26 Tages-Anzeiger – Samstag, 25. April 2015 Bellevue EVA Von Jaermann/ Schaad B-Side Geili Teili I Eine schöne Überraschung oder: Juhee, sie sind zurück! Was war das für ein schönes Gefühl; mit Rollschuhen über den Asphalt gleiten, die Arme schwingen, der Wind streicht über das Gesicht. Irgendwann ging diese Zeit vergessen, in der man gemütlich über das Trottoir fuhr, die Mode der Rollschuhe war vorbei. Sie wurden ersetzt durch die furchtbaren Inline skates, die einen so richtig auf Leistung trimmen. Mit ihnen ist man so sportlich gestresst unterwegs, dass man für alle Fälle am besten Helm und Knieschoner anzieht. Doch jetzt, vor kurzem, hüpfte das Herz, als plötzlich eine Rollschuhfahrerin den Weg kreuzte. Mit hübschen, neonfarbenen Schuhen. (meg) Zürichs Köpfe (11) Ein Kaffee mit Ärztin Colette C. Camenisch Geili Teili II Eine schlimme Überraschung oder: Oje, sie sind zurück! Die Chirurgin für da unten Rollschuhe sind toll. Sie erinnern an eine längst vergangene, schöne Zeit. Ein anderes Kleidungsstück lässt einen jedoch eher die Stirn runzeln und innerlich erschaudern. Und man fragt sich heute: Woher haben diese Frauen wohl noch die engen Radlerhosen mit nervösem, psychedelischem Muster in Violett, Pink, Lila, Türkis? So gekleidet, schlenderten sie vor einigen Tagen gemütlich durch die Zürcher Innenstadt. (meg) Colette C. Camenisch verengt Scheiden und verkleinert Schamlippen. Ab und zu irritiert sie, wie schamhaft manche Patientinnen sind. Thomas Widmer In der Regel spielt die Serie «Zürichs Köpfe» in einem Restaurant. Bei Colette C. Camenisch ist eine Ausnahme sinnvoll – über weibliche Genitalchirurgie spricht es sich mit Vorteil ungestört. Und Camenisch will auf ihrem Laptop Fotos zeigen. Das Treffen findet in ihren Praxisräumen im Zürcher Seefeld statt, Teil der gediegenen Privatklinik Pyramide am See. Einen Kaffee gibt es gleichwohl, es ist derselbe, den Patientinnen bekommen. Der Raum mit Schreibtisch wirkt einigermassen unärztlich. Klar, auf der medizinischen Liege im Hintergrund wird untersucht. Die silbern, golden, violett changierende Tapete aber, von Camenisch gewählt, könnte auch ein Pariser Restaurant zieren. In der Ecke steht auf dem Fensterbrett ihre Handtasche. «Dies ist ein Frauenzimmer», sagt sie. Was man nicht zu wissen braucht Was bringt eigentlich Zürcher Männer zum Weinen? Diesen Kaffee bekommen auch Camenischs Patientinnen serviert. rig: Ratten in den Spitalgängen, nur die nötigsten Instrumente. Mit mobilen Camps versuchte man Kinder auf dem Land zu erreichen. Bevorzugt Mädchen. Entstellte Mädchen sind Unpersonen auf Lebenszeit und unverheiratbar, man verstösst sie, tötet sie gar. Die Dankbarkeit der Eltern sei überwältigend gewesen. «Ihr Kind konnte essen, ohne dass ihm die Nahrung zur Nase herauslief.» Von 2008 bis 2011 weilte Camenisch in Schweden. Stockholm, die renommierte «Akademikliniken». Sie dürfe operieren, sobald sie Schwedisch könne, hiess es. Sie brachte sich die Sprache in zwei Monaten bei. Eine Spezialität dort: die Hymenrekonstruktion. In der muslimischen Welt muss die Frau mit intaktem Jungfernhäutchen in die Hochzeitsnacht gehen. Doch manche Frau hat das Hymen nicht mehr; sie hatte schon Sex. Der Eingriff erfolgt ambulant zwei, drei Tage vor der Hochzeit. Man löst etwas Schleimhaut von der Scheidenwand, näht den Lappen auf der anderen Seite locker an, sodass er leicht reisst. «Hauptsache, es blutet», sagt Camenisch. Würde sie das auch in der Schweiz