Inhalt 3 Editorial Personalarbeit in der Praxis 27 Die Erfolgsfaktoren von stufengerechten Bewerberinterviews. Experten-Interview 6 «HR-Prozesse wirksamer gestalten» Birgitt Werkmann-Karcher über die Schnittstellen von HRM und Psychologie. Begegnung auf Augenhöhe 30 Rechtzeitig den Dialog suchen Ein Leitfaden für den Umgang mit psychischen Problemen im Betrieb (Teil 1). Arbeitsrecht 10 Finanzielle Engpässe überbrücken Wie sich Liquiditätsprobleme in der Eurokrise rechtssicher überbrücken lassen. 32 Konflikte professionell lösen Wie sich psychosoziale Risiken durch Konfliktmanagement entschärfen lassen. 13 Unlautere Machenschaften Antworten auf Praxisfragen zum Umgang mit Delikten im Betrieb. Lohn 14 Werte & Kompetenzen 35 Wie local.ch durch gezieltes Personalmarketing Mitarbeitende für den Aussendienst gewinnt. 36 Erfolgreicher verhandeln Mit einem praxisnahen Training kann der Verhandlungserfolg gesteigert werden. Funktionsgerechte Vergütung Was es bei der Einführung einer Funktionsbewertung zu beachten gilt. «Eines der meistgesuchten Profile» 38 «Gemeinsam klare Ziele definieren» Claudio Ammann von der Hammer-Gruppe über seine neue Aufgabe als CEO. Sozialversicherungen 18 Denksport «Viele IV-Rentner möchten arbeiten» Die Herausforderungen bei der Integration von psychisch kranken Mitarbeitenden. 39 Auf der Suche Wie gut kennen Sie sich mit dem Thema Stellenanzeigen aus? Testen Sie Ihr Wissen! HR-Strategie 20 Wie sich Arbeitgeber-Awards für das Employer Branding nutzen lassen. 22 41 Fünf gerade sein lassen Tipps gegen übertriebenen Perfektionismus. Die besten Arbeitgeber der Schweiz Das Ranking von Great Place to Work zeigt, was gute Arbeitgeber auszeichnet. 24 Work+ Auszeichnung mit Anziehungskraft Das Engagement im Change sichern Weshalb bei Mitarbeiterbefragungen der Faktor des Engagements wichtiger wird. 42 Vorschau / Impressum www.personal-schweiz.ch Profitieren Sie vom Download unserer HR-Tools! personalSCHWEIZ Mai 2015 5 Experten-Interview Personalpsychologie «HR-Prozesse wirksamer gestalten» Wie lässt sich psychologisches Wissen für die Personalarbeit nutzen? Birgit Werkmann-Karcher, Leiterin des Studiengangs MAS Human Resource Management der ZHAW, über die Aussagekraft von psychologischen Testverfahren und die aktuellsten Erkenntnisse der Forschung. Interview geführt von Wolf-Dietrich Zumach personalSCHWEIZ: Frau WerkmannKarcher, wo sehen Sie die Berührungspunkte zwischen der Psychologie und dem HRM? Birgit Werkmann-Karcher: Beide beschäftigen sich mit der gleichen Materie: das HRM bewirtschaftet und steuert Humanressourcen, die wiederum der Gegenstand des Interesses der Psychologie sind. Hier gibt es ganz grosse Überschneidungen, denn die Psychologie beschäftigt sich allgemein mit dem Erleben und dem Verhalten von Menschen. Speziell auf den beruflichen Kontext bezogen, ist es die Personalpsychologie, die sich mit Menschen als Arbeitnehmenden in einer Organisation beschäftigt. Ich würde einmal schätzen, dass ca. 80 Prozent der Erkenntnisse der Personalpsychologie für das HR unmittelbar interessant sind. HR verfolgt in seinem Feld natürlich vor allem ein ökonomisches Interesse im Sinne eines erfolgreichen Wirtschaftens, während die Psychologie erst einmal ein Erkenntnis- und Verständnisinteresse und dann ein Gestaltungsinteresse hat. Beides lässt sich jedoch verbinden, wenn man daraus nicht einen Wettkampf zwischen ökonomischen und humanen Werten macht. Dort, wo Nachhaltigkeit im Umgang mit Humanressourcen wichtig ist, lassen sich beide Perspektiven sehr gewinnbringend miteinander verbinden. Wie kann die angewandte Psychologie das HR konkret unterstützen? Mit einer ganzen Reihe von Erkenntnissen und Hinweisen, die alle Prozesse im klassischen HR-Zyklus betreffen: Attraktion, Selektion, Beurteilung, Entwicklung, Honorierung und Austritt. Für jeden einzelnen dieser Prozesse gibt es psychologisches Wissen, mit dem man ihn