OBERFLÄCHEN WERKSTOFFE Die Schattdecor-Chefs über Menschen, Visionen und Meilensteine Die Zukunft liegt in der KREATIVITÄT Am 26. April 1985 druckte Schattdecor die erste Rolle, 30 Jahre später sind es insgesamt zwei Milliarden Quadratmeter Oberfläche. Die Geschichte des Unternehmens, das 2015 Jubiläum feiert, ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte. In einem sehr persönlichen Interview sprach die „möbelfertigung“ mit Inhaber Walter Schatt, Vorstands-Chef Reiner Schulz und Roland Auer, Vorstand für Vertrieb und Marketing, über Menschen, Visionen und Meilensteine. > In der Thansauer Firmenzentrale des Global Players Schattdecor: Vorstands-Chef Reiner Schulz (von rechts), Inhaber Walter Schatt, Roland Auer, Vorstand Vertrieb und Marketing, Tino Eggert, Objektleiter „möbelfertigung“, und Sebastian Hahn, Redakteur „möbelfertigung“. 000 möbelfertigung 1/2015 1/2015 möbelfertigung 000 OBERFLÄCHEN WERKSTOFFE „Unser enormes Wachstum war eine Gefahr. Wir standen dem Abgrund sehr nahe.“ Walter Schatt Roland Auer: Das ist sicher auch eine wichtige Aussage für die Menschen, die bei Schattdecor arbeiten. möbelfertigung: Wie lief das Geschäftsjahr 2014? Roland Auer: Es war für die Gruppe das erfolgreichste Jahr in der Geschichte. Wir haben zum ersten Mal mehr als 1,5 Mrd. Quadratmeter bedruckt, 300 Mio. Quadratmeter bei Folie überschritten und bei der Imprägnierung 200 Mio. Quadratmeter. Also insgesamt etwa zwei Mrd. Quadratmeter Oberfläche. Unser Umsatz liegt bei etwa 600 Mio. Euro. „Bevor wir uns überholen lassen, setzen wir uns lieber an die Spitze der Bewegung.“ Walter Schatt exklusiv „Das Geschäft ist heute weniger persönlich. Leider.“ Reiner Schulz 00 möbelfertigung 1/2015 möbelfertigung: Wie gut ist dieses Ergebnis in Relation zum Vorjahr? Reiner Schulz: Wir konnten den Druck um fünf Prozent steigern, bei Imprägnierung und Lackierung liegt das Plus bei zehn Prozent. möbelfertigung: Herr Schatt, Herr Schulz, Herr Auer, wie beurteilen Sie den Dekormarkt aktuell? Reiner Schulz: In meinen Augen besteht ein dringender Konsolidierungsbedarf, weil es nach wie vor zu große Druck-Kapazitäten gibt. In der Vergangenheit haben wir, beispielsweise mit den Übernahmen von Maltaprint in Polen oder Cartiere Sottrici Binda, mit dafür gesorgt, dass sich der Markt konsolidiert und geordnet hat. Walter Schatt: Wenn ich sehe, welchen Weg Süddekor gegangen ist, wie man über das Unternehmen hergefallen ist und es ausgeplündert hat, muss ich an Franz Müntefering und seine wahren Worte über Heuschrecken denken. Und es ist ja kein Einzelfall. Speziell bei Süddekor hat es mich immer geschmerzt, weil ich weiß, wie viel Kraft viele Menschen in das Unternehmen gesteckt haben. Aber leider kriegt man alles klein, wenn man will. Meine Meinung zu solchen Geschäftsgebahren wurde bestätigt und ich bin froh, dass jetzt ein strategischer Partner gefunden wurde, der Süddekor übernommen hat. Ich kann mir vorstellen, dass Surteco aber erschrocken sein wird, welche eigentlich notwendigen Investitionen von den Vorbesitzern unterlassen worden sind. Im Vergleich zu vorher kann es nur besser werden. Die Verlagerung der Produktion von Laichingen nach Buttenwiesen ist eine unternehmerische Entscheidung, die man sich gewiss gut überlegt hat. Ungewöhnlich ist jedoch, dass der größere Teil zum kleineren geht. Wir haben hier einmal die Produktion verlagert, 1989, und das waren nur etwa drei Kilometer Luftlinie. Obwohl wir nur eine Laborund eine Druckmaschine hatten, hat es trotzdem drei Monate gedauert. möbelfertigung: Sie stehen Private-Equity-Modellen also nach wie vor ablehnend gegenüber? Walter Schatt: Das ist eine andere Welt, in der wir nicht zu Hause sind. möbelfertigung: Gibt es in Russland derzeit neben dem schwankenden Rubelkurs noch andere Probleme? Reiner Schulz: Nein. Wir waren dort von Anfang an sehr geradlinig in unserer Geschäftsabwicklung. Schattdecor funktioniert überall auf der Welt mehr oder weniger gleich und wir sind auch in Russland mit nichts konfrontiert worden, was dem im Wege stehen würde. Angesichts dessen, was in dem Land passiert, kann man von einem überraschend stabilen Geschäft sprechen. möbelfertigung: Was waren die größten Wachstumstreiber? Roland Auer: Trotz eines Rekordjahres 2013 haben wir im Bereich Folie noch einmal zugelegt. Auch Melamin hat sich gut entwickelt. Mit Blick auf die Märkte, verzeichnen wir in Asien und der Türkei ein starkes Wachstum. Ebenso in Nordamerika mit einem Plus von 20 Prozent, dort allerdings ausgehend von einer bescheidenen Basis. In Zentraleuropa, inklusive Polen, unserem wichtigsten Markt mit mehr als 50 Prozent Umsatzanteil, sind wir stabil. Reiner Schulz: Wir haben weltweit keinen Bereich, der sich gegenläufig entwickelt. Man sieht beispielsweise in Südamerika eine Beruhigung des