Die totale Sonnenfinsternis vom 20. März 2015

Nach: Hans-Ulrich Keller: Kosmos Himmelsjahr 2015
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart 2014
Monatsthema März 2015
Die totale Sonnenfinsternis vom 20. März 2015
Aufnahme der partiellen Sonnenfinsternis vom 4. Januar 2011 (Martin
Gertz/Sternwarte Welzheim)
Am Freitag, 20. März 2015, ist es endllich wieder einmal so weit:
In den Vormittagsstunden kann bei gutem Wetter von Mitteleuropa
aus eine Sonnenfinsternis verfolgt werden. Leider ist sie hierzulande nicht als totale zu sehen, sondern lediglich in ihren partiellen
Phasen. Aber immerhin, vom deutschen Sprachraum aus betrachtet bedeckt der dunkle Neumond je nach Standort zwischen 60
und 80 Prozent der Sonnenscheibenfläche. In Kiel sind es 80
Prozent, in Berlin 74 Prozent, in Wien 63 Prozent und in Zürich 69
Prozent der Sonnenscheibenfläche, die zum Maximum verdunkelt
sind.
Die letzte von unserem Gebiet aus sichtbare Sonnenfinsternis
fand am 4. Januar 2011 statt. Die letzte, deren Totalitätszone über
Süddeutschland und Österreich verlief, war am 11. August 1999
zu beobachten. Erst am 3. September 2081 wird man von der
äußersten Südwestecke Deutschlands die total verfinsterte Sonne
wieder sehen können – genauer: die helle Sonnenkorona um die
pechschwarze Neumondscheibe.
Sonnenfinsternisse gehören zu den spektakulärsten Himmelserscheinungen, die schon im Altertum die Menschen faszinierten –
und meist auch beunruhigten. Denn allen war bewusst: Die Sonne
ist der Stern des Lebens, und ohne ihr Licht und ihre Wärme
müsste alles zugrunde gehen. Wenn mitten am Tag die Sonne zu
verschwinden begann, so rief dies Aufregung und Furcht hervor,
vor allem wenn dies ohne Vorwarnung geschah. Man glaubte, ein
Ungeheuer würde die Sonne verschlingen. Doch mit scheinbar
geeigneten Gegenmaßnahmen wie Gebeten, Geschrei oder
Trommelwirbel gelang es jedes Mal, das Ungeheuer zu verscheuchen. Die Sonne tauchte immer wieder auf. Bei den Chinesen
glaubte man an einen Drachen, der versucht, die Sonne zu
fressen. Sie waren auch die ersten, denen es gelang, Sonnenfinsternisse ziemlich exakt vorherzusagen. Solch beeindruckende
Himmelsschauspiele prägten sich nicht nur in die Gedächtnisse
ein, sondern wurden auch sorgfältig registriert. Berichte über
Sonnenfinsternisbeobachtungen
gehören zu den ältesten
Dokumenten der Menschheitsgeschichte. Sie ermöglichen es den
Historikern, solche Ereignisse auf den Tag genau zu ermitteln und
ebenfalls den Ort, von wo sie beobachtet wurden.
Der Mond steht im Weg
Zu einer Sonnenfinsternis kommt es, wenn sich der Mond vor die
Sonne schiebt und sie bedeckt. Genau genommen handelt es sich
um eine Sternbedeckung durch den Mond. Denn die Sonne wird
nicht verfinstert, sondern der Mond wirft seinen Schatten auf die
Erde. Eine Sonnenfinsternis tritt nur ein, wenn der Mond in
Neumondposition kommt und sich gleichzeitig in der Erdbahnebene befindet, so dass er von der Erde aus betrachtet vor der
Sonne vorbeizieht. Nicht bei jedem Neumond kommt es zu einer
Sonnenfinsternis. Denn die Mondbahn ist um 5° zur E kliptik
(scheinbare Sonnenbahn) geneigt. Die Mondbahn durchstößt
somit in zwei Punkten die Erdbahnebene (Ekliptikebene). Diese
Punkte heißen aufsteigender und absteigender Knoten. Im
aufsteigenden Knoten wechselt der Mond von der Südseite der
Erdbahnebene auf die Nordseite, im absteigenden Knoten
überschreitet er die Ekliptik von Nord nach Süd. Die Mondbahnknoten heißen auch Drachenpunkte, weil die Menschen im alten
China beim Eintritt einer Sonnenfinsternis glaubten, ein
himmlischer Drache würde die Sonne verschlingen.
