Mai 2015 - mo-Magazin für Oberflächentechnik

mo
Möbelindustrie
Das futuristische Mustermöbel zeigt
eindrucksvoll die Flexibilität der
natürlich anmutenden Smartfoil EVO.
Bilder: Schattdecor
30 Jahre Möbeldekor
Täuschend echt
Neue Oberflächen entsprechen dem Kundenwunsch
nach wertiger Optik und Haptik zu einem guten Preis
Moderne Finishfolien erreichen Oberflächenqualitäten, die selbst von
Experten kaum noch von Echtholz-Furnier zu unterscheiden sind. Mit
vorangetrieben hat diese Technologieentwicklung ein Unternehmen aus
dem oberbayrischen Thansau, das aktuell sein 30-jähriges Jubiläum feiert
und weltweit pro Jahr 2 Milliarden Quadratmeter produziert.
Es ist noch nicht so lange her, da galt für
besonders hochwertige Möbel Massivholz
als Standard. In der Hierarchie weiter unten rangierten Möbelstücke, deren Oberflächen mit hauchdünnem Echtholz veredelt wurden, sogenanntem Furnier. Mit Dekorfilmen kaschierte Möbelstücke aller Art
galten als eine preisbewusste Alternative.
Doch die Sichtweisen einer zunehmenden
Zahl von Käufern ändern sich. Optik,
Funktionalität und Preis stehen weiter oben
auf der Prioritätenliste, während die Zahl
derjeniger, für die Vollholz oder zumindest
Furnier Entscheidungskriterium ist, sinkt.
„Der Grund, warum die Furnierindustrie in
den letzten zehn Jahren extrem gelitten hat
liegt in dem Umstand begründet, dass die
Qualität der Finishfolien erheblich verbessert werden konnte und die Wertschätzung
der Kunden für Oberflächennachbildung
sich dadurch erheblich zum Positiven verändert hat“ erläutert Klaus Müller, Leiter
Vertrieb Folie bei Schattdecor.
„Die Nachbildungen sind inzwischen
so gut, dass sogar Experten Mühe haben,
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Furnier und Finishfolie auseinanderzuhalten. In diesem Zuge wird die Optik zunehmend zum Kriterium bei der Kaufentscheidung und nicht mehr, wie früher, die Materialität. Das gilt insbesondere für junge
Leute. Massivholz ist immer weniger ein
ausschlaggebendes Kriterium, stattdessen
eine leichte Bauweise, modisches Design
und Funktionalität.“
Zu der qualitativen Weiterentwicklung der
Finishfolien hat das Unternehmen Schattdecor aus dem oberbayrischen Thansau einen
erheblichen Anteil beigetragen. Als Walter
Schatt vor 30 Jahren, 1985, mit der Produktion von Tiefdruck-Dekorpapier begann,
trat er gegen eine ganze Reihe etablierter
Produzenten an. Sein Ziel war es, Europa
um eine „kleine und flexible Druckeinheit“
zu bereichern und die Dekorqualität deutlich
nach vorne zu bringen. Der Dekordruck in
Europa befand sich zur damaligen Zeit auf
einem qualitativ zu bescheidenen Niveau,
um der seit Ende der 1970er Jahre aus Japan angebotenen Dekordruckqualität auf
Dauer Stand zu halten. Ziel Walter Schatts
war es, das japanische Verfahren auf die
europäischen Verhältnisse zu transportieren
und zur Produktionsreife zu bringen. Doch
auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit hatte
man sich in Stephanskirchen einem hohen
Anspruch verschrieben. Von Anfang an hatte man sich entschlossen, das Farbsystem
von den lösemittelhaltigen auf organische
Pigmente umzustellen. Leider stellte sich
heraus, dass die neuen Farben völlig metamer zueinander waren. Unter diesem sogenannten Metamerismus werden die Eigenschaften unterschiedlicher Pigmenttypen
verstanden, bei wechselnden Lichttemperaturen ein jeweils differierendes Reflektionsverhalten zu zeigen. Dadurch können
je nach Beleuchtung Farbverschiebungen
entstehen, die das Qualitätsempfinden der
Kunden beeinträchtigen. Bis heute werden
bei Schattdecor ausschließlich lösungsmittelfreie und wasserbasierte Farb- und Lacksysteme verarbeitet. Den Weg vom Newcomer zum heutigen Weltmarktführer ebnete
In allen Werken wird weltweit im Tiefdruckverfahren mit wasserbasierten Farben auf Spezialpapier gedruck.
