PDF lesen - Dr. med. Colette C. Camenisch

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Tages-Anzeiger – Samstag, 25. April 2015
Bellevue
EVA
Von
Jaermann/
Schaad
B-Side
Geili Teili I
Eine schöne Überraschung
oder: Juhee, sie sind zurück!
Was war das für ein schönes Gefühl; mit
Rollschuhen über den Asphalt gleiten,
die Arme schwingen, der Wind streicht
über das Gesicht. Irgendwann ging diese
Zeit vergessen, in der man gemütlich
über das Trottoir fuhr, die Mode der
Rollschuhe war vorbei. Sie wurden ersetzt durch die furchtbaren Inline skates,
die einen so richtig auf Leistung trimmen. Mit ihnen ist man so sportlich gestresst unterwegs, dass man für alle
Fälle am besten Helm und Knieschoner
anzieht. Doch jetzt, vor kurzem, hüpfte
das Herz, als plötzlich eine Rollschuhfahrerin den Weg kreuzte. Mit hübschen, neonfarbenen Schuhen. (meg)
Zürichs Köpfe (11) Ein Kaffee mit Ärztin Colette C. Camenisch
Geili Teili II
Eine schlimme Überraschung
oder: Oje, sie sind zurück!
Die Chirurgin für da unten
Rollschuhe sind toll. Sie erinnern an
eine längst vergangene, schöne Zeit. Ein
anderes Kleidungsstück lässt einen jedoch eher die Stirn runzeln und innerlich erschaudern. Und man fragt sich
heute: Woher haben diese Frauen wohl
noch die engen Radlerhosen mit nervösem, psychedelischem Muster in Violett,
Pink, Lila, Türkis? So gekleidet, schlenderten sie vor einigen Tagen gemütlich
durch die Zürcher Innenstadt. (meg)
Colette C. Camenisch verengt
Scheiden und verkleinert
Schamlippen. Ab und zu
irritiert sie, wie schamhaft
manche Patientinnen sind.
Thomas Widmer
In der Regel spielt die Serie «Zürichs
Köpfe» in einem Restaurant. Bei Colette
C. Camenisch ist eine Ausnahme sinnvoll – über weibliche Genitalchirurgie
spricht es sich mit Vorteil ungestört.
Und Camenisch will auf ihrem Laptop
Fotos zeigen. Das Treffen findet in ihren
Praxisräumen im Zürcher Seefeld statt,
Teil der gediegenen Privatklinik Pyramide am See.
Einen Kaffee gibt es gleichwohl, es ist
derselbe, den Patientinnen bekommen.
Der Raum mit Schreibtisch wirkt einigermassen unärztlich. Klar, auf der medizinischen Liege im Hintergrund wird untersucht. Die silbern, golden, violett
changierende Tapete aber, von Camenisch gewählt, könnte auch ein Pariser
Restaurant zieren. In der Ecke steht auf
dem Fensterbrett ihre Handtasche.
«Dies ist ein Frauenzimmer», sagt sie.
Was man nicht zu wissen braucht
Was bringt eigentlich Zürcher
Männer zum Weinen?
Diesen Kaffee bekommen auch
Camenischs Patientinnen serviert.
rig: Ratten in den Spitalgängen, nur die
nötigsten Instrumente. Mit mobilen
Camps versuchte man Kinder auf dem
Land zu erreichen. Bevorzugt Mädchen.
Entstellte Mädchen sind Unpersonen auf
Lebenszeit und unverheiratbar, man
verstösst sie, tötet sie gar. Die Dankbarkeit der Eltern sei überwältigend gewesen. «Ihr Kind konnte essen, ohne dass
ihm die Nahrung zur Nase herauslief.»
Von 2008 bis 2011 weilte Camenisch
in Schweden. Stockholm, die renommierte «Akademikliniken». Sie dürfe
operieren, sobald sie Schwedisch könne,
hiess es. Sie brachte sich die Sprache in
zwei Monaten bei. Eine Spezialität dort:
die Hymenrekonstruktion. In der muslimischen Welt muss die Frau mit intaktem Jungfernhäutchen in die Hochzeitsnacht gehen. Doch manche Frau hat das
Hymen nicht mehr; sie hatte schon Sex.
Der Eingriff erfolgt ambulant zwei, drei
Tage vor der Hochzeit. Man löst etwas
Schleimhaut von der Scheidenwand,
näht den Lappen auf der anderen Seite
locker an, sodass er leicht reisst.
