Sondersession Nationalrat 2015 Sessionsvorschau 30. April 2015 Der Nationalrat entscheidet über eine neue Verfassungsbestimmung über den Schutz und die Förderung von Kindern und Jugendlichen. Die damit angestrebte Zentralisierung ist unnötig, finanzpolitisch problematisch und untergräbt den Föderalismus. economiesuisse empfiehlt, nicht auf das Geschäft einzutreten. Ebenfalls nicht eintreten sollte der Nationalrat auf eine Vorlage, die eine Ausnahme der Lebensmittel vom Cassis-de-Dijon-Prinzip bezweckt. Zum Nachteil der grossen Mehrheit würde damit das hohe Schweizer Preisniveau weiter erhöht, die Produkteauswahl verringert und der Einkaufstourismus angeheizt. economiesuisse spricht sich für eine Ablehnung der Stromeffizienz-Initiative aus. Die Schweizer Unternehmen steigern ihre Stromeffizienz mit wirtschaftlichen Massnahmen kontinuierlich. Eine willkürliche Zielvorgabe in der Verfassung leistet dazu keinen Beitrag. Das Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspaket (KAP) ist ein wichtiges Instrument zur Entlastung des angespannten Bundeshaushalts. Damit dieses greift, sollte der Nationalrat darauf verzichten, einzelne Bereiche von den Sparanstrengungen auszuklammern. Sessionsvorschau, 30. April 2015 2 07.402 Pa.Iv. Amherd. Verfassungsgrundlage für ein Bundesgesetz über die Kinder- und Jugendförderung sowie über den Kinder- und Jugendschutz Unnötige Zentralisierung im Bereich Kinder und Jugend verhindern Die parlamentarische Initiative möchte dem Bund durch eine Verfassungsänderung ermöglichen, Vorschriften zur Förderung und zum Schutz von Kindern und Jugendlichen zu erlassen. Zudem soll das Ziel einer „aktiven Kinder- und Jugendpolitik“ in der Bundesverfassung verankert werden. Nach einem längeren Vorberatungsprozess wird der Nationalrat als Erstrat über eine mögliche Umsetzung der Initiative entscheiden. Im Mai 2013 befürwortete die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK-N) einen entsprechenden Erlassentwurf mit 14 zu 10 Stimmen. Eine Kommissionsminderheit beantragte, nicht auf die Vorlage einzutreten. Auch der Bundesrat lehnt die vorgeschlagene Verfassungsbestimmung ab. economiesuisse anerkennt und begrüsst im Grundsatz Bestrebungen, Kinder und Jugendliche zu schützen und adäquat zu fördern. Ein neuer Verfassungsartikel ist jedoch unnötig, finanzpolitisch problematisch und gegen den Föderalismus gerichtet. economiesuisse empfiehlt, nicht auf die Vorlage einzutreten. Für eine Verfassungsänderung besteht kein Handlungsbedarf. Sowohl der Schutz als auch die Förderung von Kindern und Jugendlichen sind rechtlich ausreichend geregelt. Ein zusätzlicher Verfassungsartikel ist deshalb nicht nötig. Der Bund verfügt heute über diverse Eingriffs-, Präventionsund Koordinationsmöglichkeiten, welche er erfolgreich nutzt. Im Bereich Jugendschutz gehören dazu die nationalen Programme zur Gewaltprävention (Jugend und Gewalt) sowie zur Förderung der Medienkompetenzen (Jugend und Medien). Auch für die Förderung und Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bestehen ausreichende Instrumente. Zusätzlich zum Engagement der Behörden wird die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen in Politik und Gesellschaft auch durch Initiativen wie „Jugend und Wirtschaft“ oder „Jugend debattiert“ gefördert. Die bewährte subsidiäre Regelung nicht gefährden Das Subsidiaritätsprinzip hat sich in der Kinder- und Jugendpolitik wie in anderen Politikbereichen