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dabei in erster Linie der Perfektionismus
und Weitblick, der den Firmengründer antrieb. Zum Beispiel übernahm er die Druckmaschinensparte aus der Insolvenz des Maschinenbauers Kochsiek, um das Knowhow
im Engineering-Bereich zu erhalten und
gründete anschließend mit Rotodekor eine
eigenständige Druckmaschinenfirma, die
die eigenen Werke weltweit ausstattete. Früh
begann Schattdecor außerdem, die Druckzylinder selber im Haus zu gravieren und
zu verchromen, um die Qualität der Druckvorlagen direkt kontrollieren zu können. In
den knapp 20 Meter hohen Hochregallagern
ruht dementsprechend ein regelrechter Unternehmensschatz: insgesamt weit mehr als
5000 Druckzylinder mit unterschiedlichen
Dekoren verwahrt der Oberflächenspezialist
an der Unternehmenszentrale in Thansau.
„Werden Dekore längere Zeit nicht mehr
gedruckt, werden die Druckzylinder entschichtet, neu verkupfert und anschließend
für ein neues Dekor graviert“, berichtet Müller. Ein wichtiger Schritt war außerdem, dass
Schattdecor sich schon vor über 20 Jahren
entschied, den eigenen Kunden ins Ausland
zu folgen und für führende Möbelhersteller
direkt vor Ort in Polen zu produzieren. Inzwischen gibt es weltweit Werke in Italien,
Russland, USA, Brasilien, China und der
Türkei. Mit weltweit identischen Maschinen, dem gleichen Papier und der gleichen
Druckfarbe können alle Werke unabhängig
vom Standort die gleiche Qualität liefern.
Diesem Umstand verleiht der Dekordrucker
mit dem Qualitätskennzeichen „Made by
Schattdecor“ Ausdruck und versieht jede
bedruckte Dekorpapierrolle, die weltweit
an den Kunden versendet wird, mit einem
entsprechenden Aufkleber.
Für jedes Dekor müssen bis zu vier Druckzylinder hergestellt werden. Diese stellt Schattdecor in
der eigenen Gravur- und Galvanikabteilung selbst her.
Möbeloberflächen in 350 m/min
Betritt man die Werkshallen in Thansau, beeindrucken als erstes die großen Tiefdruckmaschinen, die mit bis zu 2,70 Metern Breite
und maximal 350 Meter pro Minute drucken.
„Der Tiefdruck auf Dekorpapier ist mit 1,5
Milliarden Quadratmetern immer noch weltweit das wichtigste Standbein von Schattdecor, bestätigt Müller. „Die Finishfolien sind
allerdings stark im Kommen, weil sie die Bedürfnisse der Kunden nach einer perfekten,
naturnahen Optik und Haptik noch besser
erfüllen.“ Im vergangenen Jahr produzierte
Schattdecor für seine Kunden rund 300 Millionen Quadratmeter Finishfolie und die Tendenz ist weiter steigend. Im Gegensatz zum
Dekorpapier handelt es sich bei der Folie um
ein Endprodukt. Der Dekordruck erfolgt auf
ein Vorimprägnat, das anschließend lackiert
wird und auf diese Weise das spezielle Oberflächenfinish erhält.
Die neueste Entwicklung in diesem Bereich ist die Smartfoil Evo. Üblicherweise
erfolgt die finale Lackierung mit einem
säurehärtenden Lacksystem. Bei der Kapazitätserweiterung des Werkes in Polen
entschied sich Schattdecor allerdings für
ein moderneres Verfahren, bei dem ein
elektronenstrahlhärtendes Lacksystem
(ESH) eingesetzt wird. Dabei wird im Vakuum mit einer Elektronenstrahlkanone
ein definierter Strom von Elektronen erzeugt, die durch eine dünne Titanfolie aus
dem Vakuumbereich austreten, auf das
Substrat treffen und den Lack polymerisieren. Im Vergleich mit einer UV-Härtung
sind bei einer ESH-Härtung zwar deutlich
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Bis zu 350 m/min schaffen die großen Druckmaschinen bei Schattdecor.
größere Anfangsinvestitionen notwendig,
„doch im Ergebnis überwiegen die Vorteile“ erklärt Müller. Die dekorsynchrone
Oberflächentechnologie ermöglicht den
natürlich anmutenden Matt-Glanz-Effekt
in einem einzigen Produktionsschritt – in
einer Breite von 2,70 Metern ein Novum!
