REPORTAGE Ganz neu ist sie nicht mehr, die Technologie des 3D-Druckens. Zurzeit erlebt sie allerdings ihren Durchbruch. Immer mehr Unternehmen und Institutionen setzen auf die Vorteile der Herstellung mittels 3D-Druck, ob im Prototypen-Bau, für Modelle oder Ersatzteile. Auch bei den Endverbrauchern ist die Technologie inzwischen angekommen. „Die Wirtschaft“ erklärt im zweiten Teil ihrer Serie „Digitalisierung der Wirtschaft“, was „3D-Druck“ genau ist und zeigt Beispiele für das breite Spektrum an Einsatzmöglichkeiten für die neue Technologie. 3D-Druck: Von der Büste bis zum schnellen Prototypen 3D-Druck rettet Leben. In den USA glückte vor einigen Monaten einem Ärzteteam die Herzoperation bei einem Kleinkind. Die Ärzte konnten den anspruchsvollen Eingriff minutiös planen und die Operationsschritte exakt festlegen. Denn sie hatten ein Modell des kranken Kinderherzens angefertigt. Eine Mikrokamera hatte die erforderlichen dreidimensionalen Daten geliefert, mithilfe eines 3D-Druckers entstand dann ein originalgetreues 2:1-Modell aus Kunststoff. Es zeigte sämtliche Strukturen und Defekte des echten Herzens. Auf Basis der üblichen zweidimensionalen Scans des kranken Organs hätten die Ärzte in diesem Fall den Eingriff nicht gewagt, auf Grundlage des 3D-Modells schon. Mit Erfolg. Ortswechsel. Auch im Knauber-Freizeitmarkt an der Endenicher Straße in Bonn hat das 3D-Drucken Einzug gehalten. Hier können die Kunden seit gut einem Jahr die noch recht junge Technologie bestaunen. Und mehr noch: Sie können selbst Druckaufträge erteilen. In einer Vitrine lassen sich einige Beispiele 30 Die Wirtschaft April 2015 bewundern. Da ist zum Beispiel das originalgetreue, 15 Zentimeter hohe 3D-Modell eines Hochzeitspaars. Oder die Büste von Tobias Ophoven. Sie kennen Tobias Ophoven nicht? Nun, der junge Mann ist einer der vielen freundlichen Fachkräfte im Knauber-Freizeitmarkt. Er arbeitet in der Abteilung Werkzeug und Eisenwaren – und betreut die beiden 3DDrucker. Um neugierigen Kunden zu zeigen, was geht, hat er mit dem Scanner in wenigen Minuten seinen Kopf samt Schultern, Brust und Rücken erfasst und an den Computer übertragen. Dank einer speziellen Software entsteht nun am Rechner ein dreidimensionales Profil von Ophovens Oberkörper. Bei Bedarf kann er nun noch Details verändern – und das Profil dann als „stl“-Datei abspeichern. Ein weiterer Klick startet den Druckauftrag. Heraus kommt nun aber nicht, wie gewohnt, ein zweidimensionales Bild. Stattdessen entsteht binnen zehn bis 13 Stunden aus ABS-Kunststoff, der in Form eines Kabels vorliegt und vom Druckkopf, wie bei einer Heißklebepistole, auf 230 Grad erwärmt und damit verflüssigt wird, langsam, Schicht für Schicht, eine 15 Zentimeter hohe „Büste“ aus Kunststoff. Unverkennbar ein REPORTAGE Modell von Tobias Ophoven. Man kann dabei zusehen, die beiden Geräte stehen mitten auf der Verkaufsfläche. „3D-Druck ist ein starker Trend und passt gut zu unserem Kernthema ‚Do-it-yourself‘“, erläutert Dr. Nektarios Bakakis, Geschäftsführer der Knauber Freizeit GmbH & Co. KG, „deshalb wollen wir unseren Kunden zeigen, was mit 3D-Druck möglich ist – und sie dazu einladen, es auszuprobieren.