bewährt. Kantone und Gemeinden befinden sich näher am Geschehen und verfügen in vielen Fällen über gezieltere Lösungsansätze als der Bund. Mit der Koordination bestimmter Aktivitäten können Gemeinden und Kantone Synergien erzielen. Auch der Informations- und Erfahrungsaustausch mit dem Bund wurde in den vergangenen Jahren gestärkt. Durch die Revision des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes (KJFG) erhielt der Bund bereits stärkere Einflussmöglichkeiten auf die Kinder- und Jugendpolitik der Kantone. Mit dem vorgeschlagenen Verfassungsartikel müsste der Bund aber eine dominantere Rolle übernehmen. Als Folge dürften zentralistische Regulierungen zielgerichtete föderale Lösungen ersetzen. Keine Grundlage für ineffiziente Subventionierung schaffen Mit dem Verfassungsartikel würde ausserdem eine Grundlage für ausufernde Subventionen geschaffen. Es ist zu befürchten, dass neue Projekte lanciert würden, deren Nutzen die Kosten nicht notwendigerweise übersteigt. Angesichts der Anspannung bei den Bundesfinanzen sind die resultierenden Zusatzausgaben nicht tragbar. Sessionsvorschau, 30. April 2015 3 10.538 Pa.Iv. Bourgeois. Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse. Lebensmittel vom Cassis-de-Dijon-Prinzip ausnehmen Keine Marktabschottung auf Kosten der Konsumenten Lebensmittelsicherheit und -qualität sind bereits heute gewährleistet. Die parlamentarische Initiative will den ganzen Lebensmittelbereich vom Cassis-de-Dijon-Prinzip ausnehmen. Hierzu soll das Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (THG) angepasst werden. In der Schweiz wurde das Cassis-de-Dijon-Prinzip mit der Revision des THG im Jahr 2010 eingeführt. Demnach können Produkte, die in der EU rechtmässig in Verkehr gebracht wurden, prinzipiell auch in der Schweiz ohne weiteres zum Verkauf angeboten werden. Leider gibt es bereits heute eine lange Liste mit Ausnahmen von diesem Prinzip. Für Lebensmittel gilt heute eine Sonderregelung in Form einer Bewilligungspflicht. Die Bewilligung wird nur erteilt, sofern keine Bedenken bezüglich Sicherheit und Gesundheit, Konsumentenschutz sowie Lauterkeit im Handel bestehen. Dabei dürfen die Schweizer Vorschriften in diesen Bereichen nicht unterschritten werden. Die Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben des National- und Ständerats haben der Initiative nur äusserst knapp Folge gegeben. Daraufhin schickte die nationalrätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-N) einen Entwurf zur Änderung des THG in die Vernehmlassung. Mit 15 zu 10 Stimmen entschied die WAK-N, dem Nationalrat den Vernehmlassungsentwurf unverändert vorzulegen. Eine Minderheit der WAK-N beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten. Die Folgen: teurere Produkte, weniger Auswahl und mehr Einkaufstourismus economiesuisse lehnt diese parlamentarische Initiative entschieden ab und empfiehlt, nicht auf die Vorlage einzutreten. Das Cassis-de-Dijon-Prinzip trägt zum Abbau von Handelshemmnissen und zu einem gut funktionierenden Wettbewerb bei. Dieser spornt zur Qualitätssteigerung an, und er führt zu tieferen Preisen wie auch zu einer grösseren Auswahl an Produkten. Mit einer Marktabschottung, wie sie die Initiative fordert, würden das ohnehin schon hohe Schweizer Kostenniveau zusätzlich in die Höhe getrieben und die Produkteauswahl unnötig eingeschränkt. Der Einkauf in der Schweiz würde unattraktiver und der Einkaufstourismus angeheizt. Vor dem Hintergrund