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Mit Druck aus der Krise
Die Digitales-Geschäftsführer Stephan (li.) und Reinhard Kawemeyer (re.) mit einem ihrer Mitarbeiter, Andreas Buhrmester.
Wenn man viel arbeitet, stimmt die Rechnung am Ende, dachte Stephan Kawemeyer lange. Mit den Zahlen
beschäftigte er sich nur selten. Bis die Agentur und Druckerei aus Wagenfeld im Landkreis Diepholz vor drei Jahren
plötzlich kurz vor der Pleite stand. Dann leitete das Unternehmen mit Hilfe von Fachleuten die Wende ein.
Von Georg Thomas
I
ch habe jetzt die volle Kontrolle über
das Unternehmen“, sagt Stephan Kawemeyer und blickt dabei auf eine
Exceltabelle auf seinem Apple-Rechner.
Der Geschäftsführer sieht dort tagesaktuell genau, welche Umsätze und Wareneinsätze die Druckerei Digitales – Gesellschaft für Print- und Infomedien
mbH bislang erzielt hat. Für den gelernten Schriftsetzer ist das eine ganz neue
Erfahrung. Denn viele Jahre hatte sich
der 47-jährige Geschäftsführer fast nur
auf das Tagesgeschäft konzentriert, auf
Druckaufträge, die Maschinen und auch
das Schreiben für das eigene regionale
Anzeigenblatt „Klönsnack“. 1990 war er
in die Druckerei seines Vaters eingestiegen, seit fünf Jahren trägt er die Verantwortung für die Technik. Mit den Zahlen
hatte er nie etwas zu tun. Wenn er viel zu
tun hatte, müsste es doch der Firma auch
gut gehen, dachte er.
Heute weiß Stephan Kawemeyer,
dass er falsch lag. Er und sein Vater
Reinhard Kawemeyer kannten zwar die
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Entwicklung der Branche, die seit Jahren durch die Online-Konkurrenz unter
zunehmenden Druck geriet. Offensichtlich wurden die Probleme ihres Unternehmens für ihn und seinen Vater allerdings erst, vor bald vier Jahren, als
durch falsche Vertragsgestaltungen Bilanzkorrekturen nötig waren. Ein paar
Monate zuvor hatte Stephan Kawemeyer dem langjährigen Geschäftspartner seines Vaters die Anteile am Unternehmen abgekauft. Auf Anraten von
Bank und Steuerberater sollte die Finanzierung dieses Deals über das Unternehmen selbst laufen. Später stellte sich
heraus, dass dieses Modell so nicht funktionierte. Die Firma stand fast urplötzlich vor dem Aus. „Für meinen Vater war
das damals wie ein Schlag ins Gesicht.“
Es gab zwar auch davor kleinere Probleme in der Druckerei, die aber wohl vermutlich länger folgenlos geblieben wären. Nun war die Krise umso größer, weil
beide auch gerade mehrere hunderttausend Euro in neue Maschinen investiert
hatten.
Ohne den unbedingten Willen für das
Vor ort
Familienunternehmen zu kämpfen, gebe
es den Betrieb heute wohl nicht mehr.
„Ausschlaggebend waren nicht die Zahlen, sondern, dass wir mit Haut und Haaren dahinter stehen“, erinnert sich Reinhard Kawemeyer, der Seniorchef an das
entscheidende Gespräch mit der Bank
über den Sanierungsplan und die positive Fortführungsprognose. Das war 2012.
Im vergangenen Jahr hat die Druckerei mit ihren 13 Mitarbeitern bei einem
Umsatz von mehr als einer Mio. Euro
wieder einen fünfstelligen Gewinn erwirtschaftet. „Die Zeichen stehen ganz
gut für uns“, sagt Stephan Kawemeyer.
Auch wenn die Schuldenlast das Unternehmen noch immer sehr belastet, kann
der Geschäftsführer inzwischen auch
wieder ruhig schlafen. „Gewinn machen
wir inzwischen wieder in fast allen Monaten.“ Digitales scheint die Wende geschafft zu haben.