“ Das tun die Kunden. Die meisten – bisher rund 70 Prozent – lassen sich solche Eigenmodelle, Schlüsselanhänger und andere Dinge drucken, meist als ungewöhnliches Geschenk. Jeder fünfte Druckauftrag aber mündet inzwischen in kleine Gebrauchsgegenstände, Ersatzteile wie Sofafüße, Schalter oder Adapter etwa. „Wir sind stets an Innovationen interessiert“, benennt Bakakis einen weiteren Antrieb fürs 3D-Drucken. Die derzeitigen Geräte stoßen allerdings an drei Grenzen: maximale Größe des Druckgegenstands (derzeit rund 15 mal 15 mal zehn Zentimeter), Geschwindigkeit und Material. Bakakis würde das Angebot gerne auf Silikon, Glas, Keramik und Acryl ausweiten. „Das wird kommen“, ist er überzeugt, „ist derzeit aber noch zu aufwändig und zu teuer.“ Die bisher eingeschränkte Materialvielfalt und die mangelnde Druckgeschwindigkeit sind auch aus Sicht von Karl-Friedrich Linder bisher die Hemmnisse für eine stärkere Anwendung des 3D-Drucks. „Sie können oft ein Originalstück nicht abbilden, weil der 3D-Drucker das gewünschte Material nicht verwenden kann“, weiß der Geschäftsführer der Bonner Dr. Reinold Hagen Stiftung, die sich intensiv mit der neuen Technologie auseinandersetzt. Hinzu komme die bisher ungenügende Oberflächenqualität. „Der 3D-Druck revolutioniert die Fertigung“ Dennoch: Nach Überzeugung der meisten Experten gehört der Technologie die Zukunft. „Der 3D-Druck“, sind sich Heiko Oberlies und Dr. Rainer Neuerbourg von der IHK Bonn/Rhein-Sieg, der eine zuständig für IT, der andere für Technologie und Innovation, sicher, „revolutioniert die Fertigung.“ Zum einen macht er formgebende Werkzeuge obsolet. Ob Prototypen, Anschauungsmodelle, Messestücke oder echte Bauteile für Maschinen und Anlagen – mittels 3D-Druck lassen sie sich schnell, einfach und fehlerfrei aus zweidimensionalen Daten erzeugen. Mit nahezu unbegrenzten Einsatzmöglichkeiten. Zum zweiten sorgt 3D-Druck für enorme Flexibilität. Wenn ein Detail nicht stimmt, muss kein neues Werkzeug gebaut, sondern müssen lediglich die Daten modifiziert werden, schon ist ein neuer Druck möglich. Der dritte Vorteil: Die Technologie ist inzwischen bezahlbar. Spitzengeräte kosten weiterhin mehrere 10.000 Euro – doch Einstiegsbarrieren sinken. Tchibo umwarb im Weihnachtsgeschäft 2014 seine Kunden damit, „ihre „3D-Druck ist ein starker Trend. Wir wollen unseren Kunden zeigen, was mit 3D-Druck möglich ist“, so Dr. Nektarios Bakakis, Geschäftsführer der Knauber Freizeit GmbH & Co. KG Ideen in Form zu bringen“. Das Unternehmen bot einen 3D-Drucker an, um „von einfachen Haushaltsartikeln bis hin zu ausgefallenen Schmuck- und Deko-Kreationen mit Hilfe der zugehörigen Vorlagen oder nach eigenen Entwürfen unzählige Gegenstände“ zu erschaffen. Preis: 499 Euro. Verkaufszahlen nennt das Unternehmen keine, aber so die Pressesprecherin: „Wir waren mit dem Verkauf sehr zufrieden.“ Hört man sich in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis um, stellt man fest: der 3D-Druck ist längst nichts Geheimnisvolles mehr, die Technologie wird angewendet. Am Fachbereich Elektrotechnik, Maschinenbau & Technikjournalismus der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zum Beispiel. Schon seit mehreren Jahren setzt man dort auf 3D-Druck, um zum Beispiel kleine Modelle zu erzeugen. „Die Studierenden sollen Teile, die sie am Rechner entwerfen, auch anfassen und ausprobieren können“, ist laut Erik Solda ein Grund dafür. Der wissenschaftliche Mitarbeiter kümmert sich unter anderem um den Drucker und die dazugehörige Software. „Wir fertigen aber auch konkrete Funktionsteile, etwa Halterungen für Sensoren oder kleine Zahnräder“, ergänzt er. Vorteil Nummer 1: relativ komplizierte Formen ließen sich einfach herstellen. Vorteil Nummer 