wirksamer gestalten kann. Aber stellen wir einmal die Frage andersherum: An wel- 6 personalSCHWEIZ Mai 2015 Kennt Theorie und Praxis: Birgit Werkmann-Karcher hat viel Erfahrung als Betriebspsychologin. chen Stellen kann die Psychologie das HR nicht unterstützen? Dann lautet die Antwort: An wenigen. Am ehesten trifft das auf das HR-Controlling zu, wo es um die kennzahlenorientierte HR-Steuerung und -Kontrolle geht. Aber auch da gibt es ein Äquivalent in der Personalpsychologie. Man beschäftigt sich dort mit der Evaluation von Verfahrenswirksamkeit z.B. in der Personalselektion oder der Personalentwicklung, allerdings nicht im gleichen Sinne, wie das ein HR-Controlling macht. HR-Controlling macht das mit der Frage «Wohin wollen wir im HR steuern, wie wirkt unsere Steuerung und wie rechnet sich das, was wir da in diesem oder jenem Handlungsfeld tun?» Die Personalpsychologie fragt hingegen: «Wirkt diese oder jene Intervention bzw. dieses oder jenes Verfahren nachweisbar und zuverlässig, und wenn ja: Wie stark?» Dass sich das verbinden lässt, ist klar, aber es sind unterschiedliche Detaillierungsebenen. In der Personalauswahl gibt es ja zwei grundverschiedene Ansätze: die erfahrungsbasierte intuitive Experteneinschätzung – das sogenannte Bauchgefühl – versus die evidenzbasierten Verfahren wie Arbeitsrecht Liquiditätsprobleme Finanzielle Engpässe überbrücken Die Wirtschaftslage im Kontext der Eurokrise hat zur Folge, dass zahlreiche Unternehmen Mühe haben, der Lohnzahlungspflicht fristgerecht nachzukommen. Welche Möglichkeiten gibt es zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen und wo ist besondere Vorsicht geboten? Von Gili Fridland Svensson und Sara Ianni Leere Taschen — ist der Arbeitgeber zahlungsunfähig, können die Mitarbeitenden fristlos kündigen. K ommt der Arbeitgeber seiner Lohnzahlungspflicht nicht fristgerecht nach, befindet er sich in Verzug. Ein Lohnzahlungsverzug berechtigt die Arbeitnehmenden, die Arbeit niederzulegen, ohne dass dies Einfluss auf ihre künftigen Lohnansprüche hat. Die ausstehenden Löhne können entweder auf dem Betreibungsweg oder direkt klageweise beim Gericht geltend gemacht werden. Risiko der fristlosen Kündigung Je nach den Umständen können die Arbeitnehmenden zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigt sein. Dies ist der Fall, wenn Forderungen der Arbeitnehmenden derart gefährdet sind, dass diesen die Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Das erforderliche Mass der 10 personalSCHWEIZ Mai 2015 Gefährdung ist nicht klar festgelegt. Ein Teil der Lehre erachtet bereits einen rückständigen Monatslohn als ausreichend. Zu beachten ist, dass dem Gericht bei solchen Rechtsstreitigkeiten ein erhebliches Ermessen zukommt. Ein fristloses Kündigungsrecht kommt Arbeitnehmenden ferner zu, wenn ihnen der zahlungsunfähige Arbeitgeber für ihre künftigen Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis nicht innert angemessener Frist Sicherheit leistet. Nicht erforderlich ist, dass der Arbeitgeber bereits mit Lohnzahlungen im Verzug ist. Zahlungsunfähig ist der Arbeitgeber, wenn er offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Indizien hierfür sind fruchtlose Pfändungen, massive Zahlungsrückstände und regelmässig verspätete Lohnzahlungen. Keine Zahlungsunfähigkeit liegt dagegen vor im Fall von bloss vorübergehenden Liquiditätsengpässen mit sporadischen Zahlungsrückständen. Sicherheitsleistung für Lohnzahlungen Als Sicherheitsleistung für verspätete Lohnzahlungen kommen z.B. die Pfandbestellung, die Bankgarantie, die Bürgschaft oder die Sicherungszession in Betracht. Strittig ist, in welchem zeitlichen Umfang und für welche Art von Forderungen Sicherheit zu leisten ist. Mehrheitlich wird die Auffassung vertreten, dass nur jene Arbeitnehmerforderungen, die bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist anfallen, sicherzustellen sind. Die Sicherstellung ist nicht