Praxistest - Bremische Evangelische Kirche

Ökumenisches Stadtgespräch
der Kirchen
Ein Kampagnenmotto
im Alltags-Test
Gespräche: Matthias Dembski
Zeichnungen: Elke R. Steiner
Muslime bei uns
Wieviel Islam gehört zu
Deutschland?
21. April 2015, 19.30 Uhr
Kirche Unser Lieben Frauen
Es diskutieren
Bundespräsident a.D.
Christian Wulff
„Der Islam gehört auch zu
Deutschland“
Ilyas Hatscher
Kirsten Vöge
Katharina Batrakow
Stellvertretende Leiterin
Dietrich-Bonhoeffer-Kita Huchting:
Beirat Huchting
60 Prozent unserer Kita-Kinder haben einen Migrat­ions­
hintergrund, wir haben bei uns neun Nationalitäten
unter einem Dach. Wir haben auch Kinder aus Syrien und Albanien bei uns, deren Familien geflüchtet
sind, aber bereits in einer eigenen Wohnung leben.
Zusätzlich haben wir Kinder aus der benachbarten
Notunterkunft aufgenommen, die sonst keinen KitaPlatz bekommen hätten. Auch beim Flüchtlingscafé
im Gemeindezentrum sind wir als Kita engagiert. Die
Familien wünschen sich, dass ihre Kinder schnell einen Kita-Platz bekommen, damit sie Deutsch lernen
und Kontakt zu anderen Kindern bekommen.
Ein großes Problem ist das starre Aufnahmeverfahren.
Wir müssen alle Plätze im März vergeben und haben
dann für Flüchtlingskinder, die diese Fristen nicht einhalten konnten, später nichts mehr frei. Da treffen oft
Welten aufeinander: Unser strukturiertes deutsches
System und der Wunsch der Eltern, die meist aus einer
ganz anderen Kultur kommen und sich einfach einen
Kitaplatz in der Nähe wünschen. Bei sprachlichen Problemen unterstützen uns oft Eltern, die schon länger
hier leben.
Ich verstehe sehr gut, dass sich die Familien Normalität und einen schnellen Zugang zu Bildung wünschen.
Die Stadt muss nachdenken, wie wir gemeinsam darauf reagieren können. Wir dürfen bislang keine Plätze
freihalten, die Flüchtlingskinder bekommen könnten,
die z.B. erst zum Sommer zuziehen. Doch es ist absehbar, dass wir genau dann Kita-Plätze brauchen
werden. Grundsätzlich ist das bunte Bremen in unserer Kita eine Bereicherung. Dafür muss man sich für
andere Menschen wirklich interessieren, offen und
neugierig sein und ihnen respektvoll begegnen. Dann
erfahre ich Neues und höre Geschichten, die meinen
Blick auf die Welt erweitern.
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Heike Kretschmann
Managerin des TUS Huchting
„Bremen ist bunt“ - das ist bei uns im Verein schlichtweg
Alltag. Auch im Vorstand oder bei den Übungsleitern
engagieren sich viele Menschen mit migrantischem
Hintergrund. Viele Mitglieder sind Spätaussiedler, die
sehr sportaffin sind. Gerade im Kinder- und Jugendbereich, zunehmend aber auch beim Gesundheitssport
sind wir bunt.
Integration durch Sport bietet einen leichten Zugang,
denn beim Sport kann jeder mitmachen - unabhängig
von Sprache und Herkunft. Sport erleichtert die Verständigung, zumal die Leute freiwillig kommen und
deshalb aufgeschlossen sind. Über die Gemeinschaft
lernt man sich besser kennen und auch außerhalb des
Sports finden gemeinsame Aktionen statt.
Menschen in Bewegung zu setzen, ist letztlich unser
Auftrag. Aber Sportvereine erfüllen immer auch eine
soziale Aufgabe.