Damit es zu einer Sonnenfinsternis kommt, muss sich also der
Neumond im oder nahe bei einem der Drachenpunkte aufhalten.
Wird die Sonne vollständig vom Neumond verdeckt, so nennt man
die Finsternis total. Bei einer teilweisen Bedeckung spricht man
von einer partiellen Finsternis. Erscheint die Mondscheibe etwas
kleiner als die Sonnenscheibe, so wird die Finsternis ringförmig.
Schließlich gibt es noch die Kombination einer ringförmig-totalen
Finsternis. Man nennt eine solche Finsternis hybrid. Eine hybride
Finsternis ist beispielsweise zu Beginn ringförmig und wird dann
eine totale. Oder sie ist anfangs total und im weiteren Verlauf
ringförmig.
Durch eine Laune der Natur erscheinen uns Sonne und Mond am
irdischen Himmel gleich groß. Der Mond hat zwar nur ein Viertel
des Erddurchmessers, die Sonne dagegen den 109-fachen
Erddurchmesser. Die Sonne ist jedoch vierhundert mal weiter von
uns entfernt als der Mond. Deshalb erscheinen beide Gestirne von
der Erde aus betrachtet unter dem gleichen Winkel von gut einem
halben Grad. Ist der Mond in Erdferne, die Erde aber in Sonnennähe, so ist die Mondscheibe ein klein wenig kleiner als die
Sonnenscheibe. Der Neumond verdeckt die Sonne nicht vollständig, es bleibt ein heller Lichtring um den schwarzen Mond.
Globaler Verlauf der totalen Sonnenfinsternis vom 20. März 2015
Schmale Totalitätszone
Die Kernschattenspitze des Mondes überstreicht die Erdoberfläche nur in einer schmalen Zone von wenigen hundert Kilometern
Breite. Deshalb ist für einen bestimmten Ort das Ereignis einer
totalen Sonnenfinsternis außerordentlich selten, das nur alle paar
Jahrhunderte vorkommt. Wegen des geringen Kernschattendurchmessers dauert die Totalität nur maximal sieben Minuten. Außerhalb der schmalen Zone der Totalität oder der ringförmigen Phase
sieht man nur eine teilweise Bedeckung der Sonnenscheibe durch
den Mond. Beobachter im Gebiet der partiellen Phasen befinden
sich im Halbschatten des Mondes. Die Breite des Halbschattengebietes erreicht in der Regel einige tausend Kilometer. Deshalb
treten an einem bestimmten Ort viel häufiger partielle Sonnenfinsternisse ein als totale oder ringförmige. Trifft der Kernschattenkegel des Mondees die Erde überhaupt nicht, sondern streicht
knapp an unserem Globus vorbei, so nennt man diese Sonnenfinsternis eine partielle; da sie von keinem Punkt der Erde als
totale oder ringförmige erscheint.
- 2 Am Freitag, 20. März 2015, tritt um10:36 Uhr MEZ die Neumondphase ein. Nur 17 Stunden später passiert der Mond seinen
absteigenden Knoten. Er befindet sich somit zur Neumondphase
knapp nördlich der Erdbahnebene, weshalb es zu einer totalen
Sonnenfinsternis kommt. Außerdem erreicht er am 19. März um
21 Uhr seine geringste Entfernung von der Erde, die Neumondscheibe ist somit relativ groß. Die Kernschattenspitze trifft erstmals
die Erdoberfläche im Nordatlantik östlich von Neufundland und
südlich von Grönland. Dies geschieht um 10:14 Uhr MEZ am Ort
45°58’ westlicher Länge und 53°38’ nördlicher Breit e. Die
Totalitätszone ist dort 406 Kilometer breit und die Totalität dauert
dort 2min 6s. Der Kernschatten rast nordostwärts über den Atlantik
und zieht zwischen Island und den Britischen Inseln hindurch,
überstreicht die Färöer-Inseln, Spitzbergen sowie das nördliche
Eismeer und verlässt schließlich in der Arktis unmittelbar vor dem
Nordpol die Erdoberfläche. Der Endpunkt der Zentrallinie (Mittellinie der Totalitätszone) befindet sich bei 97°49’ westlicher Länge
und 89°23’ nördlicher Breite. Dieser Ort ist nur 69 km vom Nordpol
entfernt. Der 420 km breite Kernschatten trifft dort um 11:18 Uhr
MEZ ein, wobei die totale Phase 2min 5s dauert.