auf den Festlohn begrenzt, sondern erfasst alle aus dem Arbeitsverhältnis fliessenden Forderungen (z.B. Boni oder der anteilige 13. Monatslohn). Lohn Funktionsbewertung Funktionsgerechte Vergütung Eine Funktionsbewertung liefert die Grundlage für eine faire Vergütung, da sie verlässliche Salärvergleiche ermöglicht. Welche Kriterien bei der Wahl der Funktionsbewertungsmethode entscheidend sind und welche Erfolgsfaktoren es bei der Einführung zu beachten gilt. Von Urs Klingler und Fabian Emmenegger D ie Funktionsbewertung ist ein Verfahren zur Quantifizierung der Arbeitsschwierigkeit. Sie dient der Erfassung und Beurteilung der Anforderungen, welche die Mitarbeitenden bei der Ausführung einer Funktion erfüllen. Dabei wird von einer angenommenen Normalleistung ausgegangen. Der Begriff «Anforderungen» ist dabei immer aus der Optik der Stelle bzw. Funktion und nicht aus Sicht der Mitarbeitenden zu betrachten. Mithilfe von tätigkeitsbezogenen Kriterien werden die unterschiedlichen Funktionen innerhalb eines Unternehmens bewertet. Aus dieser Bewertung resultiert für die verschiedenen Funktionen ein Arbeitswert. Dabei werden in der Regel nicht alle Stellen einzeln, sondern identische oder ähnliche Stellen zusammengefasst bewertet. Ein Arbeitswert allein erlaubt jedoch keine sinnvolle Aussage; erst in Relation zu Arbeitswerten anderer Funktionen derselben Organisation sind nützliche Ausführungen möglich. Wer hat den anspruchsvollsten Job? Die Funktionsbewertung macht Anforderungen vergleichbar. samtorganisation zu orientieren und entsprechende Entscheidungen verlässlich zu treffen. Die Funktionsbewertung schafft vor allem auch eine interne und eine externe Vergleichbarkeit bei der Einführung von Gesatmvergütungsstrukturen. Der einheitliche Massstab legt den Grundstein für ein praxisgerechtes Vergleichssystem nach innen (interne Gerechtigkeit) und führt zu Klarheit und Effizienz bei externen Marktdatenanalysen (Benchmarks). Grosser Nutzen für HR-Prozesse Kriterien bei der Wahl der Methode Die Funktionsbewertung bestimmt den Wertbeitrag einer Funktion im Verhältnis zur Organisation. Funktionsbewertungen stützen sich auf anerkannte Methoden und die Ergebnisse sind somit gegenüber verschiedenen Anspruchsgruppen schlüssig erklärbar. Zielsetzung ist, dass damit verbundene Personalprozesse (z.B. Karrierepfade, Talentmanagement, Titelstrukturen) verständlich erklärt werden können. Die Funktionsbewertung vermittelt als Führungs- und Organisationsinstrument Klarheit über die erwarteten Anforderungen an die Funktionen. Die jeweiligen Ergebnisse der Funktionsbewertungen erlauben somit Mitarbeitenden wie auch Vorgesetzten, sich in der Ge- 14 personalSCHWEIZ Mai 2015 In der Praxis gibt es eine Vielzahl von analytischen Bewertungsmethoden, die sich im Spannungsfeld zwischen Komplexität und Genauigkeit bewegen. Die bekanntesten Funktionsbewertungsmethoden stammen von Anbietern wie Hay Group oder Mercer. Die meisten Methoden setzen auf einen standardisierten Katalog von Bewertungskriterien, die mit dem Stufenwertverfahren bewertet werden. Mit diesem Verfahren lassen sich sämtliche Karrierelevels am leichtesten abdecken. Zudem können die Funktionsbewertungen innerhalb eines Unternehmens sowie branchenübergreifend und international einheitlich verwendet werden. In der Theorie werden verschiedene Konzepte und Ansätze der Funktionsbewertung diskutiert, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Der zusätzliche Aufwand gewisser Ansätze wird mit einer erhöhten Genauigkeit gerechtfertigt, während der Nutzen dieser Genauigkeit wiederum von anderen Ansätzen als unnötig infrage gestellt wird. Der Entscheid für die Anwendung eines bestimmten Bewertungssystems dürfte somit zu einem gewissen Teil von den Präferenzen der Entscheidungsträger abhängen, zudem aber insbesondere auch von zwei Argumenten, nämlich der Effizienz und der Glaubwürdigkeit der eingesetzten Systematik. 