innerhalb von fünf Jahren den Rundfunkbeitrag um 50 Prozent zu verringern und den Informationsanteil um 50 Prozent zu erhöhen. Die FDP fordert eine Konzentration auf den Bildungs-, Informations- und Kulturauftrag. Begründung: - Die Höhe des Rundfunkbeitrags ist in Anbetracht der neuen Informations- und Unterhaltungsmöglichkeiten nicht mehr zeitgemäß und belastet die Bürger unverhältnismäßig. - Fußball- und weitere Sportrechte, sowie eine Vielzahl anderer Programme, die auch von privaten Sendern ausgestrahlt werden könnten, werden von den öffentlich-rechtlichen Sendern unter Nutzung ihrer extremen finanziellen Kraft weggekauft. Dabei herrscht eine große Intransparenz bezüglich der Verwendung der inzwischen über acht Milliarden jährlichen Einnahmen. - Die Programme für Information, Bildung und Kultur werden zunehmend zu Gunsten von Unterhaltungsprogrammen auf schlechtere Sendeplätze oder in Spartenprogramme verschoben. - ARD und ZDF sind zu sehr quotengetrieben und finden dabei immer nur die Zielgruppen ab 55 Jahren. - Zuviel Personal, zu große Verwaltung, zu teure Produktionen bei zu geringem, qualitativ hochwertigem Programmoutput. - Wir glauben daran, dass die öffentlich-rechtlichen Sender sich selbst restrukturieren können. Dafür wollen wir Ihnen Rahmenbedingungen vorgeben. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 248 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 249 Antrag 511 Betr.: Für eine Anpassung der Umlage für Modernisierungsmaßnahmen auf Mieten an die Realität der Finanzmärkte Antragsteller: Bezirksverband Altona Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 Der Bundesvorstand und die Fraktionen in Länderparlamenten werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, die in BGB § 559 Ziff. 1 festgelegten Umlagemöglichkeit von elf Prozent der für Modernisierungen einer Mietwohnung aufgewendeten Kosten an die Realität der Finanzmärkte anzupassen. Begründung: Der Vermieter kann entsprechend der Regelung im BGB § 559 Ziff. 1 jährlich elf Prozent der für Modernisierungsmaßnahmen einschließlich Maßnahmen für Energieeinsparungen auf die Miete umlegen. Diese Regelung stammt aus der Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die damalige Dimensionierung ergab sich aus der angenommenen Lebensdauer der Investition von 20 Jahren und einem Zins von sechs Prozent. Diese im BGB verankerte Möglichkeit ist seit der Zeit der Einbringung nicht verändert worden. Spätestens seit der Finanzkrise im Jahr 2008 entspricht der verrechnete Zins nicht mehr den Marktgegebenheiten. Heute wäre ein Zins von zwei Prozent maximal drei Prozent angemessen. Die Umlagemöglichkeit führt vor dem Hintergrund des stark ansonsten stark verregelten Mietrechts zu einer Möglichkeit die Mieten für Wohnungen durch Kapitaleinsatz zu Lasten der Mieter zu erhöhen. Verstärkt wird diese Tendenz noch durch wachsende Zahl von sonstigen Vorschriften, die Mietobjekte energetisch zu verbessern. In der Realität zeigt sich die Auswirkung durch entsprechende teilweise exorbitante Mieterhöhungen, gegen die kaum eine Einspruchsmöglichkeit besteht. Zum anderen kann sich der Vermieter durch den Einsatz seines Kapitals für derartige Modernisierungsmaßnahmen einen deutlich über dem Markt liegenden Zinsertrag auf Dauer sichern. Eine Anpassung der gesetzlichen Vorschrift in einer Form, die die realen Verhältnisse am Finanzmarkt berücksichtigt, ist überfällig. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 250 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 251 Antrag 512 Betr.: Zweckbindung der Bundesmittel zur Wohnungsbauförderung Antragsteller: Bundesvorstand Liberale Frauen Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 Liberale Politik ist mieterfreundlich. Die Mittel des Bundes zur Wohnungsbauförderung müssen zweckgebunden werden. Begründung: Es wird immer Haushalte geben, die sich aus eigener Kraft nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können. Gründe sind häufig zu geringe Einkommen, spezifische soziale Merkmale oder besondere Anforderungen an den Wohnraum. Im Rahmen der Wohnraumförderung werden private Investoren und kommunale Wohnungsunternehmen dabei unterstützt, preiswerte Mietwohnungen für Haushalte mit Zugangsschwierigkeiten am allgemeinen Wohnungsmarkt bereitzustellen. Die Bundesregierung stellt den Bundesländern in den letzten Jahren zwischen 650-700 Mio. Euro zur Förderung des Wohnungsbaus zur Verfügung. Die Nutzung dieser Mittel zur Förderung des Wohnungsbaus sind jedoch nicht festgeschrieben. Das hat in den letzten Jahren zu Fehlanreizen und zur Zweckentfremdung dieser Mittel geführt: So nutzt Baden-Württemberg die Gelder zur Schuldzins-Tilgung. Das geschieht, obwohl in den Ballungsräumen, insbesondere um Stuttgart und Karlsruhe, der Wohnungsmarkt stark unter Druck geraten ist. Das Land Berlin hat seit zehn Jahren keine aus Bundesmitteln geförderte Wohnungen mehr gebaut. Gleichzeitig werden in Berlin privater Wohnungsbau und private Sanierung aus Gründen des 'Millieuschutz' gestoppt . In Nordrhein-Westfalen wurden nur ein Teil der Mittelzuweisungen der Bundesförderung für den Wohnungsbau eingesetzt. Der Rest versickert im völlig überschuldeten Landeshaushalt. Aufgrund dieser Förderstruktur des Wohnungsbaus wird sich die Anzahl der Wohnungen im geförderten Wohnungsbau in den kommenden Jahren drastisch verringern. Gab es im 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 252 Jahr 1987 noch 3,9 Millionen Wohnungen in Deutschland, so verzeichnete die letzte Volks- und Gebäudezählung Ende 2001 nur noch rund 1,8 Millionen Wohnungen. Die fehlende Mittelbindung führt in Kombination mit der von Schwarz-Rot beschlossenen Mietpreisbremse zu einem völligen Investitionsstau auf dem Wohnungsmarkt. Darunter leidet nicht nur die Wohnungswirstchaft, es leiden vor allem Mieterinnen und Mieter bei ständig steigender Wohnungsnachfrage in den Zentren. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 253 Antrag 513 Betr.: Erbschaftssteuerreform: Familienunternehmen schützen – Arbeitsplätze erhalten Antragsteller: Landesverband Niedersachsen Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 Das Bundesverfassungsgericht hat, mit Urteil vom 17.12.2014, die Grundstruktur bei der Regelung der Erbschaftsteuer bestätigt, vereinzelt aber gesetzgeberischen Handlungsbedarf benannt. Laut Urteil ist die Privilegierung von Betriebsvermögen dem Grunde nach nicht zu beanstanden, aber hierfür sind strengere Grenzen zu setzen. 6 7 8 9 10 11 12 13 Der Unternehmensstandort Deutschland ist Weltmarktführer bei inhabergeführten Unternehmen. „Mit 2,2 Millionen zählte 2012 die überwiegende Mehrheit (99,3 Prozent) der Unternehmen zu den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Rund 1,8 Millionen galten als Kleinstunternehmen, nur etwa 16.000 als Großunternehmen“ heißt es beim Statistischen Bundesamt (https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/UnternehmenHandwerk/KleineMittlereUnternehmenMittelstand/Aktuell_.html;jsessionid=A5F425F915B8AE3677A5C33E44C7E98C.cae2). 14 15 16 17 18 19 20 21 Von den 26,4 Millionen Beschäftigten im Jahr 2012 waren 18 Prozent bei Kleinstunternehmen (9 Beschäftigte, bis 2 Millionen Euro Jahresumsatz), 22 Prozent bei kleinen Unternehmen (bis 49 Beschäftigte und bis 10 Millionen Euro Jahresumsatz), 20 Prozent bei mittleren Unternehmen (bis 249 Beschäftigte und bis 50 Millionen Euro Jahresumsatz) und 40 Prozent bei Großunternehmen (über 249 Beschäftigte und über 50 Millionen Euro Jahresumsatz) beschäftigt. Das heißt, dass 60 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland bei den sogenannten KMUs beschäftigt sind. 22 23 24 25 Deutschland ist die Wirtschafts- und Innovationslokomotive von Europa. Unser Standort ist ein Hochpreisstandort, deshalb kann sich die Wirtschaft in Deutschland hohe Löhne und den zweithöchsten gesetzlichen Mindestlohn in Europa leisten. Insgesamt ist Deutschland ein kostenintensiver Produktionsstandort. 26 27 28 29 30 31 Unternehmen in Deutschland verfügen teilweise und zeitweilig über ein hohes Betriebsvermögen sowie über eine hohe Eigenkapitalquote. Sie ist die wichtigste Grundlage für die Beschaffung von Krediten auf dem Kapitalmarkt. Das Betriebsvermögen ermöglicht den Unternehmen daher in Aus- und Weiterbildung, Forschung und Entwicklung und in neue Arbeitsplätze zu investieren. Das Betriebsvermögen ist aber kein liquides Vermögen, sondern in Form von Wirtschaftsgü- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 254 32 33 34 35 tern gebunden. Die Erbschaftssteuer kann, im Falle von fiskalisch erforderlichen Veräußerungen des Betriebsvermögens im Erbfall, verheerende Folgen für die Beschäftigten und für die Wettbewerbsfähigkeit der KMUs haben. Eine Erhöhung der Erbschaftsteuer muss daher unbedingt vermieden werden. 36 Daher fordern die Freien Demokraten: 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 • • • • • • • • • • • Die Erbschaftsteuer darf nicht zum Spielball der Politik oder von ideologischen Verteilungskämpfen werden. Die FDP setzt sich für eine unternehmensfreundliche und arbeitsplatzsichernde Neuregelung bei der anstehenden Reform des Erbschaftsteuerrechts ein. Die Freien Demokraten sprechen sich für den Erhalt von Arbeitsplätzen, Unternehmen und Wachstum und gegen eine ideologiegetrieben Umverteilung oder gar Verstaatlichung von Firmenanteilen aus. Durch die erforderlichen Neuregelungen beim Erbschaftsteuerrecht soll es zu keiner Mehrbelastung für Unternehmen kommen. Die vom Bundesverfassungsgericht zugestandene Möglichkeit der vollständigen Freistellung von KMU von der Erbschaftsteuer soll umgesetzt werden. Die FDP setzt sich auch für die Einführung einer Reinvestitionsklausel im Erbschaftsteuerrecht ein, damit die Erbschaftsteuer in der Höhe entfällt in der innerhalb von zwei Jahren in produktives Betriebsvermögen investiert wird. Die FDP setzt sich für eine verfassungsgemäße Regelung und Betrachtung des Verwaltungsvermögens, unter Abzug der Schulden und Berücksichtigung nicht begünstigungsfähigen Verwaltungsvermögens, ein. Die FDP spricht sich für die Einführung einer Bedürfnisprüfung ab 100 Millionen Euro übertragendem Vermögen und gegen die Einführung einer absoluten Obergrenze aus, damit wirtschaftlich sinnvolles Handeln nicht an selbigen scheitert. Die FDP setzt sich bei Anwendung der Bedürfnisprüfung für das Unternehmen und nicht für den Inhaber ein. Deshalb setzen wir uns für klare Kriterien, geringe Ermessensspielräume und eine hohe Rechtssicherheit ein. Die FDP spricht sich auch für die Konsolidierung des Verwaltungsvermögens bei Gesellschaften aus, damit eventueller Missbrauch eingedämmt wird. Die FDP spricht sich bei der Ermittlung und Festlegung des produktiven Betriebsvermögens aus Gründen der Rechtsunsicherheit gegen Ermessensentscheidungen von Finanzbeamten aus, hierfür sind objektive sowie rechtssichere Wege und Kriterien zu entwickeln. Die FDP setzt sich für die Einführung einer Bagatellgrenze beim Nachweis der Lohnsumme für kleine Betriebe ein, damit der bürokratische Aufwand für KMUs reduziert wird. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 255 74 75 76 Die FDP spricht sich gegen eine Doppelbesteuerung von Privatvermögen, zum einen bei der betrieblichen Bedürfnisprüfung und zum anderen bei der eigentlichen Erbschaftsbesteuerung, aus. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 256 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 257 Antrag 600 Betr.: Mindestlohn – Rechtssicherheit für Arbeitgeber und Beschränkung der Aufzeichnungspflichten Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Mittelstand Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Die mit dem Mindestlohngesetz einhergehende Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung bürdet den Arbeitgebern enorme bürokratische Lasten auf, da Arbeitszeiten bis ins Detail dokumentiert und jederzeit nachprüfbar sein müssen. Außerdem werden Arbeitszeit- und Arbeitsortsflexibilität gefährdet, weil es nahezu unmöglich ist, bei z. B. Home-Office-Lösungen Arbeitszeiten genau zu erfassen und zeitnah gegenüber öffentlichen Behörden nachweisen zu können. Das Mindestlohngesetz untergräbt deshalb systematisch das Vertrauen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Dem Arbeitgeber wird pauschal unterstellt, durch längere Arbeitszeiten den Mindestlohn unterwandern zu wollen, während er gleichzeitig genau kontrollieren muss, dass durch Beschäftigte nicht zu viel abgerechnet wird. Das nimmt Arbeitgebern jede Flexibilität, sät Misstrauen und Zwietracht. 13 Wir fordern deshalb: 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 • • • • einfache, unbürokratische Regelungen für Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern flexible Arbeitszeiten und -orte, insbesondere durch Home-Office, einräumen, um Rechtssicherheit für Arbeitgeber ohne bürokratischen Mehraufwand zu schaffen; eine Haftungsbefreiung von Auftraggebern für Verstöße von Sub- und Nachunternehmern gegen das Mindestlohngesetz, wenn der Auftraggeber weder positive Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis von Verstößen des Subunternehmers hat; eine Absenkung der Einkommensgrenze für die Dokumentationspflicht deutlich unter 2.000 Euro, da nur in diesem Bereich Arbeitnehmer realistischerweise vom Mindestlohn betroffen sein können, und den Ausschluss von Minijobbern von der Dokumentationspflicht, wenn in ihrem Arbeitsvertrag ein Verdienst von mindestens 8,50 Euro festgeschrieben ist. Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 258 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 259 Antrag 601 Betr.: NEIN zur staatlichen Pflicht zur Offenlegung der Löhne Antragsteller: Bezirksverband Niederbayern Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 Die FDP lehnt die von der Bundesministerin Schwesig geplante Offenlegung von Gehältern entschieden ab. Begründung: Das Gesetz soll es nach bisherigen Verlautbarungen allen Angestellten ermöglichen, sich über die Gehaltseinstufung der Kollegen zu informieren und einem Gebot der Entgeltgleichheit zur Durchsetzung verhelfen. Dabei wird verkannt, dass auch Lohnunterschiede bei formal gleicher Qualifikationsstufe durchaus gerechtfertigt sein können. Dafür gibt es die vielfältigsten Gründe, die genauso individuell sind, wie jeder Arbeitnehmer. (Anwerben von neuen Arbeitskräften in Zeiten knapper Fachkräfte, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Leistung des Einzelnen, …) Auch wenn das Gesetz gutgemeint sein mag, werden die Folgen oftmals Neid, Missgunst und Misstrauen in der Belegschaft sein. Statt eines dringend nötigen Bürokratie-Abbaus wird auch diese Regelung zu einer Ausweitung von Bürokratie führen. Selbst in Kuba (!) wurde 2008 der Einheitslohn mit der Begründung abgeschafft, dass die Gleichmacherei nicht hilfreich sei und es außerdem ungerecht und schädlich sei, Arbeitern weniger oder mehr zu zahlen, als sie verdienten. Leistung muss sich lohnen! Diese Erkenntnis wurde in Kuba getroffen. Diese Erkenntnis muss auch in Deutschland gelten. Die Offenlegung der Gehälter will einen Schritt in genau die andere Richtung. Der Vorwand, dass auf diese Weise Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen angeglichen werden können, zeugt von einem Frauenbild, wonach Frauen unfähig sind, einen angemessenen Lohn für ihre Leistung zu fordern. Jedoch darf man Frauen 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 260 durchaus zutrauen, für einen höheren Lohn mehr Argumente vorbringen zu können, als nur die Feststellung, dass der männliche Kollege mehr verdient. Eine Benachteiligung fände tatsächlich nur statt, wenn Männer die Gehälter untereinander kennen würden und nur die Frauen nicht. Dies ist nicht der Fall. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 261 Antrag 602 Betr.: Wider den Staat als Akteur in der Wirtschaft Antragsteller: Bundesfachausschuss Wirtschaft und Energie Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 Die Privatisierung der derzeit von kommunalen Unternehmen angebotenen Produkte und Dienstleistungen ist zwingend geboten, wenn private Anbieter die gleichen Produkte und Dienstleistungen bei gleicher Qualität preiswerter oder zu gleichen Preisen eine bessere Qualität erbringen. 5 6 Die wirtschaftlichen Aktivitäten müssen Grundsätze (Corporate Governance) privater Unternehmen erfüllen. der Unternehmensführung 7 8 9 10 Zur Vermeidung kumulativer Risiken aus kommunaler wirtschaftlicher Betätigung soll die Berichtspflicht kommunaler Unternehmen durch Beteiligungsberichte bereits bei niederschwelligen Beteiligungen durch Lage- und Gewährleistungsberichte vervollständigt werden. 11 12 13 14 Anfallende Folgekosten, wie sie beispielsweise bei einem späteren Abbau und Entsorgung von Windkraftanlagen, oder bei der Entsorgung von Photovoltaikmodulen als Sondermüll entstehen, müssen schon aus Gründen der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. 15 16 17 18 Kommunen die ihre bestehenden Aufgaben nicht ohne Kreditaufnahme finanzieren können, dürfen keine weiteren oder neue unternehmerische Risiken eingehen und müssen sich grundsätzlich auf die Wahrnehmung ihrer hoheitlichen Aufgaben beschränken. 19 20 21 22 Ungleichbehandlungen bei der Besteuerung müssen beseitigt werden. Hierfür müssen Ausnahmen der Umsatzsteuerbesteuerung von Gebühren beseitigt werden, um eine steuerliche Gleichbehandlung bei finanzieller Vergleichbarkeit mit privaten Anbietern kommunaler Dienstleistungen zu ermöglichen. 23 24 25 Durch kommunale Anschluss- und Benutzungszwänge werden zusätzliche monopolartige Bezugsverpflichtungen für die Leistungsnehmer geschaffen. Solche Anschluss- und Benutzungszwänge sind deshalb abzuschaffen. 26 27 28 29 30 Die EU-Kommission ist in ihrem Bemühen, europäische Wettbewerbsmärkte zu ermöglichen und sicher zu stellen, zu unterstützen, ebenso die Bemühungen um die Schaffung einer europäischen Kartellbehörde. Bis zur Schaffung einer europäischen Kartellbehörde ist der Europäische Kommissar für Wettbewerbsangelegenheiten mit den erforderlichen Eingriffsmöglichkeiten für eine wirksame Sicher- 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 262 31 32 33 stellung des Wettbewerbs innerhalb der EU auszustatten. Trinkwasserentgelte sind unabhängig von ihrer Ausgestaltung als Preise oder Gebühren wieder der wettbewerbsrechtlichen Aufsicht zu unterstellen. 34 35 36 37 Um seine Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft zu sichern, muss Deutschland schlank und handlungsstark in Staat und Verwaltung sein. Verwaltung muss auf ihre hoheitlichen Kernaufgaben beschränkt bleiben. Politik hat dies sicher zu stellen. Begründung: Deutschland erfährt gegenwärtig eine Renaissance staatlichen Handelns in der Wirtschaft. Die Wohlstand und sozialen Ausgleich stiftenden Ergebnissen unserer marktorientierten Sozialen Marktwirtschaft will eine breite Öffentlichkeit in Deutschland um staatliches Handeln ergänzt sehen. Dieses im europäischen Vergleich ungewöhnliche Urvertrauen in staatliches Handeln lässt sich durchaus mit einer Feststellung von Prof. Dr. Michael Hüther (Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Köln / FAZ, 24.03.2014) begründen: „Diese Strukturen (16./17. Jahrhundert) die bis heute im föderalen Aufbau der Bundesrepublik nachwirken…(und) mit der Kleinräumigkeit gegebene Nähe des Fürsten zu seinen Untertanen war folgenreich für die gesellschaftliche Entwicklung und die politische Kultur. Denn so erlebten die Menschen den frühmodernen Staat vor allem als Fürsorgestaat. Die in England und Frankreich prägende Selbstbestimmung des Volkes und das Bekenntnis zur Freiheit des Einzelnen waren für die Deutschen lange nicht so bedeutsam.“ Folgerichtig ist die in den 1990er Jahren verstärkte Beauftragung privater Leistungserbringer zur kommunalen Aufgabenerledigung seit einigen Jahren rückläufig. Die öffentliche Hand bringt sich wieder stärker in das wirtschaftliche Geschehen ein. Dieser Trend hat sich seit dem Aufkommen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 verstärkt. Verstärkte öffentlich-rechtliche Wirtschaftstätigkeit führt nicht nur zu direkten Markteingriffen, mittelbar greift die räumliche und sachliche Expansion kommunaler Wirtschaftstätigkeit auch in weitere Wirtschaftsbereiche ein. Der Bund der Steuerzahler (BdSt.) stellt seiner kritischen Studie von April 2014 „Privat vor Staat? Risiken kommunaler Wirtschaftstätigkeit“ ein Zitat von Walter Eucken voran: „Der Staat hat die Formen, in denen gewirtschaftet wird, zu beeinflussen, aber er hat nicht den Wirtschaftsprozess selbst zu führen.“ Die angeführte Expansion der öffentlichen Hand im Wirtschaftsprozess verdeutlichen die nachfolgenden Daten: 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 263 2000: 10.909 öffentl.-rechtl. Unternehmen, Umsatz € 131 Mrd., Betriebsergebnisse aggr. € 6,5 Mrd. 2011: 13.447 öffentl.-rechtl. Unternehmen, Umsatz € 267 Mrd., Betriebsergebnisse aggr. € 8,6 Mrd. Dazu wird ergänzend festgestellt, dass die erzielten Betriebsergebnisse in diesem Zeitraum hinter den Umsatzzuwächsen zurück gebliebenen sind. Wenngleich die kommunalen Unternehmen nach den Feststellungen des Bundes der Steuerzahler (BdSt.) insgesamt mit Ertrag arbeiten, wurden in 2010 Verlustübernahmen und Zuschussbedarfe aus den öffentlichen Haushalten in Höhe von € 2,7 Mrd. erforderlich, die bereits in 2011 auf € 5,9 Mrd. anwuchsen. Aus kommunaler Wirtschaftsbetätigung mit positiven Betriebsergebnissen lässt sich jedoch nicht zwangsläufig eine effiziente Leistungserstellung ableiten. Die Verfolgung politischer Ziele in kommunalwirtschaftlichem Handeln geht fast immer mit Effizienzverlusten einher. An Märkte unangepasste Dienst- und Tarifregelungen oder einflussreiche Personalvertretungen, die nach sozialen und nicht überwiegend wirtschaftlichen Kriterien in Personalfragen mitentscheiden, verhindern, dass ausreichend flexibel den Notwendigkeiten erfolgreichen Wirtschaftens Rechnung getragen werden kann. Bei Einschränkungen der Subsidiaritätsklausel, nach der eine kommunalwirtschaftliche Betätigung zu untersagen ist, wenn private Unternehmer die betreffende Leistung mindestens genauso wirtschaftlich erbringen können, soll, um nahe beieinander liegende Interessenslagen der öffentlichen Hände nicht zu begünstigen, nicht die formal zuständige Kommunalaufsicht für die Genehmigung einer kommunalwirtschaftlichen Betätigung zuständig sein, sondern die nächst höhere beaufsichtigende Instanz. Neben den unmittelbaren wirtschaftlichen Betätigungen der öffentlichen Hand hat sich noch eine Anzahl von öffentlich-rechtlichen Subsystemen in unserem Land etabliert. Dazu zählen u.a. Sparkassen mit 244.000 Mitarbeitern und 12.000 Filialen bundesweit und einem Geschäftsmodell, das auf einen alleine regionalen Wirkungsbereich ausgelegt ist. Noch in den Jahren 2008/2009 waren sie in zahlreichen ländlichen Regionen diejenigen Kreditinstitute (zusammen mit den Genossenschaftsbanken), die die Gefahr eines heraufziehenden „Credit-Crunch“ abmilderten. Wir treten dafür ein, dass die Bedingungen weiterentwickelt werden, damit die kommunalen Eigentümer der Sparkassen ggfs. auch ihr Institut verkaufen können und/oder an den Finanzmärkten Eigenkapital aufnehmen können. Zu den öffentlich-rechtlichen Subsystemen zählen u.a. auch kommunale Krankenhäuser. Kommunale Beteiligung wird in den unterschiedlichsten Gesellschaftsformen umgesetzt: als unmittelbar kommunale Eigenbetriebe, Anstalten des Öffentlichen Rechts (mit eigenem Haushalt aber 100 Prozent Haftung des kommunalen Trägers), in Form von Genossenschaftsbeteiligungen, als GmbH oder auch durch Halten von Anteilen an Aktiengesellschaften. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 264 Eine deutliche Ausweitung kommunalwirtschaftlicher Betätigung ist im Zuge der Implementierung erneuerbarer Energien in der Gewinnung, dem Betrieb von Energieerzeugungsanlagen, wie auch dem Betrieb von Verteilnetzen in den unterschiedlichsten Beteiligungsformen festzustellen. Dabei wird häufig total unterschätzt, welche unternehmerischen Risiken diese Betätigung mit sich bringt. Die Notwendigkeit, Management-Strukturen hinsichtlich Controlling und Fristen-Kongruenz wird vielfach nicht erkannt, weshalb es immer wieder zu gravierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis hin zur Notwendigkeit der Abwendung von Illiquidität zu Lasten der Steuerzahler kommt. Würden aber die notwendigen Management-Strukturen aufgebaut, wären die Kosten vielfach so hoch, dass der Betrieb nicht mehr rentabel betrieben werden könnte. Obwohl sehr viele Kommunen verschuldet sind und ihre Haushalte nicht ohne neue Schulden ausgleichen können, gibt es einen Trend der Kommunalisierung wirtschaftlicher Aktivitäten. Befördert wird dies durch das Misstrauen eines Teils der Bevölkerung gegen private Unternehmen und das Interesse kommunaler Politik, den eigenen Wirkungsbereich zu vergrößern, auch durch erhoffte Gewinne. Oft wird das Argument der Daseinsvorsorge bemüht. Aufgabe eines demokratischen und freiheitlichen Staates und damit auch der Kommunen ist es, den gesetzlichen und organisatorischen Rahmen vorzugeben, in dem die Bürger leben und wirtschaften können. Im Kern sind es hoheitliche Aufgaben, die Staat und Kommunen tragen müssen. Wirtschaftliche Aktivitäten sind keine Kernaufgaben der Kommunen und häufig fehlt es kommunalen Betrieben an Effizienz und Transparenz. Kritisch ist es auch, wenn Kommunen lokalen Betrieben Konkurrenz machen oder wirtschaftliche Risiken eingehen, für die am Ende der Steuerzahler gerade stehen muss. Regionale Wertschöpfung Ausgehend von kommunalen fiskalischen Interessen verweisen Befürworter von Rekommunalisierungen darauf, die „Öffentliche Daseinsvorsorge“ sichern zu wollen und zugleich einen Beitrag zur Förderung der Regionalen Wertschöpfung zu liefern. Deshalb halten sie es auch für legitim, weitere kommunalwirtschaftliche Kreisläufe zu rekommunalisieren. Aus ordnungspolitischer Sicht setzen die Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen und die postulierte „Regionale Wertschöpfung“ Anreize, die wettbewerbsschädlich sind. Die unsere marktwirtschaftliche Ordnung prägende Preisfindung über die Knappheit der Güter wird durch einen anderen Referenzwert, die „Regionale Wertschöpfung“, ersetzt. Größenvorteile und Ineffizienzen werden vernachlässigt – zu Lasten der Bürger. Diese politisch gewollte Fehlentwicklung muss durch eine Rückkehr zur Wettbewerbsorientierung unserer Sozialen Marktwirtschaft entschieden entgegen getreten werden. In den folgenden Abschnitten werden Rekommunalisierung kritisch dargestellt. beispielhaft einige Bereiche der 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 265 Trinkwasserversorgung Natürliche Monopole wie die Trinkwasserversorgung sind vielfach dem Wettbewerb entzogen und in der Hand kommunaler Unternehmen außerhalb des Preisbildungsmechanismus des Marktes. Stabile Erträge kommen vielfach als Quersubventionen anderen kommunalen Einrichtungen zu Gute. Eine ordnungspolitische Verwerfung resultiert daraus, dass Gebühren, alleine zur Kostendeckung des Produkts bestimmt, zur Quersubvention anderer kommunaler Einrichtungen wie ÖPNV, Kindertagesstätten oder Bäder genutzt werden. Die aus Gebühren querfinanzierten Einrichtungen können jedoch nicht von allen Gebührenzahlern genutzt werden. Gebühren und Beiträge, die für die Bereitstellung öffentlicher Güter erhoben werden, unterliegen keiner Missbrauchsaufsicht. Das Kommunalrecht verlangt im Regelfall die kostendeckende Erhebung; Kommunalaufsichten versagen bei Unterdeckung ggf. Haushaltsgenehmigungen. Die wirtschaftliche Erledigung von Leistungen der „Öffentlichen Daseinsvorsorge“, die unter das Gebührenrecht fallen, ist im Regelfall nicht Bestandteil kommunalaufsichtlicher Prüfung. Bloß vergleichende Prüfungen im öffentlichen Bereich vermögen keine Hinweise auf effiziente Erledigung zu geben. Ausgelagerte kommunale Versorgungsunternehmen unterliegen der Kartellaufsicht. Kartellbehörden prüfen, anders als die Kommunalaufsichtsbehörden, auf ökonomische Plausibilität. Kartellrechtliche Beanstandungen der Preisbildung verschiedener kommunaler Versorger (Wetzlar-Urteil) haben jedoch zu einer Flucht zurück in das Gebührenmodell und damit der Kommunalaufsichten geführt. Eine wünschenswerte kartellrechtliche Überwachung, auch im Gebührenmodell, zur Vermeidung von Umgehungstatbeständen schließt die 8. GWB-Novelle de facto aus. Erneuerbare Energien und Energiewirtschaft Im Zuge des Ausbaus erneuerbarer Energien haben sich viele Städte, Gemeinden und Landkreise energiepolitische Ziele gesteckt, die zum Teil erheblich von der geltenden bundespolitischen Beschlusslage abweichen. Das formulierte Ziel einer zu 80 Prozent regenerativen Energieversorgung für unser Land bis 2050, sehen lokale Beschlusslagen bereits für deutlich früher vor. Einige schon für 2030. Im Zuge der erleichterten Gestattung kommunalwirtschaftlicher Tätigkeit im Erneuerbare Energien-Bereich, unter faktischer Außerkraftsetzung der Subsidiaritätsklausel, nutzen Landkreise, Städte und Gemeinden in verstärktem Umfang die Möglichkeiten des Beteiligungs- und Konzessionserwerbs an Unternehmen der Energiewirtschaft. Die Energieerzeugung wird zunehmend an lokalen Interessen ausgerichtet. Garantierte Einspeisevergütungen verhindern möglichen Wettbewerb. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 266 Fehlende Größenklassen und im Ergebnis das Fehlen positiver Skaleneffekte bei den lokalen Erzeugern regenerativ gewonnener Energie aus Windkraft, Sonne oder aus Biogasanlagen drohen, bei bereits geringfügiger Störung oder Veränderung des gesamtwirtschaftlichen Umfeldes, schneller unwirtschaftlich zu werden. Kleinteilige Energieerzeugung ist deshalb hinsichtlich ihres gesamtwirtschaftlichen Verwerfungspotentials kritisch zu betrachten. Kommunale Vertretungen beschließen Investitionen in kommunale Windparks, Photovoltaikanlagen, Biogasreaktoren und ähnliche Systeme, die alleine der Umsetzung politischer Absichten dienen. Nicht selten werden die Wirtschaftspläne dafür von den Projektinitiatoren erstellt. Die Risiken eines solchen kommunalwirtschaftlichen Handelns werden in Hoffnung auf zusätzliche Haushaltsbeiträge allzu gerne verdrängt. Stadtwerke weiten in der Folge, politisch gewollt, zunehmend ihre Geschäftstätigkeit im Rahmen der sog. Energiewende und der damit verbundenen Beteiligungserleichterungen aus. All dies in der trügerischen Sicherheit eines Ertrags aus staatlich festgelegten Einspeisevergütungen und Durchleitungsgebühren. Beispiele für Rekommunalisierung in der Energiewirtschaft waren der 100%Beteiligungserwerb der Stadt Hamburg an den Netzgesellschaften für Strom, Gas und Fernwärme von E.ON Hanse und Vattenfall für rd. € 2 Mrd. sowie die Rekommunalisierung des Durchleitungsnetzes der E.ON Mitte AG durch die Aufstockung des kommunalen Altaktienanteils um 100 Prozent für € 612 Mio. durch 13 niedersächsische und hessische Landkreise und Städte Ende 2013. Der Kaufpreis wurde fremdfinanziert. Die Kreditsumme wurde von den beteiligten Landkreisen und Städten zu 80 Prozent verbürgt. Die Tilgung soll mit den anfallenden Dividenden aus den regulierten Durchleitungsgebühren bestritten werden. Bürgen für die Übernahme waren letztlich die Einwohner der im Versorgungsgebiet liegenden Städte und Gemeinden. Als „Hintergrund und Ziele der Übernahme“ wurde formuliert, die „einmalige Gelegenheit, einen vollständig kommunalen Anteilsbesitz“ erwerben zu können, „das kommunale Netzwerk in der Energiewirtschaft der Region weiter zu entwickeln“,„die Sicherung des kommunalen Einflusses auf den Netzbetrieb als Bestandteil der…öffentlichen Daseinsvorsorge“(!), zum „verstärkten Ausbau regionaler Energiekreisläufe“. Als weitere Begründung zur vollständigen Netzübernahme stand in der Beschlussvorlage für die kommunalen Gremien zu lesen: „Zur Sicherung einer stabilen und ausreichenden Versorgung der Bevölkerung, insbesondere mit Strom und Gas, spricht alles dafür, die Netze unter staatlichen Zugriff zu stellen. Nur dann können… die Kommunen und Landkreise ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, eine ausreichende und stabile Infrastruktur für die Bevölkerung zu sichern…nachkommen.“ Und weiter, als ernsthafte Begründung: „Sollte auf den Ankauf verzichtet werden, ist die weitere Entwicklung nicht absehbar. Es ist davon auszugehen, dass ein Mitbewerber auf 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 267 dem Strom- und Gasmarkt die Anteile übernimmt mit den Folgen des privatwirtschaftlichen Handelns bis hin zu Risiken, dass das Netz nicht ausreichend gepflegt wird, es zu Zusammenbrüchen in der Versorgung kommt oder aber die Renditeerwartung Privater zu Lasten der Bürger geht.“ Hier werden durch Diskreditierung des Handelns der Wirtschaft massive Zweifel an unserer geltenden Wirtschaftsordnung durch den öffentlich-rechtlichen Bereich geschürt. Um die „Renditeerwartung Privater“ zu verhindern wird suggeriert, dass der Netzbetrieb mit öffentlich-rechtlichen Eignern ohne Renditeerwartung von statten gehen wird. Ohne Rendite aber ließe sich die Finanzierung nicht bedienen. Es steht zu erwarten, dass mit einer sinnvollen stärkeren Europäisierung der Energiemärkte auch in den regulierten Energiebereichen Nachsteuerbedarf besteht und die derzeitigen Durchleitungsentgelte von rd. € 0,05/kWh nicht auf Dauer als sicher angesehen werden können. Die Energieversorger Wissen darum und weisen auch in ihren Geschäftsberichten darauf hin. So die E.ON Mitte AG in ihrem letzten Geschäftsbericht für 2012: „Diese und weitere Effekte aus der Anreizregulierung führen zu dauerhaften Erlöseinbußen und erhöhen den Druck auf die Netzbetreiber.“ Weiter: „Die Ergebnisprognose…für die kommenden Jahre wird durch gestiegenen Kostendruck infolge der Anreizregulierung sowie Vorgaben der BNetzA belastet.“ „Dennoch werden in den kommenden Jahren tendenziell Ergebnisrückgänge gegenüber dem Berichtszeitraum erwartet.