des starken Frankens ist es aus wirtschaftlicher Sicht unverantwortlich und falsch, eine zusätzliche Ausnahme vom Cassis-de-Dijon-Prinzip und damit seine weitere Aushöhlung zu unterstützen. Von der Aushöhlung des Cassis-deDijon-Prinzips profitiert nur eine Minderheit – zu Lasten der grossen Mehrheit. Die Lebensmittelsicherheit und -qualität sowie die Transparenz sind bereits durch das bestehende und funktionierende Bewilligungssystem sichergestellt. Ausserdem sind die Schweizerinnen und Schweizer mündig und können unterschiedliche Produkte und Qualitäten gut unterscheiden. Sie kaufen bereits heute zahlreiche europäische Produkte jenseits der Grenze. Das zeigt deutlich auf, dass sie nicht befürchten, dass die in der EU erhältlichen Produkte in irgendeiner Weise unsicher sein könnten. Die zur Begründung der Gesetzesrevision angeführte Sorge um die „Verwässerung der Schweizer Qualitäts- und Produktionsstandards“ ist ein Scheinargument. In Wirklichkeit geht es den Befürwortern darum, der Landwirtschaft durch Abschottung des hiesigen Marktes den Absatz zu sichern. Vom Cassis-de-Dijon-Prinzip profitieren im Lebensmittelbereich vor allem die Konsumenten. Den Preis für eine Ausnahme der Lebensmittel müsste die grosse Mehrheit der Bevölkerung zahlen. Sessionsvorschau, 30. April 2015 4 14.026 Für eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung (StromeffizienzInitiative). Volksinitiative Die Stromeffizienz steigt – ohne einen willkürlichen Verfassungsartikel Die Volksinitiative will den Schweizer Stromverbrauch bis 2035 auf dem Niveau von 2011 stabilisieren. Laut Initiativtext kann der Bundesrat jedoch eine neue Obergrenze und neue Zwischenziele bestimmen, falls sich wesentliche Abweichungen bezüglich der Bevölkerungsentwicklung und des Ersatzes fossiler Energieträger durch Stromanwendungen ergeben. Als Grundlage soll dabei das Szenario „Neue Energiepolitik“ des Bundes gelten. Dieses geht für Industrie und Dienstleistungen von einem Einsparpotenzial von 37 Prozent bis 2050 aus. Der Bundesrat empfiehlt die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. Der Nationalrat wird sich als Erstrat mit der Volksinitiative befassen. Mit 15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung hat sich die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) dafür ausgesprochen, die Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen. Schweizer Unternehmen erhöhen die Stromeffizienz mit wirtschaftlichen Massnahmen und ohne Verfassungsvorgabe. Die Senkung des Elektrizitätsverbrauchs liegt im Interesse der Wirtschaft. Die Schweizer Unternehmen nutzen den technischen Fortschritt und wirtschaftlich tragbare Massnahmen, um ihre Stromeffizienz kontinuierlich zu steigern. Mit freiwilligen Schritten haben Unternehmen in der Schweiz ihren Stromverbrauch bereits bedeutend gesenkt. Mittels Zielvereinbarungen mit der Energieagentur der Wirtschaft (EnAW) verpflichten sich Betriebe zur Reduktion ihres Energieaufwands. Alleine im Jahr 2013 sparten die EnAW-Teilnehmer durch neue Massnahmen 87 Gigawattstunden Strom ein. Zur Weiterführung dieses Prozesses bestehen bereits genügend effektive Instrumente, die es optimal zu nutzen gilt. Die Festschreibung eines willkürlichen Zielwerts in der Verfassung ist hingegen kein taugliches Mittel, um die Stromeffizienz weiter zu erhöhen. Der Zielwert ist auch mit grossen Effizienzgewinnen kaum erreichbar. 