1. Effizienz der Methode In vielen Organisationen haben Vertreter aus dem Management bereits Erfahrungen mit verschiedenen Funktionsbewertungsmethoden gesammelt. Es ist deshalb für eine erfolgreiche Durchführung des Projekts zentral, eine effiziente Vorgehensweise zu wählen und so die Ressourcen der involvierten Personen minimal zu beanspruchen. Die Erfahrung zeigt, dass es von den involvierten Vorgesetzten sehr geschätzt wird, eine konzentrierte Diskus- HR-Strategie Employer Branding Auszeichnung mit Anziehungskraft Arbeitgeberwettbewerbe haben sich als Instrument für das Employer Branding etabliert. Prämierte Unternehmen setzen ihre Auszeichnungen erfolgreich im Personalmarketing ein und profitieren von einem Zuwachs der Bewerberquoten. Von Michael Hermann U nternehmen nahezu aller Branchen und Grössen stehen nicht erst seit heute in Konkurrenz um die besten Talente. Selbstläufer in Sachen Personalmarketing sind selten, besonders wenn Fachund Führungskräfte auf der Wunschliste von Recruitern und Personalvermittlern stehen. Die HR-Profis von heute sind gefordert, in Sachen Personalmarketing aktive Akzente zu setzen. Bilder auf Facebook mit erkennbarem Erlebniswert vom Firmen-Event sind dabei ebenso anzutreffen wie die digitale Schnitzeljagd zum Traumjob. Neben verschiedensten anderen Massnahmen im Bereich Personalmarketing und Employer Branding spielt auch die Teilnahme an Arbeitgeberwettbewerben eine zunehmende Rolle. Auch diese Einzelmassnahme zielt im Kontext einer guten Employer-Branding-Strategie natürlich klar darauf ab, die Attraktivität als Arbeitgeber intern wie auch für Bewerber zu erhöhen. Dabei können verschiedenste Anbieter behilflich sein. Zu den weltweit renommiertesten Veranstaltern von Arbeitgeberwettbewerben gehört das 1991 in San Francisco gegründete Institut Great Place to Work. Seit 2009 prämiert das Beratungsunternehmen auch die besten Arbeitgeber der Schweiz. 20 Die ausgezeichneten Firmen lassen sich einiges einfallen, um als gute Arbeitgeber aufzufallen. Vertrauen als Schlüssel zum Erfolg fordert, gute Arbeit und zusätzlichen Einsatz anzuerkennen. Und: In einer fairen Organisation wird der wirtschaftliche Erfolg ausgewogen durch Vergütungsprogramme und Sonderleistungen verteilt. Für Great Place to Work dient eine vertrauensbasierte Arbeitsplatzkultur als Erfolgsgrundlage für eine mögliche Platzierung im Wettbewerb. Massgeblich dafür sind Glaubwürdigkeit, Respekt, Fairness, Stolz und Teamgeist, insbesondere zwischen den Hierarchieebenen. Glaubwürdigkeit bedeutet unter anderem, dass die Führungskräfte den Mitarbeitenden die Pläne des Unternehmens mitteilen. Respekt er- Auf der Basis eines solchen vertrauensvollen Verhältnisses kann bei den Mitarbeitenden der Stolz wachsen, denn sie sind stolz auf ihre Tätigkeit, auf ihr Team und auf ihr Unternehmen. Bei einem ausgezeichneten Arbeitgeber verblasst ausserdem die strikte Trennung zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden, um einen weiteren positiven Effekt zu nennen. Aber eine vertrauens- personalSCHWEIZ Mai 2015 volle Beziehung am Arbeitsplatz und attraktive Arbeitsbedingungen sind nicht nur der zentrale Schlüssel für die Motivation und Bindung qualifizierter Mitarbeitender. Vielmehr sind Unternehmen mit einer guten Arbeitsplatzkultur auch wirtschaftlich erfolgreicher und leisten so einen wichtigen Beitrag für ihre eigene Zukunftsfähigkeit. Mehr als nur eine Auszeichnung Neben der nach aussen hin sichtbaren Auszeichnung, die Unternehmen im Personalmarketing aktiv einsetzen, bietet die Teilnahme an der zugrunde liegenden HR-Strategie Mitarbeiterbefragung Das Engagement im Change sichern Angesichts der wachsenden Bedeutung von Change-Prozessen steht bei Mitarbeiterbefragungen heute nicht mehr die Zufriedenheit, sondern zunehmend das Engagement im Mittelpunkt. Was bedeutet dieser Trend für die Ausgestaltung und Umsetzung von Mitarbeiterbefragungen? Von