«Hauptsache, es blutet», sagt Camenisch. Würde sie das auch in der Schweiz
machen? «Es wäre mir zu heikel.»
Obwohl in Schweden die Patientinnen in
der Klinik anonym blieben, sei es mehrfach vorgekommen, dass der verantwortliche Arzt bedroht wurde von
Männern. Beleidigten Patriarchen.
Schäden nach Sturzgeburt
Camenisch ist, was man gemeinhin
«Schönheitschirurgin» nennt; sie selber
mag «plastische Chirurgin» lieber. Gesichtsfältchen entfernen und erschlaffte
Brüste straffen gehört zu ihrer Arbeit.
Weil darüber unendlich viel geschrieben
wurde, hat man sich darauf geeinigt,
speziell über Genitalchirurgie zu reden.
Über Schamlippenkorrekturen etwa.
«Ab und zu bekomme ich Aggression
zu spüren», sagt Camenisch. Eine Hausärztin habe ihr gesagt, es sei eine Frechheit, dass man jetzt als Frau auch noch
zwischen den Beinen schön sein müsse.
Camenisch hält dagegen, dass sie selten
Schamlippen operiert, nur weil eine
Frau diese als hässlich empfindet. Viel
öfter komme es vor, dass fleischige
Schamlippen Probleme bereiteten. Sie
drückten beim Velofahren, schmerzten
beim Reiten, scheuerten beim Sitzen.
Schamlippen wachsen mit dem Alter.
«Wie die Nase», sagt Camenisch. Oder
sie wachsen, von Hormonen getrieben,
in der Schwangerschaft. Zudem gibt es
heutzutage, so die Ärztin, bei jungen
Frauen zwischen 20 und 25 Jahren das
generelle Phänomen, dass die Schamlippen sich frühzeitig vergrössern. «Man
weiss nicht genau, warum. Vielleicht,
weil in so vielen Nahrungsmitteln
Hormone sind.»
Auch Vaginalplastiken macht Camenisch. Wenn eine Frau gebärt, weitet
sich die Scheide aus. Eine Sturzgeburt
mit Zwillingen oder Drillingen steigert
die Belastung brutal: ein Vorgang, bei
Visionäre Zürcher Köpfe
Die Chirurgin aus Chur
Unter dem Titel «Zürichs Köpfe. Ein Kaffee
mit …» treffen wir in loser Folge Tüftler,
Intellektuelle, Grübler und andere spannende
Zürcher Zeitgenossen. An einem Ort ihrer
Wahl reden wir mit ihnen über ihre Erkenntnisse.
Colette C. Camenisch, Fachärztin FMH,
1972 in Chur geboren, arbeitet als Partnerin
im Zentrum für Plastische Chirurgie
der Klinik Pyramide am See in Zürich. (TA)
Die angekündigte Serienfolge mit Stefan
Ineichen folgt zu einem späteren Zeitpunkt.
Per Flugzeug zur Sprechstunde
«Dies ist ein Frauenzimmer»: Camenisch in ihrer Praxis. Foto: Dominique Meienberg
dem in der hinteren Scheidenwand bisweilen Muskeln reissen. Hernach kann
die Scheide handbreit klaffen. «Ich bin
unten offen», sagen Frauen in der
Sprechstunde. Sie klagen, sie schämten
sich in der Sauna. Oder sie spüren beim
Geschlechtsverkehr nichts mehr.
Camenisch, 42-jährig, in Chur aufgewachsen, hat die typische Handwerkerart der Chirurgen. «Stellen Sie sich die
Scheide wie eine Röhre vor», bündnert
sie, deutet das mit den Händen an und
erläutert, wie bei der Kolporrhaphie,
der Scheidenwandplastik, Schleimhaut
gestrafft und die Scheide verengt wird.
«Ich bekomme dankbare Briefe»
5000 bis 6000 Franken kostet eine
Schamlippenreduktion, gut das Doppelte die Kolporrhaphie. Die Krankenkassen zahlen meist nicht; das Leiden
sei zu wenig ausgeprägt und führe nicht
zu Komplikationen, sagen sie. Camenisch ärgert das. «Ich bekomme dankbare Briefe. Frauen schreiben mir nach
einer Operation, dass sie sich neugeboren fühlen, wieder Freude am Leben ha-
Oft schmerzen die
Schamlippen beim
Velofahren. Camenisch
operiert selten aus
ästhetischen Gründen.
ben.» Sexualisiertes Zeitalter hin oder
her – viele Frauen schämen sich bei der
Untersuchung. Sie wollen auf der Liege
den Spiegel, den die Chirurgin ihnen
gibt, nicht auf den eigenen Unterleib
richten. Auch und gerade junge Frauen.
