Januar 2015 - möbelfertigung Die Zukunft liegt in der

OBERFLÄCHEN WERKSTOFFE
Die Schattdecor-Chefs über Menschen, Visionen und Meilensteine
Die Zukunft liegt in der
KREATIVITÄT
Am 26. April 1985 druckte Schattdecor die erste Rolle, 30 Jahre später
sind es insgesamt zwei Milliarden Quadratmeter Oberfläche. Die Geschichte des Unternehmens, das 2015 Jubiläum feiert, ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte. In einem sehr persönlichen Interview sprach die
„möbelfertigung“ mit Inhaber Walter Schatt, Vorstands-Chef Reiner
Schulz und Roland Auer, Vorstand für Vertrieb und Marketing, über
Menschen, Visionen und Meilensteine.
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In der Thansauer Firmenzentrale des Global Players
Schattdecor: Vorstands-Chef Reiner Schulz (von rechts),
Inhaber Walter Schatt, Roland Auer, Vorstand Vertrieb und
Marketing, Tino Eggert, Objektleiter „möbelfertigung“,
und Sebastian Hahn, Redakteur „möbelfertigung“.
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OBERFLÄCHEN WERKSTOFFE
„Unser enormes Wachstum war
eine Gefahr. Wir standen dem
Abgrund sehr nahe.“ Walter Schatt
Roland Auer: Das ist sicher auch
eine wichtige Aussage für die Menschen, die bei Schattdecor arbeiten.
möbelfertigung: Wie lief das
Geschäftsjahr 2014?
Roland Auer: Es war für die
Gruppe das erfolgreichste Jahr in
der Geschichte. Wir haben zum ersten Mal mehr als 1,5 Mrd. Quadratmeter bedruckt, 300 Mio. Quadratmeter bei Folie überschritten
und bei der Imprägnierung 200
Mio. Quadratmeter. Also insgesamt
etwa zwei Mrd. Quadratmeter
Oberfläche. Unser Umsatz liegt bei
etwa 600 Mio. Euro.
„Bevor wir uns
überholen lassen,
setzen wir uns lieber
an die Spitze der
Bewegung.“
Walter Schatt
exklusiv
„Das Geschäft ist heute
weniger persönlich.
Leider.“
Reiner Schulz
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möbelfertigung: Wie gut ist
dieses Ergebnis in Relation
zum Vorjahr?
Reiner Schulz: Wir konnten den
Druck um fünf Prozent steigern, bei
Imprägnierung und Lackierung
liegt das Plus bei zehn Prozent.
möbelfertigung: Herr Schatt,
Herr Schulz, Herr Auer, wie
beurteilen Sie den Dekormarkt
aktuell?
Reiner Schulz: In meinen Augen
besteht ein dringender Konsolidierungsbedarf, weil es nach wie vor
zu große Druck-Kapazitäten gibt. In
der Vergangenheit haben wir, beispielsweise mit den Übernahmen
von Maltaprint in Polen oder Cartiere Sottrici Binda, mit dafür gesorgt, dass sich der Markt konsolidiert und geordnet hat.
Walter Schatt: Wenn ich sehe,
welchen Weg Süddekor gegangen
ist, wie man über das Unternehmen hergefallen ist und es ausgeplündert hat, muss ich an Franz
Müntefering und seine wahren
Worte über Heuschrecken denken.
Und es ist ja kein Einzelfall. Speziell
bei Süddekor hat es mich immer
geschmerzt, weil ich weiß, wie viel
Kraft viele Menschen in das Unternehmen gesteckt haben. Aber leider kriegt man alles klein, wenn
man will.
Meine Meinung zu solchen Geschäftsgebahren wurde bestätigt
und ich bin froh, dass jetzt ein
strategischer Partner gefunden
wurde, der Süddekor übernommen
hat. Ich kann mir vorstellen, dass
Surteco aber erschrocken sein
wird, welche eigentlich notwendigen Investitionen von den Vorbesitzern unterlassen worden sind.
Im Vergleich zu vorher kann es nur
besser werden.
Die Verlagerung der Produktion
von Laichingen nach Buttenwiesen ist
eine unternehmerische Entscheidung,
die man sich gewiss gut überlegt hat.
Ungewöhnlich ist jedoch, dass der
größere Teil zum kleineren geht.
Wir haben hier einmal die Produktion verlagert, 1989, und das
waren nur etwa drei Kilometer Luftlinie. Obwohl wir nur eine Laborund eine Druckmaschine hatten, hat
es trotzdem drei Monate gedauert.
möbelfertigung: Sie stehen
Private-Equity-Modellen also
nach wie vor ablehnend gegenüber?
Walter Schatt: Das ist eine andere Welt, in der wir nicht zu Hause
sind.
möbelfertigung: Gibt es in
Russland derzeit neben dem
schwankenden Rubelkurs noch
andere Probleme?
Reiner Schulz: Nein. Wir waren
dort von Anfang an sehr geradlinig
in unserer Geschäftsabwicklung.
Schattdecor funktioniert überall auf
der Welt mehr oder weniger gleich
und wir sind auch in Russland mit
nichts konfrontiert worden, was
dem im Wege stehen würde. Angesichts dessen, was in dem Land
passiert, kann man von einem
überraschend stabilen Geschäft
sprechen.
möbelfertigung: Was waren
die größten Wachstumstreiber?
Roland Auer: Trotz eines Rekordjahres 2013 haben wir im Bereich
Folie noch einmal zugelegt. Auch
Melamin hat sich gut entwickelt.
Mit Blick auf die Märkte, verzeichnen wir in Asien und der Türkei
ein starkes Wachstum. Ebenso in
Nordamerika mit einem Plus von
20 Prozent, dort allerdings ausgehend von einer bescheidenen Basis.
In Zentraleuropa, inklusive Polen, unserem wichtigsten Markt mit
mehr als 50 Prozent Umsatzanteil,
sind wir stabil.