Dr. Melanie Knijff und Claudia Conrads B is vor einigen Jahren haben Unternehmen ihre Mitarbeitenden noch zu deren Zufriedenheit befragt. Ganz nach dem Motto «ein zufriedener Mitarbeitender ist auch ein guter Mitarbeitender». In den letzten Jahren hat sich das Blatt jedoch gewendet: Für die Geschäftsführung steht zunehmend das Engagement der Mitarbeitenden im Fokus. Engagement ist eine Kombination aus Leistungsbereitschaft, Motivation und Mitarbeiterbindung an das Unternehmen. Engagement als Zielgrösse Engagement fungiert innerhalb einer Mitarbeiterbefragung daher auch als wichtige Zielgrösse. Eine Zielgrösse definiert das Themengebiet, das mit oberster Priorität verbessert oder gesteigert werden soll. Der Definition einer Zielgrösse kommt auch insofern eine besondere Bedeutung zu, als sie im anschliessenden Massnahmenprozess besondere Aufmerksamkeit erhalten sollte. Es geht ja nicht um eine Befragung um des Befragens willen, sondern um das Ziel, durch die Befragung die Basis für mehr Wachstum und Profitabilität zu legen. Daher soll das Engagement der Mitarbeitenden verbessert bzw. erhöht werden. Partizipation fördert Engagement Wie schafft man es aber, dass die Mitarbeitenden motiviert und leistungsbereit agieren, d. h., sich stark mit dem eigenen Unternehmen identifizieren, sich nicht nur kurz-, sondern mittel- und langfristig für dasselbe einsetzen und mit Freude Leistung erbringen wollen? Es zeigt sich, dass die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit für Mitarbeitende zunehmend wichtiger wird. Das wird vielerorts bereits erkannt. 24 personalSCHWEIZ Mai 2015 Stimmungsbilder einfangen — bei Change-Prozessen ist das Engagement ein entscheidender Faktor. Partizipation oder neudeutsch «Crowdsourcing» ist ein Schlüsselwort zum Funktionieren eines modernen Unternehmens. Wichtig für die Leistungsbereitschaft, die Motivation und die Zufriedenheit ist der eigene Beitrag, den ein Einzelner im Sinne des Unternehmenserfolgs leisten kann. Der eigene Beitrag zum Ganzen ist ein wichtiger Treiber für Engagement. Ist den Mitarbeitenden bewusst, welchen Beitrag sie leisten können, damit das Unternehmen erfolgreich ist, stimmt in der Regel auch die Einsatzbereitschaft; Bindung und Zufriedenheit stellen sich automatisch ein, wenn das entsprechende Engagement und Commitment gegeben ist. Wichtig sind insbesondere die Transparenz und die Anerkennung, die mit dem eigenen Beitrag verbunden sind. Erhält ein Mitarbeitender ein fruchtbares Ar- beitsumfeld, Feedback, Förderung, klare Zielvorgaben sowie Lob bzw. Anerkennung vom Vorgesetzten, kann der eigene Beitrag zum Ganzen durch Führung optimal entfaltet werden. Personelle Leistungsfaktoren entwickeln sich in diesem Sinne erst optimal, wenn Mitarbeitende über Leadership so geführt werden («Empowerment», «Enablement»), dass sie ihr Engagement nutzen können, um am Unternehmenserfolg über den eigenen Wertbeitrag mitzuwirken (Partizipation). Transformationale Führung fördern Mitarbeitende wollen einen Sinn in ihrem Tun sehen. Es muss nicht immer gleich der gesamte Unternehmenserfolg sein, den man im Auge hat – es kann sich auch um den eigenen Beitrag im Team oder in der Abteilung handeln. Entschei- Personalarbeit in der Praxis Stufengerechte Bewerberinterviews Begegnung auf Augenhöhe Interviews stufengerecht führen — nichts einfacher als das. Sollte man meinen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass sich selbst routinierte Recruiter bei Bewerbungsgesprächen nicht immer optimal verhalten. Welches sind die Erfolgsfaktoren für eine stufengerechte Interviewführung? Von Michel Maulaz W ie viele Interviews haben Sie schon geführt? Als HR-Leiter/in, als HRBusiness-Partner, als Linienmanager, als Teamleiter, als Unternehmer, als Personalberater/in? Und wie oft wurden Sie selbst bereits interviewt, befragt, ausgequetscht, verhört oder mit irrelevanten Fragen konfrontiert? Welche