Marktes, aber auch dort läuft es gut für uns. möbelfertigung: Wie wird sich 2015 entwickeln? Roland Auer: Das sehen wir differenziert: Im Bereich Folie erwarten wir aufgrund der getätigten Investitionen verstärkten Wettbewerbsdruck, denn es drängen mehr Kapazitäten in den Markt. Aber wir können wir dem härteren Wettbewerb gelassen entgegen sehen. Wir sind aber auch realistisch und wissen, was auf uns zukommt. möbelfertigung: Gibt es konkrete Ziele für das Jahr? Reiner Schulz: Es ist natürlich Wachstum angestrebt. Wir haben aber auch den Realitätssinn und wissen, dass wir die Schlagzahl bei der Folie nicht ewig halten können. Wenn weitere Wettbewerber in den Markt drängen, muss man, bei allem Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit und Qualität, mit Einbußen rechnen. Ein treibender Faktor wird China sein, auch wenn die Lage recht unübersichtlich ist. Nach unseren Informationen gibt es dort rund 1.000 Imprägnierkanäle und die Zahl der Druckereien kennt man nicht genau. Deshalb ist es schwierig, von Marktanteilen zu reden. Was wir wissen, ist, dass wir in China ordentlich wachsen und dass der Markt insgesamt noch schneller wächst als wir. In China sind mehr als 500.000 Tonnen Dekorpapier im Umlauf. Roland Auer: Das ist ungefähr die Hälfte des Dekorpapiers auf der ganzen Welt. möbelfertigung: Wie stellt sich denn die Wettbewerbs- situation mit chinesischen Firmen dar? Reiner Schulz: Die haben in den vergangenen Jahren viel gelernt. Roland Auer: Technologien wurden weiterentwickelt, deshalb stehen die Unternehmen nicht schlecht da und man trifft sie mittlerweile in aller Welt. Reiner Schulz: Dazu kommt, dass chinesische Firmen sehr aggressiv sind. Bietet sich irgendwo ein freier Raum, sind sie als erste dort vertreten. möbelfertigung: Hilft in China die Marke Schattdecor? Reiner Schulz: Absolut, sie spielt dort eine entscheidende Rolle. Der Ausbau unserer Tätigkeiten in China beziehungsweise Asien wird in den nächsten Jahren eines unserer wichtigsten Themen sein. möbelfertigung: Sind dort in nächster Zeit auch Investitionen geplant? Roland Auer: Wir sind dort bereits bestens aufgestellt, deshalb brauchen wir keinen weiteren Standort. Mit unseren vorhandenen Reserven können wir momentan überall auf der Welt zusätzliches Wachstum auffangen. Reiner Schulz: In unserem Werk in Shanghai haben wir noch genügend Fläche zur Verfügung und wir werden planen, wie man die Produktion dort erweitern kann. Dazu müssen wir dann aber auch qualifiziertes Personal finden. Wir haben letztes Jahr die vierte Druckmaschine in Shanghai in Betrieb genommen und sie ist bereits voll ausgelastet. Auch unsere Papierfabrik entwickelt sich für europäische Verhältnisse sensationell, für chinesische Verhältnisse überdurchschnittlich. möbelfertigung: Sie sprachen Südamerika an. Wie stellt sich die Situation dort da? Roland Auer: Das Tempo der letzten Jahre wird sich mit Sicherheit verlangsamen. Es sind jedoch immer noch Wachstumspotenziale vorhanden. Denn die Unternehmen dort sind nach unserer Einschätzung sehr stabil und einige werden bald auch ihre Fühler nach Nordamerika ausstrecken. OBERFLÄCHEN WERKSTOFFE Walter Schatt: Interessant ist Brasilien allein schon wegen der Demografie. Der Markt kann im Grunde nur wachsen. „Da sich die Gegebenheiten in der Geschäftswelt immer schneller ändern, brauchen wir Mitarbeiter, die Entwicklungen schon vorher erkennen. Reagieren ist mittlerweile zu spät.“ Walter Schatt möbelfertigung: Schattdecor wird jetzt 30 Jahre alt. Haben Sie Zeit, sich mal zurückzulehnen und zu genießen? Walter Schatt: (lacht) Ich lehne mich eigentlich den ganzen Tag zurück und genieße. Im Ernst: Ich kann manchmal kaum glauben, dass es Schattdecor bereits 30 Jahre gibt. Hinter den 30 Jahren verbirgt sich eine bemerkenswerte Kontinuität. Schattdecor steht für Verlässlichkeit und Kalkulierbarkeit. Attribute, die, glaube ich, heute immer noch viel Wert sind. Gerade in dieser sich schnell verändernden Welt kann man sich dadurch auszeichnen, dass man eine Art Fels in der Brandung ist, der immer den Kopf oben hat. Die Brandung ist ein gutes Bild: Manche sind mal oben und mal unten, manche bleiben unten – wir sind immer noch oben. Und wenn ich meine Vorstände anschaue, haben wir auch die Absicht, oben zu bleiben. „Im Bereich Folie erwarten wir in den kommenden Jahren aufgrund der getätigten Investitionen verstärkten Wettbewerbsdruck, denn es drängen mehr Kapazitäten in den Markt.