“ Die im Geschäftsbericht der E.ON Mitte AG formulierten Risiken spielten in der Phase der Beschlussfassung keine Rolle. Der Öffentlichkeit wurde die Aussicht auf ein risikofreies, gutes Geschäft vermittelt. Die Implementierung öffentlich-rechtlich getragener Unternehmen oder solchermaßen getragener Beteiligungen an anderen Unternehmen, bedürfen stets besonderer Rechtfertigung und müssen wirtschaftlich höchsten Genehmigungsund Prüfanforderungen standhalten. Neutrale Externe müssen verpflichtend vor solchen Geschäften die Wirtschaftlichkeit einer vorgesehenen Investition unter allen Aspekten prüfen. Befangenheit, auch der öffentlich-rechtlichen Bereiche, muss vor solchen Entscheidungen zur Sicherheit der Bürger vollständig ausgeschlossen werden können. Der Subsidiaritätsklausel ist bei allen Formen der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen Geltung zu verschaffen. Abfall- und Entsorgungswirtschaft Kommunale Entsorger werden durch Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes bei der Sammlung und Verwertung von Wertstoffen gegenüber den privaten Unternehmen gestärkt. So darf ein privater Anbieter erst dann eine gewerbliche Abfallsammlung übernehmen, wenn er nachweist, dass er „wesentlich leistungsfähiger“ ist als der kommunale 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 268 Entsorgungsträger. Da eine Gleichwertigkeit der Leistungen nicht ausreicht, ist der private Entsorgungssektor gravierenden Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt. Viele bestehende durch Private effizient durchgeführte Wertstoffsammlungen werden nun nach und nach durch kommunale Aktivitäten zurückgedrängt. Auch die geplante Einführung der einheitlichen Wertstofftonne birgt die Gefahr, dass weitere bisher durch Private entsorgte Abfallströme den kommunalen Entsorgern zugeordnet werden. Ordnungspolitisch problematisch ist, dass Landkreise und Kommunen Abfallbehörde und Marktteilnehmer sind. Durch sog. „Inhouse“-Vergabe an den Entsorgungsträger kann der Entsorger-Markt praktisch ausgeschlossen werden. Die Monopolkommission empfiehlt, mehr Wettbewerb zwischen kommunalen Versorgern untereinander und den privaten Entsorgern zu schaffen. Eine mechanische Abfallsortierung verlangt hohe Investitionsvolumina. Privat geführte Unternehmen der Abfallwirtschaft haben in nennenswertem Umfang diese Investitionen für eine fortschrittliche, mechanische Abfallsortierung aufgebracht. Teilweise wird nun nach der Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes von kommunalen Entsorgern wieder händisch endsortiert. Mit allen Folgen der Gebührenbelastung der Endverbraucher durch Ineffizienz. Telekommunikation Im Zuge der fortschreitenden Rekommunalisierung in der Energieversorgung, werden zunehmend auch die aus Synergieeffekten resultierenden Chancen auf eine kommunalwirtschaftliche Betätigung in der Telekommunikation genutzt. Diese Betätigung beschränkt sich nicht mehr alleine auf die Bereitstellung technischer Infrastruktur, sondern schließt zunehmend auch das Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen an Endverbraucher ein. Als Beispiel dafür mag die öffentlich-rechtliche getragene (Stadtwerke Köln) NetCologne dienen, die im Raum Köln/Bonn/Aachen bei Telekommunikationsdienstleistungen, als eines von mehreren öffentlich-rechtlich getragenen Unternehmen einen Marktanteil von 25 Prozent erreicht hat. Insgesamt haben sich die Umsätze kommunaler Telekommunikationsunternehmen in zehn Jahren (20002011) fast verdreifacht - von € 328 Mio. auf € 968 Mio. Fazit Der Verband Kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) repräsentiert 1.430 kommunalwirtschaftliche Mitgliedsunternehmen aus den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfall und Stadtreinigung mit 245.000 Mitarbeitern und € 110 Mrd. Umsatz (2013). Der VKU gibt an, dass die angeschlossenen kommunalen Unternehmen 80 Prozent des Trinkwassers, 65 Prozent der Wärme, 59 Prozent des Erdgases, 46 Prozent des Stroms im Endkundensegment liefern sowie 26 Prozent des Abwassers entsorgen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 269 Der Verband zeigt sich offen und gibt an, dass er sich „…aktiv in der politischen Willensbildung und der Gesetzgebung (beteiligt)“. Hier zeigt sich exemplarisch das Bemühen um Interaktion zwischen Gesetzgeber und kommunaler Wirtschaft, deren letztinstanzliche Entscheidungsträger die Mitglieder kommunaler Vertretungen sind. Der VKU führt aus, dass kommunale Unternehmen primär keine privatwirtschaftlichen Zwecke verfolgen, sondern dem Gemeinwohl verpflichtet sind. In seiner Mitteilung 2/2015 informiert der VKU „…aus dem Konsultationspapier (der EUKommission) geht hervor, dass die Kommission wegen denkbarer Wettbewerbsverzerrungen durchaus Handlungsbedarf bei der Ausgestaltung der (MWST.) Regelungen sieht. Konkret werden in dem Konsultationspapier die Abfall- und Abwasserwirtschaft beispielhaft als solche Sektoren genannt, in denen die derzeitigen Regelungen Wettbewerbsverzerrungen zur Folge haben sollen. Im Ergebnis kaum überraschend zeigt der Bericht der Kommission, dass die Privatwirtschaft die derzeitigen Regelungen hingegen als wettbewerbsverzerrend ansieht und sich für eine Ausweitung der Mehrwertsteuerpflicht der öffentlichen Hand ausspricht.“ Der britische Soziologe und Historiker Cyril N. Parkinson charakterisierte Bürokratiewachstum mit der pointierten Feststellung: “Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für Ihre Erledigung zur Verfügung steht.“ An anderer Stelle, in den nach ihm benannten Parkinsonschen Gesetzen: „Jeder Beamte (und Angestellte) wünscht die Zahl seiner Untergegebenen, nicht jedoch die Zahl seiner Rivalen zu vergrößern.“ Der Wirtschaftswissenschaftler William A. Niskanen formulierte, dass die „Bürokratie ihren Nutzen maximiert, in dem sie ihr Budget steigert. Das führt zu einer Ausweitung des Angebots öffentlicher Güter, über die wohlfahrtsoptimierte Menge hinaus…“. Bei bestehendem Konsolidierungsbedarf öffentlicher Haushalte muss dies allein von der Ausgabenseite her erfolgen. Eine erhoffte Stärkung der Einnahmenseite durch wirtschaftliche Tätigkeit ist ineffizient, immer mit Risiken verbunden und für treuhänderisch übernommene Haushaltsführung abzulehnen. Das Ausscheiden von Unternehmen aus dem Wettbewerb einer Angebotswirtschaft ist systemimmanent. Dies muss auch für öffentlich-rechtliche Unternehmen gelten. Staatliche Eingriffe, die dem entgegen wirken sollen, sind abzulehnen. Sie stören das marktgetriebene Angebotsund Nachfragegleichgewicht. Eingriffe in den Preisbildungsmechanismus benachteiligen Anbieter und Verbraucher. Arbeitsplatzargumente sind keine ausreichende Legitimation für kommunalwirtschaftliches Handeln. Der Bestand an Arbeitsplätzen unterliegt immer einer Produktivitätsäquivalenz. Arbeitsplatzgewinne und Arbeitsplatzverluste folgen den großen konjunkturellen Schwankungslinien. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 270 Arbeitsplätze in kommunalen Unternehmen entstehen nicht in vollem Umfang zusätzlich, sondern beeinträchtigen immer auch die Entstehung von Arbeitsplätzen in der Wirtschaft. Im günstigeren Fall ist dies ein Nullsummenspiel; im Regelfall führt dies zu Effizienzverlusten zu Lasten der Steuerzahler. Bei Arbeitsplatzverlusten oder in besonderen Lebenslagen, sichern sozialstaatliche Einrichtungen für die Betroffenen die Möglichkeiten weiterer gesellschaftlicher Teilhabe ab. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 271 Antrag 603 Betr.: Vernunft statt Empörung - Für eine rationale Strafgesetzgebung Antragsteller: Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 Die FDP setzt sich auch weiter für ein Strafrecht ein, dass rationalen Regeln und rechtsstaatlichen Prinzipien verpflichtet ist. Den zunehmenden Aktionismus des Strafgesetzgebers und die Missachtung elementarer Regeln bei der Gesetzgebung sehen wir mit Sorge. 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Strafrechtliche Verfolgung muss nach Ansicht der FDP weiter die staatliche Reaktion auf erhebliches, schädliches Unrecht, nicht Mittel zur Durchsetzung von Moralvorstellungen gegenüber den Bürgern sein, mögen diese auch ihre Berechtigung haben. Das Schuldprinzip hat Verfassungsrang und setzt für eine Bestrafung persönlich zurechenbares Fehlverhalten voraus. Mit den Plänen für die Strafbarkeit von Unternehmen wird dieses Prinzip aufgegeben. Jeder Bürger muss gemäß dem Bestimmtheitsgebot im Voraus erkennen können, mit welchem Verhalten er sich strafbar macht. In vielen Regelungen werden dagegen immer neue nicht klar verständliche Straftatbestände formuliert, die ihren Ursprung in allgemeiner Missbilligung von Verhaltensweisen haben. Mit der Einführung besonderer Gesinnungsmerkmale soll Strafrecht nun auch zur Durchsetzung definierter Moral dienen. Eine weitere Überdehnung des Strafrechts droht in der Strafbarkeit von Handlungen die selbst vom Versuch der Begehung einer Straftat noch weit entfernt und allenfalls als Vorbereitungshandlung geeignet sind. 19 20 21 22 23 In den letzten Jahren werden stets neue angebliche Schutzlücken für nicht hinreichend genau gefasste Rechtsgüter ausgemacht und mit eilig gefertigten Strafgesetzen geschlossen. Strafrechtliche Prinzipien werden dabei oft vernachlässigt. Für die FDP bleibt das Strafrecht ultima ratio staatlichen Handelns und nicht Erziehungsmittel. 24 25 26 Die FDP tritt daher auch in Zukunft für ein Strafgesetzgebung ein, die den bewährten rechtsstaatlichen Prinzipien entspricht und fordert deren Beachtung bei allen Laufenden und künftigen Gesetzgebungsvorhaben. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 272 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 273 Antrag 604 Betr.: Die Liberalen lehnen die Einführung eines Unternehmensstrafrechtes ab Antragsteller: Bundesfachausschuss Justiz, Innen, Integration und Verbraucherschutz Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 Die Liberalen lehnen die Einführung eines Unternehmensstrafrechtes ab 2 3 4 5 6 7 Eine Gesetzesinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen sieht die „Einführung der strafrechtlichen Verantwortung von Unternehmen und sonstigen Verbänden“ und darin detaillierte Bestimmungen zur Schaffung eines „Unternehmensstrafrechtes“ vor. Auch im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien ist die Absicht festgehalten, ein Unternehmensstrafrecht „für multinationale Konzerne“ einzuführen. 