Erfahrungen haben Sie in der einen oder anderen Rolle gemacht? Was waren positive Erlebnisse und Erkenntnisse? Wann wurde es kritisch und welche Situationen waren für Sie reine Zeitverschwendung? Und: Woran lag es? Die Erwartungen, Anforderungen und Ziele von Interviewer und Bewerber können sehr unterschiedlich sein. Das Setting und die Haltung bestimmen vieles. Und doch gibt es eigentlich viele gemeinsame Interessen von beiden Gesprächsteilnehmern. Wer ist der «Kunde»? Der Fall ist doch eigentlich klar: Wer zahlt, befiehlt, und so hat der Interviewer, der zukünftige Arbeitgeber oder der Berater als sein Vertreter natürlich die besseren Karten in der Hand. Diese Haltung ist tatsächlich noch weitverbreitet, ob man es glaubt oder nicht. Zumindest erfahren wir dies immer wieder von Kandidatenseite, wenn von schlechten Interviewerlebnissen die Rede ist. Die Gründe sind wohl vielfältig und die «Schuldigen» sind sicherlich auf beiden Seiten zu finden. Aber Hand aufs Herz: Haben Sie sich passend auf den Kandidaten eingestellt? Ist Ihnen klar, welche Fragen Sie mit dem Kandidaten klären möchten bzw. sollten? Oder wenn wir uns in die Situation der Kandidaten versetzen: Testen diese einfach mal ihren Marktwert oder sind sie ernsthaft am Job interessiert? Schaffen sie es, in Die falsche Haltung: Wer arrogant auf seine Bewerber herunterblickt, setzt seinen Ruf aufs Spiel. wenigen Minuten knackige, interessante und relevante Aussagen zu ihrem Leistungsausweis zu formulieren? Wie erläutern und plausibilisieren sie ihre Misserfolge und «dunklen Flecken» im CV? Wie haben sie sich auf ihren Gesprächspartner vorbereitet und eingestellt? Wer ist der «König»? Wir leben bekanntlich nicht in einer Monarchie. Und auf dem internationalen Parkett existieren Monarchien höchstens noch aus Nostalgiegründen. Die Gesprächspartner sollten sich im Interview bewusst sein, dass keiner der Teilnehmer «auf dem Thron» sitzt und auf den anderen herunterblickt. Und Unterwürfigkeit und anbiederndes Verhalten sind ebenfalls nicht angebracht. Die passende Haltung ist wohl eine Begegnung auf Augenhöhe und so sind wir auch beim Thema «Stufengerechte Interviewführung». Aber was heisst denn das konkret? Wie kann ich mich anpassen und bleibe dennoch authentisch? Wie erreiche ich im Interview meine Ziele? Wie komme ich zu den Informationen, die für mich relevant und wichtig sind? Und welches sind denn die Erfolgsfaktoren für eine stufengerechte Interviewführung? Fokussierte Vorbereitung Vorbereitung ist das A und O. Und gleichwohl: Im Rekrutierungsalltag ist der Zeitdruck oft gross. Die Konzentration aufs Wesentliche ist deshalb oft eine sinnvolle Devise: • Welche Informationen muss ich wann haben, um meinen weiteren Entscheid fällen zu können? • Welche Fragen gilt es zu klären, damit ich glaubhaft Alternativen prüfen kann? Nicht auf jeder Stufe sind die gleichen Fragen relevant und ist damit dieselbe Vorbereitung auf das Interview nötig. Der Bezug zur Aufgabe bzw. zum Kandidaten muss unbedingt von Anfang an gegeben sein. Disqualifizieren Sie sich hier nicht personalSCHWEIZ Mai 2015 27 Personalarbeit in der Praxis Psychische Probleme im Betrieb (Teil 1) Rechtzeitig den Dialog suchen Psychische Probleme von Mitarbeitenden können die Zusammenarbeit enorm erschweren. Deshalb gilt es rasch zu handeln. Doch wie können HR-Verantwortliche und Führungskräfte ihre Unsicherheiten im Umgang mit Betroffenen überwinden? Von Rolf Heim A uch wenn man nicht gerne darüber spricht: viele Menschen leiden an psychischen Beeinträchtigungen. In Umfragen und Studien wird deren Anteil an der Bevölkerung auf 25 bis 30 Prozent geschätzt. Bei drei Vierteln der Betroffenen wäre eine Therapie angesagt, die jedoch oft nicht stattfindet. Natürlich wirkt sich das auch auf die Umgebung der Betroffenen aus, die Stressbelastung steigt sowohl für Angehörige wie auch für mitarbeitende Kollegen. Probleme oft verdrängt