Der Höhepunkt der Finsternis wird östlich von Grönland am Ort
6°39’ westlicher Länge und 64°26’ nördlicher Breite um 10h 45min
38s MEZ erreicht bei einer Totalitätsdauer von 2min 47s und einer
Breite der Kernschattenzoner von 463 km.Die Sonne steht dort nur
18,5° hoch über dem Horizont des Nordatlantik.
ne wird Saros-Periode genannt. Nach 223 Lunationen1 wiederholt
sich eine Finsternis. Denn 223 synodische Monate (= 6585,322
mittlere Sonnentage) entspechen ziemlich genau 242 drakonitischen2 Monaten (= 6585, 357 mittlere Sonnentage).
Partielle Finsternis in Mitteleuropa
Die partiellen Phasen sind von Europa, Nordafrika, vom Mittleren
Osten, westlichen Asien, Nordatlantik, von Grönland und der Arktis
sichtbar. Von Mitteleuropa aus sind zwischen 85 und 60 Prozent
Bedeckungsgrad zu erwarten, wobei der Bedeckungsgrad von
Nordwest nach Südost abnimmt. Im deutschen Sprachraum
beginnt die Finsternis zwischen 9h 20m und 9h 40m und endet
zwischen 11h 40m und 12h 00m. Näheres dazu siehe in den
Abbildungen. Für Köln sind die Daten: Beginn der Bedeckung um
9:30 MEZ, Maximale Phase um 10:38 Uhr bei einem Bedeckungsgrad von 77,3% und Ende der Bedeckung um 11:49 Uhr. Bei uns
treten die Ereigniss höchstens eine Minute später ein, der
Bedeckungsgrad fällt bei uns etwa 0,2% geringer aus.
Bedeckungsgrad zur Maximumszeit (in MEZ) der Sonnenfinsternis
vom 20. März 2015 für Orte in Mitteleuropa.
Die partiellen Phasen der Sonnenfinsternis vom 20. März 2015 für
einige europäische Städte
Nach dieser Zeitspanne wiederholen sich die relativen Positionen
der Syzygien (Neu- und Vollmondphasen) zu den Mondbahnknoten. Nicht berücksichtigt ist dabei die Erdrotation. Die einer
Finsternis nach der Saros-Periode folgende findet somit in einem
anderen geografischen Gebiet statt. Außerdem ist die Koinzidenz
von 223 synodischen mit 242 drakonitischen Monaten nicht exakt,
1
Beginn und Ende der partiellen Phasen der totalen Sonnenfinsternis
vom 20. März 2015 in Mitteleuropa. Zeitangaben in MEZ.
Der Saros-Zyklus 120
Diese totale Sonnenfinsternis ist die Nr. 61 im Saros-Zyklus 120.
Schon die chaldäischen Astronomen im alten Babylon erkannten
im achten vorchristlichen Jahrhundert, dass sich Finsternisse nach
18 Jahren, 11 Tagen und 8 Stunden wiederholen. Diese Zeitspan-
Mit Lunation wird die Zeitspanne eines Umlaufs des Mondes um die Erde bezeichnet,
bezogen auf seine Stellung zur Sonne (auch als synodische Periode des Mondes
bezeichnet). Es ist also die Zeit von Neumond zu Neumond oder von Vollmond zu
Vollmond. Da die nahezu ellipsenförmigen Bahnen von Erde (bei ihrer Bewegung um die
Sonne) und Mond (bei der Bewegung um die Erde) nach dem 2.Keplerschen Gesetz mit
wechselnden Geschwindigkeiten erfolgen, ist auch die Zeitdauer für eine Lunation nicht
konstant. Als langjähriger Mittelwert gilt: 29,530589 d (29 Tage, 12 Stunden, 44 Minuten,
2,9 Sekunden), wobei im Zeitraum zwischen 2005 und 2012 die Werte zwischen 29,282
d bis 29,819 d gelegen haben.