machen? «Es wäre mir zu heikel.» Obwohl in Schweden die Patientinnen in der Klinik anonym blieben, sei es mehrfach vorgekommen, dass der verantwortliche Arzt bedroht wurde von Männern. Beleidigten Patriarchen. Schäden nach Sturzgeburt Camenisch ist, was man gemeinhin «Schönheitschirurgin» nennt; sie selber mag «plastische Chirurgin» lieber. Gesichtsfältchen entfernen und erschlaffte Brüste straffen gehört zu ihrer Arbeit. Weil darüber unendlich viel geschrieben wurde, hat man sich darauf geeinigt, speziell über Genitalchirurgie zu reden. Über Schamlippenkorrekturen etwa. «Ab und zu bekomme ich Aggression zu spüren», sagt Camenisch. Eine Hausärztin habe ihr gesagt, es sei eine Frechheit, dass man jetzt als Frau auch noch zwischen den Beinen schön sein müsse. Camenisch hält dagegen, dass sie selten Schamlippen operiert, nur weil eine Frau diese als hässlich empfindet. Viel öfter komme es vor, dass fleischige Schamlippen Probleme bereiteten. Sie drückten beim Velofahren, schmerzten beim Reiten, scheuerten beim Sitzen. Schamlippen wachsen mit dem Alter. «Wie die Nase», sagt Camenisch. Oder sie wachsen, von Hormonen getrieben, in der Schwangerschaft. Zudem gibt es heutzutage, so die Ärztin, bei jungen Frauen zwischen 20 und 25 Jahren das generelle Phänomen, dass die Schamlippen sich frühzeitig vergrössern. «Man weiss nicht genau, warum. Vielleicht, weil in so vielen Nahrungsmitteln Hormone sind.» Auch Vaginalplastiken macht Camenisch. Wenn eine Frau gebärt, weitet sich die Scheide aus. Eine Sturzgeburt mit Zwillingen oder Drillingen steigert die Belastung brutal: ein Vorgang, bei Visionäre Zürcher Köpfe Die Chirurgin aus Chur Unter dem Titel «Zürichs Köpfe. Ein Kaffee mit …» treffen wir in loser Folge Tüftler, Intellektuelle, Grübler und andere spannende Zürcher Zeitgenossen. An einem Ort ihrer Wahl reden wir mit ihnen über ihre Erkenntnisse. Colette C. Camenisch, Fachärztin FMH, 1972 in Chur geboren, arbeitet als Partnerin im Zentrum für Plastische Chirurgie der Klinik Pyramide am See in Zürich. (TA) Die angekündigte Serienfolge mit Stefan Ineichen folgt zu einem späteren Zeitpunkt. Per Flugzeug zur Sprechstunde «Dies ist ein Frauenzimmer»: Camenisch in ihrer Praxis. Foto: Dominique Meienberg dem in der hinteren Scheidenwand bisweilen Muskeln reissen. Hernach kann die Scheide handbreit klaffen. «Ich bin unten offen», sagen Frauen in der Sprechstunde. Sie klagen, sie schämten sich in der Sauna. Oder sie spüren beim Geschlechtsverkehr nichts mehr. Camenisch, 42-jährig, in Chur aufgewachsen, hat die typische Handwerkerart der Chirurgen. «Stellen Sie sich die Scheide wie eine Röhre vor», bündnert sie, deutet das mit den Händen an und erläutert, wie bei der Kolporrhaphie, der Scheidenwandplastik, Schleimhaut gestrafft und die Scheide verengt wird. «Ich bekomme dankbare Briefe» 5000 bis 6000 Franken kostet eine Schamlippenreduktion, gut das Doppelte die Kolporrhaphie. Die Krankenkassen zahlen meist nicht; das Leiden sei zu wenig ausgeprägt und führe nicht zu Komplikationen, sagen sie. Camenisch ärgert das. «Ich bekomme dankbare Briefe. Frauen schreiben mir nach einer Operation, dass sie sich neugeboren fühlen, wieder Freude am Leben ha- Oft schmerzen die Schamlippen beim Velofahren. Camenisch operiert selten aus ästhetischen Gründen. ben.» Sexualisiertes Zeitalter hin oder her – viele Frauen schämen sich bei der Untersuchung. Sie wollen auf der Liege den Spiegel, den die Chirurgin ihnen gibt, nicht auf den eigenen Unterleib richten. Auch und gerade junge Frauen. Camenisch glaubt, dies habe mit dem heutigen Körperkult zu tun; schon über irgendein Muttermal irgendeines Stars werde berichtet wie über ein Jahrhundertskandalon. Sie sage schamhaften Patientinnen jeweils: «Schauen Sie, ich habe fünf solche Fälle pro Woche.» 