Finish-Folie für die
perfekte Imitation
Bei der Produktionsmaschine für die
Smartfoil EVO handelt es sich um eine
Kombination aus klassischem Tiefdruck
in Verbindung mit einer 2-stufigen ESHLackierung. Auf diese Weise können Dekore mit einer Matt-Glanz-Lackierung veredelt werden. Das Endergebnis ist kaum
mehr von einem echten Holzfurnier zu
unterscheiden. „Im Gegenteil, nicht selten
bemängeln Kunden beim Echtholzfurnier
Farbunterschiede, die sich aus dem natürlichen Werkstoff ergeben“, schmunzelt
Müller. „Letztendlich bietet uns das neue
Verfahren extrem viele Möglichkeiten und
stellt eine ideale Alternative zu den bisherigen säurehärtenden Lackiersystemen
dar. Die ESH-Technologie wird bisher
im Werk in Posen und auch im zweiten
polnischen Werk in Glucholazy, in dem
ausschließlich lackiert und konfektioniert
wird, eingesetzt.
Zum Thema Digitaldruck bleibt man bei
Schattdecor realistisch. „Als Weltmarktführer im Tiefdruck ist es unsere Aufgabe,
die künftige Bedeutung des Tiefdrucks kritisch zu hinterfragen und rechtzeitig nach
Alternativen zu suchen“, schildert Müller
die Situation. „Unser Anspruch ist ganz
klar: sobald es eine digitale Drucktechnologie gibt, die unseren Ansprüchen genügt,
muss die erste Maschine bei uns stehen.
Aus diesem Grund hat man gemeinsam mit
dem Digitaldruckspezialisten Palis (Padaluma Inkjet-Solutions GmbH & Co.KG)
und der Firma Rotodecor eine SinglepassInkJet-Druckanlage für Thansau konzipiert. Künftig soll die Palis 2250 in einer
Breite von 225 cm digital mit tiefdruckidentischen Pigmenten auf Dekorpapier
drucken und dabei eine Druckgeschwindigkeit von bis zu 150 m/min erreichen.
Mittelfristiges Ziel der Entwicklungspartnerschaft ist es, den Digitaldruck auch im
In Thansau lagern in zwei baulich getrennten Hochregallagern knapp
5.000 Druckzylinder.
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Die verkupferten Stahlzylinder werden auch per Laser für den Druck
strukturiert.
Bereich der Dekordruckindustrie einzuführen und damit eine echte Alternative
zum Tiefdruckverfahren hervor zu bringen.
Digitaldruck bisher kein
Ersatz für Tiefdruck
Ein Aufbau der digitalen Druckmaschine
ist für das kommende Jahr vorgesehen.
Insgesamt zeigt die positive Entwicklung
von Schattdecor, dass es sich lohnen kann,
neue Technologien voranzutreiben und sich
mit bestehenden Maßstäben nicht zufrieden zu geben. Ganz nach dem Motto von
Walter Schatt: „Wir sind unseren eigenen
Weg gegangen und haben dabei niemanden
gefragt!“ Ein starkes und selbstbewusstes
Credo – die Erfolgsgeschichte von Schattdecor, die am 26. April 1985 mit der ersten
bedruckten Dekorpapierrolle begann, gibt
ihm recht. Aktuell beschäftigt Schattdecor
mehr als 2.000 Mitarbeiter an 13 Standorten und ist bis heute geprägt von der
Leidenschaft für das perfekte Dekor. CB
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Schattdecor AG
www.schattdecor.de
Klaus Müller und der mo-Chefredakteur Carsten Blumenstengel bei der
Begutachtung der Qualität einer Finishfolie.
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