Lernen, den Bedarf zu managen

Dossier Pflanzenschutz
Lagergetreide Im vergan­
genen Jahr vielerorts ein
vertrauter Anblick.
Feldversuche mit teilflächen­
spezifischer Wachstumsregler­
behandlung haben positive
Effekte gezeigt.
Wachstumsregler-Einsatz
Lernen,
den Bedarf zu managen
Wachstumsregler im Getreide sollen Lager vermeiden. Unter Umständen kann es dabei aber zu
Mindererträgen kommen. Das Wachstumsregler-Modul für den YARA N-Sensor ermöglicht die
teilflächenspezifische Anpassung der Aufwandmengen an die jeweilige Bestandesdichte.
V
ergangenes Jahr trat auf vielen Getreideschlägen in Deutschland Lager
auf — mit den bekannten Folgeproblemen wie Mindererträge, Qualitätsverluste oder höhere Erntekosten. Also
müssen in diesem Jahr die Wachstumsregler in höheren Aufwandmengen und eventuell häufiger eingesetzt werden, könnte
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PP
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Der Wachstumsreglereinsatz ist
sorten-, wetter-, düngungs- und
standortabhängig.
Aktuell dichte und oft weit entwickelte
Getreidebestände könnten auch 2015
eine erhöhte Lagergefahr bedeuten.
Der Sensor hat sich auch im Raps
bewährt.
man meinen. Aber auch im Lagerjahr 2014
gab es wieder etliche Feldversuche, in denen
die unbehandelte Kontrolle ohne Lager den
höchsten Ertrag brachte und alle Varianten
mit Wachstumsreglern Mindererträge, übrigens selbst im maritimen Schleswig-Holstein.
Nachfolgend einige Tipps, wie Sie in diesem
Jahr den goldenen Mittelweg finden.
Fotos: Werkfotos agricon
Kurz & knapp
April 2015
Aktuelle Tipps: Behandlungsempfehlungen für das Frühjahr 2015
Zum aktuellen Zeitpunkt (Redaktionsschluss Mitte März) stehen
nach dem überdurchschnittlich warmen Herbst und vergleichsweise milden Winter vielerorts eher weit entwickelte, dichtere
Bestände mit vielen Nebentrieben. Das Lagerrisiko ist erhöht,
besonders bei frühen Saatterminen. In Schleswig-Holstein beispielsweise wurden im Herbst letzten Jahres einzelne zu früh
gedrillte Weizen- und Gerstenflächen mit dem Schlegelmulcher
bearbeitet, weil das Wetter so ungewöhnlich wüchsig war.
Gründe für Lager 2014
Was aber hätte man im letzten Jahr besser machen können, um Lager zu vermeiden?
NNBei Anwendungen bei zu niedrigen
Temperaturen war die Wirkung unbefriedigend. Schlechte Termine kann
man nicht durch höhere Aufwandmengen ausgleichen.
NNDas erhöhte Lagerrisiko war zu Saisonbeginn deutlich. Durch die Erhöhung der Anzahl der Wachstumsregler-Behandlungen lässt sich der Schutz
vor Lager steigern, oftmals bei besserer Verträglichkeit aufgrund der etwas
niedrigeren Aufwandmengen. Dies gilt
beispielsweise für den zweimaligen
Einsatz in Wintergerste statt einer einmaligen Behandlung.
NNÜppige Bestände bekamen mancherorts zu viel N. So waren Schläge, auf
denen der Stickstoff mit dem YARA
N-Sensor teilflächenspezifisch ausgebracht wurde, von Lager deutlich weniger betroffen als Nachbarschläge.
Manches späte Lager war nicht zu vermeiden: Im Raum Münster in Nordrhein-Westfalen fielen am 28. Juli letzten Jahres mehr
als 100 l Regen pro m2 innerhalb weniger
Stunden. Aufgrund des Klimawandels muss
man leider mit einer Häufung solcher Star-
In diesem Frühjahr stehen mehrere neue Mittel mit bekannten
Wirkstoffen zur Verfügung. Am interessantesten erscheint Moddus Start, denn es besitzt als einziges Trinexapac-haltiges Produkt im Weizen bereits eine Zulassung ab Mitte der Bestockung (EC 25). Moddus Start kann in Kombination mit CCC daher
in üppigen Weizenbeständen insbesondere bei wenig standfesten Sorten schon früh in der Bestandesentwicklung eingesetzt werden. Aber wie bei allen Wachstumsreglern muss das
Wetter am Spritztermin wüchsig und möglichst sonnig sein. Die
empfohlenen Aufwandmengen sind bei Moddus Start aufgrund
der anderen Formulierung geringer als bei Moddus. Die beiden neuen Produkte Moxa und Modan, ebenfalls mit dem Wirkstoff Trinexapac, erweitern die Palette von Moddus, Calma und
Countdown, sind aber bereits in EC 30 statt EC 31 zugelassen.