“ Roland Auer möbelfertigung: Herr Schatt, Sie haben bei unserem letzten Interview gesagt, Sie sind aus Verzweiflung Unternehmer geworden, weil Sie Ihre Vorstellungen eines Unternehmens und vom Umgang mit Menschen bis dahin nicht verwirklichen konnten. Hat sich Ihre Vision erfüllt? Walter Schatt: Absolut, ja. Ein Beispiel: Auf unserer Weihnachts- 00 möbelfertigung 1/2015 feier durften wir 20 Mitarbeiter ehren, die 25 Jahre und mehr bei Schattdecor sind. Das ist für ein 30 Jahre junges Unternehmen etwas Besonderes. Daran sieht man, wie die Fluktuation bei Schattdecor ist – nämlich nahezu bei Null. möbelfertigung: Herr Auer, wie haben Sie diese Vision vom Umgang mit Menschen erlebt? Sie arbeiten bereits lange im Unternehmen und gehören trotzdem zur neuen Generation der Führungsebene. Roland Auer: Ein großer Vorteil in unserem Hause ist, dass man einen großen Vertrauensvorschuss erhält und Zeit bekommt, sich vernünftig einzuarbeiten und das Unternehmen von allen Seiten kennen zu lernen. Zudem nehmen sich beide Seiten Zeit, zu beurteilen, ob es passt oder nicht. Ich bin mit 28 Jahren nach Polen gegangen und habe dort Verantwortung übernommen. Das ist der beste Beweis für die hier bestehende Vertrauensbasis. Wenn ich mir heute unsere Trainees anschaue, dann hat sich daran nichts geändert. Walter Schatt: Ich habe gerade wieder einen kompletten Tag mit unseren Trainees verbracht. Es macht mir Freude, mit jungen Menschen zusammen zu sein. Und es ist schön, dass sie sehr interessiert an meinen Erfahrungen sind – und sie auch in ihre Arbeit einfließen lassen. Roland Auer: Es ist wichtig, die Erfahrungen und Werte des Unternehmens weiter zu tragen. Der Unterbau ist aber das Vertrauen. Und auch das Recht, Fehler machen zu dürfen und Feedback zu erhalten. So entstehen nachhaltige Impulse, Menschen nach vorne zu bringen. In unserem internationalen Geschäft stellen wir fest, dass dieses Rezept auch in anderen Kulturen funktioniert. möbelfertigung: In Ihrem Leitbild sind die Worte „Man muss den Menschen mögen“ verankert. Wie setzen Sie das weltweit um? Walter Schatt: Das ist ziemlich einfach: Es geht darum, natürlich aufzutreten und mit Menschen vernünftig umzugehen. Wir hatten und haben die Aufgabe, unsere Arbeitsweisen, die man „ausgeprägt deutsch“ nennen könnte, in andere Länder zu übertragen. Aber auch das ist eigentlich einfach. Es geht nicht mit hoch erhobener Nase, sondern nur mit Selbstbewusstsein, das in sozial verträgliche Bahnen gelenkt wird. Und das wiederum geht nur mit Neugier. Neugier darauf, was zum Beispiel in Russland oder Polen los ist. Man muss die Leute einfach fragen, wie die Gepflogenheiten in ihrem Land sind. Wenn man ihnen ihre Identität und Kreativität lässt, dann sind sie offen für andere Arbeitsweisen, die in unserem Fall schon deutsch ist. Aber eben jetzt polnisch-deutsch oder russisch-deutsch. Eine Besonderheit bei unserer Arbeit im Ausland ist, dass unsere Konzernsprache nach wie vor Deutsch ist. Das ist für ein internationales Unternehmen selten. Ich halte es jedoch für unheimlich wichtig, weil wir unsere Botschaft so viel besser vermitteln können als in einer Drittsprache. Natürlich lernen deutsche Mitarbeiter, die ins Ausland gehen, auch die Landessprache. Das ist eine Frage des Respekts. Aber wir führen auch ständig Deutschkurse durch. Die Tiefe der Verbindung, die wir zu unseren Tochterfirmen haben, ist dadurch viel besser. Ich glaube, dass das eine große Stärke von uns ist. Wir haben es ja mit sehr verschiedenen Kulturen zu tun. Aber so unterschiedlich die Menschen auch sein mögen, sind sie sich im Kern doch sehr ähnlich. Auf anständige Behandlung reagieren sie alle auf die gleiche Weise. Nämlich mit Treue, Engagement und Kreativität. Deswegen brauchen wir auch kein polnisches Rezept, kein russisches Rezept, kein brasilianisches Rezept, sondern ein menschliches Rezept. Und dafür brauchen wir Kommunikation in Muttersprache. Reiner Schulz: Menschen, egal wo auf der Welt, merken, ob jemand irgendein Leitbild aufschreibt oder ob jemand die Menschen mag und einfach wahre Sachen komuniziert. möbelfertigung: Herr Auer, deckt sich das mit Ihren Erfah- rungen, die Sie in mehr als zehn Jahren Arbeit in Polen gesammelt haben? Roland Auer: Ja, die Muttersprache ist der Schlüssel zum Menschen. Man kommt natürlich beispielsweise auch mit Englisch irgendwie zu Recht. Der Unterschied ist, ob ich wirklich in die Kultur und die Denkweisen der Menschen eintauchen oder einfach oberflächlich Ansagen machen will. Obwohl die polnisch-deutsche Geschichte eine sehr belastete ist, habe ich aufgrund meiner Herkunft nie Probleme gehabt. Eher im Gegenteil und ich denke das hängt sehr stark davon ab, mit wieviel Fingerspitzengefühl man die Sache angeht. Mir wurden von vornherein einige wenige Do’s und Don’ts mit auf den Weg gegeben, mit denen ich sehr gut gefahren bin. Solche Punkte gibt es in vielen Kulturen und die Einhaltung sollte kein Problem sein. Die Nachfrage, warum ich von A nach B laufen soll, muss schließlich erlaubt sein. Das habe ich als Junge auch gemacht. Nur hat es mir damals keiner erklärt und das war nicht zufriedenstellend. Wir haben das bei Schattdecor von Anfang an anders gemacht und das hätten sich meine ersten Mitarbeiter auch gar nicht bieten lassen, weil sie es nicht nötig gehabt haben. Wir haben hier theoretisch die ganze Bandbreite an Hierarchie zur Verfügung aber wir benutzen sie nicht. Sonst sagt man irgendwann „Zum Angriff!