Die Erfahrung zeigt, dass psychische Probleme lange Zeit verdrängt werden – von den Betroffenen selbst, deren Vorgesetzten, Kollegen und seitens des HR. Beispielsweise wurde mir vom Sozialdienst einer grossen, weltweit tätigen Firma der Fall eines Mitarbeitenden beschrieben, der offensichtlich unter Verfolgungswahn litt. Wiederholt ging er auf eine kleine Gruppe sich austauschender Kollegen zu und fragte in leicht aggressivem Ton, was sie da zu besprechen hätten, ob sie über ihn redeten. Mit diesem Verhalten verunsicherte er seine Kollegen und sorgte bald generell für eine angespannte Situation. Nach weiteren Beispielen erfuhr ich, dass der Zustand seit über neun Monaten andauere. So etwas darf nicht passieren. Für den Arbeitsalltag bedeuten psychische Beeinträchtigungen in erster Linie eine erschwerte Kommunikation mit den Betroffenen sowie reduzierte Arbeitsleistung und Zuverlässigkeit. Die Konsequenzen sind stärkere Belastung der Kollegen (emotional und bezüglich Arbeitsvolumen) und Mehraufwand bei Vorgesetzten (falls diese ihre Führungsaufgabe wahrnehmen) sowie auch beim 30 personalSCHWEIZ Mai 2015 Unsichtbares Leiden — psychische Probleme von Mitarbeitenden werden oft zu spät thematisiert. HR. Entsprechend ist die Devise klar: Bei Veränderungen gilt es, diese so rasch wie möglich anzusprechen. Viele Vorgesetzte oder HR-Fachleute haben Angst, etwas Falsches zu sagen – und sind sich dabei nicht bewusst, dass ihr Nicht-Handeln sie teuer zu stehen kommen kann. Brücke schlafen. Das sind Geschäftsleute, Verkäuferinnen, Bauarbeiter, Lehrer, Mütter, etc., die über das gesunde Mass hinaus trinken. Ihnen sieht man oft ebenfalls nichts an, bemerkt möglicherweise gelegentliche Überreaktionen oder Rückzugstendenzen. Symptome kaum wahrnehmbar Generell gilt für psychische Krankheiten: Betroffene und ihre Umgebung, oft sogar Ärzte und Therapeuten sind überfordert. Entsprechend reagieren die meisten Menschen ganz typisch darauf: mit Verdrängung. Dabei braucht es kein Psychologiestudium, kein klinisches Praktikum oder hellseherische Fähigkeiten, um erfolgreich mit Menschen mit psychischen Problemen umgehen zu können. Erforderlich sind allerdings praktische Qualitäten und Fähigkeiten: Aufmerksamkeit, Sorgfalt, Mut, Geduld – und wenn möglich Wertschätzung und die Fähigkeit, ein Gespräch zielorientiert führen zu können. Die folgenden Ausführungen sollen Ansätze und Möglichkeiten aufzeigen und somit Unsicherheit abbauen. Über psychische Krankheiten oder Beeinträchtigungen wird im Alltag oft sehr emotional diskutiert. Die Symptome sind kaum messbar und wenig begreifbar. Beispielsweise leiden 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung unter Depressionen, je nach Einteilung des Schweregrades. Man sieht die Krankheit den Betroffenen von aussen kaum an, oft wissen diese selbst nicht, woher sie kommt, geschweige denn, wie sie damit umgehen sollen. Ein ebenso verstecktes Phänomen ist die Alkoholsucht: 5 bis 8 Prozent der Bevölkerung pflegen einen kritischen Alkoholkonsum. Das sind nicht Vollalkoholiker, die auf der Strasse leben und unter der Werte & Kompetenzen HR-Manager in der Praxis «Eines der meistgesuchten Profile» Aussendienstmitarbeitende sind in der Schweiz eines der drei meistgesuchten Profile. Bei local.ch setzt man auf gezieltes Personalmarketing, um auch Quereinsteiger für den Job zu gewinnen. Interview geführt von Ralph Hofbauer personalSCHWEIZ: Frau Länger, Sie haben eine Personalmarketing-Kampagne lanciert, um Mitarbeitende für den Aussendienst zu gewinnen. Weshalb ist es so schwierig, diese Stellen zu besetzen? Gabriela Länger: Die Anforderungen an Kundenberater sind hoch. Wir suchen Leute mit einer Mischung aus Ehrgeiz, Fairness und Durchsetzungsvermögen, vor allem aber auch kontaktfreudige Personen mit einem Interesse an Menschen. Ein Kundenberater muss stets zuvorkommend und korrekt sein – unabhängig von der eigenen