Camenisch glaubt, dies habe mit dem
heutigen Körperkult zu tun; schon über
irgendein Muttermal irgendeines Stars
werde berichtet wie über ein Jahrhundertskandalon. Sie sage schamhaften Patientinnen jeweils: «Schauen Sie, ich
habe fünf solche Fälle pro Woche.»
2003 flog Camenisch mit 50 Kilo Gepäck nach Südindien. Mit einheimischen Chirurgen operierte sie unentgeltlich Kinder mit Lippen- oder Gaumenspalten. Die Verhältnisse waren schwie-
Vor einiger Zeit war Camenisch an einem Kongress ihrer Zunft. Eine Frau von
der UNO sprach über sexuelle Gewalt an
Frauen. Es ging etwa um die Mädchenbeschneidung, bei der die Klitoris weggeschnitten wird, mit dem Messer, mit
einer Scherbe. Und es ging um den
Brauch in Teilen der Welt, kleinen Mädchen die Scheide zuzunähen.
Totenstill sei es im Saal gewesen, erzählt Camenisch. Ihr wurde klar, dass sie
gern selber aufwendigere Genitaloperationen vornehmen und etwa Genitalbeschneidungen korrigieren würde; «gegen das Grauen helfen», wie sie sagt. Die
dafür nötigen Techniken verlangten allerdings «enormes Spezialistentum und
entsprechend ganz spezifische Erfahrungen». Sie kann sich vorstellen, irgendwann bei einem der wenigen internationalen Experten zu hospitieren.
Am Schluss die Frage an Camenisch,
wie viel sie arbeitet. Zwölf Stunden am
Tag, antwortet sie. Aber am Wochenende wird sie ausspannen? Nein. Sie
fliegt nach Schweden. Regelmässig hält
sie dort Sprechstunde, es geht ums Gesicht, die Brüste, den Bauch, die Genitalien; subjektives Schönheitsempfinden
und körperliche Beschwerden der Leute
durchmischen sich. Für den Eingriff
kommen diese dann nach Zürich. «Sie
schätzen es, völlig anonym zu sein.»
Vorgestern wurde in dieser Spalte ja ausführlich über die Gründe berichtet, welche die Männer unseres Grossraumbüros zum Schluchzen bringen. Teil 1 war
dem (vormals) männlichsten Mann unseres Team gewidmet, in Teil 2 wurden
dann jene «Auslöser» thematisiert, die
den anderen Typen des Grossraumbüros feuchte Augen bescheren. Der Vollständigkeit halber wollten wir den Zweiteiler nun zur Trilogie ausbauen – und
verraten, was die vielen Hunderttausend
Kerle da draussen in der Stadt und auf
dem Land zum Weinen bringt. Erst haben wir im Internet recherchiert. Nichts.
Dann riefen wir im Mannebüro an. Ein
paar Seufzer, das wars. Also bleibt nichts
anderes übrig, als wieder die werte Leserschaft um Hilfe zu bitten ( jüngst, bei
den Büsiproblemen, hat das ja bestens
geklappt). Die Frage lautet: Was bringt
Zürcher Männer zum Weinen? Antworten (am liebsten ernsthafte; wer sich den
Jux aber nicht verkneifen kann: bitte
bloss keine plumpen Bierzelt-/Schenkelklopferwitze) schicken Sie wieder an:
[email protected]. Mässi. (thw)
Das Rezept
Lauch-Gratin
Für 4 Personen
600 g Kartoffeln, geschält, 200 g Vollrahm
35%, 200 g Milch, Salz,
Pfeffer, weiss, aus der
Mühle, Muskatnuss,
gerieben, 180 g Lauch,
gebleicht, gerüstet, 8 g Knoblauch, geschält,
gehackt, 60 g Sbrinz, gerieben
Kartoffeln in Scheiben schneiden. Lauch
waschen und in Scheiben schneiden. Milch
zusammen mit dem Rahm aufkochen, Kartoffelscheiben zugeben und 10 Minuten kochen
lassen. Lauch beigeben und mit Salz, Pfeffer
und Muskat abschmecken. Die Gratinplatte
mit dem Knoblauch ausreiben, Gratin schön
hineinschichten. Sbrinz darüberstreuen,
im Ofen bei 140 °C 60 Minuten backen, am
Schluss auf 200 °C gratinieren.
Weitere Rezepte unter
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