mo Möbelindustrie Das futuristische Mustermöbel zeigt eindrucksvoll die Flexibilität der natürlich anmutenden Smartfoil EVO. Bilder: Schattdecor 30 Jahre Möbeldekor Täuschend echt Neue Oberflächen entsprechen dem Kundenwunsch nach wertiger Optik und Haptik zu einem guten Preis Moderne Finishfolien erreichen Oberflächenqualitäten, die selbst von Experten kaum noch von Echtholz-Furnier zu unterscheiden sind. Mit vorangetrieben hat diese Technologieentwicklung ein Unternehmen aus dem oberbayrischen Thansau, das aktuell sein 30-jähriges Jubiläum feiert und weltweit pro Jahr 2 Milliarden Quadratmeter produziert. Es ist noch nicht so lange her, da galt für besonders hochwertige Möbel Massivholz als Standard. In der Hierarchie weiter unten rangierten Möbelstücke, deren Oberflächen mit hauchdünnem Echtholz veredelt wurden, sogenanntem Furnier. Mit Dekorfilmen kaschierte Möbelstücke aller Art galten als eine preisbewusste Alternative. Doch die Sichtweisen einer zunehmenden Zahl von Käufern ändern sich. Optik, Funktionalität und Preis stehen weiter oben auf der Prioritätenliste, während die Zahl derjeniger, für die Vollholz oder zumindest Furnier Entscheidungskriterium ist, sinkt. „Der Grund, warum die Furnierindustrie in den letzten zehn Jahren extrem gelitten hat liegt in dem Umstand begründet, dass die Qualität der Finishfolien erheblich verbessert werden konnte und die Wertschätzung der Kunden für Oberflächennachbildung sich dadurch erheblich zum Positiven verändert hat“ erläutert Klaus Müller, Leiter Vertrieb Folie bei Schattdecor. „Die Nachbildungen sind inzwischen so gut, dass sogar Experten Mühe haben, 12 Furnier und Finishfolie auseinanderzuhalten. In diesem Zuge wird die Optik zunehmend zum Kriterium bei der Kaufentscheidung und nicht mehr, wie früher, die Materialität. Das gilt insbesondere für junge Leute. Massivholz ist immer weniger ein ausschlaggebendes Kriterium, stattdessen eine leichte Bauweise, modisches Design und Funktionalität.“ Zu der qualitativen Weiterentwicklung der Finishfolien hat das Unternehmen Schattdecor aus dem oberbayrischen Thansau einen erheblichen Anteil beigetragen. Als Walter Schatt vor 30 Jahren, 1985, mit der Produktion von Tiefdruck-Dekorpapier begann, trat er gegen eine ganze Reihe etablierter Produzenten an. Sein Ziel war es, Europa um eine „kleine und flexible Druckeinheit“ zu bereichern und die Dekorqualität deutlich nach vorne zu bringen. Der Dekordruck in Europa befand sich zur damaligen Zeit auf einem qualitativ zu bescheidenen Niveau, um der seit Ende der 1970er Jahre aus Japan angebotenen Dekordruckqualität auf Dauer Stand zu halten. Ziel Walter Schatts war es, das japanische Verfahren auf die europäischen Verhältnisse zu transportieren und zur Produktionsreife zu bringen. Doch auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit hatte man sich in Stephanskirchen einem hohen Anspruch verschrieben. Von Anfang an hatte man sich entschlossen, das Farbsystem von den lösemittelhaltigen auf organische Pigmente umzustellen. Leider stellte sich heraus, dass die neuen Farben völlig metamer zueinander waren. Unter diesem sogenannten Metamerismus werden die Eigenschaften unterschiedlicher Pigmenttypen verstanden, bei wechselnden Lichttemperaturen ein jeweils differierendes Reflektionsverhalten zu zeigen. Dadurch können je nach Beleuchtung Farbverschiebungen entstehen, die das Qualitätsempfinden der Kunden beeinträchtigen. Bis heute werden bei Schattdecor ausschließlich lösungsmittelfreie und wasserbasierte Farb- und Lacksysteme verarbeitet. Den Weg vom Newcomer zum heutigen Weltmarktführer ebnete In allen Werken wird weltweit im Tiefdruckverfahren mit wasserbasierten Farben auf Spezialpapier gedruck. Jahrg. 