“ und läuft alleine los. möbelfertigung: Was glauben Sie, macht Schattdecor außerdem attraktiv für junge, hochqualifizierte Führungskräfte? Reiner Schulz: Wir bieten Perspektive und die Werte eines positiv denkenden und agierenden Familienunternehmens. Zudem kann man bei uns weit über den Tellermöbelfertigung: Schattdecor rand schauen: Bei uns machen Mitarbeiter nicht „nur“ Verkauf oder ist sehr schnell sehr stark ge„nur“ Produktion. Wir bilden eher wachsen. Musste sich der Führungsstil ändern, damit das Generalisten aus und fahren damit Unternehmen für junge Leute sehr gut. Wir bieten außerdem Sicherheit attraktiv bleibt? Walter Schatt: Ich glaube, viel und Vertrauen. Ein Mensch, der mussten wir da nicht machen. Im sich sicher und geborgen fühlt und militärischen Bereich gibt es Befehl Freiheiten genießt, hat eine Zukunftsperspektiund Gehorsam. ve. Und wie Aber wenn Sie schon erwähnt, einen Befehl, ei- „Schattdecor steht haben wir praknen Wunsch für Verlässlichkeit tisch keine Flukoder eine Anreund Kalkulierbarkeit.“ tuation. Dadurch gung vortragen, Walter Schatt können wir zwar müssen Sie zunicht endlos Titel nächst die allgemeine Lage, die Marktsituation, die vergeben, aber jedem einzelnen Mitarbeiter wird nach und nach eigene Lage und den Auftrag weimehr Verantwortung übertragen. tergeben. Mit all diesen InformatioIn der Anfangszeit ging es bei nen ausgestattet, hat man aber ein uns natürlich ziemlich schnell: Dort Maximum an Autonomie. Oder Verkonnten sie binnen eines Vierteltrauen. Wir hatten früher sicher kürzere jahres vom Berufseinsteiger zum Anordnungswege und im Notfall Maschinenführer aufsteigen. sind sie immer noch kurz, aber vom Walter Schatt: Beim Kampf um Nachwuchskräfte müssen wir zuersten Tag an sind keine Befehle gegeben worden wie: „Morgen läufst erst mal sehen: Mit wem stehen du von A nach B!“ Denn dann fragt wir denn im Wettbewerb? Das sind traditionell die Großunternehmen. der Angesprochene zu Recht: „WieDa hieß es vor Jahren, dass man eh so?“ Wenn ich ihm die Situation erkläre, dann läuft er von alleine los. nicht gewinnen kann. Das ist imDas hat auch überhaupt nichts mit mer noch ein Problem und darum einer neuen Generation zu tun, die muss jeder Mittelständler an seiübrigens sowieso verleumdet wird. nem Image feilen. 7/2014 möbelfertigung 00 OBERFLÄCHEN WERKSTOFFE Man darf in unserem Fall aber nicht vergessen, dass dieses Unternehmen eine Internationalität verkörpert, die sie bei größeren Unternehmen oft vergeblich suchen. Groß ist nicht unbedingt international. Vor zehn Jahren sind 70 Prozent der Absolventen zu Großunternehmen gegangen sind. Heute ist es umgekehrt. „Chinesische Firmen sind sehr Unsere Chance, besonders gute Leute zu aggressiv. Bietet sich irgendwo bekommen, stehen ein freier Raum, sind sie als also gar nicht schlecht, erste dort vertreten.“ Reiner Schulz wir müssen nur an uns glauben. Die jungen Leute wollen auch nicht alle nur Work-Life-Balance, das ist Quatsch, es gibt ganz verschiedene Typen. Und von all’ diesen verschiedenen Typen können wir welche brauchen. Das große Schlagwort ist heute Potenzial. Da sich die Gegebenheiten in der Geschäftswelt immer schneller ändern, braucht man Leute, die neugierig sind und Entwicklungen schon vorher erkennen. Reagieren ist mittlerweile zu spät. „Wir haben hier theoretisch die ganze Bandbreite an Hierarchie zur Verfügung, aber wir benutzen sie nicht. Sonst sagt man irgendwann ,Zum Angriff!’ und läuft alleine los.“ Walter Schatt möbelfertigung: Schattdecor war von Anfang an modern aufgestellt. Hat die Zeit dann für Sie gearbeitet? 00 möbelfertigung 1/2015 Walter Schatt: Die Zeiten werden sich weiter ändern, aber wir müssen unsere Systeme nicht diametral auf den Kopf stellen. Es gibt wahrscheinlich wenige Leitbilder in Deutschland, die so entstanden sind, wie bei uns. Klassischerweise setzt sich ja irgendwer hin und schreibt irgendwas auf und dann sollen alle so handeln. Wir hingegen haben erst einmal festgestellt, wie es bei uns zugeht, indem wir 28 eigene Mitarbeiter ohne Präsenz der Geschäftsleitung aufschreiben ließen, worin nach ihrer Ansicht unsere Unternehmenskultur besteht. Daraus wurde dann das Leitbild erstellt. Insofern wurde auf durchaus außergewöhnliche Weise die Unternehmensethik aus der real existierenden Kultur entwickelt. Deswegen haben diese Grundsätze auch heute noch Gültigkeit und funktionieren. möbelfertigung: Vermissen Sie manchmal die Aufbruchstimmung der Anfangszeit? Reiner Schulz: Ob es jetzt schöner