Schweiz am Sonntag, Nr. 18, 3. Mai 2015 14 REGION | Thomas Schweizer erläutert das Projekt im Info-Center Eppenberg. BKO «Der Tunnel ist nötig für Tempo 160 km/h» Herr Schweizer, warum baut die SBB nicht die Stammlinie auf 4 Spuren aus? Thomas Schweizer: Die jetzige Gleisgeo- Spatenstich mit Bundesrätin Doris Leuthard und (v. l.) Regierungsrat Roland Fürst (SO), Gesamtprojektleiter Thomas Schweizer, SBB-CEO Andreas Meyer und Regierungsrat Stephan Attiger (AG). Die symbolisch dargestellte Tunnelbohrmaschine kommt ab Frühjahr 2016 zum Einsatz. Bypass für die Hauptschlagader Bundesrätin Doris Leuthard am Spatenstich zum Ausbau des SBB-Flaschenhalses Olten–Aarau VON CHRISTIAN VON ARX (TEXT) UND BRUNO KISSLING (FOTOS) ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● E inem alten Flaschenhals an der Ost-West-Achse des Schweizer Bahnnetzes wird jetzt zu Leibe gerückt. In der Wöschnau, 600 Meter westlich der Kantonsgrenze Solothurn/Aargau, feierte die SBB gestern den Spatenstich zum durchgehenden Ausbau der teilweise noch zwei- und dreispurigen Strecke Olten–Aarau auf vier Spuren. Herzstück des 855 Mio. Franken teuren Ausbaus ist der 3 Kilometer lange Eppenbergtunnel. Er wird als zweispuriger «Bypass» zwischen Gretzenbach und der Wöschnau die Kapazität der ebenfalls zweispurigen Stammlinie durch das Nadelöhr Schönenwerd erhöhen. Für fünfeinhalb Jahre wird die Bahnlinie Olten–Aarau eine Grossbaustelle. «WIR STEHEN HIER an der wichtigsten Bahnverbindung zwischen Genf und Romanshorn», unterstrich Bundesrätin Doris Leuthard die Bedeutung des Vorhabens. «Ein Zwischenfall hier – und der Schweizer Bahnverkehr steht still.» Die Verkehrsministerin hob das Projekt in fast schon staatspolitische Höhe: «Der Eppenbergtunnel soll unser Land durch- gängiger machen.» Ab 2021 eine ausgebaute Strecke mit Mehrwert für die Reisenden – so laute die Zielvorgabe des Bundes. Den Arbeitern wünschte Leuthard Glück für eine unfallfreie Bauzeit. Und fügte bei: «Ich freue mich, 2021 bei der Inbetriebnahme wieder dabei zu sein – in welcher Funktion auch immer.» die Bauarbeiten 2020 pünktlich fertig werden, werden wir mit 400 Meter langen Fernverkehrs-Doppelstockzügen mit 1200 Sitzplätzen jeweils in der Hauptlastrichtung in Aarau anhalten: Am Morgen Richtung Zürich, am Abend Richtung Bern», versprach Meyer. Allfälligen Lärm-Befürchtungen wegen des Güterverkehrs trat der SBB-CEO AN LÄNGE kann sich der Eppenbergtun- entgegen: «SBB Cargo hat heute eine nel nicht mit dem 57 Kilometer langen lärmsanierte Güterwagen-Flotte.» Und: Gotthard-Basistunnel vergleichen, der in «Der Bund hat entschieden, dass ab 2020 gut einem Jahr eröffnet wird. Doch SBB- keine nicht lärmsanierten Güterwagen CEO Andreas Meyaus dem Ausland er rückte die Dimehr das Schweimensionen zuzer Schienennetz recht: «Hier fahren befahren dürfen.» Hier fahren täglich zehntäglich zehnmal der Verkehr mal mehr Menschen durch Damit mehr Menschen auch während der durch als auf der als auf der Gotthard-Achse.» mehrjährigen BauGotthard-Achse. zeit möglichst unUnd schon heute ANDREAS MEYER, CEO DER SBB eingeschränkt verkehren hier rollt, haben die täglich 550 Züge, SBB zwischen Olwährend es auf der Gotthard-Basislinie ten und Aarau für 60 Mio. Franken die Siim Vollausbau 340 Züge sein werden.» gnalabstände verkürzt. In der Nacht auf Im Fernverkehr plant die SBB dank heute Sonntag ging das neue Stellwerk dem Ausbau ihrer Hauptschlagader ei- mit 32 zusätzlichen Signalen in Betrieb. nen Viertelstundentakt der Intercityzüge zwischen Bern und Zürich zur Hauptver- DIE BAUDIREKTOREN der Kantone Solokehrszeit. Doch die neue Kapazität soll thurn und Aargau, Roland Fürst und Steauch der Region Nutzen bringen. «Wenn phan Attiger, griffen die regionalen Ange- « ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● botsverbesserungen auf, die ab dem Fahrplanwechsel 2020 möglich werden: durchgehender Halbstundentakt der S-Bahn zwischen Olten und Aarau auch ausserhalb der Hauptverkehrszeiten, halbstündige Direktverbindungen