Die beiden neuen Mittel Orlicht und Profi Ethephon 660 mit dem
Wirkstoff Ethephon wiederum gehören zur Gruppe Camposan
Extra und Cerone 660. Orlicht ist nur in Wintergerste und nur
von EC 32-39 zugelassen.
kregen-Ereignisse im Sommer rechnen.
Da der Klimawandel auch häufiger zu milden Wintern führt, erhöht sich die Intensität des Wachstumsregler-Einsatzes tendenziell weiter.
Andere Bestände sind aus — im Nachhinein gesehen — verständlichen Gründen
ins Lager gegangen: Auf leichten Böden sind
häufig zu wenig Wachstumsregler eingesetzt
worden, weil angesichts des zunächst trockenen Aprils Wasserknappheit zu befürchten war. Die Niederschläge im Mai förderten
dann das Längenwachstum der Pflanzen und
ermöglichten schwere Ähren (Stickstoff-Mobilisierung).
Versuchsergebnisse
2008 bis 2014
Das Wachstumsregler-Modul für den teilflächenspezifischen Einsatz wurde gemeinsam von Agricon und proPlant entwickelt
und erstmals 2007 bereitgestellt. Seit 2008
wurden von Agricon insgesamt 36 marktbegleitende Großparzellenversuche in den fünf
neuen Bundesländern durchgeführt, um die
Empfehlungen des Moduls vergleichend zu
überprüfen (siehe Tabelle).
Bei der Versuchsanlage handelte es sich um
Langparzellen mit mindestens drei Wiederholungen. Die Parzellen waren an den Fahrgassen ausgerichtet und 48 oder 72 m breit.
Sowohl die konstante und teilflächenspezifische Applikation als auch die Ernte mit Ertragskartierung wurde durch den jeweiligen
Partnerbetrieb durchgeführt. Es wurden diverse Sorten mit unterschiedlicher Lageranfälligkeit angebaut.
Welche Schlussfolgerungen kann man
aus den sechs Versuchsjahren ziehen? In den
meisten Jahren wurden insgesamt um 10 bis
20 % geringere Aufwandmengen eingesetzt
als bei der schlageinheitlichen Variante, so
dass Kosten eingespart wurden. Aber in einzelnen Versuchen oder Jahren, zum Beispiel
2013, wurden auch mehr Wachstumsregler
ausgebracht. Dabei wurde ein um 2 bis 3 %
höherer Ertrag erzielt, und dies stabil über
die sechs sehr unterschiedlichen Versuchsjahre. Nur in einem der 36 Versuche trat im
Jahr 2014 Lager auf, allerdings erst sehr spät
und witterungsbedingt. Der finanzielle Vorteil
ist vor allem abhängig von der Heterogenität
der Schläge, der Getreideart, dem Getreidepreis und dem Mittelpreis der Wachstumsregler. Aufgrund der Erfahrungen aus diesen
36 Versuchen sind beim aktuellen Preisniveau 50 €/ha Mehrerlös erreichbar.
Bestände vereinheitlichen
Wie 2014 sind auch in diesem Jahr bislang die
Getreidebestände eher dicht und weit entwickelt, was das Lagerrisiko natürlich erhöht.
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April 2015
Aber darüber hinaus gibt es selbstverständlich viele weitere Kriterien, die das Lagerrisiko beeinflussen. In hoch lageranfälligen
Weizensorten wie Cubus, Discus oder Toras
wird man einen intensiveren Wachstumsreglereinsatz betreiben als in sehr standfesten
Sorten wie Dekan, Linus oder Pamier.
Dass der teilflächenspezifische StickstoffEinsatz mit dem YARA N-Sensor zu gleichmäßigeren Beständen mit geringerem Lagerrisiko führt, hat sich über viele Jahre bestätigt.