war, am 26. April 1985 die erste Rolle zu drucken, was man nie vergessen wird, oder ob es heute schöner ist, kann ich wirklich nicht sagen. Das Erlebnis Schattdecor, dass wir in diesen 30 Jahren hatten, das ist insgesamt das Schöne. Einfach dabei zu sein. Ich würde jedem, der die notwendige Opferbereitschaft mitbringt, wünschen, so etwas selbst zu erleben. Wir haben die Chance bekommen und wir haben sie genutzt. möbelfertigung: Sie sprachen von Opferbereitschaft. Was meinen Sie konkret? Reiner Schulz: Gerade in der Anfangszeit war die physische und psychische Beanspruchung jedes Einzelnen enorm. Walter Schatt: Ich glaube, wir können sehr ehrlich behaupten, dass wir keinen Menschen „verbraten“ haben. Auch nicht in der Anfangszeit. Es gibt bestimmt ein paar grenzwertige Dinge, wo die Beanspruchung auch Spuren hinterlassen hat, aber die haben wir wieder hingebogen und Leichen am Wegesrand haben wir definitiv nicht hinterlassen. Dabei wäre Gelegenheit dazu natürlich da gewesen. Denn bei unseren enormen Wachstumsraten, wurde der Spielraum, sich um jeden zu kümmern, sehr eng. Da braucht man dann schon ein passendes Netz und Führungspersonal, das versteht, was im Unternehmen los ist. Und glücklicherweise hatten wir diese Leute immer. Haben Sie die nicht, gehen Sie mit einem Unternehmen, das sich dermaßen rasant entwickelt, unter. möbelfertigung: Was kann man denn konkret tun? Walter Schatt: Unter anderem ist die interne Kommunikation eine herausragende Aufgabe, die wir gut bewältigt haben. Ehrlicherweise wird es ab einer bestimmten Unternehmensgröße bei der Kommunikation von ganz oben nach ganz unten unvermeidlich immer Probleme geben. Aber genau dies ist unsere Chance und auch unsere Stärke, denn unsere Mitarbeiter denken nicht: „Es interessiert eh keinen, was ich hier mache.“ Reiner Schulz: Unter anderem erhält bei uns jeder Mitarbeiter einmal im Jahr am selben Tag von mir persönlich dieselben Information zum Unternehmen. Wo stehen wir und wo soll es hingehen? Diese direkte Kommunikation von ganz oben direkt zu den Mitarbeitern hat sich bewährt. Auch in kritischen Zeiten, zum Beispiel in der Krise 2009. Sich damals hinzustellen und zu sagen: „Wir machen Kurzarbeit“, war nicht lustig. Aber das mache ich persönlich, um den Leuten auch sagen zu können: „Keine Angst, wenn wir umfallen, fallen wir weich, weil die anderen schon liegen.“ Dass wir damals entschieden haben, wir verdienen besser alle 20 Prozent weniger, als wenn wir 20 Prozent der Mitarbeiter entlassen, hat uns geformt und den Zusammenhalt gestärkt. Da merken die Leute dann, dass sie Teil eines sicheren Gebildes sind. Nur so bringen sie Leistung und eben auch mal Opfer. Walter Schatt: Zu unserer Philosophie gehört auch, unseren Mitarbeitern zu helfen. In Russland haben wir einige ins Krankenhaus ge- bracht, weil gewisse Behandlungen keine Krankenkasse zahlt. Wenn man sowas am Jahresende zusammenzählt, ist das gemessen an unseren Gesamtausgaben eine lächerliche Summe. Aber die Wirkung ist groß. Reiner Schulz: 35 unserer Mitarbeiter waren vom Hochwasser rund um Rosenheim 2013 direkt betroffen und haben Hilfe aus dem Unternehmen erhalten. Im Grunde ist das selbstverständlich, aber man muss es eben tun und es ist ein sehr positives Signal an die Belegschaft. möbelfertigung: Herr Schatt, Herr Schulz, hat sich in 30 Jahren Ihr Verhältnis zueinander geändert? Walter Schatt: (lacht) Ja, Herr Schulz wird immer aufmüpfiger. Ernsthaft: Wir haben es immer gut miteinander ausgehalten. Reiner Schulz: Für die Intensität des Zusammenarbeitens oder fast schon Zusammenlebens, haben wir insofern Außergewöhnliches geleistet, weil wir alles gemeinsam gemeistert haben, ohne größere Streitereien. möbelfertigung: Herr Schatt, wie haben Sie das aktive Ausscheiden aus dem Unternehmen 2007 gemeistert? Walter Schatt: Ich glaube gut. Dass Reiner Schulz die Leitung übernehmen kann, wusste ich bereits lange. Man hängt aber auch emotional an einem Unternehmen. möbelfertigung: Sie haben nicht einmal mehr ein Büro bei Schattdecor... Walter Schatt: Wenn man jeden Tag ins Unternehmen geht, obwohl man eigentlich keine Arbeit mehr hat, dann macht man sich mutwillig welche. Und geht im Zweifel Dinge an, die man besser nicht mehr angehen sollte. Ich finde es wichtig, nicht überall die Nase reinzustecken, wenn man kein Amt mehr ausfüllt. „Wenn ich sehe, welchen Weg Süddekor gegangen ist, wie man über das Unternehmen hergefallen ist und es ausgeplündert hat, muss ich an Franz Müntefering und seine wahren Worte über Heuschrecken denken.