Reiner Schulz: Wir haben weltweit keinen Bereich, der sich gegenläufig entwickelt. Man sieht
beispielsweise in Südamerika eine
Beruhigung des Marktes, aber auch
dort läuft es gut für uns.
möbelfertigung: Wie wird sich
2015 entwickeln?
Roland Auer: Das sehen wir differenziert: Im Bereich Folie erwarten
wir aufgrund der getätigten Investitionen verstärkten Wettbewerbsdruck, denn es drängen mehr Kapazitäten in den Markt.
Aber wir können wir dem härteren Wettbewerb gelassen entgegen
sehen. Wir sind aber auch realistisch
und wissen, was auf uns zukommt.
möbelfertigung: Gibt es konkrete Ziele für das Jahr?
Reiner Schulz: Es ist natürlich
Wachstum angestrebt. Wir haben
aber auch den Realitätssinn und
wissen, dass wir die Schlagzahl bei
der Folie nicht ewig halten können.
Wenn weitere Wettbewerber in
den Markt drängen, muss man, bei
allem Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit und Qualität, mit
Einbußen rechnen.
Ein treibender Faktor wird China sein, auch wenn die Lage recht
unübersichtlich ist. Nach unseren
Informationen gibt es dort rund
1.000 Imprägnierkanäle und die
Zahl der Druckereien kennt man
nicht genau. Deshalb ist es schwierig, von Marktanteilen zu reden.
Was wir wissen, ist, dass wir in
China ordentlich wachsen und dass
der Markt insgesamt noch schneller wächst als wir. In China sind
mehr als 500.000 Tonnen Dekorpapier im Umlauf.
Roland Auer: Das ist ungefähr die
Hälfte des Dekorpapiers auf der
ganzen Welt.
möbelfertigung: Wie stellt
sich denn die Wettbewerbs-
situation mit chinesischen Firmen dar?
Reiner Schulz: Die haben in den
vergangenen Jahren viel gelernt.
Roland Auer: Technologien wurden weiterentwickelt, deshalb stehen die Unternehmen nicht
schlecht da und man trifft sie mittlerweile in aller Welt.
Reiner Schulz: Dazu kommt,
dass chinesische Firmen sehr aggressiv sind. Bietet sich irgendwo
ein freier Raum, sind sie als erste
dort vertreten.
möbelfertigung: Hilft in China
die Marke Schattdecor?
Reiner Schulz: Absolut, sie spielt
dort eine entscheidende Rolle.
Der Ausbau unserer Tätigkeiten
in China beziehungsweise Asien
wird in den nächsten Jahren eines
unserer wichtigsten Themen sein.
möbelfertigung: Sind dort in
nächster Zeit auch Investitionen geplant?
Roland Auer: Wir sind dort bereits bestens aufgestellt, deshalb
brauchen wir keinen weiteren
Standort. Mit unseren vorhandenen
Reserven können wir momentan
überall auf der Welt zusätzliches
Wachstum auffangen.
Reiner Schulz: In unserem Werk
in Shanghai haben wir noch genügend Fläche zur Verfügung und wir
werden planen, wie man die Produktion dort erweitern kann. Dazu
müssen wir dann aber auch qualifiziertes Personal finden.
Wir haben letztes Jahr die vierte
Druckmaschine in Shanghai in Betrieb genommen und sie ist bereits
voll ausgelastet. Auch unsere Papierfabrik entwickelt sich für europäische Verhältnisse sensationell,
für chinesische Verhältnisse überdurchschnittlich.
möbelfertigung: Sie sprachen
Südamerika an. Wie stellt sich
die Situation dort da?
Roland Auer: Das Tempo der letzten Jahre wird sich mit Sicherheit
verlangsamen. Es sind jedoch immer noch Wachstumspotenziale
vorhanden. Denn die Unternehmen
dort sind nach unserer Einschätzung sehr stabil und einige werden
bald auch ihre Fühler nach Nordamerika ausstrecken.
OBERFLÄCHEN WERKSTOFFE
Walter Schatt: Interessant ist
Brasilien allein schon wegen der
Demografie. Der Markt kann im
Grunde nur wachsen.
„Da sich die Gegebenheiten in der Geschäftswelt
immer schneller ändern, brauchen wir Mitarbeiter,
die Entwicklungen schon vorher erkennen.
Reagieren ist mittlerweile zu spät.“
Walter Schatt
möbelfertigung: Schattdecor
wird jetzt 30 Jahre alt. Haben
Sie Zeit, sich mal zurückzulehnen und zu genießen?
Walter Schatt: (lacht) Ich lehne
mich eigentlich den ganzen Tag
zurück und genieße. Im Ernst: Ich
kann manchmal kaum glauben,
dass es Schattdecor bereits 30
Jahre gibt.
Hinter den 30 Jahren verbirgt
sich eine bemerkenswerte Kontinuität. Schattdecor steht für Verlässlichkeit und Kalkulierbarkeit.
Attribute, die, glaube ich, heute
immer noch viel Wert sind. Gerade
in dieser sich schnell verändernden Welt kann man sich dadurch
auszeichnen, dass man eine Art
Fels in der Brandung ist, der immer den Kopf oben hat.
Die Brandung ist ein gutes
Bild: Manche sind mal oben und
mal unten, manche bleiben unten – wir sind immer noch oben.
Und wenn ich meine Vorstände
anschaue, haben wir auch die Absicht, oben zu bleiben.
„Im Bereich Folie erwarten wir in den kommenden Jahren aufgrund der getätigten Investitionen
verstärkten Wettbewerbsdruck, denn es drängen
mehr Kapazitäten in den Markt.“
Roland Auer
möbelfertigung: Herr Schatt,
Sie haben bei unserem letzten
Interview gesagt, Sie sind aus
Verzweiflung
Unternehmer
geworden, weil Sie Ihre Vorstellungen eines Unternehmens und vom Umgang mit
Menschen bis dahin nicht verwirklichen konnten. Hat sich
Ihre Vision erfüllt?