Wichtigen Anteil daran hat die Oldenburger Unternehmensberaterin Regina
Blechschmidt, die Vater und Sohn seit
der Krise unterstützt. Sie führte mit den
beiden auch die Turn-Around-Beratung
Foto
Niedersächsische Wirtschaft
Mai 2015
IHK und KfW helfen in der Krise
durch (siehe dazu auch nebenstehenden
wirtschaftliches Wissen heute gar nicht
Kasten). In einem ersten Schritt analymehr führen.“ Es komme ihm regelrecht
verrückt vor, wenn er bedenke, wie sie
sierte sie Schwachstellen, dann setzfrüher oft die Inventur gemacht hätten.
te sie mit den Unternehmern VerbesseDass die ergriffenen Maßnahmen
rungen um. In ihrer Prüfung stellte sich
so gut greifen, hätte er nicht unbedingt
zum Beispiel heraus, dass die Wareneinerwartet. Am meisten
satzquote sehr stark
Sorge hatte er davor,
schwankte, so dass es
die Preise zu erhöhen.
bei den EinkaufspreiDoch auch das lief probsen große Unterschiede gab und dass DigiEs war falsch, zu denken, lemlos, weil die Kunden
man kann mit Masse
die zusätzlich erbrachtales für seine Kunden
Marge erzielen.«
viele Dienstleistungen
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Rechnung klar identifiRechnung stellte. Mit
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einfachen, aber gezielDruckerei bislang kosStephan Kawemeyer
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übernommen
das Unternehmen hier
hatte. Allein hier konnin den letzten Jahren Verbesserungen
ten viele Zehntausende Euro durch Vererzielt. „Wir gehen jetzt auch nicht mehr
änderungen beim Einkauf eingespart
jeden Preis mit, machen nur die Aufträwerden, berichtet Kawemeyer stolz.
Auch seinen besten Kunden hat Dige, die für uns auskömmlich sind“, erklären beide. „Es war falsch zu denken,
gitales nicht verloren – für rund sieben
man kann mit Masse Marge erzielen.“
Prozent der Umsätze ist der nahegeleFür Kawemeyer und seinen Vater war es
gene Standort von ZF Friedrichshafen in
nicht leicht, sich diese Fehler einzugeDielingen verantwortlich. Nach einer gestehen. „Wenn man ehrlich ist, war das
wonnenen Ausschreibung werden in Wain unserer Situation sogar das Schwersgenfeld sogar die Visitenkarten für das
gesamte Unternehmen, also auch für die
te“, erinnert sich Stephan Kawemeyer.
Mitarbeiter am Bodensee gedruckt. DaDer Weg aus der Krise hat bei ihm auch
Spuren hinterlassen. „Wir haben viel geneben verfügt Digitales über 2000 aklernt. Eigentlich kann man eine Firma
tive Kunden, für die sie auch „mal sehr
ohne kaufmännisches oder betriebsspontan“ arbeiten.
F
Georg Thomas
»
ür Unternehmen, die sich in Schwierigkeiten befinden, gibt es zwei spezielle Programme zur Beratungsförderung: den „Runden Tisch“ der KfW und
die „Turn Around Beratung“.
Beim „Runden Tisch“ wird ein Unternehmensberater beauftragt, eine
Schwachstellenanalyse durchzuführen.
Für diese Aufgabe stehen maximal zehn
Tagewerke (à acht Stunden) zur Verfügung. Die Aufwandsentschädigung des
Beraters in Höhe von 160 Euro pro Tagewerk wird von der KfW getragen. Lediglich die Fahrtkosten des Beraters und die
anfallende Umsatzsteuer sind vom Unternehmen zu tragen. Die „Turn Around
Beratung“ setzt auf einer bereits vorhandenen Schwachstellenanalyse auf. Es
geht bei ihr darum, die Umsetzung von
als sinnvoll erachteten Maßnahmen zu
wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Fragen zu begleiten. Das Beraterhonorar kann im Rahmen des Programms durch einen Zuschuss von bis
zu 3000 Euro aus Mitteln der KfW gefördert werden. Dies entspricht 50 Prozent
des im Beratungsvertrag zu vereinbarenden Netto-Beratungshonorars bei einer
maximalen Bemessungsgrundlage von
6000 Euro. Für beide Programme dürfen
nur Berater als Coach eingesetzt werden,
die in der KfW-Beraterbörse gelistet sind;
www.kfw-beraterboerse.de.
Anträge für den „Runden Tisch“ und
die „Turn Around Beratung“ sind – vor
dem Start der Beratung – online in der
Antragsplattform der KfW zu stellen. Die
IHK Hannover prüft als Regionalpartner die Antragsvoraussetzungen und unterstützt ihre Mitgliedsunternehmen im
Rahmen eines persönlichen Gesprächs.
Ihre IHK-Ansprechpartner zum Thema
sind Scott Kohlberg (Tel. 0511/3107-271)
und Henning Schiel (Tel. 0511/3107-413)
www.hannover.ihk.de
Dok.-Nr. 081361169
Am Rande von Wagenfeld hat die Agentur ihren Sitz.
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