8 9 10 11 12 13 14 15 Die Liberalen lehnen die Schaffung eines solchen Unternehmensstrafrechtes ab. Für die Liberalen sind die vorgesehenen Regelungen unnötig, strafrechtlich fragwürdig, überzogen und rechtspolitisch verfehlt. Die Liberalen wenden sich gegen jede Art von „Symbolpolitik“, die sich negativer Stereotypen über Unternehmen und Unternehmer bedient. Maßstab gesellschaftlicher Verantwortung für wirtschaftliches Handeln sind die Grundsätze des Ehrbaren Kaufmannes. Von einer Tendenz, die zunehmend Unternehmen unter „Generalverdacht“ für kriminelles Handeln stellen will, distanzieren sich die Liberalen ausdrücklich. Begründung: Ein gesetzlicher Regelungsbedarf für ein Unternehmensstrafrecht besteht nicht. Straf-, Gewerbe – und Ordnungsrecht enthalten bereits jetzt ausreichende Sanktionsmechanismen, mit denen Gesetzesverstöße bei der Tätigkeit von Personen in Unternehmen geahndet werden und vor der Begehung solcher Verstöße abgeschreckt werden kann. Ein sachlicher Grund, neben dem Ordnungswidrigkeitsrecht zusätzliche Sanktionsmöglichkeiten im Strafrecht zu schaffen, besteht nicht. Bis heute gibt es auch keine bundesweiten repräsentativen statistischen Erhebungen, die sich mit Gesetzesverstößen durch Tätigkeit in Unternehmen befassen und die die Notwendigkeit weiterer Sanktionsmöglichkeiten belegen würden. Ohne ausreichende Faktenbasis beruht die bestehende Gesetzesinitiative des Landes NRW auf purem Populismus. Eine strafrechtliche Sanktionierung von Unternehmen oder Verbänden lässt sich nicht sinnvoll in das System des deutschen Strafrechtes integrieren. Es ist mit dem geltenden Schuldprinzip nicht vereinbar und nicht begründbar. Die herkömmlichen Strafzwecke 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 274 (Schuldausgleich und positive/negative Spezial- und Generalprävention) können auf Unternehmen nicht angewendet werden. Adressaten von Strafzwecken bleiben immer die hinter dem jeweiligen Gesetzesverstoß stehenden handelnden oder unterlassenden natürlichen Personen. Auch das Bestehen eines Compliance-Systems lässt sich heute schon im geltendem Recht ohne weiteres als strafmindernd berücksichtigen. Eine Aufgabe des Schuldprinzips und dessen Bezug auf natürliche Personen durch die Einführung einer Strafbarkeit eines Unternehmens oder Verbandes bedeutete für das Strafrecht zugleich einen „Dammbruch“ hin zu einer zukünftigen potentiellen Bestrafung beliebiger anderer „Einheiten“, „Organisationen“ oder „Verbände“, wie wir dies aus nichtdemokratischen Gesellschaftsformen kennen. Eine Sanktionierung von Unternehmen ist auch deshalb abzulehnen, weil sie mittelbar zur Bestrafung gänzlicher Unschuldiger führt, nämlich z.B. der (gesetzestreuen) Arbeitnehmer, die beispielsweise nach der Sanktion einer Vermögensabschöpfung um ihren Arbeitsplatz bangen müssen oder der Eigentümer des Unternehmen (z.B. Gesellschafter oder Kleinaktionäre), die mit dem gesetzeswidrigen Handeln einzelner im Unternehmen nichts zu tun haben. Wesentliche Bestimmungen des NRW-Gesetzesentwurfs sind völlig überzogen. Dazu gehört u.a. - als „gesellschaftsrechtliche Unternehmen. Todesstrafe“ die Möglichkeit der „Auflösung“ des - die Möglichkeit, Unternehmens mit Hilfe eines „naming und shaming“-Prinzipes an den öffentlichen Pranger zu stellen. - bestehende Compliance-Systeme und ihr Funktionieren nicht im Rahmen des objektiven oder subjektiven Tatbestandes als tatbestandsausschließend vorzusehen, sondern erst auf der Rechtsfolgenseite nach Ermessen des Gerichts strafmildernd berücksichtigen zu können und damit den Einwand rechtskonformer Organisation abzuschneiden. - die vorgesehene Anwendbarkeit auf alle juristischen Personen, nichtrechtsfähige Vereine und rechtsfähige Personengesellschaften des privaten und öffentlichen Rechts, also mithin auf jeden Tennisverein, jedes KMU und jede kleine Kommune, was dazu führen würde, dass Bürger ihr ehrenamtliches Engagement einschränken werden und KMUs mit zusätzlicher Bürokratie überzogen würden. - die Strafbarkeit des Unternehmens, ohne dass ein tatsächliches aktives Verschulden einer natürlichen Person in der Aufsicht oder Überwachung vorliegt (so soll Strafbarkeit z.B. auch vorliegen, wenn ein Entscheidungsträger nach allen Regeln der Kunst ausgewählt wurde und über Jahre hinweg seine leitende Tätigkeit beanstandungsfrei ausgeführt hat, dann aber fahrlässig einen Gesetzesverstoß begeht oder aber wenn eine unternehmensbezogene fahrlässige Zuwiderhandlung erfolgt ist, aber durch einen „Entscheidungsträger“ des Unternehmens nur fahrlässig zumutbare Aufsichtsmaßnahmen unterlassen wurden). 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 275 - die uferlose Definition der strafbaren Personen durch den verwendeten Begriff des „Entscheidungsträgers“. - dass nicht mal eine Kausalität zwischen dem unternehmensbezogenen Zuwiderhandlung und einem Organisations- oder Aufsichtsverschulden erforderlich sein soll und auch dadurch der Einwand rechtskonformer Organisation abgeschnitten wird. - dass der im Strafrecht tragende Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht greifen kann und soll. - die vorgesehene Strafbarkeit auch eines Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolgers, ohne dass dieser irgendeinen Beitrag zu dem Gesetzesverstoß seines Rechtsvorgängers geleistet hat. Die vorgesehenen Bestimmungen führen zudem in ihrer uferlosen Weite auch zu erheblicher Rechtsunsicherheit, mit der der Mut zu unternehmerischem Handeln und unternehmerische Dynamik im Keim erstickt würde. Das im Koalitionsvertrag formulierte Ziel, ein Unternehmensstrafrecht „nur“ für „multinationale Unternehmen“ prüfen zu wollen, geht fehl. Es ist schon unklar, was als „multinationales Unternehmen“ anzusehen ist. Eine Sanktion oder deren Höhe kann auch nicht davon abhängen, ob eine Unternehmen grenzüberschreitend und in wie vielen Ländern es tätig ist. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 276 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 277 Antrag 605 Betr.: Rahmenbedingungen für den flächendeckenden Ausbau der Kommunikationsnetze zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft Antragsteller: Landesverband Bayern Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 Die FDP fordert die Bundesregierung auf, zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und im Interesse der Zukunft unseres Landes folgende Maßnahmen zu beschließen: 4 5 6 1. Die Einrichtung eines Bundesbeauftragten für den Netzausbau (BBNA), der alle Ausbaumaßnahmen zwischen der Privatwirtschaft, Kommunen, Ländern, dem Bund und Europa (EU) koordiniert. 7 8 9 10 2. Die Entwicklung eines schlüssigen Finanzierungskonzeptes für den prognostizierten Kapitalbedarf des Netzausbaues in Deutschland von mindestens 50 Mrd. Euro. Zusätzlich fordern wir eine investitions- und innovationsfördernde, sowie technologieoffene Regulierung auf EU-Ebene. 11 12 3. Die Förderung der Gründung von Zweckgesellschaften zum Netzausbau dort, wo keine Vorhabensträger für den Netzausbau vorhanden sind. Begründung: Keine Begründung. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 278 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 279 Antrag 606 Betr.: Netzneutralität mit Zukunft Antragsteller: Bundesfachausschuss Medien, Internet und digitale Agenda Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 Herausforderung: 2 3 4 5 6 7 8 In der politischen Debatte nimmt das Thema „Netzneutralität“ mittlerweile – obgleich bislang nur wenige Fälle möglicher Verstöße bekannt sind - breiten Raum auf allen politischen Ebenen ein, von Europa über den Bund bis in die einzelnen Bundesländer und auch weltweit. Getrieben wird die Diskussion von der Sorge, Netzbetreiber könnten Einfluss auf die Erreichbarkeit bzw. die Übertragungsqualitäten nehmen, und so die Informationsvielfalt und –freiheit im Internet gerade auch für nicht so finanzstarke Anbieter wie zum Beispiel Startups gefährden. 9 10 11 12 13 14 15 Gleichzeitig erfordern immer mehr über das Internet realisierte Dienste bestimmte Qualitätssicherungen und besonders leistungsfähige Übertragungsformen, um zusätzliche Innovationen und Wertschöpfungspotenziale der Digitalisierung zu realisieren. Die privaten Betreiber der Netze sehen sich angesichts massiv steigender Datenvolumina und öffentlicher Erwartungen an den Breitbandausbau erheblichen Investitionsanforderungen gegenüber und wollen daher an der durch die Netze ermöglichten digitalen Wertschöpfung partizipieren. 16 Regelungsziel: 17 18 19 20 21 22 23 24 Ziel einer Regulierung im Sinne der Netzneutralität muss es sein, eine Balance dieser widerstreitenden Interessen zu finden, dabei aber die Informationsfreiheit und –vielfalt zu gewährleisten. Auch kleinere, weniger finanzstarke Anbieter von Diensten und Inhalten müssen ungehinderten Zugang zum weltweiten Netz haben. Gleichzeitig muss es möglich sein, innovative Dienste mit hohen Anforderungen an die Netzqualität zu entwickeln und zu betreiben. Netzbetreiber haben Anspruch auf eine angemessene Wertschöpfung, denn nur daraus ergeben sich wiederum Anreize für Investitionen in die Netze. 25 26 27 28 29 30 Die FDP steht für ein freies Internet als Treiber für wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit. Jedem Versuch, ob von staatlicher oder privater Seite, die Nutzung bestimmter Inhalte zu unterbinden oder zu erschweren, wird eine klare Absage erteilt. Das Best-effort-Internet ist als wesentliche Basis für gleichberechtigte Chancen jeder Form von Meinungsäußerung, Inhaltsangeboten oder wirtschaftlicher Unternehmung zu wahren und weiter auszubauen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 280 31 32 33 34 35 36 37 38 39 Die FDP will das große Innovationspotenzial junger Unternehmen im Netz wahren, gleichzeitig aber auch das Innovationspotenzial neuer Dienste, die spezielle Anforderungen an die Übertragungsqualität haben, erschließen. Sie erkennt an, dass dabei zukünftige Entwicklungen nicht vorherzusehen sind. Deshalb befürwortet die FDP eine an Prinzipien orientierte Regulierung der Netzneutralität anstelle einer detaillierten Vorabregelung, so dass sich Innovationen frei entfalten können, gleichzeitig aber auch Fehlentwicklungen schnell erkannt und wirksam abgestellt werden können. Diese Regelung sollte im Interesse eines einheitlichen digitalen Binnenmarktes auf europäischer Ebene erfolgen. 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 Die FDP anerkennt das Interesse und die grundrechtlich geschützte Freiheit, neue Technologien, neue Inhalte und neue Geschäftsmodelle entwickeln zu können. Aus diesem Grund sollten auch qualitätsgesicherte Dienste im Internet möglich sein. Dabei ist aber einem Missbrauch von marktbeherrschenden Stellungen und Gatekeeper-Funktionen wirksam vorzubeugen. Deshalb fordert die FDP Transparenz und Nichtdiskriminierung als Voraussetzung solcher Dienste ebenso wie die Sicherung des Fortbestands und die parallele Weiterentwicklung der Leistungsfähigkeit des Best-effort-Internets. Die Regulierungsbehörden müssen in der Lage sein, über die Einhaltung dieser Prinzipien in effektiver Weise zu wachen. 50 Liberale Position: 51 52 53 Die FDP bekennt sich ausdrücklich zum Prinzip der Netzneutralität und zu einem für alle Menschen offenen Internet als wesentlichem Bestandteil der Meinungsund Informationsfreiheit. Dies gilt gleichermaßen für Festnetze wie mobile Netze. 54 55 56 Der Bestand und die laufende Fortentwicklung des existierenden Best-effort-Internets als Basis des offenen Internets ist hierfür eine unabdingbare Voraussetzung. Dies ist damit wesentliches Ziel liberaler Politik. 57 58 Die FDP anerkennt, dass bestimmte internetbasierte Dienste besondere Qualitätsanforderungen haben können. 59 60 Es steht Netzbetreibern grundsätzlich frei, qualitätsgesicherte Dienste in ihrem Netz anzubieten, solange die folgenden Voraussetzungen sichergestellt sind: 61 62 63 64 65 66 1. Netzbetreiber stellen entsprechende qualitätsgesicherte Dienste diskriminierungsfrei für jeden Anbieter zu angemessenen Preisen zur Verfügung (zum Beispiel Bepreisung in Abhängigkeit von der tatsächlichen Nutzung und Minimierung von Transaktionskosten, diskriminierungsfreie Gestaltung von Buchungsmechanismen – kein Ausschluss von Drittanbietern, keine Exklusivität, keine Bevorzugung eigener Dienste); 67 68 2. Der Fortbestand und die Fortentwicklung des Best-effort-Internets sowie der Zugriff auf Dienste und Inhalte wird nicht eingeschränkt; 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 281 69 70 71 3. Es erfolgen Verlässliche Aussagen für den Endbenutzer über die als Best-effort-Internet bereitgestellte Bandbreiten, und deren Einhaltung ist transparent und überprüfbar; 72 73 4. Eine Wettbewerbsaufsicht stellt sicher, dass die oben genannten Bedingungen jederzeit eingehalten werden. 