Laune. Zudem ist täglich seine Initiative und Kreativität gefordert. Gute Berater schaffen Win-win-Situationen, und das will gelernt sein. Entsprechend schwierig ist es, die passenden Leute zu finden. Kommt hinzu: Jedes Unternehmen, das Produkte an den Markt bringen will, braucht einen guten Verkauf. Aussendienstmitarbeitende sind in der Schweiz denn auch eines der drei meistgesuchten Profile. Ihre Kampagne trägt den Titel «Befreien Sie sich!». Glauben Sie, dass sich Ihre Zielgruppe in ihrer bisherigen Tätigkeit eingeengt fühlt? Nicht unbedingt. Die Kampagne zielt vielmehr darauf ab, die Vorteile der Kundenberater-Rolle zu unterstreichen, gerade in Bezug auf die selbstständige Arbeitsweise. Wir möchten die Zielgruppe der Kampagne auffordern, ihre berufliche Zukunft in die Hand zu nehmen, unabhängig davon, ob sie über Verkaufserfahrung verfügen. Sie zielen also vor allem auch auf Quereinsteiger ab? Ja, wir möchten interessierten Menschen die Möglichkeit zum Quereinstieg bieten. Das ist in der Schweiz nicht selbstverständlich. Die Rückmeldungen von Verkäufern, die den Berufswechsel geschafft haben, zeigen: Es kann eine Befreiung sein, einen Beruf zu verlassen, in dem man sich nicht mehr zu Hause fühlt, an den einen aber die einschlägige Ausbildung bisher gebunden hielt. Gegenüber Verkäufern existieren viele Vorurteile. Möchten Sie dieses negative Image mit Ihrer Kampagne korrigieren? Kundenberater werden in der Tat häufig mit einem eher negativen Image assoziiert. Um die bestehenden Vorurteile zu widerlegen, werden wir in Ergänzung zur Kampagne den Berufsstand durch Artikel, Interviews und Portraits dokumentieren, welche die Leidenschaften und die Privilegien der Kundenberater, ihre positiven Erfahrungen, aber auch ihre Sorgen und Ängste aufzeigen. Damit ziehen wir nicht nur neue Kräfte an, sondern würdigen auch die bestehenden. Es sind die Kundenberater, die unser Unternehmen gegenüber den Kunden repräsentieren. Früher galten sie als wenig qualifiziert, wurden als störend wahrgenommen, im schlimmsten Fall sogar als aufdringlich. Das ist passé. Unsere Verkäufer sind gut ausgebildet und wissen, wie sie ihren Kunden einen Mehrwert bieten können. Worauf achten Sie bei der Ausbildung Ihrer Kundenberater? Wir investieren bewusst viel in die Schulung. Es ist wichtig, nicht nur Produktkenntnisse, sondern auch unsere Unternehmenswerte und die passenden Verkaufstechniken zu vermitteln. Die Grundausbildung spielt, wie gesagt, eine untergeordnete Rolle. Die interne Aus- und Weiterbildung hingegen ist matchentscheidend. Sie reicht von der Produkteschulung über die Selling Skills bis hin zum Coaching. Mit Rollenspielen, E-Learning, Training on the Job und Best-Practice-Methoden begleiten wir die Mitarbeitenden vom ersten Tag an: Die Junioren werden mit einem sechsmonatigen Programm zum Kundenberater ausgebildet und zertifiziert. Bei den bestehenden Kundenberatern setzen wir mit spezifischen Trainings an. Und die Regionalleiter durchlaufen – wie übrigens alle Führungskräfte bei local.ch – gezielte Führungsausbildungen. Die Online-Verzeichnisse local.ch und search.ch werden demnächst zusammengelegt. Was bedeutet dieser Change-Prozess für Ihre HR-Arbeit? Durch die Fusion können wir den OnlineMarkt der Schweiz mit zwei sehr bekannten Marken bearbeiten und damit die Digitalisierung der Schweiz an vorderster Front mitgestalten. Für unsere Mitarbeitenden bedeutet dies, für ein Unternehmen mit ausgezeichneten Zukunftsperspektiven zu arbeiten. Und das wiederum wird es für Talente auf dem Arbeitsmarkt attraktiv machen, zu uns zu kommen. Zur Person Gabriela Länger ist Leiterin HR und Mitglied der GL bei local.ch. Das führende Unternehmen im Schweizer Verzeichnismarkt ist eine Tochter der Swisscom, beschäftigt rund 800 Mitarbeitende und wird diesen Sommer mit search.ch fusionieren. personalSCHWEIZ Mai 2015 35
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