2003 flog Camenisch mit 50 Kilo Gepäck nach Südindien. Mit einheimischen Chirurgen operierte sie unentgeltlich Kinder mit Lippen- oder Gaumenspalten. Die Verhältnisse waren schwie- Vor einiger Zeit war Camenisch an einem Kongress ihrer Zunft. Eine Frau von der UNO sprach über sexuelle Gewalt an Frauen. Es ging etwa um die Mädchenbeschneidung, bei der die Klitoris weggeschnitten wird, mit dem Messer, mit einer Scherbe. Und es ging um den Brauch in Teilen der Welt, kleinen Mädchen die Scheide zuzunähen. Totenstill sei es im Saal gewesen, erzählt Camenisch. Ihr wurde klar, dass sie gern selber aufwendigere Genitaloperationen vornehmen und etwa Genitalbeschneidungen korrigieren würde; «gegen das Grauen helfen», wie sie sagt. Die dafür nötigen Techniken verlangten allerdings «enormes Spezialistentum und entsprechend ganz spezifische Erfahrungen». Sie kann sich vorstellen, irgendwann bei einem der wenigen internationalen Experten zu hospitieren. Am Schluss die Frage an Camenisch, wie viel sie arbeitet. Zwölf Stunden am Tag, antwortet sie. Aber am Wochenende wird sie ausspannen? Nein. Sie fliegt nach Schweden. Regelmässig hält sie dort Sprechstunde, es geht ums Gesicht, die Brüste, den Bauch, die Genitalien; subjektives Schönheitsempfinden und körperliche Beschwerden der Leute durchmischen sich. Für den Eingriff kommen diese dann nach Zürich. «Sie schätzen es, völlig anonym zu sein.» Vorgestern wurde in dieser Spalte ja ausführlich über die Gründe berichtet, welche die Männer unseres Grossraumbüros zum Schluchzen bringen. Teil 1 war dem (vormals) männlichsten Mann unseres Team gewidmet, in Teil 2 wurden dann jene «Auslöser» thematisiert, die den anderen Typen des Grossraumbüros feuchte Augen bescheren. Der Vollständigkeit halber wollten wir den Zweiteiler nun zur Trilogie ausbauen – und verraten, was die vielen Hunderttausend Kerle da draussen in der Stadt und auf dem Land zum Weinen bringt. Erst haben wir im Internet recherchiert. Nichts. Dann riefen wir im Mannebüro an. Ein paar Seufzer, das wars. Also bleibt nichts anderes übrig, als wieder die werte Leserschaft um Hilfe zu bitten ( jüngst, bei den Büsiproblemen, hat das ja bestens geklappt). Die Frage lautet: Was bringt Zürcher Männer zum Weinen? Antworten (am liebsten ernsthafte; wer sich den Jux aber nicht verkneifen kann: bitte bloss keine plumpen Bierzelt-/Schenkelklopferwitze) schicken Sie wieder an: [email protected]. Mässi. (thw) Das Rezept Lauch-Gratin Für 4 Personen 600 g Kartoffeln, geschält, 200 g Vollrahm 35%, 200 g Milch, Salz, Pfeffer, weiss, aus der Mühle, Muskatnuss, gerieben, 180 g Lauch, gebleicht, gerüstet, 8 g Knoblauch, geschält, gehackt, 60 g Sbrinz, gerieben Kartoffeln in Scheiben schneiden. Lauch waschen und in Scheiben schneiden. Milch zusammen mit dem Rahm aufkochen, Kartoffelscheiben zugeben und 10 Minuten kochen lassen. Lauch beigeben und mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken. Die Gratinplatte mit dem Knoblauch ausreiben, Gratin schön hineinschichten. Sbrinz darüberstreuen, im Ofen bei 140 °C 60 Minuten backen, am Schluss auf 200 °C gratinieren. 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