69 (2015) 5 Möbelindustrie dabei in erster Linie der Perfektionismus und Weitblick, der den Firmengründer antrieb. Zum Beispiel übernahm er die Druckmaschinensparte aus der Insolvenz des Maschinenbauers Kochsiek, um das Knowhow im Engineering-Bereich zu erhalten und gründete anschließend mit Rotodekor eine eigenständige Druckmaschinenfirma, die die eigenen Werke weltweit ausstattete. Früh begann Schattdecor außerdem, die Druckzylinder selber im Haus zu gravieren und zu verchromen, um die Qualität der Druckvorlagen direkt kontrollieren zu können. In den knapp 20 Meter hohen Hochregallagern ruht dementsprechend ein regelrechter Unternehmensschatz: insgesamt weit mehr als 5000 Druckzylinder mit unterschiedlichen Dekoren verwahrt der Oberflächenspezialist an der Unternehmenszentrale in Thansau. „Werden Dekore längere Zeit nicht mehr gedruckt, werden die Druckzylinder entschichtet, neu verkupfert und anschließend für ein neues Dekor graviert“, berichtet Müller. Ein wichtiger Schritt war außerdem, dass Schattdecor sich schon vor über 20 Jahren entschied, den eigenen Kunden ins Ausland zu folgen und für führende Möbelhersteller direkt vor Ort in Polen zu produzieren. Inzwischen gibt es weltweit Werke in Italien, Russland, USA, Brasilien, China und der Türkei. Mit weltweit identischen Maschinen, dem gleichen Papier und der gleichen Druckfarbe können alle Werke unabhängig vom Standort die gleiche Qualität liefern. Diesem Umstand verleiht der Dekordrucker mit dem Qualitätskennzeichen „Made by Schattdecor“ Ausdruck und versieht jede bedruckte Dekorpapierrolle, die weltweit an den Kunden versendet wird, mit einem entsprechenden Aufkleber. Für jedes Dekor müssen bis zu vier Druckzylinder hergestellt werden. Diese stellt Schattdecor in der eigenen Gravur- und Galvanikabteilung selbst her. Möbeloberflächen in 350 m/min Betritt man die Werkshallen in Thansau, beeindrucken als erstes die großen Tiefdruckmaschinen, die mit bis zu 2,70 Metern Breite und maximal 350 Meter pro Minute drucken. „Der Tiefdruck auf Dekorpapier ist mit 1,5 Milliarden Quadratmetern immer noch weltweit das wichtigste Standbein von Schattdecor, bestätigt Müller. „Die Finishfolien sind allerdings stark im Kommen, weil sie die Bedürfnisse der Kunden nach einer perfekten, naturnahen Optik und Haptik noch besser erfüllen.“ Im vergangenen Jahr produzierte Schattdecor für seine Kunden rund 300 Millionen Quadratmeter Finishfolie und die Tendenz ist weiter steigend. Im Gegensatz zum Dekorpapier handelt es sich bei der Folie um ein Endprodukt. Der Dekordruck erfolgt auf ein Vorimprägnat, das anschließend lackiert wird und auf diese Weise das spezielle Oberflächenfinish erhält. Die neueste Entwicklung in diesem Bereich ist die Smartfoil Evo. Üblicherweise erfolgt die finale Lackierung mit einem säurehärtenden Lacksystem. Bei der Kapazitätserweiterung des Werkes in Polen entschied sich Schattdecor allerdings für ein moderneres Verfahren, bei dem ein elektronenstrahlhärtendes Lacksystem (ESH) eingesetzt wird. Dabei wird im Vakuum mit einer Elektronenstrahlkanone ein definierter Strom von Elektronen erzeugt, die durch eine dünne Titanfolie aus dem Vakuumbereich austreten, auf das Substrat