“ Walter Schatt Ich habe bei der Übergabe nur die Bitte geäußert, die Hausmeisterei nicht zu vergessen. Zu gucken, ob im Keller noch Licht brennt – im übertragenen Sinne. Wenn der Alte immer da ist, dann verlassen sich oft viele auf ihn. möbelfertigung: Viele inhabergeführte Unternehmen haben Probleme mit Nachfolgeregelungen, sie führen manchmal sogar zu existenzgefährdenden Situationen... Walter Schatt: Es gibt zwei Wege: Sie können, wenn Sie 65 Jahre alt sind, jemanden aus der Großindustrie berufen. Der steckt dann aber so voller Anglizismen, dass ihn niemand versteht oder er 1/2015 möbelfertigung 000 OBERFLÄCHEN WERKSTOFFE „Es ist kein Zufall, dass wir seit 1985 immer die BestsellerDekor hatten.“ Walter Schatt „Sicherheiten gibt es nicht und das ist gut so. Sonst würden uns die Füße einschlafen.“ Reiner Schulz ist so anders, dass es nicht funktioniert. Schattdecor lebt jedoch von einer klaren Handschrift und einer Identität. Wenn die vernachlässigt wird, entsteht Unruhe. Der zweite Weg: Man hat jemanden im Auge. So ist es bei uns gewesen. Reiner Schulz und ich haben uns sehr früh die Verantwortung geteilt. Die Gefahr bei uns war eher das schnelle Wachstum mit den vielen neuen Mitarbeitern, die wir in Verantwortung bringen mussten. Zwei oder drei Fabriken gleichzeitig zu bauen, das muss man erstmal verdauen. Wir standen da wirklich am Abgrund. Und da hat Reiner Schulz mir gezeigt, wie nahe wir ihm schon gekommen sind. Reiner Schulz: Das Wachstum war ja nicht falsch, aber die Strukturen müssen mitwachsen. Wir mussten dann auch Führungsleute von Außen holen. Es wurden uns fünf Leute vermittelt, von denen ist heute noch einer da. möbelfertigung: Von welchem Zeitraum sprechen Sie genau? Reiner Schulz: Zwischen 1997 und 2005 ungefähr. Ich erinnere mich noch an meine Rede zum zehnjährigen Jubiläum 1995. Da sagte ich: „Wir sind stolz, dass wir letztes Jahr 100 Mio. Mark umgesetzt haben. Dieses Jahr haben wir diese Marke bereits im Juni erreicht.“ Walter Schatt: Da war das noch ein reines Thema der Produktionskapazitäten. Dann kamen jedoch die baulichen Veränderungen und viel Bürokratie dazu. Da nähern Sie sich dem Abgrund. Dieser Entwicklung kann man nur entgegensteuern, wenn man sie früh genug erkennt. möbelfertigung: Was waren die größten Meilensteine von Schattdecor? Walter Schatt: Wir haben direkt mit einem Quantensprung angefangen und 1985 eine Qualität der Reproduktion druckbar gemacht, die sich von allen anderen deutlich unterschied, weil wir das damalige japanische Qualitätsniveau nach Europa gebracht und 00 möbelfertigung 1/2015 es massenproduktionstauglich gemacht haben. Dafür musste man das Papier, die Farben, die Maschinen und die Prozesse ändern. Dass das funktionieren kann, wusste ich schon in meiner Zeit bei Süddekor. Dass ich es dort nicht umsetzen durfte, war ein Grund für meinen Weggang. Ein anderer wichtiger Zeitpunkt war 1989, als die erste kontinuierliche Plattenproduktion anlief und dementsprechend die Mengen explodierten. Diese Entwicklung wurde 1993 weiter forciert, als der Laminatboden dazu kam. In den 90er-Jahren gab es Wachstumssprünge, die nur wir befriedigen konnten. Unsere Wettbewerber hatten mehr Aufträge, als sie bearbeiten konnten, wir hatten Reserven. Also druckten wir nicht nur eine einzigartige Qualität sondern waren auch die einzigen, die liefern konnten. Teilweise wurden 40 bis 50 Prozent des gesamten Branchenwachstums bei uns realisiert. Das waren natürlich nicht nur Meilensteine eigener Machart, sondern auch Marktgegebenheiten, die wir genutzt haben. Reiner Schulz: Die Jahre 1993 bis 1997 in Polen waren auch unglaublich dynamisch. Dort kamen gewaltige Dimensionen auf uns zu. Walter Schatt: Die Wachstumsraten in den 90er-Jahren waren die höchsten, die wir jemals hatten. Die Expansion im Ausland kam dann noch oben drauf. Ab 2002 beruhigte sich der Markt dann ein wenig, aber vorher sind wir wirklich ins Schwimmen geraten. möbelfertigung: Das heißt, Schattdecor war nicht nur Treiber, sondern auch Getriebener des Marktes? Walter Schatt: Die Branche hätte nicht in dem Maße wachsen können, wenn wir nicht so gehandelt hätten. Unsere Kunden wären dann einfach ohne Ware gewesen. Wir mussten damals diese Chance ergreifen, denn man bekommt sie nur ein Mal. Reiner Schulz: Man kann nicht sagen, dass sonst jemand anderes die Chance ergriffen hätte, denn sonst hatte keiner die Möglichkeiten wie wir. Walter Schatt: Und man hätte auch nichts liegen lassen können, um es später nachzuholen. Seit 2005 gibt es genug Kapazität. Aber damals hat unsere Flexibilität dafür gesorgt, dass die ganze Branche einen Sprung gemacht hat. Ich hatte damals immer noch Optionen auf zwei oder drei Maschinen. Und der damals einzige Hersteller solcher Druckmaschinen, Kochsiek, konnte nur zwei oder drei pro Jahr bauen. möbelfertigung: Inwiefern hat sich das Geschäft aus Ihrer Sicht geändert? Reiner Schulz: Mir fehlen heute die persönlichen Beziehungen etwas. Früher konnte man mit sehr enger Zusammenarbeit viel bewegen. Heute sitzen Sie Menschen gegenüber, die bevor sie Sie