Der teilflächenspezifische WachstumsreglerEinsatz mit demselben Sensor oder auch dem
neuen Pflanzenschutzsensor P3 ALS bringt
zusätzliche Vorteile:
NNdünne Bestandesstellen erhalten weniger Wachstumsregler, dadurch sinkt
dort das Risiko von Mindererträgen
(zum Beispiel bei ausgeprägter Trockenheit im Frühjahr),
NNdichte, lagergefährdete Bestandes­
stellen erhalten mehr Wachstumsregler, dadurch sinkt dort das Risiko von
Lager,
NNdie Bestände werden gleichmäßiger,
das senkt die Kosten beim Mähdrusch.
Einsatzfläche wächst
Die Einsatzfläche für den YARA N-Sensor
zur Wachstumsregler-Gabe wächst seit der
Markteinführung im Jahr 2007 kontinuierlich.
Neben dem Getreide ist auch der Winterraps
eine interessante Kultur für diese Fragestellung. Beispielsweise zeigen Feldversuche das
Potenzial bei der teilflächenspezifischen Variation der Carax-Aufwandmenge im Herbst
bei der Wuchsregulierung in ungleichmäßigen Rapsbeständen. (ha)
Thomas Volk, proPlant GmbH, Münster
Sensor: Aufbau des Wachstumsregler-Moduls
Zum YARA N-Sensor gehört als Software auf dem Steuerungsterminal die „Precision Farming Box“ (kurz PF-Box). Von der
Firma Agricon kann man sich das zusätzliche Wachstumsregler-Modul für die PF-Box freischalten lassen. Das Programm
schlägt Einzelprodukte oder Mischungen mit Aufwandmenge
vor, nachdem folgende Parameter erfasst sind: Getreideart,
Sorte, Einsatzbedingungen je nach Wetter, EC-Stadium, Wasserverfügbarkeit und Saatdatum. Die Wachstumsregler und
Getreidesorten werden jährlich aktualisiert, es gibt Regelfunktionen für alle Getreidearten und Raps. Falls durch Feldversuche oder Anregungen der Anwender neue Erkenntnisse gewonnen werden, werden diese ebenfalls durch das jährliche
Software-Update verfügbar gemacht.
Das Modul basiert fachlich auf dem Pflanzenschutz-Beratungssystem proPlant expert.classic. Der Landwirt kann der
Empfehlung folgen, sie erhöhen oder reduzieren, je nach persönlicher Risikobereitschaft. Danach läuft in Sekundenbruchteilen der gesamte Vorgang ab:
NNYARA N-Sensor: Messen der Bestandesunterschiede,
NNSoftware Wachstumsregler-Modul: Berechnen der optimalen Aufwandmenge,
NNPflanzenschutzspritze: Regeln der Spritzbrühe online während der Überfahrt.
Beispiel: Der optische Sensor liefert hohe Messwerte für
dichte, hoch mit Stickstoff versorgte Bestandesstellen. Die
Software berechnet automatisch daraus für diese Teilfläche
eine höhere Wachstumsreglermenge, die von der Spritze ausgebracht wird.
Ein vorhandenes Terminal und die eigene Spritze können genutzt werden.
Versuchsergebnisse 2008—2014
2008
Winterweizen-Versuche
5 (3× Akteur,
Monopol, Türkis)
Wintergersten-Versuche
3 (2× Lomerit,
Laverda)
2009
2010
6 (2× Akteur,
3 (2× Akteur, Julius)
Brilliant, Bussard,
Monopol, Potenzial)
2011
2013
2014
3 (Schamane,
Mulan, Kranich)
3 (Lear, Kerubino,
Chevalier)
2 (JB Asano, Tobak)
6 (3× Lomerit,
2 × Fridericus,
Highlight)
4 (3× Fridericus,
Highlight)
-
-
-
Winterroggen-Versuche
-
1
-
-
-
-
Versuche insgesamt
8
13
7
3
3
2
nein
nein
nein
nein
nein
1× spätes Lager
Aufwandmenge WR teil­
flächenspezifisch in %
89,3 %
(63—104 %)
87,1 %
(52—124 %)
80,2 %
(68—96 %)
78,0 %
(69—84 %)
105,9 %
(101—107 %)
89,0 %
(88—90 %)
Kornertrag teilflächenspezifisch in %
101,5 %
(100—104 %)
101,3 %
(98—104 %)
102,3 %
(100—107 %)
107,2 %
(101—114 %)
102,0 %
(101—103 %)
102,4 %
(101—104 %)
Lager
Die Ergebnisse des N-Sensors sind nicht übertragbar auf andere Systeme. 2012 fanden keine Feldversuche statt.
68 agrarmanager april 2015
Quelle: Agricon