Walter Schatt: Absolut, ja. Ein
Beispiel: Auf unserer Weihnachts-
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feier durften wir 20 Mitarbeiter ehren, die 25 Jahre und mehr bei
Schattdecor sind. Das ist für ein 30
Jahre junges Unternehmen etwas
Besonderes. Daran sieht man, wie
die Fluktuation bei Schattdecor
ist – nämlich nahezu bei Null.
möbelfertigung: Herr Auer, wie
haben Sie diese Vision vom
Umgang mit Menschen erlebt?
Sie arbeiten bereits lange im
Unternehmen und gehören
trotzdem zur neuen Generation der Führungsebene.
Roland Auer: Ein großer Vorteil in
unserem Hause ist, dass man einen
großen Vertrauensvorschuss erhält
und Zeit bekommt, sich vernünftig
einzuarbeiten und das Unternehmen von allen Seiten kennen zu
lernen. Zudem nehmen sich beide
Seiten Zeit, zu beurteilen, ob es
passt oder nicht.
Ich bin mit 28 Jahren nach Polen gegangen und habe dort Verantwortung übernommen. Das ist
der beste Beweis für die hier bestehende Vertrauensbasis. Wenn ich
mir heute unsere Trainees anschaue, dann hat sich daran nichts
geändert.
Walter Schatt: Ich habe gerade
wieder einen kompletten Tag mit
unseren Trainees verbracht. Es
macht mir Freude, mit jungen Menschen zusammen zu sein. Und es
ist schön, dass sie sehr interessiert
an meinen Erfahrungen sind – und
sie auch in ihre Arbeit einfließen
lassen.
Roland Auer: Es ist wichtig, die
Erfahrungen und Werte des Unternehmens weiter zu tragen.
Der Unterbau ist aber das Vertrauen. Und auch das Recht, Fehler
machen zu dürfen und Feedback zu
erhalten. So entstehen nachhaltige
Impulse, Menschen nach vorne zu
bringen. In unserem internationalen Geschäft stellen wir fest, dass
dieses Rezept auch in anderen Kulturen funktioniert.
möbelfertigung: In Ihrem Leitbild sind die Worte „Man
muss den Menschen mögen“
verankert. Wie setzen Sie das
weltweit um?
Walter Schatt: Das ist ziemlich
einfach: Es geht darum, natürlich
aufzutreten und mit Menschen vernünftig umzugehen.
Wir hatten und haben die Aufgabe, unsere Arbeitsweisen, die
man „ausgeprägt deutsch“ nennen
könnte, in andere Länder zu übertragen. Aber auch das ist eigentlich
einfach. Es geht nicht mit hoch erhobener Nase, sondern nur mit
Selbstbewusstsein, das in sozial verträgliche Bahnen gelenkt wird. Und
das wiederum geht nur mit Neugier. Neugier darauf, was zum Beispiel in Russland oder Polen los ist.
Man muss die Leute einfach fragen,
wie die Gepflogenheiten in ihrem
Land sind. Wenn man ihnen ihre
Identität und Kreativität lässt, dann
sind sie offen für andere Arbeitsweisen, die in unserem Fall schon
deutsch ist. Aber eben jetzt polnisch-deutsch oder russisch-deutsch.
Eine Besonderheit bei unserer
Arbeit im Ausland ist, dass unsere
Konzernsprache nach wie vor
Deutsch ist. Das ist für ein internationales Unternehmen selten. Ich
halte es jedoch für unheimlich
wichtig, weil wir unsere Botschaft
so viel besser vermitteln können als
in einer Drittsprache.
Natürlich lernen deutsche Mitarbeiter, die ins Ausland gehen,
auch die Landessprache. Das ist
eine Frage des Respekts. Aber wir
führen auch ständig Deutschkurse
durch. Die Tiefe der Verbindung, die
wir zu unseren Tochterfirmen haben, ist dadurch viel besser.
Ich glaube, dass das eine große
Stärke von uns ist. Wir haben es ja
mit sehr verschiedenen Kulturen zu
tun. Aber so unterschiedlich die
Menschen auch sein mögen, sind
sie sich im Kern doch sehr ähnlich.
Auf anständige Behandlung reagieren sie alle auf die gleiche Weise. Nämlich mit Treue, Engagement
und Kreativität. Deswegen brauchen wir auch kein polnisches Rezept, kein russisches Rezept, kein
brasilianisches Rezept, sondern ein
menschliches Rezept. Und dafür
brauchen wir Kommunikation in
Muttersprache.
Reiner Schulz: Menschen, egal
wo auf der Welt, merken, ob jemand irgendein Leitbild aufschreibt
oder ob jemand die Menschen mag
und einfach wahre Sachen komuniziert.
möbelfertigung: Herr Auer,
deckt sich das mit Ihren Erfah-
rungen, die Sie in mehr als
zehn Jahren Arbeit in Polen
gesammelt haben?
Roland Auer: Ja, die Muttersprache ist der Schlüssel zum Menschen. Man kommt natürlich beispielsweise auch mit Englisch irgendwie zu Recht. Der Unterschied
ist, ob ich wirklich in die Kultur und
die Denkweisen der Menschen
eintauchen oder einfach oberflächlich Ansagen machen will.
Obwohl die polnisch-deutsche
Geschichte eine sehr belastete ist,
habe ich aufgrund meiner Herkunft
nie Probleme gehabt. Eher im Gegenteil und ich denke das hängt
sehr stark davon ab, mit wieviel
Fingerspitzengefühl man die Sache
angeht. Mir wurden von vornherein
einige wenige Do’s und Don’ts mit
auf den Weg gegeben, mit denen
ich sehr gut gefahren bin. Solche
Punkte gibt es in vielen Kulturen
und die Einhaltung sollte kein Problem sein.
Die Nachfrage, warum ich von A
nach B laufen soll, muss schließlich
erlaubt sein. Das habe ich als Junge
auch gemacht. Nur hat es mir damals keiner erklärt und das war
nicht zufriedenstellend.