begrüßen, das Laptop aufklappen. Die wollen nicht den Menschen kennenlernen. Das ist schon etwas, was mir persönlich weh tut, aber vielleicht ist das auch nur eine Frage des Alters. Walter Schatt: Ich glaube, dass aber auch der Mann mit dem Laptop gern hierher kommt. Wir müssen ja nicht so werden, denn ich bin sicher, dass unsere Werte nie außer der Mode kommen. Reiner Schulz: Ja, das ist auch eine Chance. Zuverlässigkeit, persönliche Betreuung und Sicherheit, also Attribute, für die Schattdecor steht, werden natürlich wertvoller, weil sie seltener werden. Der Begriff „Werte“ im Geschäftsbereich ist ja neu, darüber hat früher niemand gesprochen, weil es ganz normal war. Es besteht also ein Bedarf. Walter Schatt: 1981 habe ich das erste Mal etwas von „Unternehmenskultur“ gehört. Ich wusste gar nicht, was das sein soll. Das hat eine Dame bei einer Konferenz zum Thema gemacht und dann gefragt: „Wie ist das denn bei Ihnen? Haben Sie eine Unternehmenskultur?“ Und ich habe gesagt: „So genau weiß ich das nicht, aber ich erzähle Ihnen mal, wie wir arbeiten und dann können Sie mir sagen, ob wir eine Unter- nehmenskultur haben. Meine Leute arbeiten hart von Montagmorgen bis manchmal Samstagabend. Aber ich bin überzeugt, dass sie sich am Sonntagabend irgendwie darauf freuen, dass es am Montag wieder los geht.“ „Das ist es doch“, sagte die Dame. Seitdem weiß ich, dass wir eine Unternehmenskultur haben. Worauf ich hinaus will: Wir haben wenig Seminare belegt, weil wir keine Zeit dazu hatten. Aber wenn, dann habe ich immer wieder festgestellt, dass wir intuitiv fast alles richtig gemacht haben. Und das Schöne an solchen Seminaren ist, dass man hinterher dann auch einen Namen für das hat, was man so tut. Sei das jetzt Unternehmenskultur oder lean management. Ich weiß noch ganz genau, als ich irgendwann hier reinkam und gesagt habe: „Wisst ihr eigentlich, dass wir lean sind?“ Damit konnte Niemand etwas anzufangen. Bei fast allem, was irgendwelche Professoren sich ausgedacht haben, konnten wir sagen: „Das haben wir schon.“ Intuitiv wie gesagt. In Bücher haben wir sowieso nicht reingeschaut, also haben wir das einfach irgendwie gemacht. Und aus Versehen eben immer richtig. Das kann man ruhig mal so sagen, so tierisch ernst muss man sich selbst ja auch nicht nehmen. möbelfertigung: Nach wie vor ist Schattdecor einer der Treiber bei neuen Technologien, wie zum Beispiel dem Digitaldruck. Rechnen Sie damit, dass dieser in den nächsten Jahren die beherrschende Drucktechnik wird? Reiner Schulz: Ich glaube nicht, dass der Digitaldruck in nächster Zeit den Tiefdruck ersetzt. Nichtsdestotrotz arbeiten wir intensiv an der Weiterentwicklung und wollen auch Maschinen installieren. Ich denke, die meisten Leute haben jetzt verstanden, dass auch der Digitaldruck seine Tücken hat. Man legt nicht einfach ein Foto rein und hinten kommen beschichtete Spanplatten raus. Bisher hat noch keiner beweisen können, dass fünf Tonnen Papier farbstabil digital bedruckt werden können. Perspektivisch wird der Digitaldruck jedoch wichtiger werden. Walter Schatt: In der gesamten Wertschöpfungskette wird die kreative Aufgabe, die wir haben, etwas unterschätzt. Das tritt bei den ganzen Gesprächen über Digitaldruck zu sehr in den Hintergrund. Wenn ich sehe, mit welcher Intensität unsere Designerin Claudia Küchen ihre Vorträge auf der ganzen Welt hält und was für leuchtende Augen sie dabei im Publikum verursacht, muss ich sagen: Da steckt unheimlich viel Substanz drin. Ich glaube, dass wir da viel weiter vor anderen sind, als es im einfachen Vergleich sichtbar wird. Auch diese Trendthemen werden ja zu kopieren versucht. Es ist ja kein Zufall, dass wir seit 1985 immer die „größten Beststeller“ hatten. Zumindest in großem Maße. Und das hat nicht nur mit der Druckqualität zu tun. Wir zehren da einerseits von unserer Substanz, dass wir eben Schattdecor sind und die Leute uns vertrauen, andererseits müssen wir unseren Kompetenzanspruch immer wieder erneuern. Das gelingt uns und unsere Kunden werden dadurch auch den OBERFLÄCHEN WERKSTOFFE Argumenten, die Frau Küchen vorbringt, gegenüber empfänglich. Ich denke, dass in dieser Kreativität die Zukunft liegt, ohne jetzt den Digitaldruck völlig außen vor zu lassen. Wir sagen ja schon lange: Wenn der Digitaldruck kommt, dann auf jeden Fall mit uns. Außer uns hat ja ohnehin kaum jemand die Ressourcen, um das zu machen. Und bevor wir uns überholen lassen, setzen wir uns lieber an die Spitze der Bewegung. Und das nicht, um das von vorne auszubremsen, sondern um dabei zu sein. Da leisten wir als Familie es uns „In den 90er-Jahren gab es auch, einfach mal ein paar Wachstumssprünge, die nur Millionen in die Hand zu wir befriedigen konnten.