treffen und den Lack polymerisieren. Im Vergleich mit einer UV-Härtung sind bei einer ESH-Härtung zwar deutlich mo mo Möbelindustrie Bis zu 350 m/min schaffen die großen Druckmaschinen bei Schattdecor. größere Anfangsinvestitionen notwendig, „doch im Ergebnis überwiegen die Vorteile“ erklärt Müller. Die dekorsynchrone Oberflächentechnologie ermöglicht den natürlich anmutenden Matt-Glanz-Effekt in einem einzigen Produktionsschritt – in einer Breite von 2,70 Metern ein Novum! Finish-Folie für die perfekte Imitation Bei der Produktionsmaschine für die Smartfoil EVO handelt es sich um eine Kombination aus klassischem Tiefdruck in Verbindung mit einer 2-stufigen ESHLackierung. Auf diese Weise können Dekore mit einer Matt-Glanz-Lackierung veredelt werden. Das Endergebnis ist kaum mehr von einem echten Holzfurnier zu unterscheiden. „Im Gegenteil, nicht selten bemängeln Kunden beim Echtholzfurnier Farbunterschiede, die sich aus dem natürlichen Werkstoff ergeben“, schmunzelt Müller. „Letztendlich bietet uns das neue Verfahren extrem viele Möglichkeiten und stellt eine ideale Alternative zu den bisherigen säurehärtenden Lackiersystemen dar. Die ESH-Technologie wird bisher im Werk in Posen und auch im zweiten polnischen Werk in Glucholazy, in dem ausschließlich lackiert und konfektioniert wird, eingesetzt. Zum Thema Digitaldruck bleibt man bei Schattdecor realistisch. „Als Weltmarktführer im Tiefdruck ist es unsere Aufgabe, die künftige Bedeutung des Tiefdrucks kritisch zu hinterfragen und rechtzeitig nach Alternativen zu suchen“, schildert Müller die Situation. „Unser Anspruch ist ganz klar: sobald es eine digitale Drucktechnologie gibt, die unseren Ansprüchen genügt, muss die erste Maschine bei uns stehen. Aus diesem Grund hat man gemeinsam mit dem Digitaldruckspezialisten Palis (Padaluma Inkjet-Solutions GmbH & Co.KG) und der Firma Rotodecor eine SinglepassInkJet-Druckanlage für Thansau konzipiert. Künftig soll die Palis 2250 in einer Breite von 225 cm digital mit tiefdruckidentischen Pigmenten auf Dekorpapier drucken und dabei eine Druckgeschwindigkeit von bis zu 150 m/min erreichen. Mittelfristiges Ziel der Entwicklungspartnerschaft ist es, den Digitaldruck auch im In Thansau lagern in zwei baulich getrennten Hochregallagern knapp 5.000 Druckzylinder. 14 Die verkupferten Stahlzylinder werden auch per Laser für den Druck strukturiert. Bereich der Dekordruckindustrie einzuführen und damit eine echte Alternative zum Tiefdruckverfahren hervor zu bringen. Digitaldruck bisher kein Ersatz für Tiefdruck Ein Aufbau der digitalen Druckmaschine ist für das kommende Jahr vorgesehen. Insgesamt zeigt die positive Entwicklung von Schattdecor, dass es sich lohnen kann, neue Technologien voranzutreiben und sich mit bestehenden Maßstäben nicht zufrieden zu geben. Ganz nach dem Motto von Walter Schatt: „Wir sind unseren eigenen Weg gegangen und haben dabei niemanden gefragt!“ Ein starkes und selbstbewusstes Credo – die Erfolgsgeschichte von Schattdecor, die am 26. April 1985 mit der ersten bedruckten Dekorpapierrolle begann, gibt ihm recht. Aktuell beschäftigt Schattdecor mehr als 2.000 Mitarbeiter an 13 Standorten und ist bis heute geprägt von der Leidenschaft für das perfekte Dekor. CB i Schattdecor AG www.schattdecor.de Klaus Müller und der mo-Chefredakteur Carsten Blumenstengel bei der Begutachtung der Qualität einer Finishfolie. Jahrg. 69 (2015) 5
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