74 75 76 77 78 79 Sofern Netzbetreiber bei volumenbasierten Abrechnungsmodellen Diensteanbietern die Übernahme der Kosten für die von deren Dienst verursachten Datenvolumina anbieten, müssen sie eine solche Kostenübernahme in transparenter und diskriminierungsfreier Weise allen vergleichbaren Diensteanbietern anbieten. Eine Doppelberechnung von Datenvolumina sowohl beim Endkunden als auch beim Diensteanbieter darf es nicht geben. Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 282 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 283 Antrag 607 Betr.: Moderne Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Mittelstand Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 Wir fordern eine Modernisierung der Industrie- und Handelskammern Handwerkskammern, die folgende Leitgedanken berücksichtigt: sowie 3 1) Wettbewerb 4 5 6 7 Wettbewerb sorgt für Leistung und Innovation. Dies gilt nicht nur für Unternehmen, sondern genauso für die IHK sowie HWK. Aus diesem Grund soll geprüft werden, ob Unternehmer Wahlfreiheit erhalten und sich für die IHK bzw. HWK ihrer Wahl entscheiden dürfen können. 8 2) Transparenz 9 10 11 12 13 IHK sowie HWK sind Einrichtungen öffentlichen Rechts. Aus diesem Grund kommt ihnen eine besondere Verpflichtung zu transparentem Handeln zu. Hierzu zählen eine Offenlegung von Gehältern der Hauptgeschäftsführer, die Dokumentierung von Pensionslasten sowie eine transparente Ausgabenpolitik bei Großveranstaltungen. 14 3) Keine Konkurrenz zu Mitgliedsfirmen 15 16 17 18 IHK sowie HWK dürfen die Aufgaben, die ihnen der Gesetzgeber zuweist, nicht willkürlich überschreiten. Dies gilt vor allem für das Anbieten von Leistungen, bei denen sie als Wettbewerber zu Mitgliedsfirmen auftreten – beispielsweise bei Seminaren und anderen Bildungsangeboten. 19 4) Gebührenfreiheit für Kleinunternehmer 20 21 22 23 24 Der Gesetzgeber hat Selbständigen mit einem Jahresumsatz unter 17.500 Euro den Status eines Kleinunternehmers mit steuerlichen Vorteilen zugebilligt. Mitgliedsunternehmen mit unter 17.500 Euro Jahresumsatz sollten, unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens, generell auch von der Kammermitgliedsgebühr befreit sein. Begründung: Erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 284 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 285 Antrag 608 Betr.: Medienstaatsvertrag Antragsteller: Bundesfachausschuss Medien, Internet und digitale Agenda Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 Herausforderung: 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Die Regulierung der audiovisuellen Medien (AV-Medien) kann mit der technischen Konvergenz nicht Schritt halten, sondern weist wie z.B. mit der Werbeund Frequenzregulierung im Rundfunk noch Ansätze auf, die von anderen Voraussetzungen ausgehen und dringend modernisiert werden müssen. Zudem bieten Bund- und Länderrecht Schnittstellen, die nicht aufeinander abgestimmt sind, sondern nebeneinander gelten und daher Planungsunsicherheit für die Medienunternehmen hervorrufen, die in einem globalen Wettbewerb mit internationalen Playern stehen (Bsp. Kartell- und Konzentrationsrecht, Urheberrecht, Plattformregulierung). Bereits die Begrifflichkeiten und Definitionen der Dienste sowie die Abgrenzung nach linear / non-linear werden perspektivisch nicht mehr halten. 12 Regelungsziel: 13 14 15 16 17 18 Grundsätzliches Ziel sollte es sein, faire und einheitliche Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen zu schaffen und dabei einen marktliberalen Ansatz zu wählen, der zugleich mediale Vielfalt sichert. Politisch anzustreben ist vor allem, die wesentlichen Fragestellungen konsequenter als bisher anzugehen und dabei insbesondere die unterschiedlichen Zuständigkeiten bei Bund- und Länderthemen übergreifend zu adressieren. 19 Liberale Position: 20 21 Bund und Länder werden aufgefordert, im Bereich der AV-Medien Rahmenbedingungen zu schaffen, die 22 23 · die Herausforderungen der Konvergenz aufnehmen und konkrete Vorschläge zur Umsetzung der bisherigen Defizite machen; 24 25 26 · von einem modernen und liberalen Regulierungsrahmen nach dem Leitbild ausgehen: so viel Deregulierung wie möglich, im Bereich der absoluten Schutzgüter (Jugendschutz, Menschenwürde) so viel Regulierung wie nötig; 27 28 29 · die Idee der sozialen Marktwirtschaft nicht durch kleinteilige Regulierung der Refinanzierungsmöglichkeiten der Medien durch Werbeverbote oder -beschränkungen konterkarieren; 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 286 30 31 32 33 · die Diskriminierungsfreiheit beim Zugang und die Auffindbarkeit besonders der AV-Medien-Angebote mit besonderer gesellschaftlicher und Vielfaltsrelevanz sichern und Angebots- sowie Anbietervielfalt gerade auch auf neuen Plattformen ermöglichen; 34 35 36 · die Marktverhältnisse, besonders im Wettbewerbs- und Kartellrecht, überprüfen und damit die Voraussetzungen für eine internationale Wettbewerbsfähigkeit wie z.B. im Bereich von Online-Videoplattformen schaffen; 37 38 · den Schutz geistigen Eigentums ebenso im Blick behalten wie den Erhalt und die Ermöglichung neuer Geschäftsmodelle. Begründung: Erfolgt mündlich Zusatzinformationen: Die vielzitierte Konvergenz ist erlebbar geworden. Sog. Smarte Endgeräte wie Fernseher, Tablets oder Mobiltelefone verbinden „klassische“ Medienangebote aus Rundfunk und Print mit dem Internet und verschmelzen dabei in einem Maße, die für den Zuschauer, Zuhörer oder Nutzer keinen Unterschied nach der Art der Transporttechnologie mehr erkennbar machen. Die Technik ist konvergent, die Inhalte sind es auch. Die Regulierung muss diese Realitäten noch nachvollziehen. Perspektivisch wird auch die Unterscheidung zwischen linearen und non-linearen Diensten als Abgrenzungskriterium immer weniger tauglich sein. Medien- und Netzpolitik werden vielfach noch in der fachpolitischen Nische diskutiert, obwohl sowohl die gesellschafts- als auch die wirtschaftspolitischen Auswirkungen eine deutlich breitere politische wie öffentliche Aufmerksamkeit verdienen. Die Bedrohungen der Sozialen Marktwirtschaft besonders durch Einschränkungen der Möglichkeiten bei der Refinanzierung der Medienangebote – insbesondere bei der Werbung – hat mit neuen Ansätzen in der Regierungskoalition deutlich zugenommen, etwa wenn pauschal vermeintliche Verbraucher- vor Wirtschaftsinteressen gestellt werden oder eine sorgsame Abwägung von ökonomischen Erwägungen bestimmter Regulierungsmaßnahmen unterbleibt. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 287 Antrag 609 Betr.: EU-Verordnung EMIR Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Mittelstand Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 Die EU-Verordnung EMIR (European Market Infrastructure Regulation) ist in der Form zu revidieren, dass die Meldepflicht für kleine und mittlere Unternehmen entfällt. Begründung: EMIR ist am 16. August 2013 in Kraft getreten. Aufgrund der Erfahrungen der Finanzkrise 2008 haben die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen im Rahmen des G20-Gipfels im Jahr 2009 beschlossen, den außerbörslichen Derivatehandel transparenter und sicherer zu machen. Standardisierte OTC-Derivate sollen danach über zentrale Gegenparteien abgewickelt werden und an ein Transaktionsregister mit 24Stunden-Frist gemeldet werden müssen. Die EU-Verordnung unterscheidet dabei finanzielle und nicht-finanzielle Gegenparteien. Die erste Variante ist in der Umsetzung unproblematisch, die zweite Variante hingegen völlig unbefriedigend. Da die Meldepflicht ab einem Transaktionsvolumen von mehr als 100 Millionen EURO oder mehr als 100 Kontrakten pro Jahr beginnt, führt dies zu völlig absurden Dokumentationspflichten für jeden Mittelständler, der seine Wareneinkäufe durch Hedging absichert. Bei Preisschwankungen der Rohstoffe von circa 15 Prozent muss er dies tun, wenn er das Risiko von Wareneinkauf und Warenverarbeitung bis zum Verkauf der produzierten Güter neutral gestalten will. Man könnte nun zu dem Schluss gelangen, das die BaFin und das Finanzministerium erkennen würden, über das Ziel hinausgeschossen zu sein, aber leider ist dem nicht so, sondern es drohen weitere Verschärfungen. Es sind weitere Regulierungen geplant, um Arbeitsplätze für Beamte zu schaffen – allerdings zu Lasten der Arbeitsplätze im Mittelstand. Die Kosten für die Schaffung einer Teilzeitkraft in einem produzierenden Betrieb, welche nur den von Behörden geforderten Meldepflichten für Kontrakte nachkommt, kann sich inklusive der Meldegebühren auf 2.000 EURO belaufen und die zusätzlichen Gebühren für den Wirtschaftsprüfer auf 10.000 bis 20.000 EURO im Jahr. Die Wirtschaftsprüfungspflicht gilt aber nur für Unternehmen in Deutschland; in anderen EU-Ländern gilt sie nicht, was hier zusätzlich eine Ungleichbehandlung und Benachteiligung deutscher Betriebe darstellt. Unter dem Deckmantel der Risikoanalyse sammeln Behörden riesige Datenmengen über das Einkaufsverhalten von Mittelständlern, aus denen sich Firmenprofile erstellen lassen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 288 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 289 Antrag 610 Betr.: Entlastung der Immobilienmakler nach dem Geldwäschegesetz Antragsteller: Bundesvorstand Liberaler Mittelstand Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 Wir fordern, dass das Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz – GwG) dahingehend geändert wird, dass die Dokumentationspflichten gem. § 2 Nr. 10 GwG für die verpflichteten Immobilienmakler deutlich reduziert werden. Im Zuge der Umsetzung der vierten EU-Geldwäscherichtlinie (2015) in nationales Recht sind hierzu die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. 7 8 9 10 11 12 13 Kunden von Immobilienmaklern, die ebenfalls Kunden bei einem Kredit- oder Finanzinstitut im Sinne der Richtlinie 2005/60/EG mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder mit Sitz in einem gleichwertigen Drittstaat sind, wurden bereits von diesen Kredit- oder Finanzinstituten überprüft und werden von diesen auch laufend überwacht. Vor diesem Hintergrund ist die Notwendigkeit einer nochmaligen intensiven Überprüfung durch den Immobilienmakler, der mit ihnen ein Geschäft abschließen will, nicht erkennbar. 14 Stattdessen sollen folgende gesetzliche Regelungen geschaffen werden: 15 1) Identifizierung vor Vertragsabschluss: 16 17 18 19 20 21 22 Jeder Kaufinteressent – sofern er Kunde des Immobilienmaklers ist – muss bei konkretem Interesse an dem angebotenen Immobiliengeschäft gesetzlich verpflichtet werden, dem Immobilienmakler einen eindeutig identifizierbaren Bonitätsoder Finanzierungsnachweis eines Kredit- oder Finanzinstituts im Sinne der Richtlinie 2005/60/EG vorzulegen und schriftlich zu erklären, nur über ein vergleichbares Konto die Immobilientransaktion abzuwickeln oder nur auf ein vergleichbares Konto des Verkäufers den vollständigen Kaufpreis einzuzahlen. 