Seite 38 D er heutige Tag, der 21. 3. ist WeltDown-SyndromTag. Denn bei Trisomie 21 (so der medizinisch Fachbegriff) ist das 21. Chromosom 3-fach vorhanden. In den vergangenen Wochen ist das Thema Down-Syndrom, scheinbar zufällig, in den Mittelpunkt des medialen Interesses gerückt: Zunächst ist da die Punkrock-Band Pertti Kurikan Nimipäivät, die Finnland im Mai beim Eurovisions Songcontest VON BARBARA STÖCKL vertreten wird. Drei Bandmitglieder haben das Down-Syndrom, der vierte ist Autist. Wer hier eine für dieses Event spekulative, auf Mitleidspunkte ausgerichtete Auswahl vermutet, der irrt gewaltig: Die Band gibt es bereits seit 2009, ihr erstes Album erschien bereits 2010, Tourneen führten sie durch Finnland, Norwegen und Deutschland. Bekannt machte sie auch die Dokumentation „The Punk Syndrom“ von 2012, ein filmisches Porträt über die Band und ihr REPORTAGE Anliegen: das Interesse an Trisomie 21 zu erhöhen. Und zu zeigen, dass gerade Musik, Tanz, künstlerische Tätigkeit ein ideales Feld für Betroffene sind, auch als Therapie. Menschen mit DownSyndrom fehlt es an nichts – sie haben mehr Die österreichische Tanzperformance-Gruppe Ich bin O. K. zeigt das schon 35 Jahre, zahlreiche öffentliche Auftritte und Tourneen unterstreichen das besondere Konzept, das heute von Hana und Attila Zanin so engagiert umgesetzt wird: Behinderte Menschen und Profi-Tänzer wirken hier zusammen (Premiere des neuen Programms „Aladins Erkenntnis“ am 15. 4. 2015, Theater Akzent, Infos www.ichbinok.at), sind dabei einander inspirierende Part- Freitag, 20. März 2015 Felix und Früher wurden Menschen mit Down-Syndrom versteckt. Heute ist das ganz anders. Am heutigen Welt-Down-Syndrom-Tag stehen einige von ihnen im Rampenlicht. nerInnen im Training und auf der Bühne. „Es war ein unglaubliches, ein wirklich unglaubliches Gefühl und eine unglaubliche Gelegenheit.“ Jamie Brewer strahlte beim Fernsehin- „Ich mal dir einen Regenbogen!“ – der siebenjährige Felix zeigt Barbara Stöckl seine Hobbys . . . Persönliches Exemplar von [email protected], alle Rechte vorbehalten. Nutzungsbedingungen unter www.kiosk.at terview, nachdem sie bei der New York Fashion Week über den Laufsteg gegangen war. Die 30-Jährige ist kein Model wie andere – sie war die erste Frau mit DownSyndrom, die hier auf dem Catwalk Mode vorführte. In einem schwarzen Kleid, das ihr Designerin Carrie Hammer auf den Leib geschnei- Freitag, 20. März 2015 Seite 39 REPORTAGE der Regenbogen dert hatte, war ihr Auftritt einer der Höhepunkte. Auch beim Opernball gab es keine komischen Blicke, sondern freundlich interessierte Gesichter, als das Eröffnungskomitee einzog. Und mit den Jungherren und -damen auch die 23jährige Christine, ein Mädchen mit Trisonomie 21, das dort professionell und anmutig seine Tanzschritte vorführte, so wie alle anderen. Positive Beispiele können ein verändertes Bewusstsein schaffen „Diese Beispiele zeigen, was mit Unterstützung alles möglich ist!“, weiß Maria Grossauer vom Verein Down-Syndrom Österreich. Sie hofft, dass sich das Bewusstsein weiter ändert, dass das Down-Syndrom in den Köpfen der Menschen nicht mehr so negativ besetzt ist. „Positive Bilder wie jene, die nun in den Medien aufgetaucht sind, könnten dazu beitragen, Berührungsängste abzubauen.“ Klar ist aber auch, dass die Beispiele im Rampenlicht nicht für alle Menschen mit Down-Syndrom repräsentativ sind. Denn es gibt eine sehr große Bandbreite von schwer geistig behinderten bis zu durchschnittlich intelligenten Menschen. Dass Menschen mit dem Down-Syndrom im besten Fall ein erfülltes und auch weitgehend selbstbestimmtes Leben führen können, ist heute bekannt. Wenn sie nicht behindert werden, können sie eine Regelschule besuchen (der Inhalt einer speziellen Schultasche soll dabei Lehrer, Eltern und Schüler unterstützen, Infos www.down-syndrom.at), einem Beruf nachgehen, Beziehungen führen. Bis dorthin müssen ihre Familien aber oft unermüdlich Kämpfe führen, Chancen und Wege auftun, Mitstreiter finden. Erst mit der entsprechenden Unterstützung wie betreuten Wohngemeinschaften, verschiedenen Varianten von Sachwalterschaften und ¦ Top-Model mit Down Syndrom: Jamie Brewer und die finnischen SongcontestVertreter (unten). finanzieller Grundversorgung sind auch die Weichen für eine Form der Selbstständigkeit gestellt, wenn die Eltern einmal nicht mehr für ihre Kinder sorgen können. Ob das Model auf dem Catwalk, die finnische Band, die Tanzgruppe u. a. für Eltern hilfreich sind, die vor der vielleicht schwersten Entscheidung ihres Lebens stehen, dann nämlich, Fotos: Martin A. Jöchl (2), Privat, YLE/Anton Sucksdorff, hollywood.com Persönliches Exemplar von [email protected], alle Rechte vorbehalten. Nutzungsbedingungen unter www.kiosk.at wenn durch pränatale Diagnosemöglichkeiten die Behinderung beim ungeborenen Kind festgestellt wurde? Wohl kaum. Dann überwiegt in den allermeisten Fällen die Angst, der Schock, das Unvermögen, ein behindertes Leben als gleichwertig, gleich lebenswert, ja sogar als Bereicherung ansehen zu können. Maria Grossauer erinnert sich noch gut an den Schock nach der Geburt, trotzdem waren sie und ihr Mann Marcus froh, während der Schwangerschaft keine weiterführenden pränatalen Untersuchungen durchgeführt zu haben. „Wir wollten uns dieser Entscheidung erst gar nicht stellen. Was wäre gewesen, wenn wir gewusst hätten, dass Felix das Down-Syndrom hat?“ Schätzungen zufolge entscheiden sich 90% der Eltern bei einem positiven Befund für einen Schwangerschaftsabbruch. Felix ist heute 7 Jahre, geht zur Schule und ist der Sonnenschein seiner Eltern. Vor kurzem hat er seiner Mama mit den Worten „Ich mal dir einen Regenbogen“ ein Bild mit Symbolwert gebracht. Ein Bild, das allzu gut zeigt, wie der junge Mann in diese Welt blickt und uns vor Augen führt, was es immer wieder und in vielen Bereichen zu begreifen gilt: welche große Qualität in der Vielfalt liegt, wie sehr verschiedene Farben unser Leben bereichern. So wie bei einem Regenbogen!
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