2: „Je nach Teil würden wir in der Werkstatt mehrere Arbeitsschritte und bis zu Erik Solda, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, kümmert sich unter anderem um den 3DDrucker und die dazugehörige Software. Die Wirtschaft April 2015 31 REPORTAGE Hochschule Bonn-Rhein-Sieg: Ein per 3D-Druck erzeugtes Teil – die Radaufhängung eines „Formula Student Rennwagens“. zwei Tage benötigen“, weiß Solda, „mit dem 3D-Drucker gibt’s nur einen Arbeitsschritt: drucken – und das geht je nach Teil in vier bis fünf Stunden.“ „Der 3D-Druck wird eine feste Größe in der Zahntechnik“ 3D spielt auch eine wichtige Rolle im Geschäftsmodell der SICAT GmbH & Co. KG aus Bad Godesberg. SICAT, eine Ausgründung aus dem Bonner Forschungszentrum Caesar, treibt die Digitalisierung von Arztpraxen voran. Das Unternehmen entwickelt unter anderem Software zur dreidimensionalen Bildgebung und Therapieplanung für die dentale Implantologie sowie die Funktionsdiagnostik und -therapie. Bei der Software „SICAT Implant“ geht es einerseits um 3D-Diagnostik, die das zweidimensionale Panorama-Röntgenbild ersetzen soll, andererseits um die Unterstützung des Zahnarztes beim Setzen von Implantaten. Die werden zwar nach wie vor in anderen Verfahren hergestellt, der 3D-Druck findet aber inzwischen unter anderem in der Herstellung von Provisorien und Modellen Anwendung. „Neben der CNC-Fertigung wird der 3D-Druck eine feste Größe in der Zahntechnik“, glaubt Dr. Gerhard Zündorf, Bereichsleiter Bohrscha- Ansprechpartner A Dr. Rainer Neuerbourg, Dr Ind Industrie, Innovation, Umwelt, Tel. 0228 2284-164, [email protected] n Heiko Oberlies, IT/Kommunikationstechnik Tel. 0228 2284-138, [email protected] 32 Die Wirtschaft April 2015 Dr. Gerhard Zündorf, Bereichsleiter Bohrschablonen bei SICAT, Bonn, glaubt, dass „... der 3D-Druck eine feste Größe in der Zahntechnik werden wird“. blonen bei SICAT. Die Bohrschablonen werden ebenfalls noch auf anderem Wege erzeugt, nämlich durch CNC-Fräsen. „Über kurz oder lang wird der 3D-Druck eine interessante Alternative“, prognostiziert Zündorf. Ohne formgebende Werkzeuge eine 3D-Geometrie erzeugen – das geschieht bei der GKN Sinter Metals Components GmbH, diee ebenfa ebenfalls in Bad Godesberg Com ompo pone nent ntss Gm mbH H, di d sitzt, schon seit rund drei Jahs tz si t t, t scho ren. reen. n „Wir „W fertigen zum Beisspiel sp iel für unsere Kunden 3D-Anschauungsmodel3D-A auch Bauteile, le oder o die wir in der Produktion nutzen“, erläutert Antonio Casellas (l.), Ant Vice President Global Product Management. Auch in der Konstruktionsabteilung entstehen Prototypen mittels 3D-Druck. „Aber“, schränkt Casellas ein, „das Verfahren ist kein Ersatz für Spritzgussverfahren oder für große Serien.“ Für die Serienfertigung ist 3D-Druck viel zu langsam und kostspielig. Aber: „Die Technologie entwickelt sich derzeit stark weiter“, beobachtet der Manager, „und richtig spannend wird es, wenn Sie 3D-Druck mit anderen Materialien als Kunststoff betreiben können.“ Zum Beispiel mit Titanpulver, wie es von GKN für den Flugzeugbau verwendet wird. „Bisherige Verfahren produzieren sehr viel Ausschuss“, so Casellas, „mit 3D-Druck dagegen könnten sie bis zu 95 Prozent des eingesetzten Materials pro Bauteil sparen!“ Auch lassen sich Bauteile erzeugen, die wesentlich leichter sind als herkömmlich gespante oder gegossene Bauteile. Lothar Schmitz, freier Journalist, Bonn
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