23 2) Identifizierung bei Vertragsabschluss: 24 25 26 27 28 29 30 Alle Kaufverträge in der Bundesrepublik Deutschland müssen von einem Notar (ebenfalls Verpflichteter nach GwG) beurkundet werden. Deshalb ist es ausreichend, wenn der Notar den Käufer in der Urkunde nochmals erklären und dokumentieren lässt, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist, eine Kopie des Personalausweises sowie bei Kapitalgesellschaften eines Handelsregisterauszugs oder Auszugs aus einem vergleichbaren amtlichen Register bzw. Verzeichnis zu den Akten nimmt und die Zahlung des vollständigen Kaufpreises über oder auf eine 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 290 31 32 33 34 35 europäische Bank mit Angabe von IBAN und BIC verpflichtend in den Kaufvertrag aufnimmt. Dem Immobilienmakler muss anschließend vom Notar eine Kopie der Kaufvertragsurkunde ausgehändigt werden, damit dieser etwaige Abweichungen vom ursprünglich Vereinbarten einer Plausibilitätskontrolle unter Aspekten des GwG (abweichender Kaufpreis/Käufer) unterziehen kann. 36 37 38 39 40 Damit können dann jegliche weitere Dokumentationspflicht der Immobilienmakler und damit auch die Überprüfung der Immobilienmakler durch die Ordnungsämter entfallen. Eine Prüfung der Dokumentation kann dann stattdessen durch den Steuerberater/Wirtschaftsprüfer (ebenfalls Verpflichtete nach GwG) im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten erfolgen. Begründung: Die EU-Richtlinie 2005/60/EG vom 26.10.2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung berücksichtigt nicht ausreichend die Besonderheiten des Deutschen Maklerrechts. Denn im Unterschied zu vielen anderen EU-Ländern fehlen in Deutschland den Immobilienmaklern wichtige gesetzliche Legimitationen sowie eine Honorar- und Gebührenordnung, um entsprechend der EU-Richtlinie handeln und abrechnen zu können. Insbesondere Einzelunternehmen und mittelständische Maklerunternehmen werden derzeit durch das GwG mit erheblichem bürokratischen Aufwand und Kosten belastet. Gerade die Verpflichtung, nach § 4 Abs. 1 GwG bereits vor Begründung der Geschäftsbeziehung oder Durchführung der Transaktion den Kunden zu identifizieren und damit unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorschriften Kopien von Personalausweisen oder Reispässen sowie ggf. zusätzlichen (Handels-) Registerauszügen aus unterschiedlichsten Ländern einzuholen, diese auf Echtheit zu prüfen und mindesten fünf Jahre lang aufzubewahren, ist für Immobilienmakler vollkommen unverhältnismäßig. Eine zusätzliche Herausforderung besteht derzeit für die Immobilienmakler in diesem frühen vorvertraglichem Stadium den „wirtschaftlich Berechtigten“ nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 GwG zu ermitteln, bevor überhaupt ein Vertrauensverhältnis zu dem potenziellen Kunden aufgebaut werden konnte. Hierbei haben Immobilienmakler ebenfalls schon vor Begründung einer Transaktion eine entsprechende schriftliche Erklärung vom Kunden einzuholen und zu den Akten zu nehmen. Eine genaue Überprüfung der Richtigkeit dieser Erklärung können Immobilienmakler naturgemäß nicht vornehmen und sind dazu auch gesetzlich nicht verpflichtet. Alle europäischen Kredit- oder Finanzinstitute im Sinne der Richtlinie 2005/60/EG gehören allerdings ebenfalls zu den Verpflichteten nach Geldwäschegesetz und werden selbst wiederum von den jeweiligen Aufsichtsbehörden der Länder geprüft. Diese Finanzinstitute verfügen nicht nur über die entsprechenden technischen Möglichkeiten, sondern auch über das entsprechende Personal und können von ihren Kunden für die 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 291 Prüfungen nach GwG, insbesondere zur Ermittlung bzw. Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten, sowie die laufende Überwachung aufwandsabhängige Gebühren verlangen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 292 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 293 Antrag 611 Betr.: Chancen und Risiken der Mikro- und Nano-Technologien Antragsteller: Bezirksverband Oldenburg Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 Die FDP fordert, dass rasch politische Entscheidungen hinsichtlich des Umgangs mit expandierenden Zukunftstechnologien wie Mikro- und Nanotechnologien getroffen werden. Dazu gehören: 4 5 6 7 1. eine ständig angepasste Datenbasis (kybernetischer Prozess) zu den Auswirkungen von Mikro- und Nano--Technologie-Verfahren und Produkten auf die menschliche Gesundheit und die Um-welt, denn es handelt sich um kleinste synthetische Teilchen mit programmierten Eigenschaften, 8 9 2. eine systematische und umfassende Analyse des derzeitigen Rechts-rahmens für die Anwendung der Mikro- und Nanotechnologie, relevanten 10 11 12 3. die Einrichtung eines 360°-Monitoring-Programmes, das den weiteren Anwendungsprozess der Mikro- und Nanotechnologien begleitet und sinnvolle Entscheidungen – auch aus ethischer Sicht – vorbereitet. 13 14 15 Es gilt, zeitnah einen Rechts- und Untersuchungsrahmen zu schaffen, um Erkenntnisse hinsichtlich des Einflusses auf die Gesundheit des Menschen und die Umwelt bewerten zu können. Begründung: Der Einsatz von Mikro- und Nanotechnologien ist in den letzten Jahren zu einem "Renner" in der Industrie geworden. Die meist chemisch-biologischen Verfahren revolutionieren viele herkömmliche Produktionsverfahren und ermöglichen neue Produktionsmethoden, die unserem exportorientierten Land weiterhin den Spitzenplatz unserer Wirtschaft sichern helfen. Die Technologien können den Menschen erhebliche Vorteile und Erleichterungen bringen, z.B. in den Bereichen · Medizin: Medizinische Diagnose und Therapie, ortsgenauer Wirkstofftransport. · Technik: Herstellung biokompatibler Materialien und Oberflächen ("Lotus"). · Agrar: Ertragssteigerungen bei Tieren und Pflanzen. · Ernährung: Verfügbarkeit bioaktiver Substanzen im "Functional Food“. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 294 · Kosmetika: Nanopartikel für Sonnenschutzmittel. Das BMBF hat 2012 Richtlinien zur Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zum Thema „Sicherer Umgang mit synthetischen Nanomaterialien -– Erforschung der Auswirkungen auf den Menschen und die Umwelt – NanoCare“ veröffentlicht. Dabei soll die Verträglichkeit von Nanopartikeln für Mensch und Tier sowie im Umweltbereich (Luft, Wasser und Boden) untersucht werden. Teststrategien und Messmethoden sollen helfen, ein optimiertes Design synthetischer Nanopartikel zu ermöglichen. Allgemeine Informationen zu Nano-Partikeln werden in der Wissensplattform DaNa zur Erfassung und Bewertung von Erkenntnissen angeboten. Dies ist jedoch nur ein Ansatz, genau wie die Gründung der Plattform NanoBioMedizin am 4. März 2015, die eine anwendungsbezogene Forschung, besonders in der Medizin, unterstützt. Anders als im Umgang mit der Gentechnologie (i.e. EU-Moratorium, 1998) ergeben sich bei den genannten Technologien zeitnah noch Möglichkeiten der nachhaltigen Risikovermeidung, um mögliche Moratorien im Schadensfall zu vermeiden, denn: - Die Verträglichkeit der Technologieprodukte bei Mensch und Natur ist (noch) weitestgehend unbekannt. - Der Verbleib von Technologie-Resten im Stoffwechsel von Lebewesen und in der Umwelt ist (noch) nicht abzuschätzen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 295 Antrag 612 Betr.: Tarifeinheitsgesetz Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 Die FDP sieht mit Sorge, dass kleine und kleinste Gewerkschaften durch Streiks weite Bereiche der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens lahmlegen können. Wir appellieren an diese Gewerkschaften, ihre Rechtsstellung nicht auszunutzen, sondern diese in Verantwortung auch vor den eigenen Unternehmen und der Gesamtgesellschaft wahrzunehmen. 6 7 8 9 10 Die FDP spricht sich allerdings dagegen aus, mit einem sogenannten Tarifeinheitsgesetz unverhältnismäßig in die Freiheit von Gewerkschaften oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einzugreifen. Dies wäre der Fall, wenn man in Unternehmen ein Streikrecht nur noch der Gewerkschaft zugestehen würde, die die meisten Mitglieder im Unternehmen hat. Begründung: Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes sichert die Freiheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sich zu Gewerkschaften bzw. Arbeitgeberverbänden zusammenzuschließen ebenso, wie die individuelle Koalitionsfreiheit des Einzelnen, eine solche Vereinigung zu gründen, ihr beizutreten oder sie zu verlassen. Gleichzeitig sichert Art. 9 des Grundgesetzes damit die Betätigungsfreiheit solcher Organisationen, zu der auch Arbeitskämpfe gehören. Die Einschränkung dieses Grundrechts kann allenfalls erfolgen, wenn es um den Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang geht und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird. Ein Gesetz, dass einer Spartengewerkschaft im Verhältnis zu einer größeren Gewerkschaft das Rechts zum Abschluss von Tarifverträgen und zu deren Durchsetzung das Streikrecht faktisch grundsätzlich nimmt, ist schon deshalb nicht verhältnismäßig, weil es nicht das mildeste Mittel darstellt. Zu denken wäre etwa an zeitlich begrenzte Einschränkungen des Streikrechts oder andere Regelungen, die der Spartengewerkschaft zwar Begrenzungen ihres Streikrechts auferlegen, die Möglichkeiten zum Arbeitskampf aber grundsätzlich zulassen. Der Schutz von Minderheiten auch in Unternehmen lässt sich gewährleisten, auch ohne dadurch eine permanentes Lahmlegen von Unternehmen oder des öffentlichen Lebens befürchten zu müssen. Weitere Begründung erfolgt mündlich. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 296 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 297 Antrag 700 Betr.: Vielfalt der Religionen 500 Jahre nach der Reformation Antragsteller: Bezirksverband Mittelbaden Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 Der Bundesparteitag beruft eine Kommission mit dem Auftrag, vor dem Hintergrund der aktuellen und erwarteten Entwicklung der Gesellschaft das Verhältnis der in Deutschland vertretenen Glaubensgemeinschaften untereinander und zur freiheitlichen Gesellschaft zu analysieren und entsprechende Grundsätze zu formulieren. Die Kommission berichtet dem ordentlichen Bundesparteitag 2016. 6 Die organisatorische Umsetzung des Beschlusses obliegt dem Bundesvorstand. Begründung: Während die religiöse Überzeugung eines Menschen seine Privatsache ist, wirken religiöse Gemeinschaften immer auch von außen auf den einzelnen Menschen ein sowie in die gesamte Gesellschaft hinein. Damit berühren sie die Freiheit des Einzelnen ebenso wie die freiheitliche Gesellschaft und sind somit ein wichtiger Gegenstand liberaler Politik. Für den christlichen Kulturkreis hat Martin Luther 1517 die Freiheit des Glaubensbekenntnisses begründet. Über Thomas Hobbes und Immanuel Kant wurde sie zu einem zentralen Element des Liberalismus und führte zu einer Tradition des weltanschaulich neutralen Staates. 500 Jahre später aber leben wir in Deutschland mit Menschen unterschiedlichster religiöser Gemeinschaften zusammen, die teilweise sowohl die individuelle religiöse Freiheit ablehnen als auch die Trennung zwischen Kirche und Staat nicht akzeptieren. Vor diesem Hintergrund haben wir allen Anlass, das Verhältnis der religiösen Gemeinschaften zur Freiheit ihrer Mitglieder, aber auch untereinander und zur freiheitlichen Gesellschaft neu zu überdenken und zu ordnen. "Das Verhältnis von Kirche und Staat wird immer spannungsvoll bleiben. Gerade deshalb muss es in einem freien Staat von Zeit zu Zeit neu überdacht und neu bestimmt werden." Aus der Präambel der Thesen "Freie Kirche im freien Staat" der FDP 1974. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 298 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 299 Antrag 701 Betr.: Liberal braucht Mut. Auf dem Weg zu einem attraktiven Manifest. Antragsteller: Landesverband Baden-Württemberg Der Bundesparteitag möge beschließen: 1 2 3 4 5 6 Wir kämpfen für die liberale Sache. Dazu brauchen wir Mut, Ausdauer und ein attraktives Programm. Die Karlsruher Freiheitsthesenstellen dafür ein guten Grundstock dar; sie sind in der Öffentlichkeit jedoch nahezu unbekannt. Der Freiheitskonvent der FDP am 30. November in Berlin hat interessante Akzente gesetzt und er ermöglicht einen öffentlichkeitswirksamen Weg zu einem attraktiven Manifest. 7 8 9 10 Die politische Situation hat sich seit den letzten Bundestagswahlen dramatisch verändert. Eine Partei mit liberalen Grundsätzen ist im Bundestag seitdem nicht mehr vertreten. Der Neuaufbau der FDP ist dringlicher denn je und er ist auf gutem Wege. 11 12 13 14 15 Die bemerkenswerte Erfolge liberaler Parteien bei der Europawahl mit einer pro-europäischen Programmatik bei unseren Nachbarn, wie beispielsweise in den Niederlanden, in Luxemburg, in Österreich, in Tschechien, sowie auch in Estland weisen darauf hin, dass es in Deutschland ein ähnliches liberales Potenzial geben muss. 16 17 18 19 20 Die FDP muss ein klares, attraktives und zukunftsfähiges Profil zeigen; sie muss global denken und weltoffen handeln. Sie muss Schwerpunkte und Akzente setzten, wie diese bei dem Freiheitskonvent deutlich geworden sind. Die FDP hätte jedoch keine Zukunft als AfD-light; Europagegner lassen wir rechts und links liegen. 21 22 23 24 25 26 Nicht ohne Grund und nach einer langen Vorgeschichte wurde die alte FDP im September 2013 bei den Bundestagswahlen abgewählt. Der Schock sitzt tief. Der Erneuerungsprozess der Partei hat begonnen und ist auch schon ein gutes Stück weit fortgeschritten. Eine neue FDP muss entstehen mit glaubwürdigen Erscheinungsbild, welche die Freiheit liebt und die Zukunft sichert. Dann sind auch wieder Wahlerfolge erzielbar. 27 28 29 30 31 Die FDP steht zu den Werten und Erkenntnissen der Aufklärung. Wir Liberalen gehen aus vom Gedanken der Menschenwürde, die unantastbar ist. Dieser Gedanke hat sich niedergeschlagen in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 sowie in der Proklamation der Menschen- und Bürgerrechte nach der Französischen Revolution. Heute stützen wir uns hier zu Lande auf das 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 300 32 33 34 35 Grundgesetz, die Europäische Menschenrechtskonvention ebenso wie auf die Europäische Grundrechtecharta. Die darin zum Ausdruck kommenden Grundsätze verbunden mit der Idee der Freiheit und der Chancengerechtigkeit sind Basis und Quelle für einen wertorientierten Liberalismus. 36 37 38 39 40 41 42 In diesem Zusammenhang gilt für uns: Menschen- und Bürgerrechte dürfen nicht hinter anderen Belangen zurückstehen. Freiheit in Verantwortung und in Brüderlichkeit ist Ausgangs- und Zielpunkt unseres politischen Handelns. Unser Staatsverständnis lautet deshalb: „Der Staat, das sind wir; die gewählten Regierungen verkörpern diesen Staat jeweils auf Zeit; sie sind die legitimen Vertreter des Volkes". Wenn sie versagen, dann werden sie durch Wahlen durch eine andere Regierung abgelöst. 43 44 45 46 47 48 Wir haben Vertrauen in die Ergebnisse von Wissenschaft und Forschung und wir sehen die Chancen des technischen Fortschritts. Wir glauben an eine bessere Zukunft und an einen Liberalismus, der für Fortschritt steht. Wir lassen uns keine Angst machen, bewerten jedoch Risiken mit der angemessenen Vorsicht. Und wer trotz aller Vorsicht Schäden verursacht, der muss auch für den Schaden aufkommen (Verursacherprinzip). 49 50 51 52 Der Fortschrittsliberalismus muss seine Chance bekommen. Die FDP muss wieder attraktiv werden für Anhänger der liberalen Idee, die sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlt, die sich mit Empathie und lösungsorientiert insbesondere der folgenden gesellschaftspolitischen Ziele und Aufgabenstellungen annimmt: 53 Europa, Menschenrechte, Integration, Friedenspolitik: 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 • 70 Bildung, Kultur, Chancen, Gerechtigkeit • • • • • • Garantie universeller Menschen- und Bürgerrechte – einschließlich Privatheit: in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt (Kant’scher Kosmopolitismus). Ein föderales Europa mit einer echten Verfassung, mit einem starken Parlament, mit einer stärkeren Handlungsbefähigung im Falle außenpolitischer Krisen. Strikte Beibehaltung des Parlamentsvorbehalts bei Bundeswehreinsätzen. Ablehnung von Rüstungsexporten an Menschenrechtsunterdrücker. Eine Wiederbelebung des KSZE-Prozesses. Förderung des Freihandel bei Wahrung der erreichten Qualitätsstandards, dazu gehörten auch TTIP und später die Verwirklichung einer Freihandelszone vom Atlantik bis nach Wladiwostok. Rationale Integrationspolitik mit Weitsicht, die sich endlich nachhaltig auf die immer weiter ansteigenden Flüchtlingszahlen einstellt und dementsprechend Flüchtlinge auch aufnimmt; das Mittelmeer darf nicht zum Massengrab werden (Papst Franziskus). 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 301 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 • 88 Wirtschaft, Arbeit, Soziales, Finanzen • • • • • • Gerechtigkeitstheorie und Gerechtigkeitspraxis der Freiheit in Gemeinschaft (Rawls). Rechtliche Rahmensetzung der fortschreitenden digitalen Revolution und ihre Nutzung für das allgemeine Wohlergehen im Lichte der Ziele des fortschrittlichen Liberalismus unter strikter Wahrung der Bürgerrechte in allen Lebensbereichen. Gestaltung des so genannten Web 4.0 (aktuellster Stand der Web-Entwicklung) mit Schutz der Persönlichkeit des Einzelnen und des Rechts auf Privatheit. Faire Bildungschancen für jede und jeden im Rahmen eines hervorragenden Bildungssystems einschließlich der beruflichen Bildung. Stärkung von Forschung und Hochschulen als ein Schwerpunkt der Zukunftsgestaltung. Integration von Zuwanderern als entscheidende Herausforderung der Zukunft verbunden mit einer Bildungsoffensive für Migranten. Unterstützung der Belange von Kunst und Kultur mit Einschluss der Künstlersozialversicherung. 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 • 112 Bürgergesellschaft, Leistung, Selbstbestimmung, Fortschritt • • • • • • • Politik der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft, die mit liberalen Konzepten die Ziele der Gerechtigkeit und Teilhabe verfolgt und die dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet ist. Förderung des "Blauen Wachstums", das ausgerichtet ist auf Nachhaltigkeit in wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Hinsicht, verbunden mit einem effektiven europäischen Emissionshandels als Klimaschutzinstrument. Vorausschauendes Handeln und Reagieren auf den demographischen Wandel, um Wirtschaftssystem und soziale Sicherungssysteme enkelfit zu machen. Sicherstellung der Generationengerechtigkeit, auch innerhalb der Systeme der sozialen Sicherheit. Solide Haushaltspolitik. Sozialbindung des Eigentums und Recht auf Eigentum für jede und jeden im Rahmen der Erhard’schen Vision „Wohlstand für alle“. Schutz kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU) vor Machtmissbrauch durch Großunternehmen und Konzerne. Unterbindung von internationalen Steuergestaltungskonstrukten (nach Art ehemaliger Luxemburg-Modelle) von Großunternehmen, die sich dadurch Steuerbelastungen entziehen zu Lasten des Mittelstandes, der Fleißigen und der Leistungsträger. Effektive Kontrolle des Finanzsektors, der den Menschen und den Unternehmen dienen muss, um den eigenverantwortlichen Bürger vor unredlichen Methoden der Finanzbranche zu schützen. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 302 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 • • • • • • • • Offene Gesellschaft mit gleichen Rechten für alle Lebensformen. Selbstbestimmung in allen Phasen des Lebens, und dies auch gegen Ende des Lebens. Gewährleistung eines weltanschaulich neutralen Staates, der eingebettet ist in die Werteordnung des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Emanzipation der Einzelnen und des Einzelnen sowie Geschlechteremanzipation unter Aufbrechen von traditionellen Rollenbildern. Unterstützung von Leistungsbereiten, nicht von Rücksichtslosen. Schutz der Schwächeren; Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Bewahrung der Menschen vor Altersarmut. Befürwortung des technischen Fortschritts, sofern er kritisch begleitend kontrolliert wird. Begründung: Es braucht Mut, sich in der gegenwärtigen Zeit für die liberale Sache einzusetzen. Die Presse ignoriert uns weitgehend, oder es wird Häme über uns ausgegossen, die eine berechtigte Kritik über vergangene Fehler und Versäumnisse bei Weitem übersteigt. Der Antrag plädiert dafür, nach außen hin Akzent zu setzen, die sich i) nahtlos in die Karlsruher Freiheitsthesen einfügen. ii) welche die Impulse des Berliner Freiheitskonvents vom 30. November 2014 aufgreifen: a) Die Kernpunkte aus der Eröffnungsrede des Parteivorsitzenden, nämlich die beste Bildung der Welt, die generationengerechte Ausgestaltung der Rente und die positive Positionierung zu TTIP; weiter eine Reaktivierung des KSZE-Prozesses und mittelfristig ein Angebot an Russland für eine Freihandelszone vom Atlantik bis nach Wladiwostok. b) Punkte aus den zusammenfassenden Berichten aus den Arbeitsgruppen, wie die Qualität von Bildung, Forschung und Wissenschaft, Vertrauen in den technologischen Fortschritt, eine Stärkung des europäischen Emissionshandels, Selbstbestimmung in allen Phasen des Lebens, sowie Konsequenzen der Digitalisierung. Und welche eingehen etwa auf das von der FDP propagierte „Blaue Wachstum“ und gegebenenfalls auf eine Diskussion um die Menschenwürde in Grenzsituationen des Lebens. Begriffe und Wertungen aus der „Leitlinienpyramide“ haben in dem Antrag ebenfalls ihren Niederschlag gefunden. 66. Ord. Bundesparteitag der FDP, Berlin, 15. bis 17. Mai 2015 Seite 303 Die aufgeführte Themenliste ist nicht etwa anzusehen als ein ProgrammInhaltsverzeichnis. Die Themenliste umfasst nicht die ganze liberale Themenpalette, sondern es handelt sich um einen Auszug von sensiblen Zukunftsthemen. Dass am Ende eine Konzentration auf wenige Akzente notwendig sein wird, ist den Antragstellern bewusst. Die Themenliste soll insbesondere die Jüngeren unter uns ansprechen, da es um ihre Zukunft geht (Generationengerechtigkeit, Chancengerechtigkeit, Bildung, Digitalisierung, Bewahrung der Bürgerrechte auch in der Zukunft), die Fleißigen, die Leistungsträger und den die Wirtschaft tragenden Mittelstand. Aufgegriffen wird auch der eindringliche Appell des Papstes am 25. November 2014 in Strasbourg vor dem Europäischen Parlament und vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, schon aus Gründen der Menschlichkeit dürfe das Mittelmeer nicht zu einem Massengrab für Flüchtlinge werden. Dass wir seine erneut vorgetragene Lehrmeinung zur Sexualmoral, zur Abtreibung, zur Anerkennung gleicher Rechte für verschiedenen Lebensformen sowie zur Frage des assistierten Suizids nicht teilen, hindert uns nicht daran, den genannten Appell ausdrücklich zu würdigen.
© Copyright 2025 ExpyDoc