Angekommen in einem neuen, guten Leben von Ulrike Rapp-Hirrlinger Andreas Katzmartzyk gelingt der Neustart mit Hilfe des Vereins „Heimstatt Esslingen“ „Ohne Heimstatt hätte ich es nicht geschafft“, gibt Andreas Katzmartzyk unumwunden zu. Zwei Jahre lebte der heute 53-Jährige auf der Straße. Vor über zehn Jahren hat er mit Hilfe des Vereins „Heimstatt Esslingen“, der seit 25 Jahren wohnungslose Menschen unterstützt, wieder ein Zuhause gefunden, hat eine Ausbildung absolviert und kann heute von seinem Einkommen als Altenpfleger unabhängig leben. Warum er mit dem Trinken angefangen hat, kann Andreas Katzmartzyk gar nicht so genau sagen. Doch schließlich führte seine Alkoholabhängigkeit dazu, dass er seinen Job als gelernter Masseur und medizinischer Bademister verlor. Er konnte seine Miete nicht mehr bezahlen, ein guter Freund starb und Ärger in der Beziehung zu seiner Freundin kam hinzu. Schließlich war ihm der Druck zu viel: „Ich wollte einfach weg und ließ alles stehen und liegen.“ Mit Fahrrad und Schlafsack zog er zwei Jahre lang quer durch Deutschland, brach den Kontakt zur Familie ab. „Die Konsequenzen überlegte ich mir damals nicht.“ Das Leben auf der Straße war alles andere als frei und romantisch, vor allem in den Wintermonaten. „Ich dachte manchmal, ich muss sterben.“ Schließlich verschlug es den gebürtigen Niedersachsen nach Esslingen. Die Evangelische Fachberatungsstelle für Wohnungslose verschaffte ihm eine Unterkunft und später einen Job als Waldarbeiter. „Es war schön, wieder ein Dach über dem Kopf zu haben und auch eigenes Geld. Als Obdachloser ist man immer nur Bittsteller“, räumt er mit romantischen Vorstellungen auf. Der Verein „Heimstatt Esslingen“ gab ihm dann die Chance, ein eigenes abgeschlossenes Zuhause zu beziehen. Zunächst lebte er in einer der 47 vereinseigenen Wohnungen. Seit 2003 wohnt Katzmartzyk in Esslingen-Mettingen in einer der 25 Wohnungen, die private Vermieter dem Verein zur Verfügung stellen. Doch Andreas Katzmartzyk wollte mehr als ein Dach über dem Kopf, er wollte eine erfüllende Arbeit. Im Radio hörte er von der Möglichkeit, sich zum Altenpfleger umschulen zu lassen. „Mir war aber auch klar: Das schaffe ich nur, wenn ich nicht mehr trinke.“ Nach 25 Jahren als Alkoholiker und mehreren Therapien schaffte er es 2001 mit eisernem Willen und der Unterstützung der Heimstatt-Mitarbeiter. Denn zum Konzept des Vereins gehört nicht nur die Versorgung mit Wohnraum, sondern auch die Hilfe im Alltag. So unterstützen sie etwa bei der Schuldenregulierung, der Existenzsicherung und bei Behördengängen, helfen bei Sucht- und anderen Erkrankungen und beraten in allen Lebensfragen. Auch Andreas Katzmartzyk halfen sie, seine Schulden zu bezahlen. Vor allem aber gaben sie ihm Rückhalt beim Kampf gegen den Alkoholismus. „Die waren so was von hartnäckig und gaben nicht auf, mich vom Alkohol abzubringen“, erzählt er dankbar. Im Lauf der Zeit sei ihm Heimstatt zur Familie geworden, „die nie aufgegeben hat und die einem auch mal die Meinung sagt“. Und dann startete Andreas Katzmartzyk durch in sein neues Leben: Weil das Arbeitsamt einen Zuschuss ablehnte, schrieb er selbst Bewerbungen und bekam einen Ausbildungsplatz als Altenpfleger. Nochmal die Schulbank zu drücken, fiel ihm nicht schwer: „Ich war froh, dass meine grauen Zellen noch funktionierten, und die medizinischen Grundkenntnisse hatte ich ja von meinem ersten Beruf.“ Mit einem exzellenten Zeugnis schloss er die Ausbildung ab. Andreas Katzmartzyk hat sich auf die häusliche Intensiv- und Beatmungspflege spezialisiert und hat eine feste Anstellung bei einem Pflegedienst in Stuttgart. Er pflegt Menschen zuhause, die rund um die Uhr intensive Betreuung brauchen, weil sie künstlich beatmet werden. Das bedeutet 12-Stunden-Schichten, in denen man keine Minute unachtsam sein darf. Die Verantwortung ist groß. „Natürlich erlebt man auch kritische Situationen, aber die Verantwortung für das Leben eines anderen bedeutet auch eine Herausforderung.“ Heute ist Andreas Katzmartzyk mit sich im Reinen, fühlt sich „sicher und geborgen“, angekommen in seinem neuen Leben. Er kann von seinem Einkommen gut leben, hat einen Freundeskreis und auch wieder Kontakt zu seiner Familie. Noch immer lässt er sein Konto über Heimstatt laufen: „Das gibt mir Gelegenheit zu Gesprächen und man kann Probleme bereden.“ Die Zeit auf der Straße und der Weg zurück ins „geordnete“ Leben haben ihn geprägt. „Das Tief hat durch das, was ich inzwischen erreicht habe, seinen Sinn bekommen. Deshalb tut es nicht mehr weh. Die Angst, wieder zu trinken oder auf der Straße zu landen, ist seit einer ganzen Weile weg.“ Heute ist er überzeugt, dass ihn auch Arbeitslosigkeit oder Krankheit nicht so leicht umhauen würden. „Ich bin viel gelassener geworden.“ „Andreas Katzmartzyk ist eines unserer Paradebeispiele. Verantwortungsvolle Arbeit zu leisten und unabhängig von stattlichen Leistungen zu leben - das schaffen nicht viele“, sagt Ralf Brenner, der Geschäftsführer von „Heimstatt Esslingen“. Denn oft finden Menschen, die lange auf der Straße gelebt haben, auch wenn sie „trocken“ sind, keine Arbeit.
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