2012 kam die EnAW-Studie „Stromeffizienz der Schweizer Wirtschaft“ zum Schluss, dass Schweizer Unternehmen ihre Stromeffizienz bis 2020 mit wirtschaftlichen Massnahmen verdoppeln können. Demnach beträgt das Reduktionspotenzial des Stromverbrauchs bis 2050 trotzdem nur maximal 24 Prozent. Nicht zuletzt aufgrund des Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums muss auch bei Nutzung des Potenzials für wirtschaftliche Stromeinsparungen mit einem Anstieg des Gesamtverbrauchs gerechnet werden. Die Zielvorgaben der Volksinitiative sind mit einer wirtschaftlich tragbaren Ausweitung der Effizienzmassnahmen kaum erreichbar. Daran ändert auch ein neuer Verfassungsartikel nichts. Eine Festlegung des Stromverbrauchs auf den Wert von 2011 macht deshalb keinen Sinn. Sessionsvorschau, 30. April 2015 5 12.101 Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspaket. Bundesgesetz Keine Ausnahmen bei der Entlastung des Bundeshaushalts Mit dem Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspaket (KAP) soll der Bundeshaushalt entlastet werden. Ursprünglich umfasste das Paket für 2014 bis 2016 jährliche Ausgabensenkungen von rund 700 Millionen. Das KAP soll zudem mit längerfristigen Reformen (Aufgabenüberprüfung) zu nachhaltig ausgeglichenen Bundesfinanzen beitragen. In der Wintersession 2013 hat der Nationalrat die Vorlage an den Bundesrat zurückgewiesen. Nach Abklärungen zu alternativen Ansätzen legt die Finanzkommission des Nationalrats (FK-N) ihrem Rat nun erneut das ursprüngliche KAP vor. Mit 13 zu 7 Stimmen empfiehlt die FK-N die Vorlage zur Annahme. Die nur noch das Jahr 2016 betreffenden Konsolidierungsmassnahmen möchte die Mehrheit der FK-N nur geringfügig anpassen. Sie lehnt jedoch die vorgesehene Kürzung der Landwirtschaftssubventionen ab. Eine Senkung der Bundesausgaben ist unumgänglich. economiesuisse unterstützt das KAP als wichtige Massnahme zur Konsolidierung der Bundesfinanzen. Umfassende Ausgabensenkungen sind unumgänglich, nachdem sich die Haushaltsperspektiven des Bundes seit Beginn dieses Jahres massgeblich verschlechtert haben. Ab 2016 zeichnen sich durchwegs strukturelle Defizite ab. Um die Schuldenbremse im Budget für 2016 einzuhalten und mittelfristig Spielraum für die Unternehmenssteuerreform III zu schaffen, hat der Bundesrat Bereinigungsmassnahmen beschlossen. Seither haben sich die haushaltspolitischen Aussichten für 2016 noch einmal eingetrübt. Das KAP sollte vollständig umgesetzt und auf weitere Bereiche ausgedehnt werden. Während sich die Umsetzung des KAP durch die Rückweisung verzögerte, wurden viele der kurzfristigen Sparmassnahmen ins Budget 2015 aufgenommen. Diese Entlastungen sollen auch 2016 weitergeführt werden. Ziel ist, das KAP möglichst vollständig umzusetzen. Im Sinne der Opfersymmetrie sollte kein Aufgabenbereich von den Sparanstrengungen ausgenommen werden. Insbesondere ist eine Ausnahme der Landwirtschaft sachlich nicht gerechtfertigt. Vielmehr sind Bereiche wie die Kulturförderung, die bis anhin keine Entlastungen bringen, in die Bemühungen einzubeziehen. Und ausserdem im Nationalrat economiesuisse empfiehlt dem Nationalrat zur Ablehnung: — 13.3333 Mo. Kiener Nellen. Finanztransaktionssteuer auch in der Schweiz Sessionsvorschau, 30. April 2015 6 Rückfragen: [email protected] [email protected] Impressum economiesuisse, Verband der Schweizer Unternehmen Geschäftsstelle Bern Spitalgasse 4 Postfach 304 3000 Bern 7 www.economiesuisse.ch
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