2
Ein drakonitischer Monat ist der Zeitraum zwischen zwei gleichartigen Drachenpunkten, also vom aufsteigenden Knoten bis zum nächsten aufsteigenden Knoten, bzw.
vom absteigenden Knoten bis zum nächsten absteigenden Knoten. Die Länge des
drakonitischen Monats beträgt 27,21222 Tage, das sind 27 Tage, 5 Stunden, 5 Minuten
und 35,8 Sekunden.
- 3 weshalb sich die Saros-Perioden nicht beliebig oft wiederholen.
Nach zwölf bis 16 Jahrhunderten reißt eine Folge von SarosPerioden ab. Die aufeinanderfolgenden Saros-Perioden werden zu
einem Saros-Zyklus zusammengefasst.
Aufnahme der partiellen Sonnenfinsternis am 31. Mai 2003 von Martin
Gertz/Sternwarte Welzheim
Vorsicht bei der Beobachtung
Position der hellen Sterne und Planeten zur Totalität der
Sonnenfinsternis vom 20. März 2015.
Der Saros-Zyklus 120 beinhaltet 71 Sonnenfinsternisse, darunter
16 partielle, 26 totale, 25 ringförmige und vier hybride. Alle
Sonnenfinsternisse des Saros 120 finden statt, wenn der Mond
seinen absteigenden Knoten passiert. Während des Zyklus
wandert der Mondschatten immer mehr nordwärts, die GammaWerte nehmen permanent zu. Die Gamma-Werte geben den
geringsten Abstand der Kernschattenachse vom Erdmittelpunkt in
Einheiten des Erdäquatorradius an.Negative Werte bedeuten: die
Kernschattenachse geht südlich am Erdmittelpunkt vorbei, positive
Werte geben an, sie geht nördlich vorbei. Für die Finsternis vom
20. März lautet das Gamma: γ = 0,9454.
Der Saros-Zyklus 120 begann mit der winzigen partiellen Sonnenfinsternis tief im Süden am 27. Mai 933 (Größe3: 0,063) und wird
mit der noch geringeren partiellen Sonnenfinsternis hoch im
Norden am 7. Juli 2195 enden. Die Größe dieser Finsternis beträgt
lediglich 0,035, das heißt, nur dreieinhalb Prozent des scheinbaren
Sonnendurchmessers werden vom Neumond bedeckt. Die Finsternis vom 20. März ist die vorletzte totale im Saros 120. Die nächste
und letzte totale in diesem Zyklus findet am 30 März 2033 statt.
Der Saros-Zyklus 120 umfasst damit eine Zeitspanne von 1262
Jahren.
3
Unter der „Größe“ einer partiellen Sonnenfinsternis versteht man das Verhältnis von
dem vom Mond bedeckten Teil des Sonnendurchmessers und dem ganzen scheinbaren
Durchmesser der Sonne. Bei einer partiellen Sonnenfinsternis ist dieses Verhältnis stets
kleiner als 1.
Zum Schluss ein wichtiger Hinweis: Vorsicht bei der Sonnenfinsternisbeobachtung! Niemals direkt und ungeschützt in die
Sonne sehen! Schwere Augenschäden bis zur vollkommenen
Erblindung drohen!
Schon gar nicht ein Fernglas oder Teleskop auf die Sonne richten,
wenn es nicht über spezielle Filter oder entsprechende Sonnenbeobachtungseinrichtungen verfügt. Am sichersten ist noch die
Projektionsmethode, bei der man nicht durch das Fernrohr blickt,
sondern das Sonnenbild auf einen weißen Schirm (heller Karton
o.ä.) projiziert.
Sonnenbrillen, berußte Gläser und Ähnliches bieten keinen ausreichenden Schutz. Im Fachhandel gibt es spezielle Sonnenfinsternisbrillen zu kaufen. Am besten ist es jedoch, eine öffentliche
Sternwarte zu besuchen, die spezielle Führungen zur Beobachtung der Sonnenfinsternis anbietet. Die Observatorien verfügen
dabei über ein geeignetes Instrumentarium für sichere Sonnenbeobachtungen.