Einige unserer Mitglieder engagieren sich für Flüchtlinge im Stadtteil, auch wenn es anfangs bei einzelnen durchaus Skepsis gab. Als sie jedoch die Menschen und ihre Schicksale kennenlernten, schlug ihre
Zurückhaltung in Sympathie um. Die Hilfsbereitschaft
ist großartig. So übernehmen Senioren z.B. Behördengänge mit Flüchtlingen.
Wir sind mit unserer Halle in der Luxemburger Straße
direkte Nachbarn einer Notunterkunft und haben zu
dem Übergangswohnheim Wardamm ebenfalls gute
Kontakte. Natürlich haben wir die Kinder sofort mit
einbezogen, wann immer in der Halle etwas los ist.
Die Trainer berichten, wie schnell die Kinder Deutsch
lernen und wie toll sie mitmachen.
bremer kirchenzeitung März 2015 · www.kirche-bremen.de
Das bunte Bremen begegnet mir jeden Tag an der Uni
oder auch zu Hause in Huchting, wo ich politisch aktiv
bin. Wir beschäftigen uns intensiv mit der Frage, wo
neue Flüchtlingswohnheime angesiedelt werden können und wie wir die Menschen bei uns willkommen
heißen können. Wir haben die Welt in Grenzen geteilt,
aber die Not durch Armut oder Kriege ist so groß, dass
diese Grenzen keine Bedeutung mehr haben.
Grundsätzlich erlebe ich eine große Offenheit für
Flüchtlinge. Wenn ein Heim in der eigenen Nachbarschaft entstehen soll, treffe ich gelegentlich auch
auf Vorbehalte. Spätestens beim zweiten oder dritten Wohnheim muss die Politik Überzeugungsarbeit
leisten. In Huchting leben bereits viele Menschen mit
Migrationshintergrund. Wer vor 30 Jahren hierher gekommen ist, kann es nicht unbedingt besser nachvollziehen, wie es den Flüchtlingen heute geht.
Bei einer Weihnachtsfeier habe ich viele Flüchtlinge
getroffen, die in ihrer Heimat Arzt oder Bankangestellte waren. Die Menschen bringen Qualifikationen und
Potenziale mit, die wir gut gebrauchen könne. Außerdem lebt unsere Kultur davon, dass sie sich weiterentwickelt. Wer in Frieden und Freiheit mit uns zusammen leben möchte, bereichert unser Land. Wir dürfen
sie nicht vor den Kopf stoßen. Niemand verlässt seine
Heimat gern und freiwillig. Die Menschen sind motiviert, hier gut zu leben.
Meine Familie kommt aus Russland. Meine Großmutter war dort Kinderärztin und meine Eltern waren
Kaufleute. Als wir nach Deutschland kamen, wurde
ihnen ein Realschulabschluss anerkannt, mehr nicht.
Dann geht man erstmal putzen, ehe man eine neue
Ausbildung macht. Aus dieser Erfahrung ist mir wichtig, dass Deutschland Abschlüsse schnell und unbürokratisch anerkennt.
Thomas Müller
Integrationsbeauftragter der Polizei Bremen
Die Polizei trifft auf Menschen mit unterschiedlicher
Herkunft, aus verschiedenen Religionen und Kulturen und mit unterschiedlichen politischen Ansichten.
Vorurteile und Schubladendenken über Volksgruppen
helfen uns bei unseren Einsätzen nicht weiter. Die Kollegen schauen genau hin: In welcher Situation treffen
wir Menschen und wie erreichen wir sie am besten?
Polizistinnen und Polizisten treffen hauptsächlich auf
die Minderheit von Menschen, die mit Kriminalität zu
tun haben. Deshalb müssen wir uns immer wieder klar
machen: Bremen ist bunt und die Mehrheit der Menschen ist nicht kriminell.
Auch Polizisten müssen sich bewusst sein, welchen
Mechanismen sie unterliegen. Jeder Mensch hat Vorurteile, das müssen wir ehrlich sagen. Hautfarbe oder
Aussehen dürfen bei Kontrollen keine Rolle spielen,
wohl aber die Situation, der Ort und bestimmte Verhaltensweisen, die auf Kriminalität deuten können.
