18 Hummler Standpunkte 24. Mai 2015 | sonntagszeitung.ch Die andere Sicht von Peter Schneider Chirurgischer Eingriff RTVG? Findi guet! Isch mini Idee gsii. Bei den Geschwüren, welche sich in den menschlichen Körper einnisten, unterscheidet man zwischen «gutartigen» und «bösartigen» Wucherungen. Was unterscheidet sie von lebenswichtigen Organen? Ihre Funktion. Sie nützen nichts, sondern verursachen allenfalls Schaden, im schlechtesten Falle die Auszehrung des Wirts. Für den nicht medizinischen Laien gilt als Kriterium zur Definition der Bösartigkeit die Eigenschaft des ungezügelten Wachstums und der Ausbreitung im Körper. Wenn möglich, versucht man durch chirurgische Eingriffe, Bestrahlung oder Chemotherapie bösartige Krebsgeschwüre zu zerstören oder ihnen wenigstens die Nahrungszufuhr abzuschneiden. Der Schweizer Stimmbürger hat es in der Hand, am kommenden Abstimmungstermin von Mitte Juni über die Nahrungszufuhr gegenüber einem Gebilde zu bestimmen, von dem man nicht recht weiss, inwieweit es noch lebensnotwendiges Organ ist oder sich zu einem Geschwür entwickelt hat. Was ganz klar ist: Für die Wahrnehmung der effektiven «Service public»-Funktionen ist die SRG schon lange bei weitem zu gross. Was auch klar ist: Mit der geplanten Kopfsteuer wird ein Instrument geschaffen, das die finanzielle Nahrungsmittelzufuhr unkontrollierbar macht. Weshalb? Weil man die beiden Gruppen von Belasteten systematisch gegeneinander ausspielen kann. Entlastung der Haushalte bei Höherbelastung der Wirtschaft, so wie bei der aktuellen Vorlage, oder dasselbe auch einmal mit umgekehrten Vorzeichen – aber einfach so, dass immer eine Mehrheit von Zufriedenen hergestellt werden kann. Entscheidungsinstanz wäre die Verwaltung beziehungsweise der Bundesrat. Wer würde im Sinne von Checks und Balances dagegenhalten wollen oder können? Niemand. «Das Volk spürt: Die Befürworter sind von der SRG abhängig» Die Stimmung gegenüber der RTVG-Vorlage hat umgeschlagen. Der Grund für die wahrscheinliche Ablehnung liegt im allgemeinen Unbehagen einer Organisation gegenüber, die in vielerlei Hinsicht die Eigenschaften eines ziemlich bösartigen Geschwürs angenommen hat. Die guten Seiten unserer Staatsmedienanstalt wurden im Abstimmungskampf so penetrant in den Vordergrund geschoben, dass man Begriffe wie «Service public» und «nationale Klammerfunktion» kaum mehr hören mag. Angebliche Gutartigkeit, im Übermass zur Schau gestellt, vermag die Fragwürdigkeit des Gebildes nicht mehr zu verdecken. Das Volk spürt, dass allzu viele Befürworter der Kopfsteuervorlage vor allem deshalb dafür sind, weil sie kaum anders können: weil sie in direkter oder indirekter Abhängigkeit zur SRG stehen. So etwa die privaten Radio- und Fernsehbetreiber, die von einer «Katastrophe» sprechen, würde die Vorlage abgelehnt. Kunststück – auch sie hängen längst am Tropf des Gebildes. Nichts Schöneres als die Aussicht auf Partizipation an einer unkontrollierbaren Nahrungszufuhrpipeline! Oder all jene, die in der byzantinischen Genossenschaftsstruktur der SRG ein Jöbli innehaben. Oder die vielen Anwärterinnen und Anwärter auf National- und Ständeratssitze im kommenden Herbst: SRG-Sendeminuten sind für sie Gold wert; da will man es sich nicht verderben! Oder der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, dessen Vorstand angeblich vom Swisscom-Chef Loosli zur Ja-Parole gedrängt worden sei. Swisscom und SRG sind durch den «Service public» eng verbandelt. Die Kopfsteuervorlage hat sich zum Bio-Marker gegen ein Gebilde gemausert, das dem gesunden Menschenverstand zu Recht Angst einflösst. Zu viel Macht wurde hierzulande noch nie geduldet. Konrad Hummler ist Verfasser der «Bergsicht» und Strategieberater mehrerer Firmen. Einen geilen Spot hat sich der Gewerbeverband da ausgedacht. Der nordkoreanische Führer Kim Jong-un spricht am TV zu seinem Volk Foto: Keystone Die FDP macht mit einer Ohrfeige für die SVP den Weg frei für eine Lösung Philipp