“ nehmen und einfach zu machen. Walter Schatt möbelfertigung: Reden wir nochmal über Digitalisierung. Wie befasst sich Schattdecor mit diesem Thema? Reiner Schulz: Wenn ich an die tausende von Mustern denke, die unsere Vertriebler mit sich rumschleppen, kann ich mir nicht vorstellen, dass das in fünf Jahren auch noch so sein soll. Schattdecor verfolgt jede technologische Neuerung sehr genau. möbelfertigung: Hinsichtlich der vernetzten Fertigung, redet man auch oft von Verlagerung der Fertigung ins Ausland. Wie sehen Sie das? Walter Schatt: Wenn es mit fortschreitender Technik irgendwann egal sein sollte, wo man produziert, kann man ja genau so gut hier in Deutschland produzieren. Ich war vor einiger Zeit bei Blum und bin mit Gerhard Blum durch die Fertigung gegangen. Dort sieht man teilweise keine Menschen mehr. Dann waren wir aber in der Lehrwerkstatt und trafen dort 300 „Mit unseren vorhandenen Lehrlinge. Denn die Reserven können wir momentan braucht man trotzüberall auf der Welt zusätzliches dem. Deshalb ist Wachstum auffangen.“ Roland Auer meine Zukunftsvision für unser Land, dass wir natürlich das Know-How hier haben – und auch die gut ausgebildeten Menschen. 00 möbelfertigung 1/2015 Wenn wir für die einfacheren Arbeiten wirklich nur noch Maschinen benutzen, ist mir nicht bange, im Gegenteil, dann haben wir erst recht einen Standortvorteil. Ich habe Studien gelesen, nach denen diese Maschinen nicht die Facharbeiter, sondern eine Menge der Studierten in niedrigen bis mittleren Positionen ersetzen werden. Aber: Wir müssen aufpassen, dass wir in zehn oder 15 Jahren nicht einen Haufen Leute ausgebildet haben, die nicht mehr gebraucht werden. Wer eigens für die Anforderungen einer automatisierten Fertigung ausgebildet wurde und eine solche Maschine in Gang halten kann, steht im Zweifelsfall dann deutlich besser da als ein mittelprächtiger studierter Ingenieur. Früher haben wir die Farben von Hand gemischt, heutzutage haben wir dafür natürlich eine Software. Und auch die Druckfreigabe hat sich extrem verändert. Es gibt eine digitale Überprüfung, was uns deutlich mehr Sicherheit gibt. Ich habe es früher für unmöglich gehalten, dass man ein Dekor, dass aus drei übereinanderliegenden Strukturen besteht, ausmessen und mit dem Urmuster abgleichen kann, aber es geht eben doch. Dadurch sind die Mitarbeiter nicht überflüssig geworden, aber es geht viel schneller und die Schichtleiter haben eine viel größere Sicherheit. Wenn die damals mal gestresst oder nicht in Form waren, haben die schon mal die ganze Nacht im Kreis „rumgemischt“, bis sie die richtige Farbe hatten. Da musste unser Produktionsleiter – der Bruder von Herrn Schulz – öfter auch mal 16 Stunden arbeiten, weil er der schnellste war. Mit den Hilfsmitteln von heute wäre das nicht so arg gewesen. möbelfertigung: Verändert sich die Art der Arbeit bei Schattdecor denn jetzt schon? Reiner Schulz: In Thansau nimmt der Anteil der Verwaltung zu, die Mitarbeiter in der Produktion werden prozentual weniger. Hier sitzt schließlich das Mutter-Unterneh- men mit Vorstand, Design, Marketing, Kommunikation, Technik und IT. Mit der Produktion gehen wir dorthin, wo unsere Produkte gebraucht werden. möbelfertigung: Was glauben Sie, wie Schattdecor in zehn oder 20 Jahren dasteht? Reiner Schulz: Sicherheiten gibt es nicht und das ist gut so. Sonst würden uns die Füße einschlafen. Eine gesunde Unsicherheit ist wünschenswert, denn so ist gewährleistet, dass wir alle in Form bleiben. Das heißt, wir wollen starke Konkurrenz, denn wer sich immer nur selbst in Schwung halten will, muss schon enorm gut sein. Das ist nicht so einfach. Walter Schatt: Als Familienvater kann ich zum Thema Kontinuität nur mit den Worten meines Rechtsanwalts antworten: „Herr Schatt, schlagen Sie es sich aus dem Kopf. Sie können Ihre Erben nicht für die nächsten zwanzig Jahre binden. Da können Sie jetzt noch so viel aufschreiben. Das können die alles sowieso rückgängig machen.“ Ich habe meinen Teil beigetragen und bin ziemlich zuversichtlich, wenn ich an meine Töchter denke. Die stehen voll zu unserem Unternehmen. Ob wir in dreißig Jahren noch Dekore drucken, weiß ich nicht. Aber: Wir sind gut aufgestellt und finanziell gut ausgestattet. Und der internationale Weg, den wir beschritten haben, gibt uns Sicherheit. Reiner Schulz: Anhand unserer Qualität und finanziellen Ausstattung, kann nur dann etwas passieren, wenn wir selbst etwas verkehrt machen. Wenn es in 20 Jahren keine Dekore mehr gibt, dann ist das eben so. Aber wenn wir eine Entwicklung verpassen, obwohl wir sie mitgehen und uns hätten leisten können, dann hätte das Management versagt. Ich bin genauso frohen Mutes, dass Schattdecor weltweit eine gute Entwicklung nehmen wird. Aber wir können uns niemals ausruhen und nie nachlassen. Das Interview führten Tino Eggert und Sebastian Hahn
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