Diese Sichtweise vermitteln wir in unseren Schulungen. Auch Polizistinnen und Polizisten müssen für ihre
eigenen Vorurteile aufmerksam sein. Bremen ist bunt,
deshalb müssen wir genau hinschauen, wen wir vor
uns haben.
Schüler am Technischen Bildungszentrum
Khola Maryam Hübsch,
Journalistin und Publizistin
Ich treffe in der Schule oder beim Sport täglich auf
Leute verschiedener Herkunft und Religion. Wenn
ich in eine neue Mannschaft komme, werde ich nicht
zuerst gefragt, welche Position ich spiele, sondern
aus welchem Land ich komme. Bei Gruppenarbeiten
in der Schule stecken mich die Lehrer immer mit anderen Schwarzköpfen zusammen. Die meisten sind
wahrscheinlich Deutsche wie ich, sehen aber anders
aus als der Durchschnittsdeutsche. Leute ordnen Menschen leider zuerst nach ihrem Aussehen ein. Weil ich
dunkle Haare und Haut habe, kontrolliert mich die
Polizei mindestens einmal wöchentlich, weil sie mich
verdächtigt, dass ich Drogen dabei habe.
„Die spirituelle Botschaft des
Islam bereichert Deutschland
– ablehnen müssen wir den
politischen Missbrauch von
Religion.“
In meiner Klasse sind neben „Deutschen“ auch Kurden, Araber und Pakistanis. Ein Mitschüler geht in
eine salafistische Moschee und findet den Islamischen
Staat toll. Davon will er auch andere überzeugen oder
sie damit provizieren, dass seine Religion die beste sei.
Viele sagen: Nerv‘ uns nicht damit, wir sind hier in
der Schule und haben keine Lust, uns über das Abschlachten von Christen zu unterhalten. Warum geht
er in eine Moschee, wo ihm so etwas eingetrichtert
wird? Ich finde es schade, wenn durch solche Äußerungen die in ihrer großen Mehrheit friedlichen Muslime
von vielen Menschen gleich in die gewalttätige Ecke
gerückt werden. Wenn man in eine solche Richtung
denkt wie dieser Mitschüler hat das nichts mit dem
Glauben zu tun. Kein Glaube ist daran interessiert, anderen Menschen zu schaden.
Ich wünsche mir von allen Religionen mehr Offenheit füreinander. An meinem evangelischen Glauben
gefällt mir, dass er mir Freiheiten lässt. Mein Glaube
lehrt mich, anderen offen und respektvoll zu begegnen. Wenn ich zum Rhamadan eingeladen werde, feiere ich mit. Ich verliere meinen Glauben dadurch nicht,
aber ich gewinne Einblicke, die mich bereichern. Bei
uns zu Hause ist jeder herzlich willkommen, ohne dass
wir ihn bekehren wollen. Jede Religion muss erstmal
in ihrem eigenen Garten aufräumen, damit wir irgendwann gemeinsam eine Grillparty feiern können.
Prof. Dr. Christian Troll,
Experte für christlichmuslimische Begegnung
„Die Auslegungen des Koran und
der Sunna sind in Deutschland
willkommen, die mit den Werten
und Idealen seiner Verfassung
voll in Einklang stehen.“
Moderation:
Guido Schulenberg, Radio Bremen
Weitere Gäste
Ismail Baser, Vorsitzender der Schura in
Bremen und Prof. Mouhanad Khorchide
Nordwestradio sendet das Stadtgespräch
am 22. April ab 21.05 Uhr in der Sendung
„Glauben und Wissen“
Dialog und Differenz
Vom Glauben sprechen in einer
multireligiösen Gesellschaft
Vortrags- und Diskussionsveranstaltung
mit Prof. Dr. Klara Butting
und Prof. Dr. Thomas Schirrmacher
16. April 2015, 19.00 Uhr
Gemeindehaus St. Pauli,
Große Krankenstraße 11
www.kirche-bremen.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2015
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