Wir haben das bei Schattdecor
von Anfang an anders gemacht
und das hätten sich meine ersten
Mitarbeiter auch gar nicht bieten
lassen, weil sie es nicht nötig gehabt haben. Wir haben hier theoretisch die ganze Bandbreite an Hierarchie zur Verfügung aber wir benutzen sie nicht. Sonst sagt man irgendwann „Zum Angriff!“ und
läuft alleine los.
möbelfertigung: Was glauben
Sie, macht Schattdecor außerdem attraktiv für junge, hochqualifizierte Führungskräfte?
Reiner Schulz: Wir bieten Perspektive und die Werte eines positiv denkenden und agierenden Familienunternehmens. Zudem kann
man bei uns weit über den Tellermöbelfertigung: Schattdecor rand schauen: Bei uns machen Mitarbeiter nicht „nur“ Verkauf oder
ist sehr schnell sehr stark ge„nur“ Produktion. Wir bilden eher
wachsen. Musste sich der Führungsstil ändern, damit das Generalisten aus und fahren damit
Unternehmen für junge Leute sehr gut.
Wir bieten außerdem Sicherheit
attraktiv bleibt?
Walter Schatt: Ich glaube, viel und Vertrauen. Ein Mensch, der
mussten wir da nicht machen. Im sich sicher und geborgen fühlt und
militärischen Bereich gibt es Befehl Freiheiten genießt, hat eine Zukunftsperspektiund Gehorsam.
ve. Und wie
Aber wenn Sie
schon erwähnt,
einen Befehl, ei- „Schattdecor steht
haben wir praknen
Wunsch für Verlässlichkeit
tisch keine Flukoder eine Anreund Kalkulierbarkeit.“ tuation. Dadurch
gung vortragen,
Walter Schatt
können wir zwar
müssen Sie zunicht endlos Titel
nächst die allgemeine Lage, die Marktsituation, die vergeben, aber jedem einzelnen
Mitarbeiter wird nach und nach
eigene Lage und den Auftrag weimehr Verantwortung übertragen.
tergeben. Mit all diesen InformatioIn der Anfangszeit ging es bei
nen ausgestattet, hat man aber ein
uns natürlich ziemlich schnell: Dort
Maximum an Autonomie. Oder Verkonnten sie binnen eines Vierteltrauen.
Wir hatten früher sicher kürzere jahres vom Berufseinsteiger zum
Anordnungswege und im Notfall Maschinenführer aufsteigen.
sind sie immer noch kurz, aber vom Walter Schatt: Beim Kampf um
Nachwuchskräfte müssen wir zuersten Tag an sind keine Befehle gegeben worden wie: „Morgen läufst erst mal sehen: Mit wem stehen
du von A nach B!“ Denn dann fragt wir denn im Wettbewerb? Das sind
traditionell die Großunternehmen.
der Angesprochene zu Recht: „WieDa hieß es vor Jahren, dass man eh
so?“ Wenn ich ihm die Situation erkläre, dann läuft er von alleine los. nicht gewinnen kann. Das ist imDas hat auch überhaupt nichts mit mer noch ein Problem und darum
einer neuen Generation zu tun, die muss jeder Mittelständler an seiübrigens sowieso verleumdet wird. nem Image feilen.
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OBERFLÄCHEN WERKSTOFFE
Man darf in unserem Fall aber
nicht vergessen, dass dieses Unternehmen eine Internationalität
verkörpert, die sie bei größeren
Unternehmen oft vergeblich suchen. Groß ist nicht unbedingt international. Vor zehn Jahren sind
70 Prozent der Absolventen zu
Großunternehmen gegangen sind.
Heute ist es umgekehrt.
„Chinesische Firmen sind sehr
Unsere Chance, besonders
gute Leute zu
aggressiv. Bietet sich irgendwo
bekommen,
stehen
ein freier Raum, sind sie als
also gar nicht schlecht,
erste dort vertreten.“ Reiner Schulz wir müssen nur an uns
glauben. Die jungen
Leute wollen auch
nicht alle nur Work-Life-Balance,
das ist Quatsch, es gibt ganz verschiedene Typen. Und von all’ diesen verschiedenen Typen können
wir welche brauchen.
Das große Schlagwort ist heute
Potenzial. Da sich die Gegebenheiten in der Geschäftswelt immer
schneller ändern, braucht man Leute, die neugierig sind und Entwicklungen schon vorher erkennen.
Reagieren ist mittlerweile zu spät.
„Wir haben hier theoretisch die ganze Bandbreite an Hierarchie zur Verfügung, aber wir
benutzen sie nicht. Sonst sagt man irgendwann
,Zum Angriff!’ und läuft alleine los.“ Walter Schatt
möbelfertigung: Schattdecor
war von Anfang an modern
aufgestellt. Hat die Zeit dann
für Sie gearbeitet?
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Walter Schatt: Die Zeiten werden sich weiter ändern, aber wir
müssen unsere Systeme nicht diametral auf den Kopf stellen.
Es gibt wahrscheinlich wenige
Leitbilder in Deutschland, die
so entstanden sind, wie bei uns.
Klassischerweise setzt sich ja irgendwer hin und schreibt irgendwas auf und dann sollen alle so
handeln.
Wir hingegen haben erst einmal festgestellt, wie es bei uns zugeht, indem wir 28 eigene Mitarbeiter ohne Präsenz der Geschäftsleitung aufschreiben ließen,
worin nach ihrer Ansicht unsere
Unternehmenskultur besteht. Daraus wurde dann das Leitbild erstellt. Insofern wurde auf durchaus außergewöhnliche Weise die
Unternehmensethik aus der real
existierenden Kultur entwickelt.
Deswegen haben diese Grundsätze auch heute noch Gültigkeit
und funktionieren.
möbelfertigung: Vermissen
Sie manchmal die Aufbruchstimmung der Anfangszeit?