Zofingen–Olten–Aarau. Bereits ab Dezember 2017 werde zudem auf der S3 Aarau–Zürich der Halbstundentakt möglich, dies dank eines provisorischen Wendegleises im Bereich des neuen Tunnelportals in der Wöschnau, wie Attiger erwähnte. Kritisch hielt der Aargauer Regierungsrat fest, dass erst Teile der Ausbauten zwischen Olten und Zürich realisiert seien, die im Konzept Bahn 2000 von 1985 vorgesehen waren. Nachdrücklich forderte er, dass der Chestenbergtunnel in den Ausbauschritt 2030 aufgenommen und rasch realisiert werde. HEITERKEIT löste Stephan Attiger aus, als er den Eppenbergtunnel mit dem bekannten Tunnellied als neues Einfahrtstor des Aargaus auf der West-Ost-Achse deutete: «Wenn me ine chunnt wirds dunkel, wenn me use chunnt, ischs Aargau!» Roland Fürst und die Solothurner Gemeindepräsidenten pochten freundnachbarlich darauf, dass auch das Ostportal des Eppenbergtunnels immer noch im Kanton Solothurn liege … metrie erlaubt nur Geschwindigkeiten bis zu 125 km/h. Das ist für die Zukunft nicht mehr akzeptabel. Im Eppenbergtunnel werden die Züge mit 160 km/h fahren, ausgebaut wird er für 180 km/h. Die Realisierung solcher Geschwindigkeiten auf der Stammlinie hätte Begradigungen des Trassees in einem Ausmass erfordert, dass Schönenwerd nicht mehr Schönenwerd gewesen wäre. Ein solches Projekt ist in der heutigen Zeit nicht mehr denkbar, es wäre nicht genehmigungsfähig. Ich bin überzeugt, dass es am Ende auch nicht billiger gewesen wäre als der Tunnel. Bringt der Tunnelbau Risiken für Gebäude nahe über der Röhre, beispielsweise in Gretzenbach? Die Tunnelbormaschine minimiert diese Risiken gegenüber dem Einsatz der Sprengtechnik stark. Ausschliessen kann man sie aber nie vollständig. Darum werden derzeit von allen Gebäuden Rissprotokolle erstellt, die den Zustand vor dem Baubeginn dokumentieren. Auch während des Baus werden ständig Messungen erfolgen. Sollten Risse oder Senkungen auftreten, werden wir entschädigungspflichtig. Weiter gibt es oberhalb des Tunnels eine Anzahl privater Quellen, vor allem in Schönenwerd. Auch hier kann es Auswirkungen geben, wenn im Berginnern gebaut wird. Darum werden diese Quellen überwacht. Der ganze Vierspurausbau Olten–Aarau kostet 855 Mio. Franken – wieviel davon entfällt auf den Tunnel allein? Rund 300 Mio. Franken, die Tunnelausrüstung inbegriffen. Die Tunnelbohrmaschine soll den Vortrieb von der Wöschnau nach Gretzenbach bis im Frühjahr 2018 geschafft haben. Was passiert danach bis zur Inbetriebnahme des Tunnels Ende 2020? Nach dem Durchbruch wird der Tunnel innen ausgebaut, und die Gleise werden eingebaut. Zudem erfolgen in dieser Zeit Ausbauten im sogenannten Vorbahnhof in Olten, das heisst bei der östlichen Ausfahrt des Bahnhofs. Gibt es während der Bauzeit Einschränkungen im Bahnbetrieb auf der Stammlinie Olten–Aarau? Grundsätzlich nicht. Einzige Ausnahme: Ab Fahrplanwechsel im Dezember 2015 können die Züge der S 23 in Dulliken für mindestens zwei Jahre nicht mehr anhalten. Die Ersatzmassnahmen wurden Anfang März mitgeteilt. Wann fahren die ersten Züge durch den Eppenbergtunnel, und wann wird der Halbstundentakt für die Regionalzüge Olten–Aarau Realität? Die Planung sieht beides für den Fahrplanwechsel Ende 2020 vor. Aus heutiger Sicht sollte das möglich sein. Werden die Güterzüge im Tunnel oder auf der Stammlinie verkehren? Ganz links: Eröffnet wurde gestern auch der neue SBB-Info-Center Eppenberg auf den Installationsplatz in der Wöschnau. Links: Der Aussichtsturm bei InfoCenter ermöglicht den Besuchern eine Übersicht über das ganze Baugelände beim Tunnelportal Wöschnau. Oben: Das Baustellenfest zum Spatenstich bot viele Attraktionen. Tagsüber brauchen wir den Tunnel für die schnellen Züge, also für den Fernverkehr, dann fahren die Güterzüge auf der Stammlinie. Nachts fahren mit Ausnahme der letzten Regionalzüge und der Postzüge sämtliche Züge durch den Tunnel, auch die Güterzüge. INTERVIEW: CHRISTIAN VON ARX Thomas Schweizer ist Gesamtprojektleiter SBB für den Vierspurausbau Olten–Aarau.
© Copyright 2025 ExpyDoc