Müller verabschiedet sich von Einwanderungskontingenten. Deutlicher könnte die Wende der Wirtschaftspartei nicht sein, sagt Denis von Burg Von der Droh-Rhetorik hat sich FDP-Chef Philipp Müller noch nicht verabschiedet. Man werde sogar eine Kündigung der Personenfreizügigkeit ins Auge fassen, sagt er – in der Hoffnung, der EU doch noch Einwanderungskontingente abzutrotzen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Gross ist sie trotzdem nicht. Umso aufsehenerregender, nachhaltiger und – wie sich einmal herausstellen dürfte – von entscheidender Bedeutung ist indes Philipp Müllers Worst-CaseAngebot einer «europakompatiblen Option» zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Und das gleich mehrfach. Müller wurde bis jetzt immer nachge- Denis von Burg, Leitung Redaktion Bundeshaus sagt, er halte aus Angst vor der SVP an einer wortgetreuen Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative fest. Ausgerechnet dieser FDP-Präsident macht jetzt den Weg frei für eine Lösung ohne Kontingente und gegen die SVP. Deutlicher könnte eine Wende nicht sein. Und sie wird zweifelsohne Folgen haben: Die FDP ist immer noch die führende Wirtschaftspartei. Ohne deren Einverständnis, die Einwanderungskontingente fallen zu lassen, hätte sich in Sachen Europa in Bern nichts bewegt. Seit heute aber ist eine «europakompatible» Lösung politisch salonfähig und in einer Volksab- stimmung wahrscheinlich auch mehrheitsfähig. Es waren FDPWähler, die der Einwanderungsinitiative letztlich zum Durchbruch verholfen haben. Und nur mit deren Hilfe lässt sie sich wieder revidieren. Spektakulär ist auch, dass Philipp Müller sich entgegen mancher Voraussage getraut, den Europakurs vor den Wahlen festzulegen. Müller sieht offensichtlich die Chance, damit zu punkten. Und er zeigt damit, wohin die FDP gehören soll, nämlich zu jenen politischen Kräften im Land, die bereit sind, weiter für die pragmatische Öffnung gegenüber der EU zu kämpfen. Schweiz—5 Meine Facebook-Freunde sind doof. I like Andrea Bleicher dachte, sie werde durch die sozialen Medien zur Menschenhasserin. Jetzt applaudiert sie der Selbstdarstellung Meine Facebook-Freunde sind doof. Ein Gedanke, den ich jahrelang hegte. Manchmal im Stillen, manchmal äusserte ich ihn empört. Wie nur, fragte ich mich, konnten Leute, die eigentlich ganz vernünftig erschienen, sich in den sozialen Medien so entblöden? Da war der Lokalpolitiker – ein ehemaliger, wirklich netter Arbeitskollege –, der dumpfe Sinnsprüche veröffentlichte. Wie «Manche Menschen sind wie Wolken: Wenn sie sich verziehen, wird der Tag schöner». Der Medienprofessor, der Bilder aus seinem Schlafzimmer publizierte. Der Kollege, der seine Midlife-Crisis fotografisch festhielt Andrea Bleicher, stv. Chefredaktorin und die Welt daran teilnehmen liess, als er in diversen Umkleidekabinen zu enge Kleidungsstücke anprobierte. Ich war überzeugt, dass Facebook mich zur Menschenhasserin machen würde. Nun, ich irrte. Mein Sinneswandel setzte ein, als immer öfter sehr lange und meist sehr langweilige Artikel erschienen, die eindringlich dazu rieten, doch bitte offline zu gehen, weil Facebook a) reine Zeitverschwendung ist, b) blöde macht und c) den Niedergang der Menschheit bedeutet . Wenn verkniffen der Weltuntergang gepredigt wird, lohnt es sich oft, die Ursachen für die ver- meintlich drohende Apokalypse zu hinterfragen. Vielfach handelt es sich bei den angeblichen Sünden um Dinge, die viel Freude machen. Ich weiss das, ich bin schliesslich katholisch. So betrachtete ich fortan auf Facebook Sonnenuntergänge, staunte über Sixpacks, Verlobte, Ferienhäuser. Ich lachte über Lebensweisheiten und interessierte mich für geteilte Lieblingsartikel. Meine Freunde hatten aus ihrer Welt ein Kunstwerk gemacht. Manches banal, manches genial. Ich applaudierte ihrer Selbstdarstellung. Meine FacebookFreunde sind doof. Stimmt. I like. Gesellschaft—45
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