Reiner Schulz: Ob es jetzt schöner war, am 26. April 1985 die
erste Rolle zu drucken, was man
nie vergessen wird, oder ob es
heute schöner ist, kann ich wirklich nicht sagen.
Das Erlebnis Schattdecor, dass
wir in diesen 30 Jahren hatten,
das ist insgesamt das Schöne. Einfach dabei zu sein. Ich würde jedem, der die notwendige Opferbereitschaft mitbringt, wünschen, so
etwas selbst zu erleben. Wir haben die Chance bekommen und
wir haben sie genutzt.
möbelfertigung: Sie sprachen
von Opferbereitschaft. Was
meinen Sie konkret?
Reiner Schulz: Gerade in der Anfangszeit war die physische und
psychische Beanspruchung jedes
Einzelnen enorm.
Walter Schatt: Ich glaube, wir
können sehr ehrlich behaupten,
dass wir keinen Menschen „verbraten“ haben. Auch nicht in der
Anfangszeit. Es gibt bestimmt ein
paar grenzwertige Dinge, wo die
Beanspruchung auch Spuren hinterlassen hat, aber die haben wir
wieder hingebogen und Leichen
am Wegesrand haben wir definitiv
nicht hinterlassen. Dabei wäre Gelegenheit dazu natürlich da gewesen. Denn bei unseren enormen
Wachstumsraten, wurde der Spielraum, sich um jeden zu kümmern,
sehr eng. Da braucht man dann
schon ein passendes Netz und
Führungspersonal, das versteht,
was im Unternehmen los ist. Und
glücklicherweise hatten wir diese
Leute immer. Haben Sie die nicht,
gehen Sie mit einem Unternehmen, das sich dermaßen rasant
entwickelt, unter.
möbelfertigung: Was kann
man denn konkret tun?
Walter Schatt: Unter anderem ist
die interne Kommunikation eine
herausragende Aufgabe, die wir
gut bewältigt haben.
Ehrlicherweise wird es ab einer
bestimmten Unternehmensgröße
bei der Kommunikation von ganz
oben nach ganz unten unvermeidlich immer Probleme geben. Aber
genau dies ist unsere Chance und
auch unsere Stärke, denn unsere
Mitarbeiter denken nicht: „Es interessiert eh keinen, was ich hier
mache.“
Reiner Schulz: Unter anderem erhält bei uns jeder Mitarbeiter einmal im Jahr am selben Tag von mir
persönlich dieselben Information
zum Unternehmen. Wo stehen wir
und wo soll es hingehen?
Diese direkte Kommunikation
von ganz oben direkt zu den
Mitarbeitern hat sich bewährt.
Auch in kritischen Zeiten, zum Beispiel in der Krise 2009. Sich damals hinzustellen und zu sagen:
„Wir machen Kurzarbeit“, war
nicht lustig. Aber das mache ich
persönlich, um den Leuten auch
sagen zu können: „Keine Angst,
wenn wir umfallen, fallen wir
weich, weil die anderen schon liegen.“ Dass wir damals entschieden haben, wir verdienen besser
alle 20 Prozent weniger, als wenn
wir 20 Prozent der Mitarbeiter entlassen, hat uns geformt und den
Zusammenhalt gestärkt. Da merken die Leute dann, dass sie Teil
eines sicheren Gebildes sind. Nur
so bringen sie Leistung und eben
auch mal Opfer.
Walter Schatt: Zu unserer Philosophie gehört auch, unseren Mitarbeitern zu helfen. In Russland haben wir einige ins Krankenhaus ge-
bracht, weil gewisse Behandlungen
keine Krankenkasse zahlt. Wenn
man sowas am Jahresende zusammenzählt, ist das gemessen an unseren Gesamtausgaben eine lächerliche Summe. Aber die Wirkung ist
groß.
Reiner Schulz: 35 unserer Mitarbeiter waren vom Hochwasser rund
um Rosenheim 2013 direkt betroffen und haben Hilfe aus dem Unternehmen erhalten. Im Grunde ist das
selbstverständlich, aber man muss
es eben tun und es ist ein sehr positives Signal an die Belegschaft.
möbelfertigung: Herr Schatt,
Herr Schulz, hat sich in 30 Jahren Ihr Verhältnis zueinander
geändert?
Walter Schatt: (lacht) Ja, Herr
Schulz wird immer aufmüpfiger.
Ernsthaft: Wir haben es immer gut
miteinander ausgehalten.
Reiner Schulz: Für die Intensität
des Zusammenarbeitens oder fast
schon Zusammenlebens, haben wir
insofern Außergewöhnliches geleistet, weil wir alles gemeinsam gemeistert haben, ohne größere Streitereien.
möbelfertigung: Herr Schatt,
wie haben Sie das aktive Ausscheiden aus dem Unternehmen 2007 gemeistert?
Walter Schatt: Ich glaube gut.
Dass Reiner Schulz die Leitung
übernehmen kann, wusste ich
bereits lange. Man hängt aber
auch emotional an einem Unternehmen.
möbelfertigung: Sie haben
nicht einmal mehr ein Büro
bei Schattdecor...
Walter Schatt: Wenn man jeden
Tag ins Unternehmen geht, obwohl man eigentlich keine Arbeit
mehr hat, dann macht man sich
mutwillig welche. Und geht im
Zweifel Dinge an, die man besser
nicht mehr angehen sollte. Ich finde es wichtig, nicht überall die
Nase reinzustecken, wenn man
kein Amt mehr ausfüllt.
„Wenn ich sehe, welchen Weg Süddekor gegangen
ist, wie man über das Unternehmen hergefallen
ist und es ausgeplündert hat, muss ich an Franz
Müntefering und seine wahren Worte über Heuschrecken denken.“
Walter Schatt
Ich habe bei der Übergabe nur
die Bitte geäußert, die Hausmeisterei nicht zu vergessen. Zu gucken, ob im Keller noch Licht
brennt – im übertragenen Sinne.
Wenn der Alte immer da ist, dann
verlassen sich oft viele auf ihn.
möbelfertigung: Viele inhabergeführte Unternehmen haben
Probleme mit Nachfolgeregelungen, sie führen manchmal
sogar zu existenzgefährdenden Situationen...
Walter Schatt: Es gibt zwei
Wege: Sie können, wenn Sie 65
Jahre alt sind, jemanden aus der
Großindustrie berufen. Der steckt
dann aber so voller Anglizismen,
dass ihn niemand versteht oder er
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OBERFLÄCHEN WERKSTOFFE
„Es ist kein Zufall,
dass wir seit 1985
immer die BestsellerDekor hatten.“
Walter Schatt
„Sicherheiten gibt es
nicht und das ist gut
so. Sonst würden uns
die Füße einschlafen.“
Reiner Schulz
ist so anders, dass es nicht funktioniert. Schattdecor lebt jedoch
von einer klaren Handschrift und
einer Identität. Wenn die vernachlässigt wird, entsteht Unruhe.
Der zweite Weg: Man hat jemanden im Auge. So ist es bei
uns gewesen. Reiner Schulz und
ich haben uns sehr früh die Verantwortung geteilt.
Die Gefahr bei uns war eher
das schnelle Wachstum mit den
vielen neuen Mitarbeitern, die wir
in Verantwortung bringen mussten. Zwei oder drei Fabriken
gleichzeitig zu bauen, das muss
man erstmal verdauen. Wir standen da wirklich am Abgrund. Und
da hat Reiner Schulz mir gezeigt,
wie nahe wir ihm schon gekommen sind.
Reiner Schulz: Das Wachstum
war ja nicht falsch, aber die Strukturen müssen mitwachsen. Wir
mussten dann auch Führungsleute
von Außen holen. Es wurden uns
fünf Leute vermittelt, von denen
ist heute noch einer da.
möbelfertigung: Von welchem
Zeitraum sprechen Sie genau?
Reiner Schulz: Zwischen 1997
und 2005 ungefähr. Ich erinnere
mich noch an meine Rede zum
zehnjährigen Jubiläum 1995. Da
sagte ich: „Wir sind stolz, dass wir
letztes Jahr 100 Mio. Mark umgesetzt haben. Dieses Jahr haben wir
diese Marke bereits im Juni erreicht.“
Walter Schatt: Da war das noch
ein reines Thema der Produktionskapazitäten. Dann kamen jedoch
die baulichen Veränderungen und
viel Bürokratie dazu. Da nähern
Sie sich dem Abgrund. Dieser Entwicklung kann man nur entgegensteuern, wenn man sie früh genug
erkennt.
möbelfertigung: Was waren
die größten Meilensteine von
Schattdecor?
Walter Schatt: Wir haben direkt
mit einem Quantensprung angefangen und 1985 eine Qualität
der Reproduktion druckbar gemacht, die sich von allen anderen
deutlich unterschied, weil wir das
damalige japanische Qualitätsniveau nach Europa gebracht und
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es massenproduktionstauglich gemacht haben. Dafür musste man
das Papier, die Farben, die Maschinen und die Prozesse ändern.
Dass das funktionieren kann,
wusste ich schon in meiner Zeit
bei Süddekor. Dass ich es dort
nicht umsetzen durfte, war ein
Grund für meinen Weggang.
Ein anderer wichtiger Zeitpunkt war 1989, als die erste kontinuierliche Plattenproduktion anlief und dementsprechend die
Mengen explodierten. Diese Entwicklung wurde 1993 weiter forciert, als der Laminatboden dazu
kam.
In den 90er-Jahren gab es
Wachstumssprünge, die nur wir
befriedigen konnten. Unsere Wettbewerber hatten mehr Aufträge,
als sie bearbeiten konnten, wir
hatten Reserven. Also druckten
wir nicht nur eine einzigartige
Qualität sondern waren auch die
einzigen, die liefern konnten. Teilweise wurden 40 bis 50 Prozent
des gesamten Branchenwachstums bei uns realisiert. Das waren
natürlich nicht nur Meilensteine
eigener Machart, sondern auch
Marktgegebenheiten, die wir genutzt haben.
Reiner Schulz: Die Jahre 1993
bis 1997 in Polen waren auch unglaublich dynamisch. Dort kamen
gewaltige Dimensionen auf uns
zu.
Walter Schatt: Die Wachstumsraten in den 90er-Jahren waren
die höchsten, die wir jemals hatten. Die Expansion im Ausland
kam dann noch oben drauf. Ab
2002 beruhigte sich der Markt
dann ein wenig, aber vorher sind
wir wirklich ins Schwimmen geraten.
möbelfertigung: Das heißt,
Schattdecor war nicht nur
Treiber, sondern auch Getriebener des Marktes?
Walter Schatt: Die Branche hätte nicht in dem Maße wachsen
können, wenn wir nicht so gehandelt hätten. Unsere Kunden wären
dann einfach ohne Ware gewesen.
Wir mussten damals diese Chance
ergreifen, denn man bekommt sie
nur ein Mal.
Reiner Schulz: Man kann nicht
sagen, dass sonst jemand anderes
die Chance ergriffen hätte, denn
sonst hatte keiner die Möglichkeiten wie wir.
Walter Schatt: Und man hätte
auch nichts liegen lassen können,
um es später nachzuholen. Seit
2005 gibt es genug Kapazität.
Aber damals hat unsere Flexibilität dafür gesorgt, dass die ganze Branche einen Sprung gemacht
hat. Ich hatte damals immer noch
Optionen auf zwei oder drei Maschinen. Und der damals einzige
Hersteller solcher Druckmaschinen, Kochsiek, konnte nur zwei
oder drei pro Jahr bauen.
möbelfertigung:
Inwiefern
hat sich das Geschäft aus Ihrer Sicht geändert?
Reiner Schulz: Mir fehlen heute
die persönlichen Beziehungen etwas. Früher konnte man mit sehr
enger Zusammenarbeit viel bewegen. Heute sitzen Sie Menschen
gegenüber, die bevor sie Sie begrüßen, das Laptop aufklappen.
Die wollen nicht den Menschen
kennenlernen. Das ist schon etwas, was mir persönlich weh tut,
aber vielleicht ist das auch nur
eine Frage des Alters.
Walter Schatt: Ich glaube, dass
aber auch der Mann mit dem Laptop gern hierher kommt. Wir müssen ja nicht so werden, denn ich
bin sicher, dass unsere Werte nie
außer der Mode kommen.
Reiner Schulz: Ja, das ist auch
eine Chance. Zuverlässigkeit, persönliche Betreuung und Sicherheit, also Attribute, für die Schattdecor steht, werden natürlich
wertvoller, weil sie seltener werden. Der Begriff „Werte“ im Geschäftsbereich ist ja neu, darüber
hat früher niemand gesprochen,
weil es ganz normal war. Es besteht also ein Bedarf.
Walter Schatt: 1981 habe ich
das erste Mal etwas von „Unternehmenskultur“ gehört. Ich wusste gar nicht, was das sein soll. Das
hat eine Dame bei einer Konferenz
zum Thema gemacht und dann
gefragt: „Wie ist das denn bei Ihnen? Haben Sie eine Unternehmenskultur?“ Und ich habe gesagt: „So genau weiß ich das
nicht, aber ich erzähle Ihnen mal,
wie wir arbeiten und dann können
Sie mir sagen, ob wir eine Unter-
nehmenskultur haben. Meine Leute arbeiten hart von Montagmorgen bis manchmal Samstagabend.
Aber ich bin überzeugt, dass sie
sich am Sonntagabend irgendwie
darauf freuen, dass es am Montag
wieder los geht.“ „Das ist es
doch“, sagte die Dame. Seitdem
weiß ich, dass wir eine Unternehmenskultur haben.
Worauf ich hinaus will: Wir haben wenig Seminare belegt, weil
wir keine Zeit dazu hatten. Aber
wenn, dann habe ich immer wieder festgestellt, dass wir intuitiv
fast alles richtig gemacht haben.
Und das Schöne an solchen Seminaren ist, dass man hinterher
dann auch einen Namen für das
hat, was man so tut. Sei das jetzt
Unternehmenskultur oder lean
management. Ich weiß noch ganz
genau, als ich irgendwann hier
reinkam und gesagt habe: „Wisst
ihr eigentlich, dass wir lean sind?“
Damit konnte Niemand etwas anzufangen.
Bei fast allem, was irgendwelche Professoren sich ausgedacht
haben, konnten wir sagen: „Das
haben wir schon.“ Intuitiv wie
gesagt. In Bücher haben wir sowieso nicht reingeschaut, also haben wir das einfach irgendwie gemacht. Und aus Versehen eben
immer richtig. Das kann man ruhig mal so sagen, so tierisch ernst
muss man sich selbst ja auch nicht
nehmen.
möbelfertigung: Nach wie vor
ist Schattdecor einer der Treiber bei neuen Technologien,
wie zum Beispiel dem Digitaldruck. Rechnen Sie damit,
dass dieser in den nächsten
Jahren die beherrschende
Drucktechnik wird?
Reiner Schulz: Ich glaube nicht,
dass der Digitaldruck in nächster
Zeit den Tiefdruck ersetzt. Nichtsdestotrotz arbeiten wir intensiv an
der Weiterentwicklung und wollen
auch Maschinen installieren.
Ich denke, die meisten Leute
haben jetzt verstanden, dass auch
der Digitaldruck seine Tücken hat.
Man legt nicht einfach ein Foto
rein und hinten kommen beschichtete Spanplatten raus. Bisher hat
noch keiner beweisen können,
dass fünf Tonnen Papier farbstabil
digital bedruckt werden können.
Perspektivisch wird der Digitaldruck jedoch wichtiger werden.
Walter Schatt: In der gesamten
Wertschöpfungskette wird die
kreative Aufgabe, die wir haben,
etwas unterschätzt. Das tritt bei
den ganzen Gesprächen über Digitaldruck zu sehr in den Hintergrund. Wenn ich sehe, mit welcher
Intensität unsere Designerin Claudia Küchen ihre Vorträge auf der
ganzen Welt hält und was für
leuchtende Augen sie dabei im Publikum verursacht, muss ich sagen:
Da steckt unheimlich viel Substanz
drin. Ich glaube, dass wir da viel
weiter vor anderen sind, als es im
einfachen Vergleich sichtbar wird.
Auch diese Trendthemen werden ja
zu kopieren versucht.
Es ist ja kein Zufall, dass wir
seit 1985 immer die „größten
Beststeller“ hatten. Zumindest in
großem Maße. Und das hat nicht
nur mit der Druckqualität zu tun.
Wir zehren da einerseits von unserer Substanz, dass wir eben
Schattdecor sind und die Leute
uns vertrauen, andererseits müssen wir unseren Kompetenzanspruch immer wieder erneuern.
Das gelingt uns und unsere
Kunden werden dadurch auch den
OBERFLÄCHEN WERKSTOFFE
Argumenten, die Frau Küchen vorbringt, gegenüber empfänglich.
Ich denke, dass in dieser Kreativität die Zukunft liegt, ohne jetzt
den Digitaldruck völlig außen vor
zu lassen. Wir sagen ja schon
lange: Wenn der Digitaldruck
kommt, dann auf jeden Fall mit
uns. Außer uns hat ja ohnehin
kaum jemand die Ressourcen, um
das zu machen. Und bevor wir uns
überholen lassen, setzen wir uns
lieber an die Spitze der Bewegung. Und das nicht, um das von
vorne auszubremsen, sondern um
dabei zu sein. Da leisten
wir als Familie es uns
„In den 90er-Jahren gab es
auch, einfach mal ein paar
Wachstumssprünge, die nur Millionen in die Hand zu
wir befriedigen konnten.“
nehmen und einfach zu
machen.
Walter Schatt
möbelfertigung: Reden
wir nochmal über Digitalisierung. Wie befasst sich Schattdecor mit diesem Thema?
Reiner Schulz: Wenn ich an
die tausende von Mustern denke,
die unsere Vertriebler mit sich
rumschleppen, kann ich mir nicht
vorstellen, dass das in fünf Jahren
auch noch so sein soll. Schattdecor verfolgt jede technologische
Neuerung sehr genau.
möbelfertigung: Hinsichtlich
der vernetzten Fertigung, redet man auch oft von Verlagerung der Fertigung ins Ausland. Wie sehen Sie das?
Walter Schatt: Wenn es mit fortschreitender Technik irgendwann
egal sein sollte, wo man produziert,
kann man ja genau so gut hier in
Deutschland produzieren.
Ich war vor einiger Zeit bei Blum
und bin mit Gerhard Blum durch
die Fertigung gegangen. Dort sieht
man teilweise keine Menschen
mehr. Dann waren wir aber in der
Lehrwerkstatt und
trafen dort 300
„Mit unseren vorhandenen
Lehrlinge. Denn die
Reserven können wir momentan
braucht man trotzüberall auf der Welt zusätzliches
dem.
Deshalb
ist
Wachstum auffangen.“ Roland Auer
meine Zukunftsvision für unser
Land, dass wir natürlich das
Know-How hier haben – und
auch die gut ausgebildeten Menschen.
00 möbelfertigung 1/2015
Wenn wir für die einfacheren
Arbeiten wirklich nur noch Maschinen benutzen, ist mir nicht
bange, im Gegenteil, dann haben
wir erst recht einen Standortvorteil. Ich habe Studien gelesen,
nach denen diese Maschinen nicht
die Facharbeiter, sondern eine
Menge der Studierten in niedrigen
bis mittleren Positionen ersetzen
werden.
Aber: Wir müssen aufpassen,
dass wir in zehn oder 15 Jahren
nicht einen Haufen Leute ausgebildet haben, die nicht mehr gebraucht werden. Wer eigens für
die Anforderungen einer automatisierten Fertigung ausgebildet
wurde und eine solche Maschine
in Gang halten kann, steht im
Zweifelsfall dann deutlich besser
da als ein mittelprächtiger studierter Ingenieur.
Früher haben wir die Farben
von Hand gemischt, heutzutage
haben wir dafür natürlich eine
Software. Und auch die Druckfreigabe hat sich extrem verändert. Es
gibt eine digitale Überprüfung,
was uns deutlich mehr Sicherheit
gibt.
Ich habe es früher für unmöglich gehalten, dass man ein Dekor,
dass aus drei übereinanderliegenden Strukturen besteht, ausmessen und mit dem Urmuster abgleichen kann, aber es geht eben
doch. Dadurch sind die Mitarbeiter
nicht überflüssig geworden, aber
es geht viel schneller und die
Schichtleiter haben eine viel größere Sicherheit. Wenn die damals
mal gestresst oder nicht in Form
waren, haben die schon mal die
ganze Nacht im Kreis „rumgemischt“, bis sie die richtige Farbe
hatten. Da musste unser Produktionsleiter – der Bruder von Herrn
Schulz – öfter auch mal 16 Stunden arbeiten, weil er der schnellste war. Mit den Hilfsmitteln von
heute wäre das nicht so arg gewesen.
möbelfertigung:
Verändert
sich die Art der Arbeit bei
Schattdecor denn jetzt schon?
Reiner Schulz: In Thansau nimmt
der Anteil der Verwaltung zu, die
Mitarbeiter in der Produktion werden prozentual weniger. Hier sitzt
schließlich das Mutter-Unterneh-
men mit Vorstand, Design, Marketing, Kommunikation, Technik und
IT. Mit der Produktion gehen wir
dorthin, wo unsere Produkte gebraucht werden.
möbelfertigung: Was glauben
Sie, wie Schattdecor in zehn
oder 20 Jahren dasteht?
Reiner Schulz: Sicherheiten gibt
es nicht und das ist gut so. Sonst
würden uns die Füße einschlafen.
Eine gesunde Unsicherheit ist
wünschenswert, denn so ist gewährleistet, dass wir alle in Form
bleiben. Das heißt, wir wollen
starke Konkurrenz, denn wer sich
immer nur selbst in Schwung halten will, muss schon enorm gut
sein. Das ist nicht so einfach.
Walter Schatt: Als Familienvater
kann ich zum Thema Kontinuität
nur mit den Worten meines
Rechtsanwalts antworten: „Herr
Schatt, schlagen Sie es sich aus
dem Kopf. Sie können Ihre Erben
nicht für die nächsten zwanzig
Jahre binden. Da können Sie jetzt
noch so viel aufschreiben. Das
können die alles sowieso rückgängig machen.“ Ich habe meinen
Teil beigetragen und bin ziemlich
zuversichtlich, wenn ich an meine
Töchter denke. Die stehen voll zu
unserem Unternehmen.
Ob wir in dreißig Jahren noch
Dekore drucken, weiß ich nicht.
Aber: Wir sind gut aufgestellt und
finanziell gut ausgestattet. Und
der internationale Weg, den wir
beschritten haben, gibt uns Sicherheit.
Reiner Schulz: Anhand unserer
Qualität und finanziellen Ausstattung, kann nur dann etwas passieren, wenn wir selbst etwas verkehrt machen. Wenn es in 20 Jahren keine Dekore mehr gibt, dann
ist das eben so. Aber wenn wir
eine Entwicklung verpassen, obwohl wir sie mitgehen und uns
hätten leisten können, dann hätte
das Management versagt.
Ich bin genauso frohen Mutes,
dass Schattdecor weltweit eine
gute Entwicklung nehmen wird.
Aber wir können uns niemals ausruhen und nie nachlassen.
Das Interview
führten Tino Eggert und
Sebastian Hahn